Bundesrat Stenographisches Protokoll 689. Sitzung / Seite 47

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

SPÖ –: Sie klatschen auf dem falschen Fuß! Sie haben das Gesetz nicht gelesen!  – Ruf bei der SPÖ: Wir haben es anders gelesen!)

Meine Damen und Herren! Militärorganisation hat sehr viel mit Sicherheit zu tun. Was wir hier heute diskutieren – das Militärbefugnisgesetz –, hat sehr viel mit Sicherheit zu tun. Ich möchte dies zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen – ich habe das schon öfters von dieser Stelle aus getan –, dass die Sicherheit unseres Landes heute von ganz anderen Faktoren zu Lande, zu Luft und zu Wasser wesentlich mehr bedroht wird als durch kriegerische oder mit Gewalt verbundene Ereignisse.

Ich möchte die heutige Sitzung des Bundesrates aber auch nicht verstreichen lassen, ohne an eine Person zu erinnern, die vor wenigen Tagen gestorben ist und die sich sehr wohl mit der Frage der Sicherheit unserer Lebensgrundlagen befasst hat. Ich möchte diese Person auch deshalb stellvertretend für so viele andere zitieren, weil sie wie so viele Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg von Österreich nicht mehr eingeladen wurde, zurückzukehren und hier weiterzuarbeiten. Es handelt sich um Erwin Chargaff. Der Sohn jüdischer Eltern, der während des Austrofaschismus vor den Zeichen des nahenden Nationalsozialismus nach Amerika emigrierte, wurde nachher nicht eingeladen, wieder zurückzukehren. Erst im hohen Alter von über 90 Jahren hat er dann eine Art von Aussöhnung gefunden.

Meine Damen und Herren! Erwin Chargaff hat in seinem Werk "Das Feuer des Heraklit" gemeint:

"Zwei verhängnisvolle wissenschaftliche Entdeckungen haben mein Leben gezeichnet: erstens die Spaltung des Atoms, zweitens die Aufklärung der Chemie der Vererbung. In beiden Fällen geht es um Mißhandlung eines Kerns: des Atomkerns, des Zellkerns. In beiden Fällen habe ich das Gefühl, daß die Wissenschaft eine Schranke überschritten hat, die sie hätte scheuen sollen."

Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns hier – auch in einer Sicherheitsdebatte – an einen Wissenschaftler, der auch eine Frage der Ethik aufgeworfen und gemeint hat, gerade in der Wissenschaft und in der Frage der Sicherheit und der Folgen von Wissenschaft bedürfe es auch eines Verzichts auf naturwissenschaftliche Forschung. Nicht alles, was machbar ist, sollte und darf auch gemacht werden. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.  – Bundesrat Steinbichler: Wer ist immer so für das Grenzenlose? Wer ist immer so "grenzenlos"?) Erwin Chargaff hat damit eine der wesentlichen Fragen und Überlebensfragen auch für unseren Kontinent angesprochen.

Er hat – und das sind meine letzten Sätze – mit der Chargaff’schen Regel einen Meilenstein gesetzt, was die Entschlüsselung der Erbsubstanzen, der DNA, betrifft, aber er wurde auch zu einem Kritiker der Wissenschaft an sich. Chargaff bezeichnet die Wissenschaft auch als einen "Fluch". Er hat gemeint, das 20. Jahrhundert sei eines der abscheulichsten in der Weltgeschichte, ein Zeitalter, in dem sich die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und die technischen Errungenschaften als Fluch erwiesen haben. – Das war, so glaube ich, mit ein Grund dafür, dass sein wissenschaftlicher Meilenstein nicht mit einer Auszeichnung, mit dem Nobelpreis anerkannt wurde. Ich hoffe, dass der österreichische Staat Chargaff im Nachhinein ehren wird und dass vielleicht auch der Nobelpreis – zumindest posthum – an ihn vergeben wird.

All die Debatten, die wir hier in den letzten Monaten geführt haben – Atomkraft, Temelin, Gentechnik in der Landwirtschaft – haben einen Vordenker in der Kritik, und das ist Erwin Chargaff. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mag. Gudenus. )

11.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Scheibner. – Bitte.

11.34

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Schennach! Gleich vorweg: Ich weiß, die Akustik in diesem


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite