Parlamentskorrespondenz Nr. 91 vom 06.02.2024

EU plant Maßnahmen gegen Medikamentenengpässe, strengere Tiertransportregeln und besseren Schutz von Hunden und Katzen

Sozialminister Rauch informiert Abgeordnete über aktuelle EU-Vorhaben in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

Wien (PK) – Bereits im April 2023 hat die Europäische Kommission ein Legislativpaket geschnürt, um die Versorgung der europäischen Bevölkerung mit Arzneimitteln zu verbessern und ein attraktives Umfeld für Forschung, Entwicklung und Herstellung von Medikamenten in Europa zu schaffen. Außerdem plant sie strengere Regeln für Tiertransporte sowie Auflagen für Zuchtbetriebe und Tierhandlungen zum Schutz von Hunden und Katzen. Das geht aus einem Bericht von Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch über aktuelle EU-Vorhaben in seinem Zuständigkeitsbereich an den Nationalrat hervor (III-1107 d.B. und III-838-BR/2024 d.B.). Auch über mehr Sicherheit von Kinderspielzeug, die Herkunftskennzeichnung von Honig sowie adaptierte Regeln für neue gentechnische Verfahren wird demnach aktuell verhandelt. Im Sozialbereich steht unter anderem die Einführung eines Europäischen Behindertenpasses zur Diskussion.

Neue Rechtssetzungsinitiativen für heuer erwartet das Ministerium mit Verweis auf das Programm der Europäischen Kommission nicht. Im Rat hat aktuell Belgien den Vorsitz inne: Es plant unter anderem eine hochrangige Konferenz zur Europäischen Säule Sozialer Rechte (ESSR) im April und will sich in zwei Fachkonferenzen mit der Zukunft der Europäischen Gesundheitsunion und anderen Gesundheitsfragen beschäftigten. Auch dem Thema Tiergesundheit – mit Fokus auf Biosicherheit und Impfung – wird von Belgien hohe Priorität eingeräumt.

Umfassendes Arzneimittelpaket

Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Arzneimittelpaket enthält unter anderem Anreize für Unternehmen, ihre Arzneimittel in sämtlichen EU-Ländern anzubieten und gezielt Arzneimittel für ungedeckte medizinische Bedarfe zu entwickeln. Außerdem will die Kommission die Verfahren zur Zulassung von Generika und Biosimilars vereinfachen und antimikrobielle Resistenzen (AMR) intensiver bekämpfen. Zur Behebung von Arzneimittelengpässen sind unter anderem die Erstellung einer EU-weiten Liste kritischer Arzneimittel und Engpasspräventionspläne der Mitgliedstaaten vorgesehen. Sogenannte Environmental Risk Assessments (ERA) sollen zu einer Verbesserung des Umweltschutzes beitragen.

Laut Bericht fanden bereits mehrere Ratsarbeitsgruppen-Sitzungen zu den Vorschlägen statt, wobei es dabei eher um allgemeine Fragen ging. Österreich unterstützt dem Gesundheitsministerium zufolge die zentralen Zielbestimmungen des Pakets und nennt dabei konkret den Zugang zu Arzneimitteln sowie deren Verfügbarkeit und deren Leistbarkeit. Ebenso werden der Fokus auf das Thema Lieferengpässe sowie der verstärkte Kampf gegen Antibiotikaresistenzen begrüßt.

Strengere Regeln für Tiertransporte sowie für Hunde- und Katzenzucht

Auch dass die EU-Kommission das "veraltete" Tiertransport-Recht überarbeiten will, sieht das Gesundheitsministerium grundsätzlich positiv. Ein entsprechender Verordnungsvorschlag, der unter anderem auf mehr Tierwohl abzielt, liegt seit Dezember auf dem Tisch. Er sieht unter anderem kürzere Transportzeiten und mehr Ruhepausen, eine Erhöhung des Platzangebots, Temperaturgrenzen während des Transports und strengere Auflagen für Ausfuhren in Nicht-EU-Länder vor. Österreich fordere seit langem eine Verschärfung der Tiertransportvorgaben, wird dazu festgehalten. Eine konkrete Beurteilung des Verordnungsentwurfs liege aber noch nicht vor, dieser wird laut Ministerium derzeit vom Ressort geprüft und die österreichische Position dann mit den Betroffenen abgestimmt.

Gleiches gilt für einen Verordnungsentwurf zum Schutz von Hunde und Katzen, der ebenfalls Ende letzten Jahres von der EU-Kommission vorgelegt wurde. Erstmals sollen einheitliche EU-Standards für die Zucht und die Haltung von Hunden und Katzen in Zuchtbetrieben, Tierhandlungen und Tierheimen festgelegt werden. Ziel ist es, den illegalen Handel mit Hunden und Katzen einzudämmen und die Tiere besser zu schützen. Geplant ist unter anderem, bestimmte Eingriffe wie das Kupieren von Ohren und Schwänzen zu untersagen, die Paarungshäufigkeit zu beschränken und ein Inzuchtverbot zu verankern. Zudem sollen alle Tiere – auch importierte – im Sinne einer besseren Rückverfolgbarkeit registriert werden müssen. Personen, die Tiere in Tierheimen oder Tierhandlungen betreuen, werden ein Mindestmaß an Fachkenntnis vorweisen müssen.

Neue gentechnische Verfahren in der Pflanzenzucht

Äußerst kritisch bewertet Österreich demgegenüber einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission, der einen neuen Rechtsrahmen für Pflanzen bzw. für daraus hergestellte Lebens- und Futtermittel bringen soll, die mit Hilfe neuer genomischer Verfahren (NGT) wie gezielter Mutagenese und Cisgenese gezüchtet wurden. Dazu gehören etwa auch der Einsatz der Genschere CRISPR/Cas und ähnliche Techniken, die eine zielgerichtete Veränderung von pflanzlichem Erbgut ermöglichen.

Die EU schlägt vor, NGT-Pflanzen künftig in zwei Kategorien einzuteilen, je nachdem ob das Ergebnis eines gentechnischen Eingriffs theoretisch auch durch herkömmliche Züchtungsmethoden erzielt werden könnte oder nicht. Nur Pflanzen mit komplexeren Veränderungen (Kategorie 2) sollen demnach das umfangreiche Zulassungsverfahren der GVO-Verordnung durchlaufen müssen, während für den Anbau und das Inverkehrbringen von Pflanzen und Produkten der Kategorie 1 eine einfache Anmeldung sowie ein Eintrag in eine EU-weite Datenbank genügen würden. Nach Meinung Österreichs widerspricht der vorgesehene Verzicht auf eine Risikobewertung von NGT-Pflanzen der Kategorie 1 allerdings dem Vorsorgeprinzip, ebenso wird eine Kennzeichnung von NGT-Pflanzen bzw. von Produkten aus NGT-Pflanzen als unerlässlich erachtet. Auch auf die Gefahr von Monopolbildungen durch Patentierungen sowie auf Bedrohungen für die Biodiversität wird verwiesen. Laut Bericht wird auf EU-Ebene intensiv über den Vorschlag verhandelt, bei einer Ratstagung im Dezember konnte allerdings keine qualifizierte Mehrheit für den EU-Vorschlag erzielt werden.

Verhandlungen über "Frühstücksrichtlinien" bereits weit gediehen

Bereits deutlich weiter gediehen sind die Verhandlungen über eine Änderung von insgesamt vier EU-Richtlinien, die Vorgaben für bestimmte Erzeugnisse wie Honig, Konfitüren, Fruchtsäfte und Trockenmilch enthalten und unter dem Titel "Frühstücksrichtlinien" bekannt sind. Nachdem sich das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten Ende Jänner weitgehend geeinigt haben, könnte das Legislativverfahren bald abgeschlossen werden. Unter anderem ist geplant, den Mindestfruchtgehalt von Konfitüren und Gelees zu erhöhen, die Bezeichnung "Marmelade" auch für Produkte ohne Zitrusfrüchte zuzulassen und laktosefreie Milchprodukte in der Trockenmilch-Richtlinie zu berücksichtigen. Außerdem sollen bei Honigmischungen künftig alle Herkunftsländer angegeben werden müssen. Bisher reichte etwa die Angabe "Honig aus EU-Ländern" oder "Mischung von Honig aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern".

Spielzeug-Verordnung, Austausch von Gesundheitsdaten

Um den freien Verkehr von Spielzeug in der EU zu fördern und ein Höchstmaß an Sicherheit für Kinder zu gewährleisten, schlägt die EU-Kommission außerdem vor, die bestehende Spielzeug-Richtlinie durch eine entsprechende Verordnung zu ersetzen. Damit sollen bestehende Schwachstellen in der praktischen Anwendung der Richtlinie beseitigt werden. So ist nun etwa ausdrücklich vorgesehen, auch die psychische und geistige Gesundheit, das Wohlbefinden und die kognitive Entwicklung von Kindern in die allgemeinen Sicherheitsanforderungen aufzunehmen. Außerdem soll die Verwendung weiterer schädlicher Chemikalien in Spielzeug untersagt werden. Ein digitaler Produktpass soll außerdem dazu beitragen, dass weniger nichtkonformes Spielzeug in der EU auf den Markt kommt. Laut Bericht steht man allerdings erst am Beginn des Gesetzgebungsprozesses.

Weitere aktuelle EU-Vorhaben aus dem Gesundheitsbereich betreffen die Schaffung eines "Europäischen Raums für Gesundheitsdaten" (EHDS) und die Festlegung EU-weiter Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Substanzen, die aus menschlichem Blut, Gewebe oder menschlichen Zellen gewonnen werden und beim Menschen zum Einsatz kommen. In beiden Fällen ist man laut Gesundheitsministerium bei den Verhandlungen im Finale, wobei Österreich nach wie vor darauf beharrt, dass jede Person selbst entscheiden können muss, was in ihrer elektronischen Gesundheitsakte steht und wer welche Gesundheitsdaten einsehen kann.

Europäischer Behindertenausweis

Was den Sozialbereich betrifft, informiert Sozialminister Rauch die Abgeordneten unter anderem über den Stand der Verhandlungen zur Einführung eines Europäischen Behindertenausweises und eines Europäischen Parkausweises für Menschen mit Behinderung. Geht es nach der EU-Kommission, sollen beide Ausweise nach einheitlichen Formaten – physisch und/oder digital – ausgestellt und EU-weit anerkannt werden. Damit sollen Menschen mit Behinderung etwaige Begünstigungen wie reduzierte Eintrittspreise, vorrangigen Zutritt, die Bereitstellung persönlicher Assistenz oder reservierte Stellplätze EU-weit in Anspruch nehmen können.

Laut Bericht wurde im zuständigen Rat bereits eine erste Einigung über den Richtlinienvorschlag erzielt. Auch Österreich unterstützt das Vorhaben und konnte bei den Verhandlungen eine stärkere Verankerung des Datenschutzes erwirken. Das Europäische Parlament wird voraussichtlich im April 2024 seine Position festlegen. Ein zweiter Richtlinienvorschlag der EU-Kommission sieht gleiche Regelungen für in der EU lebende Menschen mit Behinderung aus Drittstaaten vor. Hier steht man gemäß den Informationen des Sozialministeriums aber noch am Beginn der Beratungen.

Um die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen, hat die EU-Kommission im September 2022 außerdem – basierend auf der aktuellen EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen – ein Beschäftigungspaket vorgelegt. In diesem Zusammenhang sollen 2024 Leitlinien für Arbeitgeber:innen und Handbücher erstellt werden, die auch "Good Practices" dokumentieren. Ebenso ist eine EU-weite Studie im Laufen.

Europäische Sozialversicherungskarte, Sozialwirtschaft

Zur geplanten Einführung einer Europäischen Sozialversicherungskarte (ESSPASS) läuft nach wie vor ein Pilotprojekt. Mit dem Vorhaben, die Rahmenbedingungen für die Sozialwirtschaft zu verbessern, wird sich demnächst eine hochrangige Konferenz befassen. Zudem werden im Rahmen des sogenannten "Europäischen Semesters" auch Fortschritte der EU-Länder bei der Umsetzung der Grundsätze der sozialen Säule der EU bewertet, etwa was die Bereiche Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz und soziale Inklusion anlangt.

Streitpunkt Arbeitslosengeld für Grenzgänger:innen

Immer noch keine Einigung erzielt werden konnte über einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2016, der auf eine bessere Koordinierung der Sozialsysteme der EU-Länder abzielt und unter anderem die grenzüberschreitende Gewährung von Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe und Pflegeleistungen betrifft. Mehr als ein Dutzend Trilogverhandlungen zwischen der Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten waren bisher erfolglos. Zuletzt hat der belgische Ratsvorsitz vorgeschlagen, die strittigen Punkte – etwa Leistungen bei Arbeitslosigkeit – aus dem Entwurf herauszunehmen und die verbleibenden Regelungen zu beschließen, was das Sozialministerium als sinnvoll bewertet. Laut Bericht ist es aber noch nicht absehbar, ob sich dafür eine Mehrheit im Rat und im Europäischen Parlament findet bzw. inwieweit die Europäische Kommission dieser Vorgangsweise zustimmt.

Auch über die bereits seit dem Jahr 2008 in Verhandlung stehende Antidiskriminierungsrichtlinie gibt es nach wie vor keinen Konsens, wobei Belgien laut Bericht beabsichtigt, die Verhandlungen darüber in der zweiten Hälfte seines Ratsvorsitzes wieder aufzunehmen.

Recht auf Reparatur von Waren, alternative Streitbelegungsverfahren

Im Konsumentenschutzbereich stehen unter anderem Richtlinienvorschläge betreffend ein "Recht auf Reparatur", die Belegpflicht von Umweltaussagen ("Green Claims") zur Verhinderung von Greenwashing sowie die Modernisierung der Rechtsvorschriften über alternative Streitbeilegungsverfahren (AS) zur Diskussion, wobei der Bericht nur zu letztgenanntem Punkt nähere Informationen enthält. Demnach sieht Österreich, was die von der Europäischen Kommission im Oktober 2023 vorgelegten Legislativvorschläge betrifft, noch viele offene Fragen, wobei die geplante Antwortpflicht von Unternehmen auf Anfragen von AS-Stellen vom Sozialministerium grundsätzlich begrüßt wird.

Darüber hinaus prüft die EU-Kommission seit 2022, inwieweit das Verbraucherschutzrecht im Lichte neuer digitaler Entwicklungen insgesamt noch tauglich ist. Das Ergebnis dieser Überprüfung soll im zweiten Quartal 2024 vorliegen. (Schluss) gs