Bundesrat Stenographisches Protokoll 609. Sitzung / Seite 36

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11.55

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Bei allem Verständnis für Ihr Harmoniebedürfnis, Herr Staatssekretär Schlögl, müssen Sie die eine oder andere kritische Bemerkung der Opposition schon noch gestatten.

Meine Damen und Herren! Die Leitlinien zur EU-Regierungskonferenz 1996 befassen sich unter V auch mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Frau Staatssekretärin und andere Vorredner sind darauf in Ansätzen schon eingegangen. In der Einleitung dazu heißt es: In den eineinhalb Jahren ihres Bestehens hat die GASP nicht überzeugt. Bei allen Mitgliedsstaaten herrscht Unzufriedenheit, und zwar betreffend Inhalt, Effizienz, institutioneller Durchführung und Sichtbarkeit. Eine effiziente GASP zu konzipieren und durchzusetzen ist letztlich eine Funktion des politischen Willens der Mitgliedstaaten.

Meine Damen und Herren! Was den politischen Willen in Österreich anlangt, so bietet diese Bundesregierung in dieser wesentlichen Frage, einer Säule des EU-Vertrages, nach wie vor ein Bild des Jammers! Die Sicherheits- und wehrpolitische Diskussion wird von den unterschiedlichen Standpunkten der beiden Regierungsparteien hinsichtlich der Neutralität, des Zeitpunkts des Vollbeitrittes zur WEU, der Form der Gestaltung der Partnerschaft für den Frieden und eines eventuellen Beitritts zur NATO beherrscht. Eine klare und einheitliche Linie ist weit und breit nicht sichtbar. Die Erfahrungen, die die Europäer seit Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht mit der GASP gemacht haben, sind mehr als enttäuschend. Für die Außenpolitik besteht derzeit höchstens ein vager Rahmen und für die Sicherheitspolitik bestenfalls eine Option. Umso wichtiger wäre es, daß die einzelnen Mitgliedsländer klare Positionen beziehen, um in der heurigen Regierungskonferenz mit einer einzigen und klar verständlichen Zunge zu reden. Die Hilflosigkeit gegenüber dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien und auch die Uneinigkeit im Verhalten den Kriegsparteien gegenüber haben dies ernüchternd deutlich gemacht.

Meine Damen und Herren! Die Herausforderungen sind da, und zwar unmittelbar in unserer Nachbarschaft. Letztlich muß es darum gehen, wie sich die Union am effizientesten für die Sicherheit ihrer Bürger im Inland und nach außen einsetzt. Die Stärkung dieser zweiten Säule des Maastricht-Vertrages gehört zu den wesentlichen Herausforderungen der Regierungskonferenz in Turin. Dabei wird sich die Frage stellen, ob die 1998 vertraglich auslaufende WEU aufgelassen, weiterentwickelt, zum europäischen Pfeiler der NATO ausgebaut oder in die EU integriert werden soll. Zu diesem Thema, meine Damen und Herren, ist von seiten der Bundesregierung leider keine klare Haltung erkennbar. Die ÖVP schlug ein Solidaritätsgesetz vor, mit dem eine Teilnahme an allen sicherheitspolitischen Schritten der EU unter Beibehaltung der Neutralität möglich gemacht werden sollte. – Die ÖVP will zugleich Jungfrau bleiben und schwanger werden. Das ist die "Überregierungskunst", meine Damen und Herren! Dazu gratuliere ich Ihnen ganz herzlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die SPÖ, die einzige verläßliche strukturkonservative Partei in diesem Lande, hat Ihren Vorschlag in Bausch und Bogen verworfen und stattdessen die Einführung eines sogenannten Sicherheitsrates urgiert. Als ob wir das nicht schon hätten, meine Damen und Herren! Als ob die Ausschüsse des Nationalrates und die Räte, die die Bundesregierung eingesetzt hat, diese Themen nicht schon längst abdecken würden!

Meine Damen und Herren der SPÖ! Ihr Nein war aber sicherlich ein effizientes, denn die ÖVP brach auch in diesem Punkt zusammen, und ihr Klubobmann im Nationalrat hatte das Vergnügen, den Kniefall coram publico in aller Öffentlichkeit zu zelebrieren.

Der Verteidigungsminister dieser Bundesregierung darf noch ein bißchen seine Interessen vertreten – wir haben das gestern im Nationalrat gehört –, muß aber dann sehr stark eingebremst werden, damit er mit den Leuten, die in Permanenz das Bundesheer abschaffen wollen und die er deshalb zu Recht als staatsgefährdend bezeichnet hat, wieder in Ruhe an einem Regierungstisch zusammensitzen kann.


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