Parlamentskorrespondenz Nr. 790 vom 05.07.2023

Abgaben- und Steuerdebatte in der Aktuellen Stunde im Nationalrat

NEOS fordern von Finanzminister Brunner Senkungen

Wien (PK) - "Steuern und Abgaben auf Arbeit senken" machten die NEOS heute als Forderung an Finanzminister Magnus Brunner in der Aktuellen Stunde im Nationalrat geltend. Menschen sollen sich durch solche Senkungen wieder etwas aufbauen können, so die Stoßrichtung. Während die ÖVP bereits gesetzte Maßnahmen zur Abgabensenkung wie etwa die Abschaffung der kalten Progression oder die ökosoziale Steuerreform hervorhob, wandten SPÖ und Grüne ein, dass die Forderung der NEOS nicht Einsparungen im Sozialsystem mit sich bringen darf. Auch eine Vermögenssteuer für "Superreiche" sei zu diskutieren. Die FPÖ ortet etwa unter dem "Deckmantel Klimaschutz" massive Belastungen für die Bevölkerung.

Zu Beginn der Sitzung wurde Muna Duzdar (SPÖ) als Nationalratsabgeordnete angelobt, die das Mandat der vormaligen Klubobfrau der SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, übernimmt.

Meinl-Reisinger kritisiert "Gießkanne" und pocht auf Entlastung bei Lohnnebenkosten

Die ÖVP sei in ihrer politischen Prioritätensetzung angesichts der weiter anhaltenden hohen Inflation "nicht mehr ganz bei Trost", kritisierte eingangs Beate Meinl-Reisinger (NEOS). Dass die Inflation jetzt auf acht Prozent sinke, sei kein Erfolg, sondern belaste weiter die Menschen, lasse den Wohlstand schrumpfen, die Wirtschaft stagnieren und die Wettbewerbsfähigkeit massiv sinken. Die Bundesregierung habe zu Lasten der Steuerzahler:innen und mit deutlich steigenden Schulden eine "Gießkanne" ausgepackt, mit der bis Ende des Jahres in Summe 60 Mrd. € verteilt würden und die zudem die Inflation noch befeuere. Neun von zehn Euro würden dabei völlig einkommensunabhängig verteilt, so Meinl-Reisinger. Die NEOS-Klubobfrau forderte, die Ausgaben umzukrempeln und massiv auf steuerliche Entlastung, vor allem bei den Lohnnebenkosten, zu setzen. Spielraum für eine solche Maßnahme sehe sie in den Mehreinnahmen des Finanzministers. Aus Sicht von Meinl-Reisinger wäre das ein Schritt, die Kosten auf Arbeitgeberseite nicht hochzutreiben und damit die Inflation nicht noch weiter zu befeuern. Die "Leistungsträger" wollen ihr zufolge nicht mit Gutscheinen alimentiert werden, sondern sich etwas aufbauen, würden aber von der ÖVP schon lang im Stich gelassen.

Brunner: Treffsicherheit der Maßnahmen im ersten OECD-Drittel

Der Kritik puncto "Gießkanne" erwiderte Finanzminister Magnus Brunner, dass Österreich zum besten Drittel aller OECD-Staaten gehöre, was die Treffsicherheit der Maßnahmen betrifft. Trotz widriger Umstände verzeichne die Republik ein Wirtschaftswachstum sowie gestiegene Haushaltseinkommen. Auch die Kaufkraft sei höher als in anderen Staaten. Brunner wies auf zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen und strukturelle Reformen hin, die dazu auf den Weg gebracht worden seien, wie etwa die Abschaffung der kalten Progression. Heuer sinke auch die Abgabenquote unter 43 %, so der Finanzminister. Auch wenn das immer noch hoch sei, gebe es umgekehrt ein starkes Sozialsystem in Österreich. Es seien aber zudem bereits Maßnahmen umgesetzt, die eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten von insgesamt 1,8 Mrd. € bis 2026 bringen würden.

Österreich sollte Brunner zufolge wieder mehr zu einem Land der Eigentümer:innen werden. Vor allem privates Eigentum stelle eine wesentliche Säule für Wohlstand dar. Beim Thema Vermögenssteuer würde er auch viele Wohnungen und Häuser der Österreicher:innen betroffen sehen, wies der Finanzminister darauf hin, dass es ohnedies bereits viele Vermögensbesteuerungen in Österreich gebe. Bei Steuererleichterungen gelte es etwa beim Thema Vorsorge am Ball zu bleiben. Es brauche sowohl auf nationaler, als auch auf europäischer Ebene nachhaltige Budgets, so Brunner. Was die Maastricht-Kriterien betrifft, sehe es gut aus, dass Österreich diese wieder erreiche.

Entlastungen vs. Leistungen des Staates und Vermögenssteuer

Als Ergebnis von langjähriger ÖVP-Regierungsbeteiligung erachtet es Gerald Loacker (NEOS), dass Durchschnittsverdiener:innen so besteuert würden, als ob sie Großverdiener:innen wären. Die Budgeteinnahmen seien in den letzten vier Jahren um ein Viertel gestiegen. Dazu werde das "Geld mit voller Kraft hinausgeblasen" und die Gegenleistung des Staates stimme nicht mehr. Ob bei der Krankenversicherung oder bei der Nachhilfe – Bürger:innen würden mittlerweile doppelt zahlen, weil es einerseits hohe Abgaben gebe und andererseits die Leistung nicht mehr stimme. Eine Vermögenssteuer, die SPÖ und Grüne fordern würden, sei aus seiner Sicht eine "Schnüffelsteuer", um Besitz zu durchleuchten. Karin Doppelbauer (NEOS) sieht Österreich im Gegensatz zum Finanzminister in allen internationalen Vergleichen "absacken". Etwa Toptalente würden daher nicht nach Österreich kommen oder hier bleiben.

Christian Stocker (ÖVP) wies auf bereits gesetzte Entlastungsmaßnahmen wie etwa die Abschaffung der kalten Progression, die ökosoziale Steuerreform oder eine bereits erfolgte Senkung der Lohnnebenkosten hin. Auch die unternehmerische Leistung gehöre belohnt, daher sei auch die Körperschaftssteuer gesenkt worden und etwa ein Gewinnfreibetrag und ein Gründungspaket auf den Weg gebracht worden. Die Maßnahmen der Bundesregierung würden greifen und dort, wo Lücken entstehen, werde nachgebessert, so Stocker. Auch Andreas Ottenschläger (ÖVP) erachtet die Kritik der Opposition als eindimensional. Mit neuen Steuern, wie sie etwa die SPÖ fordere, wären aus seiner Sicht nicht nur "Superreiche", sondern auch der Mittelstand betroffen. Für ihn gelte es, weiter den Weg zu gehen, zwar Entlastungen vorzunehmen, aber keine neuen Steuern einzuführen.

Das Thema der Debatte sei richtig gewählt, meinte Kai Jan Krainer (SPÖ). Die Gegenfinanzierung dürfe aber keinesfalls zu Lasten des Sozialsystems, der Wohlfahrt oder der Bildung gehen. Er stimmte zu, dass die Steuern und Abgaben zu hoch seien, zugleich seien aber auch die Steuern auf Vermögen zu gering. Der Finanzminister senke hingegen Steuern für Konzerne und nicht jene auf Arbeit. Mindestens 70 % der Inflation würden durch die erhöhten Gewinne entstehen, bemängelte Krainer. Dafür müssten Menschen, die hart arbeiten, auf Lohn verzichten. Die ÖVP agiere nicht im Sinne der Steuerzahler:innen, sondern der "Konzerne und Millionäre", so Krainer. Auch Julia Herr (SPÖ) kritisierte, dass die Bundesregierung eine Politik "gegen arbeitende Menschen" mache. "Steuern auf Arbeit runter und Steuern auf Millionenvermögen rauf", forderte Herr.

Im Gange sei derzeit der letzte Schritt der ökosozialen Steuerreform, hielt Jakob Schwarz (Grüne) fest. Die deutlichen Entlastungen umfassen dabei ihm zufolge eine Reduktion der Steuersätze sowie eine Ausweitung der Absetzbeträge. Außerdem sei es trotz der Krisen gelungen, die Abgabenquote zu senken. Steuern haben aber auch wichtige Aufgaben im Staat zu finanzieren, so Schwarz. Es könne gerne weitere Senkungen geben, das brauche aber eine Gegenfinanzierung. So seien aus seiner Sicht die Steuern im Bereich Umwelt oder Vermögen zu gering. Würde man eine Steuer für Millionenerben einführen, könne man die Abgaben auf Arbeit reduzieren, so Schwarz. Auch Nina Tomaselli (Grüne) bemängelte, dass Durchschnittsverdiener:innen über 40 % Steuern zahlen, während es keine Steuer für Millionärserben gebe - wiewohl es in dieser Frage den Mittelstand zu beschützen gelte. Steuern zu senken stelle jedenfalls keinen Selbstzweck dar, zumal ein starker Sozialstaat und ein funktionierender Rechtsstaat zu erhalten seien. 

Mit "Phantasiezahlen" zu agieren warf Hubert Fuchs (FPÖ) dem Finanzminister vor. Bei der Belastung auf Arbeit zähle Österreich zu den negativen Spitzenreitern, was auch eine maßgebliche Rolle bei der Wettbewerbsfähigkeit spiele. Den Faktor Arbeit zu entlasten würde auch den Wirtschaftsstandort stärken, so Fuchs. Die Bundesregierung versage bei der Inflationsbekämpfung und bei der Standortpolitik und verdiene sich zudem eine "goldene Nase" an Arbeitnehmer:innen und Pendler:innen, etwa durch den hohen Steueranteil bei Benzin und Diesel. Auch die kalte Progression werde nicht mit einem der Rekordinflation angepassten Steuersatz abgegolten. Das "Abkassieren" gehe auch unter dem "Deckmantel Klimaschutz" und Ökologisierung weiter, bemängelte Fuchs. Auch Axel Kassegger (FPÖ) ortet beim Finanzminister "Realitätsverlust". Neben der "völlig überschießenden" Coronapolitik betreibe die Bundesregierung "Klimakommunismus" und eine vollkommen verfehlte Migrationspolitik. Dem Mittelstand würden gewaltige Lasten aufgebürdet, kritisierte Kassegger. Die FPÖ nehme jedenfalls auch zur "Schuldenpolitik der EU" einen Kontrastandpunkt ein. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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