Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 107

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Ich ziehe jetzt einmal wahllos die Stadt Linz als Beispiel heran. Die Magistratsdirektion Linz stand vor der Aufgabe, in nur drei Arbeitstagen eine Stellungnahme zu 91 Budget­begleitge­set­zen zu erarbeiten. Auch der oberösterreichische Gemeindebund-Präsident Franz Steininger  – dieser ist von der ÖVP – weist den Finanzminister darauf hin, dass die angesichts des Defizits des Bundes entstehende Situation und die Verlagerung all dessen, was jetzt vom Bund auf die Ge­meinden und Städte übergeht, so nicht mehr funktionieren kann. Auch das Vorhaben der Bundesregierung, meint der ÖVP-Gemeindebund-Präsident von Oberösterreich, die Notstands­hilfe von AMS und Sozialhilfeverbänden auf die Länder zu übertragen, könne so nicht erfolgen. Wört­lich sagt er: Der Bund kann sich nicht einfach einer Aufgabe entledigen, ohne finanzielle Mittel dafür bereitzustellen.

Meine Damen und Herren! Pensionsreform, 91 Budgetbegleitgesetze mit zum Teil erheblichen Aus­wirkungen auf die Städte und Gemeinden, dazu ein Sozialsystem, das derzeit noch funktioniert: In Wien zum Beispiel ist es so, dass die Pensionisten, die in Pflege- und Senio­renheimen wohnen, 80 Prozent ihrer Pension für die Versorgung abgeben. Die Personal­kosten werden nicht geringer, die Betreuungskosten auch nicht. Die 80 Prozent aber können nicht mehr angehoben werden, denn ein Taschengeld (Bundesrätin Kainz: „Taschengeld“ ist gut!) – oder verwenden wir einen anderen Ausdruck: Geld für die persönlichen Bedürfnisse – muss ja vor­handen sein. Das heißt, es wird massive Einschnitte in das Sozialsystem der Länder, Städte und Gemeinden geben, meine Damen und Herren, und das ist meiner Meinung nach bei dieser derzeit völlig überhitzten Pensionsreform, so wie sie uns geboten wird, nicht berücksichtigt wor­den. Wir stürzen damit nicht nur einzelne Menschen, die in Pension gehen, in soziale Krisen, wir stürzen auch das kommunale System, das System der sozialen Sicherheit, das vor allem auf den Ländern, Gemeinden und Städten fußt, in eine gewaltige Krise.

Angesichts dessen sollte doch noch eine Nachdenkfrist bis zum Herbst – dann, wenn die große Har­mo­ni­sierung diskutiert wird – ermöglicht werden. Ich bin selten mit einem aus Ober­öster­reich stammenden Landeshauptmann eines anderen Bundeslandes einer Meinung, aber wenn er in diesem Zusammenhang meint, man sollte die Zeit des Sommers nützen, um nicht jetzt kom­pli­zierte Systeme in den einzelnen Bereichen zu reformieren, sondern mit der Harmo­nisie­rung dann beides zu machen, so muss ich sagen: Das ergäbe eine Nachdenkfrist und vielleicht den von Herrn Himmer gewünschten Dialog. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum und bei der SPÖ.)

19.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Anna Schlaffer. Ich erteile ihr das Wort.

19.56


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Damen und Herren! Gestatten Sie mir am Anfang eine kurze Replik auf zwei Vorred­ner. Kollegen Himmer würde ich schon nahe legen, in den Printmedien etwas mehr als die Schlag­z­eilen und Überschriften zu lesen. Vielleicht würde er dann mehr Wissenswertes erfah­ren und auch besser verstehen, wovon er redet. (Bundesrat Mag. Himmer: Das war „lustig“!)

Kollege Hagen! Wir verstehen uns in den Räumen außerhalb dieses Saales eigentlich sehr gut, und unsere Meinungen liegen oft nicht weit auseinander, aber ich würde Ihnen schon empfeh­len, dass Sie weniger das für die Wahrheit halten, was Sie hören, sondern mehr auf das ver­trau­en, was Sie selbst wahrnehmen. Wenn Sie nämlich am vergangenen Dienstag mitten unter den Teilnehmern an der Protestkundgebung gewesen wären (Bundesrat Konecny: Und hinge­hört hätten!) – ja; vielleicht war er ja auch dort, aber bei der großen Anzahl von Teilnehmern war es natürlich nicht möglich, alle zu sehen –, dann hätten Sie sicherlich erlebt, wie betroffen und hoch motiviert die anwesenden Teilnehmer waren. Ich glaube nicht, dass es für irgendjemanden von ihnen notwendig gewesen wäre, ihn oder sie in ein Gasthaus einzuladen oder Prämien in irgend­einer Form zu zahlen. Die Teilnahme an der Kundgebung war diesen Menschen wirklich ein Bedürfnis, und die Stimmung, die dabei geherrscht hat – trotz Hagel, Sturm und Regen –, war schon sehr beeindruckend. 150 000 Menschen oder vielleicht noch mehr nur mit dem Versprechen, es werde ein Seidel Bier und ein Gulasch und dergleichen mehr geben, nach


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