Parlamentskorrespondenz Nr. 810 vom 07.07.2023

Brunner: Nachhaltige Budgetpolitik ist wichtig, um Budgetpfad einhalten zu können

Fragestunde des Nationalrats mit dem Finanzminister zu den großen Linien der Budget- und Wirtschaftsentwicklung

Wien (PK) – Mit einer Fragestunde begann der Nationalrat seine letzte reguläre Sitzung vor dem Beginn der tagungsfreien Zeit. Finanzminister Magnus Brunner stand dabei den Abgeordneten Rede und Antwort zu seinen finanzpolitischen Vorhaben und zu seinen Grundsätzen in der Budgetpolitik. Brunner betonte, dass er sich für eine nachhaltige Budgetpolitik ausspreche, um fiskalische Spielräume zu wahren. Auch die Prinzipien des Green Budgeting und des Gender Budgeting sollen laut dem Finanzminister bei der Budgeterstellung stärker berücksichtigt werden, wie auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Grundsätzlich sei Österreich bisher sehr gut durch die Krise gekommen und habe im Unterschied zu Deutschland eine Rezession vermeiden können.

Finanzminister kündigt steuerpolitische Maßnahmen für 2023 an

Auf ihre Frage nach den steuerpolitischen Maßnahmen, die für das heurige Jahr noch geplant seien, erfuhr Abgeordnete Angela Baumgartner (ÖVP), dass der Ministerrat sich bereits auf ein umfassendes Gemeinnützigkeitspaket geeinigt habe. Damit solle das Spendenwesen vereinfacht und mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Im Herbst müsse Österreich die EU-Mindeststeuer für multinationale Unternehmensgruppen umsetzen. Diese solle Gewinnverlagerungen in Steueroasen verhindern. Weiters werde man weitere Schritte gegen die kalte Progression setzen, auch ein Startup-Paket sei bereits auf dem Weg.

Der Finanzminister widersprach der Ansicht von Abgeordneter Eva Maria Holzleitner (SPÖ), wonach die Senkung der Körperschaftssteuer (KÖSt) von 25% auf 23% ausschließlich ein "Geschenk für Großkonzerne" gewesen sei. Am meisten würden von der KÖSt-Senkung kleine und mittlere Unternehmen profitieren, die als GmbHs organisiert seien, die Darstellung der Abgeordneten stimme also nicht. Auf die Frage von Holzleitner, wann der Finanzminister gedenke, "diesen Fehler zu korrigieren", hielt Brunner fest, dass er die Maßnahmen keinesfalls als Fehler werte. Vielmehr sei eine Annäherung des KÖSt-Satzes an den EU-Schnitt erfolgt, die den Standort Österreich attraktiver mache und einen klaren Wettbewerbsvorteil bringe.

Für Abgeordneten Christian Hafenecker (FPÖ) stellt sich die Frage, warum der Kika/Leiner-Handelsgruppe ohne Sicherheiten Steuerstundungen in Millionen-Höhe gewährt wurden. Aus seiner Sicht habe es sich um einen "unglaublichen Vorgang" gehandelt. Durch den Verzicht der Republik auf Sicherheiten sei den Steuerzahler:innen ein massiver Schaden entstanden.

Der Finanzminister wies darauf hin, dass die angesprochenen Stundungen nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie mit breiter Mehrheit im Parlament beschlossen worden seien, um die Liquidität der Unternehmen zu sichern. Die dabei getroffenen Regelungen hätten für alle Unternehmen gleichermaßen gegolten. Schließlich gelte stets das Prinzip, dass gesetzlich alle gleich zu behandeln seien. Auch die zinsfreie Stundung sei gesetzlich vorgesehen gewesen. Die Wahrung der Interessen der Steuerzahler:innen im Fall Kika/Leiner durch das Finanzministerium sei sichergestellt. Das Finanzamt für Großbetriebe werde im Zuge des Insolvenzverfahrens die Forderungen der Republik beim Landesgericht St. Pölten einbringen. Zudem sei bereits eine eingehende Prüfung der Finanzprokuratur der Republik eingeleitet worden.

Brunner: Green Budgeting hat viel Potenzial

Abgeordneter Jakob Schwarz (Grüne) wollte wissen, welche Möglichkeiten der Finanzminister sehe, die bisherigen Erkenntnisse aus dem Green Budgeting als Maßstab für die Ausrichtung der Politik und insbesondere der Budgetpolitik anzuwenden und es in Zukunft noch weiter auszubauen.

Green Budgeting umfasse viele Bereiche der Budgetpolitik, in seinem Ressort sei das zuständige Team daher in den letzten zwei Jahren deutlich ausgebaut worden. Letztlich gehe es darum, die Herausforderungen der grünen Transformation zu bewältigen, weshalb die Klimarelevanz von Maßnahmen, die Auswirkungen auf den Treibhausgasausstoß und die langfristigen Budgetfolgen evaluiert werden müssten. Brunner wertete das Green Budgeting in diesem Sinne als Paradigmenwechsel, das sehr positiv zu werten sei. Er sehe noch viel Potenzial, es als Instrument in den Budgetprozess besser zu integrieren. Aus seiner Sicht gehe es vor allem darum, nicht nur mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sondern auch die Effektivität des Mitteleinsatzes zu sichern. Das gelte aus seiner Sicht auch für die EU-Ebene.

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ) fragte, wann vom Finanzminister eine Novelle zum Bundeshaushaltsgesetz zu erwarten sei, die sicherstelle, dass in der Beurteilung von Gesetzesvorhaben die Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG) verpflichtend zu berücksichtigen sind. Sie erinnerte daran, dass es dazu bereits einen Vier-Parteien-Entschließungsantrag gebe.

Der Finanzminister dankte Abgeordneter Bayr für die parlamentarische Initiative. Die SDGs seien eine Querschnittsmaterie, derzeit werde geprüft, wie diese ressortweise umgesetzt werden können. Aufgrund des systematischen Zusammenhang sollten die SDGs aus seiner Sicht zusammen mit der Neufassung der Wirkungsziele behandelt werden. Einen konkreten Zeitpunkt für eine Novelle könne er derzeit nicht nennen. Abgeordneter Meri Disoski (Grüne) versicherte er, dass er die Verbesserung des Gender-Budgeting im Blick habe und die Vorschläge des Budgetdienstes des Parlaments im Ressort gerade analysiert würden.

COFAG-Förderungen: Ungerechtfertigte Zahlungen werden zurückgefordert

NEOS-Abgeordnete Karin Doppelbauer wollte wissen, wie viele Verfahren zu Rückforderungen von COFAG-Hilfen im Zusammenhang mit falschen Angaben zu den angeblichen Schwierigkeiten eines Unternehmens derzeit im Laufen seien.

Grundsätzlich sei sehr darauf geachtet worden, dass Unternehmen entsprechende Angaben machen, ob sie in Schwierigkeiten seien, und hätten auch klare Kennzahlen liefern müssen. Bei Verstößen gegen die Vorgaben würden selbstverständlich Rückforderungen erfolgen. Derzeit würden von der COFAG 78 Fälle mit einem Gesamtvolumen von 4 Mio. € geprüft. Ob darunter strafrechtlich relevante Fälle seien, sei ihm derzeit nicht bekannt, sagte der Minister. Er werde dazu aber gerne bei der COFAG nachfragen, versprach er der Abgeordneten.

Nach der Einschätzung des Finanzminister zum aktuellen Vorschlag zur Reform der EU-Fiskalregeln erkundigte sich Abgeordneter Klaus Lindinger (ÖVP) vom der Finanzminister, dass dieses das aktuell zentrale Thema aller Treffen der EU-Finanzminister:innen sei. Aus seiner Sicht brauche es starke, glaubwürdige Fiskalregeln, um die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion zu gewährleisten. Sie müssten fiskalische Nachhaltigkeit, Transparenz und vor allem Durchsetzbarkeit gewährleisten, die nicht immer gegeben war. Wichtig sei es, sich fiskalische Spielräume zu schaffen, daher müsse es klare Regeln für alle geben.

Kai Jan Krainer (SPÖ) geht davon aus, dass über eine Milliarde Euro unter dem Gesichtspunkt des EU-Beihilfenrechts rechtswidrig ausbezahlt worden seien und eine Überförderung von Konzernen seitens der COFAG darstellten. Er wollte vom Finanzminister wissen, wann er diese Mittel zurückfordern werde.

Brunner erklärte, die Frage entstehe daraus, dass es unterschiedliche Auffassungen gebe, was als Konzern zu betrachten sei. Österreich habe bei der Einrichtung der COVID-19-Hilfen eine eigene Definition zugrunde gelegt. Im Nachhinein habe die EU-Kommission Österreich informiert, dass sie hier eine andere Definition habe. Derzeit seien Gespräche mit der EU-Kommission im Gange, wie eine Lösung aussehen könnte. Selbstverständlich werde jede Beihilfe, die sich als rechtswidrig herausstellen sollte, zurückgefordert.

Sicherung von Bargeld und Maßnahmen gegen Geldwäsche

Abgeordneter Hubert Fuchs (FPÖ) wollte vom Bundesminister für Finanzen wissen, wann er eine rechtlich garantierte Annahmeverpflichtung von Bargeld sicherstellen wolle, da es derzeit keine explizite gesetzliche Regelung dazu gebe.

Brunner wies darauf hin, dass Österreich sich mit anderen Mitgliedstaaten massiv dafür eingesetzt habe, dass die EU eine Annahmeverpflichtung für Euro-Bargeld festschreibt. Was den Zugang zu Bargeld-Obergrenzen betreffe, so habe sich Österreich im Rat der EU-Finanzminister:innen auch hier für entsprechende Ausnahmen eingesetzt. Letztlich sei man hier auf Kompromisse eingegangen, um die Verhandlungsposition in der Frage der Bargeld-Annahmeverpflichtung zu stärken.

Abgeordnete Nina Tomaselli (Grüne) erkundigte sich, ob es Vorbereitungen zur Umsetzung einer unabhängigen Geldwäsche-Überwachungsbehörde für den Nichtfinanzsektor sei. Das betreffe insbesondere Hochrisikosektoren wie Immobilientreuhänder-bzw. –makler:innen, Kunsthandel und das Juweliergewerbe, die effektiver überwacht werden müssten, um Geldwäsche zu umgehen. Der Finanzminister teilte dazu mit, dass es dazu keine Vorbereitungen gebe.

Brunner beurteilt wirtschaftliche Aussichten vorsichtig optimistisch

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP) erkundigt sich nach den wirtschaftlichen Aussichten, nachdem die österreichische Wirtschaft zuletzt "von mehreren Krisen gebeutelt" worden sei.

Brunner betonte, dass sich die österreichische Volkswirtschaft nach der Pandemie sehr gut erholt habe und Wachstumsraten über dem EU-Durchschnitt erlebt habe. Auch die aktuellen Daten würden auf eine vergleichsweise positive Entwicklung hindeuten. Österreich habe im Unterschied zu Deutschland eine Rezession vermeiden können, aktuelle Schätzungen gingen für heuer von einem Wachstum von 0,3 bis 0,5 % aus. Das bedeute auch, dass die befürchtete Insolvenzwelle nicht eingetreten sei. Die Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung würde sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken. Bemerkenswert sei, dass Österreich sich von seinem größten Handelspartner Deutschland abkoppeln habe können, vor allem auch, was die Industrieproduktion betreffe.

Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) wies darauf hin, dass im Sozialversicherungssystem der Zuschuss zu den Pensionen von 2023 auf 2024 um 2,9 Mrd. € steigen werde. Auf die Frage, um wie viel der Aufwand für die Beamtenpensionen steige, wenn die Erhöhung 10 % betragen sollte, führte Finanzminister Brunner aus, dass unter diesen Voraussetzungen der Zusatzaufwand bei 1,1 Mrd. € liegen würde.

Zur Frage des Abgeordneten Andreas Hanger (ÖVP), wie sich die Erhöhungen des Leitzinssatzes durch die Europäische Zentralbank auf den Bundeshaushalt und insbesondere den Schuldenstand der Republik auswirken werde, führte Brunner aus, dass sich die Erwartungen der Zinsentwicklung zuletzt stark verändert hätten. Der Markt rechne derzeit mit weiteren Zinserhöhungen, die eine durchschnittliche Effektivverzinsung von 3,18 % für neu aufgenommene Schulden bedeuten würden. Die aktuelle Prognose zur Auswirkung auf den Schuldenstand Österreichs geht von einem Anstieg der Verschuldung gegenüber dem Budgetvoranschlag 2023 von 90 Mio. € und von 1,4 Mrd. € gegenüber dem Vorjahr aus. Vor diesem Hintergrund trete er für eine nachhaltige Budgetpolitik ein, die kein Selbstzweck sei, sondern dazu diene, den vorgesehenen Budgetpfad und die EU-Vorgaben in der Budgetpolitik einhalten zu können. (Fortsetzung Nationalrat) sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.