Bundesrat Stenographisches Protokoll 672. Sitzung / Seite 136

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Freilich sind die Gerichte im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit und das natürlich auch nach der amerikanischen Verfassung geltende Prinzip der Gewaltenteilung an diese politische Erklärung der US-Administration nicht gebunden. In den bisherigen Präzedenzfällen haben die mit derartigen Sammelklagen befassten Gerichte allerdings eine entsprechende Erklärung der Regierung durchaus respektiert. Sie lehnten die sachliche Erledigung der Klagen mit dem Argument ab, dass die betreffende Materie dadurch keine reine Zivilrechtssache mehr sei, sondern vielmehr auf die völkerrechtliche beziehungsweise außenpolitische Ebene gehoben worden sei, für welche Zivilgerichte an sich nicht zuständig sind. Das von mir angedeutete Unsicherheitsmoment ist daher wohl in Kauf zu nehmen.

Alles in allem begrüßt meine Fraktion somit die im Interesse gerechter Aufarbeitung historischen Unrechts – soweit das heute überhaupt noch möglich ist – und im Zeichen versöhnenden Ausgleichs gefundene Lösung. Sie sieht darin die gebotene Schließung einer Lücke und zugleich den rechtlichen, wenn auch längst nicht tatsächlichen, Abschluss der materiellen Restitutionen. Sie ist sich auch des Zeitdrucks bewusst, unter welchem diese Entschädigungsleistungen erbracht werden müssten, sollen sie doch den wahren, individuellen Opfern, soweit sie noch am Leben sind, oder ihren Erben und nicht etwa abstrakten Organisationen und ihren Anwälten zugute kommen.

In dieser Intention stimmt meine Fraktion aus geschichtlicher Verantwortung und rechtsethischen Erwägungen beiden Vorlagen vorbehaltlos zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall. )

18.41

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Georg Keuschnigg. Ich erteile es ihm.

18.42

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir verabschieden heute in diesem Haus ein Paket von neuen und geänderten Gesetzen.

Es wurde schon in berührender Weise dargestellt, dass in diesem Zusammenhang der Rahmen der üblichen politischen Aktualität weit gesprengt wird und dass diese Gelegenheit uns alle zu politischer und historischer Besinnung innehalten lassen soll. Wenn wir – ich meine jetzt vor allem jene Generationen, die auf die Gnade der späten Geburt verweisen können – die aktuellen Ereignisse auf den Kriegsschauplätzen unserer Welt, von Tschetschenien und Palästina bis zum ehemaligen Jugoslawien – ohne in irgendeiner Weise einen Vergleich zulassen zu wollen – betrachten, dann wird ersichtlich, welch unermesslichen Wert Friede, Toleranz und Menschenwürde haben und dass die Sorge über die Verletzung der Menschenrechte ständig wachgehalten und geschärft werden muss. Der ehrlichen und konsequenten Aufarbeitung zumindest des materiellen Unrechtes des Naziregimes, die mit diesem Gesetzeswerk abgerundet wird, kommt deshalb hohe Bedeutung zu. Es muss dies ein Signal für alle Menschen dieses Landes, insbesondere auch für die Jugend, sein, welche Verantwortung uns die eigene Geschichte noch viele Jahre danach auferlegt und dass diese Verantwortung selbstverständlich und mit Nachdruck anzunehmen ist.

Das Bemerkenswerteste am Gelingen dieses Regelwerkes scheint mir das Maß zu sein, mit dem alle Beteiligten zu Werke gegangen sind. Nichts hätte die Würde der Betroffenen mehr geschädigt und vor allem deren auch seelischen Schmerz noch mehr vertieft als ein langwieriger, mühsamer Verhandlungsverlauf. Dafür, dass nach nur dreieinhalbmonatigen Verhandlungen ein anständiges Ergebnis vorliegt, ist vielen zu danken.

Als Erstes möchte ich die Bundesregierung nennen, weil sie keinen Zweifel daran gelassen hat, dass sie eine seriöse, ernsthafte Aufarbeitung und Erledigung dieser so leidvollen und belasteten Materie wirklich will. Sie hat das bei den Verhandlungen über die Entschädigungen für die Sklaven- und Zwangsarbeiter schon unter Beweis gestellt, und die Arbeit von Frau Dr. Schaumayer, die über alle Lager hinweg Anerkennung gefunden hat, hat natürlich auch in der Frage der Restitution den Weg gewiesen und jeden möglichen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite