Parlamentskorrespondenz Nr. 791 vom 05.07.2023

Nationalrat schließt Beratungen über drei Volksbegehren ab

Kinderrechte, Recht auf Wohnen und Abschaffung der GIS-Gebühr

Wien (PK) – Gleich drei Volksbegehren beschäftigten den Nationalrat in seiner heutigen Sitzung. Darin ging es um Kinderrechte, das Recht auf Wohnen sowie um die Abschaffung der GIS-Gebühr. Im Rahmen der heutigen Sitzung wurden die Beratungen zu den Volksbegehren abgeschlossen. Der Nationalrat hat im Vorfeld Erste Lesungen abgehalten und die Volksbegehren wurden in den jeweiligen Fachausschüssen diskutiert. Zudem wurden Expert:innenhearings abgehalten.

Die Ausschussberichte zu den Volksbegehren wurden einstimmig zur Kenntnis genommen. Drei von der Opposition eingebrachte Entschließungsanträge blieben in der Minderheit.

Breite Debatte zu Kinderrechte-Volksbegehren

Im "Kinderrechte-Volksbegehren" sprechen sich 172.015 Unterzeichner:innen dafür aus, die gesamte UN-Kinderrechtskonvention in den Verfassungsrang zu heben, eine staatliche Unterhaltsgarantie einzuführen, das Kinderbetreuungsgeld signifikant zu erhöhen, die tägliche Turnstunde an Schulen zu realisieren und den Import von Produkten, die mit Kinderarbeit in Zusammenhang stehen, zu verbieten. In einer breiten Debatte brachten Abgeordnete aller Fraktionen ihre Unterstützung für die Rechte von Kindern und Jugendlichen zum Ausdruck. Gudrun Kugler (ÖVP) fehlten jedoch Details im Volksbegehren.

In Österreich gebe es bereits den höchstmöglichen Standard zum Schutz von Kindern, verwies Kugler auf Verfassungsjurist:innen. Eine Evaluation sei im Gange, die prüfe, ob Nachbesserungen erforderlich sind. Ein besonderes Anliegen war Kugler, Kinderarbeit abzuschaffen. Importverbote, wie im Volksbegehren gefordert, bedürften Begleitmaßnahmen, um bestehende Teufelskreise zu durchbrechen, unterstrich sie. Denn Kinderarbeit werde in betroffenen Ländern als Notwendigkeit für das Überleben der Familie angesehen. Ihre Fraktionskollegin Johanna Jachs (ÖVP) setzte sich für gesunde, ausgewogene Ernährung und eine tägliche Bewegungseinheit ein. Die Bewegungseinheit erachtete Jachs gegenüber der täglichen Turnstunde als flexibler.

Österreich sei bei der Umsetzung der "Europäischen Garantie für Kinder", in dessen Zentrum die kostenlose Deckung der Grundbedürfnisse steht, säumig. Ein nationaler Aktionsplan sei bisher nicht präsentiert worden, kritisierte Christian Oxonitsch (SPÖ). Laut ihm fehlt es zudem an einer unabhängigen Monitoringstelle, die die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention überwacht.

Kinder haben Rechte, daraus stellen sich wichtige politische Fragen, forderte Rosa Ecker (FPÖ) ein Kinderschutzpaket. Sie sah es als Aufgabe der Politik an, Kinder zu schützen. Ecker setzte sich für die rasche Umsetzung der Forderungen aus dem Volksbegehren ein. Adipositas und Diabetes sowie psychische Gesundheit nannte sie als größte gesundheitliche Hürden bei Kindern in der heutigen Zeit.

Bei der vollständigen Umsetzung der Kinderrechte ortete auch Barbara Neßler (Grüne) "Luft nach oben". Beim Kampf für Kinderrechte werde sie daher nicht locker lassen. Einige Punkte des Kindervolksbegehrens seien bereits umgesetzt worden, hielt sie fest. Als sozialpolitischen Meilenstein nannte Neßler die Erhöhung des Kinderbetreuungsgeldes durch die Valorisierung der Sozialleistungen. Neßler brachte die "Klimaklage" zur Sprache, womit Kinder ihr Recht auf wirksamen Klimaschutz einklagen. Den Kampf um die Klimakrise empfand sie als größte Krise der Menschheit unserer Zeit.

Demgegenüber machte Yannick Shetty (NEOS) die Regierung für fehlende Maßnahmen gegen die Klimakrise verantwortlich. Auch bei den Kinderrechten hätten ÖVP und Grüne die Möglichkeit, die im Volksbegehren geforderten Maßnahmen umzusetzen. Shetty zeichnete ein kritisches Bild über die Rechtslage der vulnerablen Gruppen. Er mahnte dabei das Recht auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderung ebenso ein, wie ein Verbot Konversionstherapien.

Wohnen wieder leistbar machen – Kritische Debatte zu Volksbegehren "Recht auf Wohnen"

Maßnahmen zur Umsetzung eines "Rechts auf Wohnen" forderten die Proponent:innen des gleichnamigen Volksbegehrens und erhielten dafür die Unterstützung von 134.664 Menschen. Die Republik solle alle Staatsbürger:innen ab einem bestimmten Alter beim Erwerb oder Erhalt von Wohneigentum etwa durch zinsenlose Darlehen auf Antrag unterstützen, wird gefordert. Zudem solle der Staat jedem Menschen auf Antrag eine kostenfreie Unterkunft zur Verfügung stellen, solange dieser sich keine Unterkunft leisten kann, so die Forderung im Volksbegehren.

Wohnversorgung sei für die ÖVP zentral, unterstrich Johann Singer. Obwohl 80 % der Österreicher:innen Eigentum anstreben, würden nur 50 % im Eigentum leben, sagte er. Daher sei es essentiell, Hürden abzuschaffen. Wohnen sei substantiell, betonte Singer, daher gebe es bereits starke und praktikable Präventionsnetze bei Wohnungsnot.

Die SPÖ trat für ein Universalmietrecht ein und sprach sich dafür aus, den geförderten Wohnbau neu zu denken. Steigende Richtwertmieten kritisierte die SPÖ mittels Entschließungsantrag. In diesem Sinne forderte Ruth Becher (SPÖ) einen "Mietpreisstopp jetzt", um "der seit Monaten anhaltenden Rekordteuerung" entgegenzutreten. Die ÖVP weigere sich seit Jahren das von der SPÖ geforderte Universalmietrecht umzusetzen, kritisierte sie. Aus Sicht der SPÖ leiste das Volksbegehren "einen wichtigen Beitrag für leistbares Wohnen". Becher betrachtete Wohnen als ein Menschenrecht, die Politik sei daher Maßnahmen schuldig. Auch Philipp Schrangl (FPÖ) sprach sich für einen Mieten-Stopp aus. In Form eines Entschließungsantrags trat er gegen Erhöhungen der Kategorie- und Richtwertmieten ein. Zu den Forderungen der FPÖ zählen neben einer maximalen Indexierung von zwei Prozent eine Ausdehnung des Vollanwendungsbereiches des Mietrechtsgesetzes und ein Befristungsverbot für gewerbliche Vermieter im Wohnbereich.

Die Wohnzufriedenheit in Österreich sei besonders hoch, startete Nina Tomaselli (Grüne) mit einer guten Nachricht. Österreich liege an zweiter Stelle in Europa, obwohl die Eigentumsquote unterdurchschnittlich hoch sei. Viele hätten dennoch einen Eigentumswunsch. In Realität sei dies für einen großen Teil der Österreicher:innen nicht leistbar. Seit 2015 seien die Wohnungseigentumspreise um 150 % gestiegen, während die Löhne nur um 18 % gestiegen seien. Als Wurzel des Übels nannte Tomaselli Spekulationen. Der gemeinnützige Wohnbau sei weiterhin die "beste und effektivste Wohnkostenbremse". Zudem leiste die Mietpreisbreme Unterstützung für die Österreicher:innen, sagte sie.

Die Wohnpolitik in diesem Land liefere keine Lösungen mehr, unterstrich Johannes Margreiter (NEOS). Als Ursachen für hohe Wohnkosten erachtete der Abgeordnete neben ausufernder Bodenpolitik die Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel. Leistbarer Wohnraum benötige ein Bundesrahmengesetz für Raumordnung, argumentierte der NEOS-Abgeordnete.

Volksbegehren zu GIS-Gebühr: Weitgehendes Bekenntnis zur Gebührenfinanzierung, FPÖ kritisiert ORF-Berichterstattung scharf

Der Nationalrat hat schließlich auch über ein im November 2022 eingelangtes Volksbegehren zur Abschaffung der GIS-Gebühren beraten. Die Abgeordneten nahmen die Diskussion zum Anlass, das neue Finanzierungsmodell für den ORF – ab 2024 wird die GIS-Gebühr von einer Haushaltsabgabe abgelöst – zu behandeln.

Im Volksbegehren wird lediglich eine streng zweckgewidmete Gebühr zur Finanzierung des Radioprogramms Ö1 für legitim angesehen. Insgesamt haben 364.346 Personen bzw. 5,73 % der Wahlberechtigten die Initiative unterschrieben. Begründet wird die Forderung unter anderem mit der Programmqualität des ORF und parteipolitischer Einflussnahme bei der Besetzung von Führungspositionen und des Stiftungsrats. Bezweifelt wird etwa, dass der ORF seinen öffentlichen Bildungsauftrag erfüllt. Zudem wird auf die Abschaffung wichtiger Sportübertragungen verwiesen.

In der Debatte hob ÖVP-Abgeordneter Kurt Egger die Bedeutung des öffentlichen Rundfunks hervor und erinnerte daran, dass die Neuorganisation der ORF-Finanzierung durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs notwendig geworden war. Zudem betonte er, dass sich die ÖVP zur ausreichenden Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bekenne.

Die große Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betonte auch Muna Duzdar (SPÖ) und nannte den ORF einen "Garant für unsere Mediendemokratie", denn der ORF sei der Allgemeinheit verpflichtet. Duzdar führte aus, dass Information ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft sei. Da Informationen Entscheidungsgrundlagen liefern, sei es nicht gleichgültig, woher diese stammen. Niemand sage, dass es keinen Reformbedarf im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gebe, eine Abschaffung der GIS-Gebühr würde jedoch das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeuten, sagte Duzdar. Andrea Kuntzl (SPÖ) bezeichnete die ORF-Gebühr als eine "wichtige Demokratieabgabe" und betonte, dass es aus diesem Grund effizientere Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte geben würde, als die geforderte Abschaffung der GIS-Gebühr. Die SPÖ unterstütze grundsätzlich die Gebührenfinanzierung, sehe aber das neue Modell kritisch, da es die soziale Dimension negiere. Weiters kritisierte Kuntzl die geplante Beschränkung der sogenannten "blauen Seite" orf.at als unverständlich und nicht akzeptabel, da das digitale Portal des ORF eine hohe Qualität biete und von der Bevölkerung gut angenommen werde.

FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst erklärte, dass Journalismus, der als vierte Gewalt im Staat eine Kontrollfunktion einnehme, grundsätzlich unterstützenswürdig und essentiell sei. Jedoch leiste der ORF diese Aufgabe "nicht einmal ansatzweise". Sie ortete unter anderem "politische Eingleisigkeit" und ideologische Verzerrung von Inhalten.

Ihr Bedauern drückte Eva Blimlinger (Grüne) darüber aus, dass die Proponenten des Volksbegehrens nicht zum Hearing im Verfassungsausschluss erschienen waren und somit die Unterstützer:innen des Volksbegehrens nicht vertreten hätten. Volksbegehren seien ein Instrument, das zur Mitbestimmung gemacht sei und nicht als "Fun Factor" dienen solle.

Mit einem Entschließungsantrag setzte sich Henrike Brandstötter (NEOS) dafür ein, gehörlose und schwer hörbehinderte Personen unabhängig von ihrem Einkommen von der im neuen ORF-Gesetz enthaltenen Haushaltsabgabe zu befreien, da diese die Angebote des ORF mangels kompletter Barrierefreiheit nur "sehr eingeschränkt" nützen könnten. (Fortsetzung Nationalrat) gla/bea

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