Parlamentskorrespondenz Nr. 561 vom 24.05.2023

Nationalrat: Opposition pocht auf Maßnahmen gegen die Teuerung

Aktuelle Stunde zum Thema "Preisstopp - Steuerstopp - Sanktionsstopp!"

Wien (PK) – Der Nationalrat hat sich heute zum Auftakt der Plenarwoche einmal mehr mit der aktuellen Teuerung beschäftigt. Unter dem Titel "Preisstopp – Steuerstopp – Sanktionsstopp! Wann setzt die Regierung endlich echte Maßnahmen gegen die Kostenlawine?" forderte die FPÖ in der Aktuellen Stunde einmal mehr, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und auf Energie zu senken, die CO2-Steuer abzuschaffen und die Russland-Sanktionen zu beenden. Die Armut sei "im Mittelstand angekommen", Schuld daran sei die Regierungspolitik, zeigte sich FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch überzeugt. Auch die SPÖ drängte auf Preiseingriffe bei Lebensmitteln und Mieten, während die NEOS vorschlugen, die Nachfrage durch Entlastungen bei der Kapitalertragsteuer (KEST) zu dämpfen und Sparen dadurch wieder attraktiver zu machen.

Bundeskanzler Karl Nehammer sieht die Forderungen der SPÖ und der FPÖ allerdings weiterhin skeptisch. Einfache Lösungen würden bei komplexen Sachverhalten nicht greifen, meinte er und warf der FPÖ vor, die Menschen durch falsche Zahlen zu verunsichern. Gleichzeitig verwies er auf zuletzt vereinbarte Maßnahmen wie das Paket gegen Kinderarmut und appellierte an die Opposition, wichtige Gesetzesmaterien, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen, nicht "aus parteitaktischen Gründen" zu blockieren. ÖVP und Grüne orten bei der FPÖ außerdem "Russlandhörigkeit" und "Europafeindlichkeit".

FPÖ kritisiert Regierung heftig und fordert Neuwahlen

Eingeleitet wurde die Debatte durch FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch, die die Aktuelle Stunde zu einem Rundumschlag gegen die Regierung nutzte. Österreich habe die höchste Inflation in der Eurozone, es gebe immer mehr Österreicher:innen, die 40 Stunden arbeiten und sich ihr Leben trotzdem nicht leisten könnten, beklagte sie. Die Armut sei "im Mittelstand angekommen".

Schuld daran ist Belakowitsch zufolge die Regierungspolitik. Nicht nur sei die Wirtschaft "durch die Lockdown-Politik heruntergeschraubt" worden, Bundeskanzler Nehammer habe Österreich auch "in einen Wirtschaftskrieg hineingeführt". Unter den Russland-Sanktionen leide die österreichische Bevölkerung jedoch weit mehr als Russland. Zudem sei Österreich in den letzten Jahren zu einem "Asylmagneten" geworden, während qualifizierte Arbeitskräfte fehlten. Durch "eine Verteufelung von Kohle und Gas" habe man zusätzlich "grüne Inflation" befeuert. Bundeskanzler Nehammer sei aber nach wie vor nicht willens, die Teuerung zur Chefsache zu erklären, kritisierte Belakowitsch. Vielmehr "wurstelt" die Regierung ihrer Meinung nach weiter.

Bekräftigt wurde diese Kritik von den FPÖ-Abgeordneten Christian Hafenecker und Peter Wurm. Letzterer sprach etwa von einem "von den Grünen angezettelten Ökowahnsinn" und drängte nicht nur darauf, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel zu senken, die Mehrwertsteuer auf Energie zu halbieren und die CO2-Abgabe abzuschaffen, sondern auch "die sinnlosen" Russland-Sanktionen" zu beenden und die Banken "zur Räson" zu bringen. Hafenecker sieht als einzigen Ausweg aus der "Sackgasse", in die sich die Regierung seiner Auffassung nach hineinmanövriert hat, einen Rücktritt von Bundeskanzler Nehammer, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen.

Nehammer: Kaufkraft ist zuletzt gestiegen

Falsche Argumente würden nicht wahrer, auch wenn man sie ständig wiederhole, hielt Bundeskanzler Karl Nehammer der FPÖ entgegen. So stimmt es ihm zufolge etwa nicht, dass Österreich die höchste Inflationsrate in der Eurozone hat. Zudem verwies er auf Daten der Statistik Austria, denen zufolge die Kaufkraft der Österreicher:innen zuletzt nicht zurückgegangen, sondern um 3,1 % gestiegen ist. Die Menschen hätten ausreichend Einkommen zur Verfügung, um die Teuerung zu überstehen. Durch die von der Regierung gesetzten Maßnahmen sei es überdies gelungen, hohe Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Trotz eines engmaschigen sozialen Netzes, gebe es jedoch ein paar Lücken, räumte Nehammer ein. Diese versuche man, etwa durch das vereinbarte Paket gegen Kinderarmut, zu schließen. Zudem verwies er auf die beabsichtigte Erhöhung der "Übergewinnsteuer" für Stromanbieter, um diese dazu zu bewegen, die gesunkenen Marktpreise für Strom an Unternehmen und Haushalte weiterzugeben. Mit den zusätzlichen Einnahmen will er Gemeinden "ein Angebot machen", damit diese ihre Gebühren – analog zum Bund – nicht erhöhen. Auch gelte es, alles daran zu setzen, dass sich mehr Arbeiten und Arbeiten über das reguläre Pensionsantrittsalter hinaus lohne, meinte Nehammer.

Zu den konkreten Forderungen der FPÖ merkte Nehammer an, einfache Lösungen würden bei komplexen Sachverhalten nicht greifen. Es mache wenig Sinn, die Menschen noch mehr zu verunsichern, konstatierte er. Zudem sei es falsch, die Russland-Sanktionen als Kostentreiber darzustellen. Schließlich sei Gas niemals sanktioniert, sondern von Russland vielmehr als Druckmittel eingesetzt worden. Man müsse auch zur Kenntnis nehmen, dass es, wenn ein Land ein anderes überfalle, einen Aggressor und ein Opfer gebe. An die Opposition generell appellierte Nehammer, wichtige Gesetzesmaterien, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen, nicht "aus parteitaktischen Gründen" zu blockieren.

ÖVP kritisiert Abwesenheit von FPÖ-Chef Kickl

Auch die ÖVP-Abgeordneten Christian Stocker und Christoph Zarits verwiesen auf von der Regierung gesetzte Entlastungsmaßnahmen, bei denen die FPÖ vielfach nicht mitgestimmt habe, wie Stocker hervorhob. Als Beispiel nannte Zarits etwa die Abschaffung der sogenannten kalten Progression, die den Menschen "mehr Betto vom Brutto" bringe. Was man nicht brauche, seien "Sozialismus und Populismus", erklärte Zarits, diese seien vielmehr Teil des Problems, wie die Vergangenheit gezeigt habe.

Auch dass die FPÖ Ungarn immer wieder als Vorbild nennt, hält Stocker (ÖVP) für fragwürdig. Die Inflation in Ungarn liege trotz Preisbremsen bei 24 %, zudem befinde sich das Land seit 2022 in einer Rezession, gab er zu bedenken. Das sei kein Vorbild für Österreich. Der FPÖ gehe es nicht um die Menschen, sondern nur "um die Stimmen der Menschen", zeigte er sich überzeugt. Für Unmut bei der ÖVP sorgte außerdem die Abwesenheit von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Obwohl dieser den Antrag für die Aktuelle Stunde eingebracht habe, habe er sich – bereits zum 23. Mal in dieser Legislaturperiode – für die Sitzung entschuldigt, hielt ÖVP-Klubobmann August Wöginger fest.

SPÖ: Regierung hat zu spät und falsch gehandelt

Auch SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried machte die Abwesenheit Kickls zum Thema. Er habe zwei Erklärungen dafür, meinte er ironisch: Entweder interessiere ihn das Thema Teuerung nicht oder es gebe "kein Wording aus Moskau".

Dass die Regierung zu wenig gegen die Teuerung unternimmt, darin ist sich die SPÖ mit der FPÖ allerdings einig. Es sei Faktum, dass Österreich die höchste Inflation in Westeuropa habe, hielten sowohl Leichtfried als auch sein Fraktionskollege Kai Jan Krainer fest. Die SPÖ habe als erste vor der Teuerung gewarnt, betonte Leichtfried, damals seien die Abgeordneten von der Regierung allerdings als "Hysteriker" bezeichnet worden. Mittlerweile habe die Regierung "Milliarden ausgegeben", die jedoch nicht gewirkt hätten. Sie habe zu spät gehandelt und das Falsche getan, sind sich Leichtfried und Krainer angesichts der Ergebnisse sicher. 1,5 Millionen Menschen in Österreich könnten Wohn- und Energiekosten nur noch teilweise bezahlen und sich nicht mehr regelmäßig warme Mahlzeit leisten, so Leichtfried. Krainer verwies zudem darauf, dass sich die Mieten auf Rekordniveau befinden und die Kinderarmut seit dem Antritt der Regierung um 50 % gestiegen sei.

Leichtfried appellierte in diesem Sinn an die Regierung, die Vorschläge der SPÖ wie ein Einfrieren der Mieten, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und die Einführung eines Energiepreisdeckels endlich aufzugreifen und von einer weiteren Erhöhung der CO2-Steuer abzusehen. Während die Strom- und Energiekonzerne und damit ihre Aktionär:innen zuletzt Rekordgewinne gemacht hätten, würden die Kund:innen die Rechnung zahlen, beklagte Krainer.

Grüne verweisen auf Paket zur Verhinderung von Armut in Familien

Ausgrenzung, Spaltung und Hetze sei die einzige Sprache, die die FPÖ spreche, hielt Grün-Abgeordnete Barbara Neßler zu den Ausführungen der Freiheitlichen fest. Die FPÖ agiere gegen die eigene Bevölkerung, leiste "null Beitrag" für die Gesellschaft und für europäische Grundwerte und hänge "am Gängelband Russlands". Immer wenn es um Sozialabbau und Korruption gegangen sei, sei die FPÖ "dabei gewesen". Das sieht auch ihre Fraktionskollegin Olga Voglauer so. Die FPÖ trage "so viel Hass in sich" und schreie immer nur "Stopp", machte sie geltend. Stopp heiße aber Stillstand bzw. Rückschritt und bringe keine Lösung.

Inhaltlich verwies Neßler auf das geschnürte Paket zur Verhinderung von Armut in Familien. Die Unterstützung werde so lange fortgeführt, "bis wir aus der Teuerung wieder draußen sind", versicherte sie.

NEOS fordern Freibetrag bei Zinsbesteuerung

Seitens der NEOS plädierte Gerald Loacker dafür, die Inflation durch eine Reduzierung der Nachfrage zu stoppen. Dazu hätten die NEOS auch schon einen Vorschlag gemacht, verwies er auf die Forderung seiner Partei, die Kapitalertragsteuer auf die ersten 1.000 € Ertrag auf Sparbüchern zu streichen. Schließlich würden Anreize zum Sparen inflationsdämpfend wirken. Auch die Nichtbesteuerung von Wertpapier-Erträgen bei einer bestimmten Behaltefrist will er wieder einführen. Wenig halten die NEOS hingegen von Milliardenförderungen "nach dem Gießkannenprinzip". Dadurch sei die Inflation kräftig befeuert worden, sind sich Loacker und seine Fraktionskollegin Julia Seidl einig.

Was die FPÖ betrifft, sei mehrfach belegt, dass diese mit dem Geld der Steuerzahler "schmutzig umgeht", wenn sie ihre Finger "draufbekommt", sagte Loacker. Der Kritik an den hohen Strompreisen schloss er sich allerdings an. Loacker warf den "im Wesentlichen im Eigentum der Bundesländer" befindlichen Stromerzeugern und Netzbetreibern vor, sich "die Taschen vollzustopfen", und sieht die Regierung gefordert, hier einzugreifen. Seidl wandte sich außerdem dagegen, der Gastronomie den schwarzen Peter in Sachen Teuerung zuzuschieben: Diese sei zum einen mit gestiegenen Energiepreisen, Mieten und Personalkosten konfrontiert und müsste zum anderen die Öffnungszeiten aufgrund von Personalmangel reduzieren.

Auch die fraktionslose Abgeordnete Pia Philippa Strache meldete sich in der Debatte zu Wort. Die Bevölkerung fühle sich von der Regierung im Stich gelassen, führte sie aus. Seit drei Jahren befinde man sich in einer Dauerkrise. Viele hätten das Gefühl, dass Politik nicht mehr im Sinne des Gemeinwohls gemacht werde, sondern dass es mehr darum gehe, sich zu profilieren und zu inszenieren. Auch würden Lösungsvorschläge liegen gelassen, "nur weil sie von der Opposition kommen". Das Argument, dass Arbeit vor Armut schütze, hält Strache angesichts der hohen Inflation für "puren Zynismus". (Fortsetzung Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.