Parlamentskorrespondenz Nr. 64 vom 31.01.2024

Nationalrat: SPÖ mahnt in Kurzdebatte Patientenmilliarde ein

ÖVP und FPÖ verteidigen Sozialversicherungsreform

Wien (PK) – Das heimische Gesundheitssystem "kracht an allen Ecken und Enden", kritisieren die Sozialdemokrat:innen. Sie wollten dem Gesundheitsausschuss daher eine Frist zur Behandlung ihres Antrags auf Einlösung der versprochenen Patientenmilliarde setzen und verlangten im Nationalrat dazu eine Kurze Debatte.

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher drängte darin insbesondere darauf, eine Termingarantie für ärztliche Leistungen auch in Österreich umzusetzen. Die Gesundheitssprecher von ÖVP und FPÖ verteidigten erneut die Zusammenlegung der Krankenkassen und unterstrichen das Potenzial für Einsparungen und Leistungsharmonisierung. Von Grüner Seite wurden die Verbesserungen durch die aktuelle Gesundheitsreform betont. Die NEOS übten generell Kritik am österreichischen Kassensystem. Der Fristsetzungsantrag der SPÖ fand keine Mehrheit.

SPÖ: Umsetzung der Termingarantie durch Patientenmilliarde

Fehlendes Personal, lange Wartezeiten auf Operationen und mangelnde finanzielle Ausstattung sind laut SPÖ die aktuellen Probleme im Gesundheitssystem. Vor allem während der schwarz-blauen Regierungsperioden seien dem Gesundheitssektor Millionenbeträge entzogen und durch die "Zerschlagung der Krankenkassen" ein enormer Schaden angerichtet worden. Auch die versprochene Patientenmilliarde sei niemals eingelöst worden. Es sei daher notwendig, dass dieses Geld endlich fließe, dass ein Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenversicherungsträgern geschaffen und der Hebesatz für die Pensionist:innen in der ÖGK angehoben werde, fordern die Sozialdemokrat:innen in einem Entschließungsantrag. Damit könnten die Leistungen harmonisiert und ausgebaut sowie die ambulante Versorgung der Bevölkerung ausreichend sichergestellt werden, zeigen sich die Antragsteller:innen überzeugt. Außerdem könne es dann gelingen, eine Termingarantie für alle Versicherten umzusetzen.

Ein Rechnungshofbericht habe belegt, dass die bei der Zusammenlegung der Krankenkassen versprochene Patientenmilliarde niemals eingetroffen sei, führte Philip Kucher (SPÖ) an. Die Leidtragenden seien die Menschen, die verzweifelt auf Termine bei Ärzt:innen warten würden. Kucher drängte darauf, die Termingarantie mit garantierten Höchstwartezeiten auf ärztliche Leistungen, die in skandinavischen Ländern bereits möglich sei, auch in Österreich umzusetzen. Dafür brauche es auch mehr Ärzt:innen. Wenn man heute nicht handle, steuere man in ein paar Jahren auf einen dramatischen Ärzt:innenmangel zu, meinte Kucher. Die SPÖ wollte dem Gesundheitsausschuss daher zur Behandlung ihres Antrags eine Frist bis 27. Februar 2024 setzen, blieb mit der Forderung aber in der Minderheit.

Karin Greiner (SPÖ) bezeichnete die Versprechen, die im Gesundheitswesen getätigt worden seien, als "reine Täuschungsmanöver". Denn es sei nach der Zusammenlegung der Krankenkassen nicht gelungen, durch "Sparen im System" 1 Mrd. € für die Patient:innen zu lukrieren. Auch die versprochene Leistungsharmonisierung gebe es nicht. Aufgrund des Mangels an Kassenärzt:innen müssten außerdem immer mehr Patient:innen auf Wahlärzt:innen ausweichen und diese – zusätzlich zu den Krankenversicherungsbeiträgen – bezahlen. Die SPÖ wolle das nicht akzeptieren, so Greiner.

ÖVP verteidigt Zusammenlegung der Krankenkassen

Von der ÖVP verteidigte Josef Smolle die 2018 beschlossene Sozialversicherungsreform. Es handle sich nicht um eine "Zerschlagung", sondern um eine Zusammenlegung, betonte er. Die versprochene Patientenmilliarde sei mittlerweile mehrfach bei den Versicherten angekommen. Smolle führte außerdem an, dass die Verwaltungskosten in den Sozialversicherungsträgern nur 2 % betragen. Der Rest komme den Patient:innen zugute. Er sehe keinen Mangel an Ärzt:innen. Es komme darauf an, das kassenärztliche System attraktiv zu machen und Ärzt:innen dafür zu gewinnen. Die Verhandlungen für einen einheitlichen Gesamtvertrag für niedergelassene Kassenärzt:innen seien im Laufen, eine gute Lösung sei möglich, gab sich Smolle optimistisch.

FPÖ: Reform der Krankenkassen habe Ungerechtigkeit beseitigt

Die Sozialversicherungsreform der schwarz-blauen Bundesregierung sei eine Strukturreform gewesen, betonte Gehard Kaniak (FPÖ). Man habe damit die Ungerechtigkeit beseitigt, dass Versicherte unterschiedlichste Leistungen erhielten, je nachdem, in welchem Bundesland sie versichert waren. Zudem wären Einsparungen in der Höhe von 1 Mrd. € binnen fünf Jahren erzielbar gewesen, zeigte Kaniak sich überzeugt. Das Problem sei, dass die Reform nach Ende der schwarz-blauen Regierung nicht wie geplant umgesetzt worden sei. Insbesondere SPÖ-nahe Organisationen hätten die Reform von Anfang an "torpediert", letztlich sei die Umsetzung gestoppt worden. Aus seiner Sicht brauche es eine freiheitliche Regierungsbeteiligung, damit die Reform wie ursprünglich gedacht zum Wohle der Patient:innen umgesetzt werde.

Grüne: Probleme nicht von heute auf morgen entstanden

Ralph Schallmeiner (Grüne) forderte ein, in der Debatte zu differenzieren. Denn die Probleme im Gesundheitswesen, die er nicht kleinreden wolle, seien nicht von heute auf morgen entstanden und würden auch nicht mit einem singulären Ereignis – der Zusammenlegung der Kassen – zusammenhängen. Doch auch an dieser Reform übte Schallmeiner Kritik. Der FPÖ sei es dabei nicht um das Wohl der Patient:innen, sondern bloß um ein "Zerschlagen" der Strukturen gegangen. Die Grünen hingegen hätten eine Gesundheitsreform umgesetzt, die diesen Namen auch verdiene, sagte Schallmeiner und führte etwa die Ausschreibung von 100 neuen Kassenstellen und die Änderungen für Primärversorgungseinrichtungen als Beispiele an.

NEOS mit Kritik am österreichischen Kassensystem

Die Wortmeldung Ralph Schallmeiners sei von allen Redebeiträgen noch am nächsten an der Wahrheit, meinte Gerald Loacker (NEOS). Er erinnerte daran, dass Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innenvertretungen die Posten in den Sozialversicherungen besetzen würden. Was die Versicherten an Leistungen erhalten oder nicht, sei das Ergebnis dessen, "was schwarze Wirtschaftsvertreter und rote Arbeitervertreter in den Kassen fabrizieren", so Loacker. Der niedrige Anteil an Verwaltungskosten entstehe dadurch, dass zum Teil auch administrative Tätigkeiten auf den Posten der medizinischen Leistungen laufen würden. Das Krankenversicherungssystem in Österreich sei auch nach der Reform noch unfair und uneinheitlich, sagte der Abgeordnete. Seiner Meinung nach sei es für die Versicherten am günstigsten, wenn sie sich selbst ihre Kasse aussuchen können. Denn dann müssten sich die Kassen um ihre Kund:innen kümmern und bessere, schnellere Leistungen anbieten. Loacker wies auf ähnliche Systeme in der Schweiz und in den Niederlanden hin. (Fortsetzung Nationalrat) kar

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