Parlamentskorrespondenz Nr. 1084 vom 19.10.2023

Nationalrat: Ehrenzeichen können künftig auch posthum aberkannt werden

Zuwendungen an jüdische Gemeinden werden auf 7 Mio. € aufgestockt, Wahlrecht wird geringfügig adaptiert

Wien (PK) – Der Nationalrat hat grünes Licht für ein neues Ehrenzeichengesetz des Bundes gegeben. ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne stimmten heute für den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf, der künftig auch die Aberkennung von Ehrenzeichen nach dem Tod der geehrten Person ermöglicht. Zudem werden die Bestimmungen für die Verleihung und Aberkennung diverser Ehrenzeichen des Bundes vereinheitlicht. Gegen das Vorhaben stimmte lediglich die FPÖ: Sie sprach sich gegen "eine Demontage der Geschichte" aus.

Gebilligt hat der Nationalrat außerdem eine kleine Wahlrechtsnovelle sowie höhere Zuwendungen für die israelitische Religionsgemeinschaft zur Unterstützung des jüdischen Gemeindelebens. Außerdem werden die gesetzlichen Grundlagen für die "Stiftung Forum Verfassung" adaptiert. Diese Beschlüsse wurden jeweils einstimmig gefasst.

Von den Abgeordneten einhellig scharf verurteilt wurde der Angriff der Hamas auf Israel. Dafür gebe es keinen Millimeter Rechtfertigung, so der einhellige Tenor. ÖVP-Abgeordneter Martin Engelberg bezeichnet die Hamas sogar "schlimmer als die Nationalsozialisten" und warnte vor den Folgen des Angriffs für die westliche Welt insgesamt. Grüne und NEOS plädierten dafür, Demonstrationen, in denen das Existenzrecht Isreals durch Parolen wie "From the river to the sea" in Frage gestellt wird, zu verbieten.

ÖVP-Abgeordneter Wolfgang Gerstl nutzte die Debatte über die "Stiftung Forum Verfassung" dazu, um deutliche Kritik an "politischen Entscheidungen" des Verfassungsgerichtshofs zu üben. Urteile hingen oft mehr von persönlichen als von rechtlichen Einschätzungen ab, glaubt er. Zudem gelte es zu bedenken, dass es sich um Mehrheitsentscheidungen von sieben zu sechs Stimmen handeln könne. Konkret hinterfragt wurden von ihm die VfGH-Erkenntnisse zum ORF-Gesetz und zur Sterbehilfe.

Breite Mehrheit für neues Ehrenzeichengesetz

Mit dem neuen Ehrenzeichengesetz wird genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine verliehene Auszeichnung widerrufen bzw. aberkannt werden kann. Dazu gehören etwa gerichtliche Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität, vorsätzlich begangene Straftaten gegen verfassungsmäßige Einrichtungen Österreichs, Verstöße gegen das Verbotsgesetz oder eine seinerzeit führende Rolle in einer nationalsozialistischen Organisation. Zudem wird ausdrücklich auch die posthume Aberkennung eines Ehrenzeichens ermöglicht. Ein im Bundeskanzleramt eingerichteter Ehrenzeichenbeirat soll Empfehlungen abgeben. Betroffen sind nicht nur Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich und das Bundes-Ehrenzeichen, sondern auch das Österreichische Ehrenzeichen und das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Ein bereits vor längerer Zeit eingebrachter Antrag der NEOS gilt mit dem heutigen Beschluss als miterledigt.

Im Zuge der Debatte erinnerten mehrere Abgeordnete an den Anlassfall Hans Globke, an dem sich die Diskussion über die posthume Aberkennung von Ehrenzeichen seinerzeit entzündet hatte. Es sei die "kompromisslose Pflicht" Österreichs, dem Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze das seinerzeit verliehene Ehrenzeichen wieder abzuerkennen, sagte etwa Wolfgang Gerstl (ÖVP). Bei der Verleihung habe man noch nicht gewusst, dass dieser ein Mittäter des NS-Regimes gewesen sei.

Wenig von der nachträglichen Aberkennung von Ehrenzeichen hält hingegen die FPÖ, wie Susanne Fürst und Harald Stefan ausführten. Es handle sich um reine Symbolpolitik, zudem sei die FPÖ gegen "die ständige Demontage der Geschichte", meinte Fürst. Das gelte auch für die Umbenennung von Straßen und den Abriss von Denkmälern. Es gebe sicher "eine erkleckliche Anzahl" von Personen, bei denen man heute nicht mehr verstehe, warum sie in der Vergangenheit einen Orden oder ein Ehrenzeichen bekommen haben, so Fürst, diese wieder abzuerkennen, sei aber nicht der richtige Weg. Auch Abgeordneter Stefan hält es für problematisch, "Geschichte mit dem Zeigefinger der Gegenwart zu messen". Schließlich könne sich die Einschätzung einer Person rasch ändern.

Für Muna Duzdar (SPÖ) ist die Ablehnung des Gesetzes durch die FPÖ "entlarvend". Ehemaligen Nationalsozialisten Ehrenzeichen wieder abzuerkennen, sei keine Demontage der Geschichte, sondern die Übernahme von Verantwortung für die Geschichte, sagte sie. Das sieht auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak so. Es sei notwendig, sich bewusst mit der Geschichte auseinanderzusetzen und nicht, sie zu negieren, bekräftigte er und sprach insgesamt von einem "guten Gesetz". Ausdrücklich lobte Scherak dabei auch den parlamentarischen Prozess.

In Richtung Abgeordnetem Gerstl hielt Duzdar fest, die nationalsozialistische Vergangenheit Globkes sei schon bei der Verleihung des Ehrenzeichens bekannt gewesen. Das hob auch Eva Blimlinger (Grüne) hervor. Damals sei das aber offenbar egal gewesen.

Wer ein Ehrenzeichen trage, müsse auch in seinem weiteren Leben ein Vorbild für Österreich sein, unterstrich Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler. Das sei keine Momentaufnahme. Mit der Möglichkeit der Aberkennung könne man sich klar von Personen distanzieren, die des Tragens des verliehenen Ehrenzeichen nicht mehr würdig seien.

Höhere Zuwendungen für jüdische Gemeinden

Um das jüdische Gemeindeleben in Österreich zu unterstützen und das österreichisch-jüdische Kulturerbe bewahren zu helfen, leistet der Bund der israelitischen Religionsgemeinschaft seit 2020 eine jährliche Sonderzahlung von 4 Mio. €. Nun werden die zur Verfügung gestellten Mittel – rückwirkend mit heurigem Jahr – auf 7 Mio. € aufgestockt und deren Verwendungsmöglichkeiten erweitert. Die von der Regierung vorgeschlagene Novelle zum Österreichisch-Jüdischen Kulturerbegesetz wurde letztendlich – anders als noch im Verfassungsausschuss – von allen Parteien gebilligt, wobei in der Debatte weniger die Gesetzesnovelle selbst als der Angriff der Hamas auf Israel im Mittelpunkt stand.

So nutzte etwa Martin Engelberg (ÖVP) die Diskussion dazu, um den Angriff der Hamas auf Israel schärfstens zu verurteilen. Das seien keine Terroristen, sondern "blutrünstige Mörderbanden", die unschuldige Menschen massakrierten, Frauen vergewaltigten und Babys köpften. Für Engelberg ist die Hamas sogar "schlimmer als die Nationalsozialisten", diese hätten sich wenigstens zum Teil für ihre Taten geschämt und versucht, Spuren zu verwischen.

Kein Verständnis hat Engelberg in diesem Sinn für jene, die den Angriff der Hamas relativieren oder sogar verteidigen. Es gehe nicht um die Besatzung des Gazastreifens, wie von der Hamas propagiert und von vielen unreflektiert geglaubt werde, schließlich habe Israel den Gazastreifen schon 2005 komplett geräumt und samt vorhandener Einrichtungen unzerstört übergeben. Auch die Grenzen seien offen gewesen.

Engelberg hält es – wie nach dem Attentat von Paris – für das Gebot der Stunde, sich voll hinter die Opfer zu stellen und zu sagen: "Je suis Israel". "Wir sitzen alle in einem Boot", bekräftigte er. Man müsse sich nur anschauen, wie es Israel gehe, um zu wissen, vor welchen Gefahren die westliche Welt stehe. Österreich brauche einen klaren "moralischen Kompass". Auch, was die Beziehungen zum Iran und zu Katar betrifft, müsse man "mit dem Lavieren aufhören".  

Engelberg hinterfragte in diesem Zusammenhang auch die Entwicklungshilfe für die Palästinenser. Es seien schon immer Gelder für die Hamas abgezweigt worden, beklagte er. Zudem würde mit westlicher Finanzhilfe "eine Generation nach der anderen aufgehetzt".

Auch Reinhold Einwallner (SPÖ) verurteilte "das hemmungslose Töten" von Jüdinnen und Juden durch die Hamas. Österreich habe eine sehr spezifische Verantwortung, was den Kampf gegen Judenhass betrifft, unterstrich er. Mit dem vorliegenden Gesetz wird diese Verantwortung ihm zufolge zum Ausdruck gebracht. Besonders begrüßte Einwallner dass mit den für die jüdische Gemeinden bereitgestellten Mitteln auch Bildung, Begegnung, Sporteinrichtungen und spezifische Projekte für die junge Generation gefördert werden können.

FPÖ für Begrenzung der Einwanderung

Einen Konnex zwischen den Angriffen der Hamas und der Zuwanderung zog Susanne Fürst (FPÖ). Es sei zu wenig, Israel gegenüber volle Solidarität zu bekennen und Fahnen zu hissen, die Politik müsse hier in Österreich für Sicherheit sorgen, betonte sie.

Fürst hält es in diesem Zusammenhang für "nicht unproblematisch", "dass wir Millionen an muslimischen Einwanderern haben". Auch wenn der Großteil "friedlich" sei, denke doch ein erheblicher Prozentsatz "anders als wir". Viele ließen sich auch "aufhussen". Nur mit weniger Zuwanderung sei es möglich, Risiken zu begrenzen und dafür zu sorgen, "dass wir in der Mehrheit bleiben". Zudem drängte die Abgeordnete auf eine Forcierung von Rückführungen.

Zum vorliegenden Gesetz merkte Fürst an, es gehe auch darum, das reiche österreichisch-jüdische Kulturerbe zu bewahren und jüdische Einrichtungen zu schützen. Mit der Unterstützung der Jugend werde auch ein Blick in die Zukunft gerichtet.

Forderung nach Demonstrationsverbot

Sowohl Eva Blimlinger (Grüne) als auch Helmut Brandstätter (NEOS) sprachen sich dafür aus, Demonstrationen, bei denen das Existenzrecht Israels mit Parolen wie "from the river to the sea" in Frage gestellt wird, zu untersagen. Jeder wisse, wie wichtig den Grünen das Demonstrationsrecht sei, sagte Blimlinger, es gelte aber, Grenzen zu setzen und Sicherheit zu garantieren. Dafür einzutreten, Israelis ins Meer zu treiben, erfülle den Tatbestand der Verhetzung nach dem Strafgesetzbuch, argumentierte Brandstätter. Wenn jemand glaube, er könne in Österreich leben und Judenhass verbreiten, dann müsse man ihm klar sagen, das gehe nicht.

Blimlinger sieht überdies keinen Anlass, die Hamas "nur einen Millimeter zu verteidigen". Diese sei "eine Mörderbande", für die der Begriff Terroristen nahezu euphemistisch sei, stimmte sie ÖVP-Abgeordnetem Engelberg zu. Brandstätter betonte, die Existenz Israels sei wichtig, die NEOS stünden um jeden Preis zu Israel.

Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler hob die Notwendigkeit der Unterstützung der jüdischen Gemeinden in Österreich hervor. Ziel des vorliegenden Gesetzes sei es unter anderem, Jüdinnen und Juden ein sicheres und selbstbestimmten Leben in Österreich zu ermöglichen und den interreligiösen Dialog zu fördern.

Den Angriff der Hamas auf Israel wertete Edtstadler als "einen Tiefpunkt in der Geschichte des jüdischen Volkes". Für derartige unmenschliche Verbrechen gebe es keine Rechtfertigung und keine Begründung, bekräftigte sie und forderte, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. An die Abgeordneten appellierte Edtstadler, das, was derzeit auf sozialen Medien kursiere, genau zu prüfen, Fake News und Desinformation hätten Hochsaison.

Kleine Wahlrechtsnovelle

Die vom Nationalrat ebenfalls einstimmig beschlossene Novellierung der Nationalrats-Wahlordnung und weiterer Wahlgesetze steht in Zusammenhang mit der bereits Anfang dieses Jahres verabschiedeten größeren Wahlrechtsreform. Analog zu den Bestimmungen betreffend die Briefwahl wird festgelegt, dass auch bei der Urnenwahl ein zugeklebtes Wahlkuvert nicht automatisch eine ungültige Stimme bewirkt. Eine Beschriftung oder sonstige Markierung des Kuverts bleiben allerdings verboten.

Im Zuge der Debatte hielt Kurt Egger (ÖVP) fest, dass mit dem vorliegenden Entwurf lediglich ein Redaktionsversehen beseitigt werde. Auch für Christian Drobits (SPÖ) und Harald Stefan (FPÖ) ist klar, dass zugeklebte Wahlkuverts nicht zu einer ungültigen Stimme führen dürfen.

Generell hielt Stefan fest, dass die FPÖ der Briefwahl nach wie vor skeptisch gegenüber stehe, da die Einhaltung wichtiger Wahlgrundsätze – etwa die geheime Stimmabgabe – nicht sichergestellt sei. Die im Frühjahr beschlossene Wahlrechtsreform bringe aber in einigen Punkten Verbesserungen. Auch Egger und Drobits hoben einige Eckpunkte dieser Reform wie die weitgehende Auszählung der Briefwahlstimmen bereits am Wahltag und die Ausweitung der Barrierefreiheit von Wahllokalen hervor. Wichtig sei, dass möglichst viele Menschen an Wahlen teilnehmen, waren sich Drobits und Stefan einig.

"Stiftung Forum Verfassung"

Mit der vor kurzem beschlossenen Einrichtung der "Stiftung Forum Verfassung" hat die Politik das Ziel verfolgt, die Bedeutung der Bundesverfassung und des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken und das Verfassungswissen zu verbessern. Die nunmehrige Gesetzesnovelle sieht vor, die Bestimmungen zur Arbeitsweise des Vorstands und des Kuratoriums der Stiftung zu präzisieren, etwa was deren Beschlussfähigkeit bei Abwesenheit einzelner Mitglieder betrifft. Auch die Übertragung von Stimmrechten, Beschlüsse per Video- bzw. Telefonkonferenz sowie Umlaufbeschlüsse werden ermöglicht. Berücksichtigt bei der Abstimmung wurde auch ein Abänderungsantrag, der jedoch lediglich redaktionelle Korrekturen enthält.

Laut Wolfgang Gerstl (ÖVP) sind die Klarstellungen notwendig, um die Stiftung "zum Leben zu erwecken". Aufgrund der Bedeutung der Verfassung sei es wichtig, Verfassungswissen zu vermitteln.

Deutliche Kritik übte Gerstl am Verfassungsgerichtshof. Dessen Entscheidungen seien in den letzten Jahren "politischer" geworden, beklagte er und nannte als Beispiele etwa die VfGH-Erkenntnisse zum ORF-Gesetz und zur Sterbehilfe, die ihm zufolge nachdenklich machen müssten. Das ORF-Gesetz sei 20 Jahre alt, dessen Grundsätze sogar noch deutlich älter, nun solle es plötzlich verfassungswidrig sein. Bei der Sterbehilfe habe der VfGH nach fünf Jahrzehnten ähnlicher Entscheidungen seine Spruchpraxis geändert. Gerstl hat den Eindruck, dass Urteile oft mehr von persönlichen als von rechtlichen Einschätzungen abhängen, zumal es sehr subjektiv wäre, was als gleich und was als ungleich beurteilt werde. Auch gelte es zu bedenken, dass es sich bei Erkenntnissen um Mehrheitsentscheidungen von sieben zu sechs Stimmen handeln könnte.

In den letzten Jahren habe sich gezeigt, wie krisenfest die österreichische Verfassung sei, unterstrich Christian Oxonitsch (SPÖ). Zu den Ausführungen seines Vorredners merkte er an, der VfGH entscheide in der Regel dann über eine Sache, wenn er damit befasst werde. Man könne über höchstgerichtliche Entscheidungen natürlich diskutieren, meinte er, es sei aber wichtig, die höchstgerichtliche Rechtsprechung zu respektieren. (Fortsetzung Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.