Parlamentskorrespondenz Nr. 654 vom 14.06.2023

Nationalrat: Breite Befürwortung für gemeinsame Anstrengungen im Gesundheitssystem

Aktuelle Stunde zu Maßnahmen für eine bessere Gesundheitsversorgung

Wien (PK) – Das Thema "Gemeinsam Gesund: Maßnahmen für eine bessere Gesundheitsversorgung" stellten die Grünen heute in den Mittelpunkt der Aktuellen Stunde im Nationalrat. Gesundheitsminister Johannes Rauch zeigte sich angesichts der Herausforderungen im Gesundheitssystem entschlossen zu Reformen. Wegen der "vielen Player" in diesem Bereich bestehe eine hohe Komplexität, so Rauch. Für ihn stellen das "Einfallstor" für Verbesserungen die Finanzausgleichsverhandlungen dar, um bei der Verteilung und Nutzung der Mittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu einer Reform zu kommen. Das sei aber auch ein "Kraftakt", für den gemeinsam an einem Strang gezogen werden müsse. Heute vorgelegt werde bereits die angekündigte Novelle zum Primärversorgungsgesetz, die weiteren Reformschritte sollen im Herbst folgen, so der Minister.

Rauch sprach sich darüber hinaus dafür aus, auch die Gesundheitsvorsorge und die Rehabilitation zu stärken. An sich sei das Gesundheitssystem in Österreich im EU-Vergleich gut ausgestattet. Es brauche aber eine deutliche Stärkung des niedergelassenen Bereichs, sprach der Minister etwa von einer nicht ausreichenden Dotierung der Kassenarztstellen.

Seitens der SPÖ signalisierte der nunmehrige Klubobmann Philip Kucher (SPÖ) jedenfalls Unterstützung, wenn es der Gesundheitspolitik gelinge, die Situation zu verbessern. Auch Beate Meinl-Reisinger (NEOS) meinte dazu, ihre Hand sei ausgestreckt, thematisierte aber auch eine etwaige Föderalismusreform. Seitens der FPÖ sieht Gerhard Kaniak allerdings viele Chancen der Bundesregierung ungenutzt bzw. habe sich in den letzten drei Jahren einiges verschlimmert. Was jetzt als Reform präsentiert werde, sei zu wenig, so Kaniak.

Grüne: E-Card zählt, nicht die Kreditkarte

Das Prinzip im Gesundheitssystem müsse lauten, "die E-Card zählt, nicht die Kreditkarte", so Ralph Schallmeiner (Grüne). Leider würde man sich derzeit davon wegbewegen. Die Ausgangssituation sei außerdem, dass Spitäler und Mitarbeiter:innen massiv unter Druck stehen. Als historische Chance zur Verbesserung sehe er nun den Finanzausgleich, zumal auch die Bundesländer erkannt hätten, dass nur der Ausbau des niedergelassenen Bereichs und der wohnortnahen Versorgung diesen Druck von den Spitälern nehmen könne. Adaptiert und ausgebaut werde jetzt die Primärversorgung, so Schallmeiner. Eine Forderung nach Ambulanzgebühren lehne er kategorisch ab. Reformiert werden sollen ihm zufolge aber auch weitere Bereiche wie die Medikamenten- und psychosoziale Versorgung. Er sprach sich dafür aus, die Reformen breit und gemeinsam zu tragen. Bedrana Ribo (Grüne) wies zudem auf Maßnahmen hin, die bereits gesetzt worden seien, vor allem im Bereich der Pflegereform. Meri Disoski (Grüne) pochte darauf, dass für die Frauengesundheit und Selbstbestimmung der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sichergestellt bleiben muss.

ÖVP: 100 zusätzliche Kassenarztstellen, 120 Primärversorgungszentren

Das Primärversorgungsgesetz soll aktuell mit dem Ziel reformiert werden, dass solche Zentren rascher eingerichtet werden können, so Josef Smolle (ÖVP). Es brauche aber auch mehr Kassenärzt:innen, daher sei noch für heuer geplant, 100 zusätzliche Kassenarztstellen zu schaffen - samt Anschubfinanzierung für die Ordinationsgründung und voraussichtlich mit Schwerpunkt im Bereich Kindergesundheit, so Smolle. Mittelfristig soll ihm zufolge der Kassenvertrag wieder attraktiver werden als die Wahlarztschiene. Dazu soll österreichweit ein einheitlicher Leistungskatalog geschaffen werden. Sein Versprechen sei zudem, bei jenen aufgebürdeten Aufgaben, die den Gesundheitsberufen fremd seien, wieder zurücksteuern zu wollen. Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) meinte konkret, die Primärversorgungszentren sollen bis zum Jahr 2025 verdreifacht werden, also von 40 auf 120 wachsen, und auch solche speziell für Kinder eingerichtet werden. Wichtig sei ihr auch, das Psychotherapiegesetz fertig zu verhandeln sowie in Prävention und Rehabilitation noch mehr zu investieren.

SPÖ signalisiert Unterstützung

Der nunmehrige Klubobmann der SPÖ, Philip Kucher, meinte eingangs zu seiner neuen Aufgabe, dass es in der Gesundheitspolitik jede Unterstützung der Sozialdemokratie geben werde, wenn es gelinge, die derzeit dramatische Situation zu verbessern. Jeder Mensch habe sich die bestmögliche Gesundheitsversorgung verdient. Auch die SPÖ habe immer Tag und Nacht um Verbesserungen gekämpft. Wenn es jetzt diesen Mut dazu gebe, werde sie das selbstverständlich unterstützen. Die Arbeit an einer bevorstehenden "Teilgesundheitsreform" werde nicht an der SPÖ scheitern, meinte auch Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Zu wenig Signale ortet sie allerdings bisher vom Finanzminister, was die Finanzausgleichsverhandlungen betrifft. In Frage stellte sie auch die Glaubwürdigkeit der ÖVP, zumal der ÖVP-Wirtschaftsbund ihr zufolge gegen neue Kassenstellen gestimmt habe.

FPÖ kritisiert Stillstand und "katastrophale Coronapolitik"

Zu wenig ist es aus Sicht von Gerhard Kaniak (FPÖ), dass bisher nur eine "kleine Novelle" zum Primärversorgungsgesetz vorgelegt werde und es derzeit nur eine Ankündigung gebe, mit den Ländern zu verhandeln. Die Bundesregierung habe die Dinge in den letzten drei Jahren verschlimmert, obwohl die Pandemie rasche Reformen gefordert hätte. Die Chance der Finanzausgleichsverhandlungen sei auch bisher nicht genutzt worden. Die Anzahl der erforderlichen Ärzt:innen für die Gründung eines Primärversorgungszentrums zu reduzieren sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, es brauche aber auch ein Öffnen für private Anbieter und ein Zulassen von Einzelmediziner:innen als Verantwortliche. Insgesamt ortet Kaniak einen Stillstand in den letzten Jahren – etwa auch einen einheitlichen Leistungskatalog hätte man aus seiner Sicht schon längst umsetzen können. Gerald Hauser (FPÖ) kritisierte, dass mittlerweile ein "Dreiklassensystem" im Gesundheitsbereich geschaffen worden sei. "Die Masse" sei medizinisch unterversorgt. Ein künftig gemeinsames Vorgehen erfordere auch eine Aufarbeitung der "katastrophalen Coronapolitik" der vergangenen Jahre, so Hauser.

NEOS thematisieren Föderalismusreform und Strukturwandel

Ihrerseits sei die "Hand ausgestreckt" für Reformen im Gesundheitsbereich, so Beate Meinl-Reisinger (NEOS). Sie erachte das österreichische Gesundheitssystem allerdings für nahezu unreformierbar - ohne Anspruch auf große Reformen im Föderalismus werde es nicht viel besser werden. Am Geld scheitere es auch schon bisher nicht, gab Meinl-Reisinger zu bedenken, dass andere Länder vergleichsweise deutlich niedrigere Ausgaben in dem Bereich hätten. Bei der Anzahl an "gesunden Jahren" liege Österreich allerdings hinten, was darauf schließen lasse, dass "das Geld verpufft" und nicht bei den Menschen ankommt. Außerdem hätten mittlerweile 38 Prozent der Patient:innen in Österreich eine private Versicherung und würden dem Gesundheitssystem nicht mehr vertrauen. Auch Fiona Fiedler (NEOS) betonte, es brauche ein gemeinsames Zusammenspiel aller Player im Gesundheitssystem. Genauso brauche es aber auch einen Strukturwandel. Anzusetzen sei außerdem dringend bei der Prävention sowie bei der psychischen Gesundheit in Form der Übernahme von Therapien durch die Kassen. Bei der Pflegereform müsse laut Fiedler noch an Nachstellschrauben gedreht werden. Bei den Allgemeinmediziner:innen gelte es unter anderem, die Kassenverträge zu verbessern sowie den Zugang zum Studium zu vereinfachen. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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