2603/AB-BR/2011

Eingelangt am 03.06.2011
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft

P22001LOAnfragebeantwortung

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH 

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An den                                                                                               Zl. LE.4.2.4/0075-I 3/2011

Herrn Präsidenten

des Bundesrates

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 1.

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum,

                        Kolleginnen und Kollegen vom 8. April 2011, Nr. 2811/J-BR/2011,

                        betreffend Planung der Endlagerung von Atommüll in Tschechien

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen vom 8. April 2011, Nr. 2811/J-BR/2011, teile ich Folgendes mit:

 

Da das Thema „Endlagerung von Atommüll“ bereits mehrfach Gegenstand parlamentarischer Anfragen war, darf eingangs auf die Beantwortungen zu Nr. 7461/J-NR/2011 XXIV. GP vom 20. Jänner 2011 (7307/AB) und zu Nr. 2251/J-NR/2009 XXIV. GP vom 29. Mai 2009 (2213/AB) verwiesen werden, um nur einige zu nennen.

 

Zu den Fragen, soweit sie einen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffen, Folgendes:


Zu Frage 1:

 

Diese Frage betrifft streng genommen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, da das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) im gegenständlichen „Nuklearinformationsabkommen“ als Koordinator festgelegt ist. Das letzte Treffen hat am 29. und 30. November 2010 in Prag stattgefunden. Die Delegation stand – wie immer – unter der Leitung des BMeiA und umfasste MitarbeiterInnen des Bundesministeriums für Inneres, des Bundesministeriums für Gesundheit, des BMLFUW und von diesem beauftragte technische Experten sowie VertreterInnen der Bundesländer Wien, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark und Burgenland.

 

 

Zu den Fragen 2 und 3:

 

Ja; die zuständigen Stellen der Tschechischen Republik berichten regelmäßig anlässlich der jährlichen Expertentreffen im Rahmen des bilateralen „Nuklearinformationsabkommens“ sowie im Rahmen der Überprüfungstagungen des „Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle“ (JC-SFRW) über den Stand ihrer Endlagersuche. Bezüglich des aktuellen Standes sei auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen.

 

Zu Frage 4:

 

Wesentliche Teile dieses Fragenkomplexes wurden bereits in der eingangs erwähnten Anfragebeantwortung zu Nr. 7461/J-NR/2011 XXIV. GP vom 20. Jänner 2011 (7307/AB) erläutert. Von einer Wiederholung wird daher abgesehen. Zu spezifischen technischen Kriterien und Anforderungen sowie zur Auslegung liegen noch keine Informationen vor, auch deshalb, da diese wesentlich vom gewählten Standort abhängen.

 

Auf Grund der unterschiedlichen nationalstaatlichen Regelungen unterscheidet sich das Verfahren zur Suche nach einem Endlager in der Tschechischen Republik erheblich von der Endlagersuche in der Schweiz. Der wesentlichste Unterschied besteht darin, dass in der Tschechischen Republik kein „Entsorgungsnachweis“ erforderlich ist. Die zuständige Behörde hat bisher folgende potentielle Standorte für eine Anlage zur Lagerung hochradioaktiven Abfalls genannt: Božejovice, Lubenec, Pacejov, Rohozná, Lodhérov und Budišov und die so genannten „militärischen“ Standorte Boletice und Hradiště. Von den in Betracht gezogenen Standorten liegen im Gewässereinzugsbereich nach Österreich Rohozná, Budišov und der so genannte „militärische“ Standort Hradiště.

 

Private Betreiber von Kernanlagen leisten Beiträge zu einem staatlichen Fonds. Die aktuelle Dotation dieses Fonds ist dem BMLFUW nicht bekannt. Geologische Tiefenlager sind von den internationalen Nuklearhaftungsregimes nicht erfasst. Auch liegen keine probabilistischen Risikoanalysen zu geologischen Tiefenlagern vor.

 

 

Zu Frage 5:

 

Eingangs ist zu erwähnen, dass es sich bei den Anlagen an den hier aufgezählten Standorten um keine Endlager für hochradioaktive Abfälle handelt. Am Standort Dukovany befindet sich ein Endlager für kurzlebige, niedrig aktive Abfälle. In der Mine Richard befinden sich vor allem umschlossene Strahlenquellen. In Hostím wurden überwiegend institutionelle Abfälle eingelagert. Dieses Lager ist bereits verschlossen. Bezüglich ausführlicher technischer Darstellungen sei auf die Nationalberichte der Tschechischen Republik im Rahmen des Gemeinsamen Übereinkommens über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle verwiesen, die auf der Internetseite der SURÁO (Radioactive Waste Repository Authority) veröffentlicht sind.

 

Zu Frage 6:

 

In Österreich gibt es keine Pläne für ein nationales Endlager für radioaktiven Abfall.

 

Es wurde dafür Sorge getragen, dass die derzeitige Behandlung und Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle in Seibersdorf nach den besten technischen Standards durchgeführt wird, so dass höchstmögliche Sicherheit und optimale Langzeitstabilität sichergestellt ist.

 

Zu Frage 7:

 

Grundsätzlich besteht die Idee des im Strahlenschutzgesetz genannten Risikoausgleichs darin, dass zur Kompensation des Risikos, das von ausländischen, vor allem grenznahen Kernkraftwerken ausgeht, Österreich seinen radioaktiven Abfall im Endlager eines Betreiberstaates beseitigen können sollte.


 

Staaten ohne Kernkraftwerke, wie auch Österreich, sind aufgrund geltenden Gemeinschaftsrechtes und nationalen Rechtes zum Schutz der eigenen Bevölkerung vor den Auswirkungen von großräumigen radioaktiven Kontaminationen, insbesondere von solchen im Zusammenhang mit Zwischenfällen in ausländischen Kernkraftwerken gezwungen, Maßnahmen zur Abwendung der möglichen Folgen dieses Risikos zu treffen. Dies bedeutet, dass Strahlenwarnsysteme zu errichten und zu betreiben sind, dass Vorsorgemaßnahmen für radiologische  Notstandssituationen zu treffen und diese durch Übungen zu überprüfen sind.

 

Als Ausgleich für dieses Risiko und diesen Aufwand sieht es Österreich als gerechtfertigt an, dass Nichtnuklear-Staaten an zukünftigen europäischen, regionalen oder bilateralen Endlagerlösungen partizipieren können, ohne dabei als potentieller Standort für das gemeinsame Lager fungieren zu müssen.

 

Eine solche gemeinsame Endlagerlösung in Europa ist derzeit allerdings noch nicht in greifbarer Nähe. Österreich ist an Projekten beteiligt, in denen gemeinsam mit anderen interessierten europäischen Staaten Schritte in Richtung einer solchen Lösung gesetzt werden sollen.

 

Zu Frage 8:

 

Das Feststellungsverfahren (Scoping) wurde 2008 eröffnet und 2009 abgeschlossen. Die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) für die Errichtung der Blöcke 3 und 4 des KKW Temelín wurde in Österreich von 26. August bis 27. September 2010 öffentlich aufgelegt. Die eingelangten Stellungnahmen sowie die österreichische Fachstellungnahme wurden am 14. Oktober 2010 an das tschechische Umweltministerium (MZP) übermittelt. Die österreichische Fachstellungnahme thematisiert zahlreiche Mängel, die nun Gegenstand bilateraler Konsultationen sind. Die Konsultationen wurden im Jänner 2011 begonnen und sind noch nicht abgeschlossen. Die Abhaltung einer öffentlichen Anhörung auch in Österreich wird weiterhin mit Nachdruck angestrebt.

 

Zu Frage 9:

 

Im Rahmen der Beobachtung relevanter Entwicklungen sind die MitarbeiterInnen des BMLFUW auch in Kontakt mit Umwelt- und Anti-Atom-Organisationen sowie anderen InteressensvertreterInnen, auch im Ausland. Eine direkte Unterstützung von Umwelt- und Anti-Atom-Organisationen im Ausland würde als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates gewertet und widerspräche daher den völkerrechtlichen Gepflogenheiten.


 

Zu Frage 10:

 

Da der Europäische Rat (Tagung vom 24./25. März 2011) dazu aufgerufen hat, die vorgeschlagene Richtlinie über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle so rasch wie möglich zu verabschieden, hat die ungarische Ratspräsidentschaft die Beratungen intensiviert. Die Ratsarbeitsgruppe Atomfragen, in der dieses Dossier beraten wird, tagt derzeit wöchentlich.

 

Zu Frage 11:

 

Die RL 2009/71/Euratom legt unter Artikel 2 den Geltungsbereich wie folgt fest:

 

"Diese Richtlinie gilt für alle zivilen kerntechnischen Anlagen, die auf der Grundlage einer in Artikel 3 Absatz 4 definierten Genehmigung betrieben werden, und für alle Phasen, auf die sich die Genehmigung erstreckt."

 

In Art. 3 Absatz 1 werden sodann die erfassten kerntechnischen Anlagen taxativ erwähnt:

 

"1. „kerntechnische Anlage"

 

a) eine Anreicherungsanlage, eine Anlage zur Kernbrennstoffherstellung, ein Kernkraftwerk, eine Wiederaufarbeitungsanlage, einen Forschungsreaktor, eine Zwischenlagerung für abgebrannte Brennelemente und

 

b) Zwischenlagerungen für radioaktive Abfälle, die direkt mit unter Buchstabe a aufgeführten kerntechnischen Anlagen in Zusammenhang stehen und sich auf dem Gelände dieser Anlagen befinden;".

 

Somit ist die in der Anfrage erwähnte „Sicherheit bei der Endlagerung" von dieser Richtlinie nicht erfasst.

 

Zu Frage 12:

 

Ich habe bereits nach Verabschiedung der Richtlinie 2009/71/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen im Jahr 2009 betont, dass es sich dabei um einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung handelt, dem freilich weitere folgen müssen. An die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 2990/J-NR/2009 XXIV. GP vom 18. September betreffend „Kursänderung in der österreichischen Antiatompolitik?“ (2949/AB) darf erinnert werden. Maximale Sicherheit, Transparenz und Informationsaustausch müssen weiter ausgebaut werden. Dabei bleibe ich, und ich werde auch weiterhin alles daran setzen, dass die Europäische Kommission hier mit Nachdruck aktiv bleibt. Vor diesem Hintergrund begrüße ich, dass der Europäische Rat die Europäische Kommission in seiner Märztagung 2011 dazu aufgerufen hat, den bestehenden Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen zu überprüfen und bis Ende 2011 alle erforderlichen Verbesserungen vorzuschlagen.

 

Der Bundesminister: