408/A(E)-BR/2024

Eingebracht am 14.03.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Bundesrätin Andrea Schartel

und weiterer Bundesräte

betreffend Schluss mit Sozialbetrug und Scheinfirmen-Unwesen in Österreich – Schluss mit dem Tricksen, Tarnen und Täuschen von BMAW und BMSGPK

 

 

Experten der Finanzverwaltung legten am 13. Februar 2024 ihre Leistungsbilanz bei der Bekämpfung des Sozialbetrugs und des Scheinfirmen-Unwesens in Österreich vor:[1]

 

„Sozialleistungsbetrug verdoppelte sich; 152 Scheinunternehmen aus Verkehr gezogen; hunderte Anzeigen zur Registrierkassenpflicht erhalten.

 

Für das Jahr 2023 legen die 450 Finanzpolizistinnen und Finanzpolizisten erneut eine überaus erfolgreiche Leistungsbilanz vor. In Summe wurden rund 27.000 Kontrollen durchgeführt und 23,7 Mio. Euro an Strafen beantragt. Diese setzen sich aus 20,1 Mio. Euro von Arbeitsmarktkontrollen und 3,6 Mio. Euro vom illegalen Glücksspiel zusammen. Die Trefferquote ist mit 25 % äußerst hoch und Resultat der zielgerichteten Arbeit der Finanzpolizei sowie einer hohen Anzahl an eingehenden Anzeigen und Verdachtsmeldungen. […]

 

Arbeitsmarktkontrollen führten zu rund 20,1 Mio. Euro Strafanträgen Im Jahr 2023 führte die Finanzpolizei in ihren Zuständigkeitsbereichen Arbeitsmarkt und Glücksspiel 26.850 Kontrollen durch. Von 51.356 kontrollierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern waren 4.998 Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer nicht ordnungsgemäß zur Sozialversicherung angemeldet und 3.452 Personen ohne Arbeitserlaubnis illegal tätig. Bei 4.147 Personen wurden Übertretungen des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes festgestellt, 204 Personen wurden trotz Arbeitslosengeldbezuges arbeitend angetroffen.

 

Scheinunternehmen und organisierte Teil-Schwarzarbeit samt Sozialleistungsbetrug als neues „Businessmodell“

Im Bereich Sozialleistungsbetrug haben sich Anzeigen mehr als verdoppelt. 2022 erfolgten noch 76 Anzeigen, im vergangenen Jahr waren es schon 159. In den meisten Fällen arbeiten dabei Personen schwarz und kassieren nebenbei Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung sowie diverse Transferleistungen wie etwa Wohnbeihilfe.

 

Die Finanzpolizei deckte bereits 2022 eine raffinierte Betrugsmasche in Sachen „Steuer- und Sozialbetrug“ auf – die Teilschwarzbeschäftigung von Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern. Diese werden zwar bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) als Teilzeit-Beschäftigte angemeldet und die auf die Anmeldung entfallenden Sozialversicherungsabgaben sowie die Lohnsteuer werden entrichtet. Allerdings erhalten die Beschäftigten weit mehr Lohn in bar und unversteuert. Um die Auszahlung der Gelder in der Buchhaltung unterzubringen, werden Scheinrechnungen von Scheinfirmen produziert, das Geld wird auch tatsächlich überwiesen, unmittelbar nach der Überweisung aber von Hintermännern bar behoben und als Kick-Back-Zahlung an den Unternehmer (abzüglich einer „Unkostenpauschale“) rückgestellt. Dieser kann nun die Schwarzlohnzahlungen in bar mit unversteuertem Geld durchführen.

 

Oftmals erhalten die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer auch noch Sozialtransfers wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Wohnbeihilfen, obwohl sie weit mehr verdienen als regulär beschäftigte Personen. Die dubiosen Geldtransfers werden regelmäßig von den Banken im Rahmen der Geldwäscheprävention gemeldet und auch an das Amt für Betrugsbekämpfung übermittelt. Auf Grund dieser Meldungen lässt sich ein Gesamtvolumen an Geldtransaktionen von mehr als 800 Mio. Euro im Jahr identifizieren. Das Modell ist offenbar so erfolgreich, dass auch der Bedarf an Scheinunternehmen gestiegen ist. Allein im Jahr 2023 zog die Finanzpolizei 152 Scheinunternehmen aus dem Verkehr.

 

Die Finanzpolizei ermittelte außerdem in mehreren Großfällen gemeinsam mit Steuerfahndung sowie Landeskriminalämtern sowie Bundeskriminalamt zu österreichweiten Betrugsfällen mit Schadenssummen von weit mehr als 100 Mio. Euro.

Registrierkassenvorschriften werden häufig ignoriert – Anzeigen steigen
Zur Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht erhielt die Finanzpolizei auch im vergangenen Jahr mehr als 350 Anzeigen und Hinweise aus der Bevölkerung sowie von Unternehmen, dass die Belegerteilung nicht erfolgte, keine Registrierkassen vorhanden seien oder überhaupt keine Aufzeichnungen geführt werden.

 

Sozialbetrug und Sozialleistungsbetrug in Reinigungsunternehmen
Auf Grund der Ermittlungen der Finanzpolizei konnte ein besonders dreistes Betrugsmodell der Reinigungsbranche aufgedeckt werden. Sämtliche Dienstnehmer der betroffenen Unternehmen wurden geringfügig beschäftigt, alle Dienstnehmer erhalten nebenbei auch Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Allerdings werden für alle Dienstnehmer die tatsächlich geleisteten Stunden abgerechnet und schwarz ausbezahlt. Das ergibt für die Bediensteten folgende „Ertragsrechnung“: 550 Euro geringfügige Beschäftigung + rund 1.000 Euro Notstandshilfe + 1.500 Euro Schwarzlohnzahlung = 3.000 Euro Nettoverdienst zuzüglich diverser Befreiungen und Wohnbeihilfe. In diesen Fällen werden nun nicht nur die Unternehmerinnen und Unternehmer wegen Sozialbetrugs verfolgt, sondern auch alle Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer wegen Betrugs, dem sogenannten Sozialleistungsbetrug.

 

Der Kampf gegen das illegale Glücksspiel wird von der Finanzpolizei seit Jahren intensiv und sehr erfolgreich geführt. In den letzten Jahren war ein deutlicher Rückgang der aktiven Glücksspielbetreiber feststellbar. Waren es 2020 österreichweit noch 689 Kontrollen, so verzeichnet die Finanzpolizei 2022 316 Kontrollen sowie 385 beschlagnahmte Geräte und 2023 nur noch 282 Kontrollmaßnahmen und 435 Beschlagnahmungen. Aus dem Stadtbild sind illegale Glücksspielbetriebe aufgrund des hohen Kontrolldrucks der Finanzpolizei praktisch gänzlich verschwunden. Dennoch tauchen immer wieder vereinzelt Spielhöllen und Pokercasinos in Privatwohnungen, in Gewerbegebieten aber auch in Kellerlokalen auf.

 

Mit weiteren Maßnahmen 22,2 Mio. Euro Abgaben gesichert
Zu einer weiteren Aufgabe der Finanzpolizei zählt das Einbringen von Geldstrafen im Finanzstrafrechtsbereich: 2023 wurden mehr als 1.700 Exekutionsmaßnahmen gesetzt und ca. 1,6 Millionen Euro eingebracht. Neben den Einbringungsmaßnahmen der Finanzstrafen führte die Finanzpolizei 2023 auch Abgabenexekutionsmaßnahmen in einer Höhe von 14,3 Mio. Euro durch. Darüber hinaus wurden Forderungspfändungen in Höhe von 11,7 Mio. Euro gestellt und fast 6 Mio. Euro an Sicherstellungsaufträgen erstellt und somit für die Allgemeinheit gesichert.

 

Obwohl diese Zahlen eigentlich im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) und im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) alle Alarmglocken schrillen lassen müssten, legen die beiden zuständigen Bundesminister Univ. Prof. Dr. Martin Kocher (ÖVP) und Johannes Rauch (Die Grünen) die Hände in den Schoß.

 

ÖVP-Minister Kocher ignoriert in fortgesetztem Maße das Problem der gewerberechtlichen Schein-Geschäftsführer und der AMS-Förderungen für Scheinfirmen, Grünen-Minister Rauch verschließt die Augen vor dem wachsenden Problem der Schwarzarbeit und des Sozialbetrugs bei ausländischen Arbeitnehmern und „liberalisiert“ die Ausstellung der E-Card an diese Gruppe. Zum wiederholten Male wurden Scheinfirmen mit Firmensitzen an immer wiederkehrenden Adressen durch die Finanzverwaltung festgestellt. Es ergibt sich daraus der begründete Verdacht, dass organisierte Netzwerke immer wieder den Versuch starten, im Bereich der Abgabenhinterziehung gegenüber den Steuer- und Sozialversicherungsbehörden aktiv zu werden.

 

Eine Vielzahl von Anfragebeantwortungen an die FPÖ belegt die Untätigkeit der schwarz-grünen Bundesregierung bzw. die schweren Mängel in der Vollziehung der einschlägigen Bundesgesetze in diesem Bereich. Bei den Beantwortungen folgender Anfragen wurde zudem „getrickst, getarnt und getäuscht“:

 

·         Arbeitsinspektoratsüberprüfung bei Scheinfirmen Bundesland Wien (5766/J)

·         AMS-Förderungen für Scheinfirmen im Bundesland Wien (5768/J)

·         AMS-Förderungen für Scheinfirmen im Bundesland Wien (6878/J)

·         AMS-Förderungen für Scheinfirmen im Bundesland Wien (7109/J)

·         Folgeanfrage Arbeitsinspektoratsüberprüfung bei Scheinfirmen Bundesland Wien (7708/J)

·         Sozialversicherungsrückstände bei Scheinfirmen im Bundesland Wien (7774/J)

·         Folgeanfrage AMS-Förderungen an Scheinfirmen im Bundesland Wien zu Nr. 5711/AB bzw. Nr. 5768/J (7561/J)

·         Folgeanfrage zu 8199/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (9585/J)

·         Folgeanfrage zur Anfragebeantwortung 7432/AB AMS-Förderungen an Scheinfirmen im Bundesland Wien (8331/J)

·         Folgeanfrage zu 8199/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (9585/J)

·         AMS-Förderungen für Scheinfirmen in Österreich (9632/J)

·         Folgeanfrage zu 9386/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (10549/J)

·         Folgeanfrage zu 9428/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (10547/J)

·         Folgeanfrage zu 9428/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (10548/J)

·         Institut für Höhere Studien (IHS) und Projekt "Evaluierung des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes Sozialbetrug durch Scheinfirmen im Bauwesen" (10517/J)

·         Folgeanfrage zu 9428/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (10546/J)

·         Folgeanfrage zu 9428/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (10622/J)

·         Folgeanfrage zu 9428/AB betreffend AMS-Förderungen für Scheinfirmen (10623/J)

·         AMS-Förderungen für Scheinfirmen in Österreich seit 1.1.2022 (10627/J)

·         Arbeitslosenversicherungsbeiträge bei Scheinfirmen 2022 (12921/J)

·         Gewerberechtliche Konsequenzen für Scheinfirmen und ihre gewerberechtlichen Geschäftsführer 2020 (12939/J)

·         Gewerberechtliche Konsequenzen für Scheinfirmen und ihre gewerberechtlichen Geschäftsführer 2022 (12942/J)

·         Arbeitsinspektionsüberprüfung bei Scheinfirmen 2022 (12859/J)

·         Sozialversicherungsabgabenrückstände bei Scheinfirmen 2022 (12914/J)

·         AMS-Förderungen für Scheinfirmen 2021 (12943/J)

·         Gewerberechtliche Konsequenzen für Scheinfirmen und ihre gewerberechtlichen Geschäftsführer 2021 (12852/J)

·         Arbeitslosenversicherungsbeiträge bei Scheinfirmen 2021 (12920/J)

·         Sozialversicherungsabgabenrückstände bei Scheinfirmen 2022 – Folgeanfrage zu 12587/AB (13659/J)

·         Gewerberechtliche Konsequenzen für Scheinfirmen und ihre gewerberechtlichen Geschäftsführer 2022 – Folgeanfrage zu 12595/AB (13658/J)

·         Scheinfirmen und Beitragsrückstände zum Insolvenzentgeltfonds 2020 – 2023 (13760/J)

·         Sozialversicherungsabgabenrückstände bei Scheinfirmen 2022 – Folgeanfrage zu 12587/AB (13657/J)

·         Scheinfirmen und Beitragsrückstände bei der Finanz (14422/J)

·         Gewerberechtliche Konsequenzen für Scheinfirmen und ihre gewerberechtlichen Geschäftsführer 2023 (14883/J)

·         Arbeitsinspektionsüberprüfung bei Scheinfirmen 2023 (14932/J)

·         AMS-Förderungen für Scheinfirmen in Österreich seit 1.1.2023 (14935/J)

·         Scheinfirmen 2023 – Ermittlungsverfahren wegen Wirtschaftskriminalität und Finanzstrafdelikten (16676/J)

·         Scheinfirmen 2023 – Sozialbetrug, Sozialversicherungsbetrug und Sozialversicherungsrückstände (16674/J)

·         Scheinfirmen 2023 – AMS-Förderungen, Gewerberecht, Arbeitsinspektionen und Insolvenzentgeltfonds (16712/J)

·         Scheinfirmen 2023 – Ermittlungsverfahren wegen Wirtschaftskriminalität und Finanzstrafdelikten (16675/J)

 

Um hier tatsächlich auch für Kunden und Arbeitnehmer, die neben den Steuer- und Sozialversicherungsbehörden die Geschädigten solcher wirtschaftskriminellen Machenschaften, Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen, ist eine bessere Koordination der Gewerbebehörden, des Arbeitsmarktservice, der Wirtschaftsförderungseinrichtungen, des Arbeitsinspektorats sowie der Steuer- und Sozialversicherungsbehörden notwendig.

 

 

Neben dieser besseren Koordination müsste es im Bereich des Gewerberechts, der Arbeitsmarktförderungen, des Arbeitnehmerschutzes, der Wirtschaftsförderung und des Vollzugs der einschlägigen Steuern und Sozialversicherungsabgaben zu einer Verschärfung der Bestimmungen kommen.

 

 

Wiederholungstäter in Sachen Scheinfirmen, ob als (Mit-)Eigentümer, handels- oder gewerberechtlicher Geschäftsführer bzw. Beitrags- und/oder Bestimmungstäter sind nicht nur härter zu bestrafen, sondern sollten auch befristet bzw. unbefristet von der unternehmerischen Tätigkeit in Österreich inklusive des Bezugs von Förderungen oder auch der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen bei Bund, Ländern und Gemeinden zeitlich gesperrt und in letzter Konsequenzen sogar für immer ausgeschlossen werden.

 

 

Nur eine Verschärfung der Materiengesetze und ein strenger Vollzug können die wettbewerbsverzerrende und wirtschaftskriminelle Tätigkeit von Scheinfirmen und den durch diesen ausgeübten Sozialbetrug stoppen.

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Bundesräte stellen daher folgenden

 

 

 

 

 

 

Entschließungsantrag

 

 

 

 

Der Bundesrat wolle beschließen:

 

 

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird ersucht, dem Nationalrat ehestens eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der für Wiederholungstäter (Einzelpersonen bzw. Unternehmen) unmittelbar bzw. als Bestimmungs- und Beitragstäter im Bereich des Scheinunternehmertums und des Sozialbetrugs die gesetzlichen Voraussetzungen für

·         die Erhaltung von AMS- und Wirtschaftsförderungen,

·         die Gewerbeausübung,

·         die Tätigkeit als gewerberechtlicher bzw. handelsrechtlicher Geschäftsführer,

·         die Beteiligung an einem Unternehmen als Gesellschafter unmittelbar bzw. mittelbar über Holdings- und Beteiligungskonstruktionen,

·         die Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen bei Bund, Ländern und Gemeinden durch eine zeitliche Sperre, die auch dauerhaft verhängt werden kann

verschärft werden.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, den Antrag dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zuzuweisen.



[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240213_OTS0085/brunner-zu-erfolgreicher-jahresbilanz-der-finanzpolizei-237-millionen-euro-strafen-beantragt