Parlamentskorrespondenz Nr. 1380 vom 11.12.2023

Parlament: TOP im Nationalrat am 13. Dezember 2023

Gesundheitsreform, Maßnahmen gegen Medikamentenengpässe, Pflegefonds, Pensionsbonus, Politiker:innenbezüge, Kinderbetreuungsgeld

Wien (PK) – Zum Jahresausklang haben sich die Abgeordneten noch einmal ein umfangreiches Programm vorgenommen. Die dreitägigen Plenarberatungen starten am 13. Dezember, wobei im Mittelpunkt des ersten Sitzungstags die im Rahmen des Finanzausgleichs vereinbarte Gesundheitsreform steht. Außerdem wird der Nationalrat am Mittwoch über ein Gesetzespaket zur Verhinderung von Medikamentenengpässen, eine Erhöhung des Pensionsbonus für längeres Arbeiten, die von den Koalitionsparteien vorgeschlagene Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker:innen und über eine deutliche Aufstockung des Pflegefonds samt begleitender Maßnahmen beraten. Auch der Sportbericht 2022 und eine Erhöhung der Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld stehen zur Diskussion.

Insgesamt sind in der Plenarwoche fast 40 Gesetzesbeschlüsse zu erwarten. Dazu kommen sieben Bund-Länder-Vereinbarungen, die vom Nationalrat zu genehmigen sind.

Aktuelle Stunde

Die Gesundheitsversorgung wird auch Thema einer Aktuellen Stunde zu Beginn der Sitzung sein. Die SPÖ hat dafür den Titel "Termingarantie statt Zwei-Klassen-Medizin! Dafür braucht es mehr Geld, Herr Finanzminister!" gewählt.

Gehaltsplus von 9,15 % für den öffentlichen Dienst

Die Tagesordnung startet mit Vorlagen zu den Bezügen von öffentlich Bediensteten und von Politiker:innen. Gemäß dem zwischen Regierung und Beamten-Gewerkschaft vereinbarten Gehaltsabschluss sollen die Gehälter im öffentlichen Dienst im kommenden Jahr um 9,15 % bzw. mindestens 192 € steigen. Für die niedrigsten Bezüge bedeutet das ein Plus von 9,71 %. Die Zulagen steigen ebenfalls um 9,15 %.

Die Vereinbarung wurde im Verfassungsausschuss von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen begrüßt. Angesichts der hohen Inflation sei das Gehaltsplus gerechtfertigt, so der einhellige Tenor der vier Fraktionen. Zudem wurde auf die gute Arbeit des öffentlichen Dienstes hingewiesen. Die NEOS halten den Abschluss hingegen für zu hoch, sie hätten sich mehr "Mäßigung" erwartet.

Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker:innen

Ein Antrag der Koalitionsparteien zielt auf eine Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker:innen wie den Bundespräsidenten, die Mitglieder der Bundesregierung und die drei Nationalratspräsident:innen ab. Ihre Bezüge sollen im kommenden Jahr nicht erhöht werden. Insgesamt sind rund 30 Personen betroffen. Für die Abgeordneten sowie für die Mitglieder des Bundesrats ist eine halbe Inflationsanpassung und somit eine Bezugserhöhung von 4,85 % vorgesehen. Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen hätten die betroffenen Bezüge um jeweils 9,7 % steigen müssen.

Im Verfassungsausschuss erhielt der Antrag, trotz des einen oder anderen Vorbehalts, einhellige Zustimmung, wobei die FPÖ beklagte, dass Landespolitiker:innen nicht von der Nulllohnrunde erfasst sind. Auch in den Jahren 2019 und 2021 gab es eine Nulllohnrunde für Spitzenpolitiker:innen, 2018 blieben alle Politiker:innenbezüge auf Bundesebene eingefroren.

Sportbericht 2022

Auf einhelligen Wunsch des Sportausschusses wird der Bericht über die bundesweiten Fördermaßnahmen im Spitzen-, Breiten- und Nachwuchssport im Jahr 2022 im Plenum debattiert. Der Ressortschwerpunkt lag demnach beim Thema Fairness und Respekt im Sport. Im Bereich der Frauenförderung wird auf ein Gender-Trainee-Programm mit einem Gesamtbudget von 8 Mio. € sowie weitere Gleichstellungsprojekte verwiesen. 2022 startete zudem ein Präventionsprogramm zur Bekämpfung von Extremismus im Sport mitsamt der Schaffung einer österreichweiten Anlaufstelle, wofür jährlich 1 Mio. € bereitgestellt wird. Im Berichtszeitraum wurde außerdem die besondere Sportförderung für die Dachorganisationen und Fachverbände auf 120 Mio. € angehoben.

Offensive für ehrenamtliche Sportfunktionär:innen

Die SPÖ setzt sich für eine Offensive zur Förderung ehrenamtlicher Sportfunktionär:innen ein. Im Amateursport sei als Nachwehe der Pandemie ein Funktionär:innenschwund erkennbar, begründet sie ihre Initiative. Der Antrag dürfte wenig Chance auf Erfolg haben. Im Sportausschuss blieb er mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ in der Minderheit.

Förderung von kultureller Bildung

Die Koalitionsparteien treten für eine stärkere Unterstützung der kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen ein. Die Regierung wird in einem Entschließungsantrag ersucht, eine Initiative zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Kultur- und Bildungseinrichtungen und der kulturellen Bildung der Schüler:innen in Österreich zu setzen. Im Kulturausschuss erhielt der Antrag die Zustimmung von ÖVP und Grünen.

Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung

Im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen haben Bund und Länder auch vereinbart, den Pflegefonds deutlich aufzustocken sowie die Bund-Länder-Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung in adaptierter Form zu verlängern. Demnach ist vorgesehen, den bestehenden Förderschlüssel für die 24-Stunden-Betreuung – 60 % der Kosten trägt der Bund, 40 % übernehmen die Länder – für die Finanzausgleichsperiode 2024 bis 2028 fortzuschreiben und die Fördersätze an die geltenden Richtlinien des Sozialministeriums anzupassen. Diese liegen derzeit bei monatlich 800 € im Falle einer Betreuung durch selbstständige 24-Stunden-Betreuer:innen und bei 1.600 € im Falle einer Anstellung der Betreuungskräfte.

1,1 Mrd. € für den Pflegefonds

Der Pflegefonds wird gemäß der erzielten Einigung im kommenden Jahr mit 1,1 Mrd. € dotiert. Damit werden 2024 mehr als doppelt so viele Mittel wie heuer zur Verfügung stehen. In weiterer Folge wird die Dotierung jährlich nach einer bestimmten Formel valorisiert. In Summe werden damit in der Finanzausgleichsperiode 2024 bis 2028 6,03 Mrd. € in den Fonds fließen, wobei der Bund wie bisher zwei Drittel davon beisteuert.

Mit den zusätzlichen Mitteln soll unter anderem eine Fortführung des in den Jahren 2022 und 2023 gewährten Gehaltsbonus für Pflegekräfte und des Ausbildungszuschusses für Pflegeausbildungen in der Höhe von 600 € sichergestellt werden. Außerdem können künftig auch die Kosten für "Community Nursing" aus Mitteln des Pflegefonds abgedeckt werden. Zur Kompensation von Einnahmeausfällen der Länder aufgrund des im Jahr 2018 abgeschafften Pflegeregresses stellt der Bund weiterhin insgesamt 300 Mio. € pro Jahr bereit.

Weitere Punkte des Gesetzespakets betreffen die Einrichtung einer Pflege-Entwicklungs-Kommission als politisches Steuerungsinstrument sowie erweiterte Vorgaben für die Länder, um die Ziele des Pflegefondsgesetzes – u.a. eine verbesserte Versorgung pflegebedürftiger Menschen in Österreich und die Verfügbarkeit leistbarer Pflege-Dienstleistungen – zu erreichen.

Im Sozialausschuss hat das Paket – inklusive der Vereinbarung zur 24-Stunden-Betreuung – mit der Zustimmung von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen eine breite Mehrheit erhalten, wiewohl die Opposition die bestehenden Probleme im Pflegebereich damit noch nicht als gelöst sieht. Ein Entschließungsantrag der NEOS betreffend Zielsteuerung Pflege gilt mit dem Beschluss als miterledigt.

Kostenanalyse Pflege

Abgelehnt wurde das Pflegefonds-Paket von den NEOS. Sie haben Zweifel daran, dass das Geld tatsächlich dort ankommt, wo es benötigt wird. Um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wieviel das Pflegesystem insgesamt kostet und wer dazu wieviel beisteuert, drängen die NEOS erneut auf eine umfassende Kostenanalyse der Pflege. Eine solche ist ihrer Meinung nach für eine zukunftssichere Finanzplanung unumgänglich, wobei sowohl öffentliche Leistungen als auch private Mittel erfasst werden sollen. Der Antrag hat allerdings wenig Chancen auf Erfolg, schon einmal hat der Nationalrat eine entsprechende Initiative abgelehnt.

Höherer Pensionsbonus für längeres Arbeiten

Ein Gesetzesantrag der Koalitionsparteien sieht Anreize für längeres Arbeiten vor. Wer über das Regelpensionsalter hinaus weiterarbeitet, soll demnach künftig einen jährlichen Bonus von 5,1 % – statt 4,2 % – bekommen. Bezogen werden kann der Pensionsbonus wie bisher für maximal drei Jahre. Außerdem wird der Bund, vorerst befristet, einen Teil der Pensionsbeiträge von Beschäftigten übernehmen, die neben der Pension erwerbstätig sind. Ziel des Vorhabens ist es unter anderem, dem bestehenden Fachkräftemangel zu begegnen.

Konkret sollen Pensionist:innen, die neben der Pension erwerbstätig sind, in den nächsten beiden Jahren nur für jenen Teil des Zuverdiensts Pensionsbeiträge leisten müssen, der über der doppelten Geringfügigkeitsgrenze liegt. 2024 sind das voraussichtlich rund 1.037 €. Voraussetzung für die Beitragsübernahme durch den Bund ist der Bezug einer Eigenpension. Darüber hinaus soll für Personen, die eine Korridor- bzw. eine Schwerarbeitspension beziehen, eine Toleranzgrenze beim erlaubten Zuverdienst eingeführt werden. Damit droht künftig nicht mehr der gänzliche Wegfall der Pensionsleistung, wenn die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nur geringfügig überschritten wird.

Auch eine gesetzliche Verpflichtung zur jährlichen Pensionskontoinformation für ältere Beschäftigte und ein Schadenersatzanspruch von 100 € für Teilzeitbeschäftigte, die nicht über frei gewordene oder neue Vollzeitstellen in ihrem Betrieb informiert wurden, gehören zum Gesetzespaket.

Die Opposition stimmte im Sozialausschuss geschlossen gegen den Entwurf. Sie wertet ihn als unzureichend bzw. als völlig falsch aufgesetzt. Ein Entschließungsantrag der FPÖ mit alternativen Vorschlägen wie etwa einer Senkung der Lohnnebenkosten für Unternehmen bei Beschäftigung von Pensionist:innen wurde allerdings von keiner anderen Fraktion unterstützt. Eine Sonderbehandlung von erwerbstätigen Pensionist:innen bei Steuern und Abgaben wäre nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, man müsse auch darauf achten, dass junge Menschen nicht vom Arbeitsmarkt verdrängt werden, machten die Grünen geltend.

Einschränkungen bei vorzeitigem Pensionsantritt

Die NEOS sprechen sich in einem Entschließungsantrag für Einschränkungen beim vorzeitigen Pensionsantritt aus. Demnach sollen Beschäftigte – ergänzend zu den bestehenden Voraussetzungen – künftig nicht mehr vor dem Regelpensionsalter in Pension gehen dürfen, wenn ihre Pension so niedrig wäre, dass sie Anspruch auf eine Ausgleichszulage hätten. Es könne nicht sein, dass durch die Entscheidung einer Person für einen vorzeitigen Pensionsantritt Dritte belastet werden, begründen sie den Entschließungsantrag. Der Antrag dürfte allerdings abgelehnt werden, im Sozialausschuss stimmten alle anderen Parteien dagegen. Laut SPÖ würden davon vor allem teilzeitbeschäftigte Frauen betroffen sein.

Änderungen beim Kontrollsystem für Lebensmittelsicherheit

Die Beratungen zum Gesundheitsblock starten mit einer Regierungsvorlage, die Änderungen beim System der Kontrollen der Lebensmittelsicherheit und der Tiergesundheit vorsieht. Die Sammelnovelle trägt nationalen und unionsrechtlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte in den Bereichen Verbrauchergesundheit sowie in der Veterinär- und Lebensmittelverwaltung Rechnung, wobei es vor allem um formale Änderungen, etwa die rechtliche Verankerung jahrelang etablierter Abläufe in der Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden und die Zusammenziehung bislang verstreuter Rechtsgrundlagen in einem Gesetz, geht. Rechtlich neu verankert wird die zentrale Speicherung der Proben- und Kontrolldaten des Verbrauchergesundheitsregisters.

Der Entwurf erhielt im Ausschuss die Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS, wobei zuvor noch umfangreiche technische Adaptierungen vorgenommen wurden. Die SPÖ sieht zwar viele positive Punkte in der Vorlage, kritisierte unter anderem aber die späte Vorlage des Abänderungsantrags. Die FPÖ befürchtet, dass "der Bürokratieapparat" noch mehr aufgebläht wird.

Bund-Länder-Vereinbarung zu "Frühen Hilfen"

Im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen haben sich Bund und Länder außerdem auf umfassende Reformmaßnahmen im Gesundheitsbereich verständigt. Ein Ausfluss daraus ist eine Bund-Länder-Vereinbarung zur Bereitstellung und Finanzierung eines flächendeckenden und bedarfsgerechten Angebots an sogenannten "Frühen Hilfen" für die Jahre 2024 bis 2028. Darunter werden Maßnahmen zur Gesundheitsförderung bzw. gezielten Frühintervention in Schwangerschaft und früher Kindheit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs verstanden. Im Zeitraum 2024 bis 2028 werden dafür jährlich 21 Mio. € zur Verfügung gestellt, wobei die Kosten zu je einem Drittel vom Bund, den Ländern sowie den Kranken- und Pensionsversicherungsträgern übernommen werden. Zur Umsetzung der Vereinbarung ist überdies eine Änderung des ASVG nötig.

Gegen die Bund-Länder-Vereinbarung stimmten im Gesundheitsausschuss nur die NEOS. Sie kritisierten insbesondere die Einrichtung eines neuen Beratungsgremiums als nationale Koordinierungsgruppe für Frühe Hilfen, zumal ihrer Meinung nach das bestehende Netzwerk gut funktioniert. Die ASVG-Novelle, die unter anderem die Kostenbeteiligung der Kranken- und Pensionsversicherungsträger regelt, erhielt einhellige Zustimmung.

Gesundheitsreform-Paket

Das eigentliche Herzstück des Gesundheitsreform-Pakets bilden zwei weitere Bund-Länder-Vereinbarungen – eine zur Zielsteuerung Gesundheit, die zweite zur Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens – sowie ein umfangreiches Gesetzespaket, das unter dem Titel "Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024" firmiert.

Ziel des Reformpakets ist es unter anderem, den niedergelassenen Bereich zu stärken, um die Spitäler zu entlasten, digitale Angebote auszubauen und insgesamt eine bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Krankenversicherungen im Bereich der Gesundheitsversorgung zu erwirken, etwa was Planung und Steuerung betrifft. So soll eine Optimierung der Patientenströme nach dem Prinzip "digital vor ambulant vor stationär" einen effektiveren Einsatz der Ressourcen gewährleisten. Auch auf Gesundheitsförderung und Vorsorge, Impfprogramme, Medikamentenversorgung, eine optimierte Versorgung chronisch kranker Menschen und niederschwellige psychosoziale Behandlungsangebote wird ein besonderer Fokus gelegt.

Um die ärztliche Versorgung – auch an Tagesrandzeiten und Wochenenden – zu verbessern, sieht das "Vereinbarungsumsetzungsgesetz" unter anderem vor, die Gründung von Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten und Ambulatorien zu erleichtern. Außerdem ist geplant, die Gesundheitsberatung 1450 auszubauen, eine verpflichtende Diagnosecodierung im niedergelassenen Bereich einzuführen und Wahlärzt:innen zur Anbindung an das e-card- und ELGA-System ab dem Jahr 2026 zu verpflichten. Für unbesetzte Kassenstellen sollen kreative Zwischenlösungen ermöglicht werden. Bisherige Einspruchsmöglichkeiten der Ärztekammer – etwa gegen neue Kassenstellen oder Ambulatorien der Sozialversicherungsträger – sollen entfallen. Für viele Maßnahmen wie etwa Impfprogramme und Digitalisierungsschritte stellt der Bund zusätzliche Mittel bereit. Insgesamt soll laut Gesundheitsminister Johannes Rauch bis 2028 jährlich rund eine Milliarde Euro zusätzlich in das System fließen.

Bei der Planung und der besseren Abstimmung zwischen den Vertragspartnern soll der Bundes-Zielsteuerungskommission eine zentrale Rolle zukommen, wobei die wichtigsten Instrumente für die kurz-, mittel- und langfristige integrative Versorgungsplanung der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) und die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) sein werden. Grundlage der Finanzzielsteuerung sind sektorenübergreifend vereinbarte Ausgabenobergrenzen, die bis zum Ende der Finanzausgleichsperiode 2028 gelten sollen.

Im Gesundheitsausschuss erhielt der Großteil des Pakets lediglich die Zustimmung der Koalitionsparteien. Nur der Bund-Länder-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens stimmten auch SPÖ und NEOS zu. Die Opposition sieht zwar durchaus einige positive Ansätze, insgesamt gehen ihr die Reformschritte aber nicht weit genug.

Bis zuletzt umstritten war außerdem ein neuer Bewertungsboard für Medikamente, der einen bundesweit einheitlichen Bewertungsprozess für ausgewählte Arzneispezialitäten im Spitalsbereich und an der Nahtstelle zwischen intra- und extramuralem Bereich sicherstellen soll. Während Kritiker:innen befürchten, dass wirtschaftliche Kriterien künftig eine stärkere Rolle als medizinische spielen könnten, hält Gesundheitsminister Rauch das Vorhaben für wichtig, da das jetzige Bewertungssystem eine "Einflugschneise für Lobbyisten" sei.

Ergänzend zum Reformpaket soll auch eine Entschließung gefasst werden, der zufolge die Gesundheitsreform spätestens bis Mitte 2027 – mit Schwerpunkt ambulanter Bereich – evaluiert werden soll. Außerdem gelten mit der Bund-Länder-Vereinbarung zur Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens zwei NEOS-Entschließungsanträge betreffend Einrichtung strukturierter Versorgungsprogramme und betreffend Veröffentlichung der KH-Qualitätskriterien auf KH-Standortebene als miterledigt.

Vorschläge der FPÖ und der SPÖ

Mit dem von der Regierung vorgelegten Reformpaket mitverhandelt werden auch zwei Anträge der FPÖ und ein Antrag der SPÖ, die im Gesundheitsausschuss jedoch keine Mehrheit fanden. So fordert die FPÖ etwa eine Verbesserung der Gehaltsschemata für Gesundheitsberufe, Kompetenzerweiterungen für das Gesundheitspersonal, einen einheitlichen Personalschlüssel in den Spitälern, die Aufhebung der 70-Jahre-Altersgrenze für Kassenärzt:innen und eine Einbindung von Wahlärzt:innen in das kassenärztliche System mittels Vergabe von Halb- und Viertelverträgen. Außerdem sollte für zukünftige Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin die Möglichkeit geschaffen werden, eigenverantwortlich ein Primärversorgungszentrum zu gründen sowie alle anderen für diesen Standort notwendigen Mediziner:innen und Vertreter:innen anderer Gesundheitsberufe anzustellen.

Der SPÖ geht es insbesondere um Maßnahmen zur Linderung der Personalnot im Pflegebereich. So fordert sie etwa eine Personal- und Ausbildungsoffensive, die faire Bezahlung von Pflegepersonal, die Gewährung einer zusätzlichen Erholungswoche, die Einführung eines Personalbedarfsschlüssels und langfristig lebbarer Arbeitszeitmodelle. Zudem brauche es eine Harmonisierung der Pflegelandschaft in Österreich.

Maßnahmenbündel zur Vermeidung von Medikamentenengpässen

Um Medikamentenengpässen entgegenzuwirken, haben die Koalitionsparteien verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, die im Gesundheitsausschuss auch von der SPÖ mitunterstützt wurden. So sieht eine Novelle zum Arzneimittelgesetz etwa vor, Pharmafirmen und Arzneimittelhändlern die Bevorratungskosten zu ersetzen, wenn sie vom Gesundheitsministerium per Verordnung zur Lagerung bestimmter Medikamente verpflichtet wurden. Bei zu lagernden Wirkstoffen ist eine Kostenabgeltung für verfallene Produkte in Aussicht genommen. Überdies sollen Arzneimittel-Großhändler – vorläufig auf ein Jahr befristet – einen "Infrastruktursicherungsbeitrag" in der Höhe von 0,28 € für niedrigpreisige Medikamente erhalten, damit diese nicht aus Rentabilitätsgründen vom Markt genommen werden.

Außerdem empfiehlt der Gesundheitsausschuss auf Initiative der Koalitionsparteien, die Abverkaufsfristen für Hersteller und Großhändler an jene von Apotheken anzupassen. Somit werden künftig auch sie Medikamente bis zum Verfallsdatum in Verkehr bringen dürfen, sofern dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit vertretbar ist. Im Falle von Lieferengpässen soll es darüber hinaus erlaubt sein, auch größere Mengen von in Österreich nicht zugelassenen Medikamenten zu importieren, wenn diese in einem anderen EWR-Staat auf dem Markt sind oder hergestellt wurden. Bei der Abgabe einer solchen Humanarzneispezialität muss im Sinne der Patientensicherheit aber eine deutsche Übersetzung der Kennzeichnung und der Gebrauchsinformation beigefügt werden.

FPÖ und NEOS sehen die Gesetzesvorhaben kritisch. Sie bezweifeln, dass die Maßnahmen geeignet sind, um das angestrebte Ziel – die Vermeidung von Medikamentenengpässen – zu erreichen. Laut FPÖ müsste man vielmehr auf der Preisebene ansetzen.

Ein von der FPÖ eingebrachter Entschließungsantrag mit Alternativvorschlägen fand im Gesundheitsausschuss allerdings keine Mehrheit. Er sieht unter anderem vor, den bestehenden Notfallparagraphen zu erweitern und den Höchstpreis eines Medikaments bei versorgungsrelevanten Lieferengpässen automatisch aufzuheben. Auch ein Anreizsystem zur Forcierung der Medikamentenproduktion in Europa wäre nach Meinung der FPÖ sinnvoll.

Personalmangel im Gesundheitssektor

Die FPÖ fordert außerdem Maßnahmen zur Behebung des Personalmangels im Gesundheitssektor und hat dazu einen sechs-Punkte-Plan erarbeitet, dessen Inhalt sich teilweise mit ihrem Antrag zur Gesundheitsreform überschneidet. Zu den Vorschlägen gehören unter anderem eine Verbesserung des Gehaltsschemas für Spitalsärzt:innen und anderes Gesundheitspersonal, eine Überarbeitung der Berufsfelder, die Aufhebung der 70-Jahre-Altersgrenze für Kassenärzt:innen, die Einführung eines bundesweit einheitlichen Stipendiensystem bei der beruflichen Ausbildung sowie die Einbindung der Wahlärzt:innen ins Kassensystem. Außerdem ist ihr eine bessere Lenkung von Patient:innenströmen zur Entlastung der Spitäler ein Anliegen.

Der Antrag erhielt im Gesundheitsausschuss allerdings keine Mehrheit. Vor allem die Aufhebung der Altersgrenze für Kassenärzt:innen und die Ermöglichung von "Halbkassenverträgen" oder "Viertelkassenverträgen" für Wahlärzt:innen wurden kritisch gesehen.

Verfassungskonforme Neuregelung des Ärztegesetzes

Anlass für die von den Koalitionsparteien vorgeschlagene Ärztegesetz-Novelle ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs. Dieser hatte das Mitwirkungsrecht des Gesundheitsministers bzw. der Gesundheitsministerin bei der Bestellung der Spitze der Disziplinarkommission der Ärztekammer beanstandet. Nun soll diese Passage neu geregelt und die Bestellung des bzw. der Vorsitzenden der Disziplinarkommission sowie der Stellvertreter:innen dem Vorstand der Ärztekammer übertragen werden. Das Gesundheitsministerium darf nur noch prüfen, ob die Bestellung gesetzeskonform erfolgt ist.

Ähnliche Regelungen werden auch im Zahnärztekammergesetz und im Tierärztekammergesetz getroffen. Außerdem wird mit der Novelle eine gesetzlichen Grundlage für die Übermittlung von Akten der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaften und der Gerichte an die Ärztekammer geschaffen, wenn diese für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit von Ärzt:innen (z.B. bei der Eintragung in die Ärzteliste) benötigt werden. Der Entwurf erhielt im Gesundheitsausschuss die Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.

Verdoppelung der Medizin-Studienplätze

Wenig Aussicht auf Erfolg hat hingegen die Forderung der SPÖ nach einer Verdoppelung der Medizin-Studienplätze. Sie blieb mit ihrem Entschließungsantrag im Gesundheitsausschuss alleine. Nach Meinung der SPÖ wäre dies allerdings ein wesentlicher Schritt, um dem Ärzt:innenmangel sowohl im niedergelassenen Bereich als auch in den Spitälern zu begegnen. Bevorzugt an den Universitäten aufgenommen werden sollen dabei jene Bewerber:innen, die sich nach der Ausbildung verpflichten, einige Jahre im öffentlichen Gesundheitswesen, vorrangig als Hausärzt:innen in unterversorgten Regionen, tätig zu sein.

Prüfung problematischer Praktiken in Online-Spielen

Aus dem Konsumentenschutzausschuss kommt ein gemeinsamer Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen zu "In-Game-Käufen" bei Online-Spielen. Diese würden oftmals mittels unseriöser Praktiken angeboten, kritisieren sie. Die Koalitionsparteien fordern daher den Bundesminister für Konsumentenschutz auf, die gängigen Geschäftsmodelle der Gaming-Anbieter zu analysieren, problematische Praktiken – insbesondere für die Zielgruppe der Minderjährigen – zu identifizieren, useradäquate Praxistipps für Kinder und Jugendliche, Eltern und Pädagog:innen auszuarbeiten sowie nach Darstellung des bestehenden rechtlichen Rahmens erforderlichenfalls sonstige mögliche Maßnahmen aufzuzeigen. Im Ausschuss stimmten neben ÖVP und Grünen auch die NEOS für den Antrag.

Erhöhung der Zuverdienstgrenze bei Kinderbetreuungsgeld

Mit einer Erhöhung der Zuverdienstgrenze während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld will die Koalition auch 2024 sicherstellen, dass Anspruchsberechtigte während der Karenz einer geringfügigen Beschäftigungen nachgehen können. Der bislang gültige Grenzbetrag beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld bzw. bei der Beihilfe zum pauschalen Kinderbetreuungsgeld soll von jährlich 7.800 € auf 8.100 € erhöht werden. In Kraft treten sollen die Anpassungen im Kinderbetreuungsgeld-Gesetz bereits mit 1.1.2024, da sonst aufgrund der erfolgten Valorisierung von Familien- und Sozialleistungen eine geringfügige Beschäftigung ohne Überschreitung der Einkommensgrenze nicht mehr möglich sei. Der Familienausschuss schickte die Änderungen einstimmig ins Plenum.

Einem im Ausschuss eingebrachten Abänderungsantrag und einem Ausschussantrag hingegen stimmte die FPÖ nicht zu. Damit wird der Anspruch von Geflüchteten aus der Ukraine auf Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe um ein weiteres Jahr, bis 4. März 2025, verlängert. Eine getrennte Abstimmung zu diesen Punkten könnte auch im Plenum verlangt werden.

Interact Office Vienna 2021-2027

Mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ wurde im Landwirtschaftsausschuss eine Bund-Länder-Vereinbarung zur Übertragung der Verwaltungsüberprüfung des Projekts "Interact Office Vienna 2021-2027" an das Land Wien mehrheitlich angenommen. Das Interact Office Vienna ist Teil der Abwicklungsstrukturen des EU-Interact-Programms. Die zurechenbaren Kosten bestehen zum überwiegenden Teil aus Personalkosten des Landes Wien.

Zuständig ist das Interact Office Vienna für die Betreuung von insgesamt 28 Interreg-Programmen (EFRE und IPA), vor allem in Mittel- und Südosteuropa. Besonderes Augenmerk solle dabei auf die Steigerung der Effizienz in der Abwicklung dieser Kooperationsprogramme, auf die Identifizierung ihrer Ergebnisse und Sichtbarkeit sowie auf die Anwendung innovativer und vereinfachter Ansätze gelegt werden. (Fortsetzung TOP im Nationalrat) kar/gs/mbu

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.