Stenographisches Protokoll

728. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 1. Dezember 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

728. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 1. Dezember 2005

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 1. Dezember 2005: 9.03 – 20.45 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl eines Vizepräsidenten sowie eines Ordners für den Rest des 2. Halb­jahres 2005

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 erlassen und das Glücksspielgesetz geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Artenhandelsgesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über die öster­reichische EU-Präsidentschaft 2006

6. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Jahres­vorschau des BMAA 2005 auf der Grundlage des operativen Jahresprogramms des Rates sowie des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission und des Strategie­programms der Kommission 2005–2009

7. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die wechselseitige Vertretung beider Staaten durch deren Vertretungsbehörden hinsichtlich der Erteilung von Visa für den Flughafentransit (Visum A), zur Durchreise (Visum B) und zum kurzfristigen Aufenthalt (Visum C)

8. Punkt: Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesimmobiliengesetz geändert wird und die Ermächtigung zur Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen erteilt wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Gesell­schaft „Familie & Beruf Management GmbH“ erlassen sowie das Familienlasten­aus­gleichsgesetz 1967 geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz über die Standesvertretung der Angehörigen des zahn­ärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahnärztekammergesetz – ZÄKG)

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz aufgehoben sowie das Bun­desgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Rezeptpflichtgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 2

Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert werden (Zahnärztereform-Begleitgesetz)

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997 geändert wird (Postgesetz­novelle 2005)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (8. Führerscheingesetz-Novelle) geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden

16. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Man­datsverzicht des Bundesrates Dr. Karl-Heinz Dernoscheg ......................................................................................... 10

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ................................................................................................................ 11

Angelobung der Bundesräte Roswitha Bachner, Anna Elisabeth Haselbach, Mag. Gertraud Knoll, Albrecht Konecny, Dr. Franz Eduard Kühnel, Gabriele Mörk, Franz Perhab, Harald Reisenberger, Stefan Schennach, Reinhard Todt und Harald Vilimsky .......................................... 12

Angelobung des Bundesrates Mag. Harald Himmer ................................................ 36

Schreiben des Bundeskanzlers Dr. Schüssel betreffend Nominierung zu Mit­gliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Ausschusses der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz        ............................................................................................................................... 37

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend das Umweltrechtsanpassungsgesetz 2005 (1147 und 1176 d.B.) gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 20. Dezember 2005 zu setzen – Annahme ..........................................................  39, 181

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten geändert wird (1146 und 1179 d.B.), gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 20. Dezember 2005 zu setzen – Annahme ....  39, 181

1. Punkt: Wahl eines Vizepräsidenten sowie eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2005          ............................................................................................................................... 39


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 3

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 134

Fragestunde (116.)

Landesverteidigung .................................................................................................... 13

Ing. Reinhold Einwallner (1470/M-BR/05); Thomas Einwallner, Elisabeth Kersch­baum

Ludwig Bieringer (1465/M-BR/05); Stefan Schennach, Ewald Lindinger

Günther Kaltenbacher (1471/M-BR/05); Ferdinand Tiefnig, Elisabeth Kerschbaum

Dr. Franz Eduard Kühnel (1466/M-BR/05); Eva Konrad, Harald Reisenberger

Stefan Schennach (1474/M-BR/05); Albrecht Konecny, Josef Saller

Erwin Preiner (1472/M-BR/05); Michaela Gansterer, Stefan Schennach

Karl Bader (1467/M-BR/05); Eva Konrad, Harald Reisenberger

Harald Reisenberger (1473/M-BR/05); Martina Diesner-Wais, Elisabeth Kersch­baum

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (1468/M-BR/05); Eva Konrad, Helmut Wiesenegg

Ing. Siegfried Kampl (1469/M-BR/05); Gottfried Kneifel, Stefan Schennach

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 38

Wahlen in Institutionen

16. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatz­mitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948                          180

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 37

Verhandlungen

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (670/A und 1101 d.B. sowie 7404/BR d.B.)                40

Berichterstatterin: Sissy Roth-Halvax .......................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Johann Giefing ............................................................................................................. 41

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 42

Stefan Schennach ........................................................................................................ 42

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 4


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 4

3

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ......................................................................... 44

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 44

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 erlassen und das Glücksspielgesetz geändert wird (725/A und 1172 d.B. sowie 7431/BR d.B. und 7403/BR d.B.) ........................................................ 44

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 45

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ............................................................................................................ 45

Martina Diesner-Wais .................................................................................................. 45

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 47

Edgar Mayer .................................................................................................................. 47

Staatssekretär Mag. Karl Schweitzer ......................................................................... 48

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 50

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Artenhandelsgesetz geändert wird (1115 d.B. und 1177 d.B. sowie 7432/BR d.B.) .........              50

Berichterstatter: Johann Kraml .................................................................................... 50

Redner/Rednerinnen:

Manfred Gruber ............................................................................................................ 51

Günther Köberl ............................................................................................................. 51

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 53

Bundesminister Dipl.-Ing. Josef Pröll ........................................................................ 53

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 54

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über die österreichische EU-Präsidentschaft 2006 (III-291-BR/2005 d.B. sowie 7405/BR d.B.) ................................ 54

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 55

6. Punkt: Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Jah­resvorschau des BMAA 2005 auf der Grundlage des operativen Jahres­pro­gramms des Rates sowie des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kom­mis­sion und des Strategieprogramms der Kommission 2005–2009 (III-273-BR/2005 d.B. sowie 7297/BR d.B.) ................................................................................................................. 54

Berichterstattung durch Vizepräsidenten Jürgen Weiss ............................................ 55

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 55

Hans Ager ..................................................................................................................... 60

Eva Konrad ................................................................................................................... 62

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 64

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 67

Stefan Schennach .................................................................................................. 69, 84

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 71

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 73

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ................................................................................ 75


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 5

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................... 81

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 82

Entschließungsantrag der Bundesräte Stefan Schennach, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rücknahme des Entwurfs der Dienst­leistungsrichtlinie – Annahme (E 196-BR/05)     74, 85

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-291-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 85

Annahme des Antrages des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus zu Punkt 6, den Bericht III-273-BR/2005 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................... 86

Gemeinsame Beratung über

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die wechselseitige Vertretung beider Staaten durch deren Vertretungsbehörden hinsichtlich der Erteilung von Visa für den Flughafentransit (Visum A), zur Durchreise (Visum B) und zum kurzfristigen Aufenthalt (Visum C) (982 d.B. und 1180 d.B. sowie 7411/BR d.B.) ................................................................................................................. 86

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 86

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (1062 d.B. und 1181 d.B. sowie 7417/BR d.B.) ................. 86

Berichterstatter: Karl Bader .......................................................................................... 86

Redner/Rednerinnen:

Ana Blatnik .................................................................................................................... 87

Dr. Franz Eduard Kühnel ............................................................................................. 88

Eva Konrad ................................................................................................................... 89

Staatssekretär Dr. Hans Winkler ................................................................................ 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben..................................................................................................... 91

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesimmobiliengesetz geändert wird und die Ermächtigung zur Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen erteilt wird (1071 d.B. und 1165 d.B. sowie 7433/BR d.B.) .............. 91

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner .................................................................. 92

Redner/Rednerinnen:

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 92

Manfred Gruber ............................................................................................................ 94

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg .....................................................................  94, 97

Wolfgang Schimböck .................................................................................................. 96

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 98


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 6

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ erlassen sowie das Familienlasten­aus­gleichsgesetz 1967 geändert wird (1070 d.B. sowie 7413/BR d.B.)                    98

Berichterstatter: Harald Reisenberger ......................................................................... 98

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................... 99

Roswitha Bachner (tatsächliche Berichtigung) ......................................................... 103

Günther Molzbichler .................................................................................................. 103

Eva Konrad ................................................................................................................. 107

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 110

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 112

Stefan Schennach ...................................................................................................... 115

Ana Blatnik .................................................................................................................. 117

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 120

Bundesministerin Ursula Haubner .......................................................... 123, 131, 133

Wolfgang Schimböck (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 131

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 131

Mag. Harald Himmer .................................................................................................. 133

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................. 134

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Standesvertretung der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahnärztekammergesetz – ZÄKG) (1091 d.B. und 1134 d.B.) ................................... 135

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz aufgehoben sowie das Bundes­gesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Rezeptpflichtgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungs­gesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert werden (Zahnärztereform-Begleitgesetz) (1086 d.B. und 1136 d.B.) .................................................................... 135

Redner/Rednerinnen:

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 135

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 139

Stefan Schennach ...................................................................................................... 140

Bundesministerin Maria Rauch-Kallat .................................................................... 142

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 11, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Zahnärztekammergesetz gemäß § 51 Abs. 1 GO-BR zur Tagesordnung überzugehen – Annahme       138, 143

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 12, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Zahnärztereform-Begleitgesetz gemäß § 51 Abs. 1 GO-BR zur Tagesordnung überzugehen – Annahme  138, 143


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 7

Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 11, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Zahnärztekammergesetz gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ................................  139, 143

Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen zu Punkt 12, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Zahnärztereform-Begleitgesetz gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ................................  139, 143

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997 geändert wird (Postgesetz­no­velle 2005) (1068 d.B. und 1123 d.B. sowie 7397/BR d.B. und 7414/BR d.B.) ............................................................................................................... 143

Berichterstatter: Karl Boden ....................................................................................... 143

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ................................................................................................................ 143

Helmut Wiesenegg ..................................................................................................... 146

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 147

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 149

Werner Stadler (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 152

Ing. Siegfried Kampl .................................................................................................. 152

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................... 154

Stefan Schennach ...................................................................................................... 155

Staatssekretär Mag. Eduard Mainoni ...................................................................... 156

Entschließungsantrag der Bundesräte Edgar Mayer, Peter Mitterer, Kollegin­nen und Kollegen betreffend kundenorientierte und flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen – Ablehnung          145, 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................. 159

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (8. Führerscheingesetz-Novelle) geändert wird (1073 d.B. und 1130 d.B. sowie 7399/BR d.B.) ............................................................................................................... 160

Redner/Rednerinnen:

Ewald Lindinger ......................................................................................................... 160

Mag. Bernhard Baier .................................................................................................. 162

Ewald Lindinger (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 163

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 164

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 165

Staatssekretär Mag. Eduard Mainoni ...................................................................... 166

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend die 8. Führerscheingesetz-Novelle gemäß § 51 Abs. 1 GO-BR zur Tagesordnung überzugehen – Annahme .....................  162, 167

Antrag der Bundesräte Mag. Bernhard Baier, Kolleginnen und Kollegen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend die 8. Führer­scheingesetz-Novelle gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR keinen Einspruch zu erheben – Abstimmung erübrigt sich ................................  163, 167


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 8

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (685/A und 1154 d.B. sowie 7418/BR d.B.)                  167

Berichterstatter: Ing. Reinhold Einwallner ................................................................ 168

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ................................................................................................................ 168

Mag. Susanne Neuwirth ............................................................................................ 171

Dr. Franz Eduard Kühnel ........................................................................................... 172

Stefan Schennach .............................................................................................. 173, 176

Reinhard Todt ............................................................................................................. 174

Helmut Kritzinger ....................................................................................................... 175

Franz Perhab ............................................................................................................... 176

Stefan Schennach (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 177

Bundesministerin Elisabeth Gehrer ........................................................................ 177

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 178

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates einen begründeten Einspruch zu erheben ............................................................................. 180

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend die vom Minister befürwortete Dienstleistungsrichtlinie (2370/J-BR/05)

Ing. Reinhold Einwallner, Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ersatz der PKW-Autobahnvignette durch Integration der Gebühren in die Mineralölsteuer als fahrleistungsabhängige Abgabe (2371/J-BR/05)

Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Heizkostenzuschuss (2372/J-BR/05)

Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Einstellung der Produktionssubventionen für das „aktionstheater ensemble“ durch den Bund (2373/J-BR/05)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Franz Eduard Kühnel, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Nationalpark Donauauen (2154/AB-BR/05 zu 2348/J-BR/05)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (2155/AB-BR/05 zu 2357/J-BR/05)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kostenrefundierung für Personalaufwand der Exekutive im Rahmen der Hochzeit Feldbusch/Pooth (2156/AB-BR/05 zu 2350/J-BR/05)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 9

der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Günther Prutsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Heizkostenzuschuss (2157/AB-BR/05 zu 2360/J-BR/05)

der Bundesministerin für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Helmut Wiesenegg, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Akten halten Polizei von der Straße fern“ (2158/AB-BR/05 zu 2351/J-BR/05)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Anfrage der Bun­desräte Eva Konrad, Kolleginnen und Kollegen betreffend Analphabetismus in Österreich (2159/AB-BR/05 zu 2349/J-BR/05)


 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 10

09.03.52Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 728. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 727. Sitzung des Bundesrates vom 4. November 2005 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Es sind mir keine Mitglieder des Bundesrates als verhindert gemeldet. Eine Bundes­rätin wird auf Grund eines Autounfalls etwas später eintreffen.

09.04.22Einlauf

 


Präsident Peter Mitterer: Eingelangt sind ein Schreiben des Präsidenten des Steier­märkischen Landtages betreffend Mandatsverzicht und ein Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend die Wahl der Mitglieder und der Ersatzmitglieder des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser beiden Schreiben verweise ich auf die im Sitzungs­saal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundes­rates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Das Land

Steiermark

SIEGFRIED SCHRITTWIESER

PRÄSIDENT DES STEIERMÄRKISCHEN LANDTAGES

Herrn

Peter MITTERER

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl-Renner-Ring 3

A-1017 Wien                                                                                            Graz, am 15. November 20

  GZ.: LTD-Wl/8

Sehr geehrter Herr Präsident!

Mit Schreiben vom 10. November 2005 (eingelangt am 11. November 2005) hat Bundesrat Dr. Karl-Heinz Dernoscheg mitgeteilt, dass er auf sein Bundesratsmandat mit sofortiger Wirkung verzichtet.

Ich beehre mich, Ihnen dies zur Kenntnis zu bringen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Siegfried Schrittwieser

Beilage

Dr. Karl-Heinz Dernoscheg

Scherweg 25

8046 Graz


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 11

An den

Präsident des Stmk. Landtages

Siegfried Schrittwieser

8011 Graz-Landhaus                                                                                Graz, 10.November 2005

Mandatsrücklegung

Hiermit gebe ich bekannt, dass ich mein Mandat als Abgeordneter zum Bundesrat mit Ablauf des 10.11.2005 zurücklege.

Mit freundlichen Grüßen

*****

JOHANN HATZL

ERSTER PRÄSIDENT DES WIENER LANDTAGES

Herrn

Präsident des Bundesrats

Peter Mitterer

im Wege der Bundesratsdirektion

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                    Wien, 18. November 2005

04844-2005/0001-MDSALTG

Wahl von 11 Mitgliedern des

Bundesrats und deren Ersatzmitglieder samt Reihung

Sehr geehrter Herr Präsident!

In der konstituierenden Sitzung des Wiener Landtags am heutigen Tag fand die Wahl der 11 Mitglieder des Bundesrats und deren Ersatzmitglieder statt.

Auf Grund der proportionellen Berechnung nach dem d'Hondtschen System entfallen die einzelnen Bundesratsmandate auf die wahlwerbenden Parteien in folgender Reihenfolge:

auf die SPÖ die 1., 2., 3., 6., 8., 9. und 11. Stelle

auf die ÖVP die 4. und 10. Stelle

auf die GRÜNEN die 5. Stelle

auf die FPÖ die 7. Stelle

Die Gesamtreihung lautet auf Grund der von der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats, dem ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien, dem Grünen Klub im Rathaus und dem Klub der Wiener Freiheitlichen erstatteten Vor­schläge laut beiliegender Liste.

Die Gewählten entsprechen den Bestimmungen der Bundesverfassung.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Johann Hatzl

Erster Präsident


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 12

1 Beilage

WIENER BUNDESRÄTE

Stand: 18. November 2005

1. Stelle: Anna Elisabeth Haselbach

Ersatz: Sandra Frauenberger

2. Stelle: Albrecht Karl Konecny

Ersatz: Heinz Vettermann

3. Stelle: Roswitha Bachner

Ersatz: Martina Ludwig

4. Stelle: Mag. Harald Himmer

Ersatz: Dr. Matthias Tschirf

5. Stelle: Stefan Schennach

Ersatz: Mag. Barbara Neuroth

6. Stelle: Harald Reisenberger

Ersatz: Fritz Strobl

7. Stelle: Harald Vilimsky

Ersatz: Monika Mühlwerth

8. Stelle: Reinhard Todt

Ersatz: Christian Deutsch

9. Stelle: Gabriele Mörk

Ersatz: Laura Rudas

10. Stelle: Dr. Franz Eduard Kühnel

Ersatz: Ing. Mag. Bernhard Dworak

11. Stelle: Mag. Gertraud Knoll

Ersatz: Martina Malyar

Auf die Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats entfallen die 1., 2., 3., 6., 8., 9. und 11. Stelle.

Auf den ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien entfallen die 4. und 10. Stelle.

Auf den Grünen Klub im Rathaus entfällt die 5. Stelle.

Auf den Klub der Wiener Freiheitlichen entfällt die 7. Stelle.

*****

09.04.48 Angelobung

 


Präsident Peter Mitterer: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend; ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 13

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Frau Schriftführerin um die Verlesung der Gelöbnisformel.

9.05.17

Schriftführerin Sissy Roth-Halvax: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Roth-Halvax leisten die Bundesrätinnen und Bundesräte Roswitha Bachner (SPÖ, Wien), Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien), Mag. Gertraud Knoll (SPÖ, Wien), Albrecht Konecny (SPÖ, Wien), Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien), Gabriele Mörk (SPÖ, Wien), Franz Perhab (ÖVP, Steiermark), Harald Reisenberger (SPÖ, Wien), Stefan Schennach (Grüne, Wien), Reinhard Todt (SPÖ, Wien) und Harald Vilimsky (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

Dr. Franz Eduard Kühnel und Franz Perhab leisten die Angelobung mit dem Zusatz „So wahr mir Gott helfe“.

Mag. Harald Himmer, dessen Namen auch aufgerufen wird, ist nicht anwesend.

*****

Präsident Peter Mitterer: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf nochmals die neu gewählten und wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates hier begrüßen. Es wird dann zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Angelobung vorgenommen.

09.09.19Fragestunde

Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bundesministerium für Landesverteidigung

Präsident Peter Mitterer: Bevor ich jetzt – um 9.09 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1470/M, an den Bundesminister für Landes­verteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner, um die Ver­lesung der Anfrage.

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister, meine Frage lautet:

1470/M-BR/2005

„Welche Erklärung haben Sie dafür, dass Ihr Ressort für den noch immer nicht existierenden Eurofighter der Tranche II 112,5 Millionen € pro Stück bezahlt, während die deutsche Bundesregierung nur 65 Millionen € pro Stück ausgibt?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 14

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahlen, die Sie in der Fragestellung angeführt haben, sind für mich nicht nachvollziehbar. Der Systempreis pro Luftfahrzeug, das wir bekommen werden, beinhaltet zusätzlich zum eigentlichen Stückpreis auch Kosten für Missionsausrüstung, anteilige Kosten für Simulator, Logistik und Ausbildungspaket sowie Finanzierungskosten.

Ungeachtet dessen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Beschaf­fungskosten, die den Herstellernationen entstehen, nämlich Deutschland, Großbritan­nien, Spanien und Italien, auf Grund der Aufwendungen, die sie bereits im Rahmen der Entwicklung des Systems „Eurofighter Typhoon“ zu tragen haben, sowie auf Grund der völlig unterschiedlichen Finanzierungsformen, Produktionsanteile, Ausbildungs­aufwen­dungen und Versorgungsverfahren einen linearen Kostenvergleich nicht zulassen.

Darüber hinaus darf ich Ihnen noch eine Information zukommen lassen: Ich habe einmal eine Berechnung angestellt darüber, wie viel denn der Eurofighter den einzel­nen Staatsbürger kostet. Es sind exakt 8 € pro Jahr und Staatsbürger. Das zu Ihrer Information, nur damit Sie die Dimensionen genauer einschätzen können. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Herr Minister, es scheint da ganz offensichtlich doch einige Unklarheiten zu geben, denn es wird verweigert, dass der komplette Vertragstext offen gelegt wird beziehungsweise Einsicht in diesen gewährt wird.

Daher meine Zusatzfrage: Werden Sie zumindest jene Vertragsklauseln, die nicht der militärischen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, dem Bundesrat zugänglich machen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir hatten darüber eigentlich schon eine sehr ausführliche Debatte. Ich beantworte das wie folgt:

Es ist noch nie ein militärischer Beschaffungsvertrag offen gelegt worden. Auch in der Diskussion um die Drakenbeschaffung, an der die SPÖ federführend mitgewirkt hat, wurde im Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses eine Offenlegung des Vertrages verlangt. Dies wurde auf Grund der Tatsachen, dass bestimmte Begrün­dungen vorliegen, die gesetzlich verankert sind, nicht gemacht.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass gemäß Artikel 20 Absatz 3 des Bundes-Verfas­sungsgesetzes der Bundesminister der Amtsverschwiegenheit unterliegt. Wenn in einem Vertrag Tatsachen enthalten sind, deren Geheimhaltung im Interesse der um­fassenden Landesverteidigung, im wirtschaftlichen Interesse des Bundes, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, besteht Amtsverschwiegenheit. Darüber hinaus besteht Amtsver­schwie­genheit auch zum Schutz der Interessen des Vertragspartners. Aus all diesen Gründen ist es also nicht machbar, dass der Vertrag offen gelegt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Thomas Einwallner, bitte.

 


Bundesrat Thomas Einwallner (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Herr Bundesminister! Ist die Abhaltung von Großveranstaltungen in Österreich ohne aktive Luftraumüberwachung denkbar?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 15

Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Es ist für eine aktive Luftraumüberwachung logischerweise auch die aktive Komponente neben der passiven Einrichtung, der „Goldhaube“, notwendig. Ich darf Ihnen sagen: Ich selbst war damit konfrontiert, als sich Salzburg um die Olympischen Winterspiele beworben hat. Ich war damals Sportlandesrat von Tirol und im Aufsichtsrat dieser Bewerbung vertreten, und die erste Frage, die gestellt wurde, lautete: Könnt ihr die Sicherheit auf dem Boden und in der Luft gewährleisten? – Deshalb verstehe ich auch, dass der Herr Bürgermeister der Stadt Salzburg, Dr. Heinz Schaden, eine ganz klare Stellungnahme bei einer Pressekonferenz abgegeben hat, und zwar jene, dass er natürlich für die Beschaffung der Abfangjäger ist, dass er damit einverstanden ist. Frau Landes­hauptfrau Burgstaller war ebenfalls bei dieser Pressekonferenz, und sie hat das wohlwollend zur Kenntnis genommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das ist eine Tatsache, und das ist auch medial so kolportiert worden. Ich weiß, dass Sie da nervös werden, denn es gab in der Vergangenheit mehrere Ereignisse, bei welchen sehr unterschiedliche Meinungen von den Oppositionsparteien rund um die Beschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge vertreten wurden.

Es geht aber nicht nur um Großveranstaltungen im sportlichen Bereich. Zum Beispiel haben wir beim Wirtschaftsgipfel in Davos mit der Schweiz gut zusammengearbeitet, und zwar mit der aktiven Komponente.

Bei ähnlichen Großveranstaltungen – ich denke da zum Beispiel an Wien – müssen wir natürlich auch eine aktive Luftraumüberwachung durchführen. Auch beim Mittel­europäischen Katholikentag war es der Fall, dass die Abfangjäger einen Beitrag zur Sicherheit der Bevölkerung in der Republik Österreich geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich würde gerne wissen, wie viele und welche Standorte für die Eurofighter vorgesehen sind?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Es ist ein Standort vorgesehen, und das ist Zeltweg.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1465/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Bieringer, um die Verlesung seiner Anfrage.

 


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1465/M-BR/2005

„Wie ist der aktuelle Stand der Neugliederung des österreichischen Bundesheeres?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Ich möchte die Reform des österreichischen Bundesheeres als eine Erfolgsstory bezeichnen und bin allen Parteien, die im Parlament vertreten sind, sehr dankbar dafür, dass wir gemeinsam diesen Weg gegangen sind. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass die Wehrsprecher auch in der Bundesheerreformkommission mit anwesend waren, mit diskutiert haben und dass es zu einhelligen Empfehlungen gekommen ist.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 16

Der Stand der Dinge ist derzeit so, dass wir voll in der Umsetzung dieser Reform sind. Mit 29. September dieses Jahres wurde die Eingliederung von neun Bataillonen in die nunmehr vier Brigaden vorgenommen. Wir haben in Hinkunft nur mehr vier Brigaden und 27 Bataillone. Derzeit laufen die Ausschreibungen betreffend den Streitkräfte­kommandanten, den Streitkräftekommandantenstellvertreter und den Stabschef. Ab 1. Jänner 2006 werden wir diese Kommandanten haben, mit dem Auftrag, das Streitkräftekommando zu installieren.

Darüber hinaus haben wir im Bereich der Verkäufe von Liegenschaften, wo wir mit allen Landeshauptleuten einen Konsens erzielt haben – ich habe diese Vereinbarung unterschrieben, auch die Landeshauptleute haben sie unterschrieben –, die Gesell­schaft SIVBEG gegründet, und diese hat ihre Arbeit bereits aufgenommen. Für das nächste Jahr ist ein Paket geplant, im Rahmen dessen 20 Liegenschaften verkauft werden.

Ich werde immer wieder von Medienleuten gefragt, welche Liegenschaften das sind. Sie werden verstehen, wenn ich dazu keine Informationen geben kann, denn die ersten Personen, die darüber zu informieren sind, sind die zuständigen Bürgermeister. Sie sollen Informationen darüber nicht über die Medien bekommen.

Weiters arbeiten wir derzeit an der Neustrukturierung der Zentralstelle. Ich gehe davon aus, dass wir diese Aufgabe im ersten Halbjahr 2006 ebenfalls bewältigt haben werden beziehungsweise dass die neue Zentralstelle dann neu strukturiert ist.

Ein weiterer wesentlicher Schritt, den wir gesetzt haben und der vor allem die Jugend interessiert, ist der Umstand, dass es ab 1. Jänner 2006 eine Reduktion der Dauer des Grundwehrdienstes von acht auf sechs Monate gibt und analog dazu eine Reduktion der Dauer des Zivildienstes von zwölf auf neun Monate.

Das heißt, wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg. Wir haben bisher alle Termine eingehalten.

Ein Punkt, der noch offen ist – das möchte ich auch hier sagen, weil das auch im Bundesrat noch diskutiert werden wird –, ist die Freiwilligkeit bei Auslandseinsätzen. Auch dieser Punkt ist in der Bundesheerreformkommission diskutiert worden, und man ist einhellig zu der Empfehlung gekommen – alle Wehrsprecher haben dem zuge­stimmt –, dass diese Freiwilligkeit, weil sie nicht mehr zeitgemäß ist, und dass auch das Berufsbild des Soldaten neu definiert werden müssen. Da gehört dazu, dass alle neu eintretenden Berufssoldaten wissen müssen, dass sie zu Auslandseinsätzen herangezogen werden können.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Bieringer: Danke, nein!)

Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich ersuche ihn, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich staune über Ihre mathematischen Stärken, wenn Sie selbst die Berechnung der Kosten mit 8 € anstellen, aber nun zur eigentlichen Zusatzfrage:

Herr Bundesminister, wie wird sich der Verteidigungshaushalt, der Etat, in den nächsten zehn Jahren in etwa, prozentuell am BIP gesehen, entwickeln?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Unsere Ausgaben für die Landesverteidigung sind im Vergleich zu anderen EU-Staaten bescheiden. Man


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 17

versucht, mit den vorhandenen finanziellen Mitteln auszukommen, muss sich daher jede Beschaffungsmaßnahme sehr, sehr genau überlegen.

Die Mittel liegen derzeit etwas unter 0,8 Prozent des BIP, und es werden im Laufe der nächsten Jahre natürlich Verhandlungen über den Haushalt des Verteidigungs­ministeriums zu führen sein. Es sind bestimmte Dinge vorgegeben, etwa die Personalkosten, die Investitionskosten, einige Investitionen sind zu tätigen, daher gehe ich davon aus, dass eine moderate, sehr, sehr moderate Erhöhung des Budgets erforderlich sein wird.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Lindinger gemeldet. Ich ersuche ihn, die Frage zu stellen.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Im Zuge der Neugliederung des österreichischen Bundesheeres werden Kasernen geschlossen. In dieser Schließungsliste sind sowohl neuere Kasernen als auch ältere enthalten. Welche Kriterien wurden bei der Erstellung der Schließungsliste herangezogen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir haben zweifellos ein ausgezeichnetes Team im Bundesministerium für Landesverteidigung, nämlich das „Management ÖBH 2010“, das verschiedene Parameter herangezogen hat.

Erster Parameter ist natürlich die militärische Notwendigkeit. Erst einmal ist zu ent­scheiden: Ist es militärisch notwendig, dass die betreffende Kaserne weiterhin bestehen bleibt oder nicht? Wenn man darüber nachdenkt, so muss man feststellen, dass sich in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf die Landesverteidigung sehr viel getan hat. Zu Zeiten des Kalten Krieges war die Situation der Kasernenstandorte eine völlig andere als jetzt, da wir von Freunden umgeben sind. Damals sind die militärischen Parameter gegeben gewesen.

Ein weiterer Punkt ist die wirtschaftliche Situation, die betriebswirtschaftliche Situation. Es ist wichtig, dass wir betriebswirtschaftlich so gut wie möglich arbeiten, damit die finanziellen Mittel für Beschaffungsmaßnahmen, für den Soldaten und darüber hinaus für die Ausrüstung zur Verfügung stehen.

Außerdem haben wir auch versucht, auf regionale Entwicklungen bestmöglich einzu­gehen. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätten nicht alle Landeshauptleute diesen Schließungsplan unterschrieben. Ich meine, somit haben wir einen sehr guten Konsens mit den Ländern hergestellt.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke, damit ist die 2. Anfrage erledigt.

Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 1471/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Kaltenbacher, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1471/M-BR/2005

„Wie hoch sind die Gesamtkosten – Kauf, Finanzierung, Umbau der Infrastruktur und Betrieb – für die sündteuren Eurofighter, die ab 2004 bis 2017 anfallen?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 18

Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Ich stelle fest, dass dieses Wording der „sündteuren Eurofighter“ eigentlich greift. Ich möchte aber schon die Gelegenheit wahrnehmen und Sie darüber informieren, dass der Rechnungshof in seinem Bericht ganz eindeutig und klar festgelegt hat, dass Eurofighter Bestbieter war. Das ist klargestellt, und ich gehe davon aus, dass das auch von den Parlamentariern akzeptiert wird, wenn unser höchstes Prüforgan eine derartige Klarstellung trifft. Eurofighter war Bestbieter! (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Beschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge der Type Eurofighter Typhoon betrifft, geht es um exakt 1 Milliarde 959 Millionen €. Die Betriebsaufwen­dungen für die 18 Eurofighter werden derzeit mit 50 Millionen € gerechnet, und weiters sind Investitionen erforderlich, die der Erhaltung der fliegerischen Infrastruktur, der Luftstreitkräfte, dienen, wie etwa des Flugfunksystems, des Systems „Goldhaube“ und der Bauinfrastruktur. Der systemspezifische Folgeaufwand insbesondere für Aus­bildung, Bewaffnung, IT-Infrastruktur und Lizenzen muss aus dem laufenden Budget bestritten werden.

Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen: Es ist völlig gleich, welches Flugzeug man auch beschafft hätte, die Erhaltung der Bauinfrastruktur, die zusätzliche Ausbildung der Piloten, das Upgrading der „Goldhaube“ hätten auch bei der Entscheidung für eine andere Type durchgeführt werden müssen.

Ich möchte die Gelegenheit nützen, zu sagen, dass ich als Verteidigungsminister und somit Mitglied der Bundesregierung sehr froh darüber bin, dass wir die Entscheidung für den Eurofighter getroffen haben. Ich begründe das damit: Unabhängig davon, dass die 33-köpfige Expertenkommission der Bundesregierung die klare Empfehlung ge­geben hat, dass man dem Produkt Eurofighter den Zuschlag geben soll, ist dies das einzige europäische Produkt, meine Damen und Herren! Wir sind ja daran interessiert, dass wir auch im Bereich Rüstung eine europäische Lösung anstreben, und somit wird es Sinn machen, wenn wir dieses Produkt mit unterstützen.

Zum Zweiten macht es auch Sinn, dass wir das gleiche System haben wie unsere Nachbarn Deutschland und Italien, mit denen wir derzeit in Laage im Bereich der Ausbildung, Ausbildung der Piloten, Ausbildung der Techniker, großartig zusam­menarbeiten.

Ich möchte auch auf die Offsetgeschäfte hinweisen. Ich habe hier eine sehr aktuelle Information; wir waren erst kürzlich in Oberösterreich bei der Firma FACC. Dort wurde ganz eindeutig und klar zum Ausdruck gebracht, dass ohne den Kauf der Eurofighter, ohne diesen Kaufvertrag diese „offenen Türen“ nicht möglich gewesen wären. FACC ist jetzt bei der Produktion des Airbus 380 mit dabei und hat die Möglichkeit, im Bereich der Hochtechnologie noch mehr zu tun. Wissen Sie, was passiert ist, weil diese Firma den Zuschlag von der Firma EADS bekommen hat, dass sie beim Airbus 380 einige Teile mitproduzieren kann? – Sie wird jetzt vermutlich auch bei Boeing diesen Auftrag bekommen.

Das, meine Damen und Herren, ist eine entscheidende Angelegenheit. Die vertei­digungspolitische Dimension habe ich bereits erwähnt, aber das andere, nämlich die Arbeitsplatzsituation, hat uns alle irgendwo zu berühren, und deshalb ist es doch gut, dass auch die Offsetgeschäfte so gut laufen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Kaltenbacher.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Wir wissen, dass es zur Verzögerung der Produktion kommen wird. Meine Frage:


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 19

In welcher Höhe bewegt sich das im Falle einer Vertragsauflösung an EADS zu leistende Pönale, solange nicht mit der Produktion der für Österreich bestimmten Eurofighter der Tranche II begonnen wurde?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir werden diesen Ver­trag nicht kündigen, meine Damen und Herren, denn eine Kündigung dieses Vertrages würde bedeuten, dass wir in Zukunft keine aktive Luftraumüberwachung mehr leisten können, und das, wenn ich die jüngste Debatte höre, wird ja niemand wollen! Wenn nämlich jene (Bundesrat Konecny: Die Frage beantworten!), die früher eigentlich immer wieder gegen Abfangjäger aufgetreten sind, jetzt plötzlich eine Diskussion ... (Bundesrat Konecny: Würden Sie bitte die Frage beantworten?!) – Ich weiß, dass Sie das stört. (Bundesrat Konecny: Nein, aber würden Sie bitte die Frage beantworten, Herr Minister!) Ich würde gerne diesen Satz zu Ende führen. (Bundesrat Konecny: Die Frage beantworten, gut!)

Herr Präsident, es ist, so glaube ich, schon notwendig, dass man begründet, weshalb eine Vertragskündigung nicht ... (Bundesrat Konecny: Er wollte eine Zahl wissen, keinen Roman! – Bundesrat Bieringer: Das muss man dem Herrn Minister überlassen, wie er antwortet!)

 


Präsident Peter Mitterer (das Glockenzeichen gebend): Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter (fortsetzend): Noch ein­mal: Es wird doch niemand für eine Vertragskündigung sein, wenn jetzt sogar jene, die immer gegen den Kauf von Abfangjägern aufgetreten sind, sagen, wir hätten bewuss­tes Flugzeug, auf das wir dann noch zu sprechen kommen werden, am 21. Jänner zum Landen zwingen müssen. Das ist ja wirklich absurd, was hier gemacht wird, deshalb noch einmal ganz klar: Wir werden diesen Vertrag nicht kündigen!

Zur Produktion ist zu sagen: Es findet derzeit schon die Produktion der öster­reichischen Eurofighter statt. 59 Luftfahrzeuge sind bereits an die verschiedenen Herstellerländer ausgeliefert worden, 19 an Großbritannien, 17 an Deutschland, zwölf an Italien, elf an Spanien, und 5 000 Flugstunden sind bereits absolviert worden. Das ist doch sehr gut. Der Beginn der Endfertigung unserer Flugzeuge wird ab April 2006 in Manching erfolgen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Tiefnig zu Wort gemeldet. Ich ersuche ihn, diese zu stellen.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Abge­sehen von den 250 Arbeitsplätzen, die im Innviertel geschaffen werden: Welche Vor­teile bringt der Eurofighter gegenüber dem Draken und der F-5?

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da handelt es sich natürlich um wesentliche Verbesserungen. Man muss aber sagen, der Draken, den wir feierlich verabschiedet haben – der Komman­dant der Landstreitkräfte sitzt ebenfalls hier –, ist eine Erfolgsgeschichte gewesen. Das muss man schon auch sagen, denn es gehört sich, dass man den Piloten, den Technikern, den Kommandanten dankt für ihre großartigen Einsätze in den vergan­genen 18 Jahren – und das, das freut mich besonders, da werden Sie mir zustimmen, unfallfrei!

Das war die zweite Generation, und wir haben es nun mit der vierten Generation zu tun. Das ist ein Quantensprung, was die Technik, aber auch die Einsetzbarkeit des Eurofighters betrifft. Die Verbesserungen betreffen die Steigfähigkeit, die Ge­schwin­


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digkeit, die Manövrierfähigkeit, die Informationstechnologie, der Eurofighter ist nacht­kampf- und allwettertauglich. Das sind die Parameter, die durch den Eurofighter eine gewaltige Steigerung erfahren werden.

Sogar der Befehlshaber der US-Luftwaffe, General John P. Jumper, hat gesagt: „Ich bin alle Air-Force-Jets geflogen. Keiner war so gut wie der Eurofighter.“ – Ich meine, das ist das beste Zeugnis, das man dem Eurofighter ausstellen kann. Auch unser Kommandant der Luftstreitkräfte, Generalmajor Wolf hat einen Probeflug durchgeführt und war sehr, sehr überzeugt von der Qualität des Eurofighters.

Ich möchte jetzt noch ein Zitat bringen, meine Damen und Herren! Ich zitiere, wenn das Interesse gegeben ist, aus dem Bericht des Rechnungshofes. Der Rechnungshof hat Folgendes festgestellt:

„Insbesondere die Leistungsdaten und die modernste Technologie des Kampfflug­zeuges Eurofighter in Verbindung mit der Ausstattung neuester Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Lenkwaffen ergäbe eine wesentliche Steigerung des Einsatzwertes des neuen Flugsystems im Vergleich zum Flugzeug Saab 35 OE (Draken).“

Das ist im Wahrnehmungsbericht des Rechnungshofes niedergeschrieben. Man sieht also, dass wir einen Quantensprung zu verzeichnen haben, was die Leistungsfähigkeit dieses Luftraumüberwachungsflugzeuges betrifft.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Kerschbaum zu Wort ge­meldet. Ich ersuche sie, diese zu stellen.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich möchte noch einmal etwas nachfragen, was vorhin schon einmal gefragt worden ist, worauf aber keine Antwort gegeben worden ist: Wieso wird der Öffentlichkeit der gesamte Euro­fighter-Kaufvertrag vorenthalten, wo doch unmöglich jener Teil mit normalen zivilrechtlichen Rücktrittsklauseln unter das Amtsgeheimnis fallen kann?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Ich habe diese Antwort bereits gegeben. (Bundesrat Konecny: Er will es nicht sagen, und er wird wissen, warum!)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen zur 4. Anfrage, 1466/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr.  Kühnel, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Ich darf fragen:

1466/M-BR/2005

„Wie viele Soldaten des österreichischen Bundesheeres sind derzeit zu welchen Auslandseinsätzen entsandt?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Die Auslandsaktivitäten des österreichischen Bundesheeres sind international sehr anerkannt. Wir haben heuer ein halbrundes Jubiläum: Seit 45 Jahren ist das österreichische Bundesheer bereits bei Auslandseinsätzen in den verschiedenen Krisenherden der Welt tätig. In diesen 45 Jahren haben über 60 000 Soldaten Dienst im Ausland versehen und somit einen großen Beitrag für die Stabilität in diesen Regionen geleistet.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 21

Derzeit, zur Stunde, sind 1 283 Angehörige des Bundesheeres im Rahmen von Auslandseinsätzen entsandt. Absoluter Schwerpunkt dabei ist der Balkan. Ich war gestern und vorgestern in Bosnien-Herzegowina, und zwar deshalb, weil das öster­reichische Bundesheer erstmals seit seinem Bestehen die Verantwortung für eine Task Force auf Brigadelevel übernimmt. Brigadier Pronhagl hat gestern in einem militä­rischen Festakt, an dem ich teilnahm, von den Finnen für ein Jahr die Task Force Nord in Bosnien-Herzegowina übernommen.

Damit man sich ein Bild machen kann: In dieser Region leben 1,5 Millionen Menschen. Das Gebiet ist ungefähr gleich groß wie Tirol und Vorarlberg, aber größer als der Kosovo. Daraus ersieht man, wie groß die Verantwortung des österreichischen Bundesheeres dort ist. Das zeigt auch, dass wir uns in diesem Bereich unglaublich weiterentwickeln. Diese Task-Force-Nord-Übernahme in Bosnien-Herzegowina ist zweifellos ein besonderer europäischer Moment für das österreichische Bundesheer.

Schwerpunkt Balkan: Wir haben derzeit bis zu 300 Soldaten in Bosnien-Herzegowina, wir haben im Kosovo über 500 Soldaten. Der Golan ist eine Erfolgsstory, seit 31 Jahren sind unsere Soldaten am Golan tätig und haben dort einen großen Beitrag dazu geleistet, dass das Friedensabkommen zwischen Israel und Syrien eingehalten wird.

Wir haben in Afghanistan ebenfalls einen großartigen Einsatz bewältigt. Darüber hinaus sind derzeit noch Soldaten in Muzaffarabad in Pakistan. In Muzaffarabad ist die Situation alles andere als einfach. Unsere Soldaten haben dort eine Trinkwasser­aufbereitung durchgeführt. Pro Tag wurden zirka 120 000 Liter bestes Trinkwasser aufbereitet. Die Beitragsleistung des österreichischen Bundesheeres war zweifellos ausgezeichnet.

Wir werden diesen Weg fortsetzen. Ich bin der Überzeugung, dass das österreichische Bundesheer einen großen Beitrag für das internationale Ansehen Österreichs leistet, wodurch wir dafür Sorge tragen, dass wir ein stabiles Umfeld haben, denn nur durch ein stabiles Umfeld kann Österreich in Zukunft in Frieden und Sicherheit leben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Herr Bundesrat Dr. Kühnel, wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Die Beantwortung durch den Herrn Bundesminister war so umfassend, dass eine Zusatzfrage nicht notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Konrad zu Wort gemeldet. Ich darf sie ersuchen, die Frage zu stellen.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben vorhin schon die Verpflichtung zu Auslandseinsätzen angesprochen. Ich möchte jetzt konkret nachfragen: Wann im nächsten Jahr werden Sie die Gesetzesinitiative über die Verpflichtung zu Auslandseinsätzen für neu aufgenommene Soldaten vorlegen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Diese Gesetzesinitiative wird im Frühjahr angegangen, und ich gehe davon aus, dass wir die Beschlussfassung spätestens bis Juli erreicht haben werden; eine mehrheitliche Zustimmung voraus­gesetzt, denn diese Angelegenheit ist im Verfassungsrang abzuhandeln. Dies voraus­gesetzt, werden wir, davon gehe ich aus, diese neue Regelung ab 1. Jänner 2007 haben.

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 22

Präsident Peter Mitterer: Danke.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Reisenberger gewünscht. Ich darf ihn ersuchen, sie zu stellen.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Über den guten Ruf unserer Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätzen besteht für mich absolut kein Zweifel. Angesichts dessen, dass es in der Vergangenheit bei den Auslandseinsätzen vor allem bei der Bekleidung zu Problemen gekommen ist, frage ich Sie, ob die Ausstattung, sprich Bekleidung, Material, alles, was notwendig ist für unsere Soldatinnen und Soldaten, auch sichergestellt ist.

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Ich bin sehr froh darüber, dass auch dieses Thema im Mittelpunkt des Interesses steht, denn wir haben alle dafür Sorge zu tragen, dass unsere Soldaten, die ja für uns, für die Republik Österreich, Dienst tun, bestmöglich ausgerüstet sind.

Ich kann Ihnen ein für mich sehr erfreuliches Erlebnis schildern: Ich war in Afghanistan bei unseren Soldaten. Diese Soldaten waren unglaublich glücklich, und wissen Sie, warum? – Weil sie die neueste Bekleidung hatten! 2 000 Stück Hot Weather Clothing, sprich ganz moderne Wüstenanzüge, wurden beschafft. Man kann sich vorstellen, wie wichtig es bei diesen Temperaturen ist, dass die Bekleidung ausgezeichnet ist.

Sie waren mit „Pandur“-Panzern, aber auch mit dem neuen „Dingo“ dort, dem „Dingo 2“; noch keine andere Nation hat dieses moderne Gerät. Interessanterweise war sogar die deutsche Bundeswehr sehr, sehr überrascht, wie ausgezeichnet unsere Soldaten in Afghanistan ausgerüstet waren.

Darüber hinaus ist die Beschaffung des Kampfanzuges voll im Gange. Es werden jetzt alle Einheiten, die im Auslandseinsatz sind, in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo, diesen Kampfanzug bekommen, teilweise haben sie ihn schon. Ich habe das Kontin­gent nach Bosnien-Herzegowina verabschiedet, das diesen neuen Kampfanzug hat; Kosovo wird folgen.

In den nächsten Monaten werden 16 000 Stück ausgeliefert, und im Jahr 2007 werden wiederum 8 000 Stück beschafft, sodass wirklich jeder Soldat einen perfekten Kampfanzug hat. „Kampfanzug“ bedeutet in diesem Zusammenhang eine Ausrüstung bis hin zur Alpinbekleidung; also wirklich ausgezeichnet.

Wir werden auch bei den Beschaffungsvorhaben noch mehr tun, was die Allschutz­fahrzeuge betrifft, denn, meine Damen und Herren, das Wichtigste dabei ist derzeit, einen Schutz gegen Minenexplosionen zu haben. Da hat es ja Unfälle gegeben, leider hatte auch die Bundeswehr einen toten Soldaten zu verzeichnen. Deshalb haben wir der Minenschutz-Klasse ganz hohe Priorität gegeben – bei diesem „Dingo“ ist das eben ganz besonders der Fall.

Ich bin der Meinung, dass wir hier auf einem guten Weg sind, und bin froh darüber, dass wir das Geld, das wir für den Verkauf von Liegenschaften bekommen werden, nicht an das Finanzministerium weitergeben müssen, sondern behalten können. Ein Großteil davon wird für die Beschaffung verwendet werden.

Lassen Sie mich ein letztes Wort dazu sagen, weil Sie gesagt haben, dass wir alle stolz auf die Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten bei den Auslandseinsätzen sein können: Wenn wir eine Bilanz dieser 45 Jahre ziehen, so müssen wir leider auch feststellen, dass 46 Soldaten dabei gestorben sind – durch Unfälle, durch Minen­explosionen und dergleichen mehr. – Danke.

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 23

Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen zur 5. Anfrage, 1474/M, und ich ersuche Herrn Bundesrat Schennach, diese Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! In der Frage von friedenserhaltenden und friedensichernden Maßnahmen unserer Soldaten im Ausland war man, so glaube ich, noch nie uneins in diesem Haus. Nun zur Frage:

1474/M-BR/2005

„Welche Maßnahmen werden seitens des BM für Landesverteidigung ergriffen, um die Durchführung von völkerrechtswidrigen Gefangenentransporten durch den US-Geheimdienst CIA und ihm nahe stehende Unternehmen zu verhindern?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Zu Beginn der Beant­wortung dieser Frage eine Information: Gestern fand eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates statt. Ich bitte um Verständnis dafür, dass die Debatten dort der Vertraulichkeit unterliegen, aber einen Punkt, der ja schon vorher diskutiert wurde, möchte ich auch hier im Bundesrat klar zum Ausdruck bringen: Es gibt keine Hinweise, dass es sich bei besagtem Flug um einen CIA-Flug gehandelt hat. Es gibt keine Hinweise, dass hier Gefangene transportiert worden sind. Und ich bitte um Verständnis dafür, dass gerade das Landesverteidigungsministerium, die Piloten nur auf Grund von Fakten agieren können und nicht auf Grund von Mutmaßungen. – Ich wollte das zuerst hier klarstellen.

Was die Bestimmungen betrifft: Wir haben nach den Bestimmungen des Militärbefug­nisgesetzes die verfassungsgesetzliche Aufgabe, auf einfachgesetzlicher Ebene die militärische Luftraumüberwachung zur ständigen Wahrung der Lufthoheit der Republik Österreich wahrzunehmen, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederher­stellung der staatlichen Souveränität – dabei sind Motiv und Art der Luftraumverletzung im Wesentlichen irrelevant.

Ich möchte darüber hinaus darauf hinweisen, dass die Auslösung eines Einsatzes zur Identifizierung von Luftfahrzeugen durch Luftraumüberwachungsflugzeuge des Bun­des­heeres insbesondere auf Grund von Unklarheiten bei Flugplandaten, auf Grund von fehlendem Funkkontakt oder anderen Unregelmäßigkeiten erfolgt. Jeder Flug wird ja bei der Austro Control gemeldet, und dann müssen unsere passiven und aktiven Komponenten diese Kontrollmechanismen in Gang bringen, wenn man glaubt, dass Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Das geht aber nur mit einer passiven und einer aktiven Komponente.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Bundesminister! In Kenntnis, dass Sie sich der Antwort entschlagen können, da die Frage nicht unmittelbar in Ihren Amtsbereich fällt, erlaube ich mir trotzdem folgende Zusatzfrage:

Halten Sie solche Gefangenentransporte für mit den Grundrechten in Übereinstim­mung? Halten Sie Gefängnisse wie Guantánamo für mit den Menschenrechten vereinbar? Und halten Sie es für legitim, dass ein EU-Kommissar erwägt, Ländern Stimmrechte zu entziehen, die an solchen Gefangenentransporten mitgewirkt haben?

 


Präsident Peter Mitterer: Der Herr Bundesminister kan


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 24

n ...

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Das ist eine sensible Materie, und deshalb möchte ich auch eine sehr sensible Antwort darauf geben. Aber noch einmal, dass das nicht falsch verstanden wird: Es gibt bei uns keine Hinweise auf Gefangenentransporte, es gibt keine Hinweise darauf, dass CIA-Flüge durchgeführt wurden. Das sind die Fakten.

Wir haben alles zu tun, dass die Menschenrechte eingehalten werden, und da sind wir, sind alle gefordert, mitzuhelfen, dass solche Dinge nicht passieren. Auch die Republik Österreich wird hier alle Beiträge leisten, die notwendig sind, damit man keine Verletzung der Menschenrechte in der Europäischen Union, in der gesamten Welt und insbesondere in Österreich zulässt.

Aber man kann davon nicht ableiten, dass diese Einsätze oder diese Wahrnehmungen mit einer Verletzung von Menschenrechten etwas zu tun haben, weil es keine Hinweise darauf gibt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Konecny gemeldet. – Herr Professor, bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Natürlich gibt es jede Menge Hinweise, aber ich räume sofort ein, dass sich ein Flugzeug dieser Art bei der österreichischen Luftraumüberwachung vermutlich nicht mit „CIA-Flug mit vier Gefangenen an Bord auf dem Weg nach Afghanistan“ meldet. Ich nehme also einmal an, Sie meinen mit der Aussage, dass es keine Hinweise gibt, die dienstlichen Erkenntnisse der Luftraumüberwachung?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Es werden alle Flüge bei der Austro Control gemeldet, und wenn ein Flug nicht gemeldet ist, dann können wir die Wahrnehmung durch die „Goldhaube“ machen. Und das ist ja der wichtigste Punkt: dass wir dort sofort einen Priorität-A-Einsatz durchführen, die Draken aufsteigen, und diese Kontrolle ... (Bundesrat Konecny: Das war nicht meine Frage! – Bundesrat Weiss: Lassen Sie ihn ausreden!) – Entschuldigung! Sie haben jetzt ... (Bundesrat Konecny: Das ist ein sensibles Thema, und daher reden wir sensibel herum!)

Ich muss schon sagen: Das ist schon absurd. Wenn Sie eine Frage stellen, weil Sie glauben, dass CIA-Flüge nicht gemeldet werden, und ich Ihnen erkläre, wie das funktioniert, dass eben jeder Flug gemeldet ist und dass dann, wenn einer nicht gemeldet ist, sofort die passive Komponente, die „Goldhaube“, hier die Wahrnehmung macht und die Abfangjäger aufsteigen, was schon öfters der Fall gewesen ist, dann muss das schon erlaubt sein. Es muss erlaubt sein, die Antwort auf eine Frage zu geben, die Sie gestellt haben! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Ich würde Sie auch bitten, mir in dieser sensiblen Materie auch die Gelegenheit zu geben, nicht nur jene Antworten zu geben, die Sie gerne hören. Ich möchte jene Aus­sagen tätigen, die zeigen, wie bei uns tatsächlich gearbeitet wird. Und unsere Piloten arbeiten großartig und bemühen sich unglaublich! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

Aber wieder zurück zu den Fakten. Noch einmal: Wenn ein Flug nicht angemeldet ist, dann wird das bei unserer Überwachung „Goldhaube“ wahrgenommen – alle anderen Flüge sind angemeldet.

Im Jahr gibt es ungefähr 1,2 Millionen Flugbewegungen – 1,2 Millionen Flugbewegun­gen! –, darüber hinaus haben wir zirka 12 000 bis 13 000 militärische Flugbewegun­gen. Und da gibt es Unterschiede: Die normale Flugbewegung wird bei der Austro Control gemeldet. Wenn es sich um Staatsluftfahrzeuge handelt, dann wird das so gehandhabt, dass die Zustimmung des Verteidigungsministeriums notwendig ist, und


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dann wird die Bewilligung von der Austro Control gegeben. Wenn es Flugzeuge betrifft, die nicht militärische Flugzeuge sind, aber Staatsluftfahrzeuge – der Polizei, der Zoller –, ist die Zustimmung des Innenministeriums notwendig – das nennt man „diplomatische Clearance“. Wenn die Bestimmungen des Truppenaufenthaltsgesetzes eingehalten werden müssen, das heißt, wenn zum Beispiel ein Flugzeug der Luftwaffe der Bundeswehr über Österreich fliegt, zum Beispiel zu einer Übung nach Italien, nach Afghanistan, dann ist die „Gestattung“ des Verteidigungsministeriums im Einver­nehmen mit dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten herzustellen.

Das heißt also, meine Damen und Herren, dass alles genau geregelt ist, um eben zu vermeiden, dass solche Dinge passieren. Aber, wie gesagt, wir haben 1,2 Millionen Flugbewegungen pro Jahr, und Sie können sich daher sicherlich vorstellen, dass das keine ganz besonders leichte Angelegenheit ist. (Bundesrat Konecny: Das habe ich Sie aber trotzdem nicht gefragt!)

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Saller, bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine geplante Frage nach den Zuständigkeiten, was den Bereich Überflüge anlangt, haben Sie mittlerweile bereits beantwortet. – Danke.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zur 6. Anfrage, 1472/M. Ich darf Herrn Bundesrat Preiner ersuchen, die Frage zu formulieren.

 


Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Ich komme nun zu einer für Sie wahrscheinlich unverfänglicheren Fragestellung, denn meine Frage lautet:

1472/M-BR/2005

„Können Sie trotz einer Verkürzung des Grundwehrdienstes ab 1. Jänner 2006 den lückenlosen Assistenzeinsatz an den Staatsgrenzen sicherstellen?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir haben uns mit dieser Materie sehr intensiv auseinander gesetzt, und ich kann Ihnen sagen, dass Folgendes geschehen wird: Es wird interne Umstrukturierungsmaßnahmen geben; ebenso ist die Einbindung von Kaderpräsenzeinheiten vorgesehen, damit der sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsatz bestmöglich durchgeführt werden kann. Wir werden aber auch zusätzliches Gerät kaufen, Wärmebildkameras etwa, die ja gerade hinsichtlich Wahr­nehmungen in der Nacht ganz besonders notwendig und wichtig sind.

Deshalb habe ich auch dem Herrn Landeshauptmann des Burgenlandes die Infor­mation gegeben, dass unser Assistenzeinsatz an der Grenze selbstverständlich so lange durchgeführt werden wird, solange dies eben erforderlich ist beziehungsweise solange die Schengen-Reife unserer Nachbarstaaten noch nicht erreicht ist.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Erwin Preiner (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Wie hoch ist die Zahl jener Soldaten und Soldatinnen an der Staatsgrenze, wo es ab 1. Jänner 2006 zu einer Reduktion kommt?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Von einer Reduktion habe ich nicht gesprochen! Wir werden diese Qualität der Überwachung an der


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 26

Grenze weiterhin haben, und es werden das weiterhin rund 2 000 Soldaten machen. Wie das in der Vergangenheit der Fall war, so wird das auch in der Zukunft sein.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Gansterer, bitte.

 


Bundesrätin Michaela Gansterer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minis­ter! Gleichzeitig mit der Verkürzung des Grundwehrdienstes wurden auch die Änderun­gen für den Ausbildungsdienst beschlossen. Wie sehen diese Änderungen aus?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Meiner Überzeugung nach ist der Ausbildungsdienst eine sehr, sehr wichtige Maßnahme, etwas, was Sie alle ja mit beschlossen haben. Da muss man unterscheiden: Ausbildungsdienst bei Frauen, Ausbildungsdienst bei Männern.

Was die Soldatinnen anlangt, haben wir folgende Initiative ergriffen: dass wir den Ausbildungsdienst für Frauen auch finanziell wesentlich attraktiver machen. In der Vergangenheit war es so, dass Frauen im Ausbildungsdienst in den ersten Monaten, in den so genannten Grundwehrdienst-Monaten, das gleiche Gehalt wie Männer bekom­men haben, also 256 € netto. Das stellte sozusagen das Hindernis dar, dass Frauen diesen Beruf wählen, obwohl sie Interesse daran gehabt hätten.

Daher haben wir das sehr attraktive Angebot gemacht, dass Frauen ab dem ersten Tag, wenn sie zum österreichischen Bundesheer gehen, im Ausbildungsdienst netto nicht 256 €, sondern künftig 824 € netto bekommen werden; da kann man durchaus einen Vergleich etwa mit einer Justizpraktikantin ziehen. Ich glaube daher, dass man da wirklich von einem sehr großen Fortschritt sprechen kann.

Darüber hinaus haben wir für diese Personengruppe die Standards in Bezug auf körperliche Leistungsfähigkeit etwas zurückgenommen, damit wir mehr Frauen zum österreichischen Bundesheer bekommen, was meine Zielsetzung ist.

Der zweite Punkt betrifft die Männer, wobei wir natürlich schon danach trachten müs­sen, dass es da keine Ungleichheit gibt, und deshalb haben wir eingeführt, dass jene Männer, die Grundwehrdienst leisten und sich bereit erklären, den Ausbildungsdienst für insgesamt zwölf Monate zu machen, ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ebenfalls diese 824 € netto bekommen.

Ein Beispiel hiezu: Am 1., 5. oder 7. Jänner 2006 rückt ein Grundwehrdiener ein und gibt bekannt, dass er insgesamt zwölf Monate beim österreichischen Bundesheer bleiben möchte. Folge: Er bekommt schon im Jänner nicht 256 € netto, sondern eben 824 € netto. Das ist, wie ich meine, eine gute Maßnahme. Ich hoffe, dass wir viele Soldaten haben werden, die länger bleiben. Und das Ganze ist auch für die künftige Personalgewinnung sehr gut, dass man sich eben die Leute anschauen kann – und unter Umständen bleiben einige sogar für längere Zeit beim österreichischen Bundesheer.

 


Präsident Peter Mitterer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Bundesminister! Assistenzeinsatz heißt ja, dass das Bundesheer hilft, dass es den Sicherheitsbehörden assistiert.

Ist nach Ihrer Sicht gewährleistet, Herr Bundesminister, dass der Assistenzeinsatz für die Sicherheitsbehörden tatsächlich Ende 2007 endet?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Das kann ich jetzt nicht beantworten, wenn Sie jetzt vom künftigen Grenzdienst beziehungsweise von dem


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Zeitpunkt sprechen, zu dem die Schengen-Reife all unserer Nachbarländer erreicht sein wird. Das ist derzeit noch nicht absehbar. Auf Grund meiner Informationen kann ich da lediglich eine Vermutung anstellen. Meine Vermutung ist – da dürfen Sie mich nicht festnageln, denn das kann wirklich keine definitive Aussage sein –, dass im Jahre 2007 die Schengen-Reife vermutlich noch nicht bei allen erreicht sein wird, dass das eher in das Jahr 2008 hineingehen wird. Deshalb sind unsere Planungen auch darauf ausgerichtet, dass dieser Assistenzeinsatz über das Jahr 2007 hinausgehen wird.

Es liegt im Interesse von uns allen – das betrifft selbstverständlich auch das Innen­ministerium –, dass die neuen EU-Außengrenzen bestmöglich geschützt werden, denn wenn sich die EU-Außengrenze mehr Richtung Osten verlagert, so ist dieser Gürtel sozusagen gut abzusichern. Da ist natürlich großes Interesse der Europäischen Union gegeben, weshalb ja auch an einem gesamteuropäischen Konzept gearbeitet wird.

Selbstverständlich wäre es falsch, diese Aufgabe nur der jeweiligen Nation zu über­lassen, weshalb es eben eine gemeinsame Aktion geben wird, um die neue EU-Außengrenze entsprechend abzusichern; dann erst ist die Schengen-Reife gegeben. Und erst wenn das der Fall ist, können wir unsere Soldatinnen und Soldaten von der burgenländischen beziehungsweise von der niederösterreichischen Grenze abziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1467/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Bader, die Frage zu formulieren.

 


Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bitte Sie, mich über Folgendes zu informieren:

1467/M-BR/2005

„Wie ist der derzeitige Stand bei den Kräften für internationale Operationen (KIOP)?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: KIOP, die Kräfte für inter­nationale Operationen, stellt einen Meilenstein in der Geschichte des öster­reichischen Bundesheeres dar. Wir brauchen junge Leute in der Truppe, junge Leute, die sich bereit erklären, einige Jahre beim österreichischen Bundesheer zu bleiben. Und deshalb haben wir ja das Konzept entwickelt, dass diese Soldaten drei bis sechs Jahre Dienst beim österreichischen Bundesheer leisten – und dann wieder ins Wirtschafts­leben zurückgehen beziehungsweise in anderen Institutionen oder Organisationen tätig sind.

Es gibt gute Berufsförderungsmaßnahmen, etwa die, dass dann, wenn ein Soldat drei Jahre lang Dienst beim österreichischen Bundesheer gemacht hat, er ein Jahr lang 75 Prozent des Gehalts weiterbezahlt bekommt, um sich für den Arbeitsprozess, für Ausbildungsmaßnahmen et cetera vorbereiten zu können.

Was die Ausbildung in den verschiedensten Ausbildungseinrichtungen anlangt, stellen wir hiefür ebenfalls einen beträchtlichen Betrag zur Verfügung – bis zu 27 000 € –, sodass das Ganze jedenfalls ein sehr interessantes Paket für junge Leute darstellt, einige Zeit beim österreichischen Bundesheer zu bleiben und dann wieder in die Privatwirtschaft zu gehen – oder dass Soldaten, die wirklich ausgezeichnet sind und Interesse daran haben, dann auch beim österreichischen Bundesheer bleiben. Das ist zwar nicht die primäre Zielsetzung, jedoch ist das in Bezug auf die künftige Personal­gewinnung nicht unwesentlich.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 28

Der derzeitige Stand ist – begonnen haben wir damit per September 2003 bezie­hungsweise 1. Jänner 2004 –, dass wir insgesamt 838 freiwillig Gemeldete angenom­men haben; davon kommen 411 Soldaten aus dem Kreis der Berufsmilitärpersonen und 427 sind Neuaufnahmen von Wehrpflichtigen des Milizstandes, die, wenn sie Grundwehrdienst leisten, sagen, dass sie KIOP-Soldaten werden möchten. Derzeit sind das also 427 Personen.

Insgesamt liegen 3 663 Meldungen Freiwilliger vor. Davon haben jetzt 940 Personen die persönliche Eignungsprüfung positiv abgeschlossen, eine Prüfung, die sehr, sehr schwierig ist, vor allem auch, was die körperliche Leistungsfähigkeit betrifft. Darüber hinaus befinden sich derzeit 485 Personen noch in der Eignungsprüfung, 957 haben aus persönlichen Gründen die freiwillige Meldung zurückgezogen – es werden oft Meldungen in verschiedenen Berufssparten gemacht, und so ist das auch hier der Fall –, und 1 291 wurden nicht genommen.

Ich gehe davon aus, dass wir bis Ende des Jahres 2007 2 200 KIOP-Soldaten haben werden, und ich möchte es doch als einen sehr wichtigen Schritt bezeichnen, dass wir alle gemeinsam diese Möglichkeit geschaffen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesrat Bader wird keine Zusatzfrage stellen, aber es gibt weitere Zusatzfragen. – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie hoch sind derzeit die Kosten für die KIOP?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Die Kosten für die KIOP-Soldaten, also die Personalkosten, werden im gesamten Budget abgewickelt. Ich kann Ihnen das gerne schriftlich beantworten, weil ich Ihnen jetzt nicht auf den Punkt genau sagen kann, wie hoch die Personalkosten für die Soldaten waren. Es kommt nämlich darauf an, ob sie im Auslandseinsatz tätig waren, denn wir hatten jetzt doch einige KIOP-Soldaten in Afghanistan, im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina. Ich würde Ihnen diese Frage sehr gerne schriftlich beantworten, damit Sie die genauen Zahlen zur Verfügung haben.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine weitere Zusatzfrage wird vom Herrn Bundesrat Reisen­berger gewünscht. – Bitte.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Eigentlich betrifft meine Frage das gleiche Gebiet, und ich nehme daher an, auch diese Antwort wird schriftlich erfolgen müssen. Meine Frage: Wie hoch sind die Kosten für die nächsten Jahre veranschlagt?

Wir haben ja heute von Ihnen gehört, dass sich eine ganze Menge bereits hat ausbilden lassen, einige sind bereits genommen worden. Wie hoch ist in diesem Bereich grundsätzlich für die nächsten Jahre budgetiert?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wie bereits erwähnt, fällt das ins Gesamtbudget hinein, und wenn die Budgetplanungen gemacht werden, wird das entsprechend berücksichtigt. Jetzt muss man eine Hochrechnung machen, was die nächsten Jahre betrifft. Ich habe vorhin festgestellt, dass es unsere Zielsetzung ist, dass es bis Ende des Jahres 2007 2 200 KIOP-Soldaten geben wird. Da muss man wieder unterscheiden: Wir haben ja einerseits KIOP-Soldaten, die als Wehrpflichtige dazu­kommen oder aus dem Milizstand kommen, und andere, die bereits Berufs­soldaten sind, wo bereits Personalkosten anfallen. Deshalb erfolgen hier die Berech­nungen auf Grundlage der Zielsetzung, Ende 2007 2 200 KIOP-Soldaten zu haben, aber konkret kann ich Ihnen das noch schriftlich beantworten.

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 29

Präsident Peter Mitterer: Danke.

Wir gelangen zur 8. Anfrage, 1473/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Reisenberger, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Minister! Eine kurze und einfache Frage:

1473/M-BR/2005

„Wie lange werden wie viele Flugzeuge des Typs „Saab 105 Ö“ zum Einsatz kom­men?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Eine kurze und klare Antwort dazu: Es werden voraussichtlich 22 bis zum Jahr 2020 sein, weil das entsprechende Upgrading in der nächsten Zeit durchgeführt wird.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke. Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Minister! In diesem Zusam­menhang stellt sich die Frage: Wie viele und welche der heereseigenen Kraftfahrzeuge sind nicht mehr fahrtauglich beziehungsweise müssen ausgetauscht oder neu ange­schafft werden?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Das bezieht sich jetzt nicht gerade auf die Saab 105, aber doch auf die Beschaffungsmaßnahmen. Wir haben ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung des Fuhrparks vor. Wir haben heuer 575 neue LKWs beschafft, geländegängige und wegegängige LKW mit über 1 000 Wechselaufbauten. In diesem Jahr, 2005, werden noch 108 LKW zulaufen, sodass wir hier wirklich einen sehr, sehr wesentlichen Schritt weitergekommen sind, und dann werden die weiteren Beschaffungsmaßnahmen im Bereich der LKW durch­geführt.

Es müssen einige ausgeschieden werden, die in die Jahre gekommen sind. Das wird von unseren Leuten sehr sensibel gemacht, denn es müssen immer wieder Über­prüfungen durchgeführt werden, welche LKW tauglich sind, Omnibus-tauglich sind, aber auch PKW werden überprüft. Wir müssen diese Gelder, die ich angesprochen habe, insbesondere auch dafür verwenden, dass der Fuhrpark verbessert wird.

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesrätin Diesner-Wais hat sich zu einer weiteren Zusatzfrage gemeldet. – Bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Aus welchen Komponenten setzt sich die Luftraumüberwachung in Österreich zusammen?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Die Luftraumüber­wachung besteht erstens ganz klar aus der passiven Komponente, und das ist die „Goldhaube“. Die „Goldhaube“ wird in der nächsten Zeit modifiziert werden, aber trotzdem muss man wissen, dass die „Goldhaube“ hervorragende Leistungen erbringt, die weit über das österreichische Bundesgebiet hinausgehen. Deshalb versteht man es manchmal nicht, dass in einer so kleinen Republik, wie man meint, nicht rechtzeitig Abfangjäger in die Luft geschickt werden können. Das ist selbstverständlich möglich,


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 30

weil diese Wahrnehmungen ja weit über unser Grenzgebiet, über unser Bundesgebiet hinausgehen. – Das also zur „Goldhaube“.

Andererseits gibt es die aktive Komponente. Das sind die Luftraumüberwachungs­flugzeuge, wobei hier, je nachdem, welche Kriterien gegeben sind, ob es sich um eine normale Lage handelt, ob es um eine krisenhafte Entwicklung geht, ob es sich um gemeinsame Luftraumoperationen mit den Nachbarländern handelt oder um Groß­veranstaltungen, ein entsprechender Einsatz erfolgt. Primär ist das Aufgabe der Luftraumüberwachungsflugzeuge, aber wenn Luftraumsicherung gemacht werden muss – also bei Großveranstaltungen –, werden auch Saab 105 und die Hubschrauber mit eingesetzt, damit also auf drei Ebenen die beste Luftraumüberwachung und Luftraumsicherung gegeben ist.

Es ist dringend notwendig – ich habe das gerade in den letzten Monaten und jetzt gerade in den letzten Tagen immer wieder erklärt –, dass wir zu der passiven Kom­ponente eine aktive Komponente haben. Denn stellen Sie sich vor, wenn tatsächlich der Fall eintritt – was schon öfter passierte –, dass ein Flug nicht angemeldet war! Man macht unten genaue Wahrnehmungen, aber man kann nichts tun. Stellen Sie sich vor, es würde wirklich etwas passieren – was wir alle nicht hoffen! –, und welche Kritik es da gäbe, wenn wir nicht die Möglichkeit hätten, Luftraumüberwachungsflugzeuge einzu­setzen!

Deshalb ist gerade dieses Beispiel eigentlich eine klare Begründung dafür, dass es notwendig ist, Luftraumüberwachungsflugzeuge zu haben. Es ist ja von der Opposition, von den Oppositionsabgeordneten, sogar die Forderung gekommen, dass man besagtes Flugzeug zur Landung hätte zwingen müssen.

Es ist also ganz klar: Es ist eine passive Komponente und eine aktive Komponente notwendig, wenn wir auch, so wie wir auch verfassungsrechtlich dazu verpflichtet sind, die Lufthoheit wahrnehmen wollen und wir unsere Souveränität auch in der Luft gewährleisten möchten.

 


Präsident Peter Mitterer: Frau Bundesrätin Kerschbaum hat sich zu einer weiteren Zusatzfrage gemeldet. – Bitte sehr.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich möchte gerne wissen, Herr Minister, wie hoch die Kosten für die Miete der zwölf Schweizer Maschi­nen F5-E Tiger sind.

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir haben hier sehr rasch und sehr kostengünstig mit unseren Freunden in der Schweiz – ich möchte hier wirklich von Freunden sprechen – eine Zwischenlösung verhandelt und haben es somit geschafft, dass die Lücke zwischen dem Auslaufen der Draken, was mit Ende des Jahres der Fall ist, und dem Eintreffen der neuen Eurofighter gefüllt wird. Das heißt, wir haben hier einen Vertrag auf vier Jahre, und in diesen vier bis fünf Jahren werden die F-5 die Luftraumüberwachung durchführen.

Es ist, wie ich das hier schon einmal gesagt habe, auch finanziell gesehen diese Zwischenlösung eine ausgezeichnete Maßnahme. Wir haben es hier wirklich mit Freunden zu tun, sodass wir für diese zwölf F-5-Abfangjäger, für diese vier Jahre berechnet, 75 Millionen € bezahlen. Diese 75 Millionen € sind aber nicht nur Miet­kosten für die Flugzeuge, sondern mit darin enthalten sind die gesamten Betriebs­kosten, bis hin zu den verschiedenen Maßnahmen, die zum Betrieb dieser F-5 notwendig sind. Das heißt, nicht nur das Anmieten dieser Flugzeuge, sondern der Gesamtbetrieb ist in diesen Kosten beinhaltet.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 31

Mir liegen jüngste Informationen vor, dass wir nicht einmal diesen Betrag von 75 Millionen € – das muss man sich vorstellen: für vier Jahre! – zu bezahlen haben werden, sondern sogar noch etwas weniger; wir liegen jetzt bei ungefähr 69 Mil­lionen €.

Das heißt, dass wir hier also wirklich eine Maßnahme getroffen haben, die kosten­günstig ist, die effizient ist. Aber wenn die Frage auftauchen sollte: Warum machen das die F-5 nicht weiter, wenn es so billig ist?, muss ich Ihnen leider sagen, dass die F-5 ab dem Jahre 2010 nicht mehr in Betrieb sein werden, weil dieses System zur Gänze auslaufen wird.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Wir kommen zur 9. und damit vorletzten Frage, 1468/M, und ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg, die Frage zu verlesen.

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

1468/M-BR/2005

„Welche Maßnahmen werden im Bundesministerium für Landesverteidigung gesetzt, um Suizidfälle von Rekruten zu verhindern?“

 


Präsident Peter Mitterer: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Ich möchte vorerst betonen, dass jeder Selbstmord eines jungen Menschen ein besonders tragisches Ereignis ist und dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, dass so etwas nicht passiert. Leider Gottes stellen wir fest, dass die Ursachen für diese Selbst­morde überwiegend im privaten Bereich gelegen sind, wie vorhandene Abschieds­briefe, SMS und dergleichen mehr zeigen. Trotzdem ist es uns sehr wichtig, alle Maßnahmen zu setzen und alle Anstrengungen zu unternehmen, damit Selbstmorde nicht passieren.

Es sind hier insbesondere im Psychologischen Dienst sehr viele hervorragende Leute eingesetzt, und wir haben neben den Psychologen über 300 psychosoziale Ersthelfer zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir bei diesen psychosozialen Helfern das Helpline-Service, das die Grundwehrdiener anrufen können, um ihre Probleme zum Ausdruck bringen und mit jemandem sprechen zu können – wichtig ist ja immer wieder, dass man zuhört, dass man das Gespräch zulässt –, und im letzten Jahr haben 1 000 Personen dieses Helpline-Service in Anspruch genommen.

Wir haben auch mit der Militärseelsorge in den verschiedenen Bereichen gute Erfahrungen gemacht. Die Militärseelsorge leistet sehr viel in diesem Bereich, ob es nun Evangelische oder Katholiken sind.

Wir haben es hier also mit einem Bündel von Maßnahmen zu tun, die verhindern sollen, dass ein Selbstmord passiert. Aber trotzdem kommen diese Selbstmorde vor, und ich bedauere jeden einzelnen Fall. Wir tun hier jedenfalls das Bestmögliche.

 


Präsident Peter Mitterer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

 


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Nein, danke.

 


Präsident Peter Mitterer: Eine Zusatzfrage wünscht Frau Bundesrätin Konrad. Ich ersuche, die Frage zu stellen.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehen Sie bei den gesetzten Maßnahmen Verbesserungsbedarf?

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 32

Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir sind permanent mit dieser Situation beschäftigt und haben immer wieder Besprechungen, in denen wir beraten, was zusätzlich getan werden kann. Wir sind derzeit auf einem unglaublich hohen Standard, ja ich glaube, dass dieser Standard sogar hervorragend ist. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch andere Möglichkeiten suchen und andere Anstren­gungen unternehmen. Das möchte ich nie ausschließen, denn es ist nicht nur meine Zielsetzung, sondern Zielsetzung aller Verantwortungsträger im österreichischen Bundesheer, den Grundwehrdienern die bestmögliche Hilfestellung zu geben.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass das nicht nur ein Problem der Grund­wehrdiener ist, sondern ein Problem der Gesamtgesellschaft. Wenn man bedenkt, wie viele Selbstmorde es gibt, muss man feststellen, es ist da auch die Gesellschaft dringend gefordert, nicht die Augen zu verschließen. Menschen verändern sich plötzlich, aber es werden keine entsprechenden Maßnahmen getroffen, etwa indem man mit diesen Menschen spricht. Das Gespräch ist, glaube ich, sehr, sehr notwendig, und da ist die gesamte Gesellschaft aufgefordert, mitzuhelfen, vom familiären Bereich über den Freundeskreis und natürlich bis dort hin, wo die Grundwehrdiener tätig sind: im österreichischen Bundesheer und in den verschiedenen Berufssparten.

Das heißt, es muss ein Aufruf an die Gesamtgesellschaft sein, auch hier sehr wach­sam zu sein, die Augen aufzumachen und das Gespräch zu suchen. Nochmals: Wir versuchen Bestmögliches.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wiesenegg gemeldet. Ich ersuche ihn, seine Frage zu stellen.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Wie du ja weißt, Herr Minister, bin ich ein großer Fan des Bun­desheeres und bemüht, die besten Rahmenbedingungen zu schaffen. Leider gibt es – und das wurde ja jetzt diskutiert – in allen gesellschaftlichen Bereichen und in allen Schichten unserer Bevölkerung Suizidfälle. In der Grenzüberwachung etwa ist die Belastung unserer Soldatinnen und Soldaten besonders groß.

Daher meine Frage: Gibt es gesonderten psychologischen Beistand in genau diesem Bereich?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Ja, den gibt es. Wichtig ist auch, dass wir schon bei der Stellung darauf Rücksicht nehmen und die ärztliche und psychologische Untersuchung in diesem Testverfahren durchgeführt wird. Es gibt Fälle, in denen bei der Stellung schon gesagt wird: Dieser junge Mann, dieser Bursch muss nicht Grundwehrdienst leisten!, weil die Psychologen eine gewisse Gefahr erkennen und der Betreffende auf Grund der Ergebnisse des Testverfahrens dann nicht in das österreichische Bundesheer einberufen wird.

Es ist psychologische Betreuung vor allem bei Assistenzeinsätzen an der Grenze notwendig, wenn man weiter von zu Hause weg ist. Darauf legen wir besonderes Augenmerk, und da ist noch mehr psychologische Betreuung gegeben, als wenn jemand in der Nähe seines Wohnortes, seiner Garnison, seiner Kaserne ist. Es ist wichtig, dass er öfters die Möglichkeit hat, mit Angehörigen, mit Freunden oder wem auch immer sprechen zu können und zusammenzukommen. Es gibt daher Gratis­gutscheine für Telefonate, sodass immer wieder Telefongespräche geführt werden können.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 33

Wir bieten auch ein Bündel von Maßnahmen im Freizeitbereich an. Ganz wichtig ist es, dass die jungen Menschen auch in der Freizeit Möglichkeiten haben, Sport zu betreiben, dass sie ins Kino gehen können, ins Internetcafe und so weiter. Das sind also unsere Bestrebungen im Inland.

Im Ausland muss man noch wachsamer sein, denn es kann eben schwierige Situationen zu Hause geben, und man ist weit entfernt von zu Hause. Deshalb sind die Kommandanten auch angewiesen, wenn man merkt, dass es größere Probleme gibt, dass man da großzügig ist und dieser junge Mensch nach Hause fahren und be­stimmte Dinge erledigen kann. Da ist eine hohe Sensibilität gegeben, was die Kommandanten betrifft, und das ist immer ein Punkt, den wir gerade bei Auslands­besuchen besprechen. Die Kommandanten sind sehr interessiert daran, auf die Probleme der jungen Menschen ganz besonders einzugehen. Wir haben gerade bei Auslandseinsätzen nicht nur Psychologen, sondern auch Militärseelsorger dabei, denn die jungen Menschen wollen unter Umständen nicht mit dem Vorgesetzten reden, sondern sich mit einer neutralen Persönlichkeit austauschen, und dann wird beraten, wie man mit dieser Situation umgeht.

Wir nehmen diese Sache sehr, sehr ernst, dem österreichischen Bundesheer ist diese Sache sehr ernst, und den Kommandanten ist diese Angelegenheit sehr ernst.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke.

Wir kommen nun zur 10. und letzten Anfrage, 1469/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Ing. Kampl, die Anfrage zu verlesen.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Die Luftraumüberwachung im Rahmen der notwendigen Staatssicherheit muss eine selbstverständliche Aufgabe bleiben. Meine Frage:

1469/M-BR/2005

„Auf welcher rechtlichen Grundlage basieren die Luftraumsicherungsoperationen von zivilen Veranstaltungen im Rahmen der europäischen Präsidentschaft Österreichs?“

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir haben hier drei Rechtsgrundlagen. Die erste Rechtsgrundlage im Rahmen der militärischen Landes­verteidigung sind der Artikel 9a und der Artikel 79 Bundes-Verfassungsgesetz. Auf einfachgesetzlicher Ebene haben wir die Rechtsgrundlage im Militärbefugnisgesetz, und darüber hinaus ermöglicht uns das Luftfahrtgesetz die Verfügung von Luft­raumbeschränkungen, die auch manchmal notwendig sind, wenn bestimmte Ereignisse eintreten.

 


Präsident Peter Mitterer: Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Auf welcher rechtlichen Grundlage kann ein ziviles Flugzeug zum Schutz einer zivilen Veran­staltung abgedrängt oder sogar zur Landung gezwungen werden?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wie bereits erwähnt, sind dazu diese drei gesetzlichen Grundlagen gegeben. So haben die Piloten die Mög­lichkeit, nach Rücksprache mit dem Kommandanten oder dem Diensthabenden im Kommando Luftstreitkräfte und auch Kontaktaufnahme mit dem Minister oder General­stabschef die entsprechenden Maßnahmen zu setzen.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 34

Man muss das so sehen: Es ist ein sensibler Vorgang notwendig. Wenn eine Wahr­nehmung gemacht wird, dass der Verdacht besteht, dass eine Luftraumverletzung gemacht oder die Lufthoheit verletzt wird, steigen zuerst die Luftraumüberwachungs­flugzeuge auf und überprüfen, ob die Daten mit der Realität übereinstimmen. Die Austro Control hat Daten gespeichert, und es wird überprüft, ob diese mit der Realität übereinstimmen. Dann wird überprüft, ob es sich um ein ziviles Flugzeug, ein Flugzeug mit einem zivilen Kennzeichen, handelt. Als nächstes, ob der Flugplan eingehalten wird: Das betrifft die Fluggeschwindigkeit, die Flughöhe, den genauen Weg. Darüber hinaus wird Funkkontakt gehalten.

Wenn das alles positiv ist, dann ist der Einsatz beendet. Aber wenn sich jemand nicht an den Flugplan hält, wenn er davon abweicht, dann werden die Wahrnehmungen gemacht: Moment, du bist auf dem falschen Weg!

Dann versucht man, eine Eskortierung zu machen, damit in diesem Bereich nichts passieren kann. Dann kann es natürlich auch vorkommen, dass man abfangen muss, also zur Landung zwingen muss, wenn keine Funkkontaktaufnahme gegeben ist, wenn die Gefahr besteht, dass eine Bedrohung für die Bevölkerung der Republik Österreich gegeben ist. Dann ist die Entscheidung zu treffen, ob ein Abfang durchgeführt, also das Flugzeug zur Landung gezwungen werden muss.

Ich möchte einen letzten Punkt dazu sagen, weil momentan die Diskussion über diesen Flug am 21. Jänner 2003 stattfindet und manchmal diplomatische Beziehungen mit hineingebracht werden, dass man bestimmte Maßnahmen nicht trifft, weil es unsere diplomatischen Beziehungen zu Amerika stören könnte. Darauf kann ich nur antworten: Die Piloten, die in Sekundenschnelle ihre Entscheidung zu treffen haben, verschwen­den zu diesem Zeitpunkt sicherlich keine Gedanken darüber, wie sich das auf die diplomatischen Beziehungen auswirken könnte.

 


Präsident Peter Mitterer: Es wird eine Zusatzfrage von Herrn Bundesrat Kneifel gewünscht. – Bitte.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche thematischen Schwerpunkte und welche Initiativen hat Ihr Ministerium im Hinblick auf die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs vor?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Zum Ersten haben wir die Aufgabe, gemeinsam mit dem Innenministerium für Sicherheit zu sorgen, Sicherheit in der Luft, aber auch im Bereich der Assistenzeinsätze, dass mit dem Bundesheer gut zusammengearbeitet wird. Wir haben auch Logistik, Fahrzeuge und Fahrer zur Verfügung zu stellen. – Das ist der eine Block, was die Sicherheit und die Unterstüt­zungsleistungen betrifft.

Was die Schwerpunkte für unsere EU-Präsidentschaft betrifft, möchte ich zwischen einem Kürprogramm und einem Pflichtprogramm unterscheiden. Das Pflichtprogramm heißt aber nicht, dass wir diese Dinge nicht genauso engagiert wahrnehmen, aber jeder Staat versucht, bestimmte Schwerpunkte zu setzen, die von ganz besonderer Bedeutung sind.

Zu diesem so genannten Pflichtprogramm zählen die Weiterentwicklung der Euro­päischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Hinblick auf Headline-Goal 2010, dass wir diese Zielstruktur im Jahr 2010 einnehmen werden, das Battle-Group-Konzept, natürlich die Europäische Verteidigungsagentur und darüber hinaus die verschiedenen Operationen, die wir derzeit durchführen, und weitere Operationen, die unter Umständen anfallen können. Auch die Beziehung zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union wird ein Schwerpunkt der Beratungen sein.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 35

Ganz besonders zum Ziel setzen wir uns den Balkan. Es ist für uns immens wichtig, dass wir uns um die Situation am Balkan kümmern, denn die Stabilität am Balkan stellt eine ganz besondere Bedeutung für die Sicherheit in Österreich dar.

Wir trachten danach, dass nicht nur der militärische Einsatz gemacht wird, sondern, dass man parallel dazu die zivilen Möglichkeiten noch mehr verbessert, denn eine Stabilität in dieser Region ist nur dann erreichbar, wenn einerseits militärische Stabilität gewährleistet wird, aber andererseits auch die entsprechenden zivilen Maßnahmen gesetzt werden.

Ich denke an die Sicherheitsstrukturen, die dort noch mehr aufgebaut werden müssen. Ich denke, dass Schulbauten notwendig sind, damit die Gesellschaft, die jungen Menschen, dort in dieser Region eine Zukunft sehen, nur dann haben wir die Stabilität in diesen Regionen erreicht. Das wird ein besonderer Schwerpunkt sein.

Ich war erst kürzlich wieder in Albanien, in Tirana, und habe mich mit dem Vizepremier und dem Verteidigungsminister unterhalten. Ich war vor zweieinhalb Wochen beim Präsidenten von Serbien, Tadić, und beim serbischen Verteidigungsminister. Vorges­tern war ich in Bosnien-Herzegowina beim Verteidigungsminister. – So versuchen wir, die Gespräche zu führen.

Ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass ich zwischen den beiden Meetings der Ver­teidigungsminister, einerseits dem Meeting Anfang März in Innsbruck und andererseits dem Meeting Mitte Mai in Brüssel, also im April, alle Verteidigungsminister besuche, Informationen gebe, den Kontakt halte, damit wir wirklich auf einer guten Basis aufbauen können.

Was wir auch tun müssen, wozu Österreich auch einen Beitrag leisten wird müssen, ist, dass die Armeen dieser Balkanstaaten an die Standards der Europäischen Union herangeführt werden. Da müssen wir sie einladen, die eine oder andere Ausbildungs­maßnahme bei uns durchzuführen, damit sie diese Information, die sie von euro­päischen Armeen bekommen, in die Entwicklung der Armeen in den Balkanstaaten mit einfließen lassen können.

In Bosnien-Herzegowina gab es drei Armeen, von den verschiedenen Volksgruppen nämlich. Jetzt wurde die Beschlussfassung gemacht, dass die Zusammenführung auf eine einheitliche Armee durchgeführt wird. Es ist eine beschlossene Sache, jetzt muss es in der Realität durchgeführt werden.

Gerade das nächste Jahr am Balkan wird von dem Referendum in Montenegro geprägt sein. Montenegro ist daran interessiert, unabhängig zu werden. Dieses Referendum wird aller Voraussicht nach stattfinden. Parallel dazu laufen die Statusverhandlungen, was den Kosovo betrifft. So werden wir ganz sensibel und genau beobachten müssen, wie sich das letztlich auf die Bevölkerung auswirken wird. Deshalb ist das der besondere Schwerpunkt, den wir uns gesetzt haben.

Zum Zweiten ist der Schwerpunkt zivil-militärische Koordination. Da gibt es zwei Ansatzpunkte. Wenn man die Operationen betrachtet, so sieht man, dass einerseits nur mehr sehr selten rein militärische Operationen gemacht werden, das heißt, es ist teilweise ein Mix aus militärischen, polizeilichen und zivilen Aufgaben, die zu bewältigen sein werden.

Darüber hinaus haben wir große Probleme bezüglich internationaler Naturkatas­trophen. Die Europäische Union wird nicht so wahrgenommen, wie das eigentlich notwendig wäre, dass von der Europäischen Union – wenn ich den Tsunami oder das Erdbeben in Muzaffarabad heranziehe – koordiniert Hilfe geleistet wird.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 36

Jetzt haben wir ein „Non-Paper“ zwischen Großbritannien, Österreich und Finnland, das die nächste Präsidentschaft nach uns machen wird, erstellt, dass wir die zivil-militärische Koordination nicht nur ernst nehmen, sondern aktiv umsetzen.

Es ist jetzt im EU-Militärstab in Brüssel bereits eine zivil-militärische Zelle installiert worden. Unsere Aufgabe wird es sein, das Management der Operationen, das heißt die Umsetzung zu machen.

Ich möchte zum Abschluss kurz ein Beispiel vortragen. Wenn irgendwo ein Katas­trophenereignis im Ausland passiert, wo Hilfeleistung auch von der Europäischen Union notwendig ist, so müssen wir einen internationalen Expertenpool bilden, der sofort vor Ort ist und dann die Meldungen an diese militär-zivile Koordination leitet. Es wird ein Operationszentrum eingerichtet, damit dann alle Staaten gemeinsam organisiert eine entsprechende Hilfeleistung geben können. So kann die Europäische Union auch in diesem sensiblen Bereich bestmöglich helfen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Peter Mitterer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Schennach gemeldet. Herr Bundesrat, ich darf um die Zusatzfrage bitten.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben auf die drei gesetzlichen Grundlagen zu Beginn verwiesen. Besteht für Sie bei einer dieser Grundlagen ein Handlungsbedarf, ein gesetzlicher Änderungsbedarf?

 


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung Günther Platter: Wir sind mit diesen gesetzlichen Maßnahmen, so wie wir sie derzeit haben, sehr gut ausgekommen. Wir haben das Auslangen gefunden, deshalb ist derzeit an keine weitere Gesetzesinitiative gedacht.

 


Präsident Peter Mitterer: Damit ist die Fragestunde beendet.

10.29.51 Angelobung

 


Präsident Peter Mitterer: Ich werde nun die Angelobung von Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer vornehmen und bitte die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.

10.30.08

 


Schriftführerin Sissy Roth-Halvax: Ich komplettiere die Liste der anzugelobenden Bundesrätinnen und Bundesräte mit dem Aufruf an Mag. Harald Himmer und verlese die Gelöbnisformel.

„Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin leistet Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien) seine Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Damit begrüße ich auch Herrn Bundesrat Himmer herzlich in unserer Mitte als wiedergewählten Bundesrat. (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 37

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Peter Mitterer: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2154/AB bis 2159/AB und des Nominierungsschreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG für die neue Mandatsperiode 2006 bis 2010 des Ausschusses der Regionen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe Seite 8);

REPUBLIK ÖSTERREICH

Dr. Wolfgang Schüssel Bundeskanzler

An den

Präsidenten des Bundesrats

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                               Wien, am 5. November 2005

Z 405.828/0004-IV/5/2005

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 23c Absatz 5 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung anlässlich des Ministerrats am 22. November 2005 beschlossen hat, entsprechend der gemäß Artikel 23c Absatz 4 B-VG erfolgten Vorschläge der Länder sowie des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes, folgende Nominierung für die neue Mandatsperiode 2006-2010 des Ausschusses der Regionen vorzunehmen:

Nominierung zu Mitgliedern des Ausschusses der Regionen:

Landeshauptmann Hans Niessl, Eisenstadt

Landeshauptmann Dr. Jörg Haider, Klagenfurt

Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, St. Pölten

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, Linz

Landeshauptfrau Mag. Gabriele Burgstaller, Salzburg

Landeshauptmann Mag. Franz Voves, Graz

Landeshauptmann DDr. Herwig van Staa, Innsbruck

Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber, Bregenz

Landeshauptmann Dr. Michael Häupl, Wien

Bürgermeister DI Markus Linhart, Bregenz

Gemeinderat Prof. Walter Zimper, Markt Piesting

Bürgermeister Dr. Heinz Schaden, Salzburg

Nominierung zu stellv. Mitgliedern des Ausschusses der Regionen:


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 38

Landtagspräsident Walter Prior, Eisenstadt

Landesrat Dr. Josef Martinz, Klagenfurt

Landesrätin Mag. Johanna Mikl-Leitner, St. Pölten

Landesrat Viktor Sigl, Linz

Beauftragter des Landes Salzburg für den Ausschuss der Regionen Dr. Franz Schausberger, Salzburg

Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer, Graz Landeshauptmann-Stellvertreter Ferdinand Eberle, Innsbruck Landtagspräsident Gebhard Halder, Bregenz Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Sepp Rieder, Wien

Bürgermeister Bernd Vögerle, Gerasdorf

Bürgermeister Helmut Mödlhammer, Hallwang

Gemeinderat Andreas Schieder, Wien

Ich ersuche Sie um Kenntnisnahme und Information des Bundesrats.

Mit freundlichen Grüßen

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Den eingelangten III. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Anwendung der EMAS-Verordnung und die Vollziehung des Umweltmanagementgesetzes habe ich dem Aus­schuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zugewiesen.

Den ebenfalls eingelangten Entschließungsantrag 145/A (E)-BR/2005 der Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen habe ich dem Ausschuss für innere Ange­legen­heiten zugewiesen.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates sowie jener Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über die österreichische EU-Präsidentschaft 2006, die den Gegen­stand der heutigen Tagesordnung bilden.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Peter Mitterer: Darüber hinaus wurden die Beschlüsse des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Zahnärztekammergesetz, ein Zahnärztereform-Begleitgesetz und eine Postgesetznovelle 2005, hinsichtlich derer dem Gesundheits­ausschuss, dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie vom Bundesrat zur Berichterstattung eine Frist bis zum 30. November 2005 gesetzt wurde, auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt.

Ebenso bilden die Wahl eines Vizepräsidenten sowie eines Ordners für den Rest des zweiten Halbjahres 2005, die Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948 sowie der Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Jahresvorschau des BMAA 2005 auf der Grundlage des operativen Jahresprogramms des Rates sowie des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission und des Strategieprogramms der Kommission 2005 bis 2009, der


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 39

bereits früher im Ausschuss für Verfassung und Föderalismus behandelt wurde, jeweils einen Gegenstand der heutigen Tagesordnung.

Ich habe diese Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zu der Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtigte ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 5 und 6, 7 und 8 sowie 11 und 12 unter einem zu ver­handeln.

Wird dagegen Einspruch erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vor­gehen.

10.33.34 Fristsetzungsanträge

 


Präsident Peter Mitterer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass die Bundesräte Albrecht Konecny und Stefan Schennach einen Fristsetzungs­antrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht haben, wonach dem Umweltausschuss zur Berichterstattung betreffend das Umweltrechtsan­pas­sungsgesetz 2005 eine Frist bis 20. Dezember 2005 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Die Bundesräte Albrecht Konecny und Stefan Schennach haben einen weiteren Frist­setzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates einge­bracht, wonach dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zur Bericht­erstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungs­rechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten geändert wird, eine Frist bis 20. Dezem­ber 2005 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich auch diesen Fristsetzungsantrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

*****

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

10.35.11 1. Punkt

Wahl eines Vizepräsidenten sowie eines Ordners für den Rest des 2. Halb­jahres 2005

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Diese Wahl ist auf Grund der vom neu konstituierten Wiener Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Wir kommen zunächst zu der Wahl eines Vizepräsidenten, die ich durch Erheben von den Sitzung vornehmen lasse.

Wir gehen nunmehr in den Wahlvorgang ein und kommen zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des zweiten Halb­jah­res 2005.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 40

Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt hiefür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu.

Es liegt dazu ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag zu­stimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahl­vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage nun die Frau Präsidentin, ob Sie die Wahl annimmt.

 


10.36.13

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Ich danke herzlich für das Vertrauen. Ich nehme die Wahl selbstverständlich an und werde mich weiterhin bemühen, die in mich gesetzten Erwartungen zu erfüllen. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Peter Mitterer: Dabei dürfen auch wir von dieser Stelle aus gratulieren. Es ist damit eine Kontinuität in der Arbeit des Bundesrates gewährleistet.

*****

Wir gelangen nun zur Wahl eines Ordners.

Es liegt mir der Vorschlag der ÖVP-Fraktion vor, Herrn Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel für den Rest des zweiten Halbjahres 2005 zu einem Ordner des Bundesrates zu wählen.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich darf wiederum fragen, ob der Gewählte die Wahl annimmt.


10.37.11

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Ich nehme die Wahl an und hoffe, meinen Aufgaben gerecht zu werden. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Peter Mitterer: Ich gratuliere und wünsche viel Erfolg.

10.37.26 2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird (670/A und 1101 d.B. sowie 7404/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Roth-Halvax. Ich bitte um den Bericht.

10.37.44

 


Berichterstatterin Sissy Roth-Halvax: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich berichte über den vorliegenden Antrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungsfondsgesetz geändert wird.

Es ist sehr erfreulich, festzuhalten, dass sowohl der Antrag im Nationalrat von allen vier Fraktionen einhellig eingebracht wurde als auch der Beschluss im Ausschuss des Bundesrates mit Stimmeneinhelligkeit verabschiedet wurde.

Ziel ist, dass alle Antragstellerinnen und Antragsteller, deren Anträge bereits bearbeitet wurden, aus dem Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 41

bereits jetzt Vorauszahlungen erhalten können. Es gibt allerdings eine Bedingung dazu: Es ist nämlich Bedingung, dass die Zurückziehung beziehungsweise Abweisung aller Sammelklagen gegen Österreich beziehungsweise österreichische Unternehmen in den USA vorher stattfinden soll.

Diese Gesetzesänderung ist einerseits damit begründet, dass das Alter der Antrag­stellerinnen und Antragsteller bereits ein sehr hohes ist, und zweitens, dass die Aufarbeitung der Anträge sehr lange dauert.

Es werden auch die tatsächlichen Beträge, die zur Auszahlung gelangen, erst dann feststehen können, wenn alle Anträge bearbeitet sind, da die Gesamtsumme aus den Mitteln des Entschädigungsfonds mit zirka 210 Millionen US-Dollar begrenzt sind.

Ich stelle daher im Auftrag des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus des Bundesrates den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Giefing. – Bitte.

 


10.40.01

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die symbolhafte Gerechtigkeit hat in Wirklichkeit sehr, sehr lange gebraucht. Dieses Entschädigungsfondsgesetz ist allerdings ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, und zwar für jene, welche heute schon sehr alt sind und Schreckliches erlebt haben, das ihr Leben einschneidend geprägt hat. Für zirka 4 000 dieser Menschen kommt diese symbolhafte Geste der Versöhnung sowieso schon zu spät. Sie können diese Entschädigung leider nicht mehr entgegen­nehmen. Eine schnelle Auszahlung muss daher möglichst rasch erste Priorität haben.

Wenn man die Dimension des größten Raubzuges der Geschichte, den die Nazis in diesem Land durchgeführt haben, in Relation zu den in Rede stehenden 210 Millionen US-Dollar setzt, wird jeder erkennen, dass dies in Wirklichkeit ein bescheidener Betrag ist. Es waren damals etwa rund 200 Milliarden Schilling, die geraubt wurden. Die Menschen wurden um ihre Häuser und ihr Vermögen gebracht. Sie konnten keine Ausbildung in Anspruch nehmen und haben berufliche Schwierigkeiten gehabt.

Diese 210 Millionen US-Dollar stehen auch in keinem Verhältnis zu dem, was diesen Leuten bei Sklavenarbeit und in den Konzentrationslagern angetan wurde. Es ist mir jedoch bewusst, dass die Dimension dieses Unrechts, welches den Juden angetan wurde, weder auf materiellem noch auf gesetzlichem Weg gutzumachen ist.

Für mich ist jedoch eine wichtige Bedingung, dass die Klagen gegen die Republik oder einzelne Unternehmungen zurückgezogen werden. Von der Kultusgemeinde wurde ja bereits intensiv versucht, Rechtssicherheit herzustellen. Ich gehe davon aus, dass diese Rechtssicherheit in wenigen Tagen so gut wie hergestellt sein wird.

Ich möchte jedoch zum Schluss jenen in- und ausländischen Stellen den Dank aus­sprechen, die sich bemüht haben, den Betroffenen zu helfen. Wir helfen damit auch dem Ansehen unserer Republik und unserem eigenen Gewissen. Meine Fraktion stimmt daher diesem Gesetz gerne zu. (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 42

10.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.43.18

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Giefing hat schon darauf hingewiesen, dass es durchaus schön sein hätte können, im wahrsten Sinne des Wortes, wenn schon früher etwas passiert wäre. Es hat jetzt allerdings zu diesem Zeitpunkt wenig Sinn, irgendjemanden in der Vergangenheit in einer Richtung zur Verantwortung zu ziehen, sondern wir haben von der Jetztzeit auszugehen. Und da ist es doch ein ganz besonderes Verdienst der jetzigen Regierung, die seit 2000 im Amte ist, dass nämlich jetzt etwas geschieht, und es geschieht ja nicht nur beim Entschädigungsfonds etwas, sondern auch bei anderen, ähnlichen Fonds, die gebildet worden sind.

Was ist vor allem in dieser Novelle enthalten? – Hier geht es vor allem einmal darum, dass man vorzeitige Zahlungen, Vorauszahlungen leisten kann und all jenen Antrag­stellern, deren Anträge fertig bearbeitet sind, endlich zu einem Betrag verhilft. Und das Zweite ist, dass eine Fristverlängerung für Naturalrestitutionen bis zum Ende des Jahres 2006 vorgesehen ist.

Wie schon vom Kollegen Giefing erwähnt worden ist, handelt es sich um einen einstimmigen Antrag seitens des Nationalrates, das heißt, alle Fraktionen sind der Meinung, dass diese Fristerstreckung bei Naturalrestitutionen, aber auch die Voraus­zahlungen eine sinnvolle Maßnahme sind. Daher ist selbstverständlich auch meine Fraktion hier im Bundesrat nicht nur erfreut, dass es einstimmig ist, sondern wir werden auf jeden Fall die Zustimmung dazu erteilen. Wir hoffen und freuen uns natürlich darüber, dass hier nicht ein Einspruch erfolgen wird, wie er in der letzten Sitzung bei einer ähnlichen Maßnahme gesetzt worden ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Sie verstehen aber wenig!)

10.45


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schennach.

 


10.45.53

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kühnel! Für Polemiken ist das hier der falsche Ort. Sie haben vor allem bei der letzten Debatte offensichtlich wenig verstanden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Umso mehr eint uns hier heute trotzdem die Zustimmung. Zunächst einen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Entschädigungsfonds, die hier mit einer unglaub­lichen Akribie über 19 000, genau genommen 19 364 Anträge bearbeitet haben, die mehr als 60, 70 Jahre zurückreichen. Hinter jedem einzelnen Antrag sind ein schreck­liches Schicksal und großes Unrecht verborgen.

Meine Damen und Herren! Leider sind erst 2 240 davon entschieden, das sind nur 15 Prozent. Aber durch eine bessere Personalausstattung soll nun, wie wir hören, dieser Prozess beschleunigt werden, denn immerhin – und das hat mich an dem Ganzen am meisten gefreut, wenn man das in diesem Zusammenhang sagen kann – wurden zwei Drittel der Anträge noch von Überlebenden gestellt. Man bedenke nur, wie alt die Betroffenen eigentlich sein müssen. Das heißt, es ist umso erfreulicher, dass noch zwei Drittel Überlebende sind und nicht nur, wie das Washingtoner Ab­kommen vorsieht, Erben, ohne jetzt da einen Unterschied machen zu wollen. Es ist wichtig, dass jemandem zu Lebzeiten Gerechtigkeit widerfährt und Gerechtigkeit auch spürbar wird, auch wenn das Leid dadurch niemals gesühnt werden kann. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Was wir nun machen, ist sozusagen die Bewilligung einer Vorauszahlung. Es geht um die Rechtssicherheit. Es ist bitter, dass diese Rechtssicherheit hier so eine immense Bedeutung oder geradezu ein Übergewicht bekommt, wenn es eigentlich jetzt um den


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Wettlauf mit Lebenszeit geht. Um endgültige Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Whiteman-Klage zu bekommen, wird es, wie ich meine, nur mehr wenige Monate dauern.

Es geht in diesem Fall um den Wettlauf mit Lebenszeit, um den Wettlauf damit, dass zwei Drittel der Antragsteller und Antragstellerinnen diese Sühneleistung oder diese Entschädigungsleistung zu Lebzeiten erfahren sollen. Diesem Gesetzentwurf, der eine schnelle Auszahlung dieses Vorschusses ermöglicht, werden wir daher gerne zustimmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.49


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl.

 


10.49.43

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen des Bundesrates! Zum Bundesgesetz, mit dem das Entschädigungs­fondsgesetz geändert wird, sind meine Überlegungen folgende:

Dieses Gesetz nimmt bei der Wiedergutmachung besonders Rücksicht auf Menschen, die bisher wenig bekommen haben beziehungsweise durch den Rost gefallen sind. Die österreichische Wirtschaft ist bereit, 210 Millionen Dollar aufzubringen, unter der Voraussetzung, dass keine nachträglichen Forderungen eingebracht werden. 26 von 27 Klagen wurden bereits zurückgezogen, und man hofft, dass auch noch die letzte offene Forderung zurückgezogen wird. Die Wirtschaft als Bezahlerin der gesamten ausstehenden Beträge beziehungsweise als Trägerin dieser verantwortungsvollen Aufgabe ist nur dann bereit, das Geld aufzubringen, wenn auf weitere Forderungen zu 100 Prozent verzichtet wird.

Insgesamt liegen über 18 000 Anträge zur Behandlung vor. Derzeit arbeiten 160 fachlich kompetente Mitarbeiter, um die vielen Einzelansprüche auf Wert, besitzmäßige und rechtliche Zugehörigkeit und Größe zu prüfen. Es stimmt sicher, wie mein Vor­redner gesagt hat, wir werden nie in der Lage sein, alles abzugelten, aber ich glaube, wir sind sehr gut und willig dabei, endlich dem Rechnung zu tragen, was wir schuldig sind.

Derzeit sind ein Drittel der Anträge geprüft. Österreich beziehungsweise unsere Bun­desregierung ist bemüht, Gerechtigkeit in diese sehr leidvolle Vergangenheit zu bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich hat sich mit dem Washingtoner Abkommen verpflichtet, das möglichst rasch zu tun. Zu einer vollen, dem Geschehen angemessenen Abgeltung würde man auch mit dem besten Gesetz niemals in der Lage sein. Auch mit Geld ist nicht alles gutzumachen.

Damit endlich mit der Auszahlung der Gelder begonnen werden kann, müsste der ehemalige Kaffeehausbesitzer Schindler aus Innsbruck dem Klageverzicht endlich beitreten. Die Mitverantwortung liegt auch beim amerikanischen Gericht, dieses könnte die Klagen abweisen, und dann könnte Österreich mit der Auszahlung beginnen. Damit einverstanden ist auch die österreichische Wirtschaft, der wir alle für die großartige finanzielle Leistung danken sollten.

Mit dem heutigen Entschädigungsfondsgesetz sollten alle Möglichkeiten von Betrüge­reien verhindert werden. Dass es solche gibt, schreibt die ungarische Zeitung „Lloyd“ am 1. Juni 2005. In solchen Fällen müssten rechtliche Schritte möglich und offen bleiben.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 44

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Schritt beweist Österreich eine große Tat der menschlichen Gefühle und Wiedergutmachung. Diese Wiedergutmachung kommt den Menschen zugute, die Mitbürger unserer Heimat waren. Mit dieser verantwor­tungsvollen Aufgabe, die uns heute mit diesem Gesetz gestellt wird, werden viele Staaten nicht umhinkommen, vor allem jene, die noch an den Beneš-Dekreten und AVNOJ-Beschlüssen festhalten, das Unrecht der Heimatvertriebenen einer verant­wor­tungsvollen Aufarbeitung im Rahmen der europäischen Rechtsstaatlichkeit zuzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesem Gesetz werde ich gerne die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

10.53


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Mag. Schweit­zer.

 


10.53.59

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetz bekennt sich Österreich einmal mehr zu seiner Vergangenheit und ist einmal mehr auch bereit, diese ordentlich aufzu­arbeiten. Diese Bundesregierung hat, wie ich meine, damit einmal mehr gezeigt, dass sie nicht auf Abwarten setzt, sondern zügig Schritte unternimmt, um zumindest einen kleinen Teil symbolisch gutzumachen.

Damit kommt Österreich nicht nur so rasch wie möglich seinen Verpflichtungen, aus dem Washingtoner Abkommen resultierend, nach, sondern es wird mit dieser Beschlussfassung sowohl im Nationalrat als auch hier im Bundesrat gezeigt, dass es sich auszahlt, gemeinsame Lösungen zu verhandeln, zu debattieren und schluss­endlich auch so zu beschließen, wie das heute hier passieren wird. Ich bedanke mich dafür im Namen der Bundesregierung. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.55


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist offenbar nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegendem Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

10.55.443. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 erlassen und das Glücksspielgesetz geändert wird (725/A und 1172 d.B. sowie 7431/BR d.B. und 7403/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Ich bitte ihn um seinen


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 45

Bericht.

 


Berichterstatter Werner Stadler: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Sportangelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Sportförderungsgesetz 2005 erlassen und das Glücksspielgesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich komme zur Antragstellung. Der Ausschuss für Sportangelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 29. November mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.56.43

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Durch die Änderung des Bun­des-Sportförderungsgesetzes kommt es zu einer Folge von positiven Veränderungen. Neu zur Verfügung stehende Mittel werden für die Zwecke der Besonderen Bundes-Sportförderung einer neuen und zeitgemäßen Verteilung zugeführt, Gelder, die aus den Einnahmen des Glücksspielgesetzes direkt in den Sport fließen, und das bereits ab dem Jahre 2006. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Mag. Schweitzer.) – Die höheren Mittel gibt es dann ab 1.1.2006; das war damit gemeint.

Bundes-Sportförderung sowie Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die Förderung des Verbandes Alpiner Vereine Österreichs: Im Vordergrund sollten dabei die Förde­rung von innovativen Strukturreformen stehen, Strukturprojekte, die mögliche Schul­kooperationsprojekte mit einbinden, aber auch einer Verstärkung der Nachwuchs­förderung dienen.

Sehr wichtig sind auch finanzielle Verbesserungen für den Österreichischen Behinder­tensportverband, das Österreichische Paralympische Committee und die Special Olympics Österreich.

Dieses Gesetz und seine positiven Auswirkungen können dazu beitragen, die äußerst bedenklichen Schulsportkürzungsprogramme der Frau Unterrichtsminister zu mildern. Es ist aber kein Ersatz für den schulischen Unterricht, der auf Grund medizinischer Erkenntnisse ausgedehnt und nicht eingeschränkt werden müsste. Es ist eine wichtige Ergänzung, aber mehr ist es leider nicht.

Zusammengefasst gesehen ist es eine erfreuliche Weiterentwicklung im Bereich der Sportförderung, die insbesondere der Bundes-Sportorganisation und den Dach­verbänden zu verdanken ist und daher auch unsere Zustimmung bekommt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Ing. Kampl.)

10.58


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Diesner-Wais das Wort.

 


10.58.55

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte gleich zu Beginn auf die Ausführungen meines Kollegen Gruber eingehen und meine, dass nicht Frau Minister Gehrer den Sport gekürzt hat, sondern das steht jetzt jeder Schule frei. (Bundesrat Gruber: Sie hat!) Wir haben hier einen Direktor sitzen, den Kollegen Bader, der in seiner Schule keine Sportstunden gekürzt hat.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 46

Ich glaube trotzdem, Sport ist in einer Zeit, in der die körperliche Aktivität im Beruf meist weniger wird, ein sehr wichtiger Punkt. Sport ist aber, so glaube ich, auch sehr wichtig für die Jugend, für die Entwicklung, und zwar sowohl körperlich als auch geistig. Dieses Sportförderungsgesetz zeigt uns die Anerkennung des Sports und der Sportorganisationen nicht nur ideell, sondern auch finanziell.

In diesem Gesetz gibt es, glaube ich, wirklich nur Gewinner. In diesem Gesetz wurde die Basisfinanzierung für unsere Dach- und Fachverbände gesichert, um – und das ist wichtig – ein gutes Miteinander herzustellen.

Ich darf aber auch besonders auf unsere 350 000 ehrenamtlichen Funktionäre und Trainer hinweisen, die viele Stunden in den Sportorganisationen, in den Sportvereinen arbeiten und direkt für unsere Sportler vor Ort da sind, denn ohne ihren Einsatz, ohne die von ihnen geleisteten Stunden wäre, so glaube ich, das Ganze trotzdem nicht finanzierbar. Ich möchte ihnen an dieser Stelle wirklich einen herzlichen Dank aus­sprechen, denn sie leisten viel für den Sport und auch viel für das Gesundheitssystem in Österreich.

In diesem Gesetz sind aber auch die Spitzensportförderung, neue Trainingsmethoden und eine Professionalisierung unserer Verbände beinhaltet. Das ist eben damit möglich, und daher sind damit auch die gesetzlichen Grundlagen für unsere Spitzen­sportler geschaffen. Diese brauchen natürlich ihr hartes Training, ihren Ehrgeiz, ihren Fleiß – nur so können sie für Österreich Höchstleistungen erbringen. Diese Idole sind, so glaube ich, auch wieder besonders wichtig für unseren Breitensport: Solche Idole im Sport kurbeln den Breitensport an, denn jeder sieht sich gerne auch selber in solch einer Situation, und daher wird verstärkt in jenen Sportarten Sport betrieben, in denen wir österreichweit Sieger haben.

In diesem Gesetz wird aber nicht nur die Finanzierung der Dachverbände und des Spitzensportes gesichert, sondern eine beachtliche Summe geht auch in das Projekt „Fit für Österreich“, mit dem die Regierung und die BSO die Wichtigkeit der lebens­langen Bewegung von Kindesbeinen an bis ins Alter hervorheben wollen, denn Bewegung stellt eine Präventionsmaßnahme für motivierte, aktive und fröhliche, gesunde Bürger dar und kann unser Gesundheitssystem daher entlasten.

Neu geschaffen wurden auch gesetzliche Grundlagen für die alpinen Vereine, denn die Österreicher sind ein Alpenvolk, das gerne wandert. Da wir über 500 000 Kilometer Wanderwege und unzählige Schutzhütten aufweisen können, leisten die alpinen Wandervereine jährlich Großartiges. Wie schon gesagt, wir leben in einem alpinen Gebiet, und das Wandern begeistert die Österreicher, Jung und Alt, und es ist natürlich auch eine ideale sportliche Betätigung für die ganze Familie, aber natürlich auch für die Gäste. Diese kommen gerne zu uns, um bei uns zu wandern, und bringen natürlich dadurch auch die Wertschöpfung in die Regionen.

Eine großartige Anerkennung bedeutete auch das Projekt „Alpen.Leben“, das von unserem Herrn Bundeskanzler im Sommer gestartet wurde.

Bedanken möchte ich mich aber auch bei der BSO, da es gelungen ist, auch den Denksport wie Schach künftig mit einzubeziehen. Für eine leistungsfähige nächste Generation ist nämlich die Fitness sowohl körperlich als auch geistig wichtig. Freuen wir uns und leisten wir alle einen Beitrag, um Österreich zu einer sportlichen Nation zu machen! (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 47

11.03


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.03.47

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Auch wir werden der Änderung des Bundes-Sport­förderungsgesetzes natürlich zustimmen. Es ist ein Weg weg von der Gießkanne – glücklicherweise. Es gibt Unterstützung für neue Sportarten; das finde ich auch besonders gut. Mehr Förderung für den Breitensport ist mir auch wichtig.

Im Übrigen wollte ich noch zu meiner Vorrednerin sagen: Frau Kollegin, ich glaube, dass Breitensport nicht unbedingt davon abhängig ist, ob es irgendwo bundesweit einen Sieger gibt. Ich denke, gerade beim Radfahren und beim Laufen gibt es nicht immer Sieger, aber es sind trotzdem Breitensportarten, die auch so angenommen werden – und die auch gesund sind, im Gegensatz zu manchen anderen. (Bundesrat Reisenberger: Den Totschnig vergiss mir nicht!)

Was ich auch nicht zu erwähnen vergessen möchte, ist die Verbesserung im Controlling. Es war ja früher so, dass sich die Dachverbände, die die Förderungsmittel bekommen haben, dann mehr oder weniger auch gegenseitig oder miteinander kontrolliert haben. Dass das jetzt verbessert wurde, ist, finde ich, besonders hervor­zuheben. Das Einzige, was mich bei der ganzen Geschichte ein bisschen beunruhigt – das fällt aber jetzt nicht unbedingt in Ihr Ressort –, ist, dass offensichtlich die Glücksspiele zunehmen. Glücksspiele machen ja nicht unbedingt glücklich, sondern manche Leute werden damit auch ziemlich unglücklich. Dass sich jetzt immer mehr Leute im Glücksspiel versuchen oder sich an Glücksspielen beteiligen, mag vielleicht auch ein bisschen mit der sozialen Lage im Land zu tun haben. Das ist aber, wie gesagt, nicht ganz Ihr Bereich, Herr Staatssekretär.

Ansonsten sehe ich in diesem Gesetz nur Verbesserungen, und deshalb werden wir ihm auch zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.05


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner: Herr Bundesrat Mayer.

 


11.05.44

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mit dem vorliegenden Bundes-Sportförderungsgesetz treten wir in ein neues Zeitalter der Sportförderung ein. Es ist ein Quantensprung und sichert den Organisationen in Österreich, die sich dankenswerterweise dem Sport verschrieben haben, auch eine finanziell gesicherte Zukunft. Ich freue mich wirklich, dass es diesbezüglich zu einem Schulterschluss aller Parteien im Parlament gekommen ist. Sogar Kollege Gruber kann mitgehen – das ist ja besonders erfreulich (Bundesrat Gruber: Ja! Ich kann auch mitlaufen!) –, und auch Kollegin Kerschbaum hat schon angekündigt, dass es zu diesem Gesetz einen Konsens aller Parteien geben wird. Im Sport gibt es natürlich nicht nur Sieger, aber alle, die Sport betreiben, sind Sieger. Auch Sie, Herr Kollege Gruber, und ich sind sportlich tätig und sind deshalb zu den Siegern zu zählen. (Bundesrat Gruber: Gegen uns selbst!) Gegen uns selbst.

Mit diesem Gesetz ist also die Basisfinanzierung unserer Dach- und Fachverbände gesichert und damit die Voraussetzung gegeben, dass die hervorragende Arbeit der vielen hauptberuflichen, aber vor allem der vielen Tausenden ehrenamtlichen Mitarbeiter im entsprechenden Umfang fortgesetzt werden kann. Immerhin – und das hat Kollegin Diesner-Wais schon erwähnt – sind mehr als 350 000 ehrenamtliche Funktionäre im Sport tätig, und über 2,4 Millionen Menschen in Österreich betreiben aktiv Sport. Deshalb soll es auch eine Aufgabe der Politik sein, mit großer Hoch­achtung und besonderer Dankbarkeit derartige Leistungen in Österreich entsprechend zu würdigen.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 48

Das neue Bundes-Sportförderungsgesetz ist sehr transparent und beinhaltet als wesentlichen Faktor eine Loslösung vom so genannten Gießkannenprinzip, wie wir heute schon gehört haben. Förderungen werden nach einem festgelegten Schlüssel ausbezahlt, und für weitere Zahlungen ist ein projektorientiertes Vereinsmanagement erforderlich, also eine Hinwendung zur Schwerpunktsetzung, insbesondere im Nach­wuchsbereich, in der Forcierung der Traineraus- und vor allem auch der Trainer­fortbildung.

Dies bedeutet auch, dass eine optimale Sportförderung verbunden mit einem beson­deren Engagement einen hervorragenden Beitrag für ein sportlicheres und gesünderes Österreich darstellt.

Es wurde heute schon das Projekt „Fit für Österreich“ erwähnt. Dieses besondere Projekt kann man natürlich nicht groß genug herausstreichen, nicht oft genug in den Vordergrund stellen. Ich möchte unserem Staatssekretär für Sport höchste Anerken­nung und besten Dank für dieses großartige Projekt aussprechen, weil auch eine ausreichende finanzielle Bedeckung vorhanden ist, um diese zielgerichtete Maßnahme umsetzen zu können, die, wie heute schon gesagt wurde, im Kindesalter beginnt und bis in den Bereich der Senioren ihre Fortsetzung finden wird. Sport also für jede Altersklasse – das ist ein ganz wichtiger Impuls für ein sportliches Österreich!

Ich möchte einige Punkte noch besonders hervorheben. Im Jahr 2006 werden immerhin 54 Millionen € für die Sportförderung ausgeschüttet. Besonders zu erwähnen ist hier auch die Einbeziehung der Behindertensportverbände. 1,4 Prozent dieser Förderung erhält der Österreichische Behindertensportverband. Je 0,1 Prozent erhalten das Österreichische Paralympische Komitee und Special Olympics Österreich.

Damit ist eine solide Grundfinanzierung des Behindertensports möglich, und die buch­stäblichen Bettelfahrten der Behinderten, derjenigen, die in der Behindertenarbeit tätig sind, sind damit zu Ende. Ich sage das hier ganz bewusst auch als Mensch, der in der Behindertenarbeit in Vorarlberg tätig ist.

Behindertensport hat also in Österreich jetzt auch jenen finanziellen Background, den er längst verdient hat. Unsere Behindertensportler sind ja, das muss man hier wirklich betonen, sehr, sehr erfolgreich. Es sind viele Weltmeister und Olympiasieger darunter, und unsere Behindertensportler sind neben unseren Sportlern in Österreich die erfolgreichsten Sportler im gesamten Sportgeschehen.

Besonders wichtig ist auch – wie auch die Flachländler heute schon festgestellt haben –, dass man auch die Alpenvereine, jene, die in der Alpenarbeit tätig sind, entsprechend unterstützt. Die Summe der Sportförderung in diesem Bereich macht immerhin 2,6 Prozent aus. 1,4 Millionen € werden ausgeschüttet, um Schutzhütten, Kletterpfade, Wanderwege instand zu halten. Damit geht auch eine jahrelange Forderung der Alpenvereine in Erfüllung.

Mit diesem Sportförderungsgesetz leisten wir Epochales für unsere Spitzensportler in allen Bereichen, für Behinderte und Nichtbehinderte, für sportliche Betätigung in der Breite mit all ihren Möglichkeiten. Wir tragen damit wesentlich zur Volksgesundheit bei. Dieses Gesetz hat eine einstimmige Beschlussfassung verdient. – Ich danke Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

11.10


Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist Herr Staatssekretär Mag. Schweitzer. – Bitte.

 


11.10.36

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich vorneweg für die einstimmige


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 49

Beschlussfassung, die heute noch erfolgen wird. Ich bin überzeugt davon, dass wir einen wesentlichen Schritt schon mit der Novellierung des Glücksspielmonopol­gesetzes getan haben, und ich bin nicht traurig darüber, dass das die Finanzierungs­grundlage für den österreichischen Sport ist und dass die Entwicklung für den Teil, den wir bekommen, eine sehr, sehr positive ist.

Tatsächlich ist es so, dass wir bisher eine Regelung hatten, die die Finanzierung auf dem gleichen Niveau eingefroren hat, und das war eine sehr unglückliche Regelung mit diesen „Deckeln“ sowohl nach unten als auch nach oben. Es war praktisch die Summe von 36,3 Millionen € für die Besondere Sportförderung fixiert, und es gab nicht einmal eine Evaluierung. Das heißt also, der Sport hat in Wahrheit Jahr für Jahr verloren.

Diese Deckelung konnten wir Gott sei Dank nach sehr schwierigen Verhandlungen mit dem Finanzminister wegbringen, was die Deckelung nach oben betrifft. Nach unten haben wir eine Grenze von 40 Millionen € als Mindestfinanzierung für die Besondere Sportförderung eingezogen, also auch eine merkbare Erhöhung, nach oben offen.

Das hat dazu geführt, dass wir schon im Jahr 2005 einen Betrag von 46 Millionen € zur Auszahlung bringen konnten. Diese Regelung hat also schon für dieses Jahr gegriffen und gleich eine Erhöhung um sehr beträchtliche Prozentanteile gebracht, und für das nächste Jahr gibt es eine Prognose von 54 Millionen €. Geld dürfte also für den Sport in Österreich in Hinkunft kein limitierender Faktor mehr sein, und darüber bin ich auch sehr froh.

Ich freue mich auch darüber, dass wir mit dem organisierten Sport jetzt gemeinsam neue Regelungen gefunden haben, was die Verteilung betrifft. Die Basisfinanzierung ist unbestritten, und alles, was darüber hinausgeht, wird in Projektform zur Auszahlung gebracht, also für Projekte, die eingereicht werden.

Wir haben nach Athen in einer Evaluierungssitzung mit dem Sport auch festgehalten, dass es darum geht, dass wir die Verbände professionalisieren wollen. Wir machen ja auch eine hervorragende Sportmanagerausbildung, und ich möchte einfach in Hinkunft auch dafür mit verantwortlich sein, dass wir qualifizierte Funktionäre und vor allem Funktionärinnen in den Sport bringen, denn – wenn es auch etwas despektierlich klingt – ich will nicht, dass der österreichische Sportfunktionär über 60, männlich und übergewichtig ist. Ich möchte, dass der künftige österreichische Sportfunktionär in vermehrtem Ausmaß auch durch Sportfunktionärinnen vertreten wird, und da werden wir mit Sicherheit auch einen Schwerpunkt setzen.

Der Spitzensport wird hier hervorragend bedient, aber ich möchte mich heute dem Breitensport widmen, und ich bin dankbar, dass anerkannt wird, dass die Aktion „Fit für Österreich“, die wir mit der BSO und den Dachverbänden umsetzen, eine sehr wesentliche Aktion auch im Interesse der Volksgesundheit ist. Vorarlberg ist ein Land, das unsere Projekte bereits flächendeckend übernimmt und insbesondere bereits in den Kindergärten beginnt, mit uns gemeinsam mehr Bewegungseinheiten anzubieten. Ich glaube nämlich, dass da bereits der Grundstein für lebenslanges Beitreiben von Sport gelegt wird. Wenn man den Kindern die Bewegung altersgemäß und wirklich mit viel Freude näher bringt, dann werden sie auch dann, wenn sie älter werden, beim Sport bleiben.

Mit dieser Aktion wollen wir – und das ist wichtig – den Sport als Dienstleister in einem zukünftigen Gesundheitssystem etablieren. Ich sage, das, was wir jetzt haben, ist ja nicht wirklich ein Gesundheitssystem, das ist in Wirklichkeit ein „Krankheitssystem“. Wir setzen in erster Linie mit sehr, sehr viel Geld auf kurative Medizin; Prävention aber hat einen viel zu geringen Stellenwert. Mit dem Sport als Dienstleister im Gesund­heitssystem können wir dieser Prävention eine wirklich wesentliche Position geben.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 50

Ich habe Ihnen heute – und ich bin stolz darauf – etwas mitgebracht, was für meine Begriffe einen Meilenstein darstellt: Das ist der neue Gesundheitspass. (Der Redner hält ein Exemplar des Gesundheitspasses in die Höhe.) Dieser neue Gesundheitspass, resultierend aus der Vorsorgeuntersuchung neu, hat eine Seite 67, und dort finden wir: Bewegungsprogramme, Gesundheitssport. Hier wird zum ersten Mal vom Gesund­heitsministerium der Sport als Möglichkeit mit angeboten, und das ist, so glaube ich, ein wesentlicher Schritt, um eine Vorstellung, die ich habe, zu realisieren: dass es in Hinkunft vielleicht Sport auf Krankenschein gibt. Gemeinsam mit den Fach- und Dachverbänden können wir dann diese Angebote machen, wo diese Verschreibung auch entsprechend eingelöst werden kann – im Präventivbereich. Und das ist wichtig, denn hier können wir auch sehr kostendämpfend agieren. Rund 11 Prozent des Brutto­inlandsproduktes geben wir nämlich für das „Krankheitssystem“ aus, und meines Erachtens ist das zu viel.

Die Antworten der bisherigen Politik waren entweder Beitragserhöhungen oder Leis­tungs­kürzungen und Selbstbehalte. Ich glaube, dass diese Antwort, nämlich in vermehrtem Ausmaß auf Prävention zu setzen, eine bessere und auch eine sehr kostendämpfende ist. Professor Felderer hat für uns errechnet, dass wir rund 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes beziehungsweise 3,6 Milliarden € jährlich einsparen können, wenn wir „Fit für Österreich“ flächendeckend umsetzen.

Ich glaube, das ist schon ein recht interessanter Beitrag des Sports, der hier geleistet werden könnte. Sport als eine Möglichkeit, aus den Krankenkassen gesunde Kassen zu machen, sollte flächendeckend ernst genommen werden. Ich finde, das ist eine klasse Geschichte – auch wenn Sie den Kopf schütteln. Ich glaube daran, dass der Sport viel leisten kann. Ich glaube nicht nur daran, ich bin überzeugt davon und danke dafür, dass Sie das auch so unterstützen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl und der ÖVP.)

11.16


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

11.17.204. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bun­des­gesetz, mit dem das Artenhandelsgesetz geändert wird (1115 d.B. und 1177 d.B. sowie 7432/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kraml. Ich bitte ihn um den Bericht.

 


11.17.35

Berichterstatter Johann Kraml: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Umwelt­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Artenhandelsgesetz geändert wird.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 51

(Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll nimmt auf der Regierungsbank Platz. – Bundesrat Konecny: Na?! – Spät, spät!)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme sogleich zum Antrag:

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 29. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.18.13

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim vorliegenden Gesetzentwurf zum Artenhandelsgesetz handelt es sich um eine Maßnahme zu einer EU-Verordnung. Weit über hundert Staaten sind diesem Übereinkommen bereits beigetreten, 8 000 Tierarten und 40 000 Pflanzenarten sind damit unter Schutz gestellt. Diese Auflistung wird alle zwei Jahre von den Vertragsstaaten auf den neuesten Stand gebracht.

Dieses Gesetz dient einer effektiven Kontrolle des Artenschutzabkommens. Wir wissen aber auch alle, dass es einen schwunghaften Handel mit exotischen Tieren und Pflanzen gibt. Die Palette reicht vom besonderen Urlaubssouvenier bis zu Reptilien aus aller Welt. Der illegale internationale Artenschmuggel ist ein Milliardengeschäft und kommt in seinen Umsätzen dem Drogen- und Waffenhandel sehr nahe. Damit ist jedem klar, dass es zu wenig ist, wenn man diese Tier- und Pflanzenarten nur unter Schutz stellt, es bedarf auch einer dementsprechenden Kontrolle.

Für diese Kontrolle ist der Bund zuständig. Daher ist es unbedingt notwendig, dass nach Wegfall der Personengrenzkontrollen die Zollbehörden ermächtigt werden, das Artenhandelsgesetz zu vollziehen, denn derzeit sind sie dazu nur befugt, wenn ein Drittlandbezug besteht.

Da uns Sozialdemokraten der Umgang mit geschützten Tier- und Pflanzenarten ein besonderes Anliegen ist, werden wir dieser Gesetzesnovelle unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.20


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Köberl. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.20.23

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Wie mein Vorredner schon erwähnt hat, geht es bei dieser Gesetzesnovelle zum Artenhandels­gesetz um eine Anpassung an eine EU-Richtlinie. Der Inhalt betrifft im Wesentlichen die Kontrolle des rechtmäßigen Handels mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten, und dafür – darüber war man sich auch im Nationalrat einig – ist eine funktionierende Umsetzung dieses Artenschutzes unumgänglich.

Meine Damen und Herren! Gemäß den artenschutzrechtlichen Vorgaben der EU darf mit bestimmten bedrohten Arten nicht gehandelt werden. Von diesem Vermarktungs­verbot kann nur mittels Bescheinigung der Vollzugsbehörde unter bestimmten Umständen – und diese werden sehr genau kontrolliert – eine Ausnahme gemacht werden. Derzeit – das war die gängige Praxis – können Zollbehörden oder Zollorgane nur die rechtmäßige Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten in der EU kontrollieren, eine rein innerstaatliche Kontrolle war bisher


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 52

nicht möglich. Das soll in Zukunft anders sein. Die Inlandskontrolle wird derzeit, wie wir schon gehört haben, in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen und obliegt den Lan­desbehörden. Meist wurde sie von der Bezirksverwaltungsbehörde wahrgenommen und hat dort – und diese Anmerkung sei mir gestattet – manchmal ein bisschen ein Mauerblümchendasein gefristet.

Durch die Erweiterung der Kompetenz der Zollbehörden, der Zollorgane auf die Inlandskontrolle werden folgende Ziele verfolgt, die meiner Ansicht nach zu unter­stützen sind. Die umfangreiche Erfahrung und fachliche Kompetenz der Zollbehörde und der Zollorgane im Artenschutzbereich kann damit für die Inlandskontrolle genutzt werden. Es kommt zu einer wesentlichen Erhöhung von Dichte und Effizienz der Kontrolle. Außerdem wird eine Unterstützung der Bezirksverwaltungsbehörden er­reicht; das heißt nicht, dass dies völlig übernommen wird, sondern es soll in Zukunft von den Zollorganen und der Bezirksverwaltungsbehörde gemeinsam gemacht wer­den.

Worum geht es noch? – Es geht um eine Neuregelung des Kennzeichnungs­ver­fahrens. Wir wissen, dass sich im Zeitalter der EDV hier weitere Möglichkeiten ergeben haben. Dennoch geht es auch darum, wer diese Kennzeichnung vornimmt und wie sie vorgenommen wird. Dieses Kennzeichnungsverfahren soll effizienter gestal­tet werden, die Möglichkeiten der Kennzeichnung sollen ausgeweitet werden.

Ferner geht es um eine Erweiterung der bestehenden Verordnungsermächtigung für die Artenkennzeichnungsverordnung – durch diese Verordnung werden die für ein­zelne Arten anzuwendenden Kennzeichnungsmethoden genau und einheitlich fest­gelegt – und die Festlegung des Kreises der Kennzeichnungsberechtigten. Neben den Tierärzten sind es per Bescheid ermächtigte Personen, die diese Tierkennzeichnung in Zukunft durchführen können.

Was auch noch wesentlich erscheint, ist die Erstellung eines Kennzeichnungs­protokolls, dass dieser Kennzeichnungsvorgang auch nachvollzogen und überprüft werden kann. Die Daten werden in ein zentrales Register übertragen.

Es ist dies ein Gesetz, dem wir heute, glaube ich, gemeinsam die Zustimmung erteilen werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch kurz in die Geschichte zurückblicken. Wir wissen, dass sich die Menschheit in den letzten Jahrhunderten nicht mit Ruhm bekleckert hat, wenn es um den Umgang mit Tier- und Pflanzenarten gegangen ist. Wir wissen, dass Hunderte oder Tausende von Tier- und Pflanzenarten bereits ausgerottet sind. Im so genannten Washingtoner Artenschutzübereinkommen aus dem Jahre 1973 wurde festgelegt, dass bestimmte wild lebende Tier- und Pflan­zenarten besonders geschützt werden oder in der Praxis auch der Handel damit verboten sein soll. Wir haben gehört, dass dies bereits über 40 000 Pflanzenarten und 8 000 Tierarten betrifft.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine weitere Bemerkung. Wir erleben oft Bilder von grausamen Fangmethoden gegenüber Walen oder Robben im hohen Norden. Hier ist es, glaube ich, unsere Aufgabe, nicht nur für unsere Republik Österreich Gesetze zu beschließen, sondern über internationale Kontakte auch darauf zu dringen, dass diese Methoden in Zukunft nicht mehr Verwendung finden dürfen. Das heißt, mit diesem einstimmigen Beschluss hier und heute soll auch ein Signal verbunden sein, dass dieser Artenschutz auf internationaler Ebene lückenlos vollzogen werden kann.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In diesem Sinne können wir, glaube ich, gemeinsam stolz darauf sein, dass es hier, wie im Nationalrat, einen einstimmigen


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 53

Beschluss zu diesem Gesetz geben wird. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Gruber.)

11.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.25.34

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Auch wir werden natürlich dieser Gesetzesvorlage zustimmen. Sie bringt eine Verbesserung der Umsetzung des Artenschutzgesetzes mit sich – es ist schon viel dazu gesagt worden, ich brauche das, glaube ich, nicht mehr näher zu erläutern –, deshalb werden wir zustimmen.

Mir wäre es aber noch ein Anliegen, dass die Tiere, die durch den Zoll beschlagnahmt werden, wirklich gut untergebracht werden. Es gibt schon lange die Forderung nach einer Auffangstation; schon damals beim Tierschutzgesetz gab es die Diskussion darüber, dass so etwas vonnöten wäre. Diese Tiere können nicht einfach irgendwo in einem Zoo untergebracht werden, das passt oft nicht zusammen. Man kann nicht einfach einen Schimpansen zu einer Gruppe anderer Schimpansen setzen, da muss man schon ein bisschen mehr an Betreuung leisten. Es war im Vorjahr im Gespräch, im Safaripark Gänserndorf eine solche Auffangstation einzurichten. Daraus ist leider nichts geworden, es hätte mich sehr gefreut. Aber ich hoffe, dass das Thema nicht abgeschlossen ist und dass man trotzdem auch in der Bundesregierung darüber nachdenkt, ob nicht eine oder mehrere zentrale Auffangstationen wichtig, sinnvoll und notwendig wären.

Meine Kollegin Weinzinger hat im Nationalrat schon die Lage in Schönbrunn ange­sprochen. Es gibt auch andere Tierparks und Zoos, in denen die Tiere nicht immer ganz so untergebracht werden und in denen nicht immer alles so läuft, wie es wünschenswert wäre. Ich denke, es wäre wichtig, dass Tiere nicht nur handels­geschützt sind, sondern dass sie auch geschützt sind, wenn sie im Land sind.

Zum Thema Artenschutz: Im Besonderen möchte ich Ihnen noch ein Kompliment für Ihre Homepage machen, Herr Bundesminister Pröll. Die ist in dem Bereich sehr infor­mativ und auch gut aufbereitet, gerade im Hinblick darauf, dass man sich Tiere auch anschauen kann, ohne dass man sie von irgendwoher mitnimmt und importiert.

Was ich mir noch wünschen würde – worüber ich nämlich im Internet nichts gefunden habe –, wäre, dass man über dieses Thema auch in den Schulen verstärkt informiert. Es war zumindest über Google nicht sehr viel abrufbar, und das, was ich gefunden habe, war nicht wirklich toll aufbereitet. Vielleicht könnten Sie auch das noch ein in Angriff nehmen. Denn ich denke, dass gerade Schulkinder sehr empfänglich für diese Themen sind und dass man da sehr viel machen könnte. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrätinnen und Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

11.27


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Pröll das Wort.

 


11.27.57

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann es ebenfalls sehr kurz machen und möchte mich eigentlich nur für das klare Signal bedanken, das im Nationalrat gegeben wurde und das nun hier im


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Bundesrat gegeben wird, nämlich in der Frage der Kontrolle des rechtmäßigen Han­dels von bedrohten Tier- und Pflanzenarten.

Es wurde schon viel darüber gesagt: Wir verbessern in zwei zentralen Punkten, näm­lich in der Frage der Zuständigkeit und der Zugriffsmöglichkeit der Zollbehörden auf der einen Seite und hinsichtlich der Neuregelung des Kennzeichnungsverfahrens, jedenfalls was den Artenschutz betrifft, in wesentlichen Teilen für die Zukunft das, was wir gemeinsam als Ziel haben, nämlich den Handel mit diesen bedrohten Tier- und Pflanzenarten möglichst hintanzuhalten. Das ist umso wichtiger und aktueller, wenn wir – auch abseits der Handelsströme mit Tieren und Pflanzen aus anderen Ländern, nicht nur für bedrohte Tiere und Pflanzen – daran denken, dass zum Beispiel das Thema Vogelgrippe und andere Entwicklungen der letzten Monate und Jahre diese Notwendigkeit noch unterstreichen.

Ich bedanke mich bei Frau Bundesrätin Kerschbaum für das Lob für die Homepage, die meine Beamten hervorragend pflegen und warten, um eine gute Informations­plattform zu bieten, und nehme den Wunsch gerne auf, hinsichtlich der Information an den Schulen stärker aufzutreten. Wir tun das bereits, ich kann Ihnen auch gerne das Informationsmaterial zukommen lassen. Es ist wichtig, gerade die Kinder zu informieren, um die Eltern daran zu hindern, etwas zu tun, was den bedrohten Tier- und Pflanzenarten dieser Welt nicht gut tut.

In diesem Sinne: Herzlichen Dank für das klare Statement auch des Bundesrates in dieser wichtigen Frage! (Beifall bei der ÖVP.)

11.29


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist ebenso nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

 

11.30.145. Punkt

Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über die öster­reichische EU-Präsidentschaft 2006 (III-291-BR/2005 d.B. sowie 7405/BR d.B.)

6. Punkt

Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Jahres­vor­schau des BMAA 2005 auf der Grundlage des operativen Jahresprogramms des Rates sowie des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission und des Strategieprogramms der Kommission 2005–2009 (III-273-BR/2005 d.B. sowie 7297/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zu den Punkten 5 und 6 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu Punkt 5 ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte ihn um den


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 55

Bericht.

 


11.30.43

Berichterstatter Karl Bader: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zu Tages­ord­nungspunkt 5.

Der Bericht liegt Ihnen, wie alle anderen Berichte, in schriftlicher Form vor. Daher darf ich sogleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 29. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht der Bundes­ministerin für auswärtige Angelegenheiten über die österreichische EU-Präsident­schaft 2006 zur Kenntnis zu nehmen. – Vielen Dank.

11.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir kommen zur Berichterstattung über den nächsten Punkt. Berichterstatter ist Herr Bundesrat Höfinger. Da er aber offenkundig nicht anwesend ist, bringe ich kurzerhand selbst den Bericht zur Kenntnis. Dieser liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Mai 2005 den Antrag, den Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegen­heiten zur Jahresvorschau des BMAA 2005 auf der Grundlage des operativen Jahres­programms des Rates sowie des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Kommission und des Strategieprogramms der Kommission 2005-2009 (III-273-BR/2005 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.31.59

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wir nehmen natürlich die Berichterstattung durch den Herrn Präsidenten ebenso zur Kenntnis, wie wenn der gewählte Berichterstatter den Bericht vorgebracht hätte. Ich überlege mir allerdings, ob meine Stimme für Kollegen Kühnel als Ordner gut angebracht war. (Beifall des Bundesrates Schennach.) Aber das gehört nur zu den Kleinigkeiten des Bundesrates, nicht zu den großen Themen der Europäischen Union.

Herr Staatssekretär! Ich kann es mir nicht ganz verkneifen, an die Genese der heutigen Debatte zu erinnern. Das Bundesministerium hat im EU-Hauptausschuss des National­rates und im Außenpolitischen Rat auf der Basis jenes Berichtes, der uns jetzt auch vorliegt, über die bevorstehende Präsidentschaft berichtet. Es hat uns ein bisschen enttäuscht, dass von Seiten des Ministeriums nicht ein vergleichbarer Weg in den Bundesrat gefunden wurde. Daher ist es zu unserem Entschließungsantrag gekom­men, der um eine solche Berichterstattung ersucht hat. Wir sind selbstverständlich davon ausgegangen, dass dem gerne entsprochen wird.

Es ist das – und daran soll nicht in einer Fußnote auch nur gedeutelt werden – eine gewaltige Aufgabe, die nicht nur die Bundesregierung, sondern tatsächlich das Land trifft, auch wenn natürlich in erster Linie die Bundesregierung, die einzelnen Bun­desminister und die damit befassten Teile der staatlichen Verwaltung gefordert sind. Aber wir wissen, dass auch eine Reihe von parlamentarischen Zusammenkünften geplant sind, welche die Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates involvieren werden. Und weit jenseits dieser formalen Betrachtungsweise ist die Präsidentschaft für ein Land naturgemäß eine Gelegenheit – vielleicht mit Erfolg belohnt, aber auch von Risken bedroht –, sich selbst im Verbund der europäischen Staaten und darüber hinaus zu präsentieren und vorzustellen.

Dennoch ist es ein richtiger Ansatz für diese Präsidentschaft, dass sie nicht nur auf den sechsmonatigen Zeitrahmen der österreichischen Präsidentschaft ausgerichtet ist,


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sondern dass – soweit ich das beurteilen kann, erfolgreich – versucht wurde, mit der finnischen Präsidentschaft des zweiten Halbjahres 2006 ein hohes Maß an Überein­stimmung, eine Abstimmung zu finden, weil ja der 30. Juni nicht einfach eine Fall- und Verfallsfrist sein kann, sondern in höchst koordinierter und nicht immer planbarer Art und Weise die Kontinuität des Herangehens an die europäischen Probleme sicher­gestellt sein muss.

Eine Präsidentschaft kann sich nicht aussuchen, was sie macht. Sie steht in einem Kontinuum, sie erfindet die Europäische Union nicht neu. Sie kann in einem gewissen Umfang Akzente setzen, aber mit Sicherheit ist sie vor allem gehalten, jene Themen zu bearbeiten, die liegen geblieben sind. Die Left-overs pflegen in aller Regel EU-Präsidentschaften stark zu prägen. Ich verstehe vollinhaltlich, dass der uns vorgelegte schriftliche Bericht dieses Thema sehr zurückhaltend und sehr diskret angeht, weil naturgemäß eine bevorstehende Präsidentschaft nicht darüber spekulieren kann und soll, welche Themen die amtierende Präsidentschaft nicht fertig stellen wird.

Es ist daher durchaus zunächst einmal eine offene, aber fast schon nicht mehr offene Frage, ob die österreichische Präsidentschaft die Finanzvorschau als ein ganz beson­ders gewichtiges Thema der Europäischen Union wird übernehmen müssen oder ob die britische Präsidentschaft das noch abzuschließen in der Lage sein wird. Die Zeit ist kurz, die bisherigen Anläufe waren nicht erfolgreich. Die Reaktion zahlreicher osteuro­päischer Mitgliedstaaten gerade in diesen Tagen zeigt, dass die neuen Vorschläge der britischen Präsidentschaft, die letztlich auf eine Mittelkürzung für diese Staaten hinauslaufen, wenig Sympathie bei den potentiellen Empfängern finden. Es spricht daher viel dafür, dass diese ganz zentrale Frage zumindest in der österreichischen Präsidentschaft weiterbehandelt werden muss. Ob sie abgeschlossen werden kann, ist etwas, was niemand prognostizieren kann, weil es ja nicht nur von den hoffentlich guten Vorschlägen der Präsidentschaft, sondern auch von der Kompromissbereitschaft der anderen 24 Partner abhängt, ob eine Einigung zustande kommt.

Das zweite Thema – und darauf werden wir im weiteren Verlauf dieser Debatte noch in vertiefter Weise eingehen – ist die zentrale, zu Recht gerade in Österreich immer wieder diskutierte Dienstleistungsrichtlinie. Da bin ich ein bisschen enttäuscht darüber, dass Minister Bartenstein damit beginnt, sozusagen die österreichische Präsident­schaft aus der Pflicht zu nehmen.

Natürlich kann es sein, dass dieses außerordentlich schwierige Thema in der Präsident­schaft Österreichs nicht abschließend gelöst werden kann. Aber ich halte es zumindest für unambitioniert – um ein freundliches Vokabel zu verwenden –, wenn, noch bevor diese Präsidentschaft auch nur begonnen hat, der letztlich zuständige Ressortminister ankündigt, dass wir das in diesen sechs Monaten sicher nicht abschließen werden. Bei dem besonderen Maß an Interesse, das sowohl für den österreichischen Arbeitsmarkt als auch für wesentliche Teil der österreichischen Wirtschaft an diesem Thema besteht, wäre es nicht das Schlechteste, wenn das Vor­sitzland Österreich, aus dieser eigenen Interessenslage heraus, sich dieses Themas vorrangig und schwerpunktmäßig annehmen würde und versuchen würde, Stand­punkte, die wir in diesem Land gemeinsam erarbeiten, dort auch einzubringen.

Wir wissen, dass in diesem halben Jahr Österreich auch rein geographisch durch eine große Zahl von Sitzungen, Tagungen und Entscheidungen medial im Mittelpunkt des politischen Interesses stehen wird. Das ist eine Chance, die es zu nutzen gilt, nicht nur politisch, sondern auch mit dem ganzen Drumherum.

Ich habe kein Problem zuzugeben, dass auch eine EU-Präsidentschaft jene Umweg­rentabilität aufweist, mit der man immer die Subventionen für Festivals und Groß­sportveranstaltungen rechtfertigt – ja, selbstverständlich! –, aber wenn die Kamera


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 57

hinter der Schulter des Ministers einen entsprechend attraktiven Berggipfel oder eine schöne über einer Stadt gelegene Festung zeigt, dann schadet das dem öster­reichischen Fremdenverkehr sicher nicht. Wir sollten diesen Gesichtpunkt nicht abwer­tend oder lächerlich betrachten, sondern als etwas sehen, was diesem Land in einer ganz spezifischen Situation nützen soll.

Der uns vorgelegte Bericht zeichnet in einer durchaus vernünftigen und in einer auch für uns akzeptablen Art und Weise das Arbeitsprogramm dieser Präsidentschaft nach. Dass wir in dem einen oder anderen Bereich finden, dass das Programm, zumindest die Absichtserklärung etwas ambitionierter hätte ausfallen können, soll unsere Bereit­schaft, diesem Bericht auch ausdrücklich zuzustimmen, nicht schmälern.

Wir meinen, dass das eine Aufgabe ist, die nicht nur – ich wiederhole das – der Regierung, sondern der Politik dieses Landes gestellt ist. Wir bekunden ausdrücklich unsere Bereitschaft, in jenen Bereichen, in denen auch wir gefordert sind, etwa im parlamentarischen Bereich, die Aufgaben dieser Präsidentschaft mitzutragen. Wir würden allerdings – und das gehört dazu, um diese Aufgabe zu erfüllen – auch wünschen, dass es Möglichkeiten gibt, dass wir während der laufenden Präsident­schaft regelmäßig über Entwicklungen in wichtigen Teilbereichen informiert werden.

Mit Verlaub: Wie sollen Mitglieder des Bundesrates, die bei parlamentarischen Kon­ferenzen in einzelnen Fachbereichen tätig sind, dort ihre Aufgabe erfüllen, letztlich nicht einen parteipolitischen Standpunkt, sondern einen Standpunkt, der den Inten­tionen dieser Präsidentschaft entspricht, vertreten, wenn sie ihn nicht kennen können?

Ich sage Folgendes dazu, weil ich weiß, dass es diesbezüglich ein Angebot gegeben hat: Ich würde mir schon wünschen, dass solche Informationen gegenüber verantwor­tungsbewussten Menschen – sage ich dazu – ohne formale Vertraulichkeit gegeben werden. Ich weiß, dass es ein solches Angebot an die Oppositionsparteien gegeben hat. Aber was soll ich mit einer vertraulichen Information anfangen, wenn ich diese Information in Erfüllung einer Aufgabe einfach heranziehen muss? (Bundesrat Mayer: Vielleicht lesen?!) – Herr Kollege! Ich habe das mühevoll erlernt so wie auch die deutsche Sprache – trotz meines Namens. Wir lesen gerne alle Informationen, die wir bekommen, aber die Frage, ob „vertraulich“ darauf gestempelt ist, ist genau der springende Punkt. Bei einer vertraulichen Information werde ich selber, wenn etwas Gescheites drinnen steht, gescheiter, aber ich kann sie politisch nicht umsetzen, ohne die Vorgaben zu verletzen.

Ich weiß, dass das ein Grenzgang ist. Es geht ... (Bundesrat Mag. Baier: Eben!) – Bitte, Herr Kollege! Versuchen Sie einmal, kurz mit einem Gedankengang zu folgen, bevor Sie reagieren! Es ist natürlich ein Grenzgang, weil es Informationen gibt, bei denen es darauf ankommt, sich darauf verlassen zu können, dass derjenige, dem man sie gibt, verantwortungsbewusst damit umgeht. Ich sehe keinen Grund, den Mitgliedern des Bundesrates, den Vertretern der Opposition dieses Verantwortungsbewusstsein abzusprechen.

Jetzt ist Platz für einen Zwischenruf, Herr Kollege, wenn Sie ein Bedürfnis danach haben. Ich muss aber ... (Bundesrat Mag. Baier: .. dass man dann dazwischenruft, wenn es Ihnen gefällt!) – Herr Kollege! Sich einen Gedanken anzuhören und dann zu bekunden, dass man nicht einverstanden ist, das ist völlig okay. Ich tue das in hoher Regelmäßigkeit, aber, Herr Kollege, einen Gedanken nicht zu kennen und dann zwischenzurufen, das lässt eher auf den Zwischenrufer schließen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Ich sage Folgendes dazu, weil das ein Thema ist, das zwar nicht direkt in diesem Dokument erfasst ist, aber das natürlich etwas mit der bevorstehenden öster­reichischen Präsidentschaft zu tun hat: Das mit der Vertraulichkeit ist so eine Sache.


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Gestern fand eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates statt, in der die wahrhaft heikle und von Herrn Minister Platter heute großzügig und vor allem weiträumig umschiffte Frage der allfälligen CIA-Überflüge über Österreich behandelt wurde.

Auch diese Sitzung wurde für vertraulich erklärt. Daher weiß ich natürlich nicht, was dort geredet wurde – es war ja vertraulich. Aber glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, dass das eine etwas unbefriedigende Vorgangsweise vis-à-vis einem brennenden Thema ist? Herr Bundesminister Platter hat uns auch heute wieder gesagt, es sei ja gar nicht erwiesen, dass dieser eine in Rede stehende Flug, der bekannt ist, ein Flug der CIA war – ob es der einzige Flug war, weiß auch ich nicht, das ist ja auch vertraulich –, und man wisse schon gar nicht, ob da Gefangene an Bord waren.

Er hat es vorgezogen, auf meine ironische Frage nicht einzugehen. Bei solchen Flügen pflegt man sich ja bei der Kennung nicht mit „CIA-Flug“ mit zwei Mann Bewachung und vier gefesselten Gefangenen an Bord zu melden. Das ist eher nicht üblich.

Aber es geht im Wesentlichen um eines: Es gibt starke Indizien dafür, dass genau jene der CIA verbundene Luftlinie, die auch über Österreich unangemeldet geortet wurde, solche Gefangenentransporte durchgeführt hat. Das ist kein dumpfes Gerücht, son­dern das ist etwas, wofür es zumindest so viele Hinweise gibt, dass die Europäische Kommission und in diesem Fall vor allem der Europarat bereit sind, zu Aktionen zu schreiten.

Es gibt auch einen Sonderberichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der diesen Informationen nachgeht und der die Regierungen, die dem Europarat angehören, ausdrücklich um eine Stellungnahme ersucht hat, für die, den Gepflogenheiten dieser Organisationen entsprechend, Ende Februar die Fallfrist ist. Ende Februar ist in der österreichischen Präsidentschaft.

Kommissar Frattini hat weiters klare Worte gefunden. Wenn es tatsächlich Gefäng­nisse auf dem Territorium eines EU-Staates oder EU-Beitrittskandidatenlandes gege­ben hat, in denen unter absoluter Verletzung jedweder Menschenrechte Häftlinge – mit oder ohne Folter – verhört wurden, dann ist von Seiten der Europäischen Union mit Maßnahmen gegen diese Staaten zu rechnen. Wenn es sich um ein Mitgliedsland handelt mit der Sistierung der Stimmrechte im Rat, wenn es sich um ein Noch-nicht-Mitgliedsland handeln sollte – das haben die Vertreter beider großer parlamentarischer Fraktionen, jene der EPP und der Sozialisten, klar gesagt –, dann wäre in diesem Fall der Beitritt neuerlich zu bewerten.

Das ist schweres Geschütz und es mit Recht schweres Geschütz. Auch da habe ich volles Verständnis dafür, dass die österreichische Präsidentschaft, während die briti­sche Präsidentschaft noch amtiert, dieser nicht in die Flanke hineinreden kann. Das ist absolut klar. Aber ich erwarte mir von der österreichischen Präsidentschaft, dass sie dann, wenn sie im Amt ist, so klare Worte finden wird, wie sie Kommissar Frattini gefunden hat, dass sie die Möglichkeiten der österreichischen Präsidentschaft nützt, zur Aufklärung beizutragen, und dass sie notfalls die Möglichkeiten, die die Verträge bieten, anzuwenden vorschlägt, um Sanktionen gegen deviante EU-Mitglieder oder EU-Kandidatenländer zu verhängen.

Das ist kein Orchideenthema. Da geht es um die Substanz des europäischen Projekts. Die Entziehung eines Menschen von seinem gesetzlichen Richter, die allfällige – in diesen Fällen nicht bewiesene – Anwendung von Folter, das Herumführen zu – in diesem Fall außereuropäischen – Verhörorten, wo die Verhörstandards, auf die wir Wert legen, zweifellos nicht eingehalten werden, das ist ein menschenrechtlicher Skandal ungeheuren Ausmaßes! Und wenn sich das im wahrsten Sinne des Wortes über unseren Köpfen abspielt, weil die gefesselten Gefangenen, selbst wenn es nicht zu einer europäischen Destination ist, zu Verhörzentren in irgendwelchen Mittelmeer-


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Anrainerstaaten gebracht werden, wo man es mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt, dann muss Europa, aber mit Verlaub gesagt, dann muss auch Öster­reich im eigenen Bereich reagieren.

Ich gehe davon aus, dass Österreich gar nicht als Vorsitzland, sondern als Staat mit demo­kratischem und rechtsstaatlichem Selbstbewusstsein über diesen einen bekann­ten Vorfall hinaus alle Bemühungen unternimmt, Überflüge, die es in der Vergan­genheit gegeben hat, darauf hin abzuklopfen, welche Luftlinien, welche verdächtigen Luftlinien mit welcher Kennung über unser Land geflogen sind, und Auskunft darüber zu verlangen, wer oder was tatsächlich an Bord war, nämlich retrospektiv an die Adresse der amerikanischen Behörden.

Das dürfen wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Im Gegensatz zu dem, was der Herr Verteidigungsminister heute hier in einer für mich nicht nachvollziehbaren Logik insinuiert hat, hat das überhaupt nichts mit der Frage der Abfangjäger zu tun. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, von einem verantwortlichen Offizier in den drei Minuten zwischen der Ortung einer solchen Maschine und dem allfälligen Aufsteigen eines Abfangjägers eine Entscheidung darüber zu verlangen, ob man dieses Flugzeug zur Landung zwingt. (Bundesrat Mag. Baier: Das hat er nicht gesagt!)

Er hat es sinngemäß gesagt, weil er die Opposition verdächtigt hat, sie sei sozusagen gespalten, nämlich: sie sei zwar gegen die Abfangjäger, aber dann dafür, dass man diese Maschinen zur Landung zwingt. Also zum Zeitpunkt dieses Vorfalls gab es Abfangjäger, die lange abbezahlt und inzwischen zum Teil abgewrackt sind. Wenn man nur Begleitservice, Escortservice fliegt, dann ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit erneut gestellt. Das wird mühevoll bei den künftigen Eurofightern sein. Da diese Maschinen relativ langsam sind, hätten die Eurofighter gewaltige Schwierigkeiten. Die müssten Loopings fliegen, um dieses Tempo nach unten hin halten zu können. Ich kann die Logik des Herrn Ministers daher nicht nachvollziehen, aber das ist auch nicht meine wirkliche Aufgabe. (Bundesrat Mag. Baier: „Kein Mensch“ haben Sie gesagt vorhin!)

Was heißt „kein Mensch“? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.) – Auch diese Logik kann ich nicht nachvollziehen, weil sie eben nicht logisch ist. Wenn man keine Abfangjäger einsetzen will – das hat uns der Herr Minister ausführlich erklärt, und ich gebe ihm Recht –, dann braucht man auch keine. So einfach ist das. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Zurück ... (Bundesrat Mag. Baier: Sie biegen es so hin, wie Sie wollen!) – Herr Kollege, tatsächlich gestatte ich mir, die Meinung zu vertreten, die ich habe, auch wenn sie Ihnen nicht recht ist. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär, den Abfangjägern möchte ich Sie nicht als verhaftet erklären, aber der Verpflichtung, dass hier alle Möglichkeiten genutzt werden – und das mit dem notwendigen Nachdruck –, um von amerikanischer Seite in Bezug auf Österreich und in Bezug auf die gesamte Europäische Union Auskunft zu verlangen, um eigene Nachforschungen, wenn notwendig und wenn möglich, anzustellen, vor allem in den Destinationsorten, wo es ganz offensichtlich einen Umschlagplatz für zu verbringende Häftlinge gegeben hat. Da sind viele Regierungen gefordert, auch die deutsche. Dort war offenbar der Knotenpunkt, das ist also kein österreichisches Spezialproblem. Dies­bezüglich muss sich Europa zur Wehr setzen, weil es um den Kern des europäischen Projekts geht.

Wenn wir bei Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit, bei der Bewahrung unserer eigenen Autonomie und Selbständigkeit ins Wanken geraten, dann entziehen wir einem Projekt, das sich in vielen Bereichen mit Recht Kritik anhören muss, einen großen Teil der verbleibenden Legitimität. Da wir in unserer großen Mehrheit, nicht wir


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 60

Sozialdemokraten, sondern wir Mitglieder dieses Hauses, in unserer überwältigenden Mehrheit zu diesem europäischen Projekt stehen, wäre das eine katastrophale Ent­wicklung.

Der mögliche Beitrag, den wir leisten könnten, ist leider limitiert. Das anzusprechen ist eine Teilerfüllung dieses kleinen Beitrages. Das liegt an der österreichischen Außen­politik.

Herr Staatssekretär! Ohne jede Polemik, mit großem Maß an Sympathie: Ich gehe davon aus, dass die österreichische Außenpolitik diese Aufgabe verantwortungs­bewusst erfüllen wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.56


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ager. Ich erteile ihm das Wort.

 


11.56.40

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Konecny, vieles von dem, was Sie sagten, kann ich unterstreichen. Dass das gewaltige Aufgaben für unser Land sind, ist uns allen klar. Dass wir sie nur gemeinsam lösen können, ist uns auch klar.

Eines, ohne die Abfangjägerdebatte verlängern zu wollen, muss ich ins richtige Licht rücken: Die gestrige Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates, von der Sie gemeint haben, sie sei für vertraulich erklärt worden, war und ist von Gesetzes wegen vertraulich. Das sind alle Sitzungen dieses Rates. (Bundesrat Konecny: Man kann die Vertraulichkeit aufheben durch Beschluss des Gremiums! Steht in der Geschäfts­ordnung!) – Da sind wir einer Meinung, oder? (Bundesrat Konecny: Ja, aber man kann sie aufheben durch Beschluss des Gremiums! Es steht in der Geschäftsordnung, dass die Vertraulichkeit aufgehoben werden kann!)

Das könnte man tun, aber Sie haben das so gebracht oder zumindest habe ich das so verstanden, dass wir das so gemacht haben, damit wir das im stillen Kämmerlein besprechen können. (Bundesrat Konecny: Es ist der Antrag gestellt worden, sie aufzuheben!) Aber vielleicht können wir uns das nachher im privaten Kreis ausmachen.

Liebe Freunde! Punkt 5 der heutigen Tagesordnung betrifft den Bericht der Bundes­ministerin für auswärtige Angelegenheiten über die österreichische EU-Präsident­schaft 2006. Im ersten Halbjahr 2006 hat Österreich die EU-Vorsitzführung inne. Die Europäische Union ist derzeit nach den Referenden über die Europäische Verfassung in den Niederlanden und in Frankreich sowie dem ergebnislosen Gipfel über das Budget für die Jahre 2007 bis 2013 in einer sehr schwierigen Situation und vielen kritischen Stimmen ausgesetzt. Man kann auch sagen, Europa ist in einer Bewäh­rungsprobe und steht vor vielen offenen Fragen.

Meiner Meinung nach wird eine der zentralsten Fragen sein: Können wir das spezifisch europäische Lebensmodell in einer globalisierten Welt zukunftsfest machen, Demo­kratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Wohlstand und Beschäftigung, ein aus­geprägtes Sozialsystem und einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Res­sourcen insgesamt aufrechterhalten?

Die Vorbereitungen auf die für Österreich so großen Herausforderungen sind bereits voll im Gange. Uns steht eine arbeitsreiche und anspruchsvolle EU-Präsidentschaft bevor. Da sind wir wohl auch einer Meinung. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 61

Der EU-Lateinamerikagipfel in Wien mit 60 Staats- und Regierungschefs sowie Gipfeltreffen der EU mit den USA, Kanada, Russland und Japan werden während der österreichischen EU-Präsidentschaft in Wien stattfinden.

Liebe Freunde von der Opposition! Man hat sich im Ausschuss darüber beschwert, dass man in diese EU-Präsidentschaft nicht eingebunden worden sei. Mir ist nicht bekannt, dass auch nur irgendjemand irgendwo ausgegrenzt, ausgeschlossen worden wäre. Jeder hat die Möglichkeit und jeder ist herzlichst eingeladen, mitzuwirken, dass dieser Vorsitz für Österreich ein Erfolg wird.

Außerdem werden 12 informelle Ministertreffen in Österreich, etwa 40 Ratstagungen in Brüssel und Luxemburg, 100 Treffen auf hoher Beamtenebene und über 2 000 Expertensitzungen unter österreichischer Leitung abgehalten werden. Österreich wird also sechs Monate lang eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Zukunft des europäischen Einigungsprozesses spielen.

Österreich sieht diese EU-Präsidentschaft als eine Art Dienstleistung für Europa und wird versuchen, Lösungen, deren Erledigung liegen geblieben ist, die nicht zu Ende geführt wurden, zu finalisieren und andere Themen für die darauf folgende finnische Vorsitzführung vorzubereiten.

Schwerpunkte werden der Kampf gegen die organisierte Kriminalität, gegen illegale Immigration und ein verstärkter Kampf gegen den Terrorismus sein. Absolute Priorität – und das haben wir auch schon gehört – hat aber meines Erachtens die Verbesserung der Arbeitsplatzsituation in allen Ländern, denn nur so kann der soziale Friede in Europa gewährleistet werden.

Als einen Touristiker freut es mich besonders, liebe Freunde, dass der für die Wirt­schaft Österreichs herausragenden Stellung des Tourismus auch während der Zeit des Ratsvorsitzes Rechnung getragen wird. Mit der Tourismusministerkonferenz im März, an der die Minister aller 25 EU-Mitgliedstaaten, der Beitrittskandidaten, der EWR- und der EFTA-Staaten sowie der Westbalkanstaaten teilnehmen werden, wird Österreich zum Mittelpunkt touristischer Überlegungen in Europa werden.

Wenn außerhalb des Haupttagungsortes Wien Treffen auch in Bregenz, Salzburg, Rust, Krems, Villach, Graz, Bad Ischl und Innsbruck stattfinden werden, also auch der Rest Österreich einbezogen wird, so sollte das unsere föderalistischen Herzen im Bundesrat höher schlagen lassen. (Bundesrat Schennach: Das hat überhaupt nichts mit dem Wahlkampf zu tun!) Das sind keine Wahlkampfgeschichten, lieber Kollege Schennach, wie Sie uns das im Ausschuss vorgeworfen haben. Selbstverständlich wird der Minister Delegationen auch in seinen Bezirk einladen. (Bundesrat Schennach: Wahlbezirk!) – Ja, der ist gleichzeitig ein Wahlbezirk, das ist halt so. Wenn wir einmal so beginnen, dann werden wir uns bald alle einen Sack über den Kopf ziehen, damit uns keiner erkennt, und wir machen dann die Dinge alle anonym. (Bundesrat Schennach: Es wäre sehr wünschenswert, den Verkehrsministerrat nach Tirol zu bringen!) – Für Sie vielleicht! (Bundesrat Schennach: Für die Verkehrsminister!)

Das ist hochinteressant, Herr Kollege, doch die Verkehrsminister der europäischen Staaten sind sehr viel in Innsbruck, weil, wie du auch weißt, Tirol ein neuralgischer Punkt der Verkehrspolitik ist. (Bundesrat Schennach: Ich weiß das schon!) Das Problem kann man aber nicht mit Polemik lösen, sondern wirklich nur in Gesprächen. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Sie werden sich dann sicher noch zu Wort melden. – Ich werde jetzt meinen Bericht fort- und meine Rede zu Ende führen, wenn Sie das gestatten, Herr Kollege.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 62

Ein weiterer sehr wichtiger Schwerpunkt ist auch die Nachbarschaftspolitik im Allge­meinen und die Sicherung des westlichen Balkans im Besonderen. Das liegt auch in unserem Interesse.

Sie werden mich jetzt wahrscheinlich wieder des Wahlkampfs bezichtigen, aber ich darf trotzdem erwähnen, dass unser Herr Bundeskanzler Schüssel, Frau Außen­ministerin Plassnik und Herr Staatssekretär Winkler mit einem Stab hervorragender Mitarbeiter im Außenamt mit Herrn Generalsekretär Kyrle an der Spitze und letztlich alle Bürgerinnen und Bürger Österreichs, also wir alle an dieser Idee einer Friedens­gesellschaft, eines gemeinsamen Europas mitarbeiten sollten. Das garantiert, dass durch dieses Schaufenster zur Welt, dass die EU-Präsidentschaft darstellt, eine große Erfolgsgeschichte Österreichs sichtbar wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten diese EU-Präsidentschaft nicht dazu ver­wenden, politisches Kleingeld daraus zu schlagen, sondern dazu, gemeinsam für Österreich zu arbeiten. Meine Fraktion wird diesem Bericht gerne die Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und der Bundesräte Ing. Kampl, Mitterer und Vilimsky.)

12.04


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


12.05.09

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Probleme, vor denen die EU steht, haben wir in diesem Haus schon sehr oft diskutiert. Da gibt es einerseits die jetzt aktuellen, akuten Schwierigkeiten: der Verfassungsprozess, der faktisch zum Stillstand gekommen ist. Die Debatte über die Erweiterung der EU wird über weite Strecken nicht sachlich, inhaltlich orientiert geführt, sondern wird missbraucht, um Ängste und Vorurteile zu instrumentalisieren. Und der Lissabon-Prozess, der zum Ziel hatte, Europa als Wirtschaftsraum zu stärken, ist, gelinde gesagt, sehr schwer ins Stocken geraten.

Über diese aktuellen Probleme hinaus gibt es aber auch prinzipielle Schwierigkeiten, mit denen die EU konfrontiert ist: Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Vertrauen in die EU, dass sie ihre Lebenssituation tatsächlich verbessern könnte. Die sprich­wörtliche, aber tatsächlich nur theoretisch existierende Bürgerinnen- und Bürgernähe konnte nach wie vor nicht in die Praxis umgesetzt werden, und viel zu oft wird die EU von verschiedensten Akteuren missbraucht, um von innenpolitischen Konflikten abzulenken und die Schuld für unpopuläre Maßnahmen abzuwälzen.

Dass die EU aber im Grunde eine Erfolgsgeschichte ist, nämlich in ihrer Zielsetzung als Friedensprojekt, das wird in der Diskussion oft vergessen. Es kann aber gut sein, dass sich dieser Punkt in den nächsten Jahren ändern wird, sobald nämlich die Debatte über die Aufnahme und über die europäische Zukunft der Balkanstaaten beginnt. Denn auch bei Menschen in meinem Alter, die das Glück hatten, im eigenen Heimatland keinen Krieg erleben zu müssen, ist die Erinnerung an den Balkankrieg sehr lebendig geblieben.

Vielleicht ist das grundlegendste Problem, dass die Negativschlagzeilen über die EU eigentlich immer viel stärker wahrgenommen werden als ihre Errungenschaften und Vorteile. Das habe eigentlich auch ich jetzt gerade gemacht, indem ich meine Rede mit einer Aufzählung von Problemen und Schwierigkeiten begonnen habe. Noch viel stärker ist das allerdings im öffentlichen Diskurs, auch in den Medien, in denen es eigentlich immer nur um die „bad news“ geht und Positivberichte über die EU wirklich


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Mangelware sind. Im Rahmen der EU-Präsidentschaft liegt es nunmehr an Österreich, Impulse zu setzen, die zu einer positiveren Bewertung der EU führen; zum Beispiel Impulse, um den stockenden Verfassungsprozess wieder ins Laufen zu bringen, was sehr nötig wäre. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Molzbichler.)

Das wäre eine große Herausforderung! Ich weiß schon, dass es Österreich allein nicht gelingen kann, im Handstreich und binnen eines halben Jahres alle Probleme aus dem Weg zu räumen, ich meine allerdings schon, dass die Ziele, die sich Österreich im Rahmen der Präsidentschaft gesteckt hat, nicht so ehrgeizig sind, wie sie es sein könnten oder auch sein sollten.

Einen Seitenhieb muss ich jetzt schon austeilen: Es ist offenbar zumindest ein Neben­ziel, die prestigeträchtige Präsidentschaft im Zuge eines Vorwahlkampfes mit zu ver­markten. Ich denke, dass es nicht reiner Zufall ist, dass die informellen Ministerräte jeweils im Heimatort der Ministerinnen und Minister stattfinden. Kollege Ager hat damit schon Recht, dass Tirol ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist. Genau deshalb wäre es auch sinnvoll, den informellen Rat der Verkehrsminister in Tirol abzuhalten. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Aber dann bitte in einer Autobahnraststätte!) – Das lässt sich organisieren, davon gibt es genug!

Natürlich wird das nicht alles sein. Es ist ja Usus, dass die Präsidentschaft nicht primär zur Umsetzung eigener Ziele verwendet wird, sondern dass sie in erster Linie dafür da ist, damit die den Vorsitz führenden Staaten Anstrengungen unternehmen, die die EU als Gesamtes weiterbringen.

Aus dem Weißbuch zur österreichischen EU-Präsidentschaft konnte ich leider nicht allzu viel Neues erfahren. Im Prinzip handelt es sich hiebei um eine Aufzählung der Themen, die momentan wichtig sind, also eigentlich um das Pflichtprogramm. Es ist schon klar: Dieses Pflichtprogramm ist für sich schon sehr dicht und voll, aber ich würde mir trotzdem mehr eigene Vorstellungen darüber erwarten, welche Schwer­punkte die österreichische Regierung setzen möchte, also zusätzlich zum Pflichtpro­gramm auch eine Kür.

Ja, die EU befindet sich in einer schwierigen Situation. Keine Frage! Es ist nicht wahrscheinlich, dass gerade Österreich den Stein der Weisen findet, der diese Probleme innerhalb kürzester Zeit in Luft auflöst. Wenn man sich jedoch nicht einmal ehrgeizige Ziele setzt, dann bedeutet das, schon vor Beginn aufzugeben. Vielleicht spielt hier auch die Angst der ÖVP vor einem eventuellen und gar nicht so unwahr­scheinlichen Querschuss aus dem FPÖ-Klub eine Rolle.

Welche konkreten Schritte wird Österreich im Zuge seiner Präsidentschaft vorschla­gen, um den bereits erwähnten Verfassungsprozess wieder ins Laufen zu bringen? Was wird Österreich unternehmen, um die EU weniger technokratisch zu gestalten und tatsächlich, wie es immer wieder beschworen wird, den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen? Wird das über Broschüren und Internetauftritte und über die Auftritte der österreichischen Ministerinnen und Minister in ihren Wahlkreisen hinausgehen? Wie wird sich die österreichische Regierung zum Beispiel in der Frage der Dienst­leistungsrichtlinie verhalten? Dieses Thema haben wir hier auch erst vor kurzem dis­kutiert.

Das Weißbuch sagt dazu: Österreich wird besonders darauf achten, dass durch die Richtlinie Sozial- und Lohndumping nicht möglich werden. – Nachzulesen auf Seite 12.

Meine Kollegin Lichtenecker hat zu diesem Thema eine ausführliche Anfrage an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gestellt, und dessen Haltung zur Dienstleis­tungsrichtlinie ist tatsächlich Besorgnis erregend.


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In der Parlamentskorrespondenz vom 29. September, also dem Tag, an dem im Nationalrat erstmalig ein Europatag abgehalten wurde, wird Minister Bartenstein folgendermaßen zitiert:

„Was das Herkunftslandprinzip angeht, so sei er der Auffassung, dass man davon grundsätzlich nicht abrücken sollte.“ Er könne sich eine Ausnahme „für den sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge“ vorstellen.

Die Ablehnung des Herkunftslandprinzips ist aber in Österreich auch über Partei­grenzen hinweg sehr weit reichend. Wie wird sich also Österreich in dieser Frage positionieren? Werden Minister Bartenstein und die Industriellenvereinigung ihre Interessen durchsetzen, oder wird Österreich tatsächlich dafür sorgen, dass Sozial- und Lohndumping nicht möglich werden?

Einen Satz noch zum Europatag: Dass nicht nur die Bevölkerung immer wieder ihre Probleme mit der EU hat, sondern auch das österreichische Parlament, hat sich am Europatag im Nationalrat gezeigt. Es ist eine sehr gute Idee, dass EU-Themen verstärkt diskutiert werden, und das mit so viel medialer Aufmerksamkeit wie nur möglich. Es ist verständlich, dass beim ersten Anlauf noch nicht alles perfekt ablaufen kann – das wissen wir im Bundesrat auch. Wir haben bei unseren Diskussionen der Legislativ- und Arbeitsprogramme der Kommission zum Beispiel auch immer wieder unsere Schwierigkeiten. Es wird aber auch nicht möglich sein, mit ein oder zwei gelungenen medialen Inszenierungen Begeisterung für die EU zu wecken. Auch was die so genannte Europaskepsis betrifft, ist Ungeduld fehl am Platze, denn ein gesun­des Maß an Skepsis ist etwas durchaus Sinnvolles, und es kann nicht unser Ziel sein, dass die EU unkritisch als durchaus positiv dargestellt wird. Das Problem ist meiner Meinung nach eher, dass zwar sehr oft Kritik an der EU geäußert wird, dass diese aber dann sehr undifferenziert ist und eigentlich nicht auf inhaltlicher, tatsächlicher Kritik beruht, sondern eher auf einem Gefühl. Eine Kritik des Geschehens auf EU-Ebene, die auf inhaltliche Auseinandersetzung folgt und auf Informationen beruht, wäre eigentlich der Wunschzustand. Das wäre ein sehr gutes Zeichen für die Entwicklung der EU. Dahin sollten die Bemühungen gehen, das Bild der EU zu verbessern. Mehr Infor­mation über das politische Geschehen, mehr Information auch darüber, wofür die EU eigentlich zuständig und verantwortlich ist und wofür nicht, um tatsächliches Interesse und in weiterer Folge auch eine Identifikation mit der EU zu schaffen.

Das Ziel des viel zitierten Europa der Bürgerinnen und Bürger sollte es sein, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mit den Grundideen der EU identifizieren können, gleich­zeitig aber das politische Geschehen kritisch und aufmerksam verfolgen. Ich bin gespannt, ob es Österreich im Zuge seiner Präsidentschaft schafft, einen Schritt in diese Richtung zu machen. Ich bin sehr gespannt, wie sich der FPÖ-Klub und die FPÖ in dieser Situation verhalten werden. Wir haben schon die ersten Drohungen über eine Volksabstimmung zum Türkeibeitritt vorliegen. Das wird sicher nicht zu einer sach­lichen Debatte führen. Ich bin gespannt darauf, wie sich das weiterentwickelt. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.13

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundes­rat Kneifel. – Bitte.

 


12.13.51

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich habe mit Aufmerksamkeit die Ausführungen meiner Vorredner verfolgt und habe auch die Feststellungen von Fraktionsobmann Konecny mit Respekt vernommen, die mit der Einsicht verbunden waren, dass diese Präsidentschaft in ein Gesamt­


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geschehen Europa eingebettet ist, in eine gesamteuropäische Entwicklung. Aus dieser Einbettung in rechtliche europäische Rahmenbedingungen heraus muss natürlich auch die Perspektive entwickelt werden.

Um auf die Ausführungen meiner Vorrednerin, Frau Kollegin Konrad, zurückzu­kommen: Frau Kollegin, Sie haben von dieser Präsidentschaft ein Kürprogramm gefor­dert. – Gemessen wird Österreich jedoch an der Erfüllung der Pflichtaufgaben und insbesondere an der Aufarbeitung der Themen, die uns überlassen werden, die wir jetzt von Großbritannien übernehmen werden. Das sind eine ganze Reihe von Auf­gaben, die wir zur Lösung übernehmen werden und einer Lösung auf europäischer Ebene zuführen sollen.

Eine dieser Aufgaben ist die Finanzverfassung. Ich hoffe, hier zeichnet sich in den letzten Tagen der laufenden Präsidentschaft noch ein Lichtblick ab.

Ich kann Ihnen auch zustimmen, Frau Kollegin Konrad, dass wir gemeinsam daran arbeiten müssen und dass es auch eine Herausforderung für die österreichische Präsi­dentschaft ist, mehr Identifikation und Vertrauen in Europa und in das europäische Gemeinschaftsprojekt zu bekommen und durchzusetzen. Ich will jedoch mich selbst und auch jeden Einzelnen hier nicht ausklinken aus der Verantwortung. Da tragen wir in der täglichen Arbeit sehr viel Mitverantwortung. Wir können das nicht nach Brüssel, nach Straßburg oder in die Hauptstadt jenes Landes, das gerade die Präsidentschaft ausübt, oder sonst wo hin delegieren. Wir selbst müssen täglich berichten, informieren, Orientierung geben in einer Zeit der Irrungen und Verwirrungen auch gegenüber der Europäischen Gemeinschaft, weil wir auf Grund unserer Tätigkeit als Abgeordnete und Mandatare auch mehr Einsicht, mehr Information und mehr Wissen haben. Wer sonst soll dieses Vertrauen wieder herstellen und diese Arbeit erbringen, wenn nicht wir selbst?

Ich danke dem Erfolgsteam im Außenamt für die Erstellung dieses Berichtes, der meiner Meinung nach sehr ambitioniert angelegt und sehr gelungen ist und in dem klar gegliedert dargestellt ist, welchen Zielen wir uns verpflichtet fühlen. Der Erfolg dieser Präsidentschaft ist nur dann messbar, wenn wir mit klaren Zielen in diese Präsident­schaft gehen. Ich erwarte – und da stimmen mich auch die Feststellungen von Kollegen Konecny zuversichtlich –, dass selbstverständlich wir alle parteiüber­greifend die Aktivitäten im Zuge der Präsidentschaft mittragen werden.

Bezüglich der verschiedenen Veranstaltungen in den Heimatbezirken der Minister: Ja, selbstverständlich! Es wäre doch dumm, wenn die Minister das nicht täten, wenn sie nicht im eigenen Land, in der eigenen Region der Bevölkerung zeigten, welche Bedeu­tung Europa zukommt. Damit komme ich gerade auf Ihre Ausführungen zurück, Frau Kollegin Konrad, nämlich dass wir mehr Vertrauen, mehr Wirkung und mehr Identifi­kation schaffen sollen. Wie sonst sollte das geschehen als dadurch, dass die Entscheidungsprozesse in die Regionen hinausgetragen werden? Das ist doch selbstverständlich! Das ist mir ganz wichtig! Es wäre doch dumm, wenn sich alles in Wien abspielen würde. Wir sind doch in einer Länderkammer. Wo denn sonst sollen wir unterstreichen und untermauern, dass diese Konferenzen nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern stattfinden sollen? Wir müssten im Gegenteil kritisieren, wenn die Konferenzorte anders angelegt wären, etwa nur in Wien oder in Graz. Ich bin mit dieser Linie sehr einverstanden und danke dafür, dass wir damit als Mandatare auch die Chance haben, in unseren Heimatländern zu zeigen, was Europa ist, wo Europa entscheidet, und dass wir mit eingebunden sind in diese Gestaltung und in diesen Prozess der Verbesserung unserer Lebenschancen in wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und anderen Bereichen, die eben in diesen Orten behandelt werden.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung, dass dieser Bericht beweist, dass mit ganzer Kraft an dieser Präsidentschaft gearbeitet wird. Ich bin auch froh darüber, dass Vorredner heute schon auf die Basics hingewiesen haben, die uns in Europa verbinden, denn das soll das Fundament dieser Präsidentschaft sein: Friedensdividende – wurde schon genannt –; 70 000 Arbeitsplätze sind in Öster­reich in den letzten fünf Jahren dazugekommen.

Nächster Punkt: Kriminalitätsbekämpfung länderübergreifend. – Das kann doch nur Europa sinnvoll und zielstrebig organisieren. Die Sicherheitsstandards funktionieren nur dann, wenn auf europäischer Ebene zusammengearbeitet wird.

Letztlich geht es auch darum, dass wir als selbstbewusster Partner gegenüber Amerika und gegenüber der Herausforderung im Osten – Stichworte: China und Indien – auftreten können. Das ist das Ziel unserer Präsidentschaft: dass wir da als Partner ernst genommen werden! Das spielt auch in die Bereiche mit hinein, die wir heute schon besprochen haben, etwa in den Bereich der Überflüge über Österreich.

Ich finde, Herr Kollege Konecny, Ihre Meinung und jene des Ministers Platter liegen gar nicht so weit auseinander, denn Sie selbst haben von einer Konditionalität gesprochen, davon, dass für den Fall, dass es Menschenrechtsverletzungen gegeben hat, dieser Protest dringend notwendig wäre. Ich stimme da mit Ihnen völlig überein: Wir können es uns nicht leisten, solche Verletzungen zuzulassen. Das ist doch eine klare Verfas­sungsangelegenheit. Es bedarf doch nicht besonderer Worte, dass wir auf dem Boden der Menschenrechte stehen, dass wir, wenn auf österreichischem Boden oder im öster­reichischen Luftraum Menschenrechtsverletzungen Vorschub geleistet wird, ein klares Nein sagen. Das ist doch eine klare Sache und eine Selbstverständlichkeit. (Beifall bei der ÖVP.) – Ja, da kann ruhig applaudiert werden. (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Wenn es um Menschenrechte geht, Herr Kollege Schennach, kann ruhig applaudiert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mosaiksteine für die österreichische Ratspräsidentschaft sind klar geordnet, liegen fix und klar vor uns.

Ich muss sagen, dass im Vorfeld schon sehr viel geleistet wurde. Die Außenministerin hat durchgesetzt, dass bereits in der ersten Hälfte des nächsten Jahres, also während unserer Ratspräsidentschaft, die Papiere für die europäischen Zukunftsthemen vorge­legt werden. Ich hoffe sehr, dass es noch zu einer Erledigung der Finanzvorschau gemeinsam mit der britischen Ratspräsidentschaft kommt.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass der österreichische Vorschlag, auf europäischer Ebene 10 Milliarden € an zusätzlichen Mitteln für eine zukunftsorientierte Forschung zur Verfügung zu stellen, im Rahmen der Europäischen Investitionsbank durchgesetzt wurde, denn Forschung ist Zukunft. Das ist ein wichtiger Beitrag zur zukünftigen Entwicklung Europas. Diese Initiative ist von Österreich beziehungsweise von unserer Außenministerin Dr. Plassnik ausgegangen.

Hinweisen möchte ich auch auf die Perspektiven für die ländliche Entwicklung. Das ist ebenso eine Initiative, die ein wesentlicher Beitrag für die Stärkung der Wettbewerbs­fähigkeit im europäischen Gefüge ist.

Noch etwas – und das kann man ruhig auch als einen Teil der Kür ansehen, Frau Kollegin Konrad –: Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft hat seinen Schwer­punkt auf die Entwicklung in Südosteuropa gesetzt; auch Minister Platter hat es heute schon erwähnt. Die Vertiefung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Staaten Südosteuropas ist eine Existenzfrage Österreichs und Europas, und zwar insofern, als es da Ruhe, Stabilität und Frieden gibt und die demokratische Entwicklung


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voranschreitet. Da sind wir sehr gut unterwegs, wie auch Minister Platter heute hier berichtet hat.

Die österreichischen Betriebe sind die größten Investoren in Südosteuropa. Sie haben damit zu einem enormen Wachstumsschub in diesen Ländern beigetragen. Dieser führt wieder zu einem Einkommensschub und zu mehr sozialer Sicherheit und Frieden in Südosteuropa. Das ist ein ganz wesentlicher Beitrag, den Österreich dort leistet und den die österreichischen Betriebe, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen, die sich dort engagieren, dort leisten.

Es ist ja keine Neuigkeit, dass wir uns dort engagieren. Da haben andere schon Vor­arbeiten geleistet. Man braucht da gar nicht bis zur österreichisch-ungarischen Monar­chie zurückzugehen. Außenminister Mock hat durch sein Engagement in Südosteuropa quasi den Grundstein gelegt, auf dem wir jetzt aufbauen können, um dort einen Beitrag zur politischen Stabilität zu leisten.

Es ist nicht so, dass wir in diesen Ländern Südosteuropas mit irgendjemandem ver­handeln, sondern das sind in vielen Angelegenheiten bereits unsere Freunde gewor­den. Es bestehen, glaube ich, gute Chancen, diese Initiative weiter zu ent­wickeln.

In den nächsten Jahren wird Südosteuropa innerhalb der europäischen Region die größte Dynamik entfalten. Daher halte ich es für sehr gut, dass dort ein Schwerpunkt unserer EU-Ratspräsidentschaft gesetzt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann bei solch einem Thema natürlich nicht alle Schwerpunkte herausheben. Fest steht, dass wir gut gerüstet sind, dass wir auf einem festen Fundament stehen. Ich bedanke mich für alle Vorbereitungen. Sie sind professionell angelegt und geben die Gewähr, dass unsere Ratspräsidentschaft zu einem Zukunftsprojekt wird und zu einer Perspektive nicht nur für Österreich, sondern auch für Europa und die Welt. (Beifall bei der ÖVP.)

12.26


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


12.26.09

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Uns liegt das Programm anlässlich des Vorsitzes Österreichs im Rat der Europäischen Union vor. Es ist ein großes Programm, das innerhalb von sechs Monaten abgewickelt werden wird. So werden etwa 2 000 Sitzungen von Österreichern geleitet werden, in 250 Ausschüssen und Arbeitsgruppen werden Österreicher den Vorsitz innehaben, Österreich wird im Mittelpunkt Europas stehen.

Das Jahresarbeitsprogramm beinhaltet aber auch zahlreiche Zielsetzungen. Ich möchte davon nur einige herausgreifen.

Erstes Beispiel: die Zielsetzung, Arbeitsplätze und Wachstum in Europa zu schaffen.

Werden wir die steigende Arbeitslosigkeit in Europa und die damit verbundene Armut verringern können und Vorschläge ausarbeiten können, wie wir das in Zukunft ver­meiden können?

Wir glauben, dass wir mit der derzeitigen Politik der Vernichtung von Arbeitsplätzen und mit der zurzeit falschen Steuerpolitik da keine Erfolge erzielen werden. Diese Politik zielt darauf hin, dass die Schere zwischen Arm und Reich noch mehr aus­einander klafft, als dies schon in den letzten Jahren der Fall war. Die neuen EU-Mitgliedsländer haben großen Aufholbedarf. Es dürfen aber dabei die Arbeitsmarkt­probleme nicht außer Acht gelassen werden.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 68

Das Vertrauen der Bürger in das europäische Projekt neu festigen, heißt hier eine Schlagzeile. – Das Vertrauen in Europa hat in den letzten Jahren stark abgenommen. Allein bei den Ratifizierungsprozessen hat das Schiff Europa Schlagseite bekommen. Dass erst 13 EU-Mitgliedsländer die Europäische Verfassung in unterschiedlicher Form ratifiziert haben, zeigt eine Schwäche auf, die in den nächsten Monaten einer Lösung zugeführt werden muss.

Geschätzte Damen und Herren! Die Referenden in Frankreich und in den Niederlanden haben die Grenzen aufgezeigt. Die Menschen in Europa sind unzufrieden mit der Politik der Europäischen Union, aber auch mit der Politik der Regierungen der EU-Mitgliedsländer. Diese Unzufriedenheit kommt in Umfragen in den Mitgliedsländern deutlich zum Ausdruck. Es ist eine Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik und auch mit der Sozialpolitik, aber auch mit dem Tempo bei der EU-Erweiterung. Da muss das Vertrauen wieder hergestellt werden und ein Kurswechsel stattfinden.

Ein weiterer Punkt: Europa stärken und als verlässlicher Partner in der Welt be­weisen. – Ich hoffe, dass diese Formulierung nicht militärisch ausgelegt wird. Europa muss nicht in Kriegen wie jenem im Irak der starke Partner sein. Der Rückzug mehrerer Staaten bestärkt uns in der Überzeugung, dass Europa ein Friedensprojekt ist. Österreich hat die Aufgabe, die Friedenspolitik Europas wieder zu stärken.

Im Jahr 2006 sollen Verhandlungen über das Mandat einer neuen Menschen­rechts­agentur der Europäischen Union aufgenommen werden. Unsere Frau Bundes­minis­ter war ja in der Zeit von 1987 bis 1990 in der österreichischen Vertretung im Europarat tätig und kennt die Institutionen in Straßburg sehr gut. Bei der letzten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wurde der Schwede Thomas Ham­merberg zum neuen Menschenrechtskommissar des Europarates gewählt. Er über­nimmt am 1. Januar 2006 dieses verantwortungsvolle Amt.

Das Amt des Menschenrechtskommissars wurde 1999 eingerichtet. Aufgabe des Men­schenrechtskommissars ist es, die Ausbildung und die Sensibilisierung im Bereich der Menschenrechte sowie die Achtung der Menschenrechte in den Mitgliedstaaten zu fördern. Darüber hinaus soll er auch die vollständige Einhaltung der Texte des Euro­parates sicherstellen.

Weiters befindet sich in Straßburg der Sitz des Europäischen Gerichtshofes für Men­schenrechte. Das heißt: In Summe teilen sich drei Organe die Verantwortung, und zwar die Europäische Kommission für Menschenrechte, der Menschenrechtskom­missar, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Dazu kommt aber auch noch das Ministerkomitee des Europarates, das sich aus den Außenministern der Mitglied­staaten oder aus deren Stellvertretern zusammensetzt.

Bei der Schaffung einer Menschenrechtsagentur darf keine Zweigleisigkeit geschaffen werden. Die Koordinierung zwischen Brüssel und Straßburg ist da gefordert.

Während unserer EU-Ratspräsidentschaft haben wir beziehungsweise hat die Frau Außenminister die Möglichkeit, da einzuwirken und auch die Interessen des Euro­parates als Mitglied des Ministerkomitees zu vertreten.

Auf dem Weg zur letzten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Euro­parates am 2. Oktober fuhr ich in Deutschland mit dem Auto – aber nicht mit 160 km/h, wie es Herr Minister Gorbach empfiehlt – und kam in einen Stau. Dabei hörte ich mir die deutschen Nachrichten an und musste vernehmen, dass unser Bundeskanzler sich mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan auf die Zustimmung Österreichs zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geeinigt hat. Am Tag davor hörte ich in den österreichischen Nachrichten, Österreich stimme der Aufnahme der Beitrittsverhand­lungen mit der Türkei nicht zu. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.) In den


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 69

deutschen Nachrichten hörte ich dann, dass in einem kurzen Telefongespräch die Unklarheiten beseitigt worden seien. Auch die Mitglieder der österreichischen Dele­gation waren erstaunt über den plötzlichen Sinneswandel des Bundeskanzlers, den er da über Nacht vollzog. Oder werden in den Medien Deutschlands andere Aussagen getätigt als in Österreich?

Die Untersuchungen haben auch gezeigt, dass die Geschwindigkeit bei den EU-Bei­tritten den Menschen in Europa Angst macht.

Es werden im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs auch Ministerkonferen­zen in Österreich stattfinden, und da fällt mir ganz besonders auf, dass die Verkehrsministerkonferenz in Vorarlberg stattfinden wird. Sie müsste doch auf Grund der Transitprobleme in Tirol stattfinden. Man könnte sie aber auch in Kärnten stattfin­den lassen, denn dort haben wir ja dann eine Teststrecke für 160 km/h. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Soll das der Beitrag Österreichs sein, dass die Minister schneller zur Konferenz kommen? Soll das der Beitrag sein zur Sicherheit auf Europas Straßen? Auf einer zweispurigen Autobahn in Zukunft mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h fahren zu dürfen, das ist wirklich ein Eingriff in die Verkehrssicherheit, und zwar nicht nur in die Österreichs, sondern auch in die von europäischen Bürgern! Man sollte sich in der Verkehrsministerkonferenz mehr Gedanken über die Einführung einer gesamteuro­päischen Eurovignetten-Richtlinie machen, darüber, wie der Schwerverkehr in Europa in Zukunft gelenkt und gesteuert werden soll.

Vor zwei Tagen habe ich gehört, wie es in der Europäischen Union mit den Finanzen aussieht. Es sollen, wenn es nach dem Ansinnen des derzeitigen EU-Vorsitzlandes Großbritannien geht, gerade bei den Förderungen im Bereich der Agrarpolitik massive Kürzungen vorgenommen werden. Die Aussagen des Bauernbundes dazu möchte ich nicht hören. Mein Kollege aus Oberösterreich wird genau beobachten, ob er in Zukunft, wenn die Finanzmittel gekürzt werden, noch immer so viele Förderungen im Rahmen der Europäischen Union für die Landwirtschaft bekommt, wenn da eingegriffen wird.

Geschätzte Damen und Herren! Wir hoffen, dass im Sinne Europas Österreich die Präsidentschaft verantwortungsvoll nützt, damit in Zukunft die Menschen in Europa wieder Vertrauen in das Friedensprojekt Europa gewinnen können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.36


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


12.36.31

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich fange, was vielleicht etwas ungewöhnlich ist, mit einer Bitte an den Staatssekretär an.

Herr Staatssekretär! Es haben, als Sie ernannt wurden, alle – auch wir Grünen und die Sozialdemokraten – Ihre Ernennung begrüßt. Ich begrüße sie noch immer, und ich bin noch immer froh, dass Sie in dieser Funktion sind, aber ich bitte Sie um Folgendes: Sie sind jetzt Mitglied der Regierung, und ich appelliere an Sie, Ihre Verantwortung in einem Punkt ernst zu nehmen, nämlich in dem, dass es im § 23e der Bundes­verfas­sung heißt, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung verpflichtet sind, den Nationalrat und den Bundesrat unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten.

Lieber Herr Staatssekretär! Das ist jetzt kein Vorwurf an Sie, aber die Bundesregierung höhlt dieses Informationsrecht der Parlamente, des Nationalrates und des Bundesrates


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 70

systematisch aus. Wir werden nicht über alle Vorhaben unterrichtet. (Bundesrat Bieringer: Das stimmt ja nicht, was Sie da sagen!)

Sie rennen mir jetzt aber ins offene Messer, Herr Kollege Bieringer, denn in Punkt 27 steht, dass die Bundesregierung plant, den Beschluss 2.3.2 betreffend die Freizügig­keit des Arbeitsmarktes um zwei Jahre zu verlängern.

Kollege Bieringer! Sind wir im Bundesrat damit befasst worden? Ich kenne eine solche Befassung nicht! (Bundesrat Bieringer: Herr Kollege! Das ist ein Plan! Die Bundes­regierung plant! Das ist noch nicht beschlossen! Das ist ein feiner Unterschied!) Wo haben wir über die Übergangsfristen debattiert? Ich glaube, wir sind mit diesem Thema noch nicht befasst worden.

Herr Staatssekretär! Das Weißbuch liegt ja schon länger vor. Über die Europäische Fraktion konnte man das Weißbuch ja schon vor Wochen bekommen, aber wir haben es erst jetzt erhalten. Ich glaube, gerade im Rahmen unseres Vorsitzes in der EU wäre es wichtig, sowohl Nationalrat als auch Bundesrat als auch die Landtage laufend schnell und ernsthaft zu informieren.

Nun aber zum Weißbuch selbst, Herr Staatssekretär. Ich würde mir keine tabellarische Aufzählung von über 120 Punkten wünschen, zwar geordnet, aber ohne spezielle Gewichtung. Die Frage ist ja die: Was bleibt von einer Präsidentschaft über? Worüber spricht man, nachdem ein Land eine Präsidentschaft innehatte?

Ich kann mich noch an die schwedische Präsidentschaft erinnern. Über die Schweden waren wir einfach alle verblüfft. Die Schweden haben demonstriert, wie die EU auch anders funktionieren kann. Sie haben einfach alle Dokumente nach schwedischem Informationsrecht ins Netz gestellt. So etwas gab es noch unter keiner Präsidentschaft. Jedes Dokument war zu lesen! Das heißt, während der schwedischen Präsidentschaft gab es eine unglaubliche Informationsoffensive darüber, wie die EU funktioniert und welche Doku­mente vorliegen.

Was sind derzeit überhaupt die Themen, die Europa bewegen? – Das sind die Verfas­sung, die Türkeifrage, die Dienstleistungsrichtlinie, die Sicherheit, der Briten-Rabatt – sage ich einmal –, dahinter verbirgt sich die Finanzverteilung, und die Arbeitslosigkeit. Diese großen Themen, die vor der Haustür stehen, versuche ich jetzt, in diesem Weißbuch zu finden. Ja, sie scheinen alle mit ein paar Zeilen auf.

Beispiel Türkei. – Eines ist klar: Die Türkei kann sich laut diesem Weißbuch in den nächsten sechs Monaten null Komma Josef erwarten. Nichts! In neun Zeilen ist das große Thema Türkei abgehandelt. Da geschieht mit Sicherheit nichts. Allein die Weiter­führung, die Kontinuität der EU-Sportpolitik hat mehr Zeilen bekommen als die knifflige, heikle, die ganze Europäische Union beschäftigende Frage der Türkei.

Es gibt zwei Dinge, für die diese Präsidentschaft ganz bedeutend sein werden. Das eine ist das Siebente Rahmenprogramm für Forschung, Wissenschaft. Das ist einer der ganz großen und zentralen Punkte, die für die EU und somit auch für die österreichische Präsidentschaft von besonderer Wichtigkeit sind. Ich frage mich: Was wollen wir? Was sind da wirklich die Zielsetzungen? Es kommt nicht klar zum Aus­druck, wie Österreich zu diesem Punkt stehen wird.

Medial wahrscheinlich die größte Aufmerksamkeit bekommen, Herr Kollege Kneifel, wird mit Sicherheit das vierte Gipfeltreffen Europa-Lateinamerika-Karibik. – Was wollen wir? Was sind die Zielsetzungen der österreichischen Ratspräsidentschaft für dieses Gipfeltreffen? So, wie das derzeit ausgeführt ist, ist das für mich ohne Fleisch und Blut.

Das, meine Damen und Herren, sind für mich die beiden Themen: das Rahmen­programm für die Forschung und die Wissenschaft sowie das Gipfeltreffen. Ich erwarte mir – und das ist insbesondere auch an Sie gerichtet, Herr Staatssekretär Winkler –,


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 71

ich erwarte mir von der österreichischen Bundesregierung viel eindeutigere Zielsetzun­gen, mit denen sie auch Erfolg oder Misserfolg verbrieft.

Es geht nicht an, dass wir, wie schon bei der ersten Präsidentschaft, noch einmal eine unscheinbare Pflichtarbeit erfüllen. Okay, die erste Ratspräsidentschaft kam unmittel­bar nach dem Beitritt. Da waren wir noch überfordert, da hat man noch gesagt: still sein, durchtauchen, nicht auffallen, dann kann man auch nicht reinfallen. Aber nun sind wir doch schon sehr lange Mitglied der Europäischen Union. Man kann sich kaum mehr an die Zeit erinnern, in der wir noch nicht Mitglied der Europäischen Union waren, und jetzt kommt die zweite Präsidentschaft. Jetzt geht es nicht mehr darum, eine Pflicht abzuliefern, jetzt heißt es nicht: nicht auffallen, dann kann man nicht reinfallen!, sondern jetzt geht es darum, Akzente zu setzen. Diese Akzente erwarte ich mir beim Gipfeltreffen Europa-Lateinamerika-Karibik und vor allem in der für uns so wichtigen Frage Forschung und Wissenschaft, denn letztlich hängt damit auch die Bildung zusammen.

Österreich stand ja immer in dem Ruf, ein besonderer Brückenbauer zu sein, beson­dere Kenntnisse und auch einen historischen Auftrag zu haben. Ich will jetzt nicht Ihre Sprache verwenden und vom „Balkan“ reden, denn ich glaube, in der Region ist die Bezeichnung „Südosteuropa“ wesentlich beliebter; „Balkan“ hat noch immer eine andere Konnotation. Ja, es geht Ihnen um Serbien und Montenegro, aber es geht um ein Gesamtkonzept der Region! Was geschieht weiter? Bosnien-Herzegowina? Wir sind zwar engagiert, aber gerade was Südosteuropa betrifft, darf Österreich nicht nur Kroatien im Visier haben, sondern es muss die gesamte Region mit einem öster­reichischen Turbomotor von Initiativen ausgestattet werden.

Wir werden diesen Bericht, da es ja auch um ein gemeinsames Bemühen geht, selbstverständlich zur Kenntnis nehmen – wir haben ihn ja schon zur Kenntnis genom­men –, aber in einem Punkt, Herr Staatssekretär, wollen wir Ihnen noch etwas auf den Weg mitgeben – Frau Kollegin Lichtenecker wird das noch ausführen –, und zwar: Die Mehrheit von ÖVP, BZÖ und FPÖ hat hier einen Antrag von SPÖ und Grünen abgelehnt. Es ging um die Dienstleistungsrichtlinie, um unsere tiefe Sorge im Hinblick auf das Herkunftslandprinzip. Wir werden nun den von Ihnen mit Ihrer damaligen Mehrheit abgelehnten Entschließungsantrag heute gemeinsam mit der SPÖ erneut einbringen – schon allein deshalb, Herr Staatssekretär, weil das, was die Dienstleis­tungs­richtlinie betreffend in diesem Bericht enthalten ist, wirklich besorgniserregend ist.

Die Dienstleistungsrichtlinie ist nach wie vor nicht vom Tisch, schwebt nach wie vor über uns. Ein chaotischer Abstimmungsprozess über tausend verschiedene Abände­rungsanträge im Europäischen Parlament zieht unter Umständen ein Regelwerk nach sich, das sozialrechtlich, arbeitsrechtlich von den Standards, die wir in Österreich vorsehen, abgeht und in Verbindung mit den 25 verschiedenen Rechtsmaterien nicht durchführbar ist. Deshalb wird Frau Kollegin Lichtenecker noch einmal diesen Antrag einbringen. Dass Österreich etwas im Auge behält, wozu Sie seinerzeit einen Antrag verabschiedet haben, in dem Sie einen offensichtlich amtsmüden Minister aufgefordert haben, auch weiterhin dabei zu sein und mitzudiskutieren, das wollen wir heute schär­fen. Es dient der österreichischen EU-Präsidentschaft, wenn sie so etwas Geschärftes mit in ihren Unterlagen findet. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


12.48.06

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf


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gleich dort ansetzen, wo Kollege Schennach geschlossen hat. Wir waren sehr bestürzt, als unser damaliger Antrag in Sachen Dienstleistungsrichtlinie hier keine Zustimmung gefunden hat. Ich habe mich damals über viele sehr gewundert. Kollege Kampl etwa ist Bürgermeister und müsste eigentlich von der Sorge um die vielen Gewerbetreibenden in seiner Gemeinde, in seinem Betrieb getragen sein. Ich war, wie gesagt, sehr ver­wundert.

Herr Staatssekretär! Sie kommen aus der Welt der Diplomatie, gestatten Sie aber, dass wir das hier sehr undiplomatisch, sehr direkt sagen: Es geht um die Belange der vielen kleinen und kleinsten Unternehmungen, die von tiefster Sorge getragen sind, dass die Welt der Diplomatie mit diesen Dingen ein wenig zu fein umgehen wird. Es ist ja doch sehr verwunderlich, dass so ein Antrag abgelehnt wurde.

Ich habe mir auch ein Zitat vorbereitet. Es war Ihr Regierungskollege Bundesminister Dr. Bartenstein, der gesagt hat, er stehe zu diesem Herkunftslandprinzip. Sie werden sich in diese, Ihnen noch etwas fremde Materie bestimmt schon etwas eingelesen haben, Herr Staatssekretär: Dieses Herkunftslandprinzip ist nichts anderes als ein Dumping! Das würde bedeuten, dass ein Gewerbetreibender aus einem EU-Beitritts­land Kollektivvertrag, Konsumentenschutzrichtlinien, Gewährleistungsrichtlinien, Lohn­verhältnisse und dergleichen mehr aus seinem Heimatland nach Österreich importier­ten könnte und unsere Betriebe, die nach unseren Richtlinien arbeiten, somit nicht mehr konkurrenzfähig sein würden. Dazu hat Kollege Bartenstein damals erklärt: Das brauchen wir unbedingt, das ist ganz wichtig.

Ich darf zitieren aus einem Interview, erschienen in der Dezember-Ausgabe der Wirt­schaftszeitschrift „trend“. Dort heißt es, an einen österreichischen Spitzenpolitiker gerichtet: „Wenn das Herkunftslandprinzip nicht mehr gilt, ist ja die ganze Richtlinie obsolet.“ – Wie wahr, wie wahr!, darf ich hinzufügen.

Dazu sagte der Befragte: „Überhaupt nicht. Es soll ja die Freiheit gelten, etwas anzubieten. Und selbstverständlich zu den Standards, die im Zielland selbst gelten. Aber es muss verhindert werden, dass hier ein Sozialdumping breiten Zuschnitts passiert. Das gilt auch für Qualitätsnormen. Die Kommission muss bereit sein, auf diese Frage einzugehen. Es ist dabei schon auffällig, dass sehr schnell umgeschaltet wird. Einmal ist es das Herkunftslandprinzip, das gelten soll. Beim Universitätszugang gilt aber plötzlich das Ziellandprinzip.“

Ich darf das Geheimnis lüften, wer sich mit diesen Aussagen unserem Antrag ange­schlossen hat: Herr Staatssekretär Winkler, es ist dies Ihr Regierungschef, Herr Bundeskanzler Schüssel, der laut Dezember-Ausgabe des „trend“ diese Meinung vertritt. Wolfgang Schüssel war ja viele Jahre Generalsekretär des ÖVP-Wirtschafts­bundes, lieber Kollege Gottfried Kneifel, und so hat Wolfgang Schüssel wahrscheinlich dort doch das eine oder andere an wirtschaftlicher Vernunft und an wirtschaftlichem Hausverstand mitbekommen, was ja eher doch erfreulich ist. (Bundesrat Kneifel: Ich habe nur die besten Mitarbeiter!)

Ich habe bereits mehrmals darauf hingewiesen, wie dramatisch die Entwicklung etwa im Transportbereich ist; man braucht sich diese ja nur anzusehen. In der gestrigen Ausgabe der Grazer „Kleinen Zeitung“ erklärte eine Funktionärin der Wirtschafts­kam­mer Steiermark, des ÖVP-Wirtschaftsbundes also, dass durch die so genannte Ausflaggung – unter Hinweis auf die entsprechende EU-Bestimmung – die Wertschöp­fung, die der Republik Österreich pro LKW verloren geht, der nicht mehr mit einem österreichischen, sondern einem slowenischen, einem kroatischen oder ungarischen Kennzeichen fährt, 72 000 € per anno beträgt. Das muss man sich einmal vorstellen, was das für den Staatshaushalt bedeutet!


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 73

Zur Dienstleistungsrichtlinie und unserem heutigen Antrag, der, wie ich hoffe, eine ganz breite Mehrheit finden wird. Wenn wir Ihnen das mit auf den Weg geben dürfen, Herr Staatssekretär Winkler: Das ist doch auch ein Anschlag auf unser berufliches Bildungssystem, denn wenn bei uns jeder zu den Bedingungen arbeiten kann, die bei ihm zu Hause herrschen, dann wird es schlimm!

Ich darf daran erinnern, dass wir in Österreich zurzeit 120 000 Lehrlinge ausbilden; davon immerhin 59 000 im Gewerbebereich. Und das sind diejenigen, die ganz beson­ders von dieser EU-Dienstleistungsrichtlinie betroffen sind.

Weiters darf ich daran erinnern, dass innerhalb von drei Jahren von 188 000 Arbeits­plätzen im Baubereich nur mehr 170 000 Arbeitsplätze übrig geblieben sind; anführen darf ich da etwa nur Zimmerer, Dachdecker, Spengler und so weiter. Das sind alles Betroffene dieser EU-Dienstleistungsrichtlinie, und trotzdem ist zu dieser – aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen – Wirtschaftsminister Bartenstein immer gestanden.

Zum beruflichen Schulwesen in Österreich: Ich darf daran erinnern, dass es in Öster­reich 327 000 Schüler in berufsbildenden höheren und mittleren Schulen gibt. Daher: Diese Standards werden unterlaufen, wenn wir diese Dienstleistungsrichtlinie und damit den Import von unqualifizierten Arbeitskräften in unser Land zulassen! Und weiters halte ich es für ganz wichtig, in diesem Zusammenhang auch an den Kon­sumentenschutz, an Gewährleistungen und dergleichen mehr zu erinnern.

Seit unserem letzten Antrag hiezu, der jedoch leider keine Mehrheit gefunden hat, hatte aber jetzt jeder die Möglichkeit, eine Nachdenkphase einzulegen, und wir hoffen daher, dass dieser Antrag, den wir Ihnen heute sozusagen mitgeben wollen, Herr Staatssekretär Winkler, nunmehr eine breite Mehrheit finden wird. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.54


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


12.54.27

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Werte Gäste hier im Parlament! Die Dienstleistungsrichtlinie, der Beschluss, der im EU-Binnenmarkt­ausschuss hiezu am 22. November erfolgte, muss nach wie vor als sehr bedenklich bezeichnet werden. Hiezu sind ja über 1 500 Änderungsvorschläge eingegangen, Vorschläge, die aus den verschiedensten Ländern gekommen sind, wobei ja da ganz klar die Sorge zu erkennen war, entsprechende Standards im Bereich soziale Sicherheit, im Bereich Konsumentenschutz, aber natürlich auch im Umwelt- und Gewerberecht zu sichern.

Was ist geschehen? – Die erste Verhandlungsrunde ist so ausgegangen, dass es de facto kein großartiges Abrücken vom Herkunftslandprinzip gegeben hat, damit der Nivellierung der Standards nach unten Tür und Tor geöffnet wurde – und das mit dem Argument, einen Binnenmarkt zu schaffen, der stark ist und sich im internationalen Wettbewerb behaupten kann.

Meiner Überzeugung nach kann sich ein Binnenmarkt nur behaupten, wenn man gemeinsame Standards schafft, die den Markt stärken, und wenn man insbesondere auch darauf Augenmerk legt, dass im steuerlichen Bereich gemeinsame beziehungs­weise harmonisierte Steuersätze festgelegt werden, um die Unternehmungen sowie auch die Kaufkraft die Bevölkerung zu stärken.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 74

Zurück zu dieser Dienstleistungsrichtlinie. Was wir jetzt vorliegen haben, ist etwas, wozu Bundesminister Bartenstein sagt – nachzulesen in der heutigen Ausgabe des „Standard“ –, dass das in der ersten Hälfte 2006, also während der EU-Präsidentschaft Österreichs, nicht beschlussfähig sein wird, weil da noch zu viel offen ist. Wenn dem so ist, dass das noch weitere Diskussionen zur Folge haben wird, so können wir das sicherlich nur begrüßen.

Im EU-Binnenmarktausschuss hat es Teilerfolge gegeben, Teilerfolge auch von uns Grünen – das sei hier auch erwähnt –, wonach zum Beispiel diese EU-Dienstleistungs­richtlinie das jeweilige Arbeitsrecht in den EU-Staaten nicht beeinträchtigen darf. Das ist durchaus als wichtiger Erfolg zu bezeichnen, aber wenn wir uns das Weißbuch anschauen, sehen wir ja, dass es dort heißt, dass die Dienstleistungsrichtlinie, speziell der Punkt 33, nur eines zum Ziel habe: die Vollendung des Binnenmarkts und die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit.

Ansonsten geht es dabei allerdings nur um vage Formulierungen, mit denen wir uns in dieser Form nicht zufrieden geben können, und zwar sind nicht nur wir von den Grünen damit nicht zufrieden, sondern ebenso viele andere Organisationen und Parteien nicht, auch nicht die Gewerkschaften.

Aus diesem Grunde bringen wir heute folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Schennach, Konecny, Lichtenecker und Schimböck betreffend Rücknahme des Entwurfs der Dienstleistungsrichtlinie

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, bei den Ver­hand­lungen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene, insbesondere auch während der österreichischen EU-Präsidentschaft,

den vorliegenden Vorschlag der Kommission betreffend eine Richtlinie des Euro­päischen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen im Binnenmarkt abzu­lehnen und sich für die Vorlage eines neuen Entwurfs von Seiten der Europäischen Kommission einzusetzen;

dafür einzutreten, dass, solange keine Harmonisierung stattgefunden hat, die Regelun­gen des Ziellands gelten müssen und nicht die des Herkunftslandes und dass außer­dem das Zielland für die Kontrolle der Dienstleistungserbringer zuständig sein muss;

ein „race to the bottom“ zu den niedrigsten Anforderungen für Dienstleistungserbringer zu verhindern, indem sie für hohe Sozial-, Lohn-, Qualitäts- und Umweltstandards eintreten – die mittels eines Koordinationsprozesses u. a. über Genehmigungsregeln, Anforderungen an Dienstleistungserbringer, die eine Niederlassung gründen wollen, für einzelne Sektoren auf hohem Niveau harmonisiert werden;

sich für die Erstellung eines Vorschlags einer Positivliste mit ausschließlich kommer­ziellen Dienstleistungen einzusetzen, damit genau definiert ist, auf welche Bereiche die Dienstleistungsrichtlinie anzuwenden ist. Diese Positivliste darf die Leistungen der Daseinsvorsorge sowie weitere sensible Bereiche wie etwa Gesundheitsdienst­leis­tungen und sonstige soziale Dienste, Bildung, Kultur und audiovisuelle Dienste nicht enthalten;


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 75

sich für die Erstellung einer EU-weiten Studie einzusetzen, in der die sozialen, recht­lichen, volkswirtschaftlichen, ökologischen, wettbewerbsmäßigen und regionalen Aus­wirkungen der geplanten Regelungen auf die einzelnen Sektoren in den einzelnen EU-Ländern von unabhängigen Forschungsinstituten untersucht werden.

*****

Meine Damen und Herren, wir ersuchen Sie, diesem Entschließungsantrag heute beizutreten. Es hat ja auch entsprechende Entschließungsanträge in den „Wirtschafts­parlamenten“ gegeben, zum Beispiel auf Bundesebene, zum Beispiel in Oberöster­reich. Demnach müsste es insbesondere den Vertretern des Wirtschaftsbundes ein Leichtes sein, heute hier zuzustimmen. (Ruf bei der SPÖ: Auch in den Landtagen!) Es hat auch Resolutionen in verschiedenen Landtagen gegeben, so zum Beispiel in Oberösterreich – damit müsste es allen oberösterreichischen Bundesräten möglich sein, dieser Entschließung beizutreten. (Bundesrat Schennach: Kollege Kneifel hat schon signalisiert, beitreten zu wollen!) – Das ist fein! Kollege Kneifel hat schon das erste Signal gegeben, hier zustimmen zu wollen. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) – Im Sinne eines starken, eines sozialen und ökologischen Europas und im Sinne eines Europas, das die Wettbewerbsfähigkeit sichert, für Arbeitsplätze, für die Sicherheit der Menschen in diesem Land. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.01


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Lichten­ecker, Professor Konecny, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungs­antrag betreffend Rücknahme des Entwurfs der Dienstleistungsrichtlinie ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich darf jetzt Herrn Staatssekretär Dr. Winkler das Wort erteilen. – Bitte.

 


13.01.40

Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Lassen Sie mich zuerst sagen, dass ich mich sehr freue, dass ich Gelegenheit habe, einen Monat minus ziemlich genau 13 Stunden vor Beginn der österreichischen Präsidentschaft hier mit Ihnen über die österreichische Präsidentschaft zu diskutieren. Ich möchte mich auch für die sehr inhaltsreichen, sehr ermutigenden Debattenbeiträge sehr herzlich bedanken und darf auf einige dieser Beiträge auch im Zusammenhang mit dem so genannten Weißbuch, das Ihnen heute vorliegt, eingehen.

Ich darf damit beginnen, dass ich, was die Natur und die Bedeutung des Vorsitzes in der Europäischen Union betrifft, mit Professor Konecny darin übereinstimme, dass die Präsidentschaften, die sechs Monate dauern, keine monolithischen Blöcke sind – dass sich jede Präsidentschaft sozusagen bemühen muss, ihre Errungenschaften, ihr Pro­gramm in Stein zu meißeln und daraus ein Monument errichten zu lassen –, sondern dass das vielmehr ein dynamischer Prozess ist, ein Kontinuum, wie richtig gesagt wurde, dass es auf der einen Seite „leftovers“ von der vorangegangenen Präsident­schaft gibt, auf der anderen Seite aber auch „handovers“ an die nächste Präsident­schaft geben wird.

Ich glaube, es wäre ein falscher Ehrgeiz zu sagen, dass sich die österreichische Präsidentschaft jetzt bemühen muss, sämtliche Aufgaben, die auf ihrem Speisezettel stehen werden – ob wir das wollen oder nicht – zu erledigen. Das wird davon abhän­gen, was die anderen Partner – und die Partner sind nicht nur die anderen 24 Mit­


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 76

gliedstaaten, die Partner sind auch die Europäische Kommission und das Europäische Parlament – dazu zu sagen haben.

Zweitens: Ich bin auch sehr damit einverstanden, was Frau Bundesrätin Konrad gesagt hat, nämlich dass die Präsidentschaft grundsätzlich nicht dazu dienen kann und auch nicht dazu dienen soll, primär eigene, nationale Interessen durchzusetzen. Die Prä­sidentschaft ist eine Dienstleistung an der Gemeinschaft insgesamt, und die Staaten haben sich im Rahmen ihrer Präsidentschaft zu bemühen, die Projekte, die auf der Tagesordnung der Europäischen Union stehen, möglichst in einem guten Zustand weiterzubringen und wenn möglich zu beenden.

In der Tat ist dieses Papier – das wurde heute auch schon mehrmals gesagt –, das Ihnen heute vorliegt und das als Serviceleistung für Parlamentarier, für die Öffent­lichkeit, für Journalisten gedacht ist, eine Momentaufnahme, die einfach aus der Arbeitsweise der Europäischen Union heraus nicht das endgültige Produkt sein kann.

Es ist auch gesagt worden, dass vieles nicht drinnen steht, dass manche Inhalte schwammig sind. – Dazu Folgendes: Es ist zu bedenken, dass wir dieses Papier – und das ist eine Entscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat – früher vorlegen, als das zum Beispiel die britische Präsidentschaft gemacht hat, die gesagt hat: Wir wollen zuerst abwarten, was genau wir in unserer Präsidentschaft zu machen haben, und dann, gegen Ende der vorangegangenen Präsidentschaft, legen wir ein Papier mit unseren Vorstellungen vor.

Wir sind der Meinung, dass es vernünftiger ist, relativ frühzeitig ein solches Papier vorzulegen – mit der Gefahr, dass in einigen Punkten noch keine Klarheit besteht. Denn in der Tat ist bei sehr vielen wichtigen Themen heute noch nicht endgültig zu sagen, in welchem Zustand wir das eine oder andere Dossier übernehmen werden.

Es wäre unfair – auch das wurde gesagt, und dem kann ich nur zustimmen – gegenüber der britischen Präsidentschaft, heute schon davon auszugehen, dass der britischen Präsidentschaft dieses oder jenes nicht gelingen wird; das gilt insbesondere auch für die Finanzvorschau.

Gerade dieser Tage finden intensive Verhandlungen mit den interessierten Staaten statt – die Außenminister werden nächste Woche darüber beraten können. Wir wissen heute einfach nicht, ob die politische Einigung zwischen den Regierungen über die finanzielle Vorschau gelingen wird oder nicht. Ich meine, wir müssen aber davon ausgehen – das möchte ich schon betonen –, dass die britische Präsidentschaft einen ernsten Bona-fide-Versuch unternimmt, eine Anstrengung unternimmt, dieses wichtige und schwierige Dossier auch tatsächlich einer Lösung zuzuführen. Sollte das nicht gelingen, dann wird das die österreichische Präsidentschaft zu tun haben, und wir werden das sicherlich mit der gleichen Ernsthaftigkeit betreiben wie die britische Präsi­dentschaft und werden uns bemühen, möglichst rasch eine solche Einigung herbei­zuführen.

Eines ist auch klar, meine sehr verehrten Damen und Herren: Unabhängig davon, ob die britische Präsidentschaft eine Einigung erzielen wird oder nicht: Unter der öster­reichischen Präsidentschaft wird auf jeden Fall die schwierige Aufgabe zu lösen sein, die Vorschau in den entsprechenden Rechtsakten – und das sind über 40 Rechts­akte – mit dem Europäischen Parlament auszuhandeln. Das ist für sich schon eine sehr schwierige Aufgabe.

Sie finden in diesem Weißbuch, durchaus auch in etwas allgemeinerer Form gehalten, die allgemeinen Zielsetzungen der österreichischen Präsidentschaft, untergliedert in Kapitel, Überschriften, Themen. Das erste Thema, mit dem ich beginnen möchte und


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das auch in der Debatte erwähnt worden ist, ist die Frage der Zukunft Europas, die Frage der Zukunft des Verfassungsvertrages.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, es wird uns vorgeworfen – das wird der Regierung, dem Außenministerium, mir vorgeworfen, immer wieder auch in Debatten –, dass wir uns da relativ unambitionierte Ziele stecken. Ich meine, uns muss bewusst sein: Wo stehen wir heute, und wo werden wir aller Voraussicht nach am Ende unserer Präsidentschaft stehen?

Es haben, wie heute schon erwähnt wurde, 13 Staaten ratifiziert, eine 14. Ratifikation ist noch in Schwebe. Der eine oder andere Staat mag noch dazukommen – es ist zum Beispiel davon die Rede, dass möglicherweise Belgien noch dazukommt, vielleicht Estland, vielleicht die Slowakei –, aber es wird sich Ende Juni 2006 gegenüber der heutigen Situation nichts Wesentliches verändert haben. Das heißt, Ende 2006 wird keineswegs noch klar sein beziehungsweise wird sogar sicher sein, dass nicht einmal die Vierfünftelmehrheit, wie sie im Verfassungsvertrag für eine besondere Vorgangs­weise vorgesehen ist, erreicht werden kann.

Das heißt, die Ambition, die sich die österreichische Präsidentschaft im besten Falle stellen kann – und diese Ambition haben wir! –, ist, diese Debatte über die Zukunft Europas, über den Verfassungsvertrag voranzuführen, die nationalen Debatten zusam­menzufassen und zu versuchen, gute, tragfähige, konsensfähige Impulse für die Zukunft zu geben. Dieses Ziel halte ich durchaus für ein ambitioniertes Ziel, und ich glaube, dass wir auch gut gerüstet sind, um dieses Ziel zu erreichen.

Es ist heute völlig zu Recht sehr oft davon die Rede gewesen, dass die Glaub­würdigkeit der Europäischen Union, das Vertrauen in die Europäische Union in den letzten Monaten und Jahren Schaden genommen haben. In der Tat ist heute die Zustimmung in vielen Ländern – auch in Österreich, vielleicht gerade auch in Öster­reich – zur Europäischen Union insgesamt zurückgegangen. Sehr eng damit ver­bunden ist die Frage, was die Europäische Union für die Bürgerinnen und Bürger denn tatsächlich an Mehrwert bietet, insbesondere im Zusammenhang mit Beschäftigung und Wirtschaftswachstum.

Die Menschen stellen sich die Frage: Was kann die Europäische Union dazu beitragen, dass mein Arbeitsplatz sicher ist, dass meine Erwartungen an das Leben erfüllt werden, dass meine Absicherungen, meine sozialen Absicherungen gegeben sind, dass die Umwelt sauber ist, dass die Sicherheit der Lebensmittel gewährleistet ist? – Und hier müssen wir – ich glaube, das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig – konkrete Antworten geben.

Ich kann Ihnen versichern, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die öster­reichische Präsidentschaft bemüht sein wird, gerade auf diese Fragen, die das europäische Lebensmodell betreffen, auf die Fragen: Wie wollen wir in Europa leben? Was ist uns wichtig? Welche sind unsere Werte? Worauf müssen wir achten?, ganz konkrete Antworten zu geben und die Präsidentschaft unter der Überschrift zu führen: Wir wollen konkret etwas dazu beitragen, dass die Menschen wieder Vertrauen in die Europäische Union, in das europäische Friedensprojekt, wie heute wieder erwähnt wurde, gewinnen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtigerweise auch gesagt worden, und zwar von Herrn Professor Konecny, dass die Agenda der Präsidentschaft zu 90 Pro­zent vorgegeben ist. – In der Tat: Ich glaube, wenn wir davon sprechen, was die österreichische Präsidentschaft überhaupt auf die Tagesordnung setzen kann, müssen wir davon ausgehen, dass ein sehr großer Teil bereits durch die Entwicklung, durch die aktuellen Aktivitäten, durch das Europäische Parlament, durch die Kommission, durch


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den Rat vorgegeben ist. Das heißt, es bleibt ein relativ kleiner Spielraum dafür übrig, was sich eine Präsidentschaft mit hoher Priorität vornehmen kann.

Es wurde – und dafür bin ich auch sehr dankbar – von allen Rednern zustimmend gesagt, dass zu begrüßen ist, dass sich die österreichische Präsidentschaft vorge­nommen hat, für die Balkanregion eine Priorität zu setzen. Ich kann Herrn Bundesrat Schennach nur Recht geben – auch ich stolpere immer wieder über den Begriff „Balkan“ oder „Westbalkan“, in allen Dokumenten der Europäischen Union findet sich dieser Ausdruck, es ist sozusagen der Terminus technicus, über den wir nicht hinweg­kommen, aber natürlich sprechen wir von den Ländern der Region Südosteuropa.

Ich glaube, dass mannigfaltig Gründe dafür sprechen, dass sich die österreichische Präsidentschaft dieser Region ganz besonders widmet. Die historischen und menschlichen Verbindungen in diese Region wurden bereits erwähnt. Es sind darüber hinaus – das möchte ich an die erste Stelle stellen – natürlich auch sicherheitspoliti­sche, stabilitätspolitische Überlegungen, die dazu führen, dass wir uns dieser Region ganz besonders annehmen wollen.

In der Tat ist das europäische Friedensprojekt heute etwas Selbstverständliches geworden. Der Generation meiner Tochter – sie ist 22 Jahre alt – bedeutet der Frieden in Europa gar nichts mehr; er ist selbstverständlich geworden. Wer würde heute noch von einem Krieg zwischen Deutschland und Frankreich oder zwischen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgehen? Das ist undenkbar, aber das Friedensprojekt Europa, das Projekt Europa als Vorkämpfer für bestimmte Werte ist heute so aktuell wie früher.

Und wenn wir heute davon sprechen, dass es noch eine Gefahr für die Stabilität, für den Frieden in Europa geben kann, dann ist das die Region des Balkans, dann ist das die Region Südosteuropa, wo, wie wir im März vergangenen Jahres gesehen haben, immer noch gewisse Gefahren gegeben sind. Daher glauben wir, dass wir durch eine Bekräftigung – und das ist der Sinn dieses Balkan-Schwerpunktes – der europäischen Perspektive für diese Länder diese Länder ermutigen, weiterhin auf dem Weg der Reformen, auf dem Weg der Annäherung und der Eingliederung in Europa weiter­zugehen. Und dabei wollen wir diesen Ländern helfen.

Es ist keineswegs so, dass wir uns nur auf das eine oder andere Land konzentrieren wollen – es wurde, glaube ich, gesagt, dass wir uns nur auf Serbien und Montenegro konzentrieren wollen, nur auf den Kosovo-Konflikt. Nein! Unsere Absicht ist es, uns in diesem halben Jahr der Situation in allen betroffenen Ländern zu widmen, zu schauen, wie weit diese Länder auf ihrem Weg nach Europa sind, was wir dazu beitragen können, sie in dieser europäischen Perspektive zu bestärken. Das ist ein ganz besonders wichtiges Anliegen der österreichischen Präsidentschaft, und das ist eine echte Kürleistung, wenn Sie so wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind sehr viele Themen erwähnt worden, ich kann nicht auf alle eingehen, und zwar auch deswegen, weil ich hier als Staatssekretär im Außenministerium spreche und viele Themen, die hier angesprochen worden sind, nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fallen – das heißt aber nicht, dass ich mich davor drücken möchte –, aber ich möchte doch noch das eine oder andere Wort zu den in der Debatte vorgebrachten Punkten sagen.

Erstens: Erweiterung. Die Erweiterung ist ein Thema, das zweifellos – vor dieser Tat­sache können wir uns nicht verstecken – auch zum Vertrauensschwund in der Bevölkerung beigetragen hat. Wahrscheinlich ist sehr vieles zu schnell gegangen, vielleicht ist auch zu vieles erfolgt, ohne dass die Menschen das Gefühl gehabt haben, dass man sie fragt, was sie eigentlich haben wollen.


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Was nun ganz konkret die einzelnen Schritte der Erweiterung betrifft, möchte ich doch sehr dezidiert dem widersprechen, was hier gesagt worden ist, nämlich dass sich die österreichische Präsidentschaft zum Beispiel vornimmt, in der Frage Türkei nichts zu tun. Die laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und die laufenden Beitritts­verhandlungen mit Kroatien sind nunmehr auf Schiene. Der Beschluss durch den Rat ist gefallen, nunmehr finden die ganz normalen Prozeduren statt. Es gibt Arbeits­gruppen, die Kommission macht ihre Fortschrittsberichte, das Parlament diskutiert diese Fortschrittsberichte regelmäßig – die Präsidentschaft kann hier relativ wenig beitragen. Es liegt nicht an der Präsidentschaft, in einem Fall auf das Gaspedal und im anderen Fall auf die Bremse zu steigen, sondern das nimmt den normalen Lauf. Es gibt jetzt, wie Sie wissen, ein „Acquis Screening“, und danach werden die einzelnen Kapitel, eines nach dem anderen, einer Prüfung unterzogen.

Was die Frage Rumänien und Bulgarien betrifft, so wissen wir alle, dass der Beitritts­vertrag unterschrieben worden ist, dass er in der Zwischenzeit von sieben oder acht Staaten ratifiziert worden ist und er – er wurde auch von Österreich unterschrieben – die Möglichkeit vorsieht, den Beitritt, wenn es nunmehr tatsächlich erforderlich sein sollte, um ein Jahr zu verschieben. Hier ist zunächst die Kommission am Ball. Die Kommission, die regelmäßig Fortschrittsberichte macht, wird dem Rat vorzuschlagen haben, wie da vorzugehen ist.

Ich darf auch auf die Kritik, die hier vorgebracht worden ist, eingehen, dass die Bundesregierung, die einzelnen Bundesminister den Artikel 23e der Bundesverfassung nicht erfüllen. Ich widerspreche dem. Ich habe mir die Zahl geben lassen. Es sind in dieser Legislaturperiode 56 000 Dokumente vorgelegt worden, und ich kann Ihnen versichern – ich weiß das –, dass sich die Bundesregierung dieser Verantwortung sehr wohl sehr bewusst ist und alle Vorhaben – und dieser Begriff, der, wie Sie wissen, zu Beginn, nachdem diese Bestimmung eingefügt wurde, etwas schwammig war und von dem nicht ganz klar war, wie er auszulegen ist, wird nun extensiv ausgelegt – unverzüglich an das Parlament weiterleitet.

Was die angesprochene Frage der Verlängerung der Übergangsfristen betrifft, so ist diese Entscheidung bis Ende April, bis Ende des ersten Quartals fällig. Es ist also keineswegs noch in irgendeiner Form irgendeine Informationspflicht hier verletzt worden. Das möchte ich doch mit allem Nachdruck feststellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Nur am Rande darf ich erwähnen – weil ich mich auch ein bisschen betroffen fühle, nicht in meiner neuen Eigenschaft als Staatssekretär, sondern in meiner früheren Eigen­schaft als Beamter des Außenministeriums –: Gar so unauffällig war die erste österreichische Präsidentschaft keineswegs. Ich glaube, die erste österreichische Präsidentschaft war eine sehr gute. Es hat immerhin die sehr wichtige Entscheidung über die Aufnahme der Verhandlungen mit den zehn in der Zwischenzeit Mitglied­staaten gewordenen Ländern gegeben. Ich glaube, das war schon eine sehr wichtige Leistung, und möchte mich durchaus gegen den Begriff „unauffällige Präsidentschaft“ wehren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind hier in mehrfacher Hinsicht die Menschenrechte angesprochen worden. Ich bitte, mir zu glauben – die, die mich von früher kennen, wissen das –, dass ich mich den Menschenrechten in ganz besonderem Maße verpflichtet fühle. In der Tat ist die Gründung der Europäischen Menschen­rechtsagentur eine ganz wichtige Aufgabe. Ich glaube, wir Österreicher können sehr stolz darauf sein, dass die Europäische Menschenrechtsagentur in Wien angesiedelt sein wird.

Ich kann den Befürchtungen, die in diesem Zusammenhang immer wieder geäußert werden, auch als ehemaliger Ständiger Vertreter Österreichs beim Europarat sehr


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energisch widersprechen, nämlich, dass hier in irgendeiner Form daran gedacht ist, Doppelgleisigkeiten oder Überschneidungen mit dem Europarat entstehen zu lassen. Es wird mit Sicherheit Synergieeffekte geben. Die beiden Institutionen, die Europäische Union durch ihre Menschenrechtsagentur auf der einen Seite und der Europarat mit seinem Menschenrechtsbeauftragten, mit dem Europäischen Gerichtshof und den anderen Institutionen des Europarates auf der anderen Seite, werden einander ergänzen. Darauf wird Österreich ganz besonders achten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist von sehr vielen Rednern die Dienstl­eistungsrichtlinie angesprochen worden. Ich möchte das inhaltlich nicht kommentieren. Es fällt auch nicht in die Zuständigkeit des Außenministeriums, wie Sie wissen. Ich möchte dazu aber doch etwas ganz allgemein vom Standpunkt der Präsidentschaft aus sagen.

Die Europäische Union funktioniert natürlich – das wissen Sie genauso gut wie ich – nach sehr genauen Regeln und Kompetenzaufteilungen. Wenn heute gesagt wird, es ist wahrscheinlich, dass die österreichische Präsidentschaft gar nicht in der Lage sein wird, dieses Thema, dieses Dossier zu beenden, dann hängt das damit zusammen, dass die Debatte im Europäischen Parlament ja noch nicht einmal abgeschlossen ist, dass es zwar einen Ausschussbericht gegeben hat, der aber nicht einmal noch konsolidiert ist. Das muss erst noch im Plenum des Parlaments behandelt werden, und wir wissen noch nicht einmal, wie der Ausgang dieser Debatte im Plenum sein wird. Es wird sich mit Sicherheit in den Jänner und Februar hinausziehen, und erst dann kann und wird die Kommission sich überlegen, welchen neuen Vorschlag sie vorbringen wird. Das wird sich mit Sicherheit erst im Spätfrühjahr ausgehen.

Das heißt, es wird aus heutiger Sicht nicht einmal unter den ambitioniertesten Vor­stellungen, die wir als österreichische Präsidentschaft haben könnten, möglich sein, dass dieses Thema endgültig von der österreichischen Präsidentschaft erledigt wird. Das hat keineswegs damit zu tun, dass wir irgendjemandem eine heiße Kartoffel weiterschieben wollen, sondern das hängt einfach mit den Prozeduren, mit den Verfahren in der Europäischen Union zusammen.

Was den Inhalt betrifft, nur eine ganz allgemeine Bemerkung: Das Europäische Parla­ment, die Mitgliedstaaten, die Sozialpartner, alle beschäftigen sich mit diesem Thema, und letztlich wird ein Kompromiss herauskommen müssen, der einerseits den Interessen der Dienstleistungsexporteure entspricht – und Österreich ist ein Netto­exporteur von Dienstleistungen; wenn Sie daran denken, dass heute die Versiche­rungswirtschaft, die Bankenwirtschaft in Osteuropa natürlich auch ein Interesse hat, dass hier Regeln zustande kommen, die unseren Interessen, die aber genauso selbstverständlich auch den Interessen der Gewerbetreibenden, den Interessen der Konsumenten, den Interessen der arbeitenden Menschen Rechnung tragen –, es wird nach einer, glaube ich, sehr eingehenden Diskussion, an der sich alle beteiligen sollen und müssen, auch die Sozialpartner, ein tragfähiger Kompromiss herauskommen, der gut für Europa und gut für unsere eigenen Interessen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist hier auch angesprochen worden – und damit will ich dann auch schließen –, dass die österreichische Präsidentschaft sich auch der Frage der angeblichen CIA-Überflüge, der Gefangenenlager widmen wird müssen. Ich als Menschenrechtler verlange, bevor man überlegt, welche Gegen­maßnahmen man trifft, welcher Art auch immer, welchen Artikel man in Anwendung bringt, dass man zunächst einmal Sicherheit darüber hat, was überhaupt Sache ist. In diesem Sinne können wir nur begrüßen, dass das Vorsitzland Vereinigtes Königreich, der Vorsitzende des Rates Jack Straw, nunmehr offiziell an die amerikanische Seite mit der Bitte um Aufklärung herangetreten ist. Das tut er ja im Namen der gesamten Europäischen Union, und selbstverständlich ist das auch im österreichischen Interesse,


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und wir werden als Österreich und als zukünftiger Vorsitzender der Europäischen Union selbstverständlich alles tun, damit die Verpflichtungen aus den internationalen Abkommen, insbesondere aus der Europäischen Konvention für Menschenrechte, aber auch etwa dem Antifolter-Abkommen der Vereinten Nationen, Rechnung getragen wird. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben, und in diesem Sinne, Herr Professor Konecny, wird selbstverständlich auch die Anfrage des Europarates beantwortet werden.

Ich danke noch einmal für das Vertrauen, das hier in die zukünftige österreichische Präsidentschaft ausgesprochen wurde. In der Tat: Ich glaube, wir sind gut vorbereitet, und nicht nur das Außenministerium, sondern alle Ressorts haben ihre Hausaufgaben gemacht. Was mich persönlich und auch meine Kolleginnen und Kollegen betrifft: Wir freuen uns auf diese Aufgabe, denn es ist eine spannende Aufgabe. Es wird Österreich auch Gelegenheit bieten, sich nicht nur in touristischer Hinsicht, wie heute schon erwähnt wurde – die schönen Berge im Hintergrund –, sondern auch als Land, das die Menschenrechte achtet, als Wirtschaftsstandort zu präsentieren. Ich glaube, das ist eine gute Gelegenheit, und ich habe mir persönlich vorgenommen – das ist mein ganz persönliches Ziel –, dass am 30. Juni 2006 die Zustimmung zur Europäischen Union in der österreichischen Bevölkerung doch um einiges höher ist als heute. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

13.25


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Wortmeldung, die mir vorliegt: Herr Bundesrat Kampl. – Bitte.

 


13.25.38

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte einleitend ganz kurz skizzieren, warum ich zu dieser Materie spreche. Ich vertrete die 35. österreichische Europagemeinde und bin sehr stolz darauf. Wir haben 250 000 Besucher, und unsere Aussage nach außen und für unsere Gäste lautet: Wir sind die Stätte europäischer Begegnung.

Ich kann Ihnen aber auch eines versichern: dass es bei der Abstimmung für Österreich zwei freiheitliche Abgeordnete waren – und zwar Abgeordneter Hirnschall und Abge­ord­neter Kampl –, die damals für das gemeinsame Europa gestimmt haben.

Mit zehn Jahren österreichischer Mitgliedschaft und den Erfahrungen, die wir gemein­sam eingebracht haben, wird Österreich sicher in der Lage sein, die Herausforderun­gen, die mit der Übernahme der Präsidentschaft anstehen, gut zu erfüllen. Ich bin überzeugt, dass für die 25 Staaten und die 450 Millionen Menschen, für die Österreich die Verantwortung übernehmen wird, die ersten sechs Monate des Jahres 2006 sicher gut sein werden.

Meine Damen und Herren! Aber wir sollten stolz sein, wir sollten selbstsicher sein, dass wir diese Präsidentschaft überhaupt übernehmen können! Österreich gehört zu jenen Staaten, die ihre Hausaufgaben in allen Bereichen gemacht haben. Wir sind ein Vorzeigeland nicht nur für Europa, sondern für die Welt, im Sozialen, im Wirt­schaftlichen, in der Völkerverständigung, im Demokratiebewusstsein und in vielen anderen Bereichen.

Österreich hat in seiner Präsidentschaft viele Möglichkeiten. Herr Staatssekretär, Sie haben uns viele davon aufgezeigt, und ich hoffe, dass diese auch genützt werden. Die Mittelaufbringung für die Europafinanzen ohne Ausnahmen wird sicher eine Schwer­punktaufgabe sein, ebenso die europäische Geschäftsordnung beziehungsweise die Verfassung, der Schutz der europäischen Landwirtschaft bezüglich der amerikanischen


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Importschwemme, eine Transitverantwortung mit Rücksichtnahme, zum Beispiel eine Nord-Südtirol-Verbindung. Bürgerinteressen sollen verankert und auch entsprechend respektiert werden, und die Abschöpfung der Billigimporte aus China, der Schutz der heimischen Wirtschaft, die Verantwortung für jugendliche Arbeitslose werden weitere Schwerpunkte sein. Ich bin der Meinung, die Ereignisse von Paris waren ein Fingerzeig für uns alle, wo wir in Zukunft mehr Verantwortung tragen beziehungsweise über­nehmen müssen.

Was die Asylanten-Frage angeht, muss es uns gelingen, eine einheitliche Einwanderungspolitik zustande zu bringen, ebenso eine rechtliche Regelung, Herr Staatssekretär, auch bezüglich der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Beschlüsse für alle Mitgliedstaaten.

Eine der Schwerpunktaufgaben der österreichischen Präsidentschaft sollte es auch sein, alles zu tun, dass die 112 000 Gemeinden, die in 89 Regionen leben, besser zusammenarbeiten und sich zusammenfinden. Es sollten gegenseitige Vorbehalte der Völker abgebaut werden und die österreichische Erfolgspolitik auch den neuen EU-Mitgliedern zugute kommen, wie zum Beispiel verpflichtende einheitliche Emissions­normen. Europa sollte als gemeinsames Land den Asiaten und den amerikanischen Importen, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, entgegentreten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, dass die österreichische Präsidentschaft eine gute sein wird. Wir sollten voll und ganz hinter ihr stehen und mit vollem Selbstvertrauen auch in Zukunft für unser schönes Land eintreten. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

13.30


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

 


13.30.54

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Es wurde von Frau Kollegin Dr. Lichtenecker ein Entschließungsantrag zum Thema Dienstleistungsrichtlinie einge­bracht, in dem unter anderem gefordert wird, dass sich die österreichische Ratsprä­sident­schaft dafür einsetzen soll, dass dieser Richtlinienentwurf zurückgezogen werden soll. Dazu gleich einmal eine formale Anmerkung: Der Bundesrat kann Ent­schließungen beschließen, die auf den Vollzug gerichtet sind, auf den Vollzug der Bundesregierung, kann aber nicht die Ratspräsidentschaft binden, eine bestimmte Haltung zu einem bestimmten Thema einzunehmen. (Bundesrat Konecny: Ah, das ist nicht die Bundesregierung?!) Das ist europarechtlich bedenklich, das hat mit der Bundesregierung, wie Herr Professor Konecny richtig sagt, nichts zu tun. (Bundesrat Konecny: Doch!) – Das ist das eine. (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das Zweite, was mir beim Durchlesen – und ich habe den Antrag ganz genau durchgelesen – aufgefallen ist, war, dass hier Dinge gefordert werden, die auf Grund der Entwicklung im Binnenmarktausschuss in den letzten 14 Tagen bereits durch­gesetzt sind, wie zum Beispiel die Positivliste, wie die Leistungen der Daseinsvorsorge sowie weitere sensible Bereiche, Gesundheitsdienstleistungen, soziale Dienstleistun­gen, Bildung, Kultur, Audiovision. – Die Post haben Sie übrigens vergessen, die ist nämlich auch ausgenommen worden in der letzten Debatte im Binnenmarktausschuss. (Bundesrat Konecny: Aber das hat ja noch nicht die Zustimmung des Plenums!) – Nein, im Plenum sind wir noch gar nicht, wir sind jetzt im Binnenmarktausschuss gewesen. (Bundesrat Konecny: Aber hier ist es noch nicht abgeschlossen!) Im Plenum wird es eine Abstimmung geben über diese neuen Anregungen, auch über


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diese mehr als 1 200 Anregungen (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das wissen wir, Herr Kollege!), die das Parlament gemacht hat. (Bundesrat Konecny: Davon geht dieser Antrag aus!) Herr Kollege, lassen Sie mich bitte ausreden! Sie können dann Ihre Ergänzungen noch anfügen.

Ich glaube, dass diese Dienstleistungsrichtlinie auf dem richtigen Weg ist, weil sehr viele Anregungen bereits verwirklicht sind. Warten wir jetzt einmal mit wachsamem Auge auf das neue Papier, das dem Plenum dann auf Grund der bisherigen Debatte vorgelegt wird. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Handeln muss man, nicht warten!) Nein, nein, handeln – mit Wachsamkeit, habe ich gesagt. (Bundesrat Schennach: Wenn der eigene Minister sogar aufgefordert werden muss, mitzumachen ...!)

Wichtig ist für Österreich in diesem Zusammenhang, dass bereits auf Grund der zahlreichen Ausnahmeregelungen diese Bedenken bezüglich Sozialdumping und so weiter unbegründet sind. Oder: Kürzlich habe ich gelesen, dass es einen Zusam­menbruch des österreichischen Arbeitsrechtes geben soll! Da wird der Teufel an die Wand gemalt, bitte! Wir sind dazu da, die richtigen Entscheidungen zu treffen, den Menschen Hoffnung zu geben, nicht, um ihnen Angst zu machen und zu sagen, alles wird schlecht, alles wird furchtbar. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Ihr macht Angst! – Bundesrat Schimböck: Wettbewerbsschutz!) Wir machen nicht Angst, wir geben Hoffnung, Hoffnung auf mehr Beschäftigung in Europa. Das erwarten sich nämlich die Bürgerinnen und Bürger von Europa: Dass es mehr Wachstum und dass es mehr Arbeitsplätze gibt.

Diese EU-Dienstleistungsrichtlinie ist ein Instrument dazu, dieses Ziel zu erreichen. Schon heute entfallen 70 Prozent der Wirtschaftsleistung und 60 Prozent aller Arbeitsplätze in Europa auf den Dienstleistungssektor. 50 Prozent des Bruttoinlands­produktes der Europäischen Union werden im Dienstleistungssektor kreiert. Daher ist diese Richtlinie ganz besonders wichtig, wenn wir uns alle der Aufgabe und dem Ziel verpflichtet fühlen, mehr Arbeit und mehr Beschäftigung in Europa zuzulassen und zu fördern.

Ich glaube, dass es sinnvoll ist, diese Strategie weiterzuentwickeln, und dass diese Abänderungsanträge zu wesentlichen Verbesserungen im Europäischen Parlament geführt haben. Die zahlreichen ... (Bundesrat Schimböck: Flickwerk!) Nein, das ist kein Flickwerk, das ist ein Kompromiss! Das ist aber unser tägliches Brot in der Politik, einen ständigen Verbesserungsprozess zu gerieren und darauf hinzuarbeiten, dass sich die Rahmenbedingungen für die Menschen in unserem Land und in Europa sukzessive und ständig verbessern. (Bundesrat Schimböck: Zurück an den Start!)

Ja, zurück an den Start! Da hast du noch die alte Vorlage der Kommission, die vor diesen tausend Abänderungsanträgen vorgelegt worden war. Da kann man dann sagen: Zurück an den Start! Das wäre berechtigt. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man muss sich ja auch vor Augen führen, dass das eine zugegebenermaßen sehr komplexe Materie ist und dass das Ganze nicht mit einfachen Worten abgetan ist. Das muss man einer genauen Analyse unterziehen, man muss eine genaue Diagnose erstellen, wie man an dieses Thema herangeht. Es gibt nämlich in diesem Bereich zwei große Denkfehler: Grundsätzlich muss vor jeder sachlichen Auseinandersetzung mit der Dienstleistungsrichtungslinie einmal festgestellt werden: Der heutige Stand der Verhandlungen ist vom ursprüng­lichen Kommissionsvorschlag, wie bereits erwähnt, meilenweit entfernt! (Ruf bei den Grünen: Das wissen wir ja ...!) Darum frage ich mich, warum dann der Entschließungs­antrag gekommen ist. (Ruf bei den Grünen: Das ist unsere Sorge, und nicht ...!)

Zweitens: Obwohl von vielen Politikern und Medien der Schwerpunkt der Debatte auf das Herkunftslandprinzip gelegt wird, ist die Dienstleistungsrichtlinie ja wesentlich


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mehr. Es ist eine unzulässige Verkürzung, ausschließlich die Frage des Herkunfts­landprinzips zu diskutieren. (Bundesrat Schimböck: Das ist die Kernfrage!) Ja, lieber Wolfgang! Es muss klar sein, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht mit der Dienstleis­tungs­richtlinie erfunden wird. Die Dienstleistungsfreiheit ist schon längst ein Grund­prinzip der Europäischen Union! Jetzt gilt es, diesen Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union Rechtssicherheit zu geben und rechtliche Rahmenbedingungen zu verleihen. Jetzt ist es eher ein Wildwestgeschehen: Es fährt jeder schon überall hin und macht etwas. Es geht darum, durch diese Maßnahme Rechtssicherheit in den Dienstleistungssektor in Europa hineinzubringen, ohne dass man dabei etwas zerstört und mit der Wirkung, mehr Arbeitsplätze in diesem Lande zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist bereits festgelegt, dass die Dienst­leistungsrichtlinie von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist. Darunter fallen unter anderem die Ausnahmen, die Sie nicht konsequent in diesem Entschließungsantrag aufgeführt haben. Wir sind ja schon wesentlich weiter als die Festlegungen im Entschließungsantrag. Da steht drinnen: Ausgenommen sind die Postdienste, die Elektrizitätsversorgung und Elektrizitätsübermittlung, die Gasweiterleitung und Gas­versorgung, die Wasserversorgung, die Abfallbehandlung, die sozialen Dienste. – All das ist ja schon drinnen, bitte! Es sollte schon auch eine Präzisierung und eine gewisse Genauigkeit an den Tag gelegt werden, wenn wir dieses Hohe Haus mit solchen Entschließungsanträgen beschäftigen. Das möchte ich auch einmal sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Binnenmarktausschuss – ich gebe Ihnen den letzten Stand bekannt – hat eine wesentliche Grundsatzentscheidung getroffen, und ich bin sicher, dass dies das Plenum im Europäischen Parlament übernehmen wird: Dienstleistungen von allge­meinem Interesse werden aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie komplett ausge­nommen. – Jetzt geht es um die Definition: Was ist das? – Was nun genau in solchen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse geregelt wird, soll jeder Mitgliedstaat im Sinne des Subsidiaritätsprinzips selbst festlegen. – Das steht im Protokoll des Binnen­marktausschusses drinnen.

Wir haben x Tagungen über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in Europa bisher durchgeführt. Dass wir uns hier in diese Diskussion einbringen, das verstehe ich darunter. Da sind nicht nur die Arbeiterkammer und die Wirtschaftskammer gefordert, alle Sozialpartner, alle sollen mithelfen, dass wir hier das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung bringen. Dann wird das zu mehr Arbeit, zu Wirtschaftswachstum, zu sozialem Frieden und zu einer besseren Zukunft in Europa beitragen.

So, wie dieser Antrag formuliert ist, können wir dem sicher nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.41


Präsident Peter Mitterer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Doch! Es liegt noch eine von Herrn Bundesrat Schennach vor. – Bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

 


13.41.22

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Kollege Kneifel, kann ich das letzte Wort haben? – Ich muss ehrlich sagen, was schon Lach­stürme hervorruft, ist erstaunlich. Möglicherweise ist der Grund dafür die Uhrzeit. Kollege Kühnel, es sei Ihnen unbenommen.

Der federführende Binnenmarktausschuss, Herr Kollege Kneifel, des Europäischen Parlaments hat – wie Sie sagen – am 22. November über den Kommissionsentwurf


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abgestimmt und dabei doch einige wesentliche Chancen nicht ergriffen: In drei zentralen Bereichen ist nämlich nichts geschehen. Was Sie hier machen, ist eine Nebelwerferei der Sonderklasse. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Erstens: Der Ausschuss weigerte sich, die Dienstleistungen von allgemeinem wirt­schaftlichem Interesse aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. Das ist zum Beispiel die Abfallentsorgung und die Wasserversorgung.

Ich weiß nicht, was Sie da für Geschichten erzählen? (Bundesrat Reisenberger: Weihnachtsmärchen!) – Es ist noch nicht die Zeit.

Ebenso hat der Ausschuss festgehalten und abgestimmt, dass man am Herkunfts­landprinzip festhält und dass die Dienstleistungsrichtlinie – das ist wieder richtig, das ist ein wesentlicher Erfolg dieses Ausschusses gewesen – nicht das jeweilige Arbeitsrecht beeinträchtigt. – Da könnten Sie aber auch dazusagen, wer diesen Erfolg herbeigeführt hat: Die christdemokratische Fraktion war es nicht. Das war keine Initiative der Christdemokraten, aber das ist eines der wenigen Dinge, die positiv waren. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Die Regeln zur Erbringung von Dienstleistungen europaweit zu harmonisieren, hat die Mehrheit der europäischen Abgeordneten abgelehnt, das heißt, es wird an Dienstleis­tungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, der Daseinsvorsorge, festge­halten.

Bitte, lieber Kollege Kneifel, erzählen Sie hier keine Märchen! (Bundesrat Bieringer: Die Märchentante seid ihr!) – Ich weiß nicht, Kollege Bieringer, wollen Sie ein Ausschussprotokoll des Europäischen ... (Bundesrat Bieringer: Die Märchentante seid ihr! – Bundesrätin Bachner: Wenn schon: Onkel!) – Wissen Sie, ich zitiere ... (Bun­desrat Bieringer: Märchentante! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Herr Kollege Bieringer! Das ist der Binnenmarktausschussbericht. Ich weiß nicht, wo Sie die Märchen finden. (Bundesrat Bieringer: Märchentante!) – Ich weiß, es tut weh. Ja, die christdemo­kratische Fraktion war nicht dabei. Es ist richtig: Sie waren nicht dabei. Tut mir Leid! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

13.44


Präsident Peter Mitterer: Es liegt dazu jetzt keine Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmungen über die gegenständliche Berichte erfolgen getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten über die österreichische EU-Präsidentschaft 2006.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Dr. Lichtenecker, Professor Konecny, Kollegin­nen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Rücknahme des Entwurfs der Dienstleistungsrichtlinie vor.

Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E 196-BR/05.) (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Jahresvorschau des BMAA 2005 auf der Grundlage des operativen Jahresprogramms des Rates sowie des Legislativ- und Arbeits­programms der Kommission und des Strategieprogramms der Kommission 2005–2009.

Ich ersuche auch hier jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustim­men, den gegenständliche Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist wiederum Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

13.46.37 7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die wechsel­seitige Vertretung beider Staaten durch deren Vertretungsbehörden hinsichtlich der Erteilung von Visa für den Flughafentransit (Visum A), zur Durchreise (Visum B) und zum kurzfristigen Aufenthalt (Visum C) (982 d.B. und 1180 d.B. sowie 7411/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Überein­kommen der Vereinten Nationen gegen Korruption (1062 d.B. und 1181 d.B. sowie 7417/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 7 und 8 ist Herr Bundesrat Bader. Ich bitte um die Berichte.

13.47.07

Berichterstatter Karl Bader: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe die Berichte zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8. Diese beiden liegen in schriftlicher Form allen Bundesräten vor.

Ich komme daher zur Antragstellung, zunächst zum Tagesordnungspunkt 7.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 29. November 2005 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 8: Hier geht es um den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption.

Ich darf hier im Namen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten nach Beratung der Vorlage am 29. November berichten, dass mit Stimmeneinhelligkeit folgender Antrag gestellt wird:

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 87

Präsident Peter Mitterer: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

13.48.44

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretár! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Erlauben Sie mir, dass ich, bevor ich zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien bezüglich der Erteilung von Visa komme, kurz auf die Schlagzeilen, die heute in den verschiedenen Zeitungen zu finden sind, eingehe.

„Oberösterreichische Nachrichten“ (die Rednerin hält die genannte Zeitung in die Höhe): „Visa-Skandal. Nun österreichisches Konsulat in Kiew unter Verdacht“. – Ein Kommentar in der gleichen Zeitung: „Außenamt: Sumpf für Korruption“. (Bundesrat Reisenberger: Na hört, hört! – Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Der „Standard“ berichtet: „Neuer Skandal an österreichischer Botschaft“. – Diese Zeitungs­artikel, vor allem aber den „Standard“, zitiere ich hier.

„Nach Informationen des ,Standard’“ – ich zitiere – „werfen Fahnder des Innen­ministeriums Mitarbeitern der Konsularabteilung vor, sich von ukrainischen Schlepper­organisationen bestechen haben zu lassen. Im Ermittlungsakt ist von einem ,kriminellen Netzwerk‘ die Rede – auch ,auf der Seite ausführender Beamter‘.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn in diesem Zitat sowie in dem Artikel, den ich vorhin zitiert habe, von einem kriminellen Netzwerk gesprochen wird, wenn das stimmt, was da behauptet wird, dann ist es wirklich ein Skandal! Lieber Herr Staatssekretär! Ich fordere Sie auf, dass diese Berichte ganz genau kontrolliert, untersucht und aufgeklärt werden!

Und nun komme ich zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien hinsichtlich der Erteilung von Visa. Jede positive und konstruktive Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus ist, meine Damen und Herren, sehr positiv, aber nicht nur positiv, sondern sie ist notwendig, ja sogar unverzichtbar. Und gerade ich als Kärntnerin, die ich 30 Kilometer von der slowenischen Grenze entfernt lebe, weiß, wovon ich rede.

Warum ist dies so wichtig? – Deswegen, weil uns dadurch die Möglichkeit geboten wird, andere Länder in allen Bereichen, und zwar sowohl im wirtschaftlichen Bereich, im sozialen Bereich als auch im kulturellen und im sprachlichen Bereich besser kennen zu lernen, besser zu verstehen, damit Vertrauen aufzubauen, Probleme miteinander zu besprechen und auch Projekte gemeinsam zu organisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor allem in einer Zeit, in der sich Europa vereint, ist, so meine ich, eine positive Zusammenarbeit zwischen den Ländern ein unbedingtes Muss. Sehen wir diese positive Zusammenarbeit als Chance, als Bereicherung und nützen wir diese Chancen! Deswegen ist jede Möglichkeit, die zu einer Verbesserung und zu einer Erleichterung des Miteinander führt und zu einem positiven Zusammenleben zwischen den Ländern beiträgt, nur zu begrüßen.

Mit dem vorliegenden Abkommen wird die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Slowenien im Konsularbereich vertieft. Das Abkommen regelt die Bedingungen, unter denen bis zur Inkraftsetzung des Schengener Durchführungsübereinkommens für die Republik Slowenien österreichische Vertretungsbehörden Hilfestellung bei der Entge­gennahme von Visumanträgen gewähren können. Nach In-Kraft-Treten des Schen­gener Durchführungsübereinkommens für die Republik Slowenien sollen auch


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 88

slowenische Vertretungsbehörden Sichtvermerke für Österreich ausstellen. Das ist ein positiver Schritt, und unsere Fraktion wird diesem natürlich zustimmen. (Die Rednerin setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.) – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.54

Präsident Peter Mitterer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Kühnel zu Wort. – Bitte.

 


13.54.14

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem Frau Kollegin Blatnik über den ersten Tagesordnungspunkt, der jetzt gemeinsam mit einem zweiten behandelt wird, ausführlich gesprochen hat, möchte ich nur grundsätzlich dazu sagen, dass ich großes Vertrauen in das Bundesministerium für Inneres und selbstverständlich auch in das Bundesministerium für auswärtige Ange­legen­heiten habe, und meine, dass dieser Visa-Skandal, der zuerst in Ungarn aufgezeigt wurde und sich dann angeblich nach Belgrad und so weiter verzogen hat, entsprechend untersucht wird und dass alle zur Verantwortung gezogen werden. Nur sollte man auch die Ergebnisse abwarten, denn es sind die entsprechenden Schritte ... (Bundesrat Reisenberger: Und dafür hast du zuerst den Herrn Staatssekretär gefragt, ob du das jetzt sagen darfst! Bravo! Eine rhetorische Meisterleistung!) – Was soll das? – Also ich meine, dass das auf jeden Fall entsprechend untersucht wird, und dann wird man weitersehen.

Ich meine, es ist eine wirklich traurige Sache – das gebe ich schon zu –, dass es solche Menschen gibt. Wir müssen eben zur Kenntnis nehmen, dass es das eine oder andere Böse doch in der Welt gibt.

Daher werde ich mich jetzt mehr mit dem zweiten Tagesordnungspunkt beschäftigen, nämlich mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption. Dabei ist daran gedacht, dass die weltweiten Standards in der Korruptionsbekämpfung verein­heitlicht werden, dass eine Definition des Beamtenbegriffs international vorgenommen wird und dass die Vermögenswerte, die entzogen worden sind, an die Ursprungsländer zurückgestellt werden können.

Früher war die Korruption eher ein nationales Problem. Wir stellen allerdings fest, dass es in der Zwischenzeit international geworden ist. Die Globalisierung hat sicher Vorteile. Aber wie bei allem im Leben gibt es nicht nur Vorteile, es gibt auch gewisse Nachteile.

Diese Konvention wurde von 123 Staaten, Mitgliedern der UNO, unterschrieben. Es gibt allerdings ungefähr 190 Mitgliedstaaten der UNO, und es wäre schön, wenn die weiteren 60 oder noch mehr Staaten diese Konvention zumindest unterschreiben würden. Aber – und das stimmt mich nachdenklich – von den 123 Staaten, die das unterschrieben haben, haben es bisher erst 25 ratifiziert. Österreich ist offensichtlich der 26. Staat. Aber weiß Gott wie aufregend ist das auch nicht, denn wenn ich so die Weltpolitik betrachte, dann sieht man, es gibt viele Unterschriften unter allem Möglichen, aber damit das in Kraft tritt, ist halt doch die Ratifikation notwendig.

Und da ist meiner Ansicht nach schon eine kritische Bemerkung anzubringen. Es werden immer wieder neue Abkommen produziert, eine Unterschrift wird relativ leicht gesetzt, aber was dann die Umsetzung, die Ratifikation betrifft, ist es, hört man, dann nicht ganz so, etwa innerstaatlich. Ob es wirklich zu Verurteilungen kommt und jemand vielleicht eine Strafe auch einmal absitzen muss?


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Hier auch eine leise Kritik an der UNO selbst. Wenn ich den Volcker-Bericht des früheren Vorsitzenden des Federal Reserve Board zur Hand nehme, der das Oil-for-Food-Programme für den Irak untersucht hat, muss ich sagen, er hat in dem Bericht festgestellt, dass einerseits der Sohn von Kofi Annan in einer Kontrollfirma tätig war, wo zumindest bisher nicht der Beweis erbracht werden konnte, dass der Vater davon etwas gewusst hat, und dass auch einzelne UNO-Beamte entweder zurückgetreten oder zumindest vom Dienst suspendiert worden sind. Und von den Vereinten Nationen, würde ich schon meinen, sollte eine gewisse Vorbildwirkung ausgehen. Sie sollten nämlich versuchen, zu erreichen, wenn schon solche Sachen abgeschlossen werden, dass ihr eigenes Haus bestens bestellt ist.

Meine Fraktion stimmt selbstverständlich sowohl dem Visumabkommen mit Slowenien als auch dem Übereinkommen gegen Korruption zu. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

13.59


Präsident Peter Mitterer: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


13.59.24

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der Tatsache, dass die letzte Diskussion doch sehr lange gedauert hat, kann ich meine Ausführungen hier kurz halten, vor allem weil auch meine VorrednerInnen im Prinzip inhaltlich schon gesagt haben, worum es bei diesen zwei Punkten geht.

Ich kann meinem Vorredner zustimmen, der gemeint hat, dass ein Abkommen natürlich etwas Schönes ist, aber gleichzeitig kritisiert hat, dass es, wenn es nicht ratifiziert und umgesetzt und gelebt wird, meistens nicht viel bringt.

Da wird es an der Staatengemeinschaft liegen, auch dafür zu sorgen, dass man auf die entsprechenden Länder, die es eben nicht so eilig haben, diese Abkommen umzu­setzen, den nötigen Druck ausübt. Und ich hoffe, dass auch Österreich hier eine Rolle übernehmen kann. Österreich scheint ja zumindest unter jenen Staaten zu sein, die dieses Abkommen am frühesten ratifizieren.

Obwohl das natürlich bisher eine theoretische Maßnahme ist, muss man sagen, dass es sich bei diesem Abkommen doch um das erste globale und rechtlich bindende Instrument gegen Korruption handelt, also jetzt eigentlich die Grundlagen geschaffen sind, um gegen dieses sehr große Problem der Korruption auch etwas zu unter­nehmen.

Besonders begrüßenswert ist von unserer Seite, dass Länder, in die Korruptions­vermögen transferiert wurde, nun verpflichtet sind, dieses Vermögen ausfindig zu machen und unter bestimmten Voraussetzungen an das geschädigte Land zurückzu­führen. Das ist ein Detail, das, glaube ich, die größte Neuerung im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen darstellt.

Abschließend ein Satz: Es ist natürlich ein interessantes Detail, dass wir heute hier über ein Abkommen zur Bekämpfung von Korruption reden und ausgerechnet heute dann schon die zitierten Schlagzeilen in den Zeitungen auftauchen. Ich bin mir sicher, wir werden auch über dieses Thema, das da heute die Schlagzeilen geschmückt hat, noch ausführlich diskutieren, und auf diese Diskussion bin ich auch schon sehr gespannt. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 90

14.01


Präsident Peter Mitterer: Ich darf nun Herrn Staatssekretär Dr. Winkler das Wort erteilen.

 


14.01.30

Staatssekretär im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Hans Winkler: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Zuerst bedanke ich mich für die Zustimmung zu den beiden Abkommen. Ich glaube, beide sind in ihrer Art sehr wichtig.

Das Abkommen mit Slowenien zeigt, das ist gelebte Zusammenarbeit in der Region. Daraus werden wir auch praktischen Nutzen ziehen, und ich glaube, wir können alle sehr froh darüber sein, dass dieses Abkommen geschlossen werden konnte.

Was das Abkommen gegen Korruption betrifft, kann ich Frau Bundesrätin Konrad nur Recht geben. Selbstverständlich – und das ist, glaube ich, schon auch ein Grundsatz der österreichischen Außen- und Völkerrechtspolitik – ist jedes Abkommen nur so gut, wie es auch tatsächlich umgesetzt und angewendet wird. Ich denke, wir haben uns da – Österreich zumindest – mit Sicherheit nichts vorzuwerfen. Wir werden selbst­verständlich dieses Abkommen umsetzen und auch darauf achten, dass andere Staaten das Abkommen nicht nur ratifizieren, sondern auch tatsächlich anwenden.

Es ist in diesem Zusammenhang auch über die Frage der Erteilung von Sicht­vermerken und über die Vorwürfe an österreichische Vertreter gesprochen worden. Ich möchte doch einige wenige Worte dazu sagen.

Erstens: Es ist – und das habe ich bereits mehrfach betont, ich möchte es auch hier im Hohen Bundesrat sagen – selbstverständlich das Interesse des Außenministeriums, dass alle Vorwürfe, dass Einzelpersonen, einzelne Bedienstete des Außenministeriums widerrechtlich gehandelt hätten, aufgeklärt werden. Wir haben das allererste Interesse daran, dass das geschieht, und wir tun das mit unseren eigenen Mitteln. Die Ministerin hat, wie Sie wissen, eine eigene Kommission dazu eingerichtet. Wir tun das aber auch in enger Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden sowohl des Innenministeriums als auch der Staatsanwaltschaft.

Da wird es mit Sicherheit keine Vertuschung geben. Es wird jeder einzelne Vorwurf aufgeklärt werden, jedem einzelnen Hinweis wird nachgegangen werden.

Was nun die konkreten hier zitierten Schlagzeilen über die Situation in Kiew betrifft, so möchte ich mir auch das Privileg nehmen, hier ganz kurz eine Zeitungsmeldung von heute zu zitieren, die uns im Außenministerium sehr aus der Seele spricht. Ich zitiere die heutige Ausgabe der „Salzburger Nachrichten“, wo steht:

„Mit großem Erstaunen reagierten die Strafverfolgungsbehörden am Mittwoch auf Vor­ausmeldungen von ,News‘ und der Wiener Gratiszeitung ,Heute‘, wonach an der österreichischen Botschaft in Kiew 28.000 Visa verkauft worden sein sollen. Otto Schneider, frisch bestellter Leiter der Staatsanwaltschaft Wien: ,Ich kann nur sagen, Kiew scheint bei uns überhaupt nicht auf.‘ Ähnlich die Aussage des obersten Korruptionsbekämpfers im Innenministerium, Martin Kreutner: ,Das würde mich selber interessieren. Ich lade jeden ein, die Informationen zur Verfügung zu stellen. News hat sich leider nie bei uns gemeldet.‘“

Ich kann nur vom Standpunkt des Außenministeriums sagen: Auch uns würde das sehr interessieren. Wir kennen die hier herangezogenen Unterlagen nicht. Es wäre ver­nünftig, ich würde das sehr begrüßen, wenn man uns – uns, dem Innenministerium, der Staatsanwaltschaft – diese Unterlagen zur Verfügung stellen könnte, damit wir diesem Vorwurf nachgehen können.

Und gerade was die österreichische Botschaft in Kiew anlangt, so ist sie in den letzten drei, vier Jahren wahrscheinlich die meist geprüfte österreichische Botschaft in diesem Bereich überhaupt. Die Staatsanwaltschaft, das Innenministerium, eine Schengen-Prüfung – und eine Schengen-Prüfung ist keine Überprüfung durch die eigenen


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Behörden, sondern eine Überprüfung durch andere EU-Länder – haben keinerlei Hinweise auf widerrechtliches Verhalten gegeben.

Ich weiß es nicht, vielleicht ist tatsächlich auch dort etwas passiert. Dem soll man nachgehen, dem wird man nachgehen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir jedes Interesse haben, alles aufzuklären. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.05


Präsident Peter Mitterer: Es liegt mir keine Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ich denke nicht, sonst wäre der Berichterstatter hier. Dies ist also nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die wechselseitige Vertretung beider Staaten durch deren Vertretungsbehörden hinsichtlich der Erteilung von Visa für den Flughafentransit (Visum A), zur Durchreise (Visum B) und zum kurzfristigen Aufenthalt (Visum C).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche auch hier jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Nunmehr lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegen­ständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Auch hier ersuche ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch das ist Stimmeneinhelligkeit. Somit ist auch dieser Antrag angenommen.

14.07.279. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesimmobiliengesetz geändert wird und die Ermäch­ti­gung zur Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen erteilt wird (1071 d.B. und 1165 d.B. sowie 7433/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner. Ich bitte um den


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Bericht.

 


14.07.44

Berichterstatter Ing. Reinhold Einwallner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 16. November 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesimmobiliengesetz geändert wird und die Ermächtigung zur Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen erteilt wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher komme ich gleich zum Antrag:

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 29. November 2005 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


14.08.35

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sie sind heute in Stellvertretung des Herrn Wirtschaftsministers da. Aber da Sie selbst auch einmal das Umweltressort geleitet haben, denke ich, ist es ganz gut, dass Sie hier jetzt den Minister in dieser Form vertreten, denn die vorliegende Gesetzesvorlage ist etwas, was in der Folge die Umwelt auch direkt berührt.

Die Gesetzesvorlage, mit der das Bundesimmobiliengesetz geändert wird, die also die BIG betrifft, hat durchaus Vorteile. Die Zusammenführung der beiden Gesellschaften rechnet sich in manchen Dingen, dennoch gibt es einige Mankos bei der Durchführung dieses Gesetzes. Beispielsweise hat man die Präsidentenvilla herausgenommen, bevor das Restitutionsverfahren überhaupt abgeschlossen war. Das ist aber jetzt abge­schlossen, damit hat es auch seine Korrektheit.

Etwas, was wir vermissen, ist – und das ist auch abgelehnt worden –, dass von den Bundesimmobilien genau diese Vorbildwirkung in Bereichen ausgeht, die sehr zentral sind, und zwar in den Bereichen Energieeffizienz und thermische Sanierung. Und in Zeiten wie diesen, in denen wir weit entfernt sind, das Kyoto-Protokoll zu erfüllen, wäre das eine Chance, eine gute Gelegenheit gewesen, das tatsächlich zu machen.

Als Bundesrätin aus Oberösterreich möchte ich jetzt die Beispielwirkung zeigen, die unser Landesrat Anschober, der auch für Energie zuständig ist, in diesen Bereichen setzt. Da haben wir auch vereinbart, dass genau die Gebäude des Landes, die im Besitz des Landes sind, sozusagen in vorbildlicher Weise vorangehen, und so machen wir das auch. Eine Energiepolitik basierend auf den Säulen Energieeffizienz, Ver­sorgungssicherheit und Einsatz von erneuerbaren Energieressourcen ist eine, die nachhaltig sein wird, und zwar nicht nur im ökologischen, sondern sehr wohl auch im ökonomischen Sinne.

Und so haben wir in Oberösterreich einige Paradebeispiele, die für ganz Österreich beispielgebend sein sollen, wie zum Beispiel die Passivhaus-Schule in Schwanenstadt, eine Musikschule nach Passivhausmethode gebaut in Weibern, einen Kindergarten, genauso energietechnisch auf dem höchsten Standard. So könnte ich noch viele Beispiele nennen.

Jetzt möchte ich vom Thema Bundesimmobiliengesellschaft kurz überleiten zu dem, was diese Regierung derzeit plant, zu unserem großen Bedauern mit Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion, nämlich tatsächlich den Kahlschlag im Bereich Ökostrom. Das geplante Ökostromgesetz, die Vorlage wird bewirken, dass viele Projekte in dieser Form nicht mehr realisiert werden können, dass es einen absoluten Kahlschlag gibt. Man muss sich vorstellen, das Ökostromfördervolumen wird auf


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17 Millionen € pro Jahr heruntergekürzt. De facto sind das Peanuts. Wenn man die Technologiemittel der Länder abzieht, sind wir bei 7 Millionen €. Das bedeutet de facto eine 80-prozentige Kürzung der Unterstützung für Ökostromanlagen.

60 Prozent davon sind vorgesehen für Biomasse, 30 Prozent für Windenergie. Für die Zukunftstechnologie Photovoltaik ist de facto kein Geld mehr vorhanden, keine Ressourcen, und das kann es ja nicht sein. Zudem wurde die Laufzeit von 13 auf 11,25 Jahre gesenkt. All das sind riesengroße Nachteile. Im Gegenzug dazu wurde die Wasserkraft, mittelgroße Wasserkraftwerke scheint es in Bezug auf das Bundesland Salzburg, tatsächlich ins Fördervolumen mit hineingenommen, was ökonomisch gesehen keinen Sinn macht, weil diese Anlagen technisch ausgereift sind und in dieser Form wirtschaftlich auch so locker überleben können.

Ein weiterer Punkt, der beim geplanten Ökostromgesetz eingeführt wird, ist das First-come-first-serve-Prinzip, das heißt nichts anderes als: Der Erste, der das beantragt, bekommt es und alle anderen gehen leer aus. – Und das kann es nicht sein. Diese Windhundmethoden führen wie auch bei manchen anderen Gesetzen zu Ineffizienzen und bringen nicht wirklich viel.

Die Vorlagen, welche die EU-Kommission in Bezug auf erneuerbare Energien, dahin gehend, wie hoch der Anteil sein sollte, gegeben hat, werden mit dieser Gesetzes­vorlage nicht erfüllt werden können, bei Gott nicht. Minister Bartenstein geht von Zahlen aus, die das Jahr 1997 betreffen, aber rechnen muss man mit den Zielstrukturen des Jahres 2010.

Summa summarum ist diese Vorlage ein absolut nachteiliges Instrument für den Klimaschutz, für die Wirtschaft, für die Arbeitsplätze in diesem Land. Aber was heißt das im Moment? – Die Förderung, wie sie jetzt geplant ist, wird österreichweit – man muss sich das vorstellen! – zehn moderne Biogasanlagen, eine Biomasse-Verstro­mung und ungefähr einen Windpark mit 20 Windrädern möglich machen. Von Peanuts ist da keine Rede mehr, das ist ja lächerlich. Wir haben in Oberösterreich alleine im Jahr 2004 zwölf Biomasseverstromungen, 47 Biogasanlagen, Hunderte Photovoltaik­anlagen und einen Windpark finanziert. Also umgelegt auf Oberösterreich wird das bedeuten, dass wir sage und schreibe zwei Biogasanlagen damit fördern, damit errichten können, und das halten wir für beileibe zu wenig. Das ist keine Ener­giewende, das geht nicht in die richtige Richtung.

Wenn immer seitens der Wirtschaft für Kostenwahrheit plädiert wird, dann muss ich sagen, wir sind natürlich für Kostenwahrheit. Die nicht erneuerbaren Energieträger müssen tatsächlich die Kosten tragen, die sie verursachen. Das passiert nicht. Darum ist natürlich gerechtfertigt, dass die erneuerbaren Energien gefördert und aus gemeinschaftlichen Mitteln unterstützt werden. Diese Novelle ist, wie sie geplant ist, absolut nachteilig für den Klimaschutz, ist de facto ein Debakel. Unsere Ziele können wir nicht einmal annähernd erreichen, und zudem bedeutet das auch eine Gefährdung der Arbeitsplätze.

In Oberösterreich gibt es inzwischen zu unserer Freude 142 Firmen, die in diesem Bereich arbeiten. De facto betrifft das 4 000 Arbeitsplätze, und wir sind sehr stolz darauf. Das sind Betriebe, die auch exportorientiert sind, wo auch sehr viel weitergeht. Nicht zuletzt haben wir ein Netzwerk Umwelttechnik geschaffen. Im Bereich Forschung und Entwicklung konnten die Zahlen ebenfalls erhöht werden. Wenn der Heimmarkt ausgetrocknet wird, wird es früher oder später zu Problemen kommen, auch mit den exportorientierten Betrieben.

In diesem Sinne, Frau Ministerin, werden wir der Vorlage eben auf Grund der man­gelnden Reichweite nicht zustimmen. Und das Zweite ist, dass ich Ihnen für den Dezember, für einen besinnlichen Advent mitgeben möchte, dies doch zu überdenken.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 94

Sie als ehemalige Umweltministerin, jetzige Gesundheitsministerin müssten größtes Interesse an einer Ökostromregelung haben, die einen Fortschritt im Hinblick auf das Klima bedeutet, für die Wirtschaft gut ist, Arbeitsplätze schafft und damit allen Menschen zum Vorteil gereicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.17


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gruber. Ich darf ihm dieses erteilen.

 


14.17.13

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden der Änderung des Bundesimmobiliengesetzes unsere Zustimmung geben. Den Zielvorgaben dieser Novelle, nämlich Optimierung der Organisationsstruktur des BIG-Konzerns, Ermöglichung des Verkaufs von zwei Liegenschaften sowie Anpassungen der Objektdatenaufarbeitung der BIG, kann von uns grundsätzlich zugestimmt werden.

Kritik üben wir an der Tatsache, dass es verabsäumt wurde, mit dieser Novelle einige andere, aber wichtige Punkte zu bereinigen.

Erstens: Für uns Sozialdemokraten ist der gesetzliche Auftrag der Bundesimmobilien­gesellschaft zu ungenügend definiert. Daher ist zweitens anzunehmen, dass sie ihrer Aufgabe, bundeseigene Gebäude zu erhalten, nur sehr eingeschränkt nachkommen kann. Drittens sollte unserer Meinung nach sichergestellt werden, dass gesetzlich erwirtschaftete Gewinne nicht ins Finanzministerium abfließen, sondern in die Sanierung und in die Instandhaltung der Gebäude gesteckt werden. Viertens: Wie ist es möglich, dass ein Aufsichtsrat der BIG durch Interessenkollision einen Mietausfall von 5,46 Millionen € verursacht und das trotz dieser unschönen Optik ohne Folgen bleibt? Wo ist hier die wirtschaftliche Verantwortung des zuständigen Ministers? – Es wäre höchst an der Zeit, zur Person Plech Stellung zu nehmen.

Unverständlich ist für mich, dass beide sozialdemokratischen Entschließungsanträge von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, im Nationalrat abgelehnt wurden, Anträge mit dem Ziel, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, Rücklagen zu bilden, um Instandhaltungen und Sanierungen zu gewährleisten und dementsprechende Ausschüttungen an das Bundesfinanzamt zu reduzieren.

Betreffend den zweiten Entschließungsantrag leugnen Sie Ihre Verantwortung für energiesparende und umweltschonende Maßnahmen. Anders ist es nämlich nicht zu verstehen, dass ein Antrag, in dem die Bundesregierung beauftragt wird, die Bundes­immobiliengesellschaft im Bereich des Bundesgebäudebestandes zu Energieeffizienz­verbesserungen im durch die Arbeitsgruppe des Kyoto-Forums vorgeschlagenen Ausmaß zu verpflichten, von Ihnen, meine Damen und Herren von der ÖVP, abgelehnt wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Herr Kollege, es ist halt traurig, wenn der Staat, die Republik in diesem Fall nicht mit gutem Beispiel vorangeht.

Meine Damen und Herren! Wir werden dieser Novelle trotz unserer – wie ich glaube, berechtigten – Kritik unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.20


Präsident Peter Mitterer: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


14.20.31

Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Liebe Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist zu der Geset­zesnovelle schon einiges gesagt worden, und ich denke, es steht außer Streit, dass die


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Geschichte der BIG eine Erfolgsgeschichte ist. Es ist natürlich wie immer: Man kann noch sehr, sehr viel mehr verlangen. Nicht ganz verstehe ich die von meiner Kollegin Lichtenecker hier dargelegte reine Ausrichtung auf das geplante Ökostromgesetz, weil ich das nicht wirklich in der Novelle lesen kann. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: In dem Zusammenhang, dass die Effizienzsteigerung bei der Energie abgelehnt worden ist!) – An meinen wenigen Haaren herbeigezogen! (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Das ist eine Vorinformation – eine Vorinformation für den Bundesrat!) – Danke! Dann danken wir für eine Vorinformation!

Ich denke aber, es ist schon einmal festzuhalten, worum es bei dieser Novelle geht: Es geht um eine Gesellschaft – und das ist, so denke ich, der erfreuliche Teil daran –, die hier im gesamten Haus, in allen Fraktionen Hochachtung für ihre Tätigkeit genießt. Ich denke, es war richtig, diese BIG zu gründen, jetzt zu novellieren und ihr noch mehr Themenbereiche zuzuordnen.

Ich möchte an dieser Stelle aber schon darauf hinweisen, weil die Rede davon war, dass die BIG nicht in der Lage sei, ihre Aufgaben zu erfüllen, dass in den letzten fünf Jahren 1,9 Milliarden € in die Gebäude investiert worden sind. Diese 1,9 Milliarden € – und das weiß ich wieder als Althaussanierer, und hier geht es ja um Bestand – sind sehr arbeitsplatzwirksam, mehr als Neubau. Ich glaube also, da allein ist eine sehr gute Geschichte im Kommen.

Und was ist auch glaube – und dies auch zu dieser Kritik, die da leicht durchgedrungen ist –: Es ist richtig, dem Management ein bisschen freie Hand zu geben und es wirtschaften zu lassen. Das ist ja die Idee dieser Gesellschaft. Wenn wir hier Gesetze machen, wo auf Punkt und Beistrich drinnen steht, was der Manager zu tun hat, dann, glaube ich, ist das verfehlt und überholt. Und ein Teil der Erfolgsgeschichte ist eben, dass die BIG eine gewisse Freiheit hat. (Bundesrat Gruber: Man muss ihr aber auch das Geld geben, Herr Kollege!) – Die BIG wird für wirtschaftliche Dinge immer die Möglichkeit haben, genügend zu tun. Das beweisen die 1,9 Milliarden € an Inves­titionen der letzten Jahre.

Und was einen Aufsichtsrat, der noch dazu ein anerkannter Immobilienfachmann ist, betrifft, so möchte ich nur auf die handelsrechtliche Thematik hinweisen, dass ein Aufsichtsrat allein gar nichts machen kann, sondern der Aufsichtsrat ein Gremium ist, in dem Beschlüsse kollegial gefasst werden. (Bundesrat Gruber: Das ist eine schiefe Optik!) – Also, ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen, aber sie ist hier eben vorgebracht worden.

Ich glaube, in der Gesamtheit ist es eine sehr positive Geschichte. Gerade in Ober­österreich gibt es sehr gute Beispiele, wo die BIG sehr wohl auch energietechnisch gute Dinge geleistet hat. Ich denke, auch da wird es darauf ankommen, dass man diese Ziele mit Vernunft und Augenmaß verfolgt, und bisher ist das wirklich bewiesen worden.

Es würde mich daher freuen, liebe Kollegin Lichtenecker, wenn auch du diesem Gesetz, auch bei aller Kritik am Ökostromgesetz – das werden wir noch ein anderes Mal besprechen – zustimmen würdest und wenn wir hier einen gemeinsamen Beschluss zusammenbrächten, denn ich denke, das wäre auch ein Zeichen an die Beschäftigten in der BIG – und das sind nicht wenige –, die eine gute Arbeit leisten und die unser Vermögen, das Vermögen aller Staatsbürger verwalten, sehr positiv verwalten, und die in diesem Bereich zu beträchtlichen Vermögensvermehrungen der Republik geführt haben. Und ich denke, das ist schon die Hauptsache, um die es hier geht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.24



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 96

Präsident Peter Mitterer: Es liegen mir dazu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Schimböck meldet sich zu Wort.) – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Wiesenegg: Hallo! Schauen!)

Entschuldigung! – Bitte, dann haben Sie das Wort, Herr Bundesrat. Entschuldigung, dass ich das aus diesem Blickwinkel nicht gesehen habe.

 


14.25.00

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann die Worte meines Vorredners nicht ganz nachvollziehen, was diese so genannte Erfolgsgeschichte betrifft. Irgendwie bin ich ganz froh, dass Frau Staatssekretärin Haubner eingetroffen ist (Bundesrätin Bachner: Frau Bundesministerin Haubner! – Bundesministerin Haubner – auf den Redner weisend –: Frauenfeindlich!) – Entschuldigung: Frau Bundesministerin Haubner.

Frau Bundesministerin, Sie kommen aus dem Salzkammergut (Bundesministerin Haubner: Ja!) – dort sind Sie, so denke ich, aufgewachsen –, und ich muss sagen, die Immobiliengeschichte, die Art und Weise, wie unsere Republik mit den Immobilien, mit dem Eigentum umgeht, ist meines Erachtens eigentlich alles andere als löblich, wenn ich mir nämlich vor Augen halte, dass die vielen Immobilien, die es zum Beispiel in den Orten, wo die Frau Bundesministerin aufgewachsen ist, nämlich im Salzkammergut, gibt, die Bundesforste kaufen mussten, dass diese Bundesforste durch den Kauf der Bundesimmobilien jetzt schwerstens verschuldet sind und man eigentlich nur mehr dadurch Abhilfe schaffen konnte, dass die Pächter und Mieter dieser Bundes­immobilien jetzt eine Mieten- und Pachterhöhung bis zum Zehnfachen hinnehmen müssen.

Ich würde Frau Ministerin Haubner – die ja dort ihre Eltern, ihre Mutter hat – empfehlen: Reden auch Sie dort einmal mit den Leuten, Frau Bundesministerin! Dort gibt es nur mehr aufgebrachte Versammlungen in den Wirtshäusern. Der Herr Bun­desminister für Landwirtschaft hat sich dort einmal hinverirrt, weil er von einem Parteikollegen des Bauernbundes eingeladen wurde, er hat aber nicht gewusst, dass das eigentlich der Proponent eines Komitees gegen diese Vorgangsweise ist. So also geht man mit den Immobilien in unserem Land um! All die Mieten und Pachten für Seen, für Anlegestellen, für den Segelbereich und so weiter haben sich in einer Art und Weise entwickelt, dass touristische Einrichtungen dort allmählich um ihre Existenz bangen. So schaut es dort in Wirklichkeit aus!

Wenn ich mir dann auch noch den Wohnungsbereich ansehe, muss ich sagen: Da schaut es auch schlimm aus! Was ist geschehen? – Man hat diese Bundes­wohngesellschaften aufgelöst, hat sie privatisiert, und sie sind inzwischen zum Spiel­ball des Finanzkapitals geworden. Sanierungen finden dort spärlich bis gar nicht statt, was wieder für die Bauwirtschaft und das gesamte zuarbeitende Gewerbe ein Riesen­problem ist. Es wurde heute auch erwähnt, dass es in dieser einen Gesellschaft einen Aufsichtsrat gibt – ich kann es mir ungefähr vorstellen, wen mein Vorredner gemeint hat –, der dafür gesorgt hat, dass manche Bundesimmobilien entleert wurden.

Eine solche riesige Immobilie kann man in der Riemergasse besichtigen. Ich weiß nicht, wie lange sie jetzt schon leer steht. Die vorherigen Nutzer dieses Gebäudes sind dann in einen Tower übersiedelt und zahlen jetzt dort eine Miete, die exorbitant ist. Ich kenne überhaupt keine Büromieten in Österreich, die solch schwindelnde Höhen erreichen wie jene dieser Gerichte, die in diesen Tower übersiedelt sind. Ob das der richtige Weg ist, wage ich zu bezweifeln.


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Ich möchte noch auf eines hinweisen, was den Umgang mit der Energie betrifft: Das leidige Kapitel der Bundesschulen sollte man sich einmal anschauen. Die Bundes­schulen in Österreich sind in einem Zustand (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Und die Universitäten!), dass man sagen muss: Wenn man privat so ein Gebäude betreiben würde, und der Arbeitsinspektor würde dort auf den Plan treten ... (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Und die Universitäten!) – Ich komme dann noch zu den Univer­sitäten, denn das, Ruperta, ist ein besonderes Bonmot. – Diese Bundesschulen sind in einem Zustand, wo schlichtweg beim Fenster hinaus geheizt wird! Ich denke, dort besteht ein riesiger Handlungsbedarf.

Dann komme ich noch zum Bereich der Hochschulen. Da hat sich eigentlich die Bundesimmobiliengesellschaft dadurch hervorgetan, dass man den Hochschulen jetzt etwas vom Budget abzwackt, indem man für die Hochschulen exorbitante Mieten verrechnet. Wir wissen ja, dass das Budget der Hochschulen nicht gerade das erfreu­lichste ist, und jetzt kann man davon noch diese Mieten wegrechnen. – Also, diese Bundesimmobiliengesellschaft unter „eine Erfolgsgeschichte“ zu subsumieren, dazu bedarf es reichlicher Phantasie!

Wir werden diesem Antrag dennoch zustimmen, denn eines ist klar: Diese Gesellschaft braucht zumindest einmal eine Grundstruktur, um endlich handlungsfähig zu werden. Ich kann Ihnen aber versichern, wir werden uns der Entwicklung in all diesen Bereichen – Bundesforste, ehemalige Bundeswohnungen, auch unter den Gesichts­punkten des Mieterschutzes, und ganz besonders im Bereich der Schulen und der Hochschulen – auch in Zukunft ganz besonders widmen und werden darauf immer ein waches Auge haben.

Ich ersuche Sie, Frau Bundesministerin – Sie sind ja eigentlich nicht dafür zuständig –, das für Ihren Kollegen mit auf den Weg zu nehmen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.29


Präsident Peter Mitterer: Es liegt noch eine Wortmeldung vor. – Herr Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg, bitte schön.

14.29.39


Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich): Kein langes Duell, aber ich möchte meinen Kollegen sehr herzlich einladen, weil das Wort „Bun­desschulen“ gefallen ist: Bitte komm mit mir zum Bundesrealgymnasium nach Grieskirchen! Das ist vorbildlich saniert worden, energetisch saniert worden. Es kann nicht alles auf einmal gehen, aber 1,9 Milliarden € sprechen eine deutliche Sprache.

Und, bitte, wenn wir schon bei Stegen und Seeparzellen sind: Da gibt es sicher noch einiges zu verhandeln und einiges zu besprechen, aber wir haben ein aufrechtes Mietrecht. Dieses Mietrecht gilt genauso für die BIG. (Bundesrat Schimböck: Dort ist keine Verhandlungsbereitschaft!) – Es wird da sicher noch verhandelt werden, aber es geht auch darum, dass das Eigentum von uns allen anständig und ordentlich und wirtschaftlich erfolgreich verwaltet wird. (Bundesrat Schimböck: Dort wird nur mehr ...!)

Lieber Freund! Du kannst sicher sein, da wird auch noch eine anständige Lösung gefunden werden. – Das wollte ich noch kurz sagen. Ich glaube, man soll nicht jeden Anlass dazu nutzen, Behauptungen in den Raum zu stellen, die in dieser Form nicht haltbar sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

14.30


Präsident Peter Mitterer: Es liegt mir dazu keine Wortmeldung mehr vor.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 98

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nun nicht mehr der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Ich vermute, dass der Berichterstatter, da er nicht anwesend ist, auch auf sein Schlusswort verzichtet.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.31.15 10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ erlassen sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (1070 d.B. sowie 7413/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Reisenberger. Ich ersuche um seinen Bericht.

 


14.31.22

Berichterstatter Harald Reisenberger: Herr Präsident! Meine Frauen Ministerinnen – um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, hier als frauenfeindlich bezeichnet zu werden, wie dies vorher der Fall war –!

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ erlassen sowie das Familien­lastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich erspare uns daher die Verlesung desselben, erlaube mir aber, auszugsweise auf den Inhalt einzugehen:

„Als Träger der ,Familie & Beruf Management GmbH‘ wird die Form einer gemein­nützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Alleineigentum des Bundes steht, gewählt, ...“

„Die ,Familie & Beruf Management GmbH‘ soll ihre Tätigkeit mit 1.1.2006 aufnehmen. Zur Vorbereitung ihrer Tätigkeit wird schon vorher nach öffentlicher Stellen­aus­schreibung ein Geschäftsführer/eine Geschäftsführerin zu bestellen sein; die erste Geschäftsführung hat dann innerhalb von 6 Monaten ab Bestellung ein Unternehmens­konzept auszuarbeiten (vgl. § 8 (3) Bundesgesetz über die Errichtung der ,Familie  & Beruf Management GmbH‘).“

Weiters heißt es darin: „Das Gesetz sieht eine direkte Weisungserteilung durch den/die Bundesminister/in für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz an die Geschäftsführung vor ...“

Weiters: „Der Gesetzentwurf unterliegt hinsichtlich des § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Errichtung der Gesellschaft ,Familie & Beruf Management GmbH‘ gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG keiner Mitwirkung des Bundesrates, da § 2 Abs. 1 eine Verfügung über Bundesvermögen vornimmt.“

Finanzielle Auswirkungen, die darin beschrieben sind:

„Zur Abdeckung dieser Kosten wird vom Bund eine jährliche Basisabgeltung in Höhe von Euro 2.140.000,-- geleistet. Hierin ist die jährliche Basisförderung für das Öster­


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reichische Institut für Familienforschung bzw. dessen Rechtsnachfolger in Höhe von Euro 700.000,-- enthalten.“

Weiters: „Die Bedeckung sämtlicher, mit der Ausgliederung verbundener Kosten wird durch Umschichtung im Rahmen des Budgets des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz erfolgen.“

„Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seinen Sitzungen am 2.  und 29. November 2005 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Mag. Bernhard Baier.

Gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates gaben die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner, der Volks­anwalt Dr. Peter Kostelka, der Präsident des Rechnungshofes Dr. Josef Moser sowie die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Andrea Kuntzl, Karl Öllinger und Dr. Karl Irresberger“ – er ist vom Verfassungsdienst, Bundeskanzleramt – „Stellungnahmen ab.

An der Debatte beteiligten sich die Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Edgar Mayer, Mag. Bernhard Baier, Josef Saller, Eva Konrad, Harald Reisenberger, Mag. Susanne Neuwirth, Franz Wolfinger, Thomas Einwallner und Roswitha Bachner.

Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Bundesrätinnen Mag. Susanne Neuwirth und Eva Konrad, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates begründeten Einspruch zu erheben, mit Stimmenmehrheit angenommen.“

Zum Berichterstatter für dieses Haus wurde ich gewählt, wie man ja sieht.

Als Ergebnis seiner Beratungen stelle ich im Auftrag des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz somit den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gesellschaft „Familie & Beruf Mana­gement GmbH“ erlassen sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird, mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Ich danke für den Bericht. – Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Baier. – Bitte.

 


14.36.25

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Hohes Haus! Wie wir von Seiten des Berichterstatters jetzt gehört haben, liegt ein Gesetzesbeschluss des Nationalrates auf Einrichtung einer „Familie & Beruf Management GmbH“ vor, und es wurde im Ausschuss mit Stimmenmehrheit der Antrag beschlossen, dagegen Einspruch zu erheben.

Ich spreche hier an erster Stelle, weil ich als Befürworter dieses Gesetzes gegen diesen Antrag Position beziehen möchte. Das nur zur Einleitung. Ich möchte auch gleich vorausschicken, dass ich noch ein Wort zum Kollegen Schimböck, der jetzt leider nicht anwesend ist, sagen muss, nämlich betreffend diese Horrorszenarien, die er im Salzkammergut gezeichnet hat. – Ich bin nämlich auch einer, der aus dem Salz­kammergut kommt, und zwar aus St. Wolfgang, und ich kann das alles gar nicht nachvollziehen. (Bundesrat Kraml: Das glaub’ ich!) Ich kenne auch keine Bürger­initiativen, Aufruhrszenen, noch sonst irgendetwas. (Bundesrat Kraml: Das glaub’ ich Ihnen sofort! – Bundesministerin Haubner: Die Vogelfänger sind in Goisern!) Dort läuft


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alles in ganz geregelten Bahnen ab. Er dürfte hier wohl etwas verwechselt haben. (Bundesrat Kraml: Ich glaube, Sie haben etwas verwechselt!)

Zur „Familie & Beruf Management GmbH“: Wir hatten am Dienstag eine Aus­schusssitzung, die von Seiten der Opposition mit Stimmenmehrheit verlangt wurde und die zum Ziel hatte, durch die Vorladung – formulieren wir es einmal so – von bestimm­ten Auskunftspersonen eine gewisse Klärung in Sachfragen herbeiführen zu können.

Ich war selbst Mitglied in diesem Ausschuss, und ich war ob des Verlaufes mehr oder weniger verwundert, weil gerade jene Auskunftspersonen, die der Oppositionsseite zuzurechnen sind, insbesondere Frau Abgeordnete Kuntzl, aber auch Herr Abge­ordneter Öllinger von der grünen Fraktion, diese Position, nämlich als Auskunfts­personen im Ausschuss zur Verfügung zu stehen, mehr als nur großzügig ausgelegt und interpretiert haben. Was meine ich damit? – Aus meiner Sicht wurde das miss­braucht, wurde der Ausschuss missbraucht, um dort Nationalratsabgeordneten noch einmal eine Bühne für einen ganz offensichtlich – jeder, der dabei war, konnte sich davon überzeugen – parteipolitisch motivierten Angriff auf die Frau Bundesminister zu geben.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum man von Seiten des Ausschussvorsitzes nicht eingegriffen hat. Frau Kollegin! Ich muss Ihnen das auch hier an dieser Stelle noch einmal mitteilen. (Bundesrätin Bachner: Stimmt ja nicht! – Bundesrat Kraml: Sie sind ja nicht der Oberlehrer!) Es ist nur ... (Bundesrat Kraml: Sie sind ja nicht der Oberlehrer der Nation!)

Schauen Sie, Sie brauchen gar nicht aufgeregt zu sein. Ich artikuliere hier meine Meinung, und Sie werden mit Sicherheit verstehen, dass ich das in Ruhe tun kann und mir auch das Recht zusteht, das in Ruhe tun zu können. Ihnen bleibt es völlig unbe­nommen, dann im Anschluss das Wort zu erheben und, wenn Sie Argumente haben, auch etwas dagegen vorzubringen.

Zurück zum Kern: Das wurde weidlich ausgenützt, um nicht zu sagen missbraucht. Das ist meine Meinung. Ich kann mich nur sehr wundern, dass hier von Seiten der Ausschussführung nicht stärker eingegriffen wurde. Eines ist für meine Fraktion jedenfalls klar: Das war das erste und das letzte Mal, dass wir uns das in dieser Form haben bieten lassen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Vilimsky.) Damit muss sich auch die Präsidiale in einer ihrer nächsten Sitzungen befassen, denn das hat mit der sachlichen Auseinandersetzung in einem Bundesrats­ausschuss nichts mehr zu tun gehabt! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich nun zur Begründung kommen. Ich möchte mich mit dieser Begrün­dung auseinander setzen, die hier von Seiten der Opposition vorgelegt wurde und mit der letztlich auch Einspruch erhoben wird, vor allen Dingen – Sie finden es in der Beilage – mit den vier aufgezählten Punkten, mit denen hier begründet wurde.

Der erste Punkt: In der Einleitung heißt es, es sollen Kernkompetenzen des Staates ausgelagert werden. – Man höre und staune: Kernkompetenzen des Staates! Man ist der Meinung, durch die Einrichtung dieser Koordinationsstelle würden Kernkom­petenzen des Staates ausgelagert.

Bei näherer Betrachtung des Gesetzentwurfes wird man feststellen, dass es hierbei um Aufgaben wie diese geht: Durchführung von Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit, Information über die Entwicklung neuer Best-Practice-Beispiele, Anlaufstelle für Unter­nehmen, Vernetzung und Erfahrungsaustausch, Audit Familie und Beruf und etwa das Gemeinde-Familien-Audit. Ich konnte nicht feststellen, beim besten Willen nicht


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feststellen, inwiefern es sich bei diesen Punkten um Kernaufgaben des Staates handeln sollte.

Ich habe aber doch, und zwar schon im Ausschuss, auf eines hingewiesen. Ich habe mir nämlich erlaubt, an die an und für sich als Auskunftspersonen Geladenen eine Frage zu stellen; ich habe ohnehin nicht erwartet, darauf eine Antwort zu bekommen, und meine Erwartung wurde auch erfüllt. Frau Kollegin Kuntzl habe ich anhand eines Beispieles gefragt, wie sie das sieht, nämlich am Beispiel des Fonds Soziales Wien. Zur Information: Der Fonds Soziales Wien wurde von der Stadt Wien ausgelagert und hat folgende Aufgaben (Ruf bei der ÖVP: Hört, hört!): Instrument zur Umsetzung der Wiener Sozialpolitik, Verbesserung der Gesundheit und des Gesundheits­bewusst­seins der Wiener Bevölkerung, Unterstützung bedürftiger Menschen in den Grund­bedürfnissen von Wohnen und Arbeit, medizinische, psychische und soziale Bera­tung, Behandlung und Betreuung.

Herr Kollege Reisenberger – weil Sie hier so gelassen reagieren! Jetzt frage ich mich in der Gegenüberstellung: Wo handelt es sich wohl eher um Kernkompetenzen des Staates, im ersten genannten Bereich, bei der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ (Bundesrat Todt: Der Bundesrat als Wiener Gemeinderat! Etwas völlig Neues!), oder bei den Aufgaben des Fonds Soziales Wien?

Als ich die Frage ... (Bundesrat Reisenberger: ... dass Sie den Unterschied zwischen Stadt und Bund, Land und Bund kennen!) Ich möchte Ihnen ja nur aufzeigen, dass Sie ... (Bundesrat Reisenberger: Das habe ich schon das letzte Mal gesagt! Das sollte man einmal begreifen!) Aber es ist auch nichts Neues, ich möchte Ihnen ja nur aufzeigen (Bundesrat Reisenberger: Das sehe ich ganz gelassen!), dass Sie Wein predigen und Wasser trinken. (Beifall bei der ÖVP.) Sie messen immerzu mit zweierlei Maß und haben überhaupt nicht vor, einmal Ihren eigenen Bereich zu betrachten.

Da frage ich mich: Wenn die sozialdemokratische Fraktion hier im Bundesrat so sehr davon überzeugt ist, dass es sich hierbei um die Auslagerung von Kernkompetenzen des Staates handelt, ja bitte, wo sind denn die Initiativen, um die Auslagerung auf Stadtebene von SPÖ-Seite zu verhindern? Wo sind Ihre Initiativen? Wo war das Aufbegehren in der Stadt-SPÖ, gerade der Wiener Mandatare? – Lassen Sie sich das doch bitte vor Augen halten, insbesondere auch hinsichtlich der Wiener National­ratsabgeordneten! (Bundesrat Reisenberger: Aber wenn Sie noch schief liegen ...!)

Daher habe ich auch Frau Kuntzl dazu befragt. Sie hat mir natürlich gesagt: Das hätte damit nichts zu tun, und sie kann mir gerne im inoffiziellen Teil eine Antwort geben. – Das sind die Antworten der Auskunftspersonen, die Sie laden! Da frage ich mich: Wo liegt die Sinnhaftigkeit? (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt: „Keine parlamentarische Kontrolle“, heißt es in Ihrer Begründung. – Die Frau Minister hat in ihrer Begründung im Ausschuss darauf hingewiesen, dass die volle parlamentarische Kontrolle erhalten bleibt. Das hat Sie zumindest zu diesem schlechten Gewissen ... (Bundesrat Reisenberger: Gesagt hat sie es!) Moment! Das hat Sie zumindest dazu genötigt – ich zitiere aus der Begründung, das ist überhaupt das Beste! (Bundesministerin Haubner – in Richtung Bundesrat Reisenberger –: ... Artikel genannt, ich habe es genau zitiert!) Da heißt es: „Es gibt aber keine parlamen­tarische Kontrolle“, in Klammer – und jetzt kommt es – „(Abgeordnete können keine schriftlichen und mündlichen Anfragen zu dieser Materie stellen)“. Aber das ist nicht korrekt! Sie haben sich nicht informiert. (Bundesrat Reisenberger: Sie können Fragen stellen, müssen aber keine Antworten bekommen! Was soll das? Was hat das noch mit Demokratie zu tun?)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 102

Jetzt frage ich mich: Wofür machen wir einen Ausschuss? Wofür laden Sie Auskunfts­personen, wenn Sie dann den Auskünften gar nichts abgewinnen und hier wieder das offenbar Falsche hineinschreiben?

Der dritte Punkt: Die Volksanwaltschaft kann nicht angerufen werden. – Da bin ich wieder beim Fonds Soziales Wien. Beim Fonds Soziales Wien – Sie schauen verwun­dert, darum sage ich es Ihnen – gibt es diese Kontrolle auch nicht! (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das hat mit dem jetzt nichts zu tun!) Jetzt frage ich Sie: Wenn es für Sie so besonders wichtig und notwendig ist, warum wurde dann gerade beim Fonds Soziales Wien ein dementsprechender Antrag von der Wiener SPÖ abgelehnt? Abgelehnt! Da frage ich mich: Wie passt das mit Ihrer Begründung zusammen? (Bundesrat Reisenberger: ... zu einem anderen Punkt, bitte! – Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Sehen Sie ... (Bundesrat Reisenberger: Die sagen die Unwahrheit, die das in den Raum stellen!) – Unwahrheiten? – Gut, dass Sie das sagen. (Bundesrätin Roth-Halvax – in Richtung SPÖ –: Mich wundert, dass Sie ...!) Ich habe hier einen Be­schluss­antrag der Landtagsabgeordneten Susanne Jerusalem, Sigrid Pilz und FreundInnen der Grünen und Ingrid Korosec der ÖVP vom 30. Juni 2004 auf Einrichtung: „Der Landtag wolle beschließen: Die amtsführende Stadträtin für Gesund­heit und Soziales wird aufgefordert, die notwendigen Schritte zu unternehmen, damit sichergestellt wird, dass sich die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft auf die Tätigkeit des Fonds Soziales Wien erstreckt.“ (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das gehört nicht zum Thema!) – Dies wurde von der SPÖ abgelehnt! (Bundesrätin Roth-Halvax: Ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Jetzt frage ich Sie: Wo sage ich hier die Unwahrheit? (Bundesrat Reisenberger: ... die Unwahrheit! Den ganzen Antrag lesen!) – Sie sollten eher in sich gehen, Herr Kollege Reisenberger, und Ihre Wahrheitsfindung ein wenig erforschen! (Beifall bei der ÖVP.) Denn Ihre Argumentation ist mehr als nur widersprüchlich und fadenscheinig. (Bun­desrat Reisenberger: ... spricht nicht für Sie!)

Sie sagen in einem nächsten Punkt: Der Rechnungshof hat nur begrenzte Kontroll­möglichkeiten. – Das ist nicht richtig! (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Sicher ist das richtig!) Der Rechnungshofpräsident war im Ausschuss und hat gesagt, er hat natürlich die volle Kontrollmöglichkeit. Ihre Begründungen stürzen also wie ein Kartenhaus zusammen.

Was ich Ihnen da sage, ist explizit nicht an die Adresse der grünen Fraktion gerichtet. Denn die grüne Fraktion ist, im Gegensatz zur SPÖ, in dieser Frage auch auf Wiener Landesebene konsequent geblieben. Sie hat das auch dort gefordert.

Aber ich frage Sie (in Richtung SPÖ): Wie können Sie das mit sich vereinbaren, mit Ihrem Gewissen vereinbaren, dass Sie einmal A sagen und das nächste Mal B sagen? (Bundesrat Todt: Jetzt auch noch das Gewissen!) – Das ist ja ein Slalom und ein Schlangenkurs der Sonderklasse! (Bundesrat Reisenberger: ... versteht man nur, wenn man die Tatsachen kennt!) So wie wir es von der SPÖ gewohnt sind: Zickzack, einmal so, morgen so, übermorgen wieder so! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich fordere Sie auf, dass Sie in Materien, in denen es tatsächlich keinerlei begründeten Anlass gibt, dem nicht zuzustimmen, Ihre Blockadepolitik aufgeben und im Interesse der Sache dem zustimmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Denn sonst würde ich mich nicht wundern, wenn Sie sich eines Tages frühmorgens im Spiegel nicht mehr leicht ansehen könnten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

14.49



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 103

Präsident Peter Mitterer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bun­desrätin Bachner zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf und sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung zu beschränken hat.

Ich erteile Frau Bundesrätin Bachner das Wort.

 


14.50.01

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Baier hat die Vorsitzführung des Sozialausschusses bekrittelt. Da ich dort den Vorsitz innegehabt habe, möchte ich einige Dinge richtig stellen.

Grundsätzlich war es so, dass alle Fraktionen Auskunftspersonen nominieren konnten. Dass die ÖVP von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, können Sie anderen Fraktionen nicht zum Vorwurf machen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Roth-Halvax: Das war ja nicht das Thema! – Bundesrat Mag. Baier: Wir sind grund­sätzlich ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dann hätte es andere Möglichkeiten gegeben. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Reisenberger: Was Thema ist, bestimmt nicht ihr! – Präsident Mitterer gibt das Glockenzeichen.)

Warum ist die Aufregung so groß? (Bundesrat Reisenberger – in Richtung ÖVP –: Das ist euer Demokratieverständnis! – Ruf bei der ÖVP: Das ist keine tatsächliche Berichtigung! – Bundesrätin Roth-Halvax: Das war ja die Frage!) Sie kommt ja gerade. Wenn ihr mich ausreden ließet, käme die tatsächliche Berichtigung.

In einem Punkt gebe ich ihm Recht: Ich habe der Diskussion im Ausschuss breiten Raum gelassen, weil ich mir gedacht habe, dass es demokratiepolitisch wichtig ist, dass alle die Möglichkeit haben, ihre Positionen einzubringen. Ich war der Frau Bundesministerin sehr dankbar, weil sie auch einleitend gesagt hat, dass sie gerne bereit ist, Rede und Antwort zu stehen.

Und jetzt tatsächlich: Wenn Sie beim Ausschuss komplett anwesend waren, müssen Sie auch gehört haben, dass ich als Vorsitzende sehr wohl den § 33 zitiert habe, in dem drinsteht, dass Fragen von anderen Auskunftspersonen nicht beantwortet werden müssen, worauf aber die Frau Bundesministerin gesagt hat, sie hat ja eingangs in dem Ausschuss schon gesagt, dass sie gerne die Fragen beantwortet. Ich habe als Vorsitzende des Ausschusses also sehr wohl auf die Statuten aufmerksam gemacht. (Bundesrat Mag. Baier: Aber Ihre Fraktion hat ja nicht einmal eine Frage gestellt! Es war ja nur die Frau Kollegin Kuntzl ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das stimmt ganz einfach nicht! Denn es haben Herr Bundesrat Reisenberger und Frau Bundesrätin Neuwirth und so weiter ebenfalls Fragen gestellt. Ich verstehe daher Ihre Beleidigtheit sehr wohl, es tut weh, ich verstehe es. (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) Aber trotzdem: Ich habe im Ausschuss korrekt gesagt, was man dort tun kann und was nicht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

14.52


Präsident Peter Mitterer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Molzbichler. – Bitte.

 


14.52.31

Bundesrat Günther Molzbichler (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Um die Ruhe im Raum etwas wiederherzustellen, habe ich Begründungen für den Einspruch zu diesem Tagesordnungspunkt vorzubringen.

Kollege Baier! „Fadenscheinige Argumente“, dazu muss ich sagen ... (Bundesrätin Roth-Halvax: Beherrschen Sie sich!) Diese Worte hast du, Kollege, gerade gebraucht. Ich möchte das nicht kommentieren. Es ist nicht Sinn der Sache, so darüber zu reden.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 104

(Bundesrätin Roth-Halvax: Sachargumenten nicht zugänglich! – Weitere Zwischen­rufe.) Auch ich werde diese Sache begründen.

Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Gene­rationen und Konsumentenschutz hat verkündet, im Jänner – das heißt, in ein paar Wochen – eine GmbH zu installieren, die sich mit dem Thema „Familie und Beruf“ beschäftigt. Die gesamte Familienagenda – meine Damen und Herren, ich komme wieder zum Kernthema der Bundesregierung; ich möchte das noch einmal betonen: ein Kernthema der Bundesregierung, dachte ich zumindest noch vor wenigen Wochen, Frau Minister – wird nun in diese Gesellschaft ausgegliedert!

Die Gesellschaft erhält für ihre Tätigkeit jährlich 2,14 Millionen €, plus finanzielle Mittel für den Administrationsbereich von über 500 000 €. Aus diesem Gesamtbudget soll auch das Österreichische Institut für Familienforschung, kurz ÖIF genannt, jährlich 700 000 € erhalten. Das ÖIF wird in ein universitäres Institut umgebildet und erhält eine fünfjährige Garantie für das Budget. Die Gesellschaft gehört selbstverständlich zu hundert Prozent dem Bund und unterliegt dem Ministerium.

Meine Damen und Herren! Aber unterliegt sie auch der parlamentarischen Kontrolle? – Selbstverständlich!, werden hier die ÖVP- und BZÖ-Vertreterinnen und -Vertreter aufschreien. Aber, werte Kolleginnen und Kollegen, seien wir doch ehrlich zueinander: Was die Bundesregierung von der parlamentarischen Arbeit – ja, auch der Ihren, meine Kollegen und Kolleginnen von ÖVP und BZÖ! – hält und wie ernst es ihr mit der Demokratie ist, können wir allein schon daran erkennen, dass der Posten des Ge­schäftsführers der „Familie & Beruf Management GmbH“ bereits vor unserer heutigen Sitzung ausgeschrieben worden ist, meine Damen und Herren! Anscheinend ist es der Bundesregierung egal, was der Bundesrat entscheidet.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese unangebrachte Arroganz gegenüber der parla­mentarischen Arbeit, aber auch gegenüber den eigenen Parteifreundinnen und Par­teifreunden ist für mich schlichtweg eine Frechheit! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Es ist ja schon seit einigen Wochen kein Geheimnis mehr, dass selbst die Ausschreibung eine Farce zu sein scheint, denn es soll, wie man in den Zeitungen lesen kann, Frau Haubners Familienreferent Geschäftsführer dieser Gesellschaft werden. Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon gespannt auf dieses Ergebnis.

Auch der Arbeitsrechtler und Vertreter der katholischen Soziallehre Mazal, der für den Posten der Institutsleitung des Österreichischen Instituts für Familienforschung vorge­sehen ist, muss mit dem Stigma „Absicherung für regierungstreue Weggefährten“ rechnen, werte Kolleginnen und Kollegen! Dabei erinnern mich einige seiner Vor­schläge an Ideen, die seit Jahren in den SPÖ-Programmen vorzufinden sind. Das finde ich natürlich positiv, aber seine beratende Tätigkeit in der Bundesregierung bei den Kürzungen zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stimmt mich doch sehr bedenklich, werte Kolleginnen und Kollegen!

Was soll aber nun mit dieser Gesellschaft bezweckt werden? – Wir hören von der Bundesregierung und der zuständigen Bundesministerin sehr nett gemeinte Phrasen wie etwa diese: Die Effizienz soll gesteigert werden, es soll zu einer besseren Kunden- und Kostenorientierung kommen, die Wirtschaft soll mit eingebunden werden, und die Familienallianz soll weiterhin gefördert werden.

Meine Damen und Herren! Da frage ich mich schon: War denn das Ministerium bis dato nicht effizient? Hat es bis dato keine Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern der österreichischen Wirtschaft gegeben? Wer sind die Kundinnen und


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 105

Kunden, Frau Minister? Wurde bis jetzt im Ministerium nicht kostenorientiert gear­beitet? Welches Bild zeichnet hier die Bundesregierung und die Ministerin von ihrer eigenen Arbeit, von ihren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten finden, dass Kernkompetenzen der Politik nicht ausgelagert werden sollten! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Es ist eine fragwürdige Konstruktion. Aber noch beunruhigender ist die Art und Weise, wie diese ganze Ausgliederung abläuft, Frau Ministerin. Natürlich wird die Frage auf Grund der demographischen Entwicklung in unserem Land immer dringlicher: Was ist zu tun, damit Familie und Arbeit besser verbunden werden können? Doch, Frau Ministerin, brauchen wir dafür tatsächlich eine Gesellschaft? – Ich glaube das nicht.

Was soll die „Familie & Beruf Management GmbH“ eigentlich tun? – Sie soll, so ist es in der Beschreibung über die Familienallianz nachzulesen, vor allem folgende Auf­gaben operativ durchführen. Ich möchte nur einige Beispiele anführen:  weiterer Ausbau der Plattform Familienallianz; Beobachtung, Dokumentation und Kommuni­kation; Sammlung und Verbreitung von guten Beispielen; Beratung und Betreuung von regionalen und betrieblichen Initiativen; strategische Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr.

Frau Ministerin! Ich frage Sie nochmals: Was hat das zuständige Ministerium bis dato nicht getan, was diese Gesellschaft neu machen soll? Warum braucht diese Familien­allianz eine ausgegliederte Koordinationsstelle, die „Familie & Beruf Management GmbH“?

Persönlich schätze ich es sehr, wenn die Koordination und eine konstruktive Zusam­menarbeit im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Aber die wachsende Armut in Österreich, meine Damen und Herren, speziell von Frauen und von Familien, zeigt, dass hier weitaus mehr koordiniert und vernetzt werden muss, als ich es einer kleinen Gesell­schaft zutraue.

Meine Damen und Herren! Eigentlich ist diese gesamte Koordination ja immer die Aufgabe der Bundesregierung und des Bundeskanzlers. Ist auch da eine eigene Gesellschaft, die den operativen Teil der Koordination der verschiedenen Ministerien übernehmen soll, angedacht, oder nicht?

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, meine polemische Frage zu entschuldigen. Sie ist wahrlich nicht angebracht, denn die Lebenssituation von vielen Menschen in Österreich wird immer schlechter. Außerdem prognostizieren die Statistikerinnen und Statistiker bis 2050 einen Kinderschwund um weitere 8 Prozent, und gleichzeitig wird die Lebenserwartung immer höher.

Meine Damen und Herren! Gerade die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine sehr wichtige Angelegenheit für unsere Zukunft und gewinnt auch innerhalb der Europäischen Union seit dem Jahre 2000 an Bedeutung.

Frau Ministerin! Das österreichische Bundesministerium für soziale Sicherheit, Gene­rationen und Konsumentenschutz hat die Projektleitung für das von der Europäischen Kommission finanziell geförderte europäische Projekt mit dem Titel „Vereinbarkeits­maßnahmen von Familien und Beruf anhand des Modellprojektes einer nationalen Koordinierungsstelle“ übernommen.

Die Projektpartnerländer waren Deutschland, Frankreich, Italien sowie Ungarn. Es ging vor allem um Good-Practice-Beispiele, was der Kollege Baier schon zitiert hat, und gerade deshalb finde ich es schade, dass lediglich ein Land an diesem Projekt mitgearbeitet hat, das eine hohe Erwerbsquote und eine hohe Geburtenrate aufweisen kann, nämlich Frankreich.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 106

Weitere Spitzenreiter in diesem Bereich sind die skandinavischen Länder, unter ande­rem die Niederlande, und im weltweiten Vergleich ist Kanada zu erwähnen. Doch bleiben wir in Europa, werte Kolleginnen und Kollegen, und lernen doch von den Besten hier!

Die Arbeitsmöglichkeiten von Müttern hängen mit der Verfügbarkeit von Kindergarten-Ganztagsplätzen zusammen, und bei einer kurzen Babypause, meine Damen und Herren, sind eindeutig positive Effekte auf das Beschäftigungsniveau der Mütter festzustellen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Da hat Österreich jedoch ein sehr großes Defizit. Eine Betreuung von Kindern unter drei Jahren ist nicht leicht zu finden. Im dänischen System gibt es eine umfassende Kinderbetreuung, die den Eltern innerhalb von vier Wochen bereitgestellt werden muss. 25 Prozent der Kinder unter einem Jahr sind bei registrierten Tagesmüttern oder in Krippen.

Meine Damen und Herren! Da unterscheiden sich auch die Chancen auf dem Arbeits­markt zwischen Frauen und Männern ohne Kinder und Frauen und Männern mit Kindern kaum. Dieses System fördert auch eine weitreichende Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz, was sehr wichtig ist. Werte Kolleginnen und Kollegen, davon sind wir in Österreich sicherlich noch weit entfernt.

Die direkte Unterstützung des Einkommens und Transferzahlungen an Familien über beispielsweise Kindergeld, Freibeträge sowie lange Freistellungen nach der Geburt hemmen den Wiedereinstieg der Frauen in den Arbeitsmarkt und die Gleichberech­tigung zwischen Frauen und Männern.

Meine Damen und Herren! Auch da können wir wieder von den skandinavischen Ländern oder von Frankreich lernen. In Frankreich gilt zum Beispiel die staatliche Kleinkindbetreuung als Recht des Kindes. In skandinavischen Ländern ist es üblich – gleich gelagert wie in Frankreich –, Kinder in professionelle Kinderbetreuung außerhalb der Familie zu geben, und niemand würde sagen, dass diese Eltern schlecht wären oder dass das Kind in den ersten drei Lebensjahren unbedingt die Mutter als einzige Bezugsperson benötigt.

Wenn wir Kinder und Jugendliche in den verschiedenen Ländern vergleichen, so kann wahrlich nichts Negatives an der Kinderbetreuung außerhalb der Familie gesehen werden.

Meine Damen und Herren! Festzuhalten ist, dass sich Frauen dazu gezwungen sehen, eine Entscheidung für Kinder und Benachteiligung oder ohne Kinder und Beruf zu treffen, wenn Berufstätigkeit und Kinderbetreuung nicht oder nur schwer vereinbar sind.

Das heißt, wir benötigen weitaus mehr als die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Wir benötigen Beschäftigung, steuerliche und auch sozialpolitische Maßnahmen. Wir benötigen eine ausgezeichnete und gut ausgebaute Kinderbetreuungsinfrastruktur und Qualifizierungsförderung von Berufsrückkehrerinnen. Wir benötigen Teilzeitjobs für gute Qualifikationen, mehr Gleichberechtigung bei den Gehältern zwischen Frauen und Männern und ein aktuelles und zeitgemäßes Bild der Familie. Es ist Aufgabe des Staates, diese Rahmenbedingungen zu schaffen und diese Forderungen auch umzu­setzen.

Nachhaltige Politik für Familien muss vor allem auf die unterschiedlichen Lebensent­würfe von Frauen und Männern Rücksicht nehmen.

Frau Ministerin! Nachhaltige Familienpolitik muss jedoch vor allem für die Gleich­berech­tigung von Frau und Mann sowie für gleichwertige Anerkennung der Arbeit


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 107

außerhalb der Familie und der Arbeit innerhalb der Familie – nicht nur Kinderbetreu­ung, sondern auch Pflegebetreuung – sorgen.

Nachhaltige Familienpolitik muss ausreichende und hoch qualifizierte Kinderbetreuung schaffen und darf nicht Transferleistungen fördern.

Nachhaltige Familienpolitik muss die Rahmenbedingungen für eine familienfreundliche Arbeitswelt setzen. Dann wird es zu einer Erhöhung der Geburtenrate, zu einer größe­ren Lebenszufriedenheit und zu einer geringeren Armutsgefährdung kommen.

Frau Ministerin! Dazu hätte ich noch einige Fragen: Warum haben Sie ohne jede rechtliche Grundlage, die deswegen nicht existiert, weil der Bundesrat den Geset­zesbeschluss über die Errichtung der Gesellschaft noch in parlamentarischer Beratung hat, den Posten des Geschäftsführers dieser Gesellschaft ausgeschrieben, obwohl etwas, was gar nicht existent ist, auch nicht ausschreibbar ist?

Welche Vorteile erwarten Sie sich von dieser Vorgangsweise, sodass Sie es sogar in Kauf genommen haben, damit gegen einen der wichtigsten rechtsstaatlichen Grund­sätze – nämlich gegen das Legalitätsprinzip – zu verstoßen?

Weiters werden Sie ebenso rechtswidrig, wie Sie die Ausschreibungen vorgenommen haben, auch die Besetzung des Geschäftsführerpostens einer nicht existenten Gesellschaft vornehmen, wenn das Gesetz – etwa auf Grund eines Einspruches des Bundesrates – gar nicht zustande kommt.

Frau Ministerin! Können Sie ausschließen, dass Sie jemanden, den Sie gut kennen, zum Geschäftsführer dieser – meiner Meinung nach – Familien- und Berufsver­sorgungs­gesellschaft bestellen lassen?

Des Weiteren: Welche Leistungen des Regierungsgutachters für Sozialabbau, Univ.-Prof. Dr. Mazal, waren es, für die er nunmehr mit der Eingliederung des Öster­reichischen Instituts für Familienforschung in sein Universitätsinstitut belohnt werden soll, obwohl er kein Sozialwissenschaftler, dieses Institut aber eines für Sozialwissen­schaften ist? (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Frau Ministerin! Gerade dieses große Thema, das in vielen Ministerien und bei vielen Entscheidungen mitbedacht werden muss, wird nun in eine Gesellschaft ausgegliedert, und ich finde die Herangehensweise wie auch die Durchführung sehr unprofessionell und sehr bedenklich. Wir werden natürlich gegen dieses Gesetz einen Einspruch erheben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.07


Vizepräsident Jürgen Weiss:  Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


15.07.55

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn einen Satz zu diesem „Fonds Soziales Wien“. Ich bin nicht aus Wien, und ich bin nicht bei der SPÖ. Ich hoffe, Sie kaufen es mir deshalb ab, ich meine es wirklich ernst und ehrlich. Ich habe sehr wenig Lust, jedes Mal in einer Bundesratsitzung über irgendwelche Themen des Wiener Landtags zu diskutieren.

Ich sage das jetzt nicht, weil ich da der SPÖ in einem Thema, bei dem ich mich wirklich nicht auskenne, nach dem Mund reden möchte, sondern ich halte es einfach auch für eine Verschwendung der Zeit der Frau Ministerin, die ja nicht hier ist, um mit uns über den „Fonds Soziales Wien“ zu reden, sondern doch über das Gesetz, das wir heute hier diskutieren.


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Einen Satz auch zum Ausschuss. Ich bin ein bisschen verwundert, dass der Herr Kollege Baier offenbar so nachhaltig empört darüber war, wie der Ausschuss verlaufen ist, weil ich selbst an der Ausschusssitzung teilgenommen habe und in den gesamten zweieinhalb Stunden keine Meldung von irgendjemandem von Seiten der Regierungs­fraktionen vernommen hätte, dass das so nicht gehe und dass man das endlich einmal abstellen müsse. (Bundesrat Schennach: Die junge ÖVP ist noch in der Orientierungs­phase!)

Wenn das eine spontane, tief greifende Empörung gewesen wäre, dann hätte man, so denke ich, auch spontan reagiert. Das war nicht der Fall. Deshalb kann ich das jetzt nicht so hundertprozentig ernst nehmen, sondern das wirkt auf mich jetzt ein bisschen aufgesetzt und sieht nach künstlicher Aufregung aus, um ehrlich zu sein.

Mich hat es ein bisschen verwundert, dass keine Nationalratsabgeordneten der Regie­rungsfraktionen anwesend waren. Immerhin war es ja auch Sinn dieses nachgeholten Begutachtungsverfahrens, das wir da durchgezogen haben, dass man Informationen austauscht und darüber diskutiert.

Ich muss sagen, ich habe das als einen der seltenen Momente empfunden, bei dem es im Ausschuss eine wirklich tief greifende, gute, inhaltlich interessante Diskussion gegeben hat. Ich möchte auch der Frau Bundesministerin dafür danken, dass sie da war und dass sie auch auf Fragen geantwortet hat, die sie vielleicht nicht hätte beant­worten müssen – auch wenn Sie nicht alle Fragen beantwortet haben, aber dazu später, die werde ich dann gerne wiederholen.

Ich finde, es war eine gute Diskussion. Ich fand es jedoch schade, aber nicht sehr überraschend, dass keine Nationalratsabgeordneten von den Regierungsfraktionen anwesend waren.

Zum Inhaltlichen selbst: Es gibt eine lange Reihe von Stellungnahmen, die zu dieser „Familie & Beruf Management GmbH“ eingegangen sind. In sehr vielen davon wird angedeutet, man hätte eigentlich gerne schon früher eine Stellungnahme abgegeben, es sei aber nicht möglich gewesen, und man sei froh, das auf diesem Wege nachholen zu können.

Nur um all jenen, die diese Stellungnahmen nicht gelesen haben, einen Überblick zu verschaffen, möchte ich in ein paar Schlagworten zusammenfassen, was da angeführt worden ist:

Die Industriellenvereinigung spricht sich zum Beispiel gegen weitere Belastungen des Familienlastenausgleichsfonds aus und äußert demokratiepolitische Bedenken gegen die Ausgliederung.

Das Land Oberösterreich schlägt eine Vertretung der Länder im Aufsichtsrat oder im Beirat vor, da viele Aufgaben, die von dieser „Familie & Beruf Management GmbH“ erledigt werden sollen, ja auch eine Kooperation mit den Ländern verlangen werden.

Die Bundesarbeiterkammer kritisiert den Verlust der parlamentarischen Kontrolle und auch eine Ausgliederung von Kernaufgaben. Sie stellt auch in Frage, was denn durch diese Ausgliederung eigentlich verbessert wird. Sie findet die Zielfestlegungen ungenügend und kritisiert das Fehlen des Unternehmenskonzepts.

Weiters weist auch die Bundesarbeiterkammer auf vom Rechnungshof festgelegte Kriterien für Ausgliederung hin. – Das war bereits im Ausschuss sehr ausführlich Thema. Auch stellt die Bundesarbeiterkammer die Frage, wozu denn eine Ausglie­derung vorgenommen wird, wenn doch das Ministerium nach wie vor das Arbeits­programm dieser GmbH genehmigen muss und auch beeinspruchen kann und auch


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die Vorlage eines neuen, geänderten Arbeitsprogrammes verlangen kann. Es gibt außerdem ebenfalls eine Kritik an der Zusammensetzung des Beirates.

Von Seiten der Volksanwaltschaft wird ein Fehlen von Informationen über die Sinn­haftigkeit und die Absichten der Ausgliederung kritisiert und auch der Verlust der Kontrollkompetenz der Volksanwaltschaft.

Der ÖGB kritisiert, dass der Nutzen für die Familien – was ja eigentlich Sinn der Sache sein sollte – unklar ist, dass eine Ausgliederung ein falsches Symbol ist und dass parlamentarische Kontrolle verlustig geht und argumentiert, die Ziele, die da genannt wurden, könnten doch ebenso durch eine bessere Koordination im Ministerium selbst erreicht werden, und zwar ohne Mehrkosten.

Der katholische Familienverband kritisiert zuletzt, dass es bei einer Ausgliederung eigentlich keine Vorteile gibt, und bezeichnet die Aufgaben, die ausgegliedert werden, als genuine Aufgaben des Ministeriums.

Kollege Baier hat das vorhin abgetan und gemeint, es seien doch keine so fundamen­tal wichtigen Aufgaben, dass man sie nicht ausgliedern könnte. – Unternehmens­gegen­stand – ich zitiere jetzt – der Gesellschaft ist das Management von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Koordination der Forschungs­förderung für das Österreichische Institut für Familienforschung beziehungsweise dessen Rechtsnachfolge.

Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind meiner Meinung nach schon eine sehr wichtige Aufgabe. Wenn der Kollege das eher im privaten Bereich ange­siedelt sieht und nicht im staatlichen, lässt das tief schließen, ist aber meiner Meinung nach kein Argument dafür, warum das hier schon ausgegliedert werden müsste. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Sie haben gehört, die Stellungnahmen, die eingegangen sind, waren zum über­wiegenden Teil sehr kritisch. Die meisten der hier angebrachten Kritikpunkte sind auch die Gründe dafür, warum wir dieses Gesetz heute an den Nationalrat zurückgeben, in der Hoffnung, dass daran vielleicht doch die eine oder andere Reparatur vorge­nom­men wird.

So spannend die Diskussion im Ausschuss auch war, es blieb für mich, wie ich schon gesagt habe, doch die eine oder andere Frage unbeantwortet. Das Wichtigste dabei ist: Was ist denn tatsächlich – das kann ich nicht nachvollziehen – der Gewinn für die Familienpolitik, wenn diese Aufgaben ausgegliedert werden?. Das Hauptargument, das für die Gründung dieser GmbH vorgebracht wird, ist eine Steigerung der Effizienz in der Umsetzung dieser Maßnahmen. – Dem kann ich einfach nicht folgen.

Beamte im Ministerium sind weisungsgebunden. Ich kann mir nichts Effizienteres vorstellen als eine Ministerin, die ihren Beamten eine Weisung erteilt, und die setzen das dann um. Das ist doch effizient wie sonst nur was! Ich weiß nicht, wie eine GmbH das plötzlich effizienter durchführen soll. Vor allem – das meine ich jetzt nicht zynisch, auch wenn es vielleicht so klingt! –: Was macht man denn, wenn dann auch die GmbH nicht so effizient arbeitet wie gewünscht? Was ist dann der nächste Schritt? Wird der Bereich dann wieder ausgegliedert? (Bundesrat Gruber: Dann gibt es die zweite! Die nächste! Dann gibt es wieder eine GmbH!)

Das ist eine Frage, die für mich offen ist, das ist aber die prinzipielle Frage, warum diese Maßnahme getätigt werden muss. Solange diese Frage für mich nicht wirklich tief gehend beantwortet ist, kann ich dieser Sache einfach nicht zustimmen.

Im Ausschuss ist auch sehr viel über das Österreichische Institut für Familienforschung diskutiert worden, und die Frau Bundesministerin hat dann, sofern ich sie richtig


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verstanden habe, gemeint, sie verstehe nicht, warum das jetzt so ein Thema ist, immerhin sei das ÖIF ein Auftragnehmer mehr – wie viele andere des Bundes – und erfülle Aufgaben, für die es eben bezahlt werde.

Die Fragen waren dort deshalb so konzentriert, weil dieses ÖIF eigentlich der einzige Bereich war, zu dem auch im Gesetzestext tatsächlich konkrete Vorschläge und kon­krete Maßnahmen stehen. Daraus habe ich geschlossen, dass es vielleicht auch in der Begründung eine zentrale Rolle spielt, warum eine Ausgliederung vorgenommen wird. Deshalb haben sich für mich dazu auch sehr viele Fragen ergeben.

Der Jurist Mazal ist schon erwähnt worden, der sich ja in einem Schreiben selbst schon als Projektleiter dieses Instituts oder seiner Rechtsnachfolge bezeichnet. Das ist aber ein Jurist und kein Soziologe. Auch dann, wenn mir das im Ausschuss den Zwischenruf „Berufsverbot“ eingebracht hat, muss ich sagen: Es müsste doch eigentlich einleuch­ten, dass es bei der Familienforschung um eine sozialwissenschaftliche Aufgabe geht und nicht um eine juristische – zumindest nach meinem Verständnis. Wenn mir jemand erklären kann, warum das nicht so ist, tun sie es bitte! Insofern würde ich es doch für sinnvoll halten, wenn die Projektleitung Soziologen und nicht Juristen innehaben würden.

Als letzten Punkt möchte ich die Tatsache erwähnen, dass die Ausschreibung der Geschäftsführung bereits angelaufen ist. Das finde ich sehr befremdlich, da es ja bisher keine gesetzliche Grundlage für einen Job gibt, der da auszuschreiben wäre.

In diesem Zusammenhang habe ich abschließend eine Frage, bei der ich Sie bitten würde, sie mir zu beantworten: Es kann sein, dass ich Sie im Ausschuss falsch verstanden habe. Ich habe im Ausschuss noch einmal nachgefragt, aber Sie haben es mir dann nicht beantwortet. Ich habe es im Ausschuss so verstanden, dass das Unternehmenskonzept bereits in Erstellung sei. Dieses Unternehmenskonzept ist einer der stark kritisierten Punkte. Es geht darum, dass die Geschäftsführung, sobald sie bestellt ist, ein halbes Jahr Zeit hat, ein Unternehmenskonzept zu erarbeiten.

Ich bin der Meinung, wenn der Bund eine GmbH gründet, sollte er schon eine Ahnung haben, was diese GmbH machen sollte, sprich das Unternehmenskonzept sollte es schon geben. (Bundesrat Gruber: Sollte fertig sein! Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, laut Gesetzestext wird die Geschäftsführung damit beauftragt, dieses Unter­nehmenskonzept innerhalb eines halben Jahres zu erstellen. Ich nehme an, sie wird auch dafür bezahlt, und das ist doch ein großer finanzieller Aufwand für einen Job, der schon vorher hätte erledigt werden sollen!

Meine Frage lautet jetzt: Sie haben gesagt – wie ich es verstanden habe –, das Unter­nehmenskonzept würde bereits erstellt. Da es noch keine Geschäftsführung gibt, frage ich mich, wer dieses Konzept jetzt erstellt und ob das einen Widerspruch zum Gesetzestext darstellt oder ob es schon eine Geschäftsführung gibt, die das jetzt macht. – Aber das kann ja nicht sein, denn es gibt dafür noch keine gesetzliche Grundlage. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.18


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Kampl. – Bitte.

 


15.18.12

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr ge­schätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates!

Frau Abgeordnete Konrad! Sie haben sicher Recht mit dem, was Sie dazu sagen, wenn Abgeordnete des Nationalrates und des Bundesrates das Verständnis für so eine Materie, wie es der gesamte Sozialbereich in Österreich ist, nicht ernst nehmen.


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Ich muss Ihnen aber Folgendes sagen, das ich von Ihrer Fraktion auch nicht verstehe: Sie versuchen alle Minderheitenrechte dieses Hauses in Anspruch zu nehmen. Wir haben Sie dabei unterstützt, dass Sie Ihre Fraktion haben. Wir wollten auch eine Fraktion, aber gerade Ihre Fraktion war dagegen. Ich würde zum Beispiel gerne mitar­beiten, habe dadurch aber keine Möglichkeit, im Ausschuss mein Wort zu erheben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zur gesamten Problematik: Ich glaube, wir sollten dieses Gesetz für Gesellschaft, Familie und Beruf sowie das Familienlastenausgleich­gesetz, also die Gründung der „Familie & Beruf Management GmbH“, unterstützen, um eine bessere Familienpolitik, bessere Transferleistungen und eine bessere Verein­bar­keit zwischen Berufs- und Arbeitswelt zu schaffen. (Bundesrat Gruber: Das wird ja nirgends sichtbar, bitte!)

Vor allem braucht unser Sozialsystem dringend Reformen, damit alle Aspekte unter einen Hut gebracht werden können. Ich denke da an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Arbeitswelt als Schlüsselstelle für die Familie, an eine Partnerschaft mit Unternehmern, an die Förderung und Zusammenführung von Sozialleistungen und familienfreundliche Wettbewerbe, wie sie von der Frau Bundesminister in den Gemein­den eingeleitet werden, an Aktivitäten für kinderfreundliche Gemeinden und viele weitere geplante Maßnahmen.

Entscheidend ist aber, meine sehr geehrten Kollegen, dass die Kontrolle durch den Rechnungshof gesichert ist und auch bleibt. Die sinnvolle Ausgliederung in ver­schiedene Schwerpunkte ist notwendig, um eine bessere Übersicht und eine bessere Effizienz zu haben.

Es besteht allgemeiner Handlungsbedarf für die gesamte Sozialpolitik, das müssen wir auch für die Zukunft leisten. Es gibt die Situation, die wir täglich auf den Straßen sehen. Es gibt, glaube ich, nicht einen von uns, der diese Problematik von älteren Menschen, von jüngeren Menschen, von arbeitslosen Menschen, die uns ansprechen, nicht kennt. (Bundesrat Gruber: Die löst aber diese Gesellschaft nicht! Die kostet nur einen Haufen Geld!)

Aber wir, Herr Kollege, wollen eine Verbesserung einleiten. Seien Sie hier nicht dagegen, wenn wir diese Gesetze schaffen wollen, lieber Kollege! (Bundesrat Gruber: Es ist ja nicht sichtbar!)

Wir haben mit Geburtenrückgängen zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Gruber: Die Gesellschaft löst die Geburtenrückgänge? Da muss ich lachen!) Wir haben zu wenige Babys. Wer erwirtschaftet die Pensionen der Zukunft?

Auch die Probleme des Umfelds der jungen Menschen sind wichtige Themen. Liebe Kollegen! Das sind die Themen – ich will sie nur aufzeigen –, die wir täglich hören und um die wir nicht umhinkommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Lieber Kollege! Hier im Hause nicht polemisieren! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Diese Problematik ist zu sensibel. 80 Prozent Kostensteigerung hat es in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich gegeben. Diese 80 Prozent haben wir abzufedern. Da muss uns etwas gelingen. (Bundesrat Gruber: Aber nicht mit so einer Gesellschaft!)

Sie sind einfach dagegen, es ist ganz egal, welches Konzept. Lieber Kollege, ich kenne diese Haltung hier im Hause. Ich bin schon ein bisschen länger hier, ich kenne das. Wenn es der SPÖ und den Grünen nicht passt, dann muss nein gesagt werden, dann wird gesagt: Wir sind dagegen!, ganz egal, ob es gut ist oder nicht. Das passt euch nicht in den Kram und nicht in eure Politik.

Ich kann euch sagen: Die Österreicher werden diese Politik verstehen. (Bundesrat Molzbichler: Weil sie sie zahlen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Bitte, wer hatte denn diese Politik in den letzten 60 Jahren zu verantworten? Vielleicht die heutige Regierung? Meine Herrschaften, zu 80 Prozent seid ihr beteiligt.

Liebe Freunde, diese unsere Politik sollten wir gemeinsam für Österreich, für unsere jungen Menschen fortsetzen. (Bundesrat Boden: Du weißt ja nicht, was du redest! Diese Politik machen wir nicht mit!)

Der Konkurrenzdruck aus dem Ausland ist sehr stark. Das ausländische Personal ist nicht qualifiziert, das ist bei uns gang und gäbe. Ihr habt solche Leute. Unsere Leute gehen auf der Straße spazieren, sind arbeitslos. Es gibt viele tausend nicht qualifizierte Personen, vor allem aus Tschechien und Slowenien. Das ist nachweisbar!

Die Kostensteigerung nimmt im gesamten Sozialbereich sehr stark zu. Ein Umdenken ist erforderlich. Wir wollen die Bundesregierung zum raschen Handeln auffordern. (Bundesrat Kraml: Alles eure Gesetze!)

Lieber Kollege! Fordern wir die Bundesregierung auf, rasch zu handeln! Das muss die Zielsetzung sein. Und das tut sie: Sie macht einen Schritt nach dem anderen. (Bundesrat Molzbichler: Aber nicht mit dieser Gesellschaft, Herr Kollege!)

Der erste Schritt ist mit dem heutigen Gesetz, mit dieser GmbH getan. Die Kosten­steigerung im Sozialbereich ist sehr interessant. Ich habe mir das heute aus meiner Gemeinde faxen lassen. (Der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe.) Seit 1997, also die letzten zehn Jahre, hatten wir 3,2 Prozent, 15 Prozent, 26 Prozent, 45 Prozent und so weiter, bis 80 Prozent Kostensteigerung. Über 80 Prozent! Das ist die Problematik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist das Problem, das wir Bürgermeister kennen. Wir können das nicht mehr finanzieren, wollen aber den Menschen helfen. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Was sind das für Zahlen?) Dieses Problem müssen wir lösen, liebe Kollegen! (Bundesrat Todt: Nicht mit der Gesellschaft!) – Wohl, das ist ein Teil.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir sollten alle gefordert sein und nicht glauben, ein Teil könne sich absondern und der andere Teil soll sich ver­antworten.

Die österreichische Bevölkerung hat einen Anspruch darauf, dass sie von uns richtig vertreten wird. Die österreichische Bevölkerung verdient es aber auch, dass wir verantwortungsvoll mit der sozialen Frage für Österreich – heute, morgen und in der Zukunft – umgehen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

15.25


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Mag. Neu­wirth das Wort.

 


15.25.56

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Jetzt ist leider Herr Kollege Baier nicht da. Ich hätte ihm nämlich gerne etwas gesagt. (Ruf bei der ÖVP: Ich sage es ihm!) – Sagen Sie es ihm? Es ist sowieso nur ganz kurz. Wer nicht einmal so ein kurzes Sprichwort richtig zitieren kann, das da heißt: Wasser trinken und Wein ... (Bundesrat Konecny: Umgekehrt! – Ironische Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

„Wasser predigen und Wein trinken.“ – Er hat mich mit dem kurzen Sprichwort so verwirrt, dass sogar ich jetzt durcheinander war. Aber ich habe es jedenfalls bezeich­nend gefunden, dass er das nicht hingekriegt hat.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 113

Es ist trotzdem schwierig, aus so einer langen Ausschusssitzung richtig zu zitieren. Zweieinhalb Stunden lang haben wir auf eine, wie ich meine, verantwortungsvolle Art und Weise diskutiert. Und wenn jemand diesen Ausschuss missbraucht hat, dann war es wohl er, als er nämlich Fragen an eine der dort anwesenden ExpertInnen gestellt hat, die überhaupt nichts mit dem Thema zu tun hatten. Das hat er heute auch wiederholt. Also erklärt sich das ohnehin von selbst.

Am Dienstag lautete die Überschrift des Artikels in den „Salzburger Nachrichten“, in dem sich diese mit dieser Familien-GmbH beschäftigt haben: „,Missachtung des Rechtsstaats’“. Um diese Frage geht es heute in Wirklichkeit, Herr Kollege Kampl, und nicht um die allgemeine Lösung sämtlicher Sozialprobleme mit einer GmbH. Es wird nicht einmal die Frau Ministerin behaupten können, dass sämtliche Probleme, die Sie heute aufgezählt haben, mit dieser GmbH gelöst werden können.

Ich zitiere aus dem Artikel:

„Es war eine Gesetzeswerdung im Eilverfahren. Begutachtung durch die betroffenen Institutionen: Wurde von der Regierung nicht durchgeführt. Debatte im zuständigen Parlamentsausschuss: Wurde von der Koalitionsmehrheit unterbunden. Die Regie­rungsvorlage über die Schaffung der ,Familien & Beruf Management GmbH‘ war im Oktober dieses Jahres durch den Nationalrat gepeitscht worden – ohne Diskussion, ohne den Betroffenen eine Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.“

Die „Salzburger Nachrichten“ sind kein SPÖ-Blatt, ich glaube, das weiß jeder hier herinnen. (Bundesrat Schennach: Der Herr Staatssekretär hat sie auch heute schon zitiert!) – Eben.

Grundsätzlich ist für uns wirklich kein Grund ersichtlich, warum diese vorliegende Materie ohne vorangegangenes Begutachtungsverfahren von der Regierungsmehrheit im Nationalrat überhaupt eingebracht wurde, außer dass wieder einmal in größter Eile und mit hohem Druck eine Konstruktion durchgebracht werden soll, die unserer Meinung nach – und mit dieser Meinung stehen wir wirklich nicht alleine da – nichts bringt und viel Geld kostet.

Es ist gemäß dem Vorblatt, wie wir lesen konnten, eines der Ziele des Gesetzes, dass die Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie effizienter und flexibler koordiniert werden. Abgesehen davon, dass ich der Meinung bin, dass durch konkrete Maßnahmen in den letzten Jahren vieles hätte verbessert werden können, was wohl politisch irgendwie doch nicht so sehr gewünscht war, wird nun eine GmbH eingesetzt, die jetzt ein halbes Jahr lang nachdenken soll, was man eigentlich in diesem Bereich tun soll, anstatt dass man das vorhandene, ohnehin nicht besonders großzügig bemessene Geld für konkrete Maßnahmen einsetzt. Das ist nämlich das, was die Bevölkerung in Österreich braucht.

Verantwortungsvoll wäre es, die Koordination dieser Agenden innerhalb des Ministe­riums zu verbessern und nicht einfach eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe – und eine solche ist es mit Sicherheit – auszulagern. Es werden nämlich keine neuen Leistungen erbracht, sondern es geht ausschließlich um Leistungen, die bereits jetzt im Ministerium erbracht werden und auch dort wahrgenommen werden sollen.

Eine Ausgliederung in der jetzt vorgeschlagenen Form birgt ein starkes Risiko von Intransparenz und mangelnder demokratischer Kontrolle. Es ist so, auch wenn im Ausschuss versucht wurde, das Gegenteil zu beweisen. Die direkte parlamentarische Kontrolle gibt es nicht in dem Maße, in dem wir sie haben wollen. Das werden wir mit Sicherheit nicht akzeptieren! Die Abgeordneten haben im Falle einer GmbH kein parlamentarisches Anfragerecht, was die Geschäftsführung dieser GmbH betrifft. (Bundesministerin Haubner: Das stimmt nicht!) Das ist so, auch wenn man hier


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irgendetwas konstruieren will, was so nicht den Tatsachen entspricht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

Es erhebt sich weiters überhaupt die Frage, wieso gerade eine GmbH für diese Belan­ge die optimale Struktur darstellen soll. Erschwerend kommt unserer Meinung nach wirklich noch dazu, dass nicht einmal die Volksanwaltschaft ein direktes Kontrollrecht bekommen soll. (Ruf bei der SPÖ: Ein Skandal!) Goodwill-Touren sind zu wenig in solchen Angelegenheiten. Es geht um die rechtliche Verankerung von Kontrollrechten, aber und die Frau Bundesministerin ist nicht bereit, der Volksanwaltschaft dieses Kontrollrecht zu geben. (Zwischenruf.) – Das stimmt, auch wenn Sie es nicht sehen wollen.

Es ist für uns, aber nicht nur für uns, wie Kollegin Konrad schon aufgezeigt hat, son­dern für so große und wichtige Institutionen wie die Wirtschaftskammer oder den Katholischen Familienverband, die Industriellenvereinigung, die Bundesarbeiterkam­mer, aber auch die Landesregierungen von Burgenland, Wien, Vorarlberg und Salz­burg nicht nachvollziehbar, weshalb der Bund eine Gesellschaft mit familienspezifi­schen Aufgaben gründet, die im Rahmen der öffentlichen Verwaltung ohne weitere Overhead-Kosten im Ministerium geregelt werden könnten.

Es stellt sich für uns und auch all die genannten Institutionen die Frage, was jetzt eigentlich mit dieser Ausgliederung verbessert werden soll. Angesichts der hohen Summen, die dieser Gesellschaft jährlich aus dem Familienlastenausgleichsfonds zufließen sollen, was wir auch nicht wollen, ist die Zielfestlegung im Entwurfstext völlig ungenügend beschrieben. Das Argument der Effizienzsteigerung, das immer wieder kommt, effizienter solle das Ganze werden, was im Entwurfstext und in den Erläuterungen im Zusammenhang mit der Ausgliederung vorgebracht wird, ist über­haupt nicht stichhaltig, denn es wird nicht billiger, sondern es wird teurer. Und etwas, was teurer wird, kann wohl nicht effizienter sein! Irgendwie widerspricht sich das meiner Meinung nach. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Man darf Folgendes nicht vergessen: Wie kann mit Effizienz argumentiert werden, wenn knapp 25 Prozent Verwaltungskosten, nämlich 523 000 € bei einem Budget von 2,14 Millionen, und zusätzlich Entstehungskosten von 195 000 €, das sind 9 Prozent der Fördersumme, veranschlagt werden? Das ist keine Effizienz.

Die Finanzflüsse zwischen dem Bund und der GmbH sind außerdem extrem komplex. Das muss man sich folgendermaßen vorstellen: Die GmbH erhält eine Basisförderung durch den Bund, erstattet aber gleichzeitig die Kosten für die überstellten Beamtinnen und Beamten wieder an den Bund zurück. Zusätzlich kann der Bund noch erforderlichenfalls die Basisförderung ergänzen, also erhöhen. Er kann aber auch Leistungen von der GmbH einkaufen, während die GmbH wiederum Leistungen des Bundes oder von Rechtsträgern im Besitz des Bundes natürlich auch gegen Geldleistung in Anspruch nehmen kann. Darüber hinaus – und das ist vielleicht der einzig positive Punkt – können von der GmbH auch Mittel durch andere öffentliche oder private Zuwendungen sowie für Leistungen an Dritte lukriert werden.

Frau Ministerin! Bei einem derart komplizierten Finanzflusssystem kann ich mir nicht vorstellen, dass das irgendwie zu Effizienzsteigerungen in der inhaltlichen Materie, um die es hier eigentlich geht, führen kann.

Ein strukturiertes Unternehmenskonzept fehlt meiner Meinung nach gänzlich. Ich habe bisher keines gesehen. Und dieses soll überhaupt erst sechs Monate nach der Gesetzeswerdung feststehen, wie auch schon gesagt worden ist. Jetzt wird einmal eine GmbH gegründet, dann arbeitet der schon ausgeschriebene, noch nicht bestellte, aber vielleicht doch schon bestimmte Geschäftsführer ein halbes Jahr daran, um


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festzustellen, was sichtlich dem Ministerium oder vielleicht nur der Ministerin nicht bekannt ist, nämlich was man bezüglich Vereinbarkeit von Beruf und Familie tun kann.

In diesem Zusammenhang habe ich noch vier konkrete Fragen an die Frau Ministerin, die ich jetzt stellen möchte.

Frage Nummer eins: Haben Sie auf ein Begutachtungsverfahren verzichtet, um negative Stellungnahmen wie jene des Landes Vorarlberg, vieler anderer Länder, der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und des Katholischen Familienver­ban­des zu vermeiden, die alle den verschwenderischen Umgang mit Steuermitteln im Zusammenhang mit der anscheinend vor allem der Versorgung Ihrer Mitarbeiter dienenden Gründung der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ kritisieren?

Frage Nummer zwei: Warum haben Sie vor dem Nationalrat behauptet, es habe im konkreten Fall eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes gegeben, es sei kein Begutachtungsverfahren durchzuführen, obwohl die Beratungen im Ausschuss des Bundesrates ergeben haben, dass keinerlei derartige Stellungnahme vorliegt? (Bun­desrat Konecny: Oh!)

Frage Nummer drei: Welcher Schaden wäre eigentlich eingetreten, wenn das Bun­desgesetz über die Errichtung der Gesellschaft „Familie & Beruf Management GmbH“ ein Monat später in Kraft getreten wäre und Sie die Zeit genützt hätten, um ord­nungsgemäße Ausschussberatungen im Nationalrat durchzuführen, anstatt dieses Gesetz mit einem Fristsetzungsantrag durchzupeitschen?

Und die letzte Frage lautet: Ist Ihnen die an alle Ressorts ergangene Aufforderung des ... (Bundesministerin Haubner: Die sind gar nicht gestellt worden!) – Die Fragen sind im Ausschuss nicht ausreichend beantwortet worden. Ich nehme an, Sie haben das nicht gehört. Alle Fragen sind angesprochen worden.

Ist Ihnen die an alle Ressorts ergangene Aufforderung des Bundeskanzlers bekannt, die Teilnahme an von Ausschüssen des Bundesrates ausgehenden Begutachtungs­verfahren mit standardisierten Formularen zu verweigern und werden Sie sich in Zukunft an diese rechtswidrige Aufforderung halten? – Das ist die einzige Frage, die wir im Ausschuss nicht gestellt hatten.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf Grund aller von mir angeführten Argu­mente werden wir heute natürlich gegen dieses Gesetz Einspruch erheben, nicht zuletzt auch um Ihnen, Frau Ministerin, noch etwas mehr Zeit zu geben, über diese wirklich berechtigten Einsprüche ernsthaft nachzudenken. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

15.37


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach.

 


15.37.50

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Baier! Nachdem Sie ganz offensichtlich einen demokratiepolitischen Schock in einem Aus­schuss des Bundesrates erlebt haben, stelle ich Ihnen eine Frage: Will die ÖVP, wollen Sie, dass wir heute keinen Einspruch erheben? (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Baier.) – Ich habe das jetzt leider überhaupt nicht gehört.

Wie weit nehmen Sie sich ernst, Herr Kollege Baier? Wissen Sie, dass es dieses Gesetz noch nicht gibt, weil wir es hier in einer demokratischen Kammer beraten, und wissen Sie, dass die Frau Bundesminister bereits die Geschäftsführung ausge­schrieben hat, ohne dass es dafür eine GmbH gibt, ohne dass es dafür irgendeine


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rechtliche Grundlage gibt? – Das ist auch ein Affront gegenüber diesem Haus. Schon alleine diese eine Tatsache macht den Einspruch notwendig. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Baier! Zum Zweiten: Jedes Jahr stehen hier Vertreter jeder Fraktion an diesem Rednerpult und machen eine Verbeugung auf diese Seite hinüber (auf die linke Seite weisend), nämlich dorthin, wo immer die Volksanwälte sitzen. Ich habe in meinen letzten Reden immer gesagt: Kein Gesetz mehr, bei dem die Volksanwaltschaft keine Möglichkeit einer Mitwirkung hat! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ sowie Bravorufe bei Bundesräten der SPÖ.)

Kollege Baier, drittens: zu Ihrem „demokratiepolitischen Schock“. – Ich war eine Stunde lang als Gast in diesem Ausschuss und habe das ganz anders als Sie empfunden. Ich sage Ihnen, das war ein demokratiepolitisches Highlight. So können Ausschüsse des Bundesrates arbeiten, wenn erstens einmal, und da bedanke ich mich bei der Bundesministerin, eine Bundesministerin in den Ausschuss kommt, wenn Expertinnen und Experten kommen und wenn es dann eine dermaßen lebhafte Diskussion wie in diesem Ausschuss gibt. (Bundesrat Mag. Baier: Schauspielerei!) Das war ein politi­sches Highlight! Und keine Kritik an der Vorsitzführung! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es war eine besondere Situation, da gebe ich Ihnen Recht, denn der Bundesrat musste Amtshilfe leisten, Amtshilfe für den Nationalrat, der das in der Form nicht beraten konnte. Natürlich gab es hier eine geschäftsordnungsmäßige Hilfe für die anwesenden Nationalratsabgeordneten, die jede Fraktion in Anspruch hätte nehmen können, hätte sie nur Bereitschaft gezeigt, auch in diesen Ausschuss zu kommen. (Bundesministerin Haubner: Grenzfälle waren das!) Somit hat hier Amtshilfe stattgefunden, nachdem die Regierung eines verweigert hat, nämlich eine ordentliche Begutachtung. Zu diesen High­lights zählte bereits, dass die Mehrheit dieses Hauses diese Begutachtung nach­geholt hat.

Eine völlig unverdächtige Stimme – Kollege Baier, ich glaube, Sie kommen ja aus diesem Bereich –, die sich an dieser vom Bundesrat doch noch ins Leben gerufenen Begutachtung beteiligt hat – ich zitiere –: Wir bedauern nicht schon im Vorfeld, im Gesetzwerdungsprozess mit eingebunden gewesen zu sein, schreibt an den Bundesrat niemand anderer als die Industriellenvereinigung. Sie hat ja kein Gehör gefunden. – Fortsetzung des Zitats: Außerdem möchten wir uns aber mit Nachdruck gegen eine weitere Belastung des Familienlastenausgleichsfonds aussprechen. Und die Industriel­lenvereinigung – man höre – schreibt zur GesmbH: Der Nachteil liegt dabei in der geringen Transparenz der Tätigkeit der GmbH nach außen und – ich bin wirklich hoch erstaunt – in der verdünnten demokratischen und politischen Verantwortungslinie quasi nach innen. – Zitatende.

Das schreibt die Industriellenvereinigung, Herr Kollege Baier! Ich kann Ihnen das dann gerne geben; vielleicht hatten Sie es noch nicht im Ausschuss, denn sonst hätten Sie das möglicherweise ins Gespräch gebracht.

Aus demokratie- und strukturpolitischer Sicht muss man aber sagen, dass die Grün­dung einer GmbH für die angedachten Aufgaben durchaus kritisch zu betrachten ist, sagt die Industriellenvereinigung.

Aus den zahlreichen eingelangten Stellungnahmen, Herr Kollege Baier – und ich finde es toll, dass an dieser Nothilfemaßnahme, die hier geschehen ist, nachdem es die Regierung vorgezogen hat, niemand zu befragen und ein Gesetz durchzupeitschen –, möchte ich nur zwei Stellungnahmen von zwei Ländern herausgreifen, die von ihrer politischen Zusammensetzung und von ihrer Bevölkerung her nicht unterschiedlicher sein könnten, nämlich das Land Vorarlberg und die Stadt Wien.


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Das Land Vorarlberg bemängelt ebenfalls: kein Begutachtungsverfahren und dass der administrative Aufwand gleich ein Viertel des Budgets verschlingt. Und das Land Vorarlberg mutmaßt: Wenn konkrete Maßnahmen zur Förderung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirksam werden sollen ... – man ist sich also nicht einmal sicher, dass das auch tatsächlich geschieht. Das Land Vorarlberg meint: Belassen wir doch die Administration beim ÖIF und verwenden wir die Gelder direkt. Und das Land Vorarlberg meint mit „direkt“: in den Ländern.

Die Stadt Wien kann – so wie das Land Vorarlberg – im Hinblick auf Aufgabenwahr­nehmung und Effizienzsteigerung keine Verbesserung in dieser Konstruktion erblicken und frägt an, warum nach der Bestellung einer Geschäftsführung zunächst einmal sechs Monate lang ein Konzept zu erarbeiten ist. Ja, Herr Kampl! Wenn diese Gesell­schaft zustande kommt, dann wird nichts mit Ihren Babies und Ihren Jugendlichen, da wird einmal sechs Monate Konzept erarbeitet. (Bundesrat Konecny: Sechs Monate Tiefschlaf!) So sieht es aus, so sagt es die Stadt Wien.

Der ÖGB meint, dass unklar ist, welchen Nutzen die Familien aus der Ausgliederung dieser Agenden in eine neu gegründete GmbH haben. Und weiters meint der ÖGB: Wenn man schon betont, wie wichtig etwas gesellschaftspolitisch ist, dann ist die Ausgliederung aus der Zuständigkeit eines Ministeriums wohl das völlig falsche Signal.

Zum Schluss vielleicht noch zwei Stimmen (Bundesrat Konecny: Zuerst hat er von der Industrie gesprochen!): Der Katholische Familienverband – ich weiß nicht, Herr Kollege Baier, haben Sie das vielleicht geschrieben? (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ) – ist sichtlich irritiert und meint: Wozu brauchen wir das Ganze? Es gibt doch einen Familienpolitischen Beirat im Ministerium.

Zum Abschluss noch eine völlig unverdächtige Kammer: Der Verband der Apotheker Österreichs, eine berufliche Interessensvertretung, meint: Es scheint uns nicht zielführend zu sein, zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in kosten- und verwaltungsaufwendiger Weise eine neue GmbH zu gründen.

Ich weiß schon, Frau Bundesminister, Sie wollten sich all diese Post ersparen. Ich verstehe das ja. Es ist einfach unangenehme Post, eine Post, die sagt: Hören Sie auf, wofür brauchen wir das? Es kostet viel Geld; es bringt nichts; Rechnungshof und Volksanwaltschaft werden teilweise ausgeschaltet. Und dass wir jetzt anfangen – bitte, meine Damen und Herren, wir stehen ein Jahr vor Neuwahlen –, Gesellschaften auszugliedern, da irgendwelche BZÖ-Günstlinge noch versorgt werden müssen, das, lieber Kollege Kampl und andere, ist uns diese Sache wirklich nicht wert. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Offensichtlich soll hiemit ja nur eine marginal kleine Gruppe versorgt werden. Es geht nicht um die Familie, es geht wirklich nur darum, eine ganz minimale, steck­nadelkopfgroße Gruppe zu versorgen. In diesem Sinne erfolgt der Einspruch mit Mehrheit des Hauses heute hier zu Recht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


15.47.33

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Frau Bundesministerin! Gospa ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dragi kollegice i kollegi! Worum geht es? – Mit dem vorliegenden Entwurfstext, der bereits am 19. Oktober 2005 im Nationalrat ohne Begutachtungsverfahren beschlossen wurde, sollen die Agenden über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus dem Bundes­ministerium für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz ausge­


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gliedert und an eine neu zu schaffende „Familie & Beruf Management GmbH“ übertragen werden.

Gerade ein solches Gesetz, meine Damen und Herren, braucht ein breites Meinungs­bild. Zu diesem Gesetz hätten sehr viele Familien, sehr viele Organisationen vieles zu sagen. Familie und Beruf ist immer eine Frage des Dialogs zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Institutionen wie zum Beispiel Kinderbetreuungseinrichtungen, wenn es richtig funktionieren soll. Obwohl die Frau Bundesministerin – und das ist positiv zu werten – im Ausschuss zumindest Antworten gegeben hat, hat es Gespräche mit Familien, eine Dialogbereitschaft des Bundesministeriums gegenüber Institutionen leider nicht gegeben. Diese Dialogunfähigkeit ist leider für die jetzige Bundesregierung typisch. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Meine Vorredner – Herr Molzbichler, Frau Kollegin Neuwirth, auch die Kollegin der Grünen – haben den Begriff „Leistung“ schon besprochen, deswegen möchte ich das nicht noch einmal wiederholen. Fakt ist, dass dieser Gründung keine neuen Leistungen entsprechen. Fakt ist auch, dass Sie, Frau Bundesministerin, im Ausschuss die Gründung der GmbH damit begründet haben, dass dadurch operativ verbesserte und rasche Umsetzungen in die Wege geleitet werden. Frau Ministerin! Wenn ich rasche Umsetzung brauche, dann habe ich sie einzufordern, und dann bekomme ich sie auch.

Sie haben gesagt, es sollen operative Stellen, so genannte Schaltstellen, geschaffen werden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu organisieren. Frau Ministerin: Welche Schaltstellen? Wie viele Personen? Wie viel kostet das? Diese Fragen sind mit diesem Entwurf leider nicht beantwortet. Deswegen besteht der Verdacht, dass funktionierende Systeme parteipolitisch ungefärbt werden sollen.

Weiters wird die Ausgliederung damit begründet, meine Damen und Herren, dass ein bürgerfreundlicher Zugang zu Informationen, Beratung und Maßnahmen sichergestellt werden soll. Liebe Frau Ministerin! Worin besteht diese Bürgerfreundlichkeit? Was wird durch diese Neugründung der GmbH für jede Einzelne und jeden Einzelnen ver­bessert, wenn die Leistung gleich bleibt und die Aufgaben gleich bleiben? Ist es bürgerfreundlich, wenn der parlamentarischen Kontrolle und der Zuständigkeit der Volksanwaltschaft eine Absage erteilt wird? Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Die Menschen in Österreich brauchen Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Verbindlichkeit und nicht irgendeine unklare Institution. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die heute hier vorliegende Ausgliederungskonstruktion kostet viel und bringt wenig beziehungsweise nichts. Die Industriellenvereinigung warnt, die Wirtschaftskammer wundert sich, der Katholische Familienverband und die Vorarlberger Landesregierung sehen auch keine Vorteile.

Der Entwurfstext trifft keine Aussage zur Arbeitnehmerbestimmung beziehungsweise Arbeitnehmerinnenbestimmung. Daher ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverfas­sungsgesetz gilt und die Arbeitnehmervertretung mittels Drittelbeteiligung im Aufsichts­rat vertreten sein müsste. Dazu ist jedoch die Errichtung eines Betriebsrates not­wendig, und zur Errichtung eines Betriebsrates ist es notwendig, dass mehr als fünf Arbeitnehmer beziehungsweise Arbeitnehmerinnen in der „Familie & Beruf Manage­ment GmbH“ beschäftigt werden. Gibt es keinen Betriebsrat, kann es leider auch keine Mitbestimmung der Belegschaft geben.

Fraglich ist auch, ob für das ÖIF eine unabhängige Forschungstätigkeit gewährleistet ist. Das ÖIF war bisweilen ein unabhängiges Institut, das auch für die Regierung unangenehme Forschungsergebnisse publizierte. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Nachfolger nunmehr an die Uni Wien angedockt werden sollen, ist dadurch eine unabhängige Forschungstätigkeit noch lange nicht gewähr­leistet. Bisher waren alle Familienverbände der politischen Parteien, Wissenschaftler


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und Wissenschaftlerinnen in den Organen des ÖIF vertreten. Damit war für weit­gehende Unabhängigkeit der Forschungstätigkeit des ÖIF gesorgt. Diese Art der demokratischen Kontrolle wird nunmehr abgeschafft. Wir sind sicherlich nicht gegen Auslagerung, meine Damen und Herren, wenn sie sinnvoll, zweckmäßig, effizient ist und wenn neu geschaffene Strukturen bei der Umsetzung der jeweiligen Aufgaben nützlich sind. Dies ist leider bei dieser Ausgliederung nicht der Fall.

Wem nützt es? Wir sehen in dieser fragwürdigen Konstruktion keinen Nutzen für betroffene Bürger und keinen Nutzen für betroffenen Bürgerinnen, sehr wohl aber für Sie, Frau Bundesministerin, denn Sie sichern sich weithin den direkten, unmittelbaren politischen Einfluss, aber Sie entziehen sich der parlamentarischen Kontrolle. Meine Damen und Herren, so kann es nicht sein! Deswegen lehnen wir das Gesetz ab. Anstatt um teures Geld Versorgungsposten für Ihnen nahe stehende Personen zu schaffen, sollte die Regierung endlich wirksame Maßnahmen, wirklich wirksame Maß­nahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie treffen. Dringend nötig sind der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, der Öffnungszeiten dieser Kinderbetreu­ungs­einrichtungen, eine Reform des Kindergeldes und die Einführung des Vater­schutzmonats.

Einige Fragen – ich weiß schon, dass das keine Fragestunde ist – sind noch offen, Frau Bundesministerin:

Welche Aufgaben im Bereich der Familienpolitik, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, haben Sie bisher so schlecht erfüllt, dass Sie diese nunmehr auf eine privatrechtliche GmbH übertragen müssen?

Wie ist der Wortlaut der Kosten-Nutzen-Analyse?

Warum haben Sie dieses Gesetz nicht von den Beamten Ihres Hauses, sondern von einem Rechtsanwalt ausarbeiten lassen, wodurch zusätzliche Kosten entstanden sind? Wie hoch sind diese Kosten? (Bundesrat Schimböck: Verschleuderung von Steuer­geldern!)

Warum wollen Sie diese Ausgliederung durchführen, obwohl nach den Ausführungen fast aller begutachtenden Stellen dadurch erhebliche zusätzliche Kosten entstehen, ohne dass damit irgendein anderer Vorteil als die Schaffung eines Geschäftführer­postens verbunden ist?

Welche Missstände existieren in Ihrem Ressort im Bereich der Familienpolitik bisher, sodass Sie nunmehr mit der Ausgliederung dieser Aufgaben bewusst die Kontrolle der Volksanwaltschaft ausschließen wollen?

Auf welche Weise sichern Sie eine sachliche Vergabe der Fördermittel durch die Familien-GmbH, wenn Sie gleichzeitig durch die Einräumung eines Weisungsrechtes den politischen Einfluss sichern, aber jegliche Kontrolle ausschließen?

Welche unerwünschten Ergebnisse haben bisher Vergabeverfahren in Ihrem Ressort erbracht, sodass Sie nunmehr diese die faire und sachgerechte Vergabe von öffent­lichen Mitteln garantierenden Verfahren ausschließen?

Sind Sie bereit, Frau Bundesministerin, sich in Zukunft in Ihrer Amtsführung wieder an gesetzliche Vorschriften, die Grundsätze von Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltung und eines demokratischen Verfahrens zu halten? (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Bundesministerin Haubner: Das ist ein Wahn­sinn! – Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)


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15.59


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

 


15.59.15

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Art und Weise, wie Frau Kollegin Neuwirth ihre Rede begonnen hat, hat auch mich zu einem Sprichwort motiviert: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

In der Begründung des Einspruchsantrags und den einzelnen Debattenbeiträgen ist die kritische Haltung des Landes Vorarlberg zum Gesetzesbeschluss bereits ange­sprochen worden. Es ist in der Tat richtig, dass unser Land sofort nach Kenntnis des Vorhabens von sich aus die Parlamentsklubs über wesentliche Einwände und einen alternativen Lösungsvorschlag informiert hatte. In dem vom Sozialausschuss nach­geholten Begutachtungsverfahren wurde vom Land Vorarlberg die seinerzeitige Stellungnahme und Ablehnung bekräftigt.

Wenn nun beantragt wird, der Nationalrat möge sich mit dem Gesetzesbeschluss nochmals befassen, dann können wir drei Vorarlberger Bundesräte ungeachtet unterschiedlicher Fraktionszugehörigkeit an diesem Votum unseres Landes wohl nicht vorübergehen, wenngleich es sich nicht – und das muss man auch deutlich sagen – mit allen sonst vorgebrachten Einwänden deckt. (Beifall des Bundesrates Mayer sowie demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Keinen voreiligen Beifall, es kommen auch noch Passagen, denen Sie nicht applaudieren werden. (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zum Wesen eines Bundesratseinspruchs gehört nicht notwendigerweise ein Verhin­derungswille. Für diesen Zweck ist der Einspruch bekanntlich auch gar nicht geeignet. Richtig verstanden ist er ein Hinweis an den Nationalrat auf vielleicht nicht ausreichend bedachte Gesichtspunkte, die man nochmals erwägen möge. (Bundesrätin Bachner: So ist es!) Es steht dem Nationalrat nach dem Konzept unserer Bundesverfassung frei, darauf einzugehen oder zu keiner anderen Einschätzung als bei der ersten Willens­bildung zu kommen. Durch das im Bundesrat nachgeholte Begutachtungsverfahren ist möglicherweise ein umfassenderes Meinungsbild zu Tage getreten, als es vorher bekannt war.

Die Länder haben sich in völlig unterschiedlicher Weise geäußert: manche ablehnend, manche ausdrücklich zustimmend, manche überhaupt nicht. Aus dieser Interessenlage kann für eine Länderkammer naturgemäß ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten der Länder folgen. Vorarlberg hat eben eine andere Einschätzung als beispielsweise sein Nachbarland Tirol. Wenn wir schon eine Länderkammer sind oder jedenfalls sein sollten oder wollen, dann ist das ebenso wie in Deutschland oder in der Schweiz ein eigentlich völlig unaufgeregt zu betrachtender Vorgang.

Ich schätze es sehr, dass die Fraktion der Österreichischen Volkspartei stark genug ist, mit dieser landesspezifischen Freiheit umgehen zu können. Wir nutzen sie allerdings, und das ist ein wesentlicher Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten und von den Grünen, auf der Grundlage eines festen Grund­vertrauens zur Bundesregierung und zur Nationalratsmehrheit, das die Vorarlberger Bevölkerung bei der Landtagswahl vor einem Jahr mit einer klaren Stimmen- und nicht nur Mandatsmehrheit als richtig angesehen hat.

Man kann natürlich argumentieren – und einzelne Länder sehen das offenkundig auch so –, es berühre die Länder eigentlich gar nicht, wie der Bund die Wahrnehmung seiner Aufgaben organisiere, so lange er damit nicht in Zuständigkeiten der Länder eingreife. Das tut er tatsächlich nicht, aber er berührt sie maßgeblich. Familienpolitik einschließlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sich nicht trennen lässt, ist eine Aufgabe, die auch von den Ländern mit großer Intensität wahrgenommen wird.


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Und im Dienste eines wirkungsvollen Mitteleinsatzes hat mein Land ein Interesse daran, dass möglichst nach dem Grundsatz des „One Stop Shop“-Prinzips vorge­gangen wird. Daher wurde es in der Stellungnahme als zweckmäßiger angesehen, die operative Umsetzung gemeinsamer strategischer Vorgaben ähnlich wie bei EU-Förderungsprojekten möglichst bedarfs- und situationsgerecht, das heißt regional anzusiedeln.

Das Land hat, wie aus der Bekräftigung seiner bereits im September eingenommenen Haltung hervorgeht, offenkundig nicht den Eindruck, dass dies beim Gesetzes­be­schluss ausreichend erwogen und auf eine entsprechende Einbindung der Länder – ich erwähne nur das Monieren einer Vertretung im Aufsichtsrat durch Oberösterreich – ausreichend Wert gelegt wurde. (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der Grünen.)

Bei anderen strittigen Gesetzesbeschlüssen haben kritisch-konstruktive Hinweise im Begut­achtungsverfahren immerhin dazu geführt, dass darauf eingegangen wurde, letztlich viele Anregungen berücksichtigt worden sind und ein unterstützbarer Kom­promiss zustande kam. Der Herr Kollege Mayer wird das am Beispiel des Post­gesetzes nachher ausführen.

In solchen Fällen liegt das Landesinteresse im Zustandekommen einer Lösung, wenngleich sie keine wünschenswert perfekte sein mag. Hier unterscheiden wir uns deutlich von Einspruchsbemühungen oder Verzögerungen, deren fraktionspolitische Schlagseite unschwer zu erkennen ist.

Dass der Bundesrat auf Grund der mit Stimmenmehrheit der im Nationalrat in der Minderheit befindlichen Fraktionen der SPÖ und der Grünen durchgesetzten Ver­tagung von Beratungen und Erhebung von Einsprüchen sozusagen endlich seine Geburtsstunde als Länderkammer erlebe, behaupten Sie mit großer Begeisterung. Kann aber die Wirklichkeit diesem Anspruch wirklich standhalten? Mir fällt dabei zu­nächst Folgendes auf:

Die Notwendigkeit eines Einspruchs zu bestimmten Gesetzesbeschlüssen – am Bei­spiel dieses Gesetzesbeschlusses ganz gut erkennbar – wurde zunächst keineswegs von den Landespolitikern der SPÖ in den Raum gestellt, sondern ausschließlich von den Klubobmännern und den Nationalratsabgeordneten der entsprechenden Frak­tionen. Auch beim vorliegenden Gesetzesbeschluss haben sich die Bundesländer Burgenland, Salzburg und Wien erst nachträglich, im Zuge der Meinungseinholung, zu Wort gemeldet. Die Möglichkeit hätte vorher – siehe die Stellungnahme Vorarl­bergs – schon bestanden.

In der Sitzung des Sozialausschusses ist mir aufgefallen und klar geworden ... (Bun­desrat Schennach: Man kann dem Begutachtungsverfahren ...!)

Ich kritisiere ja nicht, dass man ein Begutachtungsverfahren urgiert, ich mache nur deutlich, dass es auch ohne Begutachtungsverfahren Möglichkeiten der Äußerung gibt, die von den betreffenden Landesregierungen eben nicht genutzt wurden.

Noch einmal zur Sitzung des Sozialausschusses: Es ist mir dort aufgefallen und klar geworden, warum Sie Nationalratsabgeordnete dabei haben wollten. Diese haben, eigentlich als Auskunftspersonen geladen, die Wortmeldungen Ihrer Fraktionen derart dominiert, dass man als Zuhörer, der ich war, meinen konnte, in einen National­ratsausschuss geraten zu sein. Das war die eigentliche Amtshilfe, die mit dieser Entsendung verbunden war.

Ich kann mich auch nicht erinnern, dass von der sozialdemokratischen oder der grünen Bundesratsfraktion an die von diesen beiden Fraktionen geladenen Auskunftspersonen nennenswerte Fragen gerichtet worden wären, stehe aber nicht an, zu sagen, dass die


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Diskussion interessant war. (Bundesrat Schennach: Wo waren die Auskunftspersonen von der ÖVP?)

Darauf gehe ich jetzt gerne ein; das habe ich mir nämlich auch notiert, weil es Ihre Kollegin Konrad angesprochen hat, die moniert hat, es seien von der ÖVP und vom Regierungspartner keine Auskunftspersonen gekommen. (Bundesrat Schennach: Wir werden uns doch nicht selbst befragen!) Dieser Hinweis wäre richtig, wenn es sich um einen Selbständigen Antrag von Nationalratsabgeordneten gehandelt hätte. Da wäre es folgerichtig gewesen, dass man die Antragsteller lädt. Im konkreten Fall handelt es sich aber um eine Regierungsvorlage, und die Frau Bundesministerin ist zu einer ausführlichen Beantwortung der an sie gestellten Fragen zur Verfügung gestanden. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Veranlasser des Gesetzesbeschlusses ist Rede und Antwort gestanden. (Bun­desrat Bieringer: Das sind die feinen Unterschiede!) Die Nationalratsabgeordneten von der SPÖ und von den Grünen sind auch nicht befragt worden. Sie haben ihrerseits Fragen gestellt. (Bundesrat Schennach: Das stimmt jetzt nicht mehr, Herr Präsident Weiss! Der Kollege Mayer aus Ihrer Fraktion hat der Frau Kuntzl eine Frage gestellt!) Richtig! (Bundesrat Schennach: ..., dass die Frau Konrad dem Herrn Öllinger Fragen stellt, die ...!)

Herr Kollege Schennach! Da muss ich mich ja ausdrücklich bei Ihnen bedanken, dass Sie den Herrn Kollegen Öllinger deshalb geladen haben, damit der Herr Kollege Baier ihm eine Frage stellen kann. (Beifall bei der ÖVP und der Bundesräte Mitterer und Ing. Kampl. – Bundesrat Schennach: Der Kollege Baier befindet sich noch in einer Orientierungsphase! – Beifall bei den Grünen und der SPÖ zum Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Mir fällt als Drittes auch auf, dass sich bei Ihnen, wie von einem geheimnisvollen Magnetfeld gelenkt, das Abstimmungsverhalten im Nationalrat und im Bundesrat nach wie vor durchwegs deckt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Neuwirth.) Ich sagte „durchwegs“. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Eben. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Ich kenne ja den Kollegen Schennach und weiß schon, worauf er besonderen Wert legt. (Bundesrat Schennach: Genau!)

Sie sehen auch dort Haare in der Suppe, wo Ihre eigenen Länder keine entdecken konnten. Oder haben Sie etwas davon gehört, dass die Landeshauptleute der SPÖ gegen das Zukunftsfondsgesetz in der letzten Sitzung oder gegen das Fremden­polizeigesetz in dieser Sitzung einen Einspruch erhoben haben wollten oder dass sich ein Landtag, in dem Sie einflussreich sind, in dieser Weise geäußert hätte? (Bundesrat Gruber: Dafür gibt es die Bundesräte!) Ich habe auch noch keinen Ihrer Landes­hauptmänner oder die Landeshauptfrau hier am Rednerpult gesehen, um einen aus Ländersicht abzulehnenden Standpunkt zu unterstreichen. (Bundesrat Gruber: Wenn das die Landeshauptleute machen, dann brauchen wir die Bundesräte nicht! Wir sind keine Befehlsempfänger! Wir haben ein freies Mandat, das sollten Sie wissen! Wir sind auch keine Befehlsempfänger von der Frau Landeshauptfrau!) Das wundert mich jetzt schon, Herr Kollege Gruber. (Bundesrat Gruber: Wir sind keine Befehlsempfänger! Wir sind Bundesräte, wir vertreten unser Land!)

Herr Kollege Gruber! Ich habe keine Redezeitbegrenzung. Mir macht es also nichts aus, wenn Sie zur Erheiterung des Plenums beitragen. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Gruber.)

Herr Kollege Gruber! Wer hat sich geäußert, man werde Einspruch erheben? Wer war das? Das waren die Fraktionsvorsitzenden Ihrer Partei! Das war der Sozialsprecher einer anderen Fraktion! Und da haben Sie kein Problem, sich gebunden zu fühlen?! Nur dann, wenn es um das eigene Land geht, haben Sie offenbar eines! (Bundesrat


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Gruber: Ich habe auch da kein Problem! Ich fühle mich auch an diese Aussagen nicht gebunden! Wenn ich eine andere Meinung habe ...!)

Ich komme jetzt gleich darauf zurück, Herr Kollege Gruber: Dieser ganze Vorgang dokumentiert den Bundesrat zwar als Organ der Bundesgesetzgebung, in der die Nationalratsopposition die Mehrheit hat, aber noch lange nicht als Länderkammer. Da gehört schon mehr dazu, als die Abstimmungen im Nationalrat zu wiederholen und das als Länderinteresse neu zu etikettieren. Ich bin gespannt, wann es auch bei Ihnen in wichtigen Fragen einmal ein unterschiedliche Länderinteressen widerspiegelndes und einen Gesetzesbeschluss bekräftigendes unterschiedliches Abstimmungsverhalten geben wird. (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das ist schwer bei dieser Bundesregierung!) Es ist Advent – und es entspricht dieser Jahreszeit, Hoffnung und Erwartung zu haben. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ und den Grünen.)

16.12


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundesministerin Haubner. – Bitte.

 


16.12.24

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte vorweg Folgendes klarstellen: Ich habe fast in jeder meiner Reden, die ich hier im Bundesrat gehalten habe, zum Ausdruck gebracht, dass meine Wertschätzung dem Bundesrat gegenüber eine sehr hohe ist, weil ich selbst zwei Jahre lang hier in diesem Bundesrat Vertreterin eines Bundeslandes sein durfte und sein konnte und hier sehr viele unterschiedliche Debatten und Diskussionen miterlebt habe.

Daher war es für mich selbstverständlich, als ich eingeladen wurde, als Auskunfts­person in den Bundesratsausschuss zu kommen, mich auch dort den Fragen zu stellen. Ich war natürlich etwas erstaunt, dass die Fragen vorwiegend seitens der Nationalratsabgeordneten gekommen sind, aber ich habe zum Parlamentarismus ein ungestörtes Verhältnis. Ich lasse mir nicht unterstellen, dass ich irgendwelche Rechts­widrigkeiten begangen hätte oder dass ich das Parlament ausschalten wollte. Das habe ich bisher so gehandhabt und werde es auch in Zukunft so tun – auch wenn ich bei der letzten Ausschusssitzung, wie schon gesagt, erstaunt war darüber, dass die Fragen vorwiegend seitens der Abgeordneten zum Nationalrat an mich gestellt wurden. – Das wollte ich zu Beginn gesagt haben.

Ich denke, heute war es notwendig – daher habe ich mich am Schluss der Debatte zu Wort gemeldet –, bei allen Diskussions- und Debattenbeiträgen sehr intensiv zuzu­hören, weil vorwiegend das wiederholt wurde, worüber wir im Ausschuss diskutiert haben. Ich werde heute in meiner Stellungnahme noch einmal ganz klar darauf eingehen.

Vorher möchte ich aber festhalten, dass wir als Familienland Österreich eine der nachhaltigsten Familienpolitiken seit fünf Jahren machen – nachhaltig in dem Sinn, dass wir unsere Familienpolitik auf vier Säulen stellen. Die erste Säule sind die finanziellen Zuwendungen an die Familien, um die Kaufkraft und die Finanzkraft der Familien zu stärken. Das sind die Familienbeihilfen, das Kinderbetreuungsgeld und Sachleistungen.

Wir wissen aus den unterschiedlichsten Studien – ich bitte, auch das einmal zur Kenntnis zu nehmen –, dass gerade für den unteren Einkommensbereich unsere Familienleistungen ein wichtiges Familieneinkommen darstellen. Wir haben zurzeit 170 000 Bezieherinnen und Bezieher von Kinderbetreuungsgeld; das sind um 30 000


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mehr als zu der Zeit, als Hausfrauen, Studentinnen und Schülerinnen dieses Einkom­men noch nicht bezogen haben. Wir stehen mit diesen Leistungen an dritter Stelle in Europa, also wir befinden uns da im Spitzenfeld.

Aber finanzielle Mittel allein sind, wie die Diskussionen auch immer wieder zeigen, nicht ausreichend, sondern es bedarf eines großen Maßnahmenmixes für die Familien.

Die zweite wichtige Säule ist die sozialrechtliche Absicherung. Auch diesbezüglich ist Österreich innerhalb Europas führend. Es hat noch nie vier Jahre für Kindererziehung gegeben. Es hat noch nie eine solch verbesserte Form der Weiterversicherung für diejenigen, die zu Hause Angehörige pflegen, gegeben. Und es war noch nie eine so geringe Anzahl an Erwerbsjahren erforderlich, damit gerade Frauen auch in Zukunft eine eigenständige Pension haben.

Davon unabhängig sind die Maßnahmen, die bei Pensionistinnen und Pensionisten mit Jahresbeginn zu einer Steigerung der Pension beitragen, und zwar vor allem bei den MindestpensionistInnen, die zum Großteil – es sind 80 Prozent – Frauen sind. Diese Säule ist mir, ist uns, ist dieser Regierung sehr, sehr wichtig, und da haben wir viel getan.

Wir haben auch erstmals seit vielen Jahren die Familien ganz konkret steuerlich entlastet, und zwar mittels Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag, der ent­sprechend der Anzahl der Kinder aufgewertet wurde – etwas, was in den letzten zehn Jahren nie geschehen ist.

Wir haben auch gesagt – das ist die vierte und auch eine wesentliche Säule –: Wir müssen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verbessern. Gerade diese Säule ist eine, wo es viele unterschiedliche Partner braucht. Da kann nicht nur die Politik allein aktiv sein. Die Politik kann gemeinsam mit Partnern wie der Wirtschaft und den Interessenvertretungen Möglichkeiten schaffen, dass Eltern Beruf und Familie besser vereinbaren können.

Einiges wurde ja schon gemacht. Ich denke da zum Beispiel an die Elternteilzeit, die wir eingeführt haben. Ich denke auch daran, dass wir im Bereich der familiengerechten Arbeitswelt durch die Einführung des Audits „Familie & Beruf“ sehr vieles an freiwilligen Vereinbarungen geschaffen haben. Das muss weiter verstärkt werden, um diese eine Säule, um die familienorientierte Ausgestaltung der Arbeitswelt geht es.

In diesem Zusammenhang ist die im Nationalrat beschlossene Kompetenz- und Koor­di­nierungsstelle für Vereinbarkeitsmaßnahmen ein weiterer Schritt, um in diesem Bereich aktiv sein zu können und Verbesserungen zu erreichen. Diesen Schritt setzen wir jetzt nach jahrelangen Diskussionen, und zwar auch bei den Familienreferen­tInnenkonferenzen, wo gerade diese Stelle, diese Einrichtung, eine der Drehscheiben immer wieder gefordert wurde.

Wir kommen damit dem nach, was wir im Regierungsprogramm festgeschrieben haben, und wir weisen damit positiv aus, dass wir uns, dass das Land Österreich sich an einem EU-Projekt beteiligt hat, das mit 300 000 € gefördert wurde. 15 Monate ist dieses Projekt gelaufen. Es war sehr interessant, dass Frankreich mit dabei war, und von Frankreich – der Herr Kollege hat es schon gesagt – kann man lernen. Es war Ungarn mit dabei, ein so genanntes neues EU-Erweiterungsland; auch hier konnten wir unser Know-how zur Verfügung stellen. Und es war Italien mit dabei, das bekannt ist für seine Geburtenrate, die eine der niedrigsten ist. Es haben da also sehr unter­schiedliche Länder zusammengearbeitet. Es ist daher eigentlich nur konsequent, aus diesem Projekt auch die richtigen Schlüsse zu ziehen, und das haben wir mit der Einrichtung dieser Koordinierungsstelle gemacht.

Wir haben im Juni hier im Hohen Haus, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, die Familienallianz ins Leben


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gerufen, die derzeit über 70 Vertreter aus Wirtschaft, Medien und Interessen­vertretun­gen zusammenfasst, um die weiteren Schritte gerade im Bereich der nachhaltigen Maßnahmen zu koordinieren.

Die Koordinierungsstelle, die für so viel Kritik Ihrerseits sorgt, ist eine operative Stelle, wo alle Maßnahmen – auch jene der Familienallianz – getragen und umgesetzt wer­den.

Ich darf noch einmal, obwohl es im Gesetz enthalten ist, ganz konkret sagen: Wir werden einerseits bewährte Maßnahmen fortführen und optimieren, etwa die Auditie­rung, die Einführung zu Beginn des heurigen Jahres, dass es zusätzliche Gelder gibt für innovative Kinderbetreuungseinrichtungen, etwas, was sehr gut angenommen wird von den Ländern. Wir haben ja im Vorjahr gerade mit den Ländern gemeinsam die Richtung vorgegeben und überlegt: Was brauchen die einzelnen Länder für ihre Auf­wendungen? Das ist sehr unterschiedlich, auch von den Regionen her sehr unter­schiedlich.

Wir haben uns damals darauf verstanden, dass seitens des Bundes Geld zur Verfü­gung gestellt wird, und jetzt werden wir sehen, ob die Mittel ausreichen, ob wir mehr einsetzen müssen, ob dieses Projekt gut läuft. Das ist ein ganz wesentliches Projekt, das auch in der Koordinierungsstelle bearbeitet wird, ebenso das Gemeinde-Audit.

Es geht aber auch darum, konkrete Zusammenarbeit mit den Unternehmen zu starten, nämlich auf Basis von PPP-Modellen, wie sie zum Beispiel schon angedacht sind im Rahmen der Familienallianz, zum Thema „Gewalt in der Familie“ oder zum Thema „Teleworking-Arbeitsplätze“, wo es bereits erste Verbindungen mit Unternehmen gibt, die hier groß einsteigen.

Eine wichtige Aufgabe wird die Entwicklung neuer vereinbarkeitsfördernder Maßnah­men sein, dass wir nicht bei der Eltern-Teilzeit und dem Audit verharren, sondern zum Beispiel auch über freiwillige Betriebsvereinbarungen nachdenken. Es gibt schon verschiedene Modelle dazu, die es gilt, in Zusammenarbeit mit den Unternehmen und den Sozialpartnern zu vernetzen.

Weiters geht es darum, Grundlagenforschung in der Familie sicherzustellen.

Aus diesen Gründen sehe ich durch diese Koordinierungsstelle Vorteile, insbesondere was die Flexibilität anlangt, die nachhaltige Sicherstellung von Vereinbarkeitspolitik und vor allem auch die Einsparung von Steuermitteln durch Lukrierung von Mitteln und durch Zusammenarbeit mit Unternehmen in ganz konkreten Projekten.

Lassen Sie mich noch einmal eines ganz klar feststellen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es werden keine hoheitlichen Aufgaben aus meinem Ressort ausgelagert! Die „Familie & Beruf Management GmbH“ – kurz FBG genannt – ist ein weiteres Stand­bein, um als operative Einheit in Kooperation auch mit den Familienallianz-Partnern in konkreten Projekten für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu arbeiten. (Zwischenruf des Bundesrates Schimböck.)

Der Großteil der Förderungen und Aufwendungen, nämlich 31,4 Millionen € aus meinem Ressort – das ist für Familienberatung, für Senioren- und Jugendförderung, für Elternbildung, für Mediation –, bleibt nach wie vor im Ministerium und wird dort auch so wie bisher gut verwaltet.

Ich sage an dieser Stelle noch einmal ganz klar: Ich verwahre mich dagegen, dass immer so unterschwellig auf die Beamtenschaft in meinem Ressort hingewiesen wird, dass das eine oder andere nicht funktioniert. Ich sage ganz klar: Weil bisher die Ver­einbarkeit von Beruf und Familie und die Vereinbarkeitsmaßnahmen auf verschiedene


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Abteilungen punktuell aufgeteilt waren und nie diese Stärke entwickeln konnten und weil wir auch neue Partner brauchen, schließen wir zusammen.

Ganz wichtig sind mir aber auch – das wurde heute bereits gesagt –, die Stellung­nahmen aus den einzelnen Bereichen, die eingeholt wurden. (Bundesrat Schimböck: Kein Begutachtungsverfahren!) – Ich komme noch darauf zu sprechen. Ich versuche, alle Fragen zu beantworten, auch wenn das jetzt keine Fragestunde ist; ich habe so gut wie möglich mitgeschrieben.

Ich darf darauf hinweisen, dass bei den Begutachtungsergebnissen, die eingegangen sind, natürlich von vielen nur jene Teile gelesen wurden, die negativ oder, sagen wir, neutral sind. Es gibt auch – ich bin sehr froh darüber, dass Herr Präsident Weiss das etwas relativiert hat – sehr viele Stellungnahmen, die sowohl als auch sind.

Gerade mein Heimatbundesland Oberösterreich – niemand kann mir unterstellen, dass dort jemand aus meiner Fraktion in der Regierung sitzt – begrüßt ausdrücklich die Familien GmbH, sagt aber, dass wir darauf achten sollen, dass die Länder entweder im Aufsichtsrat oder im Beirat vertreten sind. Ich denke, das wird für mich als ehemalige Bundesrätin und Ländervertreterin nicht das Problem sein, denn gerade mit den Ländern haben wir bisher ein sehr gutes Verhältnis gepflegt; Beispiel wieder: Kinder­betreuungseinrichtungen und Kinderbetreuungsprojekte. Also ich nehme diesen Hinweis, der auch aus dem Land Salzburg gekommen ist, gerne auf.

Ich möchte da jetzt nichts verlesen, denn es ist nicht meine Aufgabe, hier zu polemi­sieren, aber ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass zum Beispiel der Öster­reichische Familienbund die Schaffung der „Familie & Beruf Management GmbH“ als ein Signal in die richtige Richtung sieht, da in Zukunft in dieser GmbH die Leistungen und Aktionen verstärkt und konzentriert gebündelt werden können. Diese Dinge, denke ich, müssen wir ganz konkret sehen.

In der Stellungnahme von Salzburg zum Beispiel kommt die Sorge zum Ausdruck, dass der Familienlastenausgleichsfonds weiter belastet wird. Dazu sage ich ganz klar: Es kommt nicht zu Mindereinnahmen und nicht zu Mehrausgaben des FLAF! Ich sage aber auch ganz klar als Bundespolitikerin in Richtung Länder: Wir haben nach wie vor die Selbstträgerschaft, und wir bezahlen seit Jahren aus diesem FLAF, ohne dass Einnahmen kommen, wichtige Leistungen für die Länder – wichtige Leistungen für die Familien, nämlich das Kinderbetreuungsgeld, die Schulbücher, die Schülerfreifahrt. Daher ist das jedes Jahr auch wieder ein Thema bei den Finanzverhandlungen.

Ich sage nur der Vollständigkeit halber dazu, dass für mich als Sozial- und Familien­ministerin natürlich die Menschen wichtig sind, ganz gleich, wo sie leben, aber letztendlich müssen wir uns in Zukunft überlegen: Welchen Beitrag können die Länder dazu leisten, um unseren Familien, unseren Kindern entsprechende Sicherheit zu geben?

Weil so vieles vom Rechtlichen und von der parlamentarischen Kontrolle gesagt wurde, Folgendes: Es ist mir wichtig, dass die parlamentarische Kontrolle erhalten bleibt. Ich habe es schon im Ausschuss gesagt, und ich sage es jetzt noch einmal: Zur parla­mentarischen Kontrolle heißt es in Artikel 52 Abs. 1 B-VG wie folgt:

„Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundes­regierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.“

Ich zitiere weiters Artikel 52 Abs. 2:


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„(2) Kontrollrechte gemäß Abs. 1 bestehen gegenüber der Bundesregierung und ihren Mitgliedern auch in bezug auf Unternehmungen, an denen der Bund mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist und die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen.“

Diese Voraussetzungen, meine Damen und Herren, treffen auf die FBG unzweifelhaft zu, sodass das parlamentarische Fragerecht weiter bestehen bleibt.

Neben diesen Kontrollrechten des Parlaments, die mir als ehemaliger Bundesrätin auch sehr, sehr wichtig sind, hat der Bund aber auch als alleiniger Eigentümer volle Einsicht in die Geschäftsunterlagen. Die Auftragsvergaben der FBG unterliegen dem öffentlichen Vergaberegime, und auch die Kontrollinstanz des Rechnungshofes ist laut Artikel 126b Abs. 2 Bundesverfassung voll gegeben.

Ich darf wiederum zitieren:

„(2) Der Rechnungshof überprüft weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen der Bund allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 v. H. des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist ...“

Es ist daher für mich nicht nachvollziehbar, weshalb hier immer wieder in Rede­beiträgen und auch in der Begründung des Antrages für den Einspruch von begrenzten Kontrollmöglichkeiten des Rechnungshofes die Rede ist. Ich meine, auch der Herr Präsident des Rechnungshofes hat im Ausschuss klar geantwortet.

Was die Aufträge anlangt, darf ich noch einmal aus dem Gesetzesbeschluss des Nationalrates zitieren. § 9 Abs. 1 lautet: „§ 9. (1) Die Gesellschaft ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 7 (1) Bundesvergabegesetz 2002 ...“ Daher hat die Gesell­schaft, wenn dies nach dem Bundesvergabegesetz überhaupt erforderlich ist, natürlich Ausschreibungen vorzunehmen. Sie können sicher sein, dass wir diese Dinge auch in der Vorbereitung entsprechend beachtet haben.

Nun zur Prüfungsbefugnis der Volksanwaltschaft. Wer im Ausschuss war, hat die Ausführungen des Herrn Volksanwaltes Peter Kostelka gehört. Ich bin sehr froh darüber, dass er gesagt hat, er sei nicht hier, um eine politische Wertung abzugeben. Das war für mich ganz wichtig und klar, denn gerade ein Vertreter der Volks­anwaltschaft hat hier ... (Bundesrat Konecny: Manche Volksanwälte wissen das!) Ich habe nicht über andere Volksanwälte zu befinden, sondern der Volksanwalt, der für mich, für meine Belange zuständig ist (Bundesrat Gruber: Der weiß es!), hat das noch einmal ganz klar gesagt.

Wir haben bisher sehr gut mit dem Herrn Volksanwalt zusammengearbeitet, und das wird auch in Zukunft so funktionieren, weil wir beide das gleiche Ziel haben: Dort, wo Ungerechtigkeiten sind, lösen wir sie, wenn wir sie lösen können.

Volksanwalt Kostelka hat in dieser Ausschussrunde auch ganz richtig gesagt, dass in ausgegliederten Gesellschaften die Volksanwaltschaft verfassungsrechtlich kein Prüf­recht hat. Es wurde meines Wissens im Konvent sehr intensiv darüber diskutiert, ob man nicht gerade für ausgegliederte Gesellschaften der Volksanwaltschaft wieder entsprechende Prüfrechte zukommen lassen soll.

Wir haben in den letzten Jahren keinerlei Beschwerden seitens der Volksanwaltschaft gehabt, wo sich jemand darüber beschwert hätte, dass er eine Förderung im Bereich der Vereinbarkeitsmaßnahmen nicht bekommen hätte. Die Beschwerden kommen immer dann, wenn es um Familienbeihilfen, um erhöhte Familienbeihilfen, um Kinder mit Behinderungen geht, wenn es um Nachteile bei den Pensionen geht. Das sind die


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Probleme, die auftreten, und ich bin sehr froh, dass die Volksanwaltschaft das Wort erhebt und hier auch prüft.

Mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, war es aber auch wichtig, gerade unter dem Aspekt der Gründung der Familienallianz im Juni, dass wir so rasch wie möglich die wichtigen Aufgaben bündeln und konzentriert wahrnehmen. Daher bin ich davon ausgegangen, dass es gerade bei diesem Thema einen breiten Schulterschluss gibt, einen breiten Schulterschluss über alle Parteien hinweg, was die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft. Mir ist schon klar, eine Institution allein macht es nicht, sondern der Inhalt macht es, und wichtig sind auch die Personen, Unternehmen, Partner, die sich dafür einsetzen.

Weil ich gedacht habe, dass diese Institution auf sehr breite Zustimmung trifft und dass ein Begutachtungsverfahren in rechtlicher Hinsicht nicht erforderlich ist, habe ich den Entwurf bedauerlicherweise – das sage ich hier – nicht in Begutachtung geschickt. Herr Präsident Weiss hat schon gesagt, dass die Länder das zum Teil wahrgenommen und auch darauf hingewiesen haben, was aus ihrer Sicht verbesserungswürdig ist. Ich sage noch einmal: Es war aus rechtlicher Sicht nicht notwendig! Wer im Ausschuss war, hat gehört, was der Vertreter des Verfassungsdienstes gesagt hat.

Selbst mit der Begründung, hier rasch etwas zu tun, wäre es, nachdem ich die Diskussion jetzt gehört habe, sicher nicht schlecht gewesen, den Entwurf in Begut­achtung zu geben, um sich ergebende Fragen schon im Vorfeld abzuklären. Aber ich sage noch einmal: Ich habe keine Rechtswidrigkeit begangen! (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl sowie Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Spärlich, spärlich!) – Ich brauche keinen Applaus, sondern ich möchte, dass wir im Bereich der Vereinbarkeitsmaßnahmen etwas weiterbringen.

Was die Diskussion darüber anlangt, warum die Vorlage nicht in einem Ausschuss des Nationalrates, nämlich im Familienausschuss, behandelt wurde, muss ich hier klar feststellen: Die Bemühungen seitens der Fraktionen kann ich schwer bewerten, aber seitens meiner Person und seitens meines Kabinetts waren diese Bemühungen sehr, sehr groß. Es hat sich allerdings – aus welchen Gründen auch immer – gezeigt, dass ein gemeinsamer Termin nicht gerne ins Auge gefasst wurde; ich sage das einmal so. Ich habe an einem Tag, an dem alle Zeit hatten, nur ich nicht – bedauerlicherweise, aber ich konnte mich nicht vertreten lassen, ich musste beim Rat in Brüssel anwesend sein –, angeboten, meinen Staatssekretär als Vertretung zu schicken. Das wurde abgelehnt, daher konnte kein entsprechender Termin festgelegt werden. (Bundesrat Schimböck: Der hat große Wissenslücken!)

Ich bitte, diese unqualifizierten Zwischenrufe zu unterlassen (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie Beifall bei der ÖVP), denn ich werte auch nicht über die Qualitäten von verschiedenen Personen, und ich lasse es auch nicht zu, dass hier über die Qualität meines Staatssekretärs gewertet wird. (Bundesrat Schimböck: Der hat sich selber disqualifiziert!)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister, ich verstehe, dass Sie Ihren weisungsgebundenen Staatssekretär verteidigen, aber ich würde trotzdem darum bitten, dass Sie nicht dazu übergehen, hier Ordnungsregeln für Mitglieder dieses Hauses aufzustellen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner (fortsetzend): Frau Präsidentin! Es liegt nicht in meinem Ermessen, hier Ordnungsregeln zu erstellen, aber ich meine, wenn es um persönliche Wertungen betreffend Personen, die hier nicht anwesend sind, geht, dann darf ich mich zu Wort melden. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie Beifall bei der ÖVP.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für das Unternehmenskonzept, für ein inner­halb von sechs Monaten zu erstellendes konkretes Konzept – bis zu sechs Monaten steht drinnen; das heißt nicht, dass dieses Konzept er ab sechs Monaten steht – gelten als Basis aus dem EU-Projekt gewonnene Maßnahmen, Rahmenbedingungen, die zur Verfügung stehen.

Ich habe Ihnen auch gesagt, welche Aufgaben diese Familien GmbH hat, und ich denke, gerade bei diesen konkreten Aufgaben, bei dieser Basis, die aus diesem EU-Projekt für ein Unternehmenskonzept entwickelt wurde, kann innerhalb kürzester Zeit von einem Geschäftsführer oder von einer Geschäftsführerin Entsprechendes vor­gelegt werden.

Nun zu der viel kritisierten Ausschreibung der Geschäftsführung. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass ich hier nicht rechtswidrig gehandelt habe. Die gesetzliche Grundlage für die Ausschreibung ist das Stellenbesetzungsgesetz, und das wird hier angewendet. Daher ist die Funktion eines Geschäftsführers/einer Geschäftsführerin öffentlich auszuschreiben.

Ich sage noch einmal ganz klar, auch für den Fall, dass die Frau Präsidentin mich wieder ermahnt: Ich lasse es nicht zu, dass Mitarbeiter meines Kabinetts ständig als Versorgungsposten über die Medien gehandelt werden.

Mitarbeiter meines Kabinetts sind tüchtige Leute, die aus der Privatwirtschaft kommen und die jederzeit in der Privatwirtschaft einen Job bekommen, bei dem sie sich einbringen können. Das gestatten Sie mir als persönliche Bemerkung. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir schreiben daher die Funktion ... (Bundesrat Reisenberger: Sind nur die aus der Privatwirtschaft ..., gelernte Beamte nicht? Das ist diskriminierend! Dagegen verwahre ich mich!) – Im Kabinett. Bitte nicht Probleme aufwerfen, wo keine sind. (Bundesrat Reisenberger: Sie machen sie, nicht ich! – Bundesrat Bieringer – in Richtung des Bundesrates Reisenberger –: So nicht! Hast du Butter auf dem Kopf, so geh nicht in den Sonnenschein!)

Wir schreiben diese Funktion öffentlich aus. Gemäß § 2 Abs. 5 dieses Gesetzes ist für die Überreichung der Bewerbungen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (das Glockenzeichen gebend): Frau Bundesministerin, bitte setzen Sie fort.

 


Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner (fortsetzend): Ich darf noch einmal sagen: Die gesetzliche Grundlage ist das Stellenbesetzungsgesetz. Und gemäß § 2 Abs. 5 dieses Gesetzes ist für die Überreichung der Bewerbungen eine Frist zu setzen, die nicht weniger als einen Monat betragen darf. Um eine rechtzeitige Bestellung des Geschäftsführers/der Geschäfts­führerin zu ermöglichen, ist es daher erforderlich, die Ausschreibung mit dieser Mindestfrist jetzt vorzunehmen. Selbstverständlich werde ich – das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt – die Bestellung der Geschäftsführung erst mit Inkraft­treten des Gesetzes nach Kundmachung im Bundesgesetzblatt vornehmen.

Daher ist das, denke ich, auch auf der Basis des Rechtsstaates, in dessen Rahmen ich mich in meiner ganzen Funktion und in meiner ganzen Tätigkeit bis heute bewegt habe und auch in Zukunft bewegen werde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch kurz etwas zur Personal­ausstattung sagen – das war auch eine Frage, die an mich gerichtet wurde; auch im Ausschuss wurde schon darauf hingewiesen –: Es ist geplant, dass maximal fünf


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Personen in dieser Koordinierungsstelle arbeiten. Das Budget gibt uns ganz klar den Rahmen vor, der hier möglich ist.

Für mich ist es wichtig, das habe ich auch – das habe ich auch im Ausschuss gesagt – in Gesprächen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Ministeriums klar­gestellt, dass niemand verpflichtet werden kann und verpflichtet werden soll, in die FBG zu wechseln, sondern dass das auf rein freiwilliger Basis geschieht. Auch als Sozialministerin werde ich dafür Sorge tragen, dass kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin schlechter gestellt ist als bisher im öffentlichen Dienst.

Zur Frage der Forschung und Forschungsförderung: Ich möchte darauf hinweisen, dass es mir bisher sehr wichtig war und auch weiterhin sehr wichtig sein wird, dass im Rahmen dieser Möglichkeiten die Forschungsförderung im Interesse der Familien sichergestellt ist.

Im Zusammenhang mit der Gründung der Familienallianz beziehungsweise mit der Gründung der FBG wird die Forschungsförderung seitens unseres Ressorts für das ÖIF administriert und werden Jahresprogramme, die dieser Förderung entsprechen, gemeinsam erstellt. Alles Weitere, das noch an Förderungen und an Transfer­zahlungen von anderen Institutionen an das ÖIF kommt, ist nicht in meinem Bereich, war bisher nicht in meinem Bereich und wird auch in Zukunft nicht in meinem Bereich sein, sondern wir werden ein klar vereinbartes Arbeitsprogramm haben, um die Familienforschung in Österreich auch auf eine gute Grundlage zu stellen.

Weil hier immer davon gesprochen wird, dass Herr Professor Mazal Jurist ist und nicht Sozialrechtler: Welche Rechtsform das ist und welche Personen sich im ÖIF mit welchen Tätigkeiten beschäftigen, ist nicht Gegenstand meines Ministeriums und auch nicht Gegenstand der FBG, sondern unser Teil der Zusammenarbeit bezieht sich wie bisher auf ein vereinbartes Arbeitsprogramm.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, mit den Argumenten beziehungs­weise mit den Antworten wichtige Fragen, was die Rechtskonformität, den Inhalt und das Personal anlangt, beantwortet zu haben und hier – so wie schon im Ausschuss – zu Ihrer Information beigetragen zu haben. Vielleicht konnte ich auch das eine oder andere Missverständnis beseitigen – ich weiß schon, es wird nicht möglich sein, alle Missverständnisse bei der Opposition auszuräumen.

Ich möchte abschließend nur noch einmal festhalten: Auch wenn es in diesem Ent­schließungsantrag heißt, dass es keine parlamentarische Kontrolle gibt, so ist das Gegenteil der Fall; auch wenn es heißt, dass der Rechnungshof nur begrenzte Kontrollmöglichkeiten hat, ist das Gegenteil der Fall; und auch wenn es heißt, dass die Aufträge nicht dem Vergaberecht unterliegen, ist das Gegenteil der Fall.

Daher bitte ich Sie, trotz aller Einwände, die Sie jetzt seitens der Opposition vor­gebracht haben, das große Ganze, nämlich die Familienpolitik und vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Auge zu haben.

Wir waren bisher in Österreich immer federführend, was familienpolitische Ansagen betroffen hat. Ich meine, es ist gut, gerade diesen Bereich auf eine neue Basis in dem Sinn zu stellen, dass wir sagen: Die Politik trägt viel Verantwortung, aber die Politik braucht für diese Dinge Partner, verlässliche Partner, die auch von außen kommen und gemeinsam mit der Politik und den Interessenvertretungen das Beste für die Eltern, für die Familien, für die Kinder tun – die Wirtschaft braucht in Zukunft die Familien, aber die Familien brauchen auch die Wirtschaft mit ihren Arbeitsplätzen; wir wissen, gerade die Frauen werden mehr denn je davon profitieren.

Ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich – wie ich das auch schon im Ausschuss gesagt habe – für Ihre Fragen, für Ihre Beiträge, und ich hoffe, dass uns nach Ende


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dieser Bundesratssitzung trotzdem wieder das gemeinsame Ganze verbindet. – Danke. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie Beifall bei der ÖVP.)

16.47


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es hat sich Herr Bundesrat Schimböck zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. (Rufe bei der ÖVP: Nein!) Ich weise darauf hin, dass die Redezeitbeschränkung, die für eine tatsächliche Berichtigung vorgesehen ist, einzuhalten ist. – Bitte.

 


16.47.39

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesministerin, zur Frage der Qualität Ihres Staatssekretärs nur einen Satz: Hier in diesem Haus ist uns erklärt worden, dass, seit diese Bundesregierung im Amt ist, die Pensionserhöhungen regelmäßig über der Inflationsrate waren. – Sie waren regel­mäßig unter der Inflationsrate!

Es ist eine Zumutung, wenn jemand mit diesem Informationsstand als Mitglied der Bun­desregierung hier auf der Regierungsbank Platz nimmt und diese Desinformation gibt.

Eine noch größere Zumutung für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land ist das bescheidene Ausmaß, in welchem Sie, seit Sie regieren, die Pensionen erhöht haben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.48


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister Haubner, bitte.

 


16.48.32

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Ich denke, mein Staatssekretär hat auch darauf hingewiesen, dass während einer anderen Regierungskonstellation, und zwar im Jahre 1997, die Pen­sionen überhaupt nicht erhöht wurden. (Ruf bei der SPÖ: Das hat er nicht gesagt! – Bundesrätin Bachner: Nicht einmal das hat er gesagt! – Bundesrat Konecny: Weisen Sie ihn an, das zu tun!)

Ich darf darauf hinweisen, dass mit 1.1.2006 (Bundesrat Konecny: Das hat er getan!) die Pensionen – in der Höhe der Inflationsrate – um 2,5 Prozent erhöht werden und dass erstmals Mindestpensionen für allein lebende Menschen, allein lebende Männer, allein lebende Frauen, über die Armutsgrenze erhöht wurden. Das ist etwas, was sich vorhergegangene Regierungen nie geleistet haben. (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie Beifall bei der ÖVP.)

16.49


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet: Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


16.49.38

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Ich stehe nicht an, zu schätzen, in welcher Ausführlichkeit Sie auf unsere Fragen geantwortet haben. Die Unaufmerksamkeit auf dieser Seite des Hauses (in Richtung ÖVP) hat es manchmal schwierig gemacht, Ihren Ausführungen zu folgen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden.

Herr Kollege, ich habe die Fähigkeit, trotzdem Ihnen zuzuhören, wenn Sie etwas sagen, was so oft nicht der Fall ist.

Frau Bundesministerin, Sie haben einen Satz gesagt, an den wir Sie oder andere Regierungsmitglieder hoffentlich nicht erinnern müssen, nämlich dass Sie be­dauer­


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licherweise keine Begutachtung dieser Gesetzesvorlage durchgeführt haben. Das ist zu bedauern.

Die Auskunft im Ausschuss – ich war nur kurz im Ausschuss – war nicht so, dass sich das aus der Meinung zwingend ergeben hat, aber, ehrlich gesagt: Der Verfassungs­dienst ist auch nicht der, der einem jede Sorge abnimmt.

Es war falsch. – Wir sind durchaus ein bisschen stolz darauf, dass wir durch unsere Initiative ein breites Meinungsbild einholen konnten. Und wenn Sie durch das breite Meinungsbild die eine oder andere Anregung bekommen haben, dann soll uns das recht sein.

Die einzige Frage, Sie verzeihen mir, die ich Ihnen jetzt noch stellen muss, ist: Sie haben das gesagt bei einer Reihe von von uns zitierten und von Ihnen erwähnten Einwendungen, etwa darüber, dass für eine entsprechende Vertretung der Länder zu sorgen sei in den Strukturen dieser Gesellschaft, und ich glaube nicht, dass Ihr wiederholter Vermerk, dass etwas zu berücksichtigen sein werde, ohne Änderung des Gesetzestextes möglich ist. Ich frage Sie – es wird unser Abstimmungsverhalten nicht ändern, denn in beiden Fällen ist ein Einspruch notwendig –, ob eine der Konse­quenzen aus diesem langen und intensiven Verfahren sein könnte, dass Sie Ihre Freunde im Nationalrat ersuchen, keinen Beharrungsbeschluss zu fassen, sondern, was ihnen zusteht, einen Gesetzentwurf mit der gleichen Zielrichtung – aber unter tatsächlicher Berücksichtigung mancher, nicht aller, der vorgebrachten Einwendungen auf dem Weg Richtung Bundesrat, aber letztlich Wirklichkeit – zu entwerfen, einzu­bringen und zu beschließen.

Zuletzt eine Bemerkung: Ich halte es nicht für so unproblematisch wie Sie, dass Sie eine Funktion ausschreiben, die es nicht gibt, auf der Basis eines Gesetzes, das nicht beschlossen ist. Es wurde in der Debatte mit Recht auf das Legalitätsprinzip ver­wiesen – öffentliche Verwaltung hat basierend auf den Gesetzen dieser Republik ausgeübt zu werden.

Sie berufen sich auf das Ausschreibungsgesetz. – Also die Vorstellung, die Funktion des Präsidenten der Vereinigten Staaten unter Berufung auf das österreichische Aus­schreibungsgesetz vergeben zu wollen, ist ähnlich juridisch falsch wie die Annahme, es sei korrekt, eine nicht existente Funktion unter Berufung auf das Ausschreibungsgesetz ausschreiben zu können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist: Wenn ich ein finanzielles Problem hätte, würde ich mich auf jeden Fall auf diese Ausschreibung hin bewerben. Denn es ist eine interessante Frage, ob dann dem Bewerber, der nicht drankommt, nicht vielleicht Erstattungsansprüche seitens der Republik entstehen, weil er getäuscht worden ist – es muss ja nicht jeder die Debatten des Bundesrates verfolgen. Und diesen Schaden möchte ich eigentlich von der Republik abwenden.

Wie gesagt, diese eine Antwort, Frau Bundesminister, hätte ich noch gerne von Ihnen.

Ich mache jetzt einen Kompromissvorschlag, damit sich diese Seite (in Richtung ÖVP) nicht so ärgern muss: Frau Präsidentin, darf ich meine Wortmeldung mit einer kurzen Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung fortsetzen? Ich verspreche gleichzeitig, dass die Auswirkungen dieser kurzen Bemerkungen erst nach der Antwort der Frau Bundesminister und nach der Abstimmung Platz greifen sollen.

Es geschehen erstaunliche Dinge in diesem Hause. Die „Parlamentskorrespondenz“ hat der Öffentlichkeit vor etwa einer Stunde mitgeteilt, dass – gut – ein Einspruch erhoben wurde. Das ist ja noch eine gewisse prognostische Fähigkeit. Aber die pro­gnostische Fähigkeit dieser publizistischen Abteilung des Parlaments ist dort etwas schwächer, wo der staunenden Öffentlichkeit mitgeteilt wird, dass es Zustimmung zum


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Zahnärztegesetz und zum Zahnärztereform-Begleitgesetz „gab“ – Mitvergangenheit! – und dass auch die Führerscheingesetz-Novelle von der Länderkammer „wider­spruchs­los zur Kenntnis genommen“ wurde.

Erstens wäre selbst das noch nicht passiert, zweitens kann ich den Herrschaften versichern: Es wird nicht so sein!

Aber ich muss die Präsidiale leider ersuchen, mit den zuständigen Mitarbeitern des Hauses festzustellen, wie dieser Wahnsinn an die Öffentlichkeit gehen konnte.

Dass eine Kleinigkeit wie ein beschlossener Entschließungsantrag nicht darin vor­kommt, das mag mit der Zeit zusammenhängen, Sie kennen das von den Zeitungen. Ich sage das in Richtung der Journalisten: Die Wiedergabe von wahrheitsgetreuen Berichten aus den parlamentarischen Verhandlungen ist jedenfalls straffrei. Ich warne: Das ist keine wahrheitsgetreue Berichterstattung! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie Beifall des Bundesrates Kneifel.)

16.56


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister, Sie haben das Wort.

 


16.56.37

Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Herr Bundesrat, zu der Frage, die Sie mir gestellt haben: Ich werde dem Parlament keine Vorgaben machen, denn das ist nicht meine Aufgabe.

Ich habe heute und hier ganz klar festgestellt – gerade was den Beirat anlangt; das ist ja auch noch nicht ganz klar definiert, sondern es sind „Interessenvertretungen“ angeführt –, dass es da aus meiner Sicht kein Problem gibt und es sogar wün­schenswert ist, dass die Länder einbezogen sind. Aber ich werde dem Parlament hier keine Vorgaben machen. Bitte um Verständnis dafür! (Beifall der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer sowie Beifall bei der ÖVP.)

16.57


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt eine Wortmeldung von Kolle­gen Himmer vor. – Bitte.

 


16.57.17

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Bei aller Wertschätzung darf ich hier schon meine Verwunderung zum Ausdruck bringen, dass sich die zuständige Ministerin, wenn hier untergriffige Äußerungen gegen einen Staatssekretär kommen, nicht zur Wehr setzen dürfte.

Mir ist nicht bekannt, welche Stelle der Geschäftsordnung, welche Usancen der Anlass dafür sind, in diesem Zusammenhang vom Präsidium weg Kritik an der Ministerin zu üben.

Zum Zweiten hat sich Kollege Schimböck zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet, die keine tatsächliche Berichtigung war, und wo ich es für angebracht gehalten hätte, dass die Präsidentin darauf hingewiesen hätte.

Einmal eine Äußerung, wo keine gehört hätte, ein anderes Mal habe ich eine solche vermisst. Das möchte ich einfach und nüchtern festhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

16.58


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Da ich direkt angesprochen bin, um es noch einmal klarzustellen: Ich habe doch gesagt, dass ich es verstehe, dass die Frau Bundesminister ihren Staatssekretär verteidigt. Was ich aber nicht zulassen kann, Herr


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Mag. Himmer, ist, dass die Frau Bundesminister einem Abgeordneten zuruft, er solle nichts sagen. Bitte, das geht nicht! (Bundesministerin Haubner: Das habe ich nicht gesagt! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Frau Bundesminister, Sie haben gesagt, dass er das nicht sagen soll, dass er keine Kritik vorbringen kann.

Die tatsächliche Berichtigung des Kollegen Schimböck hat sich ja eindeutig darauf bezogen; sein Zwischenruf hat sich bezogen auf die Präsentation des Herrn Staats­sekretärs in einer Fragestunde, wenn ich mich richtig erinnere, in der Antworten des Herrn Staatssekretärs gekommen sind, die nicht entsprochen haben. (Bundesrat Konecny: Die Gegenstand der Präsidiale waren!) Man hat das ja sogar in der Prä­sidiale besprochen und gesagt, dass man solche Dinge nicht zur Kenntnis nehmen kann. Darauf hat sich der Zwischenruf des Kollegen Schimböck bezogen, und daher war auch seine tatsächliche Berichtigung nicht falsch. Es ging um den Zwischenruf, den er gemacht hat, wo er von der Regierungsbank aus zurechtgewiesen wurde. Und bitte: Zurechtweisungen kommen vom Präsidium – und nicht von der Regierungsbank! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ager: Es wird nicht besser, wenn ...!) Es wird sicherlich nicht besser, wenn jeder aus Halbsätzen, die er irgendwo gehört hat, seine Schlüsse zieht.

*****

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundes­räte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Und weil meine Stimme nicht zu einer Stimmengleichheit beiträgt, nehme auch ich mein Stimmrecht wahr und stimme für den Antrag, Einspruch zu erheben.

Ich stelle noch einmal fest, es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen. (Bundesrat Konecny: Ich bin offenbar nicht ganz richtig verstanden worden! Ich möchte, dass eine Präsidialsitzung einberufen wird!)

17.02.08Ich unterbreche die Sitzung des Bundesrates, um eine Präsidialsitzung abzuhalten, vorläufig für eine halbe Stunde.

*****

(Die Sitzung wird um 17.02 Uhr unterbrochen und um 17.46 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf Ihnen mitteilen, dass wir in der Präsidiale über Anregung von Professor Konecny über die Presseaussendung, die die „Parlamentskorrespondenz“ um zirka 16 Uhr gemacht hat, gesprochen haben.

Wir haben in diesem Zusammenhang festgestellt, dass zwar der Titel des Ganzen durchaus noch den Abläufen hier im Plenum entspricht, der Text dann allerdings doch


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einiges an Sorgfalt vermissen lässt. Wir haben also festgestellt, dass wir die „Parla­mentskorrespondenz“ darauf hinweisen werden, sie sollte mehr Sorgfalt bei der Abfassung von Berichten über den Ablauf unserer Plenarsitzungen aufwenden.

Wir hoffen, dass diesem Wunsch des Bundesratspräsidiums Rechnung getragen wird. Falls es sich vielleicht um junge oder neue Mitarbeiter in der „Parlamentskorres­pondenz“ handelt, ist es umso wichtiger, dass mit diesen so gearbeitet wird, dass eine Presseaussendung zustande kommt, die den tatsächlichen Abläufen hier im Haus entspricht.

Ich hoffe, dass das, was wir in der Präsidiale beschlossen haben, an die „Parla­ments­korrespondenz“ heranzutragen, Ihre Zustimmung findet, denn es ist in unser aller Interesse, dass diese Aussendungen wirklich jeder Überprüfung standhalten und nicht schon lange vor Beschlussfassung eine Beschlussfassung angekündigt wird, die in dieser Art nicht zu erwarten ist.

Also ich hoffe, dass das damit bereinigt ist, dass die Mitarbeiter der „Parlaments­korrespondenz“ so geführt werden, dass in Zukunft ihre Aussendungen derart sind, dass sich die Medien in Österreich ein Bild über die Tätigkeit des Bundesrates machen können.

17.48.5711. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Standesvertretung der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahnärztekammergesetz – ZÄKG) (1091 d.B. und 1134 d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz aufgehoben sowie das Bundesgesetz über Kran­kenanstalten und Kuranstalten, das Rezeptpflichtgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Allgemeine Sozialver­sicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozial­versicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungs­ge­setz und das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selb­ständig Erwerbstätiger geändert werden (Zahnärztereform-Begleitgesetz) (1086 d.B. und 1136 d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Da der Bundesrat dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über die beiden gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt hat, sind diese beiden Vorlagen gemäß § 45 Abs. 3 auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichts in Verhandlung zu nehmen.

Wir gehen daher in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


17.50.01

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um zwei Vorlagen, die breite Debatten vor allem unter den Betroffenen ausgelöst haben. Nach Meinung vieler Betroffener wird es zu einer nicht gut vorbereiteten zwangsweisen Überstellung in eine neue Kammer,


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die in Wirklichkeit natürlich auch die Erbschaft der alten Dentistenkammer antreten soll, kommen.

Dabei spielen standesrechtliche, interessenpolitische, aber durchaus auch ökono­mische Fragen eine Rolle, denn die Frage, wie die Altersversorgung jener Zahnärzte angemessen gesichert werden soll, die über viele Jahre ihre Vorsorgebeiträge bei der Ärztekammer einbezahlt haben, kann keineswegs als geklärt betrachtet werden.

Aus all diesen Gründen lehnen wir diese Regelungen ab. Im Gegensatz zur erwähnten Pressemeldung neigen wir nicht dazu, ihnen zuzustimmen. Aber ich gebe zu – das soll auch der rechten Seite dieses Hauses ein bisschen zeigen, wie wir mit den Instrumenten einer Mehrheit im Bundesrat umzugehen beabsichtigen ... (Bundesrat Bieringer: Mir kommen die Tränen, Herr Kollege!) – Nein, weinen muss man nicht, aber zuhören, Kollege!

Es hat unter den Betroffenen seit der Beschlussfassung im Nationalrat eine zweite Sorge die Oberhand gewonnen, dass nämlich dann, wenn es nicht zur Beschluss­fassung kommt, für junge Kolleginnen und Kollegen berufspolitische Nachteile zu erwarten sind.

Ich und Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion haben uns das gründlich ange­schaut, und ich muss sagen: Dieses Argument ist, soweit ich das beurteilen kann, richtig. Das ändert aber nichts daran, dass wir gegen die inhaltliche Form dieser Neuregelung Bedenken haben und dass wir es anders gemacht hätten, wenn wir in die Situation gekommen wären, diese Materie gesetzlich zu regeln.

Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, Menschen, die durch diese Regelung ohnehin schon Nachteile zu befürchten haben, weitere Nachteile zuzufügen. Daher werden wir – der Antrag liegt am Präsidium – für beide Vorlagen den Antrag stellen, zur Tagesordnung überzugehen. Das bedeutet, dass nach Ablauf der Acht-Wochen-Frist diese beiden Gesetze in Kraft treten können und dass damit diese Debatte nur den Zweck hat, die Gründe dafür, dass wir die Regelungen ablehnen, noch einmal in der Öffentlichkeit darzulegen.

Das ist auch einer der Gründe dafür, dass wir auch in Zukunft dazu neigen werden, Materien, die komplex sind, im Ausschuss zunächst einmal zu vertagen. Es geht nicht um einen vorschnellen Hüftschuss aus Rechthaberei, sondern es geht darum, in genügend intensiven Kontakten festzustellen, was die sachgerechteste Handhabung der Möglichkeiten der Opposition ist.

In diesem Fall erscheint uns der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung nach der Debatte als sachgerechteste Lösung. Wir haben noch einmal die Möglichkeit, klar herauszuarbeiten, dass wir diese Lösung nicht unterstützen. Wir nehmen aber im Interesse derer, die sagen: Wenn schon so, dann auch gleich!, in Kauf, dass mit Ablauf der Acht-Wochen-Frist diese Regelungen in Kraft treten.

Ich sage dazu, dass wir uns bemühen werden, dieses Instrumentarium in Zukunft noch zu verfeinern. Kollege Bieringer hat im Überschwang der Gefühle, aber ich teile ... (Bundesrat Bieringer telefoniert.) – Nein, telefonier’ fertig, ich komme auf diesen Punkt zurück; kein Problem.

Wir sind also nicht bereit – und wir lassen uns das auch nicht unterstellen! –, hier mit der Mehrheit von zwei Oppositionsparteien dort, wo wir uns einig sind, einfach mit der Einspruchskeule drüberzufahren. Nein, das ist nicht unsere Absicht! Das würde sich mit unserer Vorstellung von Politik auch nicht vertragen.

Wir werden nicht jede Ankündigung, die irgendwo im politischen Raum gemacht wird, dass da im Bundesrat Einspruch erhoben wird, apportieren, weder von Ländern noch


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von Parteien noch von Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat, sondern wir werden mit großer Sorgfalt die Möglichkeiten des bescheidenen Verfolgens des politparlamen­tarischen Prozesses im Nationalrat, die Bundesräten gegeben sind, nützen.

Wir als Bundesrat haben kein Stellungnahmerecht, obwohl wir das alle gemeinsam wollen, woran ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich und nachdrücklich erinnere. Es wäre für den Gesetzgebungsprozess gerade in der jetzigen Situation vielleicht nicht so unvernünftig, zu sagen: Es gibt im Bundesrat andere Meinungen und auch andere Mehrheiten. Wenn es sich um ein Gesetz mit einem sinnvollerweise nahen beab­sichtigten Geltungsbeginn handelt, sollte man vielleicht doch versuchen, das Einver­nehmen mit der Opposition herzustellen, um zu einer Lösung zu kommen, zu einer Lösung, die vielleicht nicht ganz den Intentionen der Regierung entspricht, die aber von der Opposition – ohne große Begeisterung, das ist bei Kompromissen immer so, aber doch – mitgetragen werden kann. Und wir werden dazulernen, welch andere Mög­lichkeiten es gibt.

Es hat in der Geschichte der Zweiten Republik eine sehr kurze Phase gegeben – von den damaligen Akteuren ist kaum noch jemand am Leben –, am Ende der sechziger Jahre hat es eine sehr kurze Phase einer sozialdemokratischen Mehrheit gegenüber einer ÖVP-Bundesregierung gegeben. Die Erfahrungen, sofern sie gemacht wurden, sind verschüttet, die können wir auch nicht ausgraben, sondern wir müssen neue machen.

Ich sage ganz ehrlich und ohne jede Selbstüberhebung: Wir werden dabei auch den einen oder anderen Fehler begehen, aber glauben Sie uns, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, dass wir uns darum bemühen, die Instrumente und die Möglichkeiten einer neuen Mehrheit verantwortungsbewusst, gezielt und abgestuft wahrzunehmen.

Nein, jetzt telefonierst du nicht, jetzt sage ich den Satz: Nein, lieber Ludwig Bieringer, das ist keine Politik der Blockade und der Verhinderung. Wir werden in jenen Fällen, in denen wir wirklich fundamentale Interessen der österreichischen Bevölkerung und einer, wie wir glauben, politischen Bevölkerungsmehrheit verletzt sehen, natürlich Ein­spruch erheben. Aber wir ... (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Vor den Ländern kommen immer noch die Menschen, auch für die Länderkammer, und von denen habe ich gesprochen, Herr Kollege. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn Sie die Menschen in diesem Land nicht interessieren, dann sind Sie in jeder Kammer dieses Parlaments fehl am Platz! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Es wird viele Gründe geben – ich fürchte das –, Einspruch zu erheben. – Ich sage nur eines dazu: Es ist merkwürdig, die stärksten Reaktionen aus den hinteren Bänken kommen immer dann, wenn ich versuche, die Hand auszustrecken. Ich weiß nicht, warum, aber es kann ja nur an mir liegen, nicht an jenen in letzten Bänken.

Also: Wir werden andere Formen finden, die nicht Einspruch bedeuten, um klar zum Ausdruck zu bringen, dass wir gegen bestimmte Initiativen sind, wie schon beim Einspruch, weil das dort das Schnellste war, gegen das Versöhnungsfondsgesetz, wo wir gesagt haben: Wir reagieren sofort, wir machen diesen Einspruch, weil wir glauben, dass es sich vor allem der Nationalrat selbst aus Selbstachtung schuldig ist, sich nicht aus den Gremien verdrängen zu lassen – das ist mehr Nationalrat als Bundesrat, das ist mehr parlamentarisches Selbstbewusstsein als Länderinteresse, aber auch das ist für uns ein entscheidender Gesichtspunkt –, und wir tun es zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Änderung oder die Fassung eines Beharrungsbeschlusses kein Problem bei der Umsetzung der beabsichtigten Lösung ab 1. Jänner bedeutet. (Präsident Mitterer übernimmt wieder den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 138

Eine andere Reaktionsweise ist die heutige – und damit komme ich zurück zum Tagesordnungspunkt und auch zum Ende meiner Ausführungen –: Wir sagen klar, wir halten diese Regelung für falsch und unvollkommen. Wir nehmen aber die Bedenken der normunterworfenen Betroffenen zur Kenntnis, die befürchten, dass eine Ver­zögerung zu den Nachteilen, die bestehen bleiben, noch weitere Nachteile dazu­addiert, und werden es daher dabei bewenden lassen, unsere Meinung nochmals zu sagen und danach zur Tagesordnung überzugehen, damit dieses Gesetz zeitlich so in Kraft treten kann, dass diese zusätzlichen Nachteile für junge Zahnärzte, die damit nicht den Übergang in den Beruf finden würden, vermieden werden können. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.01


Präsident Peter Mitterer: Die von den Bundesräten Professor Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Anträge gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf Übergang zur Tagesordnung sind unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die Anträge haben folgenden Wortlaut:

Antrag

gemäß § 51 GO-BR

der Bundesräte Prof. Konecny, Schennach und KollegInnen auf Übergang zur Tages­ordnung

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, nach Ende der Debatte über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz über die Standesvertretung der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentisten­berufs (Zahnärztekammergesetz – ZÄKG) (1091 d.B. und 1134 d.B.) zur Tagesord­nung überzugehen.

*****

Antrag

gemäß § 51 GO-BR

der Bundesräte Prof. Konecny, Schennach und KollegInnen auf Übergang zur Tagesordnung

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, nach Ende der Debatte über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Dentistengesetz aufgehoben sowie das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Rezeptpflichtgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerb­liche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert werden (Zahn­ärztereform-Begleitgesetz) (1086 d.B. und 1136 d.B.) zur Tagesordnung überzugehen.

*****

 


Präsident Peter Mitterer: Es liegen mir weitere Wortmeldungen vor.


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Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weiss. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


18.02.08

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es kurz machen, der Sachverhalt ist ja aus­reichend bekannt.

Es hat im Vorfeld der Beschlussfassung auch bei den Betroffenen unterschiedliche Einschätzungen über die Zweckmäßigkeit der Neuordnung der standesrechtlichen Organi­sation gegeben, aber sie findet mehrheitlich Zustimmung – das ist zu respek­tieren.

Ich freue mich, dass wir übereinstimmen, dass das in Kraft treten soll. Worin wir uns unterscheiden, ist der Zeitpunkt: Sie denken, es reicht, wenn das nach Ablauf der acht Wochen noch fristgerecht zum 1. Jänner des folgenden Jahres möglich sein wird. Wir vertreten folgenden Standpunkt: Wenn es schon in Kraft treten soll, dann möglichst rasch, damit auch entsprechende Klarheit hergestellt ist. Daher bringe ich zwei Anträge ein, die bereits am Präsidium vorliegen. Sie lauten, zum Ersten:

Antrag

gemäß § 43 GO-BR

der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Dentistengesetz aufgehoben sowie das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Rezeptpflichtgesetz, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, das Allgemeine Sozialver­siche­rungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversiche­rungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz und das Bundes­gesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger geändert werden (Zahnärztereform-Begleitgesetz) (1086 d.B. und 1136 d.B.) wird kein Einspruch erhoben.

*****

Der zweite Antrag lautet:

Antrag

gemäß § 43 GO-BR

der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bun­desgesetz über die Standesvertretung der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und


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des Dentistenberufs (Zahnärztekammergesetz – ZÄKG) (1091 d.B. und 1134 d.B.) wird kein Einspruch erhoben.

*****

Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

18.04


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich darf es ihm erteilen.

 


18.04.34

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zur Klarstellung von Herrn Kollegem Konecny nur noch ein, zwei zusätzliche Bemerkungen.

Es waren ja Molterer und Bieringer, die die Ausdrücke verwendet haben: „rot-grüner Machtrausch in der Länderkammer“ – dieses Prädikat behält sich Herr Molterer vor, „Blockadekammer“ Kollege Bieringer. (Bundesrat Wiesenegg: Das hat er „nie gesagt“! ... waren „die Medien“!)

Genau mit dieser Vorgangsweise wollen wir hier demonstrieren (Ruf: ... umgekehrt!), dass es genau ...

Ist es genau umgekehrt? – Dann nehme ich die Berichtigung sofort auf: Es war Kollege Bieringer, der vom „rot-grünen Machtrausch“ gesprochen hat und ... (Bundesrat Bierin­ger: Vom roten Machtrausch!)

Nein! „Rot-grüner Machtrausch“ stand in der ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Bieringer.)

Na, dann musst du mit deiner Presseabteilung sprechen. (Bundesrat Konecny: Dann machen wir eine Präsidiale über den ÖVP-Pressedienst!) – Nein, keine Präsidiale mehr!

Und „Blockadekammer“ kam von Klubobmann Molterer.

Meine Damen und Herren! 218 Anträge der Opposition wurden im Nationalrat gestellt und sind derzeit schubladisiert und werden bis zum Ablauf der Legislaturperiode auch nicht mehr aus dieser Schublade herausgeholt werden. Zehn Vertagungen wurden vom „rot-grünen Machtrausch“, wie Kollege Bieringer sagt, hier durchgeführt, und alle wurden mit einer Frist versehen, sodass eine Behandlung hier möglich ist.

Von acht Gesetzen, wo Rot-Grün die Mehrheit hat und im ... (Bundesrat Bieringer: Machtrausch!)

Ich weiß nicht, ich glaube, er will es irgendwie provozieren! Frau Bundesministerin, versuchen Sie auf Ihren Fraktionsvorsitzenden einzuwirken, denn sonst provoziert er hier noch irgendetwas, was wir alle, glaube ich, nicht wollen. (Zwischenruf des Bun­desrates Mag. Himmer.)

Gut, okay. Entschuldigen Sie! Die künftige Frau Präsidentin hat schon richtig darauf verwiesen: Es ist ja Ihr Vorsitzender. Also damit war, glaube ich, Ihr Wort jetzt an ihn eine Mahnung. (Ruf bei der ÖVP: Nein! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Er versteht das! Oja, er versteht das. Dieser sanfte Ton, der diesmal von Ihnen gekommen ist, den hat er verstanden.


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Das heißt, fünf Gesetze finden nicht die Zustimmung von SPÖ und Grünen, und trotzdem werden sie nicht hier beeinsprucht – und ich bitte Sie, das auch zur Kenntnis zu nehmen.

Wir haben hier zwei unterschiedliche Vorgangsweisen gewählt: In zwei Fällen wurde das im Ausschuss erledigt, in drei Fällen hat die Opposition heute hier die Möglichkeit, ihre Kritik an diesen Gesetzen klar zum Ausdruck zu bringen, ohne zu dem Instrument des Einspruchs zu greifen. – Ich glaube, dass das ein sehr, sehr sorgfältiger und ein sehr besonnener Umgang mit Mitteln der Geschäftsordnung ist, und wir ersuchen darum, dass dies auch von Ihrer Seite einmal vielleicht mit anderen Worten als „Blockadekammer“ und „Machtrausch“ belegt wird. (Ruf bei der ÖVP: ... zustimmen!) – Zumindest das, was wir Ihnen heute bieten, ist auf jeden Fall, dass wir diese beiden Ausdrücke Lügen strafen.

Nun, zu den beiden jetzt vorliegenden Gesetzen bleibt mir eigentlich nur übrig, die Ärztekammer von Tirol heranzuziehen: Die Ärztekammer von Tirol hat der Bun­des­regierung ein Rechtsgutachten übermittelt und massive verfassungsrechtliche Beden­ken geäußert, nämlich in jenen Bereichen:

Eine gemeinsame Zahnärztekammer von Zahnärzten und Dentisten sowie Ordinations- und Apparategemeinschaften sowie Gruppenpraxen – das heißt, Dentisten können unter einer gemeinsamen Firmenbezeichnung mit Zahnärzten tätig sein. – Hier sagt die Ärztekammer – also das Rechtsgutachten –, das sei erstens eine Unterlaufung des Gebots der EU, die eine klare Trennung des zahnärztlichen Berufes von den Dentisten einfordert.

Und dann gibt es einen weiteren Punkt dieses Gutachtens der Ärztekammer von Tirol von Herrn Universitätsprofessor Dr. Karl Weber, der darauf eingeht, dass künftig Zahnärzte trotz ihrer geplanten Pflichtmitgliedschaft in der künftigen Zahnärztekammer weiterhin Mitglied im Wohlfahrtsfonds der jeweiligen Ärztekammer bleiben; die Den­tisten aber, die wir jetzt zusammen in eine Kammer geben, sind nicht im Wohlfahrts­fonds dieser Ärztekammer.

Ich glaube, dieses Gesetz wird wiederkommen – nicht, weil wir Einspruch erhoben hätten und der Nationalrat es ändert, sondern weil diese unterschiedliche Behandlung verfassungsrechtlich äußerst problematisch ist.

Noch vielleicht zur ganzen Geschichte, weil, glaube ich, Vizepräsident Weiss von einem gemeinsamen Wollen gesprochen hat: Hiezu muss man doch sagen, dass die Urbefragung unter den Zahnärzten, die am 3. Dezember 2004, also genau vor einem Jahr, beschlossen wurde, 52 Prozent der Stimmen für die eigene Kammer gebracht hat, mit Verbleib in diesem Wohlfahrtsfonds, gleichzeitig aber am 24. und 25. Juni dieses Jahres der Antrag auf Gründung einer eigenen Zahnärztekammer im Rahmen der Vollversammlung der Ärztekammer nicht die erforderliche Mehrheit, Zweidrittel­mehrheit bekommen hat. Gleichzeitig schreibt die Ärztekammer mit Schreiben vom 11. Oktober, dass man doch bittet, was die Übergangsfristen betrifft – insofern, lieber Vizepräsident, geschätzter Vizepräsident Weiss –, man möge das doch bis zum 1. Juli 2007 machen. – Das schreibt die Ärztekammer. Diese acht Wochen, die wir hier als Nachdenkfrist eingebaut haben, sind also aus dieser Sicht mehr als zu verkraften.

Wir sind daher gegen diese beiden Gesetze, werden aber dem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.11


Präsident Peter Mitterer: Ich darf noch mitteilen, dass die von den Bundesräten Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen eingebrachten Anträge zum Verhandlungs­gegenstand gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen die


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vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, genügend unterstützt sind und demnach mit in Verhandlung stehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Rauch-Kallat. Ich darf ihr das Wort erteilen.

 


18.12.10

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich einige wenige Worte zum heute vorliegenden Gesetz sagen! Sie wissen wahrscheinlich, dass dieses Gesetz weder aus Jux und Tollerei zustande gekommen ist und auch nicht aus dem Wunsch einer Veränderung durch das Gesundheitsministerium, sondern dass dieses Gesetz, ähnlich wie andere Gesetze auch, eine unendliche Geschichte darstellt. Es hätte in den letzten 15 Jah­ren – denn seither ist dieses Gesetz notwendig – viele Möglichkeiten gegeben, hier Veränderungen vorzunehmen. Das Fortschreiten der Zeit hat das Problem immer dringender gemacht: Die Veränderung der Ausbildungsordnung der Zahnärzte durch ein beim EuGH anhängiges Verfahren, die laufende Verringerung der Zahl der Dentisten in ihrem Beruf – und die damit kaum mehr gegebene Selbsterhaltungs­fähigkeit der Dentistenkammer – und der Wunsch der Zahnärzte, zu einer eigenen Standesvertretung zu kommen, haben dazu geführt, die Zahnärzte in eine Zahn­ärztekammer überzuführen, in die auch die Dentisten übergeführt wurden – bezie­hungsweise die verbleibenden wurden ja in den letzten zwei Jahren schon von den Zahnärzten erhalten.

Dies hat auch ein neues Ärztekammergesetz notwendig gemacht, und wir haben uns diese Aufgabe nicht leicht gemacht. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren, seitdem ich Gesundheitsministerin bin, laufend Gespräche mit den handelnden Personen, vor allem mit den Betroffenen geführt, und es war sehr schwierig, hier zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, nicht nur, weil es zwischen der Ärztekammer und der Zahnärztevertretung Differenzen gab, sondern weil es auch innerhalb der Zahnärztevertretung Differenzen gab und innerhalb der Ärztekammer Differenzen gab, das heißt, Mehrheitsentscheidungen jeweils nicht leicht herbeizuführen waren.

Wir haben uns in diesem Prozess als Mediatoren gesehen, und das, was Ihnen heute letztendlich vorliegt, ist ein Kompromiss, der die Mehrheit aller dieser Gremien gefun­den hat, eine Mehrheit, von der ich glaube beziehungsweise überzeugt bin, dass sie einen verfassungskonformen Zustand herstellt. Auch hier haben wir es uns nicht leicht gemacht, sondern selbstverständlich mit dem Verfassungsdienst des Bundeskanzler­amtes eng zusammengearbeitet.

Ich bin sehr froh darüber, dass es uns nach 15 Jahren gelungen ist, diese nahezu unendliche Geschichte zu einem Ende zu bringen – ich weiß, es gibt noch andere: Das Psychologengesetz hat 35 Jahre gedauert, bis es 1990 beschlossen wurde. Aber ich glaube, dass wir durch das Drängen der Zeit wirklich unter Zeitdruck stehen. Ich bin Ihnen daher sehr dankbar dafür, dass Sie dieses Gesetz am 1. Jänner in Kraft treten lassen, weil es sonst nicht einfach gewesen wäre, eine rechtskonforme Handhabung auch der Ausübung des Zahnärzteberufes sicherzustellen, und weil uns das natürlich ein Anliegen sein muss.

In diesem Sinn bedanke ich mich, wenn das Gesetz heute, in welcher Form auch immer, dieses Gremium passiert, aber vor allem, wenn es am 1. Jänner 2006 in Kraft treten kann. (Beifall bei der ÖVP.)

18.16


Präsident Peter Mitterer: Danke. – Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 143

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Professor Konecny, Schennach, Kolleginnen und Kollegen vor, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 19. Okto­ber 2005 betreffend ein Zahnärztekammergesetz gemäß § 51 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates zur Tagesordnung überzugehen.

Ich ersuche nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag die Zustim­mung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung ist somit angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt mir ein Antrag der Bundesräte Professor Konecny und Schennach, Kolle­ginnen und Kollegen vor, hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Zahnärztereform-Begleitgesetz gemäß § 51 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Tagesordnung überzugehen.

Auch hier ersuche ich wiederum jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag die Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Auch das ist die Stimmen­mehrheit. Der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung ist somit angenommen.

Es erübrigt sich auch hier die Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Kolleginnen und Kollegen.

18.17.5813. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997 geändert wird (Postgesetznovelle 2005) (1068 d.B. und 1123 d.B. sowie 7397/BR d.B. und 7414/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Boden. – Ich bitte um den Bericht.

 


18.18.14

Berichterstatter Karl Boden: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz 1997 geändert wird (Postgesetznovelle 2005).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Tech­nologie somit den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Postgesetz 1997 geändert wird (Postgesetznovelle 2005), mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben.

 


Präsident Peter Mitterer: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Bun­desrätin Dr. Lichtenecker: Oh! Vorarlberg! Kollege Mayer!)

 


18.19.19

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht die Post aus Vorarlberg, aber zu der


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kommen wir noch – speziell für Sie, Frau Kollegin Lichtenecker. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Gut!)

Die Vorarlberger Landesregierung hat sich bereits im August 2004 grundsätzlich zur Frage der Weiterentwicklung des Postgesetzes Gedanken gemacht und dazu Stellung genommen. Unter anderem wurde festgestellt, dass es vertretbar und vernünftig sei, wenn Österreich am Liberalisierungsfahrplan der EU festhält, dass es aber die Ergebnisse der Prospektivstudie der EU-Kommission und der daraus resultierenden Vorgaben von Rat und Parlament abwarten soll.

Es wird nun das „Postgesetz neu“ vorgelegt, als weiterer Schritt in Richtung Liberalisie­rung des Marktes für Postdienstleistungen mit dem Ziel der völligen Liberalisierung zum 1. Jänner 2009 und damit der Umsetzung der genannten EU-Richtlinie. Bis dahin soll der Österreichischen Post AG als Gegenleistung für die Erbringung des Univer­saldienstes der mit 1. Jänner 2006 abgesteckte Monopolbereich des reservierten Postdienstes verbleiben.

Die volkswirtschaftliche Hauptfrage der Postmarktliberalisierung ist, ob und wie gerecht sozial flächendeckende Grundversorgung bei einer völligen Liberalisierung der Post­dienstleistungen gewährleistet werden kann – und dies möglichst ohne Subvention der Gebietskörperschaften.

Die Vorarlberger Landesregierung hat aus dieser Sicht in ihrer Stellungnahme eine vorgezogene Liberalisierung beziehungsweise Teilliberalisierung des Postmarktes abgelehnt, weil diese nur im europäischen Einklang erfolgen soll. Faktum ist aber – und dieser Meinung dürften beinahe alle sein: Wir müssen das Unternehmen Post fit für einen europäischen Markt machen und nicht nur bis zum letzten Tag auf eine gesetzliche Lösung warten.

Die Voraussetzungen für die Dienstleistungen der Post haben sich in den letzten Jahren rigoros geändert. Mit diesem Liberalisierungsschritt werden zirka 70 Prozent des Postmarktes für den Wettbewerb geöffnet sein. Bedingt durch die elektronischen Möglichkeiten werden sich die Rahmenbedingungen für die Post AG zusätzlich verschärfen.

Dabei besteht die eklatante Gefahr, dass sich die Mitbewerber am freien Markt die lukrativen Segmente heraussuchen und folglich die Finanzierung des Universal­dienstes und damit eine flächendeckende Grundversorgung immer schwieriger wird. – Genau das ist auch der springende Punkt.

Aus Vorarlberger Sicht – und hier auch in Absprache mit unserer Landesregierung, zusätzlich mit den seit der Begutachtung eingeflossenen Änderungen und einem Entschließungsantrag, zu dem ich noch später kommen werde – können wir diesem neuen Postgesetz unter gewissen Voraussetzungen unsere Zustimmung erteilen, weil es eine kundenorientierte und flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen gewährleisten soll.

Nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch im ländlichen Raum – ich lege bewusst die Betonung auf den ländlichen Raum – haben die Menschen einen Anspruch auf eine kundenorientierte und flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen. Warum ist dies besonders hervorzuheben? – Weil bei den Debatten um die Schließung von Postämtern in Vorarlberg – und ich bin mir sicher, das ging quer durch ganz Österreich – oft mit – sagen wir einmal salopp formuliert – optimiertem Zahlenmaterial operiert wurde und für jedes Postamt offensichtlich ein anderer betriebswirtschaftlicher Berechnungsmodus an den Tag gelegt wurde.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 145

Derartige Berechnungen nach betriebswirtschaftlichen Vorgaben müssen transparent, absolut vergleichbar und nachvollziehbar sein, denn unsere Bürgermeister in den Gemeinden sollen nicht zum Spielball irgendwelcher Rechenbeispiele werden. (Bun­desrat Wiesenegg: Sind wir aber!)

Außerdem sind wir Vorarlberger – und ich denke, da sind wir nicht allein in Österreich, wahrscheinlich auch die Tiroler, lieber Kollege Bürgermeister! – der Auffassung, regio­nale Strukturen müssen nicht immer dem Kostendruck und betriebswirtschaftlichen Renditen unterliegen, sondern hier hat man auch auf Infrastruktur und Versorgung der Bevölkerung zu achten. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Weiss.)

Wenn ein Unternehmen wie die Post – durchaus begrüßenswert! – gute oder – sagen wir – fette Gewinne schreibt, dann soll es auch legitim sein darüber zu reden, Post­ämter in kleineren Gemeinden, die knapp an der Gewinngrenze liegen, nicht zu schließen. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Ich darf zu unserem Entschließungsantrag zurückkommen, der sich mit den Zugangs­möglichkeiten der Kunden zu den Universaldienstleistungen sowie mit der Qualität der Dienstleistungen auseinander setzt.

Dabei sollte dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die Mög­lichkeit eingeräumt werden, die Schließung einer Filiale zu untersagen, sofern nicht seitens der Post AG schlüssig gemacht wird beziehungsweise nachgewiesen werden kann, dass eine kostendeckende Führung des Postamtes dauerhaft ausgeschlossen ist. Das Vorliegen dieser Vorraussetzungen kann der Bundesminister durch Sachver­ständige prüfen lassen.

Er soll weiters die Schließung einer Filiale untersagen können, sofern nicht die betrof­fene Gemeinde zeitgerecht informiert wurde und innerhalb von drei Monaten alter­native Lösungen gesucht wurden, und drittens, sofern nicht die Erbringung des Uni­versaldienstes durch eine alternative Lösung – also eine Post-Geschäftsstelle, einen Landzusteller, ein „mobiles Postamt“ oder eine ähnliche Versorgungslösung – gewähr­leistet ist.

Demnach und danach soll eine ersatzlose Streichung von Postämtern in Zukunft nicht mehr möglich sein, und das ist – und da dürften wir hier im Saal alle der gleichen Auffassung sein – eine wichtige und längst fällige Maßnahme.

Wir fordern deshalb aus Vorarlberger Sicht die konsequente und rigorose Umsetzung dieses Entschließungsantrages ein.

Ich komme zum Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mayer, Mitterer, Bader, Ing. Kampl, Kolleginnen und Kollegen

betreffend kundenorientierte und flächendeckende Versorgung mit Postdienst­leistun­gen

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, im Rahmen seines Kompetenzbereiches weiterhin dafür einzutreten, dass die sich aus der Post-


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Universaldienstverordnung ergebenden Verpflichtungen betreffend ‚eine den Bedürf­nissen der Kunden entsprechende, qualitativ hochwertige, flächendeckende und allge­mein erschwingliche Versorgung mit den im Rahmen des Universaldienstes zu erbrin­genden Postdienstleistungen‘ durch die Österreichische Post AG auch in Zukunft wie bisher weiter eingehalten werden.“

*****

Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.26


Präsident Peter Mitterer: Der von den Bundesräten Mayer, Mitterer, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend kundenorientierte und flächen­deckende Versorgung mit Postdienstleistungen ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Es gibt weitere Wortmeldungen: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


18.26.49

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Auch bei diesem Tagesordnungspunkt werden wir ein wenig Amtshilfe leisten, geschätzte Damen und Herren, so wie auch bei anderen Tagesordnungspunkten, die wir heute behandelt haben.

Mit der heute vorgelegten Postgesetznovelle soll also nach Meinung der Regierung der Börsengang der Post AG, wenn ich es richtig verstanden habe, Herr Staatssekretär, für 2006 ausgerichtet und vorbereitet werden.

Geschätzte Damen und Herren! Was bedeutet der Börsengang für unsere Bevöl­kerung, für unsere Bürgerinnen und Bürger, ganz besonders in den Gemeinden? (Unruhe bei der ÖVP.) – Es ist üblich, dass man auch beim Bundesheer ein wenig Ruhe hat, Herr Kollege! Was bedeutet der Börsengang? – Ganz einfach: Künftige Aktionäre bedienen sich der Post AG.

Bekanntlich ist es das Recht und das Bestreben von Aktionären, ihre Bareinlagen so hoch wie möglich zu versilbern. Bei der positiven Bilanz der Post AG ist das ein sehr gutes Unterfangen, so hohe Gewinne wie nur möglich zu erzielen. Das hieße unter anderem – und Sie wissen das genauso wie ich – die völlig unakzeptable Schließung von Infrastruktureinrichtungen der Post AG, denen damit Tür und Tor geöffnet wäre. Zudem – und das wissen Sie auch, sehr geehrter Herr Staatssekretär – stehen die weiteren EU-Rahmenbedingungen für die Postliberalisierung auch bei uns, im benach­barten Bayern und in der restlichen Bundesrepublik erst frühestens 2007 fest.

Geschätzte Damen und Herren! Ein gut funktionierendes Unternehmen wie die Post AG wird also – so wie vieles kostbare Eigentum unserer Republik in der Ver­gangenheit – zu einem, wie ich festhalte, schlechten Preis unter heutigen Markt­bedingungen verscherbelt.

Das sieht die österreichische Bevölkerung ebenso wie ich und lehnt diese Privati­sierung zu 80 Prozent ab. Wenn meine Informationen heute stimmen, wird die Gewerk­schaft der Post AG – so wie angekündigt – mit diesen Argumenten auch auf die Straße gehen und einen Streik ausrufen. Geschätzte Damen und Herren! Ich hoffe, Sie sind sich Ihrer Verantwortung gerade in diesem Bereich der Post AG bewusst.


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Die Postgesetznovelle treibt noch weitere Blüten, und so müssen auf Kosten der Wohnhauseigentümer die Briefkästen neu umgerüstet werden. Als Eigentümervertreter einer sehr großen Gemeinde mit zahlreichen Gemeindewohnungen werden wir – und dies ist sichtbar und belegt – die Kosten dieser Umrüstung tragen müssen – eine Leistung, die durch die Privatisierung der Zustellung von Erzeugnissen den Eigen­tümern aufgebrummt wurde.

Geschätzte Damen und Herren! Es ist also so: Kommerzielle verdienen, Gemeinden bezahlen. Meine Gemeinde hat dafür einen Betrag von zirka 20 000 € aufzubringen. (Bundesrat Kneifel: Die zahlen aber auch Steuern, die Privaten!)

Geschätzter Herr Kollege! Auch diese Maßnahme lehnt die Bevölkerung ab. Ich gehe davon aus, dass auch Sie in Ihren Gemeinden den Kontakt zu den Bürgern pflegen und wissen, was es bedeutet, in dieser Angelegenheit in den Sack zu greifen. (Bundesrat Kneifel: Die Gemeinden brauchen das Geld!)

Als letzten Hohn, geschätzter Herr Kollege und alle Bürgermeister, die hier sitzen, egal welcher Couleurs, möchte ich nur betonen, dass diese Novelle eine hohe Strafe von 30 000 € vorsieht, wenn diese Briefkastenumrüstung durch die Gemeinden und durch die Hauseigentümer nicht durchgeführt wird.

Meine Damen und Herren, mein letztes Wort: Nein danke zu dieser Postgesetznovelle! Daher wird meine Fraktion diesem Gesetz auch nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

18.31


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Tiefnig. Ich darf ihm das Wort erteilen.

 


18.32.02

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen! Hoher Bundesrat! Ich verstehe die Beden­ken sowohl der Vorarlberger als auch aller anderen Bürger, wenn die Postliberalisie­rung stetig weiter fortschreitet.

Wir haben seit dem EU-Beitritt schon mehrmals miterlebt, dass wir Gesetze mitbe­schlossen haben oder mit Gesetzen konfrontiert werden, welche seitens der Euro­päischen Union vorgegeben werden. Diese Postliberalisierung ist auch ein Schritt in diesem Bereich, und wir wissen, dass die Liberalisierung bis 2009 sehr weit voran­getrieben werden soll. (Bundesrat Kraml: Das hat mit der EU nichts zu tun!)

Wir müssen aber auch bedenken: Es sind in den letzten Jahren sehr viele Postämter geschlossen worden. In Oberösterreich sind zum Beispiel im Jahr 2002 100 Filialen zusammengelegt worden, im Jahr 2005 waren es 72 Filialen. (Bundesrat Gruber: Zugesperrt! Ruf bei der SPÖ: Das wart ihr! Bundesrat Kraml: Nicht zusam­mengelegt! Sie sind geschlossen worden! Bundesrat Schennach: Schau nicht uns so bös an!) – Schau ich?

Die Versorgung wurde weitgehend gesichert. Wie Kollege Lindinger gesagt hat: Es gibt im Bereich Windischgarsten und Micheldorf kein Postamt mehr. (Bundesrat Schen­nach: Sauerei! Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Aber dafür habt ihr Breitband­an­schluss!) Es ist eine Universalpostdienstleistung in Klaus eingesetzt worden. – Auch da wurde also eine entsprechende Versorgung gesichert.

In meiner Gemeinde wurde das Postamt im Jahr 2002 für immer geschlossen. (Bundesrat Stadler: Und du hast zugestimmt!) Zu diesem Zeitpunkt gab es einen großen Aufruhr in der Gemeinde. Wir werden jetzt aus einer Nachbargemeinde versorgt. Für Unternehmen ist es teilweise ein Problem, zum Beispiel mit RSb-Briefen.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 148

Man muss aber auch die Entwicklung des Internet sehen. Die Jungen werden in diesem Bereich immer mobiler, mit SMS oder mit E-Mails; zum Beispiel wenn Archi­tekten Pläne an Tischlereien versenden (Bundesrat Kraml: Eingeschriebener Brief per SMS!), geschieht das per E-Mail.

Einige Bereiche haben sich sehr stark verändert. Beim Paketgewicht hat sich zum Beispiel sehr viel verändert. Wir haben im ländlichen Raum jetzt private Zusteller. (Bundesrat Kraml: Seit wann?) Das war eigentlich auch ein Versäumnis der Post: Auch die Post hätte die Möglichkeit gehabt, in diesem Bereich mehr Marktanteil zu holen. (Bundesrat Stadler: Du unterstellst den Postlern ganz schön viel!) – Ich unter­stelle der Post überhaupt nichts! Sie hätten aber hier auch Marktanteile holen können.

Wir müssen jetzt diese Gesetzesnovelle – wenn es uns auch schwer fällt – mit­be­schließen, weil für die Zukunft keine andere Lösung möglich wäre. (Bundesrat Stadler: Warum fällt es dir schwer?) Es geht nicht um den Börsengang (Bundesrat Gruber: Nur!), sondern es soll ein entsprechendes Dienstleistungsunternehmen geschaffen werden, das die Versorgung sicherstellt. Ich glaube, nur wer die Zeichen der Zeit recht­zeitig erkennt, hat die Möglichkeit, da Schritte zu setzen. (Bundesrat Reisenberger: Das kannst du deinen Freunden daheim auch erzählen! Das wird nicht lustig!)

In Ländern wie England oder auch Schweden, das vorher so positiv bewertet wurde, ist eine gänzliche Liberalisierung des Postmarktes schon vollzogen worden. Österreich versucht mit dieser Liberalisierung, das Tempo herauszunehmen und nicht die gänzliche Liberalisierung, sondern nur eine teilweise Liberalisierung herbeizuführen, behält aber das Jahr 2009 im Auge, bis zu dem es in dieser Hinsicht sicherlich weit reichende Veränderungen für die Post geben wird. Darum stimmt unsere Fraktion dieser Gesetzesnovelle, aber auch dem Entschließungsantrag unseres Kollegen (Bun­desrat Stadler: ... gerne zu!) zu.

Herr Stadler! Ich hätte vielleicht an Sie noch eine Frage. Sie haben ja in der Aus­schusssitzung auch ein Problem angedeutet, und zwar das mit den Postbussen. Da hat man ja gehört, dass die Unternehmen finanziell sehr angeschlagen sind. – Ich habe das von dir nur irgendwo mitbekommen. Da müsste man doch auch die Initiative ergreifen. (Bundesrat Stadler: Da können wir keine Initiative mehr ergreifen, weil ihr sie verkauft habt!) – Nein, es ist ja privatisiert. (Bundesrat Stadler: ... die Postbusse ersetzen!) Lieber Herr Stadler! Die Privatisierung bei den Postbussen ... (Bundesrat Stadler: ... ein Bezirk alles verkauft! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wie steht das Unternehmen zu dem Verkauf der Linie? (Bundesrat Stadler: Ratlos vor den Bussen! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. Präsident Mitterer gibt das Glockenzeichen.) – Ratlos vor den Bussen, und finanziell? (Bundesrat Reisenberger: Es liegt finanziell am Boden! Du hast eine politische Verantwortung, vergiss das nicht!) – Nein, ich bin daran interessiert, weil ich die Postbusliberalisierung für wichtig halte. (Rufe bei der SPÖ: Das ist ja keine Liberalisierung!) – Ich kenne Unternehmen, die Strecken gemietet haben, die sagen ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. Präsident Mitterer gibt das Glockenzeichen.)

Herr Stadler! Liebe Freunde! Ich glaube, der Herr Stadler hat auf dieses Thema keine Antwort. Ich hätte eigentlich gerne etwas darüber gewusst, weil dieses Thema ja letztes Mal im Ausschuss angesprochen wurde. (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


Präsident Peter Mitterer: Hohes Haus! Es ist unhöflich, dem Redner keine Auf­merksamkeit zu schenken. Am Wort ist Herr Bundesrat Tiefnig! (Bundesrat Reisen­berger: Wir sind aufmerksam! Wir reden mit ihm! So viel Aufmerksamkeit hat nicht jeder!)

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 149

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (fortsetzend): Mir wäre es schon ein Anliegen, dass auch Private von der öffentlichen Hand unterstützt würden, wenn sie diese Aufgaben übernehmen und den öffentlichen Verkehr aufrechterhalten. Es wäre also schon auch angemessen, und ich bitte, dieses Postunternehmen, wie der Herr Stadler gesagt hat, auch zu unterstützen. (Rufe bei der SPÖ: Mit SMS!)

Jetzt aber zu einem anderen Thema: Ich komme noch einmal zurück zu unserer Postgesetznovelle und danke wirklich für den Antrag unserer Kollegen aus Vorarlberg. Wir werden diesem Antrag zustimmen, aber auch der Gesetzesnovelle – mit schwerem Herzen, aber um der Zukunft der Post AG eine Chance zu geben, was hiermit der Fall ist. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.39


Präsident Peter Mitterer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kerschbaum. Ich darf sie ans Rednerpult bitten.

 


18.40.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Lieber Herr Kollege Tiefnig! Du hast es vorhin schon erwähnt: Für die Betriebe ist es sicherlich ein Problem, wenn es kein Postamt mehr gibt. Das ist aber auch ein Problem für private Haushalte, gerade was den RSb-Brief, den du vorhin erwähnt hast, betrifft. Wenn mir der Landzusteller diesen nach Hause bringt, dann sollte ich doch zu Hause sein. Bin ich das nicht, dann bekomme ich eine Verständigung und muss möglicherweise 30 Kilometer weit fahren, um mir diesen Brief zu holen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.) Wo ist da der Vorteil? Wo ist dieser Landzusteller ein Ersatz für ein Postamt?

Aber zurück zum Beginn, zum Postgesetz. Mit dieser Gesetzesnovelle sind sieben Petitionen gegen Postamtschließungen „mit erledigt“ worden. Ich sehe aber keine Erledigung dieser Petitionen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eines dieser Postämter aufgrund dieser Novelle jetzt nicht geschlossen werden soll. In Wirklichkeit wird diese Gesetzesänderung keine einzige Postamtschließung verhindern!

Was letztendlich als einzige Möglichkeit etwas bringen könnte, ist ein Vetorecht. Aber dieses eingeschränkte Vetorecht hat es an und für sich in genau der gleichen Form schon vorher in einer Verordnung gegeben. Wo ist jetzt der große Fortschritt dieses neuen Postgesetzes? (Bundesrat Konecny: Und seine Auswirkungen vor allem!) Wo sind dessen Auswirkungen?

Dieses Vetorecht ist nämlich eingeschränkt: Der Herr Bundesminister kann die Vorlage der Unterlagen zum Nachweis der Schließungskriterien verlangen, und wenn das nicht passt, dann kann er die Schließung untersagen.

Wie gesagt: Jetzt ist es im Gesetz, vorher war es schon in der Verordnung. Es sind zwei Kann-Bestimmungen, und die Bezeichnung Vetorecht ist stark übertrieben.

Der Bundesminister hätte dagegen jetzt auch schon die Möglichkeit, Schließungen zu verhindern. Es gibt nämlich jetzt bereits einen weiteren Paragraphen im Gesetz, und zwar § 4 Absatz 4, und den gibt es auch weiterhin. Dort steht:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann durch Verordnung für die dem Universaldienst zuzurechnenden Dienstleistungen nähere Bestimmungen erlassen, wie insbesondere über die Dichte an Abhol- und Zugangspunkten, die Abhol- und Zustellfrequenz (...).“ – Das heißt, der Minister könnte jetzt schon sagen: Ich möchte soundso viele Postämter auf diesem oder jenem Gebiet. – „Dabei hat er auch auf die geographischen Gegebenheiten sowie auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Zustellvorganges auf den Betreiber Rücksicht zu nehmen, um ein dauerhaft zufriedenstellendes Ergebnisses des Universaldienstes zu gewährleisten.“


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 150

Diese Möglichkeit gibt es schon seit Jahren. Diese Verordnung hat der Herr Bundesminister nicht erlassen. Wird er sie vielleicht jetzt erlassen? Dann wären wir auch zufrieden. Aber er hat es bis jetzt nicht getan, und er hätte es schon lange tun können. Ich habe auch im Ausschuss gefragt, warum diese Verordnung nicht erlassen wor­den ist. Herr Kollege Himmer hat mir dann diesbezüglich eine einigermaßen auf­klärerische Auskunft gegeben. Er hat gemeint, dass die Postämter am Land offenbar ineffizient sind. Das war meines Wissens deine Aussage. Postämter, die nicht den nötigen Umsatz machen, seien einfach ineffizient. Da könne man nicht verhindern, dass sie früher oder später geschlossen werden. (Bundesrat Mag. Himmer: Es gibt auch ineffiziente Postämter!) – Es gibt solche Postämter, ja, und die muss man schließen. (Bundesrat Mag. Himmer: Wenn am Postamt zwei Kunden vorbeischauen am Tag ...!) – Besprechen wir das nachher! Genau das hast du im Ausschuss erzählt, das habe ich auch dort gehört. Es gibt dieses Postamt, wo zwei Leute am Tag vorbeikommen, wahrscheinlich nicht, aber es gibt möglicherweise Postämter, die nicht unbedingt kostendeckend arbeiten.

Die Frage ist ... (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Präsident Mitterer gibt das Glockenzeichen.) – Herr Kollege! (Bundesrat Schennach: Entschuldigung!) Die Frage ist: Für wen sind diese Postämter ineffizient? Für die Post sind sie mög­licherweise nicht kostendeckend, aber für die Menschen sind sie sehr wohl viel effi­zienter, als wenn sie 30 Kilometer weit fahren müssten, um sich ihre Briefe zu holen. Effizient und ineffizient – da ist die Frage: Um wen geht es?

Uns geht es um die BewohnerInnen im ländlichen Raum und in den strukturschwachen Gebieten. Und für die ist leider sehr vieles jetzt schon ineffizient. Die haben ineffiziente öffentliche Verkehrsmittel, die haben ineffiziente Einkaufsmöglichkeiten und auch eine ineffiziente Versorgung mit Postdienstleistungen. (Bundesrat Mag. Himmer: Plan­wirtschaft oder Marktwirtschaft?) – Das hat aber jetzt wirklich nichts damit zu tun.

Bist du für die regionale Versorgung, oder bist du dafür, alles zu zentralisieren? Kommen dann alle nur nach Wien, um sich ihre Briefe zu holen? (Bundesrat Konecny: Das ist ein interessantes Modell!) Das ist genauso eine dämliche Frage wie Plan­wirtschaft oder Marktwirtschaft. Sei mir nicht böse! (Bundesrat Gruber: Das ist eine weitere Aushöhlung der ländlichen Infrastruktur!)

Meiner Meinung nach ist es schon auch Aufgabe der Politik, den ländlichen Raum mit Postdienstleistungen zu versorgen. (Zwischenruf.) – Danke, dass ich damit Recht habe.

Herr Nationalratsabgeordneter Miedl von der ÖVP sagt ... (Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Kühnel.) – Bitte? Stadtrat, gut. Aber im Nationalrat ist er auch, oder? (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.) Ich bin auch Stadträtin. Dann sagt künftig zu mir auch Stadtrat! Aber ihr dürft auch Bundesrätin zu mir sagen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jedenfalls ist Herr Miedl von der ÖVP, der auch im Verkehrsausschuss sitzt (Bundesrat Mag. Himmer: Saß!), und zwar im Nationalrat, meines Wissens der Meinung, dass nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch im ländlichen Raum die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf eine kundenorientierte und flächen­deckende Versorgung mit Postdienstleistungen haben. Da sind wir wohl alle einer Meinung.

Wo es offenbar Differenzen gibt, das ist bei den Maßnahmen. Herr Miedl meint näm­lich, die Maßnahmen, und zwar die Einführung einer Anzeigepflicht für alle Post­dienstleiter und bessere Eingriffsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Universal­dienstverpflichtung, sind offenbar ausreichend, um diese flächendeckende Versorgung


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zu gewährleisten. – Ich glaube nicht, dass das ausreicht. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Herr Staatssekretär Mainoni ist auch der Meinung, dass das neue Postgesetz die Versorgung im ländlichen Raum sichern sollte. (Staatssekretär Mag. Mainoni: Genau!)

Sie meinen, das wäre durch das „Vetorecht“ des Ministers gegeben, denn das wird dann die weiteren willkürlichen Schließungen von Postämtern verhindern. Wie ich vorhin schon gesagt habe, beim Vetorecht hat sich letztendlich nichts geändert. Es ist von der Verordnung in das Gesetz gekommen, aber es ist genauso unzulänglich, wie es bei den Schließungen der letzten 400 Postämter war, es hat nämlich nichts gebracht. (Bundesrat Gruber: Die nächsten 200 Schließungen stehen bevor! Da gibt es schon ein Papier!)

Weiters haben Sie bemerkt, dass weitergehende Einschränkungen des reservierten Bereiches im Einklang mit der EU-Richtlinie jedenfalls nicht vor dem 1. Jänner 2009 erfolgen werden. Der 1. Jänner 2009 ist das Zieldatum, bis zu dem die EU mehr oder weniger ihre Richtlinie entwickelt haben will. Aber es ist schon öfter passiert, dass Richtlinien oder Gesetze nicht zu dem Zeitpunkt in Kraft treten, zu dem der Herr Minister oder vielleicht die EU-Kommission oder sonst jemand das haben will. Das könnte möglicherweise auch bei diesem Postgesetz passieren.

Die Europäische Kommission ist verpflichtet, bis Ende 2006 eine Studie, eine so genannte Prospektivstudie, vorzulegen. In dieser Studie hat sie darzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine völlige Öffnung des Postmarktes möglich ist.

Das heißt, die EU überlegt sich erst, ob überhaupt und unter welchen Umständen. Und wir werden jetzt schon tätig und wurschteln jetzt schon im Gesetz herum. Mal sehen, ob das dann mit dem Ergebnis der Studie zusammenpasst. Das wäre interessant. Deshalb frage ich mich: Warum haben wir nicht mit der Änderung gewartet, bis die Studie vorliegt?

Außerdem will die EU vor allem darauf Bedacht nehmen, wie der Universaldienst auf einem liberalisierten Markt sichergestellt und finanziert werden kann. Genau das ist das, was uns auch sehr interessieren würde. Ich denke, deshalb sollten wir auf diese Studie warten und nicht jetzt schon Einschränkungen machen und der Liberalisierung vorgreifen.

Auch der Städte- und Gemeindebund hat sich bezüglich der Postgesetznovelle nicht unbedingt positiv geäußert. Der Städtebundpräsident hat gemeint, die Verbesserungen der Mitwirkungsrechte von Gemeinden bei Postämterschließungen fehlten ihm. Es stimmt: Von den Gemeinden und auch von den Ländern steht überhaupt nichts drinnen. Sie haben keine Möglichkeit, sich zu diesen Schließungen effizient zu äußern.

Es gibt im Gesetz auch ein paar positive Ansätze, das will ich gar nicht bestreiten, besonders im Bereich des KonsumentInnenschutzes: Einbeziehung der privaten Postmitbewerber in diverse Qualitätsvorgaben. Sie haben künftig nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Das ist schon ein Fortschritt. Die Rechte und Pflichten der Privaten und der Post sind aber noch nicht einmal annähernd gleich.

Was auch schon erwähnt wurde, sind die neuen Postkästen, die wir jetzt alle bekom­men werden. Diese müssen letztendlich die KonsumentInnen bezahlen. Irgendwie kommt mir das so vor, als müsste ich ein Einkaufswagerl beim SPAR selbst bezahlen, damit ich hinein darf und mir etwas einladen darf. Ich denke, es ist einfach nicht gerechtfertigt, dass das die KonsumentInnen zahlen müssen.


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Es ist ein Hilfsmittel, damit auch die Privaten ihre Post dort einwerfen können; also: Warum zahlen dann nicht sie für die Postkästen? Das ist mir nicht erklärlich. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Letztlich gibt es in diesem Gesetz nur Scheinaktivitäten hinsichtlich einer flächen­deckenden Versorgung. Wir haben gesehen, es sind trotzdem Postämter geschlossen worden. Der wirkungslose Text aus der Post-Universaldienstverordnung wird ohne jegliche Verschärfung ins Gesetz übernommen.

Und zweimal die Formulierung „der Minister kann“, wenn er will, das ist uns einfach zweimal zu wenig. Deshalb werden wir Grüne diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

18.50


Präsident Peter Mitterer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bun­desrat Stadler gemeldet. Ich weise darauf hin, dass die Redezeit mit 5 Minuten begrenzt ist. Ich darf auch darauf hinweisen, dass sich die tatsächliche Berichtigung auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken hat. Ich erteile Herrn Bundesrat Stadler das Wort.

 


18.50.44

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekre­tär! Kollege Tiefnig, ganz kurz zu deinen Ausführungen beziehungsweise der Unter­stellung, dass ich keine Antwort auf den – von mir aus gesehen sinnlosen – Post­busverkauf habe. Ich glaube, ich habe in der Ausschusssitzung – die Kollegen Himmer und Baier waren dabei – eigentlich schon die Antwort darauf gegeben. Du hast sie heute noch einmal von mir eingefordert.

Ich werde es dir noch einmal sagen, auch wenn es nicht zu der Gesetzesvorlage passt. Im Bezirk Schärding wurde der Postbus verkauft. Das sind 700 000 Jahreskilometer, 15 Bedienstete und zwölf Busse. Der Verkauf ist am 8. Juli vollzogen worden. Zwei Monate später ist ein Hilfeschrei von dem privaten Unternehmen gekommen. Und das kostet jetzt den Steuerzahler und die Steuerzahlerin in Oberösterreich und in Öster­reich das Doppelte von dem, was es vorher gekostet hat. (Bundesrat Wiesenegg: So schaut es aus! – Bundesrat Schimböck: Das ist die Wirtschaftspolitik dieses Staatssekretärs!)

Zahlen tut das in Oberösterreich Herr Landeshauptmannstellvertreter Erich Haider aus seinem Ressort, weil ihm die Leute auf dem Land am Herzen liegen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.51


Präsident Peter Mitterer: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Kampl. Ich darf ihn an das Rednerpult bitten.

 


18.52.02

Bundesrat Ing. Siegfried Kampl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Zur Postgesetznovelle 2005. Diese Novelle war nicht ohne Vergewaltigung der kleinen Gemeinden möglich. Das muss hier gesagt werden. Ich komme schon noch auf die positiven Seiten zu sprechen, aber es war einfach schwierig für einen Bürgermeister einer Gemeinde, in der seit 1850 ein Postamt bestanden hat, dass dieses nun aufhören musste zu bestehen. Selbstverständlich aber haben wir eine Lösung gefunden.


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Mit diesem neuen Gesetz sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Sicherheit der Post garantieren. Es sollen Leistungen für die Zukunft erhalten und verbessert werden. Das ist die Absicht der Bundesregierung. Durch die Teilpriva­tisierung darf die Bevölkerung in Zukunft nicht schlechter gestellt werden. Ich hoffe, dass diese Überlegungen auch entsprechend zum Tragen kommen werden.

Die Zukunft wird in allen Branchen der Wirtschaft lauten: Weniger Staat, mehr privat. – Das ist beabsichtigt. Das sind auch die Ziele der österreichischen Bundesregierung. Der internationale Druck zwingt die Bundesregierung zum Handeln, damit der Wohlstand in Zukunft gesichert bleibt.

Die Verantwortlichkeit der bisherigen Postversorgung war gut. Die Postversorgung in der k. k.-Zeit wurde mit Postkutschen gesichert. Sie waren damals die Verbindung vor allem zu den ländlichen Regionen. Die Postversorgung hat auch im Krieg funktioniert.

Die Postversorgung war im ländlichen Bereich ein Garant für die Kommunikation. Wenn wir heute vom Wohlstand und vom internationalen Ansehen Österreichs reden, muss man auch bedenken, dass auch die Post einen großen Stellenwert beim Wiederaufbau der Zweiten Republik hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Zug der Zeit bleibt nicht stehen. Daher haben wir heute die Entscheidungen so zu treffen, dass es uns auch morgen gut geht und neben den modernen Informationsmöglichkeiten auch die Postversorgung bestehen bleiben muss.

Wir Kärntner Bürgermeister haben protestiert. 40 Gemeinden waren betroffen. 40 Bürgermeister haben sich zweimal in Klagenfurt eingefunden und haben von der Bundesregierung etwas verlangt. Der Herr Vizekanzler und Herr Staatssekretär Mainoni waren in Kärnten. Wir haben versucht, eine gemeinsame Lösung zu finden. Dass diese Lösung, die wir gefunden haben, sicher so manchen Bürgermeistern und Gemeindevertretungen nicht passt, zeigt ein Beispiel, wie es auch der Marktgemeinde Gurk ergangen ist.

Vor über 30 Jahren fand eine Zusammenlegung von zwei Gemeinden statt, die seit 1850 bis 1973 bestanden haben. Auch die Zugverbindung in das schöne Gurktal, die seit 1896 bestand, wurde 1966 eingestellt. Die Bahn musste abgewrackt werden. Man hat einfach gesagt, das ist wirtschaftlich nicht mehr durchführbar, nicht erhal­tungswürdig und wirtschaftlich nicht zu unterstützen.

Seit 1850 gab es ein Bezirksgericht in unserer Gemeinde. – Die Kärntner Markt­gemeinde Gurk war auch Bischofssitz, dieser wurde dann nach Klagenfurt verlegt. – Von 1850 Bezirksgericht bis 1977! Das Bezirksgericht wurde aufgelöst. Viele Mit­arbeiter mussten dann nach St. Veit fahren, also die Bevölkerung blieb wieder auf der Strecke.

Der Gendarmerieposten, ebenfalls seit 1850 vorhanden, wurde nach 144 Jahren 1994 zugesperrt. Es gab diesbezüglich eine zweimalige Vorsprache unsererseits beim Herrn Bundesminister. 99,9 Prozent der Gemeindebevölkerung hat mit einer Unterschriften­aktion alles versucht, um unseren Gendarmerieposten zu erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt nicht gesagt, wer damals an der Regierung war und die Verantwortung getragen hat. Die Situation der kleinen Gemeinden ist aber sicher eine schwierige, und man wird sehen, welche Probleme da im Laufe der Zeit noch auf die Gemeinden zukommen werden. Es müssen sich alle Fraktionen sehr anstrengen, um für die Bevölkerung im ländlichen Raum einigermaßen die Strukturen und Wohlfahrtseinrichtungen zu erhalten, die im städtischen Bereich selbstverständlich sind.


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Ich habe mich überall, für alle Bereiche mit meinem Gemeinderat und der Gemein­debevölkerung mit allen Mitteln eingesetzt. Aber es war leider umsonst. Für die Post gab es Gott sei Dank eine Alternative in meiner Gemeinde und auch in den anderen 40 Kärntner Gemeinden. Es gibt heute in der Gemeinde Gurk eine Trafikantin, die alle Postaufgaben erfüllt und dadurch das Familieneinkommen steigern kann. Das Post­gesetz sollte die Aufgabe der Postversorgung für Stadt und Land in Zukunft gleich­wertig sichern.

Geschätzter Herr Staatssekretär! Mit der bisherigen Zahl der Schließung der Postämter vor allem im ländlichen Bereich muss nun aber Schluss ein! (Bundesrat Molzbichler: Es gibt eh fast keine mehr zu schließen!)

Meine Damen und Herren! Tun wir nicht so: Die nächste Welle kommt in zehn bis 15 Jahren. Wir werden das noch erleben. (Bundesrat Gruber: Die kommt in einem Jahr!)

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Von dieser Stelle aus bitte ich auch die Bundesregierung darum, sich mehr um die Probleme des gesamten ländlichen Raumes zu kümmern. Über 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben dort. Herr Staatssekretär! Da gibt es sehr viele Möglichkeiten, unserem ländlichen Raum in Zukunft verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken.

Dem Entschließungsantrag, der heute eingebracht wird, werden wir selbstverständlich zustimmen, um damit die Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, dass es mit Schließungen und letzten Endes mit dem Abbau der Infrastrukturen im ländlichen Bereich nicht weitergehen darf und kann. Und die Bundesregierung wird sich bemühen müssen – da sehe ich eine große Verantwortung für die Bundesregierung –, dass die Menschen, wenn sie auf dem Land wohnen und mit ihren Familien dort bleiben wollen, ihr Heim und ihre Heimat auch genießen können.

Diesem Gesetz werden wir die Zustimmung geben, aber es soll auch zum Nachdenken anregen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

19.00


Präsident Peter Mitterer: Als Nächsten darf ich Herrn Bundesrat Ing. Einwallner zum Rednerpult bitten.

 


19.00.19

Bundesrat Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Damen und Herren! Diese vorliegende Postgesetznovelle ist für uns Sozialdemokraten die Grundlage für den Ausverkauf der österreichischen Post. Mit dieser Novelle werden alle Grundlagen gelegt und alles vorbereitet, um die österreichische Post – übrigens das zweitgrößte Unternehmen Österreichs – zu privatisieren, und es sind alle Maßnahmen getroffen, dass es zum Börsegang kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man an die Börse geht, dann muss uns eines klar sein: Der Kostendruck auf das Unternehmen Post wird wesentlich höher werden, er wird steigen, und dieser gesteigerte Kostendruck wird dazu führen, dass weitere Postämter geschlossen werden. Experten denken, dass – und jetzt, Herr Kampl, genau aufpassen! – mit dieser Novelle bis zu 400 weitere Postämter geschlos­sen werden. Und das ist nicht in zehn oder 15 Jahren, sondern das steht uns in zwei Jahren ins Haus. So schaut es aus, und deswegen darf man diesem Gesetz nicht zustimmen! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

Die Vorarlberger Landesregierung hat auf die Grundversorgung hingewiesen, und zu Recht hingewiesen, und sie hat auch gesagt, dass sie diese gefährdet sieht. (Ruf bei der ÖVP: Mayer hat das gesagt! Wortwörtlich!) Kollege Mayer hat versucht, seinen


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Entschließungsantrag mit all seinen rhetorischen Fähigkeiten und Qualitäten hier heraußen so gut als möglich zu verkaufen (Bundesrat Ing. Kampl: Da stehen wir gemeinsam dahinter!), nur: Der Inhalt ist mager und mutlos. Und er ist typisch, dieser Inhalt, denn es wird nur das niedergeschrieben, was jetzt eigentlich schon gilt. Schauen wir uns doch an, wie sich der Herr Minister bisher für die österreichische Post und für die Postämter eingesetzt hat: Über 1 000 Postämterschließungen in ganz Österreich! So schaut es aus! (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Mayer, in Vorarlberg ist seit dem Jahre 2000 ein Drittel der Postämter geschlossen worden! Ein Drittel der Postämter geschlossen! Das kann nicht das Ziel sein, das wir für den ländlichen Raum anstreben. Wir brauchen diese Infrastrukturen im ländlichen Raum, und daher geht uns dieser Entschließungsantrag eindeutig zu wenig weit, und wir können ihn in dieser Form nicht unterstützen, weil er nur eine magere, schwache Forderung beinhaltet. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Eine nächste Frage: Wissen Sie eigentlich, wie viele Arbeitsplätze seit 2000 verloren gegangen sind bei der österreichischen Post? Über 8 000 Arbeitsplätze sind abgebaut worden, jede vierte Stelle gestrichen! Das kann nicht der Weg sein, den wir hier weiter gehen, da muss sich etwas ändern!

Und schauen wir uns an, wie viele Dividenden uns die österreichische Post gebracht hat, wie viel an Dividenden ausbezahlt wurde: Es wurden in den letzten fünf Jahren 515 Millionen € an Dividenden ausbezahlt. Und das ist der Punkt, meine Damen und Herren: Kein nur halbwegs vernünftiger Eigentümer würde sich von diesem sehr guten und positiven Dividendenbringer trennen – die österreichische Bundesregierung aber hat das offensichtlich vor. Das ist eben nicht das Interesse der österreichischen Bundesregierung. In erster Linie liegt ihr Interesse nämlich darin, die eigene Klientel zu bedienen, wie es schon bei anderen Privatisierungen geschehen ist und wie es offenbar auch hier geplant ist. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Für uns ist die Post nicht irgendein österreichisches Unternehmen. Die Post ist ein Unternehmen, das für die österreichische Bevölkerung, das für die österreichische Wirtschaft wichtig ist. Ich bin der Meinung, dass die Post ein wichtiges Unternehmen ist und eine sehr wichtige Funktion als Infrastrukturunternehmen hat, und zwar gerade im ländlichen Raum. Daher soll man sich mit der Post und mit der Privatisierung der Post nicht herumspielen, und ich hoffe, dass man sich den Börsegang noch überlegt und ihn nicht so vollzieht, wie er geplant ist.

Wir möchten mit unserem Einspruch den Regierungsparteien die Gelegenheit geben, diese Novelle nochmals zu überdenken, um Verbesserungen zum Nutzen der öster­reichischen Bevölkerung durchzuführen, statt weiter den Weg der schlechteren Versorgung der PostkundInnen und der Ausdünnung des ländlichen Raumes zu gehen. Aus diesem Grund erheben wir Einspruch. Wir werden dieses Gesetz beeinspruchen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.05


Präsident Peter Mitterer: Herr Bundesrat Schennach hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.05.39

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Allein die Ankündigung, dass die Opposition mit ihrer Mehrheit im Bundesrat einen Einspruch überlegt, hat zwei Monate Möglichkeit des Nachdenkens bewirkt. Fünf Minuten vor der Beschlussfassung im Nationalrat kam der Abänderungsantrag, den Beginn der Gültigkeit vom 1. Jänner


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auf 1. März zu verändern. Zwei Monate Chance! Allein diese Maßnahme hat mehr bewirkt als alle butterweichen Formulierungen, die in diesem Gesetz stehen. Das sind zwei Monate Zeit, nachzudenken, zu diskutieren, die Öffentlichkeit zu hören.

Es ist ja nahezu rührend, wenn Kollege Tiefnig und Kollege Kampl Kollegen Mayer für den Antrag danken, in dem steht: Der Minister möge wie bisher – das klingt so, wie wenn ein Schaf dem Wolf dafür dankt, dass es ihn noch verdauen lässt, bevor er es frisst. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Damit war jetzt niemand persönlich gemeint, es war ja nur ein Vergleich, aber all das hätten die zuständigen Minister machen können. Kollege Kampl! Die EU zwingt zu nichts. Die EU zwingt uns nicht, es zwingt die nächste Nationalratswahl, sodass die Regierung diese Liberalisierung auf Biegen und Brechen durchziehen will, aber mitnichten die EU.

Kollege Himmer, zu dieser Kitschpartie, die Sie heute hier schon mehrmals aufge­zogen haben – sind Sie für Planwirtschaft oder Marktwirtschaft? –: Es geht hier nur um eines: Es geht um die notwendige Grundversorgung in Österreich, es geht um die notwendige Grundversorgung in allen Gebieten unserer Bundesländer, und es geht um die Qualitätssicherung – und nicht um Ihre Kitschroman-Geschichten Planwirtschaft oder Marktwirtschaft. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Würden wir heute keinen Einspruch beschließen, würde mit diesem Gesetz kein einziges Postamt in Österreich vor der Sperrung geschützt werden – und mit Ihrem Entschließungsantrag noch viel weniger, denn dies ist der Freibrief für die Minister aus dem blau-orangen Lager, so weiterzumachen wie bisher.

Aber, bitte, streuen Sie niemandem Sand in die Augen, Kollege Mayer! Wir haben uns den Entschließungsantrag nämlich wirklich angeschaut, um zu schauen, ob man dem zustimmen kann. Sie schreiben auf, was die Minister machen könnten – aber sie machen es nicht. Kollege Mainoni wie auch sein Chef Gorbach haben schon viel härtere Worte gesprochen: Da muss man verschärfen, haben sie gesagt.

Was ist denn hier passiert? – Es sind ausschließlich Scheinaktivitäten formuliert wor­den, und noch dazu hat man den wirkungslosen Text der Post-Universaldienst­verordnung ohne Verschärfung, wie sie die beiden Herren im Ministerium angekündigt haben, einfach übernommen. Das ist es! Und deshalb verdient dieses Gesetz zu Recht den Einspruch, meine Damen und Herren, im Sinne aller Gemeinden in allen Bundesländern.

Kollege Weiss! Hier können Sie nicht sagen, dass Sie keinen föderalen Anspruch in unserem Einspruch sehen. Er dient zum Schutze all jener, die bemüht sind, die Post in ihrer Substanz und ihrer Leistung für die Menschen auf dem Land zu erhalten. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.09


Präsident Peter Mitterer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Mag. Mainoni. – Bitte.

 


19.09.46

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Eduard Mainoni: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, einiges klarzustellen, was an den Aussagen der vorangegangenen Redner einfach nicht gestimmt hat.

Lassen Sie mich aber zuerst einmal den Grundgedanken dieser Novelle skizzieren, weil er schon den Weg zeigt.


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Wir, die Republik Österreich, vertreten durch den Finanzminister in diesem Fall, also ÖIAG/Finanzminister sind Eigentümer der Österreichischen Post AG. Und genau in diesem Geiste ist dieses Gesetz entstanden, und genau diesen Geist trägt es auch.

Ich darf Ihnen das auch erklären: Wir hatten tatsächlich die Problematik der Schließung von 350 Postämtern. Und wir haben wirklich versucht – ich kann es Ihnen schlüssig erläutern, rechtlich bis ins Detail, wenn Sie mir die Zeit geben –, uns wirklich bemüht, diese Schließungen zu verhindern.

Der Unterschied zwischen dem bestehenden und dem neuen Gesetz ist der, dass die Schließung von einzelnen Postämtern nach dem bestehenden Gesetz – auch jedes der 350 Postämter ist ein einzelnes Postamt – nicht möglich ist. Nach dem neuen Gesetz ist das möglich. Ich habe das ja in jedem Bundesland erlebt, auch in Kärnten, als die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu uns gekommen sind und das gesagt haben. Die sieben Petitionen haben wir bei Gott nicht auf die leichte Schulter genom­men. Wir haben gesehen, dass das gerade für die ländliche Infrastruktur extrem problematisch ist, aber es war nicht möglich. Ich kann Ihnen ganz genau erklären, warum das nicht möglich war.

Die Post ist als Aktiengesellschaft ein Privater. Man könnte jetzt sagen, die Öster­reichische Post AG ist ein unechter Privater, weil sie im Eigentum der Republik Österreich steht. Wir haben Expertisen von Fachleuten eingeholt, die uns gesagt haben: Nein, ihr könnt dabei überhaupt nichts machen. Die Post muss nach aktien­gesetzlichen Richtlinien agieren. Der Aufsichtsrat der Post ist die ÖIAG, das ist wieder eine private AG. Es gibt keine Möglichkeit, die Post zum Beispiel dazu zu zwingen, ein defizitäres Postamt offen zu halten. Das heißt, die Republik Österreich, vertreten durch die österreichische Bundesregierung, kann eine private AG nicht dazu zwingen, dass ein Postamt offen gehalten und somit Verlust erzeugt wird. Das war tatsächlich die Situation, vor der wir gestanden sind.

Und genau die Schließung der Postämter hat uns dazu bewogen, dieses Gesetz zu normieren und im Nationalrat zu beschließen. Ich darf noch dazusagen, dass gerade die Thematik des Konsumentenschutzes von Seiten der Arbeiterkammer eingeflossen ist, ein Bereich, der für uns sehr wichtig ist, ein Bereich, der meines Erachtens auch im bisherigen Gesetz zu wenig zutage getreten ist. Wir haben letztendlich auch etwas sehr Wichtiges gemacht – ich bitte, die Aufmerksamkeit auch darauf zu richten –: Wir haben gesagt, dass eine weitere Liberalisierung nicht vor dem 1. Jänner 2009 stattfin­den darf, nämlich dahin gehend, dass der reservierte Bereich der 50-Gramm-Briefe dann auch noch völlig den Privaten überlassen wird. Wir haben das deshalb gemacht, weil wir Eigentümer der Österreichischen Post AG sind und sagen: Wir werden doch nicht unser eigenes Unternehmen schwächen.

Ich nehme jetzt schon auch noch Stellung zur Thematik eines bevorstehenden Börsen­ganges: Bitte, erinnern Sie sich: Wir, das heißt der BZÖ-Teil der österreichischen Bundesregierung, waren da nicht initiativ. Dieses Thema ist nicht von uns gekommen. Ich sage aber gleich auch dazu, dass wir uns durch Streikdrohungen sicherlich nicht einschüchtern lassen, einen Weg zu gehen, den wir für sinnvoll erachten. Das möchte ich schon auch dazugesagt haben. (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich darf jetzt schon auch auf einige Details eingehen, weil ich hier doch auch Unmut höre. Von meinem Vorvorredner, Herrn Bundesrat Ing. Einwallner, ist es gerade so dargestellt worden, als würde die österreichische Bundesregierung Postämter schließen und als hätte die österreichische Bundes­regierung bereits 8 000 Mitarbeiter abgebaut. Ich darf Ihnen hier dazu Folgendes sagen: Wissen Sie, wer das war? – Die Österreichische Post AG! (Zwischenrufe bei


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der SPÖ.) – Ich habe Ihnen gerade erklärt, dass eine Einflussnahme der Bundes­regierung nicht möglich ist.

Ich darf Ihnen noch etwas sagen: Wissen Sie, wer der Generaldirektor der Öster­reichischen Post AG ist? (Bundesrat Gruber: Ja, Herr Wais!) – Der ehemalige Sekretär von Herrn Staribacher und ein bekennender Sozialdemokrat. – Also bitte, meine Damen und Herren, da wollen wir schon die Kirche im Dorf lassen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben versucht, diese Postämterschließungswelle zu verhindern. (Heftige Zwi­schen­rufe bei der SPÖ.) Es war nicht möglich. (Bundesrat Gruber: Bleiben wir doch bei der Wahrheit!) – Sie können sich sehr wohl daran erinnern! (Bundesrat Gruber: Das ist jetzt wirklich kindisch! – Präsident Mitterer gibt das Glockenzeichen.) Sie können jetzt versuchen, das Ganze ins Lächerliche zu ziehen, was Sie soeben hier probieren. Sie können es tatsächlich versuchen. – Mit dem neuen Gesetz gelingt es uns.

Jetzt komme ich auf das neue Gesetz zu sprechen. Wenn man es genau liest (anhal­tende Zwischenrufe bei der SPÖ – Präsident Mitterer gibt neuerlich das Glocken­zeichen) – und ich ersuche wirklich, den Gesetzestext zu lesen, zu lesen, worum es dabei geht –, stellt man fest: Es geht in Wirklichkeit um den § 4 Absatz 5, denn da ist normiert, wie eine Schließung in Zukunft überhaupt nur mehr erfolgen wird können. Aber diese Zitate aus dem Gesetz habe ich hier nicht gehört, die Normierung, wie sie tatsächlich stattfindet.

Sollte in Zukunft ein Postamt weiter nicht kostendeckend geführt werden können, wie es die Post behauptet – und das waren vor allem die Klagen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die gesagt haben: Wir glauben die Zahlen nicht, das stimmt so nicht, denn das gibt es nicht, dass da zwei Planposten sind, wir haben ja immer nur eine Person hier! Das gibt es ja nicht, wir geben Massensendungen auf, aber in der Auflistung ist überhaupt nie ausgeworfen, dass auch ein Umsatz über Massen­sendungen erfolgt! –, so haben wir genau diesem Umstand den Riegel vorgeschoben, indem wir sagen: Es wird ein unabhängiger Sachverständiger tatsächlich bekunden können, ob ein Postamt kostendeckend geführt wird oder nicht. Und bei der Mehrheit der Postämter – das darf ich Ihnen dazusagen – wird sich dann herausstellen, dass sie sehr wohl kostendeckend sind. Das ist die Realität! (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl und Beifall bei der ÖVP.)

Die Österreichische Post AG hat natürlich noch versucht, uns mit einem besonderen Trick, möchte ich direkt sagen, die mangelnde Kostendeckung zu erklären. Ich möchte Ihnen das auch nicht vorenthalten. Man hat gesagt: Der Beobachtungszeitraum ist von 1. Jänner bis 30. September. Ja, no na, warum? – Weil gerade das Weihnachts­geschäft das größte Geschäft der Postämter ist. – Das werden wir in Zukunft nicht mehr zulassen. Und deshalb ist das Gesetz so wichtig, und so werden wir in Zukunft verhindern können, dass Postämter geschlossen werden, und deshalb haben wir auch das Gesetz gemacht. Ich bitte Sie, das schon mit zu berücksichtigen. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Gruber: Der Eigen­tümer lässt sich auf der Nase herumtanzen!)

Ich darf schon auch auf Details eingehen, weil da ja wirklich Gräuel geschildert werden: Hausbrieffachanlagen, 30 000 € Strafe in Zukunft. – Gerade das nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man das Gesetz genau liest, erkennt man das. Sie gestatten, dass ich hier für all jene, welche es nicht gelesen haben, das erkläre.

Wir haben im § 29 Absatz 3 klipp und klar normiert: „Die Behörde kann Verpflichteten, welche die Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz verletzen, darauf hinweisen


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und ihnen auftragen, den gesetzmäßigen Zustand innerhalb ... angemessenen Frist herzustellen.“ (Rufe bei der SPÖ und den Grünen: Kann!)

Ich möchte jetzt keinen Freibrief, aber wenn binnen angemessener Frist die eine oder andere Hausbrieffachanlage nicht eingebaut ist, so kommt es nicht zu 30 000 € Strafe – das ist eine Maximalstrafe, welche die Österreichische Post AG zahlen muss, wenn sie irgendwelche schweren Vergehen begeht –, sondern dann wird eine Frist aufgetragen, und binnen dieser Frist kann dann von den Hauseigentümern jeweils die Hausbrieffachanlage umgestellt werden. Wir haben sogar dem Umstand, der uns jetzt vorgeworfen wird, Rechnung getragen.

Ich bitte, das Gesetz genau zu lesen, denn da steht alles drinnen, was das, was Sie uns hier vorwerfen, völlig entkräftet, meine Damen und Herren. (Beifall des Bun­desrates Ing. Kampl und Beifall bei der ÖVP.)

Es hat mich natürlich schon berührt, denn wir haben auch Gespräche geführt, weil wir natürlich bemüht waren, die Sozialdemokratische Partei zum Mitstimmen zu bewegen. Gerade auch den Konsumentenschutz und die Wünsche der Arbeiterkammer haben wir mit einfließen lassen. Die Gewerkschaft war über all das informiert. Wenn die Gewerkschaft leider Gottes glaubt, einen Vorwahlkampf führen zu müssen, kann ich nur sagen: Diese Streikdrohungen sind sehr bedauerlich. Wir halten von dem Ganzen überhaupt nichts. (Bundesrat Konecny: Die Postler halten von Ihnen nichts!) Wir bleiben in diesem Zusammenhang sachlich und ersuchen um Zustimmung zu diesem Gesetz, weil dieses Gesetz in Zukunft verhindern wird, dass weiterhin Postämter geschlossen werden, weil dieses Gesetz dafür sorgen wird, dass dem Konsumenten­schutz Rechnung getragen wird, und weil dieses Gesetz dafür sorgt, dass frühestens mit 1. Jänner 2009, aber wahrscheinlich später, eine weitere Liberalisierung möglich sein wird. (Bundesrat Reisenberger: Nicht mehr mit Ihnen!) – Danke schön. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl und Beifall bei der ÖVP.)

19.19


Präsident Peter Mitterer: Es gibt dazu keine weiteren Wortmeldungen.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein, das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mayer, Mitterer, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend kundenorientierte und flächendeckende Versor­gung mit Postdienstleistungen vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist nicht die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.


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19.20.2014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (8. Führerscheingesetz-Novelle) geändert wird (1073 d.B. und 1130 d.B. sowie 7399/BR d.B.)

 


Präsident Peter Mitterer: Wir kommen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Da der Bundesrat dem Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie zur Bericht­erstattung über den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates eine Frist bis 30. November 2005 gesetzt hat, ist diese Vorlage gemäß § 45 Abs. 3 auch ohne Vorliegen eines schriftlichen Ausschussberichtes in Verhandlung zu nehmen.

Wir gehen daher sofort in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Bundesrat Lindinger. Ich erteile ihm das Wort.

 


19.21.06

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Dies (der Redner hält einen Führerschein in die Höhe) soll in Zukunft ein Relikt sein, dies soll nicht mehr Gültigkeit haben und soll verändert werden. So ähnlich (der Redner hält eine Karte in Form und Größe einer Scheckkarte in die Höhe) soll dann der Führerschein aussehen. Allerdings geht mir eines beim neuen Führerschein ab, nämlich die EU-Konformität.

Das Anliegen, dass ein neuer Führerschein in Zukunft in Scheckkartenform ausge­geben wird, gibt es schon länger. Bereits am 24. November 1999 wurde von Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konecny in diesem Hause der Antrag gestellt, dass der Führerschein im Scheckkartenformat anzubieten ist.

Aber, geschätzte Damen und Herren, wie schon bei vielen anderen Gesetzen, gibt es auch bei diesem Führerscheingesetz etwas, was uns nicht gefällt. In der letzten Sitzung des Bundesrates konnte ich zu den Berichten des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes einen Debattenbeitrag bringen. In diesen Berichten wurden die Regierung und die Regierungsparteien kritisiert, dass die Gesetze zu rasch beschlossen werden. Weiters wurde auf die Unlesbarkeit der Gesetze hingewiesen. Und ich befürchte, dass beim Führerscheingesetz wieder Ähnliches geschieht, dass wieder die gleichen Fehler passieren. Ich sage das nicht, weil ich meine, dass der Verfassungsgerichtshof dieses Gesetz aufheben wird, sondern im Lichte der EU-Führerscheinrichtlinie, die noch nicht beschlossen ist, weshalb das Aussehen des EU-Führerscheines noch ungewiss ist.

Das bedeutet – wie auch immer die Abstimmung ausgehen wird; vielleicht mehrheitlich, das überlasse ich dem Gremium –, dass ein Führerschein kommen wird, der in Kürze wieder verändert werden muss. Das hat zur Folge, dass dann jene Führer­scheinbesitzer, die in der Zwischenzeit einen neuen Führerschein ausgestellt bekom­men, zusätzliche Kosten haben werden und wieder zur Kasse gebeten werden. Das ist schon eine Zumutung für die Führerscheinbesitzer, vor allem für die jungen Menschen, die das erste Mal mit 18 Jahren den Führerschein machen, denn der Führerschein soll in Zukunft zirka 1 500 € kosten, und zwar ein Führerschein, der nur eine Lenker­berechtigung für einen PKW beinhaltet. Das ist für einen jungen Menschen nicht leistbar. In anderen Ländern ist das wesentlich billiger. Vor kurzem war ich in den Vereinigten Staaten, und ich weiß, dass er dort eine zweistellige, ganz niedrige Zahl an Dollars kostet. Dort ist ein Führerschein sehr leicht und unbürokratisch zu erlangen.

Es wird wahrscheinlich so sein, dass in Zukunft junge Menschen nur mehr mit einem Zuschuss der Eltern den Führerschein werden machen können, etwa als Geschenk


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zum Abschluss der Lehre, zur Matura oder zum 18. Geburtstag, sofern es sich die Eltern überhaupt noch leisten können; aber in diesem Staate können sich auch die Eltern immer weniger leisten.

Durch die Auslagerung der behördlichen Aufgaben in die Fahrschulen kommt es meiner Meinung nach zu einem Interessenkonflikt, um nicht zu sagen, zur Befangen­heit, denn derjenige, der die Führerscheinkurse macht, stellt den Führerschein dann auch aus. Da könnte schon ein Interessenkonflikt entstehen.

Ebenfalls nicht geregelt ist in diesem Gesetz folgender Umstand: wenn der vorläufige Führerschein nach vier Wochen abläuft und der Scheckkartenführerschein noch nicht eingelangt ist. Der vorläufige Führerschein kann nämlich nicht verlängert werden.

Es konnte auch das Bundesministerium für Inneres keine positive Stellungnahme an das Verkehrsministerium abgeben. So heißt es in dieser Stellungnahme vom 23. August 2005 unter anderem:

„Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit in der vom BMVIT seit Jahren eingerichteten Arbeitsgruppe in keiner Phase eingebunden war und daher die inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Entwürfe hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe nicht überprüft werden kann.“

Des Weiteren schreibt das Bundesministerium für Inneres im zweiten Absatz:

„... Daran vermag auch die Schaffung eines Helpdesk nichts zu ändern, zumal das historische Wissen und die jahrzehntelangen Erfahrungen bei den Behörden liegen.“ 

Im nächsten Satz heißt es, dass die prognostizierte Belastung nicht objektiv beurteilt werden kann.

Es wird in dieser Stellungnahme weiters geschrieben:

„Aus Sicht des Bundesministeriums für Inneres fehlen für eine Beurteilung, ob die Bedeckung der Kosten im Zuge der Neugestaltung des FS-Erteilungsverfahrens gegeben ist, wesentliche Zahlen und Berechnungsgrundlagen.“

Weiter unten heißt es dann:

„Die beigefügten Unterlagen (Entwürfe) entsprechen daher hinsichtlich der Darstellung der finanziellen Auswirkungen neuer rechtsetzender Maßnahmen nicht den Vorgaben“ des Bundesministeriums für Finanzen.

Es gibt also eine Reihe von negativen Stellungnahmen.

Ich zitiere weiter:

„Ferner führt diese Regelung dazu, dass jene, die ohne Inanspruchnahme einer Fahr­schule ihre Ausbildung absolvieren wollen, ..., nunmehr eine Fahrschule zwingend aufsuchen müssen.“

Das bedeutet, dass jener Führerschein, der kostengünstig erworben werden konnte, in Zukunft nicht mehr möglich ist. – So geht das weiter und weiter.

In der Stellungnahme wird weiters Folgendes ausgeführt:

„Weiters erscheint es mehr als problematisch, aufgrund eines Sachverständigen­gutachtens die Erteilung der Lenkerberechtigung zu fingieren, obwohl der Behörde die Möglichkeit genommen ist, das Gutachten ... auf dessen Schlüssigkeit zu überprüfen. Enthält z.B. der im Zuge der Prüfungsfahrt aufgenommene Befund so gravierende Fehler, dass von einer fachlichen Befähigung nicht gesprochen werden kann, erachtete aber der Sachverständige diese dennoch als gegeben, so würde dies zu einer


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Erteilung der Lenkerberechtigung führen, obwohl diese nicht vom behördlichen Willen erfasst wäre.

Um all diesen Problemen aus dem Weg zu gehen, wäre es kostengünstiger und aus verwaltungsökonomischen Gründen geboten, die Bestimmungen über den vorläufigen Führerschein entfallen zu lassen und nach bestandener Prüfung sofort die Herstellung des Scheckkartenführerscheines zu veranlassen.“

Es gibt noch eine Reihe von Einwendungen des Ministeriums für Inneres, ich will die ganze Fülle hier gar nicht anführen.

Aber eines fehlt mir bei diesem Führerscheingesetz, und zwar müsste es doch eine Aktualisierung geben: Führerscheine bis 130 km/h, Führerscheine bis 160 km/h, zum Fahren auf Teststrecken geeignet. Das wäre doch eine Anregung, die bei der nächsten Novelle eingebracht werden könnte. (Bundesrat Konecny: Fahren auf Teststrecken ohne Führerschein!)

Geschätzte Damen und Herren! Die Führerscheinvergabe auslagern ist so ähnlich, als würde man den Krankenhäusern die Ausstellung von Geburtsurkunden übertragen oder als würde man Gerichtsverfahren auslagern und Rechtsanwälte bitten, die Auf­gaben der Gerichte zu übernehmen. Hier werden wesentliche behördliche Aufgaben in private Hände ausgelagert.

Geschätzte Damen und Herren! Wir werden diesen Gesetzesvorschlag ablehnen wegen fehlender EU-Konformität, Kostenerhöhung, Rechtsunsicherheiten in verschie­denen Bereichen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich stelle daher hier den Antrag, der schriftlich vorliegt, auf Übergang zur Tages­ordnung, der hier auch zur Abstimmung kommen wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.31


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Professor Albrecht Konecny und Stefan Schennach eingebrachte Antrag auf Übergang zur Tagesordnung ist genügend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Baier.

 


19.31.19

Bundesrat Mag. Bernhard Baier (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Lieber Kollege Lindinger, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Das letzte Beispiel mit den Krankenhäusern erheitert mich vor allem deswegen, weil so vieles, was du gebracht hast, nicht richtig ist. Als junger Vater weiß ich, dass die Geburtsurkunden nicht vom Krankenhaus ausgestellt werden. Vielleicht war das in den sechziger Jahren einmal so. (Bundesrat Konecny: Nein, Sie haben das nicht verstanden! Das war ein ironisches Beispiel! Mehr Humor, bitte, Herr Kollege!)

Also, ich bitte Sie, Herr Kollege Konecny! Ich weiß ja, dass Sie im Ausreden immer besonders kreativ sind. Aber in diesem Falle gelingt es Ihnen einmal nicht. (Bundesrat Konecny: Sie haben ihm nicht zugehört!) Er hat das so gesagt. Wenn nicht, dann kann er es ja tatsächlich berichtigen. (Bundesrat Konecny: Das ist eine gute Idee!) Ich glaube nicht, dass Sie der Sachwalter des Kollegen Lindinger sind. Er hat gesagt, das wäre so, als würden in Zukunft die Krankenhäuser nicht mehr die Geburtsurkunden ausstellen. (Bundesrat Konecny: Nein! Gut, dann gibt es eine tatsächliche Berichti­gung!)

Tatsächlich ist es so – aber darum geht es jetzt ohnehin nicht –, dass das die Gemeinden tun. Als junger Vater ist es mir ein Anliegen, dies auch klar und deutlich darzulegen.


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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ziele der Gesetzesvorlage sind klar: die Verein­fachung im Führerscheinerteilungsverfahren, eine Entbürokratisierung und die Einfüh­rung des Scheckkartenführerscheines.

Ich habe als Vertreter der jungen Generation und der jungen Menschen in diesem Lande ein paar wesentliche Punkte aus dieser Führerscheingesetz-Novelle herausge­griffen und darf sagen: Natürlich bringt sie Vorteile und Erleichterungen, und zwar gerade im Bereich der Führerscheinerteilungsverfahren. Denken Sie nur an die Aufhe­bung der derzeitigen Zuständigkeitsregelung, daran, dass hinkünftig nicht mehr der Wohnort zuständig ist, sondern die Führerscheinerteilung am Sitz der Fahrschule zu geschehen hat. Das ist für all jene sehr wichtig, die außerhalb ihres Wohnortes die Führerscheinprüfung absolvieren, weil sie entweder in einem anderen Bezirk zur Schule gehen oder weil sie in einem Internat sind oder weil sie im Grenzbereich wohnhaft sind und in einen anderen Bezirk auspendeln oder welche Dinge auch immer da eine Rolle spielen. Da sind nun wesentliche Vereinfachungen vorgesehen. Bisher gab es da große Schwierigkeiten, man musste da eine Art Ausnahmeregelung bekom­men. Die bisherige Zuständigkeitsregelung wird jetzt gänzlich aufgehoben.

Was die Ausstellung eines vorläufigen Führerscheines sofort nach bestandener Fahr­prüfung betrifft, gibt es jetzt auch wesentliche Vorteile. Sofort nach bestandener Fahrprüfung gibt es für das junge Mädel oder den jungen Burschen die Möglichkeit, zur Lenkerberechtigung zu kommen und damit ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Damit im Zusammenhang steht die Realisierung des One-Stop-Shop-Prinzips. Das heißt, dass es in Zukunft nur mehr eine Anlaufstelle geben wird, und das wird die Fahrschule sein. Das ist Ausdruck von moderner Verwaltung und von Entbüro­kratisierung, und das wird daher von meiner Fraktion gerne unterstützt.

Ich stelle daher den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz geändert wird, keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

19.35


Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Mag. Bernhard Baier, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Lindinger das Wort.

 


19.35.57

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Also das kann ich so nicht im Raum stehen lassen, denn als Bürgermeister weiß ich sehr wohl, wer Geburts­urkunden ausstellt, wo sie ausgestellt werden.

Ich habe in diesem meinem Beispiel darauf verwiesen, Kollege Baier, dass das jetzt, wenn das in die Fahrschulen ausgelagert wird, so ähnlich ist, als würden in Zukunft die Krankenhäuser die Geburtsurkunde ausstellen oder als würde man Gerichtsverfahren den Rechtsanwälten überlassen.

Dein Beispiel möchte ich damit korrigieren. Du hast das falsch verstanden. Bitte, lieber Kollege Baier, horch in Zukunft genau zu, dann wirst du es auch verstehen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

19.36


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr das Wort.

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 164

19.37.00

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Der Scheckkartenführerschein ist sicherlich praktisch für die Brieftasche, kein Zweifel. Die Mehrkosten von 9 € sind auch okay, darüber kann man reden. Das Problem dabei ist aber folgendes: Wenn man diesen Scheckkarten­führerschein jetzt ändern würde oder wollte oder sollte oder könnte – weil wir diese Ausdrücke momentan so intensiv gebrauchen –, dann muss man sich einen neuen organisieren, und das kostet wieder Geld. Das macht meiner Meinung nach die Kosten aus, die sich wirklich zu Buche schlagen. Das heißt, bei jeder Änderung brauche ich eine Neuausstellung, denn die Scheckkarte kann man nicht korrigieren, wie Nach­namen ändern oder dergleichen mehr.

Das Problem ist auch, wie wir schon gehört haben, dass die ganze Führer­schein­erstellung in eine Fremdfirma ausgelagert wird. Bisher ist man zur BH gegan­gen. Ich war das letzte Mal, als ich einen neuen habe machen lassen müssen, ganz überrascht darüber, dass ich ihn sofort bekommen habe. Das war super, das war toll: Ich habe in einer Viertelstunde meinen neuen Führerschein erhalten. Jetzt werde ich zur BH gehen müssen, die BH wird ein Brieferl schreiben, und wenn ich Glück habe, bekomme ich zwei, drei Wochen später einen neuen Führerschein. Das ist wahrscheinlich dann unangenehm, wenn er mir zum Beispiel gestohlen wurde.

Wenn ich an die e-card denke, die ja auch die Form einer Scheckkarte hat, so muss ich sagen: Meine persönliche Erfahrung damit war nicht unbedingt die beste. Ich habe drei verschiedene e-cards an drei verschiedene Adressen zugeschickt bekommen. Ich hoffe, dass das dann beim Führerschein nicht passiert.

Insgesamt wäre also zu sagen: Was die Auslagerung der Führerscheinerteilung betrifft, bestehen große Bedenken. Er ist auch besonders unpraktisch, wenn eine Änderung notwendig wird.

Ein weiteres Problem ist, dass die EU-Führerschein-Richtlinie noch nicht fertiggestellt ist. Man sollte daher warten, bis diese Richtlinie vorliegt, damit man weiß, wie der Führerschein ausschauen soll, denn sonst haben wir vielleicht nächstes Jahr das Problem, das wir wieder einen neuen Führerschein brauchen, und das wäre nicht wirklich sinnvoll.

Ein weiteres Problem stellt die Motorradausbildung mit 16 Jahren dar. Es wäre besser, wenn die Jungs und Mädels das gleichzeitig mit dem Autoführerschein angehen könnten. Es macht keinen Sinn, dass jemand, der die Ausbildung für seinen Motor­radführerschein schon mit 16 Jahren gemacht hat und erst mit 18 Jahren auf ein Motorrad steigt, mit dem Fahren beginnt, ohne inzwischen geübt zu haben. Es kann aber auch nicht Sinn und Zweck der Sache sein, dass sie gegen das Gesetz verstoßen und schon früher mit dem Motorrad fahren, damit sie Übung bekommen. Also zwei Jahre nach der Prüfung zuzuwarten, bis man dann wirklich mit der „Maschin“ fahren kann, finde ich eher bedenklich, denn da hat man keine Übung im Fahren. Ich habe prinzipiell nichts gegen Motorradfahrer, aber ich denke, dass es gerade in diesem Bereich sehr wichtig wäre, mehr auf Sicherheit zu bauen, vor allem bei den doch jüngeren Motorradfahrern.

Der nächste Kritikpunkt ist, dass eine Aufgabe der Behörde – Führerscheinausstellen ist an und für sich eine Aufgabe der Behörde – an die Fahrschulen ausgelagert wird. Das spart möglicherweise Verwaltungskosten, obwohl selbst das aus der Vorlage nicht ganz klar hervorgeht, denn es fallen ja auch wieder zusätzliche Kosten durch diese Führer­scheingesetzänderung an. Aber an und für sich würde eine solche Aufgaben­übertragung sehr großes Vertrauen voraussetzen, und ich weiß nicht, ob dieses


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Vertrauen dann auch einer Kontrolle unterzogen wird oder ob es nicht vielleicht doch manchmal blindes Vertrauen sein könnte.

In den parlamentarischen Materialien gibt es eine interessante Erläuterung zu Abs. 5: „Aus grundlegender verfassungsrechtlicher Sicht ist die Erteilung einer Lenk­berech­tigung ein hoheitlicher Akt, der zumindest irgendeine Form von behördlicher Mitwirkung bedarf. Mit der Regelung des § 13 wird diese behördliche Mitwirkung fingiert.“

Wenn ich das Wort „fingiert“ in einer Gesetzesvorlage beziehungsweise in einer Beschreibung einer Gesetzesvorlage lese, so finde ich das schon sehr beunruhigend. „Fingieren“ sollte die gesetzgebende Kammer meiner Meinung nach wirklich nichts. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich habe mir auch noch diesen Paragraph 13 angeschaut – zufälligerweise heute noch einmal, weil ich wissen wollte, was denn da so fingiert ist –, und ich muss sagen: In diesem Paragraphen 13 findet sich auch eine interessante Formulierung. Vielleicht können Sie mir da weiterhelfen, Herr Staatssekretär. Was bedeutet es, wenn da steht: „Sobald der Führerscheinwerber sämtliche auf dem Kostenblatt angeführten Gebühren ordnungsgemäß entrichtet hat, hat die Behörde die Herstellung eines Führerscheines zu veranlassen.“? – Das ist offenbar die Fingierung.

Im Satz danach heißt es: „Gegen Bezahlung der zusätzlichen Kosten kann eine bevorzugte Produktion des Führerscheines veranlasst werden.“ – Heißt das, das ist dann mehr oder weniger so wie beim Wunschkennzeichen? Wenn ich ein bisschen mehr zahle, bekomme ich den Führerschein schneller, und wenn ich nicht so viel einzahle, dann bekomme ich ihn langsamer? Wie lange warte ich dann: vier, fünf Wochen? Ich bitte um Aufklärung, was dieser Satz bedeutet, denn ich finde ihn eher beunruhigend; wie so einiges in diesem Gesetz.

Dass bei diesem One-Stop-Shop alles über die Fahrschule läuft, steigert mein Ver­trauen in das Gesetz nicht wirklich.

Ich würde Sie, wie gesagt, bitten, mir die Erklärung dieses „Wunschführerscheins“ noch nachzuliefern. Die angeführten Punkte reichen, glaube ich, aus, um zu begrün­den, dass wir dieses Gesetz ablehnen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

19.43


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


19.43.21

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist Herr Bundesrat Lindinger nicht mehr da, aber das Exemplar ... (Rufe bei der SPÖ: Er kommt wieder!) Er kommt wieder, gut, aber Sie könnten es ihm auch ausrichten. Ich hätte das Exemplar, das er uns hier gezeigt hat, dieses vergilbte, verwitterte altrosa Exemplar, nicht hergezeigt, und zwar aus dem schlichten und einfachen Grund: Das zeigt, wie „modern“ die linke Hälfte ist. Ich finde, dass dieser Führerschein im wahrsten Sinne des Wortes in ein Heimatmuseum gehört und nicht hier hergezeigt werden sollte. Wer nur ein bisschen modern ist, muss schon sagen, dass die Einführung eines Führerscheines in Scheckkartenformat sicher eine moderne Leistung ist.

Außerdem soll dieser Führerschein – das wurde bereits betont – in Hinkunft den EU-Richtlinien entsprechen.

Kollege Baier hat schon einige Ziele dieser Reform erwähnt. Ich möchte darauf hinweisen, dass es jetzt möglich ist, die unterschiedlichen EDV-Datenbanken zu einem


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einheitlichen System zusammenzuführen. Bei 8,2 Millionen Einwohnern ist es ja nicht unbedingt notwendig, dass jeder seinen eigenen Schrebergarten weiterpflegt.

Weitere Vorteile sind zweifelsohne, dass eine einheitliche Endabrechnung der Verfah­renskosten stattfinden kann und ein einheitliches Verfahren mit Hilfe verstärkter IT-Unterstützung geschaffen wird. Auch das ist hoffentlich ein moderner Schritt nicht nur für die rechte Seite dieses Hauses, wie es immer wieder heißt, sondern, wie ich hoffe, auch für die linke Seite dieses Hauses, denn sollte sie einmal an die Regierung kommen, wird sie wahrscheinlich doch gewisse moderne Systeme benützen müssen.

Da heute schon ein paar Mal die Parlamentskorrespondenz erwähnt worden ist, habe ich mir auch etwas kommen lassen, und zwar die Aussendung Nummer PK0793 vom 19. Oktober 2005. In dieser Aussendung der Parlamentskorrespondenz steht unter anderem, dass die sozialdemokratische Abgeordnete des Nationalrates Binder-Maier die Eckpunkte dieser Novelle sehr wohl begrüßt. Daher frage ich mich, warum man sich jetzt auf der Seite der Linken mit dem Führerschein so wortreich auseinander setzt und meint, das sei etwas, was zu verteufeln ist.

Der langen Rede kurzer Sinn: Der Informationsverbund ist auf jeden Fall ein großer Fortschritt, denn wenn man den so genannten Vormerk-Führerschein im weitesten Sinne einführt, dann muss auch ein Verbund gegeben sein.

Das Zweite: Wenn es diesen Führerschein in Scheckkartenformat erst einmal gibt, wird es mittelfristig für den österreichischen Steuerzahler auch zu einer Kostenreduktion kommen, was ebenfalls eine erfreuliche Sache daran ist.

Daher verstehe ich im Endeffekt nicht, warum Sie das Gesetz beeinspruchen, aber es ist eben so. Sie wollen zeigen, dass es hier neue Mehrheiten gibt, gehen dabei aber von verschiedenen guten Usancen ab. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Kampl.)

19.47


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Mag. Mainoni das Wort. – Bitte.

 


19.47.12

Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Eduard Mainoni: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst ganz kurz Stellung nehmen zu dem Thema „fingiert“. Bisher war es so, dass von der Behörde der Führerschein auf Grund eines mündlichen Bescheides bei der Führerscheinabholung verliehen wurde. Man hat die Prüfung abgelegt, und vom Zeitpunkt der Ablegung der Prüfung bis zu dem Tag, an dem der Führerschein tatsächlich ausgestellt wurde, war es ein mündlicher Bescheid, der ein Provisorium ermöglicht hat. Jetzt wird mit der Ablegung der Prüfung – und das will man mit diesem Terminus zum Ausdruck bringen – fingiert, als ob der Führerschein bereits da wäre.

Ich bitte, sich vor diesem Begriff nicht zu fürchten. Diese Fingierung ist nichts anderes als eine fiktive Position, die eingenommen wird. Sie können für sich persönlich diesen Ausdruck aber auch gerne ersetzen.

Zur bevorzugten Produktion. Hier kann der Kandidat wählen. Wenn er den Führer­schein express zugestellt haben will, dann beantragt er die bevorzugte Ausstellung nach § 13 Abs. 4, wenn nicht, die Behandlung nach der normalen Antragseinlangung. Da geht es um Ausnahmefälle. Sollte der eine oder andere seinen Führerschein wirklich express haben wollen, hat er selbst da noch die Möglichkeit, ihn im bevor­zugten Wege zu erhalten.


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Das ist, wie viele andere Punkte, ein erfreulicher Aspekt für den Führerscheinwerber und für diejenige Person, die letztendlich den Führerschein erhalten soll.

Erstens ist damit das One-Stop-Shop-Prinzip verwirklicht. Ich denke, das ist einfach eine moderne Art und Weise, wie man heute mit Bürgerinnen und Bürgern in einem hoheitlichen Verfahren umzugehen hat.

Zweitens ist es ein Scheckkartenformat; wir haben ja selbst gehört, dass es bereits seit über zehn Jahren diese Diskussion gibt. 16 EU-Mitgliedstaaten haben bereits diesen Scheckkartenführerschein. Bei uns weiterhin abzuwarten und dieses rosa Relikt aufrechtzuerhalten, wäre sicherlich nicht sinnvoll.

Ich gehe schon davon aus – weil auch darüber diskutiert wurde –: Der Führerschein müsste, was zum Beispiel das Lichtbild betrifft, um gesetzeskonform zu bleiben, jederzeit auf den aktuellen Stand gebracht werden, es ist nur in der Praxis so, dass man in aller Regel den Führerschein, den man in der Jugend ausgestellt bekommen hat, einfach ein Leben lang behält, und auch die Behörde, die das überprüft, sagt: Ja, ist in Ordnung, die „Grundzüge“ der Person sind zu erkennen. Normalerweise müsste man den Führerschein regelmäßig aktualisieren. Gott sei Dank ist das bei diesem Scheckkartenformat so nicht mehr notwendig.

Letztendlich dient die 8. Führerscheingesetz-Novelle der Entbürokratisierung. Es ist richtig, dass die Fahrschulen nunmehr die Ansprechpartner sind, ich darf aber auf Folgendes verweisen: Die Fahrschulen nehmen nur die Anträge entgegen, sind jedoch weder eine Prüf- noch Ausstellungsbehörde, sondern sie nehmen, wie gesagt, Anträge lediglich entgegen, sodass die Bürgerinnen und Bürger diesbezüglich nur mehr einen Ansprechpartner haben.

Letztendlich ist diese vorliegende Novelle ein modernes Gesetz, das einer modernen Verwaltung Rechnung trägt. – Danke vielmals. (Beifall des Bundesrates Ing. Kampl sowie Beifall bei der ÖVP.)

19.50


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Stefan Sche­nnach vor, hinsichtlich des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates gemäß § 51 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung zur Tagesordnung überzugehen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Mag. Baier, Kolleginnen und Kollegen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

19.51.34 15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden (685/A und 1154 d.B. sowie 7418/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 168

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Einwallner. Ich bitte ihn um seinen Bericht.

 


19.51.53

Berichterstatter Ing. Reinhold Einwallner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung.

Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2005 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fremdenpolizei­gesetz 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das Ausländerbeschäfti­gungsgesetz geändert werden – mit der beigegebenen Begründung –, Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

 


19.52.59

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schennach, ich möchte hier festhalten: Der Ordnungsruf aus Ihrer eigenen Fraktion war höchst angebracht und höchst an der Zeit; ich möchte das ausdrücklich unterstützen.

Im Sommer dieses Jahres wurde das Fremdenrechtspaket 2005 beschlossen, und wie Sie wissen, beinhaltet dieses ein neues Asylgesetz, ein neues Fremdenpolizeigesetz sowie ein neues Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. (Bundesrat Konecny: Das war so gut, dass wir es gleich novellieren müssen!) – Herr Kollege, Sie haben damals mitgestimmt! Ich darf Ihnen dazu gratulieren und sagen: Damals hatten Sie noch einen gewissen Weitblick, inzwischen ist Ihnen dieser allerdings abhanden gekommen; das möchte ich mit aller Deutlichkeit betonen, Herr Professor Konecny! (Beifall bei der ÖVP.) Der zärtliche Applaus meiner Fraktion möge Sie wieder auf den richtigen Weg zurückbringen, Herr Professor! (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Das ist die Handschlagqualität Ihrer Bundesregierung!)

Mit diesem Paket wurden drei Ziele verfolgt, die ich jetzt nochmals anführen werde, um Ihnen das in Erinnerung zu bringen (Bundesrat Konecny: Das wissen wir so gut wie Sie, aber wir halten uns ...!): möglichst menschliche Rahmenbedingungen für Fremde und Asylsuchende. – Das werden Sie doch nicht dementieren – oder? (Bundesrat Gruber: Das ist sehr weit hergeholt!) – Ja, für Sie wahrscheinlich, Herr Kollege Gruber, weil Sie nicht à jour sind! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Weiteres Ziel des Fremdenrechtspaketes 2005: möglichst hohe Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger gegen den Missbrauch des Fremden- und Asylrechtes; auch so genannte Wirtschaftsflüchtlinge waren da mit inkludiert, ebenso Schlepper und Kriminelle.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 169

Zusätzlich werden klare Regelungen für Fremde geschaffen, unter welchen Voraus­setzungen sie zum Aufenthalt beziehungsweise zur Niederlassung in Österreich berechtigt sind.

Fremden wird durch die erweiterte Integrationsvereinbarung eine Hilfestellung ange­boten. Damit wird den betroffenen Personen ermöglicht, sich rasch in das gesell­schaftliche Leben zu integrieren. – So weit, so gut; das waren also die Beschlüsse vom Sommer.

Es gibt bei diesem Gesetz auch einige notwendige Adaptierungen, und ich darf des­halb sozusagen gleich zur Sache kommen: Es geht um die Erntehelfer und um die so genannten Saisonniers. Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass den Bedürfnissen der Landwirte und des Tourismus Rechnung getragen wird. (Bundesrat Todt: Genau darum geht es!) – Genau darum geht es: um Tourismus sowie um die Landwirtschaft! (Bundesrat Todt: Jetzt ist es ja da!) – Das steht im Gesetz, lieber Kollege! Ich darf Ihnen empfehlen, vielleicht doch einmal den Gesetzestext zu lesen, dann kommen wir sozusagen auf gleiche Ebene! Danke dafür.

Für diesen Bereich – wer die Arbeit eines Landwirtes kennt, weiß da Bescheid – geht es daher darum, rasch und unbürokratisch Erntehelfer zur Verfügung stellen bezie­hungsweise Erntehelfer einstellen zu können.

Keine Regelung in diesem Bereich würde auf Grund EU-rechtlicher Bestimmungen bedeuten, dass Erntehelfer und Saisonniers nur mit Visum nach Österreich kommen könnten; auch wenn diese Personen zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt wären. Dies ist vor allem auf Grund der langen Vorlaufzeit zur Erlangung eines Visums im Bereich der Erntehelfer und Saisonarbeiter nicht gewollt – und das würde in der Praxis zu Komplikationen führen. (Bundesrat Gruber: Mit Geld bekommt man Visa!)

Auch sollte man bedenken, Herr Kollege Gruber, dass Erntehelfer teilweise auch nur tageweise nach Österreich kommen. (Bundesrat Gruber: Ist ja nur eine Frage des Geldes!) – Im Gasteinertal brauchen Sie natürlich keine Erntehelfer, aber es gibt auch andere Regionen in Österreich, solche, die sehr wohl auf Erntehelfer angewiesen sind! (Bundesrat Gruber: Ist ja nur eine Frage des Geldes, ob man ein Visum kriegt!)

Da es sich bei dieser Regelung sozusagen um sichtvermerksfreie Staatsangehörige handelt, sind de facto allein Rumänen, Bulgaren und Kroaten davon betroffen. Dazu ist ergänzend hinzuzufügen, dass die fremdenpolizeiliche Beurteilung ab einem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens ohnehin wegfallen würde.

Durch diese Änderung soll nun ein Verfahren geschaffen werden, mit dem sicher­gestellt wird, dass Erntehelfer und Saisonarbeiter rechtzeitig zur Verfügung stehen. Die Zahl der auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zugelassenen Erntehelfer bezie­hungsweise Saisonarbeiter wird durch diese Neuregelung nicht berührt, weil die Zahlen per Quote durch Verordnung des Arbeitsministers auf der Grundlage der in der Niederlassungsverordnung festgelegten Höchstzahlen für Erntehelfer und Saison­arbeitskräfte festgelegt sind.

Anstatt der Beantragung eines Visums im Ausland, dessen Erlangung mitunter wochen­lang dauern kann – das ist das Problem, denn die Ernte wäre dann in der Zwischenzeit längst verdorben; das wollen wir doch alle nicht, wir alle wollen frische Erdbeeren, Gurken, Früchte et cetera –, muss jetzt nur eine Unbedenklichkeits­bescheinigung durch den Arbeitgeber eingeholt werden, die Voraussetzung für eine arbeitsrechtliche Genehmigung ist.

Im Wesentlichen bedeutet diese Regelung eine Verwaltungsvereinfachung im Hinblick auf ein rasches Verfahren – und das bei gleichzeitiger Gewährleistung eines Höchst­maßes an Sicherheit.


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 170

Ich komme nun zum nächsten Punkt, zur Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung für kurzfristig Selbständige. Ziel dieser Bestimmung ist die Ermöglichung eines befristeten Aufenthaltes, also länger als sechs Monate, und zwar zur Erfüllung eines Werk­vertrages. Der Aufenthaltstitel wird jedoch nur bis zu einer Maximaldauer von zwölf Monaten ausgestellt – und dieser berechtigt nicht zur Niederlassung. Es geht hier also ausdrücklich um die Erfüllung eines Werkvertrages. (Bundesrat Konecny: Schon einmal etwas von Scheinselbständigkeit gehört?) – Herr Professor, ich werde dann noch darauf zu sprechen kommen. (Bundesrat Konecny: Das beruhigt mich aber sehr!) – Gut, wenn Sie beruhigt sind, aber dann seien Sie bitte ruhig!

Weiters sind von dieser Regelung nicht Personen aus EU-Staaten betroffen, wenn das Tätigkeiten umfasst, die der Gewerbeordnung unterliegen. Das heißt, der Fliesenleger oder Maurer aus einem Drittstaat wird auch in Zukunft nicht als Selbständiger in Österreich tätig werden können! (Bundesrat Gruber: Russischer Schilehrer!) Das ist ein Faktum, Herr Kollege! (Bundesrat Gruber: Russische Schilehrer brauchen wir!) Russische Skilehrer? Die sprechen alle sehr gut deutsch, die werden wir demnächst brauchen; ganz klar!

Käme es zu einer rechtlichen Anpassung in diesem Bereich, müssten alle Werk­verträge durch das AMS geprüft werden, und dies hätte neben einem erhöhten Verwaltungsaufwand folgende zwei große Nachteile:

Erstens: In eindeutigen Fällen der Versagung des Aufenthaltstitels wäre eine nach­prüfende Kontrolle des AMS kontraproduktiv, da ja ohnehin die fremdenrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind – und sich daher eine arbeitsrechtliche Über­prüfung erübrigt.

Ebenfalls zeigt die Praxis, dass in einigen Fällen gänzlich gleich gelagerte Vertrags­konstruktionen anzutreffen sind. Dabei ist eine Befassung des AMS nur in den ersten Fällen erforderlich. Nachfolgende gleiche Fälle wären ein zusätzlicher Verwaltungsauf­wand, wobei Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis zueinander stünden.

Daher wird das Arbeitsmarktservice von der Niederlassungsbehörde nur in begrün­deten Zweifelsfällen befasst werden, ob es sich um das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit handelt oder nicht. Das AMS stellt anhand der Anträge fest, ob es sich im konkreten Fall wirklich um eine selbständige Tätigkeit handelt.

Zweitens. Durch dieses Prozedere kommt es weiter nicht zu einer routinemäßigen Befassung des AMS, sondern die Fremdenbehörde nimmt auf Grund ihrer jahrelangen praktischen Erfahrung eine Erstbewertung vor und filtert Zweifelsfälle aus. Das heißt, dass die Niederlassungsbehörde in negativen Fällen ohne vorherige Befassung des AMS die Aufenthaltsbewilligung verweigern kann.

Abschließend ist zu dieser Thematik jedoch noch zu sagen, dass neben der Kontrolle der Werkverträge im Vorfeld die De-facto-Überprüfung durch die KIAB, die Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung, gegeben ist, nämlich die Überprüfung der tat­sächlichen Tätigkeit, denn auf Grund des Werkvertrages ist ja nur eine Beurteilung anhand der vorliegenden Unterlagen möglich. Die KIAB hat jedoch die Möglichkeit, die Selbständigkeit beziehungsweise eine Scheinselbständigkeit in der Praxis auch zu beurteilen. Dies kann als wesentliche Abrundung der vorliegenden Regelung gewertet werden.

Wir werden deshalb selbstverständlich diesen wichtigen Regelungen und Ergänzungen im Rahmen des Asyl-, Fremdenpolizei-, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes unsere Zustimmung erteilen. (Bundesrat Gruber: Daran haben wir nicht gezweifelt! – Bundesrat Konecny: Sie folgen immer blindlings!) Und ich möchte Sie ersuchen, nach


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Prüfung und nach den Informationen durch mich dies auch zu tun. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.01


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Neu­wirth. – Bitte.

 


20.01.45

Bundesrätin Mag. Susanne Neuwirth (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die hier geplante stärkere Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Saisonarbeitskräfte und Schein­selbständige – und darum handelt es sich – wird nach Schätzung der Arbeiterkammer zu einem zusätzlichen Andrang von 20 000 Arbeitskräften führen. Die Winterarbeits­losigkeit geht damit in Richtung 400 000 Menschen in Österreich, und das ist ein absoluter Rekord.

Binnen weniger Jahre hat diese Regierung die Saisonquote praktisch verdoppelt. Die vor kurzem zwar beschlossene Reduktion ist minimal und wird jetzt, heute, mit dieser Beschlussfassung aufgeweicht und durch diese Aufweichung des Fremdenpaketes weit überkompensiert.

In den letzten Jahren kam es zu einer ständigen Erhöhung dieses Arbeitskräfte­potentials der Saisonbeschäftigten. Waren im Jahr 2000 noch knapp 20 000 Saison­kräfte, davon knapp 10 000 Saisonkräfte im Fremdenverkehr in Österreich tätig, waren es im Jahr 2003 schon fast 34 000, davon mehr als 15 000 im Fremdenverkehrs­bereich: Ich nenne diese Zahlen, um Ihnen eine wirkliche Vergleichsmöglichkeit zu geben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ursprünglich war im so genannten Fremdenpaket zwischen ÖVP und SPÖ vereinbart, dass ausländische Arbeitskräfte, die über die Quote als Saisonniers oder Erntehelfer beschäftigt werden wollen, einer umfassenden Prüfung durch die Fremdenpolizei unterzogen werden müssen. Nach dieser Änderung wird die Fremdenpolizei nur mehr überprüfen, ob gegen die einreisende Arbeitskraft ein Aufenthaltsverbot vorliegt. Um Scheinselbständigkeit zu verhindern, hatte die SPÖ in den damaligen Verhandlungen erreicht, dass vor der Vergabe von Aufenthalts­genehmigungen an Selbständige das AMS auf jeden Fall überprüfen muss – und das mit gutem Grund –, ob eine Scheinselbständigkeit gegeben sein könnte und ob nicht auch eine österreichische Arbeitskraft bevorzugt werden könnte.

Nun – das hat Herr Kollege Mayer bereits selbst ausgeführt – soll das AMS nicht mehr prüfen, sondern Überprüfungen sollen nur mehr stichprobenartig und dann nur bei begründetem Verdacht – wobei sich die Frage stellt, wer diesen Verdacht ausspricht – durch die Fremdenpolizei erfolgen. Auch die Wirtschaftskammer, werte Kolleginnen und Kollegen, beklagt die zunehmende Zahl von Scheinselbständigen, und zwar wöchentlich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie Sie wissen, haben wir uns im Juli – so lange ist das also auch noch nicht her – die Zustimmung zum Fremdenrechtspaket nicht leicht gemacht. Auch ich habe in meiner damaligen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass dieses Paket als Gesamtpaket zu betrachten ist, das nicht im Nachhinein in einzelnen Bereichen wieder geändert werden darf. Damals hieß es – auch aus Ihren Reihen, vor allem aus den Reihen der ÖVP –, dass es zu keiner Änderung kommen wird. Da stellt sich schon die Frage: Wie lange hält eigentlich das Wort einer Regierungsfraktion? – Unserer Meinung handelt es sich hiebei um Pakt- und Wortbruch! Das wir uns mit Sicherheit eine Lehre sein, keine derartigen Vereinbarungen mehr zu schließen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)


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Dass heute auch Kollege Mayer im Zusammenhang mit dieser Abänderung wieder von Abrundungen oder von Verwaltungsvereinfachung gesprochen hat, ist glatter Ver­trauensmissbrauch, und das zum massiven Nachteil der arbeitenden Bevölkerung. Mit dieser Änderung, Kolleginnen und Kollegen, öffnet man der Umgehung des Frem­denrechtspaketes Tür und Tor. Denn: Was ist die Folge dieser Änderung? – 20 000 und mehr Scheinselbständige werden es sein, die durch diesen Beschluss auf den heimischen Arbeitsmarkt strömen werden und dort die österreichischen, vor allem aber auch die schon seit langem integrierten ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer verdrängen werden. Lohndumping, weiterer Abbau von ArbeitnehmerInnen­rechten und das Untergraben von Arbeitszeitregelungen werden am Ende dieser Ent­wicklung stehen. Damit verbunden ist eine Aushöhlung unseres Sozialstaates, denn die notwendigen Beiträge zur Gesundheits- und Pensionsversicherung werden dadurch natürlich nicht geleistet.

Aber wer profitiert? Irgendjemand muss ja profitieren! Diejenigen, deren Kollektiv­verträge durch Lohndumping unterwandert werden oder jene, deren ordentliche Beschäftigungsverhältnisse aufgelöst werden, weil sie durch Scheinselbständige ersetzt werden, oder doch nur diejenigen, die sich Abgaben und Lohnkosten ersparen, nämlich die Unternehmer, die Bauern und die Gewerbetreibenden? – Ich glaube, sie können sich diese Frage selbst beantworten! Das muss ich nicht tun.

Meine Damen und Herren! All das geschieht in einer Zeit, in der die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der höchsten Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik betroffen sind. Das muss man sich einmal wirklich vorstellen!

Hier geht es um keine technische Reparatur. Es ist politisch von Ihnen, von dieser schwarz-orange Regierung gewollt, Druck auf den österreichischen Arbeitsmarkt auszuüben! Wir machen da mit Sicherheit nicht mit! Wir lehnen diese Vorlage ent­schieden ab und erheben deshalb heute hier Einspruch. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

20.07


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


20.07.48

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundes­minis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, in der ganzen Diskussion ist es notwendig, dass man doch zwei Gruppen unterscheidet. Die eine ist die Gruppe der Erntehelfer und Saisonarbeiter. In diesem Bereich dürfen auf Grund des EU-Rechtes ab 1.1.2006 Aufenthaltstitel, die zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigen, nur noch in Form eines Visums erteilt werden. – Das einmal zu diesem Bereich.

Visa dürfen aber wiederum nur im Ausland beantragt werden, was an sich ja logisch ist. Dies bedeutet, dass auch Erntehelfer und Saisonarbeiter nur noch mit Visa einreisen dürfen, was wegen des zeitaufwendigen Verfahrens gerade im Bereich der Erntehelfer zu nicht gewollten Komplikationen führen könnte.

Durch den Antrag soll nun ein Verfahren geschaffen werden, das sicherstellt, dass Erntehelfer und Saisonarbeiter rechtzeitig zur Verfügung stehen. Die Zahl der auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zugelassenen Erntehelfer beziehungsweise Saisonar­beiter wird durch diese neue Regelung nicht berührt, weil die Zahlen durch Verordnung des Arbeitsministers auf Grundlage der in der Niederlassungsverordnung festgesetzten Höchstzahl für Erntehelfer und für Saisonarbeitskräfte festgelegt werden.

Durch den Antrag soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass der präsumtive Arbeit­geber für Erntehelfer beziehungsweise Saisonarbeiter der Fremdenpolizei die ent­


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sprechenden Personaldaten zur Verfügung stellt. Ergibt die fremdenpolizeiliche Überprüfung, dass keine Bedenken bestehen, stellt die Fremdenpolizei eine Unbe­denklichkeitsbescheinigung aus, auf Grund derer wiederum das AMS eine Beschäf­tigungsbewilligung ausstellt. Diese Beschäftigungsbewilligung beinhaltet ein Aufent­halts­recht, sodass auch der aufenthaltsrechtliche Status des Erntehelfers beziehungs­weise des Saisonarbeiters geregelt ist.

Die zweite Gruppe sind die so genannten Scheinselbständigen, und es ist doch meiner Ansicht nach logisch, dass zuerst einmal geprüft werden soll, ob sich der Betreffende in Österreich überhaupt aufhalten darf. Erst wenn feststeht, dass er sich aufhalten darf und es hier keinen Ausschließungsgrund oder Ähnliches gibt, ist es sinnvoll, ihn durch das Arbeitsmarktservice überprüfen zu lassen – und nicht automatisch alles gleich dem Arbeitsmarktservice zu geben. Der vorgesehene Ablauf ist sinnvoll, daher verstehe ich nicht, dass Sie das jetzt beeinspruchen wollen! (Bundesrat Konecny: Das ist Ihnen gerade erklärt worden!)

Das stimmt nicht! Das sind Befürchtungen beziehungsweise Unterstellungen, die nicht zutreffen! (Bundesrätin Mag. Neuwirth: Das sind Tatsachen!) In diesem Sinne verstehe ich Ihre Argumentation bedauerlicherweise nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

20.11


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach. – Ich erteile ihm das Wort.

 


20.11.04

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir auch nicht gedacht, dass wir einmal über das Fremdenpolizeigesetz diskutieren würden! Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder beziehungsweise manchmal auch nur berufliche Abwesenheiten.

Ich spare die 20 Gipser auf einer Baustelle, wobei jeder Einzelne eine Firma ist, aus meiner Rede aus. Das sind nämlich die, die sich sehr wohl in Österreich befinden und Tag für Tag gipsen, aber übrigens nur für jeden dritten Auftrag bezahlt bekommen, weil zu dem Zeitpunkt, zu dem sie das Geld dann haben möchten, die Firma nicht mehr existent ist, für die sie gearbeitet haben. Die Situation dieser Scheinselbständigen ist wirklich tragisch!

Ich lasse auch die Saisonniers, Erntehelfer und andere beiseite, all das ist schon diskutiert worden. Worum es mir geht und worum es mir in allen Sitzungen bisher gegangen ist, ist und bleibt § 115 Abs. 1. Man muss sich das einmal vorstellen: Sie möchten jetzt ein Gesetz beziehungsweise ein Rechtspaket novellieren, das noch nicht in Kraft ist! Man merkt: Da haben wir einen Pfusch gemacht, da stimmt etwas nicht, und jetzt will man es noch vor der Rechtswirksamkeit verändern.

Ich sage es noch einmal: Ich will nicht, Kollege Mayer, dass die Mitarbeiter der Caritas, der evangelischen Diakonie, von „Asyl in Not“ und so weiter kriminalisiert werden, nur weil sie das tun, was sie tun, nämlich Flüchtlingen und Asylsuchenden zu helfen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Diese Leute helfen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen hintangehalten werden. Wenn es diesfalls Rechtsverletzungen gibt, war das bisher schon strafbar. Aber mit diesem § 115 haben Sie jetzt aus einer verwaltungsrechtlichen Sachlage einen gerichtlichen Straftatbestand betreffend Hilfe für Menschen in Not gemacht. Es ist eine andere Qualität, die Sie hier mit diesem § 115 einführen, und Sie ändern das nur deswegen, weil Ihnen die Anwaltskammer, die Notariatskammer und die Höchst­


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gerichte Feuer unterm Hintern gemacht haben! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Bisher waren nämlich in dem § 115 auch alle Anwälte inkludiert. Wenn Anwälte ihrem Job nachgehen und Flüchtlinge betreuen und mit aufenthaltsbeendenden Maß­nahmen – das ist ein fürchterliches Wort – befasst sind, dann wären auch diese in ihrem Job von dem gerichtlichen Straftatbestand bedroht gewesen. Die Anwälte nehmen Sie jetzt aus, indem Sie sagen: Das gilt nicht für die Berufspflichten von Rechtsanwälten oder anderen Personen, die in Verteidigerlisten eingetragen sind. NGO-Mitarbeiter, Mitarbeiter von Caritas oder Diakonie und so weiter sind aber nicht in Verteidigerlisten eingetragen, und wenn dieses Gesetz so wirksam wird, dann schwebt über ihnen das Damoklesschwert eines gerichtlichen Tatbestandes, wenn sie Men­schen in Not helfen.

Das wollen wir nicht, und deshalb werden wir es beeinspruchen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.14


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Todt. – Ich erteile ihm das Wort.

 


20.15.07

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Im Juli dieses Jahres haben wir ein Fremdenpaket beschlossen, auch mit den Mängeln, die Kollege Schennach jetzt aufgezeigt hat.

Ich habe mich beim Beschluss dieses Fremdengesetzes vom Prinzip her auch nicht wohl gefühlt, aber im Sinne einer gemeinsamen Vereinbarung mit der Österreichischen Volkspartei haben wir dieses Gesetz eben auch beschlossen und haben uns der Mitarbeit nicht verweigert.

Wir haben bei diesem Gesetz viele ursprüngliche ÖVP-Vorschläge zum Besseren verändert. Der Kompromiss in Asyl- und Fremdenangelegenheiten, den wir gemeinsam vergangenen Juli beschlossen haben, sollte am 1. Jänner in Kraft treten. Er wird jetzt schon novelliert, und das gemeinsame Verhandlungsergebnis, das es gegeben hat, führt letztlich dazu, dass Sie in dem Gesetz jetzt ganz gravierende Änderungen vornehmen.

Sie behandeln mit diesem Gesetz nämlich den österreichischen Arbeitsmarkt, was dazu führt, dass Staatsangehörige von Nicht-EU-Staaten zu miserablen arbeits­rechtlichen und zu unsozialen Bedingungen – ich spreche von der so genannten Schein­selbständigkeit, die heute schon erörtert wurde – nach Österreich kommen können. Jeder serbische Maurer kann sich in Zukunft in Österreich selbständig machen und die gleiche Arbeit wie ein hier angestellter Österreicher als vorgeblich Selb­ständiger zu wesentlich günstigeren Konditionen ausführen.

Wir lehnen diese Form ganz entschieden ab. Die Frau Innenminister hat sich diesfalls von ihrem Amtskollegen Martin Barteinstein offensichtlich überrollen lassen. Der Wirtschaftsminister ignoriert noch immer, dass er auch Arbeitsminister ist, und er sollte eigentlich Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit setzen und nicht das Problem auch noch verschärfen! Das Schlimmste ist, dass Sie den Arbeitsmarkt in Österreich weiter unter Druck setzen. Offensichtlich ist das so gewollt. Ihre bisherige Politik ist dafür verantwortlich, dass wir in Österreich die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik haben, und Ihr eigensinniges und – mit Verlaub – dilettantisches Vorgehen ist dafür verantwortlich, dass die Arbeitslosigkeit im Winter voraussichtlich die 400 000er-Marke zu überschreiten droht. Sagen Sie dann nicht, Sie hätten das nicht gewusst und können nichts gegen die steigende Arbeitslosigkeit tun!


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Menschen werden nach Österreich geholt, die für einen Lohn weit unter dem Kollektivvertrag und ohne jeden sozialen Schutz arbeiten müssen. Ihnen ist egal, was das für die Betroffenen bedeutet, und Ihnen ist erst recht egal, was das für den österreichischen Arbeitsmarkt bedeutet. Sie interessiert nur, wie Sie der österreichi­schen Wirtschaft möglichst billige Arbeitskräfte zur Verfügung stellen können. Was Sie hier machen, ist im höchsten Maße fahrlässig und verantwortungslos, und es ist men­schenverachtend! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Sie sorgen mit Ihrer Politik dafür, dass durch das Anwerben von billigen Arbeitskräften die Begehrlichkeit bei Menschen geweckt wird, nach Österreich zu kommen. Durch Ihre Politik bereiten Sie jenen den Boden, die dann Ausländerhetze in diesem Land betreiben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

20.19


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kritzinger. – Ich erteile ihm das Wort.

 


20.19.55

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Frau Minister! Herr Vorsitzender! Hohes Haus! Die Ausführungen des Kollegen Schennach veranlassen mich, etwas zu erzählen, was ich selbst erlebt habe. Er hat nämlich gesagt, mit diesem Gesetz werden karitative Einrichtungen kriminalisiert. Dazu möchte ich ein Beispiel erzählen. Er kann der Sache nachgehen, er erfährt von mir Ort und Namen und alles ganz genau.

Ich war in der Wiener Innenstadt und ging in ein Juweliergeschäft, in ein ganz kleines. Ich fragte den Juwelier: Sagen Sie einmal, haben Sie nicht Angst, dass Sie da überfallen werden? – Darauf sagte er: Ja, ich bin schon vier Mal überfallen worden, vier Mal! – Daraufhin fragte ich: Und was ist passiert? – Es waren immer Rumänen, sagte er. Er hat mir das dann ausführlich erzählt. Ich erspare Ihnen das, ich möchte nur sagen, wie dringend notwendig diese Gesetzesnovellierung, dieses Gesetz ist. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.)

Das Gesetz hat seine Berechtigung, und deswegen erzähle ich das. Und man ist weit davon entfernt, dass man mit diesem Gesetz karitative Einrichtungen kriminalisieren möchte. (Bundesrat Gruber: Aber man tut es!)

Der Mann hat Folgendes erzählt – vielleicht interessiert Sie das; vielleicht wird der eine oder andere von der Opposition doch ein bisschen nachdenklich. (Bundesrat Gruber: Ihr solltet nachdenklich werden! – Bundesrat Konecny: Sie lassen ja mehr Leute rein!)

Er hat erzählt, zweimal hat man denselben Mann erwischt, einen Rumänen. Er ist ihm nachgelaufen. Er hat im Detail erzählt, wie das vor sich gegangen ist. Das erste Mal war dann ein Prozess, mit Übersetzer, mit Richter. Und dieser Rumäne, den man erwischt hat, wurde ausgewiesen. Beim dritten Überfall hat man wieder denselben Täter erwischt, er war mit einem gefälschten Ausweis nach Österreich gekommen. (Bundesrat Gruber: Das vierte Mal ist er als Erntehelfer gekommen!) Diesen Ausweis hat er leider Gottes, das hat mich auch enttäuscht, von der Caritas erhalten. Das wollte ich sagen. (Bundesrat Konecny: War er gefälscht, oder war er von der Caritas?)

Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, dass wir uns gegen Kriminelle schützen. Und dieses Gesetz ist einer der Schlüssel dazu, dass wir uns schützen können. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)


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20.23


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist noch einmal Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.23.09

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Wissen Sie, meine Damen und Herren, warum ich noch einmal rede, Kollege Spiegelfeld? – Weil Ihr Applaus etwas seltsam war.

Sie alle haben gemerkt, dass Kollege Kritzinger offensichtlich im Irrtum spricht, denn man kann Asylsuchende und kriminelle Ausländer, wobei Ausländer nicht krimineller als Inländer sind, nicht in einen Topf werfen. Deshalb hat mir Ihr Applaus für diesen Irrtum eher wehgetan. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Kollege Mayer, Sie finden das wahnsinnig lustig, ich finde es nicht sehr lustig. Ich finde es zum Beispiel überhaupt nicht lustig, Kollege Mayer, wie das Land Vorarlberg mit seinen Asylplatzverpflichtungen umgeht, nämlich in einer sehr beschämenden Art und Weise. Das finde ich auch nicht lustig. Das sage ich jetzt Ihnen als Vertreter Vorarlbergs. Sie lachen immer, ich finde das überhaupt nicht lustig.

Der Kollege ist in einem dreifachen Irrtum. Wir alle wissen, dass österreichische Grenzen Schengen-Außengrenzen sind. Ich wünsche Ihnen viel Glück, wenn Sie mit einem Reisepass, der nur zwei Tage abgelaufen ist, raus- oder reinreisen wollen, viel Spaß! Ich weiß nicht, dass ein Caritas-Ausweis zum Übertritt über Schengen-Grenzen berechtigt. (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist lächerlich!)

Das war lächerlich, und es tut mir einfach weh, wenn die große, mächtige christlich-soziale ÖVP zu solch einem Quatsch applaudiert. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

20.24


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile ihm das Wort.

 


20.24.55

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte mich heute als neu angelobter Bun­desrat – in Demut – noch nicht zu Wort melden, aber die Ausführungen der Kollegen von der SPÖ-Fraktion fordern das direkt heraus, denn ich bin ein Betroffener. In der Tourismuswirtschaft – ich verweise nur auf die Saisonnier-Problematik, meine sehr verehrten Damen und Herren – schaut die Realität ganz anders aus, als Sie sie hier diskutieren.

Herr Kollege Gruber, Sie waren, glaube ich, Bürgermeister von Bad Gastein. Sie müssen doch wissen, was die Saisonniers für die Tourismuswirtschaft in Österreich bedeuten, dass wir in vielen Regionen, insbesondere in Salzburg, ohne diese wichtigen Mitarbeiter keine Kapazitäten in der Wintersaison ausfahren könnten.

Wieso sind Sie ständig in einer, möchte ich sagen, fast polemischen Art und Weise gegen das Saisonnier-Kontingent? (Bundesrat Gruber: Weil wir Tausende Arbeitslose haben! Das ist die höchste Zahl bis jetzt!) Was ist in Österreich ein Saisonnier? – Er ist ein zeitlich begrenzter, wichtiger Mitarbeiter, der unsere österreichische Wirtschaft unterstützt. (Bundesrat Gruber: Eben nicht!)

Das ist eine Milchmädchenrechnung. Bringen Sie mir einen arbeitslosen Koch aus Wien, der hier verheiratet ist, im Winter nach Schladming oder in die Flachau zur Arbeit! Bringen Sie mir einen! Sie können mir nicht einmal einen bringen, das kann ich Ihnen sicher sagen. (Bundesrat Gruber: Wenn Sie ihm ein gescheites Quartier geben und ein gescheites Gehalt, dann bekommen Sie einen dafür!)


BundesratStenographisches Protokoll728. Sitzung / Seite 177

Das war vielleicht seinerzeit in Bad Gastein so, als Sie dort noch zuständig waren. Heute ist die österreichische Hotellerie ein fairer Arbeitgeber (Bundesrat Gruber: Eben nicht!), ein Arbeitgeber, der wachsende Beschäftigung hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege! Die österreichische Tourismuswirtschaft ist eine der wenigen Branchen, die eine wachsende Beschäftigung haben. Freilich haben wir zwischenzeitlich einen hohen Stand an Arbeitslosigkeit, aber 80 Prozent davon haben eine Wiederein­stellungszusage. Und ab 20. Dezember werden die Zahlen wieder anders ausschauen.

Ich bitte Sie wirklich und fordere Sie auf, Ihre Gewerkschaftsvertreter einmal zurück­zunehmen und im Sinne der österreichischen Tourismuswirtschaft gut zusammen­zuarbeiten, wie das viele Kollegen von Ihnen in den örtlichen Arbeitsmarkt­service­stellen tun. Das kann ich Ihnen sagen, mit dem AMS arbeiten wir zumindest im Sinne der österreichischen Tourismuswirtschaft sehr gut zusammen, und ich glaube, das ist im Staatsinteresse. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

20.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort.

 


20.27.52

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Es ist an der Grenze der Geschäfts­ordnung, aber ich berichtige mich selbst – ich bin nicht unfair.

Ich möchte die Aussage, dass Kollege Spiegelfeld geklatscht hat, zurücknehmen. – Er hat nicht geklatscht. Ich möchte auch Frau Roth-Halvax ausnehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.28


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesministerin Gehrer.

 


20.28.00

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe sehr intensiv der Diskussion zugehört. Ich möchte abschließend schon noch einige Klarstellungen und Feststellungen treffen.

Über dieses Gesetz ist sehr lange diskutiert worden. Wir haben es dann gemeinsam im Parlament beschlossen. Alle haben gesagt, dass dieses Gesetz gut ist, weil es dem Missbrauch vorbeugt. Es gibt klare Regelungen für Niederlassung und Aufenthalt, und es gibt auch eine erweiterte Integrationsvereinbarung, nämlich zur Hilfestellung.

Meine Damen und Herren! Wenn hier gesagt wird, dass karitative Einrichtungen krimi­nalisiert werden, dann weise ich das im Namen der österreichischen Bundesregierung zurück. Wir schätzen die Arbeit der karitativen Einrichtungen. Wir schätzen die Arbeit der Caritas. Wir schätzen die Arbeit von allen Hilfswerken, evangelischen, katholischen Hilfswerken. Sie leisten wertvolle Arbeit, aber sie brauchen selbst auch einen Geset­zesrahmen, sodass Missbrauch auch in ihrem eigenen Interesse verhindert wird.

Und ich weise im Namen der österreichischen Bundesregierung auch zurück, dass wir mit diesem Gesetz ein ausländerfeindliches Klima schaffen wollen. Das ist mir ein ernstes Anliegen, denn das ist ein ernstes Thema.

Außerdem verstehe ich nicht ganz, wieso ein Gesetz, das sehr wahrscheinlich erst ab dem 1. Jänner gelten wird oder vielleicht noch später, weil die endgültige Beschluss­fassung ja jetzt etwas hinausgezögert wird, zu einem Ansteigen der Arbeitslosigkeit


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noch in diesem Jahr führen wird. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Ing. Kampl und Mitterer.)

20.30


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile es ihm.

 


20.30.16

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Ich wende mich jetzt ausdrücklich an Sie, Frau Bundesministerin, und möchte zu den vorhergehenden und zum Teil individuell geführten Diskussionen nichts sagen.

Sie, Frau Bundesministerin, haben ein Kernproblem der Zusammenarbeit zwischen der Sozialdemokratischen Partei und dieser Bundesregierung angeschnitten. Sie werden verstehen, Frau Bundesministerin, dass das etwas ist, was uns die Novellierung eines noch gar nicht in Kraft befindlichen Gesetzes besonders kritisch betrachten lässt. Es hat langwierige, mühsame, intensive und für meine Partei – das gebe ich freimütig zu – auch schmerzhafte Verhandlungen gegeben, Verhandlungen, die letztlich jedoch zu einer gemeinsam getragenen Vorlage geführt haben.

Ich habe damals, die Realität der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion wieder­gebend, gesagt, dass bei uns viele nur mit Bauchweh dieser Einigung zuzustimmen bereit waren. – Ja, so war es! Wir von der SPÖ sind in unserer Kompromiss­bereit­schaft relativ weit gegangen, weil wir erkannt haben, dass in diesem Gesamtkonvolut eine Reihe positiver Maßnahmen enthalten war, die wir alle wollten, wo uns aber auch bewusst war, dass wir dafür das eine oder andere hinnehmen mussten, was wir nicht unbedingt wollten.

Dieses Gesetz haben wir also gemeinsam beschlossen. Jetzt verlasse ich das Feld der Politik. Ich gehe zu einem Autohändler und sage: Ich hätte gern das Auto, ein bisschen teuer ist es allerdings schon. Worauf der sagt: Sie müssen es ja nicht unbedingt mit dem Autoradio, wenn Sie das nicht wollen, kaufen, und ein bisschen kann ich beim Preis nachgeben! – So etwas soll es geben, ohne dass die heimische Wirtschaft dadurch zugrunde geht. – Dann machen wir einen Kaufvertrag. Und wenn mir dann eine Woche später dieser Autohändler einen eingeschriebenen Brief schickt, in dem er mich darauf aufmerksam macht, dass die vier Räder gesondert zu bezahlen seien, dann ärgere ich mich auch überdurchschnittlich.

Genau einen solchen Einschreibebrief, dass die vier Räder gesondert zu bezahlen sind, stellt diese Novelle dar: Sie haben einige Wünsche, die Sie hatten, bei diesen letztendlich konsensual endenden Verhandlungen nicht durchgebracht. Diese bekom­men wir jedoch jetzt sozusagen als Nachschlag serviert!

Niemand von Ihnen konnte behaupten, es habe sich bei der Vollziehung des Gesetzes herausgestellt, dass da noch Probleme ungelöst geblieben seien. Damit hätten Sie vielleicht in sechs Monaten kommen können. Die Bewertung aus der Praxis heraus wäre vielleicht trotzdem unterschiedlich ausgefallen. Aber nein: Sie novellieren nun ein Gesetz, das noch gar nicht in Geltung ist! So etwas ist im Sinne einer konsensualen Politik nicht wirklich machbar!

Frau Bundesministerin, Sie haben sich veranlasst gesehen, hier ausdrücklich auf diese Verhandlungen hinzuweisen. Daher: Das ist mit Sicherheit keine Grundlage für allfällige weitere Bemühungen und keine Motivation, große Problemfelder, die es in unserem Lande wahrlich zur Genüge gibt, im Konsens zwischen der ganzen oder Teilen der Opposition und der ganzen oder Teilen dieser Bundesregierung zu lösen! Ich sage das deshalb, weil wir heute mit der originellen Mitteilung eines Staats­


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sekretärs konfrontiert wurden, er spreche da für den BZÖ-Teil der Bundesregierung. – Also ich füge hinzu: Ich spreche für den SPÖ-Teil der Opposition.

Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter: Double standards kann es bei politi­schen Verhandlungen nicht geben, Tricks – und das ist ein Trick – auch nicht! Dass diese Tricks im Übrigen Bereiche betreffen, wo wir aus guten Gründen Einwände vorbringen, das haben meine Kolleginnen und Kollegen bereits dargelegt, aber ich will, wie ich das auch angekündigt habe, dieses Thema jetzt nicht mehr aufgreifen. Ich verkneife mir auch, zu den Ausführungen des Kollegen Kritzinger auch nur einen Satz zu sagen, und zwar aus guten Gründen.

Der Kernpunkt ist jedenfalls: Wie viel Erodierung des österreichischen Arbeitsmarktes sowie der österreichischen Sozial- und Lohnstandards wollen wir ermöglichen? – Wir von der SPÖ sicherlich möglichst wenig; Sie von den Regierungsparteien offensichtlich möglichst viel. (Zwischenruf des Bundesrates Mitterer.) – Gut, dann machen Sie ein neues Gesetz und kommen Sie dann mit dieser Vorlage! Wir werden dem dann gerne zustimmen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mitterer.) – Wir bieten Ihrer Nationalratsfraktion vermutlich auch die Möglichkeit zu dieser Sinnesänderung.

Ich wende mich jetzt ausdrücklich an die Vertreter der österreichischen Wirtschaft, und zwar an jene, die behauptet haben, dass sie in deren Namen sprechen, und ebenso wende ich mich an die Vertreter der österreichischen Landwirtschaft. (Bundesrat Schennach: Das kann nur die Präsidentin! – Weitere Zwischenrufe.) – Es wurde hier für „die Wirtschaft“ und für „die Landwirtschaft“ von einigen Mitgliedern Ihrer Fraktion gesprochen.

Ich sage ganz offen und direkt: Wenn in unserem Land Arbeitsplätze nur auf der Basis gesichert werden können, dass an beziehungsweise unter der Grenze dessen, was man zum Leben braucht, bezahlt wird, dann ist es tatsächlich so, dass wir uns über die Wirtschaftsstruktur dieses Landes ernsthaft unterhalten müssen!

Es kann nicht so sein, dass im Namen einer angeblichen Konkurrenzfähigkeit mit Arbeitskräften operiert wird, die all das tun müssen, was wir anprangern: Aufent­haltstitel umgehen, Sozialstandards umgehen, Lohnuntergrenzen unterschreiten. (Ruf bei der ÖVP: Das ist eine Unterstellung!) – Nein, das ist keine Unterstellung, Herr Kollege! Es ist ja auch schon in Zwischenrufen darauf hingewiesen worden, dass es eines der Probleme der österreichischen Tourismuswirtschaft ist, dass sie so jäm­merlich zahlt! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Österreicherinnen und Österreicher haben zehntausendfach diese Branche verlassen, weil sie von diesen Löhnen nicht leben können! (Bundesrat Mitterer: Vom Gewerk­schaftsbund ausgehandelt!) – Entschuldigen Sie, Herr Präsident, ich lasse mich wirklich nur ungern mit dem Präsidenten des Hauses in ein Zwischenrufduell ein, aber wahr ist, dass diese ausgehandelten Löhne in dieser Branche, in der die gewerk­schaftliche Organisation bedauerlicherweise nicht so stark ist, wie wir uns das wünschen würden, regelmäßig und massenhaft missachtet und unterschritten werden!

Die Arbeitsinspektorate können Ihnen von den Arbeitsbedingungen in dieser Branche lange Fortsetzungsromane erzählen; ebenso die Arbeiterkammern über die Lohn­niveaus, die tatsächlich bezahlt werden! Das können wir aber gerne einmal gesondert – und nicht um diese Tageszeit – erörtern.

Die Abwanderung österreichischer Arbeitskräfte, und zwar hoch qualifizierter öster­reichischer Arbeitskräfte, aus dieser Branche hat doch nichts mit deren Arbeitsunwillen oder mit einer Nichtbereitschaft, ein paar Monate im Jahr außerhalb der Ballungs­zentren zuzubringen, zu tun, sondern ausschließlich damit, dass diesen Arbeit­


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nehmern – selbst unter den heutigen Bedingungen – in anderen Branchen wesentlich bessere Verdienstmöglichkeiten geboten werden!

Ich bitte die österreichische Tourismuswirtschaft, die Sache auch einmal von dieser Seite zu sehen, dass sie mindestens ein Dutzend qualifizierter österreichischer Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich durch ihr Verhalten vor die Tür setzt! Das ist kein Leistungsbeweis, und – mit Verlaub gesagt – das ist auch keine langfristige Existenz­grundlage für eine unendlich wichtige Branche in unserem Lande! Da ist eine selbstkritische Diskussion in der Tourismuswirtschaft notwendig und nicht der Schrei nach mehr – möglicherweise auch illegalen – Saisonniers oder anderen solcher Ar­beitskräfte!

Meine Damen und Herren! Wir haben einen Einspruch zu diesem Beschluss beantragt, und zwar deshalb, weil wir mit den wesentlichen Inhalten dieser Novelle nicht ein­verstanden sein können. Und unsere Enttäuschung über die Art und Weise, wie uns die Bundesregierung in dieser Sache behandelt hat, hat uns in dieser Haltung nur noch bekräftigt.

Wir haben unsere Freunde im Nationalrat gebeten, alles zu versuchen, um die Gesamtlösung, von der wir geglaubt haben, sie gefunden zu haben, doch noch – erweitert um weitere Themen – zuwege zu bringen. Diese Themen sind in der Debatte angeschnitten worden.

Auch dieser Einspruch ist kein „Nie und nimmer!“, sondern er ist nur ein „So nicht!“. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

20.40


Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Danke, dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist angenommen.

20.40.58 16. Punkt

Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates iSd § 9 F-VG 1948

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zum 16. Punkt der Tages­ordnung.

Auf Grund der Ergebnisse der steiermärkischen, der burgenländischen und der Wiener Landtagswahlen sind insgesamt sechs Mitglieder und fünf Ersatzmitglieder ausge­schieden und daher zu wählen. Davon sind von der SPÖ vier Mitglieder und vier Ersatzmitglieder, von der ÖVP zwei Mitglieder und ein Ersatzmitglied für eine entsprechende Wahl vorzuschlagen.


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Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatz­mitglieder vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Entsprechende Wahlvorschläge der Fraktionen liegen mir vor. Sie lauten auf:

von der SPÖ vorgeschlagene Mitglieder: Ing. Reinhold Einwallner, Vorarlberg; Mag. Wolf­gang Erlitz, Steiermark; Mag. Gertraud Knoll, Wien; Wolfgang Sodl, Bur­genland;

von der ÖVP vorgeschlagene Mitglieder: Josef Saller, Salzburg; Dr. Andreas Schnider, Steiermark;

von der SPÖ vorgeschlagene Ersatzmitglieder: Ana Blatnik, Kärnten; Gabriele Mörk, Wien; Maria Mosbacher, Steiermark; Erwin Preiner, Burgenland;

von der ÖVP vorgeschlagenes Ersatzmitglied: Jürgen Weiss, Vorarlberg.

Ich werde die Abstimmung über diese Wahlvorschläge, sofern sich kein Einwand erhebt, unter einem vornehmen.

Erhebt sich gegen diese Vorgangsweise ein Einwand? – Dies ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Da jeweils nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich durch Handzeichen abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den von mir wiedergegebenen Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmenmehrheit gewählt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsanträge

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zur Abstimmung über die einge­brachten Fristsetzungsanträge.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Umweltrechtsanpassungsgesetz 2005 – 1147 und 1176 der Beilagen – eine Frist bis 20. Dezember 2005 zu setzen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft zur Berichterstattung über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Grund­satzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten geändert wird – 1146 und 1179 der Beilagen –, eine Frist bis 20. Dezember 2005 zu setzen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist angenommen.


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Einlauf

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten bezie­hungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen – 2370/J bis 2373/J – eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin wird Mittwoch, 21. Dezember 2005, 9 Uhr in Aussicht genommen. Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, 19. Dezember 2005, ab 14 Uhr vorge­sehen.

Ich darf abschließend noch darauf hinweisen, das die Festsitzung des Bundesrates anlässlich des ersten Zusammentretens nach dem Zweiten Weltkrieg am Montag, 19. Dezember 2005, von 9 Uhr bis 10.30 Uhr im Budgetsaal stattfinden wird.

Die Sitzung ist geschlossen.

20.45.10Schluss der Sitzung: 20.45 Uhr

 

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