Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 121

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den Menschen eine Wahlmöglichkeit nehmen? Will er auch Lebensgemeinschaften von gleichgeschlechtlichen Partnern mit allen Konsequenzen – bis zur Wohnbauförderung, bis zur Adoptionsmöglichkeit et cetera? Da sollte einmal eine Zieldefinition stattfinden!

Das zweite Problemfeld – Kollegin Mühlwerth hat es schon angesprochen – sind die finanziellen und wohnungsmäßigen Rahmenbedingungen. Die heutige Wohnform ist auf die Kleinfamilie ausgelegt. Es kann sich jemand nicht mehr als ein, zwei Kinder leisten, weil er mehr gar nicht unterbringen kann. Es ist ein generationsübergreifendes Leben nicht mehr möglich und leider auch von der heute herrschenden Politik offensichtlich nicht erwünscht, weil der Häuselbauer heute ins Eck gestellt und der verdichtete Wohnbau immer mehr propagiert wird.

Es geht auch um die Problembewältigung. Schauen wir uns doch einmal an, wie viele Scheidungen es heutzutage in Österreich gibt! Fast jede dritte Ehe wird geschieden. Auch da müßte man irgendwelche Regelungsinstrumentarien schaffen, denn die Leidtragenden sind nicht nur die Ehepartner, sondern die Leidtragenden sind in erster Linie die Kinder, und durch Scheidungen kommen oft psychische Krüppel heraus, die ihr Leben nach dieser mißlichen Situation ihrer Eltern wieder selbständig bewältigen müssen.

Deshalb meine ich, daß Familienpolitik viel umfassender gesehen werden muß, daß man die Rahmenbedingungen neu definieren muß, daß man die steuerlichen Bedingungen richtigstellen und gerechter gestalten muß. Schaffen Sie stabile Familien, damit schaffen Sie stabile Gemeinschaften, und diese stabilen Gemeinschaften sind viel weniger abhängig vom Staat und können dann selbständig und eigenverantwortlich entscheiden und existieren! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister Rudolf Edlinger hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

17.25

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe natürlich die Diskussion mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgt und möchte zunächst einmal feststellen, daß für mich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und der dadurch entstehende Zwang, eine Lösung, die den verfassungsgerichtlichen Überlegungen entspricht, zu finden, außer Zweifel stehen.

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß in der Diskussion ein Aspekt dieses verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses verlorengegangen ist, nämlich jener, daß eine exakte Veränderung der Familienbesteuerung gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes einen Betrag von 500 Millionen Schilling erfordern würde. Der Verfassungsgerichtshof kritisiert nämlich lediglich, daß bei höheren Einkommen bei älteren Kindern jener Zustand eintritt, der offenbar in der öffentlichen Diskussion verallgemeinert wird.

Warum gehen wir eigentlich diesen fiskalpolitisch relativ einfachen Weg nicht? – 500 Millionen Schilling zusätzlich aufzuwenden, wäre bei aller Sparsamkeit, die ich beim Vollzug des Budgets auch weiterhin an den Tag legen muß, nämlich leicht möglich. Das läge auch im Rahmen der Gestion des Budgets 1999.

Was wir aber nicht wollen, ist der gesellschaftspolitische Effekt, der dadurch entsteht, nämlich daß dann tatsächlich jenen, die es meiner Meinung nach am meisten notwendig haben, geholfen wird. Alle Studien, die davon ausgehen, wer sich wann und unter welchem Aspekt an der Armutsgrenze befindet, zwingen geradezu zu einer Lösung, die letztendlich jenen entgegenkommt und jenen hilft, die sich tatsächlich am Rande der Armutsgrenze bewegen, und das ist keinesfalls abhängig von der Zahl der Kinder, sondern das ist zu einem gut Teil abhängig vom Vermögen und vom Einkommen jener Familie, in der ein Kind aufwächst.

Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat Mag. Wilfing, haben offensichtlich eine andere Erfahrung gemacht als ich. Ich bin auch Vater dreier Kinder, und ich habe meine Kinder zu einem Zeitpunkt aufziehen müssen, als ich noch nicht in der Politik tätig war, sondern Arbeiter in einer Druckerei.


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