Bundesrat Stenographisches Protokoll 667. Sitzung / Seite 50

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recht nicht gedeckte – Zwangsarbeit der in der Deutschen Wehrmacht des Zweiten Weltkrieges zwangsverpflichteten Österreicher, die insbesondere in sowjetrussische Kriegsgefangenschaft geraten sind, als auch der Altösterreicher deutscher Muttersprache, die in ost- und südosteuropäischen Staaten nach dem kommunistischen Machtwechsel zu Zwangsarbeit verhalten und zum Teil auch zu diesem Zweck deportiert worden sind.

Um aber nicht heute zum Zeitpunkt einer geradezu historischen Beschlussfassung missverstanden zu werden, stelle ich für meine Fraktion ausdrücklich klar: Wir fordern keine politische Junktimierung beider Regelungsziele. Wir tragen mit anderen Worten das heute auf der Tagesordnung stehende Vorhaben vorbehaltlos mit. Wir bringen lediglich aus diesem Anlass unsere begründete Erwartung zum Ausdruck, dass sowohl im Interesse allseitiger Gerechtigkeit als auch im Sinne des Regierungsübereinkommens nun nicht minder die Zwangsarbeit unserer Kriegsgefangenen und unserer Volksgruppenangehörigen in absehbarer Zeit einer zufriedenstellenden Regelung zugeführt werden kann.

Im Hinblick auf das heutige Anliegen, gravierendem historischem Unrecht, das von unserem Boden, wenn auch nicht unter staatlicher Autorität Österreichs, ausgegangen ist, angemessen gerecht zu werden, soweit dies heute noch möglich ist, gibt meine Fraktion der betreffenden Vorlage aus rechtsethischen Erwägungen ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Milan Linzer das Wort. – Bitte.

11.38

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Frau Präsidentin Dr. Schaumayer! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Es wird nicht wenige Zeitzeugen dieser Zeit vor 1945 in diesem Hause geben. Um mit den Worten des Kollegen Himmer zu sprechen, ich hatte das "Privileg" – unter Anführungszeichen –, einige Jahre davor geboren zu sein und ebendiese Zeit als Bub miterlebt zu haben.

Es war auch ein gewisses Schlüsselerlebnis, das ich mit fünf Jahren hatte, als ich mit diesem Thema konfrontiert worden bin, wiewohl wir damals im so genannten Kindergarten und in der ersten Klasse, die ich absolviert habe, über die Hintergründe der Geschichte eben nicht informiert worden sind und uns eine andere Seite der Medaille vorgesetzt worden ist.

In einigen Sätzen möchte ich dieses Schlüsselerlebnis kurz erzählen, nachdem Frau Präsidentin Haselbach Ähnliches von ihrem Vater erzählt hat.

Wir Jungen – mein Bruder, der ein Jahr älter ist als ich,  und ich – wohnten damals mit den Eltern vis-à-vis dem Donaukanal. Wir waren, weil der Vater auch streng war mit uns, sehr brave Buben und mussten die Bombenangriffe immer im Keller über uns ergehen lassen. Eines Nachmittags waren wir – es sollte eine Belohnung sein – mit dem Vater auf dem Weg zur Urania, um uns einen Film anzusehen.

Kurz bevor wir bei der Urania angekommen waren, tauchte eine junge Frau – wie mir nachher der Vater erzählt hat: jüdischen Glaubens – entsetzt vor uns auf mit einem Säugling in den Armen, der offenbar kurz zuvor verhungert war. Sie war natürlich völlig außer sich. Mein Vater hat sich dann ihrer angenommen, uns einfach kurz nach Hause geschickt, uns aber am Abend dann erzählt, worum es sich gehandelt hatte. Er hat uns dann sozusagen die erste Aufklärung über die damaligen Ereignisse gegeben, dies völlig diametral, also im Gegensatz zu dem, was wir in der ersten Klasse Volksschule zu hören bekommen haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben schon gehört: Es war damals die Zeit, in der es Österreich nicht gegeben hat. Aber ich glaube, dass wir Österreicherinnen und Österreicher uns der Verantwortung dafür, was damals geschehen ist, nicht entziehen können.


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