Bundesrat Stenographisches Protokoll 657. Sitzung / Seite 103

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Es hat sich noch Herr Bundesrat Jürgen Weiss zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

14.27

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Herr Professor Böhm hat in sehr zutreffender Weise auf eine Problematik unseres Zustimmungsrechtes aufmerksam gemacht. Sie liegt darin, daß wir bei Verfassungsbestimmungen, seien sie auch in größerer Zahl in einem einfachen Bundesgesetz verpackt, jeder einzelnen die Zustimmung erteilen – oder auch nicht. Wenn eine Vielzahl von sachlich gar nicht zusammenhängenden Änderungen der Verfassung in das Kleid eines Bundesverfassungsgesetzes verpackt ist, dann unterliegt dem Zustimmungsrecht nur die Gesamtheit. Das ist, wie am heutigen Beispiel sichtbar wird, keine befriedigende Ausgangslage.

Es wurde schon darauf hingewiesen, daß ein wesentlicher Punkt dieser Novelle, nämlich die Anrufbarkeit des Verfassungsgerichtshofes bei Streitigkeiten zwischen Landesrechnungshöfen und zur Prüfung stehenden Unternehmen einem Anliegen mancher Länder entspricht. Es ist als dankenswert anzuerkennen, daß das aufgegriffen wurde. Die anderen Fragen sind eher rechtstechnischer Art und keine verfassungspolitischen Neuerungen.

Ich hätte auch mit der Bestimmung hinsichtlich der Mitglieder und Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofes kein Problem, wenn sich diese Regelung auf den Bereich des Bundesdienstrechtes beschränkt hätte. Ich hoffe, das wurde unbedacht damit gemacht, denn es ist gleichzeitig ein Eingriff in die Dienstrechtszuständigkeit der Landtage, ohne daß man vorher mit den Ländern darüber gesprochen hätte. Das ist ein Stil, den ich schon wegen der Beispielsfolgen nicht gutheißen möchte, wenngleich ich zugebe, daß sich die praktischen Auswirkungen in Grenzen halten werden, weil sich der Fall, daß Landesbedienstete zu Mitgliedern oder zu Ersatzmitgliedern des Verfassungsgerichtshofes ernannt werden, leider – sage ich dazu – in Grenzen halten wird.

In der Güterabwägung komme ich zu einem anderen Schluß als Herr Professor Böhm, durchaus auch, wie ich denke, im Einvernehmen mit den Ländern. Das Gut Zuständigkeit der Landesrechnungshöfe und Erfüllung einer wichtigen Länderforderung wiegt im Zweifel auch nach meiner Einschätzung höher als jenes eines sehr beschränkten Eingriffes in die Dienstrechtszuständigkeit der Länder.

Ich meine, daß die Länder das auch so sehen. Jedenfalls haben wir diesen Gesetzesbeschluß des Nationalrates nicht in der ursprünglich dafür vorgesehenen Sitzung behandelt, sondern zurückgestellt, damit die Länder die Möglichkeit haben, sich zu artikulieren. Sie haben das in keinem einzigen Fall getan. Der Herr Landtagspräsident von Salzburg hat uns nur mitgeteilt, daß er Artikel 147 ablehnt, aber er hat sich nicht darüber geäußert, ob er die Novelle insgesamt ablehnt. Nach einem Gespräch, das ich mit ihm, aber auch mit anderen geführt habe, komme ich zu keiner anderen Schlußfolgerung, als daß die Güterabwägung für die Zustimmung zur Novelle spricht.

Bedeutsam ist aber nicht nur das, was in der Novelle steht, sondern auch das, was nicht in ihr steht. Eine Änderung der Bundesverfassung am Ende einer Gesetzgebungsperiode hätte auch Gelegenheit geboten, verschiedene verfassungspolitische Anliegen aufzugreifen, an denen hier im Bundesrat ein gewisses Interesse besteht. Ich gehe jetzt gar nicht näher auf die Bundesstaatsreform ein, sondern auf Dinge, die noch etwas enger mit uns zu tun haben.

Ich erinnere nur an das Anliegen, das auf mehreren einstimmigen Beschlüssen von Landtagen beruht, den Ländern bei der Gestaltung ihres Wahlrechtes, insbesondere bei der Einführung der Briefwahl für Landes- und Gemeindevertretungswahlen, einen größeren Spielraum einzuräumen. Wenn sie diesen nutzen wollen, sollen sie das auch können. Ich erinnere nicht zuletzt an den vom Bundesrat mit den Stimmen aller Fraktionen schon wiederholt geäußerten und auch dem Nationalrat als Gesetzesantrag vorgelegten Wunsch, zu Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates nicht erst im nachhinein und gesamthaft im Wege eines Einspruches Stellung nehmen zu können, sondern bereits vorab, also bevor der Nationalrat seine Entscheidung getroffen hat. Das wäre ein wesentlich praxisgerechteres Vorgehen.


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