Parlamentskorrespondenz Nr. 663 vom 14.06.2023

Nationalrat diskutiert Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft für 2022

Kontrollorgan berichtet über höchstes Beschwerdeaufkommen im Vorjahr

Wien (PK) - 23.958 Beschwerden – so viele wie nie zuvor in ihrem 45-jährigen Bestehen – wurden im Jahr 2022 an die Volksanwaltschaft herangetragen. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Kontrollorgans für Missstände in der öffentlichen Verwaltung hervor, der heute im Nationalrat diskutiert und einstimmig zur Kenntnis genommen wurde. Die Krisen der letzten Jahre hätten den Informations- und Unterstützungsbedarf der Menschen erhöht, zugleich hätten sich finanzielle Engpässe im Gesundheits- und Pflegebereich, in der Justiz und bei der Polizei weiter verschärft, heißt es darin. Die meisten Beschwerden betreffen den Sozialbereich, vor allem das Ausbleiben der Zustellung von COVID-19-Absonderungsbescheiden. Bemängelt wird ferner die lange Bearbeitungsdauer von Kostenerstattungen bei der Krankenkasse. Von Beschwerdewellen wird in Bezug auf den Klimabonus und den Energiekostenausgleich berichtet.

Von den beinah 24.000 eingelangten Beschwerden lagen mehr als 7.000 außerhalb des Prüfauftrags der Volksanwaltschaft, sondern in der unabhängigen Gerichtsbarkeit. 16.911 Anliegen betrafen die Verwaltung, wovon 5.796 Fälle unmittelbar erledigt werden konnten. In 11.115 Fällen wurden die Behörden befasst, wobei im Berichtsjahr 10.508 Prüfverfahren abgeschlossen wurden. Die Volksanwaltschaft stellte dabei bei knapp einem Fünftel der Fälle (2.278) einen Verwaltungsmissstand fest.

Ein während der Debatte eingebrachter FPÖ-Entschließungsantrag, in dem ein Asylstopp sowie Sach- statt Geldleistungen für Asylwerber:innen und Asylberechtigte gefordert werden, fand keine Mehrheit im Plenum.

Am Ende der Sitzung brachten ÖVP und Grüne zudem mehrere Fristsetzungsanträge ein, die allesamt mehrheitlich angenommen wurden. So wurde dem Verfassungsausschuss eine Frist bis 5. Juli 2023 gesetzt, das ORF-Reformpaket, die Übernahme einiger Corona-Sonderregelungen für Verwaltungsverfahren ins Dauerrecht, das Terrorinhalte-Bekämpfungs-Gesetz sowie Änderungen im Privatradio- und Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz zu behandeln. Ebenfalls bis 5. Juli 2023 muss sich der Gesundheitsausschuss mit der Novelle zum Primärversorgungsgesetz sowie mit den näheren Regelungen zum Elektronischen Eltern-Kind-Pass befassen.

Volksanwält:innen berichten über Schwerpunkte ihrer Arbeit

Neben der Bewältigung der großen Anzahl an Beschwerden sei es wichtig gewesen, nach der COVID-19-Pandemie etwa im Rahmen der Sprechtage wieder "zu den Menschen zu kommen", betonte Volksanwältin Gaby Schwarz in der Debatte über den Tätigkeitsbericht. Österreich sei prinzipiell gut verwaltet, das hindere die Volksanwaltschaft jedoch nicht, "den Finger in die Wunde zu legen". So habe man etwa aufgezeigt, dass bei der Auszahlung des Energiekostenausgleichs Probleme bestanden hätten. Danach sei die Telefonhotline entsprechend aufgestockt worden. Im Bereich des Maßnahmenvollzugs werde die Volksanwaltschaft ein "wachsames Auge" auf die Nachbetreuung der in Kürze zu entlassenen Personen haben. Schwarz lobte zudem den internationalen Austausch. Dieser sei eine gute Möglichkeit, voneinander zu lernen und Menschenrechte in anderen Ländern zu überprüfen.

Volksanwalt Bernhard Achitz berichtete über die aus seiner Sicht notwendigen Änderungen des Gesetzgebers. So sollten etwa die vom Bund eingestellten pauschalierten Schadenersatzzahlungen für Heimopfer von ehemaligen "Taubstummen-Instituten" überdacht werden. Zudem werde bei Personen mit Mindestsicherungsbezug dieser solange eingestellt, bis die Heimopferentschädigung aufgebraucht sei. Hier brauche es eine gesetzliche Änderung, da Anspruchsberechtigte sonst nichts von der Entschädigungszahlung haben würden, so Achitz. Der Volksanwalt ortete zudem Probleme bei der Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes und forderte im Pflegebereich eine Legaldefinition, was unter "angemessener Pflege" zu verstehen sei.

Laut Volksanwalt Walter Rosenkranz ist der Anstieg der Beschwerden etwa durch die lange Verfahrensdauer aufgrund hoher Asylzahlen zu erklären. Zudem seien Beschwerden über einen nicht ausbezahlten Klimabonus ein "Dauerbrenner" für die Arbeit der Volksanwaltschaft. Bei Missständen übe das Kontrollorgan jedoch nicht bloß Kritik. Man sei bemüht, die geprüften Stellen einzuladen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, erklärte Rosenkranz.

Abgeordnete zeigen sich von der Arbeit der Volksanwaltschaft beeindruckt

Alle sich zu Wort gemeldeten Abgeordneten bedankten sich bei den Voklsanwält:innen und deren Mitarbeiter:innen für ihre wichtige Arbeit. Der Bericht zeige die großen Herausforderungen und das breite Themenfeld der Volksanwaltschaft im Jahr 2022, betonte Martina Diesner-Wais (ÖVP). Zudem sei durch die hohe Anzahl an Beschwerden das große Vertrauen der Bevölkerung in das Kontrollorgan ersichtlich. Die Bürger:innen würden etwa den niederschwelligen Zugang und die gute Erreichbarkeit der Volksanwaltschaft schätzen. Dem schloss sich Josef Hechenberger (ÖVP) an. Durch die multiplen Krisen der letzten Jahre sei leider ein neuer Beschwerderekord entstanden. Was den von der Volksanwaltschaft aufgezeigten Platz- und Personalmangel in der Justizanstalt Innsbruck betrifft, gelte es daraus die politische Arbeit abzuleiten, um die Situation zu verbessern.

Rudolf Silvan (SPÖ) sprach die ebenfalls angespannte Personalsituation in Alten- und Pflegeheimen an. Wie 2021 seien auch im Jahr 2022 zahlreiche Betten und Stationen wegen Personalmangel gesperrt gewesen. Besonders auffällig seien private Pflegeheime. Es darf laut Silvan nicht passieren, "dass mit dem Leid und der Not der Menschen Profite gemacht werden". Petra Bayr (SPÖ) bezog sich in ihrer Wortmeldung auf die internationale Dimension der Arbeit der Volksanwaltschaft und lobte die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen sowie den Austausch auf Europarats-Ebene. Mit dem bei der Volksanwaltschaft ansässigen International Obudsman Institute biete man zudem eine Anlaufstelle für Menschen aus Ländern, in denen oftmals keine Kontrollstrukturen vorhanden sein würden.

Der von der Volksanwaltschaft dargestellte Personalmangel und die damit verbundene hohe Arbeitsbelastung bei einzelnen Polizeistationen sei symptomatisch für ganz Österreich, hielt FPÖ-Mandatar Werner Herbert fest. Aktuell könnten Abgänge nicht entsprechend nachbesetzt werden. Die "massiven Beschwerden" über Asylverfahren seien auf die stark gestiegenen Anträge zurückzuführen, welche die Bevölkerung und das Budget belasten würden. Laut Christian Lausch (FPÖ) zeigt der Bericht, wo es in der Republik "krankt" und nicht gut gearbeitet wird. So würden bis heute über 1.000 Menschen auf die Ausbezahlung des Klimabonus für 2022 warten. Hier müsse die Volksanwaltschaft weiterhin "ein Auge darauf haben".

Für Ulrike Fischer (Grüne) zeigt der Bericht zahlreiche präventive Maßnahmen und Gesetzesanstöße auf. So habe man etwa bei Heimopfern durch das Aufzeigen der Missstände gesetzliche Lücken schließen können. Die Volksanwaltschaft schaue dorthin, wo es Schwierigkeiten gebe, schloss sich Bedrana Ribo (Grüne) an. Besonders erfreulich sei, dass man sich dem Thema der Pflege angenommen habe. So dürfe es etwa nicht passieren, dass Bewohner:innen durch Medikamente ihrer Freiheit behoben würden. Es sei jedoch neben der Kritik auch wichtig, Best-Practice-Beispiele durch das Kontrollorgan aufzuzeigen, erklärte Ribo.

Fiona Fiedler (NEOS) sprach die Ursachen für "massive Menschenrechtsverletzungen" in Pflegeheimen an. Verantwortlich dafür sei der Qualitätsverlust aufgrund des großen Personalmangels. Die Folge daraus seien gesperrte Betten und Stationen. Zudem mangle es an fehlenden Qualitätskriterien in den Bundesländern. Es gehe deshalb um eine nachhaltige Aufwertung der Pflegeberufe. Laut Johannes Margreiter (NEOS) weist die Reform des Maßnahmenvollzugs "gravierende Mängel" auf. Viele Menschen, die in der Vergangenheit "geradezu hospitalisiert" worden seien, sollten jetzt entlassen werden. Es sei jedoch fraglich, ob diese ihren Alltag bewältigen können. Hier braucht es für den NEOS-Mandatar weitere Unterstützungsmaßnahmen. Auch bei der hohen Zahl an Suiziden im Straffvollzug müsse genau hingeschaut werden. Es gehe darum, zu einem zeitgenmäßen und humanen Strafvollzug zu kommen. (Schluss Nationalrat) med

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