Bundesrat Stenographisches Protokoll 669. Sitzung / Seite 134

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7. November 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2000 keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Es liegt mir bis jetzt eine Wortmeldung vor, und zwar hat sich Herr Professor Böhm zu Wort gemeldet. Ich darf ihn bitten, das Wort zu ergreifen.

18.05

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Aus Zeitgründen nehme ich ausschließlich zu Punkt 24 der Tagesordnung Stellung.

Bei der gegenständlichen Vorlage handelt es sich um das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen. Schon bisher war es nach diesem Europarats-Übereinkommen von 1983 möglich, eine im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei verurteilte Person zum Vollzug der gegen sie verhängten Sanktion in das Hoheitsgebiet ihres Heimatstaates zu überstellen. Dabei kommt es allerdings sowohl auf das Einvernehmen beider beteiligter Staaten als auch auf die Zustimmung der verurteilten Person, allenfalls ihres gesetzlichen Vertreters, an.

Gleiches galt bisher dann nicht, wenn der Verurteilte in seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist, sei es, weil er aus dem Urteilsstaat geflohen ist oder in seinen Heimatstaat abgeschoben worden ist. Eine so genannte Überstellung ist ja dann nicht mehr möglich, und der Verurteilte würde ihr auch in aller Regel nicht mehr zustimmen.

Da sich die Auslieferung eigener Staatsbürger an den fremden Urteilsstaat schon nach den meisten Verfassungen von selbst verbietet, so auch für Österreicher nach der österreichischen Verfassung, müsste das Strafverfahren im Heimatstaat des Verurteilten neu durchgeführt werden. Um das zu vermeiden, soll künftig auch in diesem Fall der Vollzug im Heimatstaat ermöglicht werden.

Das kann ich grundsätzlich verstehen; dennoch muss ich gewisse Bedenken gegen die völkervertragliche Neuregelung anmelden. Sollen wir unsere Hand zur Vollstreckung ausländischer Strafurteile auch dann leihen, wenn wir diese nicht als rechtsstaatlich einwandfrei und als dem Niveau unserer Rechtspflege gleichwertig erachten? – In einem solchen Fall wäre ja die Neudurchführung des Strafverfahrens im Heimatstaat des Straftäters, also in unserem Fall des österreichischen Straffälligen bei uns, gewiss vorzuziehen. Die Vollstreckung unter Umständen durchaus fragwürdiger ausländischer Schuldsprüche in Österreich auch ohne Zustimmung des verurteilten Österreichers zu eröffnen, scheint mir höchst problematisch zu sein. Dass hiezu weder eine Verpflichtung des Urteilsstaates, die Vollstreckung zu übertragen, besteht noch eine solche des Heimatstaates, die Vollstreckung zu übernehmen, ändert daran im Prinzipiellen wenig, denn die Ablehnung der Übernahme der Vollstreckung im konkreten Fall, die ja implizit oder sogar explizit ein Unwerturteil über das im Ausland durchgeführte Verfahren voraussetzt, mag dann als unfreundlicher Akt erscheinen oder sogar diplomatische Verwicklungen heraufbeschwören.

Man wende auch nicht ein, dass es sich ja um ein auf Europa beschränktes Übereinkommen handelt und wir insofern grundsätzlich von einem durchaus annähernd gleichwertigen Standard aller beteiligter Staaten in Bezug auf die Strafrechtspflege ausgehen können. Bedenkt man, wie weit heute bereits der Kreis der Europaratsmitglieder gezogen ist – ich nenne jetzt bewusst nicht einzelne Staaten, um sie nicht zu diskriminieren –, kommen aber doch begründete Zweifel auf.

Unter dem Aspekt legitimer Verteidigungsinteressen erachte ich es auch nicht als gleichgültig, ob es ein Staatsorgan oder der rechtskundige professionelle Vertreter der betroffenen Partei ist, der zu würdigen hat, ob der Schuldspruch im ausländischen Urteilsstaat gerechtfertigt war und


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