Österreichisches Parlament

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

 

777. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 5. November 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

777. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 5. November 2009

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 5. November 2009: 9.06 – 16.42 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz über den Verkehr mit Wein und Obstwein (Weingesetz 2009)

2. Punkt: Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wild­lebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz 2009 – ArtHG 2009)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Väter-Karenz­gesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigen­vorsorgegesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Angestelltengesetz 1921, das Guts­angestelltengesetz 1923, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz und das Abfallwirtschafts­gesetz 2002 geändert werden (Bergbauabfallgesetz)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungs­taxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstge­genständen aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz erlas­sen wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geändert und das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum auf­gehoben werden

12. Punkt: Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus

13. Punkt: Wahl von Ausschüssen

*****

Ergänzung der Tagesordnung ........................................................................................ 37


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 2

14. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmit­glieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

15. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR für ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welches dem Bundes­rat das Vorschlagsrecht zukommt (178/A-BR/2009)

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Präsidentin des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat .............................................................................................................. 9

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ............................................................................... 10

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Er­satzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 11

Angelobung der Bundesräte Notburga Astleitner, Dr. Magnus Brunner, Efga­ni Dönmez, Gottfried Kneifel, Johann Kraml, Ewald Lindinger, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Elmar Podgorschek, Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg, Werner Stadler, Josef Steinkogler und Ferdinand Tiefnig     ............................................................................................................................... 13

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit Spanien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 20. Dezember 1966 unter­zeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 395/1967 in der Fassung BGBl. Nr. 709/1995     ............................................................................................................................... 34

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Ver­fassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Republik Un­garn zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 25. Februar 1975 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Unga­rischen Volksrepublik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen, Ertrag und vom Vermögen, BGBl. Nr. 52/1976 ......................................................................... 34

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Tschechischen Republik zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 8. Juni 2006 unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 39/2007 .............................................................................. 35

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit dem Common­wealth der Bahamas zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsver­kehr in Steuersachen ................................................................. 35


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 3

Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland Hans Niessl gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Regionalität – Erfolgsrezept für die Zukunft“ – Be­kanntgabe ........................................ 36

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ....................... 36

Landeshauptmann Hans Niessl ................................................................................. 53

Debatte:

Reinhard Jany ......................................................................................................... ..... 58

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 59

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 61

Landeshauptmann Hans Niessl ..........................................................................  62, 64

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 64

Antrag der Bundesräte Monika Mühlwerth, Elmar Podgorschek, Johann Ertl und Cornelia Michalke gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR be­treffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion – An­nahme ..........................................................  36, 36

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen, den Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Albrecht Konecny, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mit­glieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Na­tionalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgeset­zes 1948 gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen – Annahme               37, 37

Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Monika Mühl­werth, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen, den Selbständigen Antrag 178/A-BR/2009 der Bundesräte Albrecht Ko­necny, Gottfried Kneifel, Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamen­tarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR für ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für wel­che dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt, gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu neh­men – Annahme               37, 38

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 53

13. Punkt: Wahl von Ausschüssen ............................................................................. 124

14. Punkt: Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 ......................................................................................... 125

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Fragestunde (145.)

Landesverteidigung und Sport .................................................................................. 13

Harald Reisenberger (1702/M-BR/09); Friedrich Hensler, Elisabeth Kerschbaum

Franz Perhab (1699/M-BR/09); Harald Reisenberger, Monika Mühlwerth


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 4

Peter Mitterer (1705/M-BR/09); Dr. Franz Eduard Kühnel, Reinhard Todt, Stefan Schennach

Wolfgang Sodl (1703/M-BR/09); Reinhard Jany

Dr. Franz Eduard Kühnel (1700/M-BR/09); Monika Kemperle

Stefan Schennach (1706/M-BR/09); Juliane Lugsteiner, Kurt Strohmayer-Dangl, Peter Zwanziger

Günther Kaltenbacher (1704/M-BR/09); Karl Petritz, Johann Ertl

Günther Köberl (1701/M-BR/09); Ewald Lindinger, Peter Zwanziger

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 33

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 36

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 36

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz über den Verkehr mit Wein und Obstwein (Weingesetz 2009) (332 d.B. und 365 d.B. sowie 8194/BR d.B.)                            38

Berichterstatter: Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 38

Redner/Rednerinnen:

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 38

Reinhard Jany ......................................................................................................... ..... 40

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 41

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 42

Martin Preineder ..................................................................................................... ..... 43

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..................................................... 45

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 47

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz 2009 – ArtHG 2009) (318 d.B. und 348 d.B. sowie 8195/BR d.B.) ............................................ 47

Berichterstatter: Ing. Hans-Peter Bock ........................................................................ 47

Redner/Rednerinnen:

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 47

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ..... 49

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 50

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 51

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ..................................................... 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 53


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 5

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Väter-Karenzgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigen­vorsorgegesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Angestelltengesetz 1921, das Gutsangestelltengesetz 1923, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (340 d.B. und 362 d.B. sowie 8191/BR d.B.)                       66

Berichterstatterin: MMag. Barbara Eibinger ................................................................ 66

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 67

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 69

Peter Zwanziger ...................................................................................................... ..... 70

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 71

Efgani Dönmez ........................................................................................................ ..... 72

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ..... 73

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 74

Stefan Zangerl ......................................................................................................... ..... 76

Staatssekretärin Christine Marek ............................................................................... 77

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 80

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden (312 d.B. und 360 d.B. sowie 8183/BR d.B. und 8192/BR d.B.) ................................... 80

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner ......................................................................... 81

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geändert werden (Bergbauabfallgesetz) (313 d.B. und 361 d.B. sowie 8193/BR d.B.)                                                                                                      80

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner ......................................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 81

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 83

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 84

Ing. Hans-Peter Bock .............................................................................................. ..... 85

Staatssekretärin Christine Marek ............................................................................... 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 88

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (292 d.B. und 345 d.B. sowie 8184/BR d.B.)                         88

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 88


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 6

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (339 d.B. und 346 d.B. sowie 8185/BR d.B.) .......... 88

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 88

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungstaxenge­setz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert werden (342 d.B. und 347 d.B. sowie 8186/BR d.B.) .................................................... 88

Berichterstatterin: Waltraut Hladny .............................................................................. 88

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 89

Mag. Wolfgang Erlitz .............................................................................................. ..... 91

Peter Zwanziger ...................................................................................................... ..... 94

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 95

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 98

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 100

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 101

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ... 104

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 105

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 106

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 106

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 107

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenstän­den aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird (238 d.B. und 349 d.B. sowie 8187/BR d.B.) ................. 107

Berichterstatterin: Ana Blatnik .................................................................................... 107

Redner/Rednerinnen:

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ... 107

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ... 108

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 110

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz erlassen wird (359 d.B. sowie 8182/BR d.B. und 8188/BR d.B.)           ............................................................................................................................. 111

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher .................................................................... 111

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 111

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 112

Albrecht Konecny ................................................................................................... ... 113

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 116

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner .................................................. 117


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 118

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz so­wie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geändert und das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirt­schaftsraum aufgehoben werden (322 d.B. und 356 d.B. sowie 8189/BR d.B.) .............................. 118

Berichterstatterin: Maria Mosbacher .......................................................................... 118

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 118

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (95 d.B. und 357 d.B. sowie 8190/BR d.B.)               118

Berichterstatter: Günther Kaltenbacher .................................................................... 119

Redner/Rednerinnen:

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ... 119

Maria Mosbacher .................................................................................................... ... 120

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 121

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 122

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 123

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ............................................... ... 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Be­schluss des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 3 B-VG den gegenständ­lichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben ......................................................................................................................... 124

15. Punkt: Selbständiger Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Stefan Zangerl, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR für ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welches dem Bundes­rat das Vorschlagsrecht zukommt (178/A-BR/2009) .......................................................................................... 126

Annahme des Selbständigen Antrages 178/A-BR/2009 .............................................. 126

Eingebracht wurden

Antrag der Bundesräte

Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parla­mentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR für ein Hearing der Bewerberinnen und Be­werber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes, für welches dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt (178/A-BR/09)

Anfrage der Bundesräte

Mag. Susanne Neuwirth, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inne­res betreffend Förderungen des BMI (2726/J-BR/09)


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 8

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumpl­maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung des Aufkommens an veran­lagter Einkommensteuer und an Körperschaftsteuer (2514/AB-BR/09 zu 2720/J-BR/09)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen betreffend die offenen Abgabenrückstände per 31.12.2008 (2515/AB-BR/09 zu 2721/J-BR/09)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Dr. Erich Gumpl­maier, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entwicklung der Arbeitnehmerveranla­gung (Fallzahlen und Beträge) (2516/AB-BR/09 zu 2722/J-BR/09)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Lanzenkirchner Werkskanal (2517/AB-BR/09 zu 2723/J-BR/09)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Bundesräte Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Hangrutschung in Doren (2518/AB-BR/09 zu 2724/J-BR/09)


09.06.31


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

 


Präsident Erwin Preiner: Geschätzte Damen und Herren! Werte Gäste! Ich eröffne hiermit die 777. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 776. Sitzung des Bundesrates vom 8. Oktober 2009 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Elisabeth Greiderer, Eli­sabeth Grimling, Mag. Michael Hammer, Josef Saller.

09.07.12Einlauf

 


Präsident Erwin Preiner: Eingelangt sind Schreiben des Vorarlberger und Oberöster­reichischen Landtages betreffend die Wahl von Mitgliedern sowie Ersatzmitgliedern des Bundesrates sowie ein weiteres Schreiben des Kärntner Landtages über die Wahl eines Ersatzmitgliedes.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben der Präsidentin des Vorarlberger Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:

„Dr. Bernadette Mennel

Landtagspräsidentin, Bregenz                                                                                              14.10.2009

Herrn

Erwin Preiner

Präsident des Bundesrates

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident,

ich darf Ihnen mitteilen, dass der XXIX. Vorarlberger Landtag in seiner 1. Sitzung in diesem Jahr am 14.10.2009 folgende Bundesräte gewählt hat:

Herr Edgar Mayer, Feldkirch (ÖVP)

Herr Dr. Magnus Brunner, Bregenz (ÖVP)

Frau Cornelia Michalke, Höchst (FPÖ)

Als Ersatzmitglieder wurden gewählt:

Herr Christian Gantner, Dalaas (ÖVP)

Herr Norbert Sieber, Bregenz (ÖVP)

Herr Walter Pfanner, Lauterach (FPÖ)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bernadette Mendel

Präsidentin des Vorarlberger Landtages“

*****


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 10

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:

„Oberösterreichischer Landtag

4021 Linz – Landhausplatz 1                                            Geschäftszeichen: L-16/3-XXVlI-Rm

                                                                                                                  www.land-oberoesterreich.gv.at

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Erwin Preiner

Parlamentsdirektion

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                             Linz, 23. Oktober 2009

Wahl von elf Vertreterinnen und Vertretern des

Landes Oberösterreich in den Bundesrat sowie die

Wahl von elf Ersatzmitgliedern

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Oberösterreichische Landtag am 23. Oktober 2009 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art. 29 des 0ö. Landes-Verfassungsgesetzes folgende elf Vertreterinnen und Vertreter des Landes Oberösterreich und deren Ersatzmitglieder in den Bundesrat gewählt:

 

 

Mitglied:

Ersatzmitglied:

1. Stelle

Gottfried Kneifel

geb. 25.6.1948

4470 Enns

Laurenz Pöttinger

geb. 25.9.1964

4710 Grieskirchen

2. Stelle

Johann Kraml

geb. 25.11.1951

4150 Rohrbach

Sabine Breitenfellner

geb. 7.11.1984

4171 St. Peter/Wimberg

3. Stelle

Josef Steinkogler

geb. 21.5.1954

4802 Ebensee

Johannes Hörtenhuber

geb. 4.5.1983

4655 Vorchdorf

4. Stelle

Ferdinand Tiefnig

geb. 27.6.1965

5133 Gilgenberg am Weilhart

Edeltraud Huemer

geb. 8.5.1968

4532 Rohr/Kremstal

5. Stelle

Elmar Podgorschek

geb. 7.1.1958

4910 Ried/Innkreis

Hermann Brückl

geb. 3.11.1968

4770 Andorf

6. Stelle

Werner Stadler

geb. 15.7.1957

4783 Wernstein

Franz Hochegger

geb. 25.11.1953

4761 Enzenkirchen


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 11

7. Stelle

Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg

geb. 1.6.1957

4707 Schlüßlberg

Mag. Dr. Angelika Winzig

geb. 9.5.1963

4800 Attnang-Puchheim

8. Stelle

Mag. Michael Hammer

geb. 3.6.1977

4203 Altenberg

Dominik Thauerböck

geb. 25.10.1986

4324 Rechberg

9. Stelle

Efgani Dönmez

geb. 30.10.1976

4020 Linz

Maria Wimmer

geb. 7.6.1973

4813 Altmünster

10. Stelle

Ewald Lindinger

geb. 16.8.1956

4563 Micheldorf

Mag. Manuela Hiesmair

geb. 23.4.1982

4020 Linz

11. Stelle

Notburga Astleitner

geb. 5.1.1958

4391 Waldhausen

Waltraud Kaltenhuber

geb. 24.12.1950

4040 Linz

 

Mit freundlichen Grüßen!

Der Erste Präsident:

Friedrich Bernhofer“

*****

Schreiben des Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes:

„Josef Lobnig

Erster Präsident des Kärntner Landtages

zu Ldtgs.ZI. 5-4/30

Betreff: Wahl eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates gem. Art. 35 Abs. 1 und 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Herrn

Erwin Preiner

Präsident des Bundesrates

Dr. Karl Renner Ring 3

1017 Wien                                                                                                             Klagenfurt, 29.10.2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Kärntner Landtag hat in seiner 8. Sitzung am 29.10.2009 folgende Wahl in den Bundesrat gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 2 B-VG vorgenommen:

Auf Vorschlag des BZÖ-Klubs wurde zum Ersatzmitglied von Bundesrat Peter Zwanziger, Ing. Gerhard ALTZIEBLER, 9712 Fresach, gewählt.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 12

In der Anlage wird eine aktuelle Liste der vom Kärntner Landtag entsendeten Mitglieder des Bundesrates und ihrer Ersatzmitglieder übermittelt.

Mit freundlichen Grüßen

Lobnig

Anlage

Ergeht nachrichtlich an:

Bundesratsdirektorin Dr. Susanne Bachmann, Dr. Karl Renner Ring 3,1017 Wien“

„Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmitglieder

vom Kärntner Landtag gewählt

Stand: 29.10.2009

30. Gesetzgebungsperiode

BZÖ:

1. MITTERER Peter, geb. 23.11.1946, Gastwirt,9551 Bodensdorf

Ersatzmitglied:

NEUNER Christof Mag.,geb.15.1.1953, Kaufmann, 9020 Klagenfurt

SPÖ:

2. BLATNIK Ana, geb. 19.7.1957, Berufsschullehrerin, 9072 Ludmannsdorf

Ersatzmitglied:

GRILLlTSCH Marie-Theres, geb. 24.10.1988, Studentin, 9020 Klagenfurt

BZÖ:

3. ZWANZIGER Peter, geb. 30.5.1977, Vertragsbediensteter, 9061 Wölfnitz

Ersatzmitglied:

ALTZIEBLER Gerhard Ing., geb. 22.12.1976, Angestellter, 9712 Fresach

ÖVP:

4. PETRITZ Karl, geb. 12.11.1941, Finanzbeamter LR., 9560 Steuerberg

Ersatzmitglied:

GORITSCHNIG Thomas Wolfgang Mag., geb. 2.8.1978, Landesgeschäftsführer, 9071 Kött­mannsdorf“

*****

09.07.49Angelobung

 


Präsident Erwin Preiner: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend.

Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.08.02

Schriftführerin Ana Blatnik: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 13

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Ana Blatnik leisten die Bundesräte Not­burga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich), Dr. Magnus Brunner (ÖVP, Vorarlberg), Ef­gani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich), Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich), Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich), Ewald Lindinger (SPÖ, Ober­österreich), Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg), Cornelia Michalke (ohne Fraktionszuge­hörigkeit, Vorarlberg), Elmar Podgorschek (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberöster­reich), Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg (ÖVP, Oberösterreich), Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich), Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich), Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 


Präsident Erwin Preiner: Geschätzte Bundesrätinnen! Werte Bundesräte! Ich begrü­ße die neuen und die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in un­serer Mitte und wünsche für die zukünftige verantwortungsvolle Aufgabe alles Gute und viel Erfolg. (Allgemeiner Beifall.)

09.11.53Fragestunde

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Vorweg heiße ich den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos sehr herzlich willkommen. (Allgemeiner Beifall.)

Bevor ich jetzt – um 9.12 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, verweise ich da­rauf, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten er­strecken werde.

Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport

 


Präsident Erwin Preiner: Wir kommen nun zur 1. Anfrage an den Herrn Bundesminis­ter, und ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Reisenberger, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister, meine Frage lautet:

1702/M-BR/2009

„Wie ist der derzeitige Stand der Umsetzung der Bundesheerreform 2010?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Der Stand der Umsetzung ist auf­grund der Finanz- und Wirtschaftskrise, die nicht durch die Republik Österreich verur­sacht wurde, sondern, wie wir alle wissen, durch externe Einflüsse, zeitlich einiger­maßen verzögert, aber wir sind trotzdem fest entschlossen, diese Reform, die ja einen Fünfparteienkonsens sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat hat, umzusetzen.

Es ist so, dass wir derzeit ein Budget von knapp über 2 Milliarden € haben – mit dem Sport sind es 2,1 Milliarden €. Mit diesen finanziellen Mitteln werden wir auch diese Bun­desheerreform vorantreiben.

Die öffentliche Diskussion ist eine sehr zwiespältige, würde ich einmal sagen, denn Bun­desheerreform heißt ja nicht nur Anschaffung von neuem Gerät, sondern auch, den Trans­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 14

formationsprozess fortzusetzen, beispielsweise unter dem Motto, das wir uns gemein­sam zum Ziel gesetzt haben: Mehr Geld hin zur Truppe und weniger Geld in die Ver­waltung!

Es gibt, glaube ich, nicht viele Ressorts, die die Verwaltungsreform so ernst nehmen wie das Verteidigungsressort. Wir haben die Verwaltungseinheiten in der Zentralstelle auch gemäß den Vorgaben der Bundesheerreform auf unter 900 Mitarbeiter reduziert, und das – Sie werden es auch mitbekommen haben – ohne Aufwallungen, sondern auch in Zusammenarbeit mit der Personalvertretung, egal welcher Couleur.

Darauf bin ich schon sehr stolz, dass wir einerseits eine Verwaltungsreform eingeleitet haben, die dazu führt, dass wir unsere Ressourcen  sowohl personell als auch budge­tär – zur Truppe hinführen können, während auf der anderen Seite in der Zentralstelle auch Verständnis dafür herrscht, dass über die Jahre ein Abbau gelingt.

Mit dem sogenannten § 113 haben wir es auch geschafft, sozial abfedernde Maßnah­men für die Bediensteten zu schaffen, und das ist, würde ich sagen, doch ein großer Erfolg, ein gemeinsamer Erfolg der Bediensteten des österreichischen Bundesheers, der Personalvertretung und der politisch Verantwortlichen.

Darüber hinaus ist es aber trotzdem auch im Fokus – darauf zielt ja Ihre Frage ab –, die Vorgaben einzuhalten: Reduzierung der Brigaden von fünf auf vier, der Verbände von 54 auf 39. Wir sind dabei, das aufzufüllen. Das heißt, es geht nicht nur um Beschaf­fungsvorgänge; das möchte ich gleich vorwegschicken.

Wir haben in drei Bereichen budgetäre Probleme, das möchte ich nicht verhehlen, und zwar – das kommt ja auch in einer Frage zum Ausdruck – bei der Nachbeschaffung der Allschutz-Transportfahrzeuge, bei der noch zu klärenden Frage, was – wie es Neu­deutsch so heißt – das Upgrading und Updating der Hubschrauber betrifft, und schließ­lich bei der ebenfalls noch zu klärenden Frage, was wir, nachdem wir 15 Eurofighter beschafft haben, eine Stufe darunter machen, nämlich bei der Nachbeschaffung der Saab 105, in welcher Weise auch immer.

Da ist Kreativität auch vom österreichischen Bundesheer, vom Generalstab gefordert, und das wird sich in den nächsten Monaten sozusagen auch Ihnen gegenüber darstel­len, indem wir Ihnen sagen, wie wir aufgrund des engeren Gürtels, den wir uns anlegen mussten – alles andere wäre eine Lüge, wenn man das hier im Hohen Haus nicht sa­gen dürfte –, trotzdem die Möglichkeit haben, budgetär darauf einzuwirken.

Abschließend gesagt: Die ÖBH 2010 ist eine Reform, die den Titel „2010“ trägt, die aber nie mit dem Jahr 2010 als Abschluss konzipiert war, sondern ungefähr in den Jah­ren 2011, 2012 zum Abschluss kommen hätte sollen. Aufgrund der neuen budgetären Entwicklungen, die die Bundesregierung gemeinsam beschlossen hat, mit dem Finanz­minister, mit dem Herrn Bundeskanzler, werden wir den Reformprozess ungefähr bis ins Jahr 2015 strecken müssen.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Vorweg: Ich bin sehr froh, Herr Minis­ter, dass Sie diese Sache so realistisch, realitätsbewusst und umfassend betrachten.

Nichtsdestotrotz: Wie lange wird es bei etwa gleichbleibenden Rahmenbedingungen dauern, bis die Empfehlungen der Bundesheerreformkommission gänzlich umgesetzt werden?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Meinen Vorgaben zufolge, den politischen Vorgabe zufolge müsste dieser Reformprozess bis zum Jahr 2015 abgeschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 15

In Güssing ist jetzt ein Spatenstich erfolgt. Die Idee der Bundesheerreform beinhaltete unter anderem auch eine neue Konzeption der Liegenschaften, des Liegenschaftswe­sens, der Zusammenführung von gewissen Verbänden wie beispielsweise im Burgen­land das Jägerbataillon 19 auf einen Standort, also Schließung von Oberwart und Pin­kafeld, aber erst dann, wenn Güssing ausgebaut wird – um nur ein Beispiel zu nennen.

Wir haben diesen Spatenstich am letzten Wochenende gesetzt. Allen Unkenrufen zum Trotz ist es uns gelungen, auch da kreativ mit der Bundesimmobiliengesellschaft dafür zu sorgen, dass die Finanzierung gesichert ist. Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass mein Vorgänger, der jetzige Landeshauptmann von Tirol, Günther Platter, eigent­lich vorgehabt hat, schon 2006 dort tätig zu werden. Er hat es nicht geschafft. Das ist jetzt kein Vorwurf an ihn, sondern es ist auch eine finanzielle Vorgabe des Budgets.

Ich gebe offen zu, ich selbst war, als ich noch nicht in dieser Funktion als Minister war, ein Kritiker der Verkäufe beziehungsweise auch des nicht sehr transparenten Vorgan­ges: Was wird verkauft? Welche Liegenschaften sollen geschlossen werden? Aber mittlerweile habe ich natürlich bemerkt, dass auch in diesem Ressort Politik die Kunst des Möglichen ist – um hier einen nicht meiner Partei angehörigen sehr berühmten Mann zu zitieren –, und die Kunst des Möglichen ist es auch, die Finanzierung so zu etablieren und zu verankern, dass das dann auch tatsächlich umgesetzt werden kann.

Es geht hier um drei Bereiche:

erstens die Personalsache, die ich angesprochen habe, die Verbände aufzufüllen – das ist ganz wichtig für uns, dass wir es auch schaffen, dass die Bediensteten des ös­terreichischen Bundesheeres bereit sind, 20, 30 Kilometer mehr zu fahren, um einen neuen, qualitativ wichtigen Arbeitsplatz einzunehmen –,

zweitens, die Liegenschaften so auszugestalten, dass teilweise der Verkauf – und hier sind wir „in time“ – vorangetrieben werden kann, und

drittens, dass wir die Beschaffungen, die wir brauchen, auch tatsächlich durchführen können.

Ich sage Ihnen offen, wir haben in meiner Amtszeit 520 Millionen € entgegen so man­cher öffentlichen Kritik in Investitionen pumpen können und haben jetzt schon 520 Mil­lionen € in Investitionen gebunden, die wir in den nächsten zwei bis drei Jahren durch­führen können.

Aber Ihre Frage mit einem Satz beantwortet: Ich schätze, dass wir diese Reform im Jahr 2015 abschließen können.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Hensler.

 


Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Der im Regierungsübereinkommen vorgesehene Evaluierungsbeirat zur Bun­desheerreform hat noch nicht seine Arbeit aufgenommen. Meines Wissens hätte heute die erste Sitzung unter Ihrem Vorsitz stattfinden sollen. Unklar ist mir, wieso Sie schon am 24. Oktober das Ergebnis vorweggenommen haben, nämlich Verzögerung der Um­setzung der Heeresreform. Ich persönlich finde diese Aktion zweifelsohne nicht zielfüh­rend. (Bundesrat Gruber: Was ist das für eine Zusatzfrage?)

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Es war keine Frage formuliert, aber ich bin gerne bereit, zu antworten. Natürlich hat dieser Evaluierungsbeirat die Arbeit aufgenommen. Es hat eine konstituierende Sitzung gege­ben. Ich bin heute dem Ansuchen der ÖVP nachgekommen, diesen Evaluierungsbeirat für heute abzusagen, da es eine Sondersitzung des Nationalrates gibt. Es ist dies der


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 16

Respekt der Exekutive vor der Legislative, aber wir haben einen klaren Zeitplan und wollen bis zum 20. Jänner des nächsten Jahres auch die Arbeit der Reformkommission unter Helmut Zilk evaluieren.

Vielleicht um gleich zwei weitere Zusatzfragen vorwegzunehmen:

Erstens: Nach dem bedauerlichen Tod von Helmut Zilk habe ich völlig bewusst den Vorsitz selbst übernommen. Das hat aber überhaupt nichts damit zu tun, dass wir hier von unserer Seite lenkend eingreifen wollen. Helmut Zilk ist leider verstorben, er hat tolle Arbeit geleistet, es war ein Fünfparteienkompromiss, der diese Reformarbeit er­möglicht hat, und wir werden auch, wie gesagt, bis zum 20. Jänner schonungslos alle offenen Fragen mit einem Ampelsystem – rot heißt: nicht verwirklicht; gelb: ist in Ver­wirklichung; grün: ist verwirklicht – evaluieren. Das ist auch die Aufgabe der politischen Führung des Heeres und meiner operativen Generäle, des Generalstabes des österrei­chischen Bundesheeres.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kerschbaum.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Es ist schön, dass „grün“ verwirklicht heißt. – Meine Frage lautet: Welche Bereiche wird die Verzögerung, die sich jetzt bei der Bundesheerreform ergibt, besonders betreffen, und mit welchen Folgen rechnen Sie dabei?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Ganz kurz beantwortet: Es wird nicht den Bereich des Personalmanagements betreffen, ganz im Gegenteil, da sind wir unseren Vorgaben eher schon voraus. Ich habe das mit der Reform der Zentralstelle angesprochen. Nennen Sie mir bitte ein Ministerium, wo das in dieser Form schon umgesetzt wurde! Es wird sehr viel über Verwaltungsreform in Österreich gesprochen, aber wirkliche Beispiele können Sie im Verteilungsministerium finden. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Wo es wirklich Verzögerungen gibt, das ist in den drei Punkten, die ich angesprochen habe. Da ist es eine Frage der Kreativität, auch des Generalstabes, was Umschichtung von Mitteln betrifft. Das geht es um die Allschutz-Transportfahrzeuge, um die Frage der Hubschrauber und um die Frage der Nachfolge für die Saab 105. Das sind eigentlich diese drei Hotspots, die wir auf eine längere Bank schieben mussten, das gebe ich durchaus zu. Aber an diesen drei Beschaffungsvorgängen wird das österreichische Bundesheer nicht scheitern, ganz im Gegenteil, wir haben ja in Bereichen wie Katastro­phenschutz, Auslandseinsätzen und Assistenzeinsätzen in den letzten Wochen bewie­sen, dass wir handlungsfähig sind und dass wir auch mit einer knappen budgetären Situation in der Lage sind, unsere Aufgaben voll zu erfüllen.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, und ich ersuche den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Perhab, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, mei­ne Frage lautet:

1699/M-BR/2009

„Warum ist es in der letzten Gesetzgebungsperiode des Nationalrates trotz außeror­dentlicher budgetärer Bedeckung nicht zum Ankauf der Allschutz-Transportfahrzeuge gekommen?“

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich weiß nicht, was Sie unter „außerordentlicher budgetärer


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 17

Bedeckung“ verstehen. Ich hätte gerne eine solche. Die gibt es aber nicht. Wenn Sie damit meinen, dass wir Kreativität zeigen sollen und müssen, was beispielsweise den Erlös aus Liegenschaftsverkäufen betrifft, dann bin ich bei Ihnen, und da ist es trotz so mancher trauriger Verhandlungsmasse mit dem Herrn Finanzminister – was ich aber aufgrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise verstehe – gelungen, dass wir sagen, wir können budgetär auch umschichten, was früher nicht der Fall war.

Das meine ich jetzt sehr ernst. Das ist eine Innovation, auch in der österreichischen Fi­nanz- und Budgetpolitik, die es bisher nicht gegeben hat, nämlich dass man sagt: Okay, was wir einnehmen, können wir selbst ausgeben, wir brauchen nicht mehr, wie es in der Vergangenheit war, einen neuerlichen Beschluss des Finanzministers oder ein Agreement mit dem Finanzminister, was die Anschaffung von Allschutz-Transport­fahrzeugen betrifft, wenn wir meinen, das Geld wäre woanders besser aufgehoben.

Aber Ihre Frage konkret beantwortend: Wir haben das Geld derzeit nicht. Es ist so, dass wir insgesamt über 500 Fahrzeuge beschafft haben. Unter anderem möchte ich daran erinnern, dass wir im letzten Jahr auch sogenannte geschützte Mehrzweckfahr­zeuge ankaufen konnten. Aber eine Investition wie diese Allschutz-Transportfahrzeuge bedarf einer klaren budgetären Planung, die über Jahre hinaus schlagend wird, und dieses Geld haben wir derzeit nicht. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem General­stab, mit unserer Sektion II, die für die Finanzen zuständig ist, entschieden, diesen An­kauf jetzt einmal zurückzustellen und erst in weitere Folge darüber zu beraten, ob es möglich ist, im nächsten oder übernächsten Jahr diese Allschutz-Transportfahrzeuge anzukaufen.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Perhab.

 


Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister, als langjähriger Milizoffizier habe ich doch auch einige Informationsquellen. Stimmt es, dass es bei der Beschaffung dieses Transportfahrzeuges Differenzen innerhalb der Generalität gibt? Es geht ja hier, glaube ich, um zwei Typen, den „Dingo“, der Gott sei Dank in Öster­reich endgefertigt wird, und ein zweites, ein No-Name-Produkt, das ebenfalls von einer Tiroler Firma angeboten wird.

Ist das der Grund für diese Verzögerung – oder gibt es einen zusätzlichen Grund?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Nein, das ist kein Grund. Ich bin auf eines stolz: dass ich in diesen drei Jahren, in denen ich diesem Ressort vorstehen darf, mit keinem Lobbyisten – Eurofighter, Steyr oder was auch immer – persönliche Beziehungen eingegangen bin. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Schennach.) Ich finde das gar nicht so lustig, ich meine das ganz ernst. Ich habe mit denen auch nie persönlich gesprochen.

Diese Beschaffungsvorgänge, die Sie angesprochen haben, kommen zu Recht nicht zum Minister, erst in einer letzten Phase, aber Sie haben recht, es hat drei Firmen ge­geben, die angeboten haben. Eine wurde ausgeschieden. Eine zweite, eine Tiroler Fir­ma, hat sich auch beworben. Aber das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass es in­nerhalb des österreichischen Bundesheeres, im Generalstab oder auf der politischen Ebene eine Präferenz für eine Firma gibt.

Das müssen Sie mir oder sollten Sie mir, bitte, glauben, denn das Schlechteste, was ein Minister machen kann, ist, dass er sich in diese Dinge verstrickt, obwohl bei jeder Veranstaltung, bei der ich dabei bin, 27 Lobbyisten versuchen, an mich heranzutreten und ihre aus ihrer beruflichen Sicht her auch berechtigten Forderungen an mich heran­zutragen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 18

Das ist aber nicht der Grund. Wir haben die Firmen informiert, dass dieser Beschaf­fungsvorgang finanziell nicht abdeckbar ist, und deswegen haben wir diesen Beschaf­fungsvorgang auch zurückgestellt. Das hat überhaupt nichts mit der Qualität der Pro­dukte zu tun. Die von Ihnen angesprochene Tiroler Firma ist eine hervorragende Firma.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Reisenberger.

 


Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Die Gerüchtebörse ist auch nicht im­mer die richtige, aber, Herr Minister, Sie haben als erklärtes Schwergewicht weitere In­vestitionen, unter anderem auch in sogenannte gehärtete Fahrzeuge zum Schutz der Truppen, festgelegt, Stichwort: geschützte Beweglichkeit. Die geplante Beschaffung weiterer Allschutz-Transportfahrzeuge ist da ja wohl nur eine Komponente, um diesem Ziel zu entsprechen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Herr Bundesrat, eine Fragestunde im Bundesrat ist natürlich nicht dazu da, sozusagen gro­ße politische Zukunftsvisionen zu wälzen (Bundesrat Mag. Klug: Man kann es probie­ren!) – man kann es probieren, ja –, aber ich möchte schon dazu sagen, dass das, was in den Medien teilweise kolportiert wird, falsch ist. Das österreichische Bundesheer ist nicht tot. Das österreichische Bundesheer hat in dem von Ihnen angesprochenen Be­reich über 570 Fahrzeuge angekauft, geländegängige Lkws mit Wechselaufbauten. Wir haben in sehr vielen Bereichen, im San-Bereich beispielsweise, neue Fahrzeuge ange­kauft. Das heißt, wir haben auch, was unsere internationale Einbettung und Einbindung betrifft, Vorsorge getroffen.

Und das ist jetzt die Zukunftsfrage: Wir sind ein neutraler Staat, haben uns aber zu hundert Prozent zur Einbindung in die europäische Sicherheits- und Verteidigungspoli­tik bekannt. Deswegen werden wir auch in Zukunft Gerät anschaffen, und, wie gesagt, 575 Lkws ist ja nicht nichts, sondern das ist relativ viel. Wir haben also in diesem Bereich relativ große Investitionen getätigt. Ich habe es schon angesprochen, es sind 520 Millionen €.

Jeder, der rund um den Nationalfeiertag auf dem Heldenplatz war, hat sich auch davon überzeugen können, dass wir beispielsweise bei der ABC-Abwehr, also im Bereich der chemischen und der atomaren Bedrohung mit eigenen San-„Dingos“ Vorsorge geleistet haben. Das ist doch etwas, was man auch herzeigen kann.

Darüber hinaus haben wir – ich möchte nicht zu lang werden, aber das wäre mir noch wichtig, denn ich muss ganz offen sagen, wir müssen in diesem Bereich noch mehr Gelder umschichten – auch darauf geschaut, dass unsere Soldatinnen und Soldaten in ihrer persönlichen Ausrüstung, was die Kampfanzüge betrifft, auf einen Standard kom­men, der sozusagen für die gesamte österreichische Armee, für das gesamte österrei­chische Bundesheer gleichwertig ist.

Das ist das, was ich auch aus sehr vielen Gesprächen mit Soldatinnen und Soldaten erfahre, dass diese persönliche infrastrukturelle – wenn ich das so technisch sagen darf – Ausrüstung den Soldatinnen und Soldaten ganz wichtig ist, neben Dingen, die, auch was die Kasernen betrifft, im Infrastrukturbereich angesiedelt sind. In diesem Be­reich haben wir einiges gemacht.

Wir haben uns aber auch – das sage ich auch offen – ein sehr enges Korsett gegeben, was Prioritätenlisten betrifft. Aus meiner Sicht – das ist ein bisschen weggehend von Ihrer Frage – ist es nicht vertretbar, dass über 30 Soldaten in einer Wohneinheit, wenn ich das so sagen darf, oder in einem Schlafraum beheimatet sind. Jetzt in Güssing ha­ben wir mit Einheiten, die bis zu vier Soldatinnen und Soldaten aufnehmen können,


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 19

einen Spatenstich gesetzt, und das wäre sozusagen das Ziel, weil die Grundwehrdie­ner, die das österreichische Bundesheer am Leben erhalten, auch die Möglichkeit ha­ben sollen, beste Infrastruktur vom österreichischen Bundesheer zu bekommen.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister, ich verste­he das natürlich, dass Sie Ihre Tätigkeit im bestmöglichen Licht darstellen. Tatsache ist aber, dass Ihnen auch die Bundesheer-Reformkommission damals unter der Leitung von Helmut Zilk gesagt hat, Sie bräuchten 1 Prozent des BIP, um ein ordentliches Bun­desheer zu haben. Tatsächlich haben Sie 0,7 Prozent.

Zur Frage der Allschutz-Transportfahrzeuge: Sie haben gesagt, 500 Lkws beziehungs­weise 500 Fahrzeuge seien angeschafft worden. Das sind ja nicht nur diese Allschutz-Transportfahrzeuge, daher die Frage: Wie viele solcher Allschutz-Transportfahrzeuge bräuchten Sie denn eigentlich?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Minister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Wir sind mit dem jetzigen Bestand gut aufgestellt, aber die Planung war eben, noch zirka 150 Allschutz-Transportfahrzeuge anzukaufen.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, und ich ersuche den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Mitterer, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister, meine Frage an Sie:

1705/M-BR/2009

„Wie ist der Stand der Vorbereitungen für eine österreichische Teilnahme an den EU-Battlegroups vor allem in personeller Hinsicht?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich danke für die Frage, denn sie ist eine ganz zentrale, was die österreichische Verteidigungspolitik der Zukunft betrifft.

Wir haben derzeit 1 100 Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz – das hat nichts mit den Battlegroups zu tun –: im Tschad, wo wir jetzt herausgehen, am Golan, wo wir eine weitere Verlängerung beschlossen haben, im Kosovo mit 600 bis 700 Mann, in Bosnien mit 100 Mann. Da wird sich einiges tun in der nächsten Zeit, weil die politi­schen Vorgaben sich vor allem am Westbalkan geändert haben.

Österreich hat sich trotz des Neutralitätsstatus, den ich schon angesprochen habe, zu den sogenannten Battlegroups bekannt – aus meiner Sicht ein semantisch falscher Aus­druck, „Kriseninterventionstruppen“ würde mir besser gefallen. Wir werden im Jahr 2011 gemeinsam mit den Niederlanden, die die Lead Nation sein werden, und mit anderen Nationen wie Deutschland, Finnland und Litauen erstmals in diesen Battlegroup-Pro­zess „hineinschnuppern“ – unter Anführungszeichen – und werden 180 Soldatinnen und Soldaten stellen. Wir werden im Jahr 2012 diesen Anteil noch einmal auf 350 Sol­datinnen und Soldaten erhöhen. Das wird gemeinsam mit der Lead Nation Deutsch­land passieren, mit Tschechien, Irland und Kroatien. Das ist doch ein klarer Beitrag und ein klares Bekenntnis zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidi­gungspolitik. Die Planungen sind abgeschlossen, und die budgetäre Absicherung ist auch gegeben.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 20

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Das wäre auch meine Zusatzfrage gewesen, ich stelle sie trotzdem: Wie wird sich – nun auch vielleicht in Zahlen belegbar – diese Teilnahme auch budgetär für Österreich auswirken?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Die Zahlen kann ich jetzt nicht sagen, aber das hängt natürlich auch von der Qualität ab, die wir dort hinschicken. Es hat Planungen des Generalstabes gegeben – ich sage das hier auch ganz offen –, die durchaus in die Richtung gegangen sind, dass wir 2012 möglicherweise sogar Lead Nation geworden wären mit 800 Soldatinnen und Soldaten. Ich glaube, das wäre für Österreich zu teuer gewesen, daher unser Beitrag von 350 Sol­daten.

Ich meine, ich möchte Sie keinesfalls belehren, aber Sie wissen ja, was Battlegroups sind. Battlegroups sind Gruppen, die im Inland ausgebildet werden und unter dem Kommando einer gewissen Lead Nation im Krisenfalle auch tätig werden sollen. Es hat bisher Gott sei Dank, sage ich ganz offen, keinen Anlassfall gegeben, diese Battle­groups auch tatsächlich zu beschicken.

Es gibt sehr viele Länder, beispielsweise Schweden, das jetzt den Vorsitz in der Euro­päischen Union hat, die sagen, man könnte Battlegroups auch dazu benutzen, bei „normalen“ Missionen beziehungsweise bei Missionen wie im Tschad und so weiter tä­tig zu werden. Da gibt es eine klare Mehrheit innerhalb der Europäischen Union, dass das nicht der Fall sein soll, sondern dass die Kriseninterventionstruppen auch für wirkli­che Kriseninterventionsszenarien ausgebildet werden und dann nur im Notfall zum Ein­satz kommen.

Das heißt – ich bitte um Verständnis, ich kann Ihnen das schriftlich nachreichen –, es ist momentan relativ schwierig, den genauen Euro-Betrag herauszurechnen, weil natür­lich die Soldatinnen und Soldaten im österreichischen Bundesheer beschäftigt sind. Man müsste daher sozusagen diesen Mehrbetrag herausrechnen.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Kühnel.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Zuerst eine erklärende Bemerkung: Beim Auslandseinsatz gibt es den Erstein­satz und die Folgeeinsätze. Der Ersteinsatz ist berufssoldatenintensiv, beim Folgeein­satz wird der Milizanteil gesteigert. Nun wurde aber die Milizverpflichtung abgeschafft, es gibt jetzt die freiwillige Miliz. Aus dem heraus wird es auf jedem Fall zu einer Reduk­tion der Miliz kommen.

Und jetzt die Frage: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie gewährleisten, dass die Aus­landseinsätze des österreichischen Bundesheers insgesamt aufrechterhalten werden können?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrter Herr Bundesrat, Sie sind Experte, Sie kommen ja aus dem österreichischen Bundesheer. Sie wissen, dass die Frage der Miliz eine sehr sensible ist. Das gebe ich durchaus zu.

Ich bin ein Gegner einer Verpflichtung. Ich bekomme das täglich auch in Briefen, in Mails mitgeteilt, dass das auch von den meisten Milizangehörigen so gesehen wird, so gerne sie auch das österreichische Bundesheer auch unterstützen. Aber es geht hier auch um Fragen der Sicherheit des Arbeitsplatzes im Inland und so weiter. Das ist jetzt zwar nicht mein unmittelbarer politischer Bereich, aber das sollte man nicht aus den Augen verlieren.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 21

Sie wissen auch, dass wir beispielsweise in der Mission am Golan einen sehr hohen Milizanteil haben, dass wir bei den Assistenzeinsätzen des österreichischen Bundes­heeres im östlichen Österreich, also in Niederösterreich und im Burgenland, einen sehr hohen Milizanteil haben. Da ist der Anteil sehr hoch, und wir könnten das wahrschein­lich ohne Miliz in dieser Form nicht aufrechterhalten.

Wir versuchen Attraktivierungsmaßnahmen, sowohl finanzieller Art als auch sichtbarer Art, was Anerkennungen im Milizbereich betrifft, durchzuführen. Ich habe den Herrn Generalstabschef Entacher auch beauftragt, mir im Jänner ein Konzept vorzulegen, wie wir diese Attraktivierung der Miliz auch tatsächlich sichtbar machen können.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Todt.

 


Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, nach dem Ausflug zum Auslandseinsatz wieder zurück zu den Battlegroups.

Welchen generellen Nutzen für das österreichische Bundesheer hat die Beteiligung am EU-Gefechtsverbandskonzept und in welcher Form tragen diese Gefechtsverbände zur Weiterentwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bei?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Wir sind in einer politischen Diskussion, wie Sie wissen, beispielsweise was den Vertrag von Lissabon betrifft und auch die Rolle von Staaten wie Österreich, Finnland, Schwe­den, Malta, Luxemburg, die nicht der NATO angehören. Insofern haben wir uns als neutraler Staat aber trotzdem dazu entschieden, diesem Konzept nicht nur beizutreten, sondern es auch aktiv mitzutragen.

Es ist dies auch ein Beitrag Österreichs zu einer Weiterentwicklung dieser europäi­schen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Es geht hier um sehr viele Fragen, bei­spielsweise um die Frage der Rohstoffversorgung in Europa, es geht um die Frage der Handlungsfähigkeit gegenüber Migrationsströmen in Europa, die auch politisch ge­handled werden müssen. Es geht um die Frage, wie wir mit organisierter Kriminalität umgehen.

Wir haben ja gestern innerhalb dieses Gremiums im Bundesrat in einer Enquete auch die Rolle des Bundesheeres, was die innere Sicherheit betrifft, einigermaßen beleuch­ten können, aber welche Aufgaben genau auf eine Battlegroup zukommen könnten, das kann man aus heutiger Sicht nicht sagen. Krisenintervention heißt beispielsweise auch Herausführen von Bürgern der Europäischen Union aus Krisenregionen. Dafür wäre das österreichische Bundesheer natürlich prädestiniert. Wir haben das in der Ver­gangenheit auch bewiesen. Das ist ein Bereich, den ich hier ansprechen kann und ansprechen darf. Aber das ist, wie gesagt, bisher Gott sei Dank nicht zum Tragen ge­kommen.

Es gibt dieses Konzept schon seit einigen Jahren, und – ich sage das jetzt auch ganz offen – es gibt natürlich auch Kritik der Bürger, die sagen, da wird sehr viel budgetärer Anteil hineingepumpt und dann stehen diese Truppen in den Heimatländern zwar be­reit, aber sie werden nicht in Einsätze gebracht. Ich bin aber froh, wenn sie nicht in Ein­sätze gebracht werden müssen. Im Notfall wären wir jedoch bereit, beispielsweise – um einen Bereich noch einmal herauszupicken – diese Krisenintervention so zu verste­hen, Staatsbürger Österreichs oder von Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus Krisengebieten herauszubringen.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Nur eine Bemerkung zu Ihrer letzten Antwort. Also ich denke, die


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 22

Antwort auf Migrationsbewegungen kann ja keine militärische sein. Ich glaube, das ha­ben Sie so auch nicht gemeint.

Nun, ich halte diese Battlegroups – der Name ist unglücklich gewählt – schon für eine wichtige Form der Zusammenarbeit innerhalb der inneren Solidarität in der Europäi­schen Union. Die Frage ist: Diese zur Verfügung gestellten Truppen müssen ja ausge­bildet werden. Leider hat ein frühere Bundesregierung das beste Ausbildungspro­gramm für solche Einsätze, nämlich Zypern, aufgelöst. Welche Änderungen oder Vor­kehrungen werden Sie da hinsichtlich der Ausbildung für diese Battlegroups treffen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Ich merke am Raunen hier, dass meine Antworten zu lang sind, also werde ich mich kurz fassen.

Wir haben jetzt in Planung mit dem Herrn General Ségur-Cabanac, der hier auch unter uns ist und auch mit sicherheitspolitischen und militärpolitischen Agenden in meinem Ressort betraut ist, die Frage zu klären: Wie geht es weiter?

Es ist so, dass wir in Bosnien – nicht von uns verursacht, sondern auch aufgrund von Interessen großer Nationen wie Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland – unter Druck kommen, die meinen, wir sollten aus Bosnien herausgehen beispielsweise und dafür stärker in Afghanistan präsent sein. Das ist nicht meine politische Meinung.

Im Kosovo ist es ähnlich. KFOR ist eine NATO-geführte Mission, die jetzt von 15 000 sehr stark herunterreduziert wird. Ich sage das deshalb, weil wir dann natürlich auch das Potential haben, unsere Truppen anderwärtig zu orientieren. Wir waren sehr lange in Zypern. Zypern ist jetzt keine wirkliche Priorität, was unser Konzept betrifft, aber es gibt natürlich Möglichkeiten, was Zypern betrifft, was den Libanon betrifft, neue Kräfte aufzubauen.

Die Aufbauarbeit bei den Battlegroups erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Lead Nations, die da eben lauten Deutschland, Niederlande, wobei wir bei Deutschland überhaupt ein besonderes Asset haben, weil wir mit Deutschland auch gemeinsam das so genannte ORF-Battaillon stellen. Das hat nichts mit dem Österreichischen Rundfunk zu tun, obwohl Sie, Herr Bundesrat Schennach, Kurator waren und jetzt Stiftungsrat sind, sondern es hat mit den Reserveeinheiten, mit den operationalen Reservekräften zu tun. Da arbeiten wir schon sehr eng mit Deutschland zusammen. Wir haben immer 250 Männer und Frauen abrufbereit, die theoretisch in ganz kurzer Zeit im 14-Tage-Rhythmus, wenn ich das richtig im Kopf habe, auch in den Kosovo oder nach Bosnien gehen könnten, wenn sich die Lage dort politisch verschärfen sollte, was wir alle nicht hoffen.

Aber diese Ausbildungsszenarien gemeinsam mit Deutschland sind sehr wichtig, und wir sind auch – ich möchte Sie nicht langweilen, das ist schon der letzte Satz – in der Lage, diese Truppen auch außerhalb von Krisenszenarien im Einsatzraum, nämlich am Westbalkan, üben zu lassen. Da habe ich ein ruhiges Gewissen und schlafe auch gut, was die Ausbildung dieser Truppen betrifft.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, und ich ersuche den An­fragesteller, Herrn Bundesrat Sodl, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Bundesminis­ter, Sie haben es schon erwähnt. Gestern hat eine Enquete zum Thema Sicherheit stattgefunden. Diese wurde ja vom Bundesrat, von unserem Präsidenten Erwin Preiner organisiert und ins Leben gerufen. Hier war natürlich auch der Assistenzeinsatz ein Thema. Ich darf mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, recht herzlich dafür bedanken, dass Sie dabei waren und auch ganz klar dazu Stellung genommen haben.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 23

Meine Frage lautet:

1703/M-BR/2009

„Wie ist der derzeitige Stand hinsichtlich der Weiterführung beziehungsweise Beendi­gung des Assistenzeinsatzes?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Ganz einfach gesagt: Die Regierung hat sich im Regierungsprogramm – also nicht irgendwo, sondern an doch sehr prominenter Stelle – dazu bekannt, über die Fortführung dieses Assistenzeinsatzes nachzudenken und auch zu beraten. In diesem Regierungspro­gramm steht „unter Einbindung der Bevölkerung“.

„Einbindung der Bevölkerung“ heißt aus der Sicht der Frau Innenministerin und auch aus meiner Sicht, die Frage zu stellen: Wie geht es weiter? Das hat nichts mit Popu­lismus zu tun, sondern einfach damit, wie die Menschen in der Region diesen Assis­tenzeinsatz empfinden, und Sie wissen – das haben wir gestern diskutiert und vorges­tern auch im Burgenland, und am 20. November werden wir es auch in Niederöster­reich diskutieren –, dass es in Niederösterreich und im Burgenland nur Nuancen der unterschiedlichen Wahrnehmung gibt.

Und diese Nuancen lauten: Im Burgenland sagen 86 Prozent der Bevölkerung, sie wol­len eine Weiterführung dieses Assistenzeinsatzes, in Niederösterreich 83 Prozent. Also bei aller Unschärfe von Umfragen wäre jeder falsch gelegen, der behauptet, das ist ge­faked – um das auch mit einem neudeutschen Wort zu sagen –, sondern das ist ein­fach die Meinung der Bevölkerung.

Wir haben hier natürlich ernste Diskussionen zu führen, auch im Generalstab, was die Ausbildungsfähigkeit unserer Soldaten betrifft. Durch die Reduzierung auf sechs Mona­te ist der Spielraum natürlich sehr eng geworden, aber die politische Entscheidung – und ich bitte, da das Primat der Politik auch zu berücksichtigen – ist aus meiner Sicht so zu fällen, dass wir diesen Assistenzeinsatz noch ein Jahr weiterführen sollten. Die Entscheidung wird in den nächsten Wochen fallen, und wir werden das auch im Minis­terrat diskutieren.

Es ist richtig, dass es eine Unterscheidung zu der Zeit zwischen 1990 bis 2007 gibt. Das war dieser „harte“ – unter Anführungszeichen – Assistenzeinsatz an der grünen Grenze mit Exekutivgewalten wie der Möglichkeit, Ausweise zu kontrollieren, der Mög­lichkeit, Menschen anzuhalten. Jetzt haben wir diese Light-Version, die im Hinterland angesiedelt ist, auch aus Rücksicht auf jene Staaten, die dem Schengen-Abkommen beigetreten sind, den neuen Staaten wie Ungarn, Slowenien, Tschechien, Slowakei.

Aber Politik sollte sich ja nicht ganz von den Interessen der Menschen verabschieden, also insofern stehe ich für die Weiterführung dieses Assistenzeinsatzes bereit. Wir ha­ben zwischen 1990 und 2007 zirka 90 000 illegale Grenzgänger aufgegriffen. Wir ha­ben jetzt in dieser neuen Light-Version 1 800 Meldungen an die Exekutive weiterge­leitet. Und aus sehr vielen Gesprächen mit Unternehmern, mit Bürgern aus Niederös­terreich und dem Burgenland weiß ich, dass alleine die Präsenz der Bundesheersol­daten eine gewisse abschreckende Wirkung haben kann, was nicht heißt, dass man die Exekutivgewalt, in diesem Fall die Polizei, aus ihrer Verantwortung entlassen kann

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Die wurde schon beantwortet, danke.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Jany.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 24

Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister, die Fortführung des Assistenzeinsatzes für 2010 ist budgetär nicht mehr dargestellt. Wie wollen Sie die budgetäre Bedeckung des Assistenzeinsatzes sicherstellen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Der Einsatz des Bundesheeres an der Grenze ist gewährleistet. Wir rechnen ungefähr mit 11 Millionen €, die dieser Assistenzeinsatz kostet. Wenn wir ein Budget von 2,1 Milliar­den € im österreichischen Bundesheer gemeinsam mit dem Sport haben – nehmen wir den Sport weg, dann sind es 2 Milliarden € –, dann ist diese 11 Millionen-Post aus mei­ner Sicht auch darstellbar, weil sie den Interessen der österreichischen Bevölkerung zugutekommt und sich mit diesen Interessen auch deckt.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, und ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Kühnel um deren Verlesung.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Bundesminister, meine Fra­ge lautet:

1700/M-BR/2009

„Wie werden nunmehr im Zuge der Bundesheerreform die maßgeblichen Positionen in den Militärkommanden eingestuft?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Ich ha­be mich als Bundesminister für Landesverteidigung am Beginn meiner Tätigkeit vor knapp drei Jahren zur Weiterführung der Militärkommanden bekannt. Wir haben aus den Ergebnissen der Bundesheerreformarbeit unter dem Vorsitz von Helmut Zilk – aber, noch einmal gesagt, mit einem Fünfparteienkompromiss – auch klar festgelegt, wie es weitergehen soll.

Ich habe einige Zeichen nach außen gesetzt wie beispielsweise die Beibehaltung der Militärmusikkapellen in den Bundesländern, und wir sind derzeit in Diskussion und Ver­handlung mit dem Bundeskanzleramt, was die Wertigkeit von Dienstposten in den Mili­tärkommanden betrifft.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen – das sage ich jetzt auch in aller Offenheit –, dass die Ergebnisse der Bundesheerreformarbeit, wie sie unter Helmut Zilk als Vorsit­zendem der Bundesheerreformkommission, aber auch unter Günther Platter als poli­tisch Verantwortlichem ausverhandelt worden sind, auch von neun Landeshauptleuten unterzeichnet worden sind, das heißt, dass auch eine adäquate Straffung der Arbeit der Militärkommanden von den Bundesländern akzeptiert wurde.

Es könnten sich nur zwei Landeshauptleute bemüßigt fühlen, sich nicht an diese Ver­einbarung zu halten, das ist der Kärntner Landeshauptmann Dörfler, weil den Kontrakt der verstorbene Landeshauptmann Haider unterschrieben hat, und das ist der Landes­hauptmann der Steiermark, Voves, der damals nicht Landeshauptmann war, sondern es wurde von Waltraud Klasnic unterzeichnet. Alle anderen sieben sind nach wie vor im Amt, und ich werde sie auch beizeiten daran erinnern, dass sie dieser Art des Zu­rückführens der Militärkommanden, was die Aufgaben betrifft, auch zugestimmt haben.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Die Republik Österreich ist auf fö­deralen Strukturen aufgebaut, die sich nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch in der Verwaltung und Vollziehung widerspiegeln. So arbeiten die Militärkommanden für


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 25

den Katastrophenschutz, für die Assistenzdienstleistungen sowie im allgemeinen für die Einsatzbereitschaft auf Landesebene durchaus effizient und bürgernah.

Ist durch die Bundesheerreform gewährleistet, dass die Militärkommanden als födera­les Instrument im notwendigen Umfang erhalten bleiben?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Herr Bundesrat, das ist gewährleistet. Es gibt einen Bereich – meine politischen Freunde, aber auch meine politischen Gegner sagen, dass ich da vielleicht zu offen bin –, in dem eine Abwertung zu erwarten ist, das ist im Bereich des Sanitätswesens. In allen ande­ren Bereichen ist die Aufgabe der Militärkommanden aufrecht, so wie sie jetzt auch wahrgenommen wird. Und Sie haben natürlich recht – ich war ja selbst sehr lange in einem Bundesland tätig –, dass die Militärkommanden direktes Bindeglied sowohl zur politischen Führung eines Bundeslandes als auch zur Bevölkerung sind. Zu dem stehe ich zu hundert Prozent.

Wir werden uns auch – das möchte ich in diesem Kreis auch ganz offen sagen – zur Wehr setzen, was Abwertungen von Dienstposten betrifft, beginnend bei den Militär­kommandanten. Das ist zwar nicht sozusagen der Kern einer Reform, sich dafür einzu­setzen, ob sieben oder acht Dienstposten abgewertet werden, aber ich stehe dazu, dass auch nach außen hin das Zeichen sichtbar sein muss, dass ein Militärkomman­dant von seiner Wertigkeit her innerhalb der Truppe und auch gegenüber dem Landes­hauptmann, gegenüber der Bevölkerung eine gewisse Rolle einzunehmen hat.

Also wir werden in harten Verhandlungen mit dem Bundeskanzleramt auch dafür Sorge tragen und versuchen zu erreichen, dass es keine Abwertungen von Dienstposten in­nerhalb der Militärkommanden gibt.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kemperle.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Welche Aufgaben sind den Militärkommanden hinkünftig übertragen?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Minister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Die gleichen Aufgaben, die sie bis jetzt haben. Wie gesagt, abgewertet wird im Bereich des San-Wesens, wo es noch eine politische und auch eine taktische Diskussion innerhalb des österreichischen Bundesheeres gibt, ob es sinnvoll ist, in diesem Sanitätswesen aufgrund von vielleicht höherer Kompetenz Dinge stärker zu zentralisieren. Aber es bleibt dabei, dass das Militärkommando – egal, welchen Landes – dazu aufgerufen ist, sowohl im Katastrophenfall als auch im Fall des Kontaktes zu den jeweiligen politi­schen Gremien des Landes die Kompetenzen zu behalten, die es jetzt hat. Dazu stehe ich.

Beim Sanitätswesen gibt es noch einen gewissen Aufklärungs- und Diskussionsbedarf. Es ist keine ideologische Frage, die hier gestellt wird, es war einfach eine fachliche Frage, die auch im Rahmen der Diskussion um die Bundesheerreform aufgetaucht ist. Aber es wird keine weitere Abwertung der Militärkommanden geben, ganz im Gegen­teil, sie bleiben in dieser Form bestehen, die sie jetzt haben.

Ich möchte vielleicht einen Punkt dazu sagen, weil Sie das jetzt gefragt haben: Das Gerücht, dass Ergänzungsabteilungen von den Militärkommanden weggenommen wer­den, stimmt nicht.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen zur 6. Anfrage, und ich ersuche den Anfrage­steller, Herrn Bundesrat Schennach, um deren Verlesung.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 26

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir kommen indirekt zur Bundesheerreform zurück.

Meine Frage lautet:

1706/M-BR/2009

„Welchen Zweck erfüllt die überholte – und zuletzt vor allem durch tragische Unfälle in Erscheinung getretene – Waffengattung der Artillerie bei der Erfüllung der derzeitigen Aufgaben des Bundesheeres und insbesondere nach abgeschlossener Bundesheerre­form?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, diese Frage kommt nicht ganz überraschend. Es ist natür­lich so, dass diese Fälle sehr tragisch sind. Ich möchte aber auch die Gelegenheit nut­zen, zu sagen – so tragisch es für jeden Einzelnen ist, vor allem für die Familien, ich musste auch der Familie eines Soldaten „beistehen“, unter Anführungszeichen, ich war am Begräbnis dieses Soldaten, der aufgrund eines Materialfehlers unverschuldet zu Tode gekommen ist –, dass wir im Rahmen der Bundesheerreform, bei welcher auch Herr Abgeordneter Pilz ein sehr prominentes und aktives Mitglied war, übereingekom­men sind, dass wir auch bei der Umsetzung der sogenannten Petersberg-Aufgaben im österreichischen Bundesheer die Artillerie in einem gewissen Ausmaß aufrechterhalten müssen.

Deswegen stehe ich auch dazu, dass die Artillerie in diesem Ausmaß, wie wir sie jetzt haben, wie sie nicht überbordend ist, sondern eine Bedeutung hat, wenn es darum ge­hen würde – was wir alle nicht hoffen –, Petersberg-Aufgaben zu erfüllen, auch beibe­halten werden soll. Die Diskussion, die Artillerie gesamtheitlich abzuschaffen, halte ich für falsch. Ein Bundesheer ohne Artillerie wäre ein amputiertes Bundesheer. Deswegen stehe ich auch dazu, dass diese Waffengattung beim österreichischen Bundesheer bei­behalten wird.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Der springende Punkt Ihrer Antwort ist ja: „in einem gewissen Ausmaß“. Wir sprechen von Katastro­pheneinsätzen, von Assistenzeinsätzen, von Sicherungseinsätzen. Da kommt eigent­lich überall keine Artillerie zum Einsatz. Deshalb die Frage: Was verstehen Sie unter „in einem gewissen Ausmaß“?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Wenn Sie sich zurückerinnern, haben wir vor der Bundesheerreform in der Heeresgliederung ein wesentlich stärkeres Element im Artilleriebereich gehabt. Das wurde jetzt reduziert. Wir haben uns auch – das möchte ich dazusagen, und es ist mir politisch ganz wichtig, das zu sagen – im Bereich der internationalen Gemeinschaft dafür eingesetzt, Spreng­granaten zu verbieten. Österreich ist da Vorreiter.

„Ein gewisses Ausmaß“ heißt, dass wir die Artillerie, wie wir sie jetzt haben, in dem Umfang, in dem wir sie jetzt haben, aufrechterhalten sollten. Das halte ich für gerecht­fertigt.

Ich würde darum bitten – aber das ist keine Kritik an Ihnen, Sie haben das nie ge­macht –, dass man Unfälle nicht sozusagen aufrechnet und sagt: Aufgrund eines Un­falles oder in diesem Fall zweier Unfälle, einer durch menschliches Versagen und einer


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 27

durch Versagen im materiellen Bereich herbeigeführt, heißt das, dass man sozusagen eine ganze Waffengattung abschaffen sollte.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Lugsteiner.

 


Bundesrätin Juliane Lugsteiner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minis­ter, Sie haben diese Unfälle schon angesprochen.

Meine Frage: Welche Maßnahmen wurden infolge der tragischen Unfälle gesetzt?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die gesetzt worden sind. Ich sage Ihnen, es war nicht ein­fach für mich, ich gebe das durchaus zu.

Ich war persönlich in Allentsteig. Es hätte bei dem ersten Unfall noch viel mehr passie­ren können, als ein Richtschütze fälschlicherweise den Computer sozusagen außer Betrieb gesetzt hat und auf seine persönliche Kompetenz gesetzt hat, was ein Fehler war. Wir haben das Scharfschießen sofort unterbrochen. Wir haben die Ursachen wirk­lich schonungslos aufgedeckt. Das war nicht immer ganz einfach, weil man auch sagt: Kameraden sind betroffen, auch Personen, die in dieser Region leben, sind betroffen – aber es tut mir leid, das kann ich so nicht akzeptieren.

Der betroffene Soldat war eben aus dem Bereich Allentsteig. Wir haben ihn dann aus seinem Bereich abgezogen. Wir haben natürlich – was allerdings mit dem Unfall nicht direkt zu tun hat – die Angehörigen informiert und die psychologische Betreuung si­chergestellt, und wir haben gewährleistet, dass auch eine seelsorgerische Betreuung Platz greifen konnte.

Beim zweiten Fall haben wir das Schießen sofort eingestellt und auch den Munitions­zünder, der offensichtlich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit als Unfallsursache zu be­zeichnen ist, gesperrt. Das heißt, wir haben, solange der Fall nicht zu hundert Prozent geklärt ist, auch dafür gesorgt, dass mit dieser Munition nicht mehr geschossen wird. Wir haben auch sehr stark reduziert. Wir haben dann eigentlich das Schießen in Allent­steig über einen längeren Zeitraum eingestellt, um die Ursache ganz klar aufarbeiten zu können.

Wir haben auch andere Zünder, von einer anderen Firma. Jedenfalls haben wir den Zünder dieser Firma gesperrt, das halte ich auch für richtig. Das muss aufgearbeitet werden, weil es aus meiner Sicht und meines Wissens – und es sind heute ja sehr vie­le Generäle und Angehörige des Generalstabs unter uns – noch nie passiert ist, dass aufgrund eines Materialfehlers ein derart schrecklicher Unfall passieren konnte.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister, ich bedanke mich für die klare Antwort in der Hauptfrage, dass Sie die Artillerie, die ja in meiner unmittelbaren Heimat angesiedelt ist, aufrechterhalten wollen, und stelle auch fest, dass das österreichische Bundesheer eine Hauptaufgabe und viele andere Aufgaben hat. Einige Personen würden es vermutlich gerne sehen, dass man das ös­terreichische Bundesheer nur noch bei Auslandseinsätzen oder bei der Bewältigung von Katastrophen einbindet. Diese beiden Aufgaben sind auch sehr wichtig.

Aber jetzt meine Frage: Ist es für Sie auch nach abgeschlossener Bundesheerreform wichtig, zur Sicherstellung der Hauptaufgabe des österreichischen Bundesheeres, nämlich der Landesverteidigung, die Fähigkeit zum Kampf im verbundenen System al­ler Waffengattungen sicherzustellen? – Die Betonung liegt auf aller Waffengattungen.

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 28

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrter Herr Bundesrat, Sie wissen, dass ich nicht beim Bundesheer war. Aber ich bekenne mich allgemein zu dieser umfassenden Landesverteidigung sowie auch zu al­len Waffensystemen des österreichischen Bundesheeres. Das gilt für die Luftraum­überwachung; ob ich für den Eurofighter war oder nicht, ist jetzt zweitrangig, es geht um die Luftraumüberwachung als solche. Es geht auch im Artilleriebereich darum, si­cherzustellen, dass diese Waffengattung im österreichischen Bundesheer bleibt.

Insofern kann ich Ihre gesamtheitlich gestellte Frage – mit welchem Hintergrund auch immer, aber das ist kein Vorwurf – nur mit ja beantworten.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Zwanziger.

 


Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Minister, meine Frage lautet: Bis wann wird die geplante Umstellung der Jagdpanzer Kürassier und Schützenpanzer auf Allschutz-Transportfahrzeuge abgeschlossen sein?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Das hängt ja mit anderen Fragen zusammen, die wir heute schon diskutiert haben. Ich hof­fe, dass es bis zum Jahr 2016 oder 2017 so weit sein kann.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir kommen nun zur 7. Anfrage, und ich ersuche den Anfra­gesteller, Herrn Bundesrat Kaltenbacher, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Ich muss jetzt inhaltlich eine Kehrtwendung vollziehen. Sie sind ja auch in Ihrer weite­ren Funktion als Sportminister sehr aktiv tätig.

Daher meine Frage:

1704/M-BR/2009

„Was haben Sie im Bereich der Sportförderung in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit als Sportminister umgesetzt?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Offene Antwort: Ich habe mich sehr gefreut, als ich das Ressort übertragen bekommen habe. Ich habe nicht gewusst, welche Baustelle ich hier übernehme. Es ist beispielsweise im Bereich des ÖOC, wie Sie auch aus der öffentlichen Diskussion mitbekommen haben, einiges im Argen gelegen.

Wir haben eine sehr harte Diskussion, weil sie auch eine strukturimmanente Diskus­sion ist, was beispielsweise den Förderbereich betrifft. Wir haben in Österreich Dach­verbände, drei an der Zahl: Union, ASKÖ, ASVÖ; wir haben Fachverbände. Wir haben Fachverbände, die olympisch organisiert sind; wir haben Fachverbände, die nicht olym­pisch organisiert sind. Wir haben Fachverbände, die sich, wie beispielsweise der Ski­verband mit 30 Millionen €, praktisch – unter Anführungszeichen – „allein finanzieren“. Wir haben Fachverbände, die das nicht können, weil sie in sogenannten raren Sport­arten beheimatet sind.

Lange Rede, kurzer Sinn: Mir war es wichtig, erstens die Anti-Doping-Diskussion vo­ranzutreiben. Es gibt jetzt auch eine Einigung. Im gestrigen Sportausschuss ist es zu einer Einigung gekommen, in der es auch darum geht, den Begriff des Sportbetruges stärker herauszustreichen, als er bisher in der gesetzlichen Materie herausgestrichen worden ist. Da geht es nicht um Sieger oder um Verlierer, darum, ob das Parlament


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 29

gegen den Minister gewonnen hat oder umgekehrt, sondern es geht darum, dass wir effizient gegen Doping vorgehen sollen.

Die Frage, die Sie gestellt haben, ist eine ganz effiziente für den österreichischen Sport. Wir haben ungefähr 110 Millionen € an Budget. Dieses Geld geht in relativ star­ker Höhe direkt vom Steuerzahler über den Minister, übers Sportministerium in die Dach­verbände hinein – oder in dem Fall in die BSO –, die das dann verteilen.

Wir haben es geschafft, mit dem § 11a erstmals in der Geschichte der österreichischen Sportförderung dafür zu sorgen, dass es auch eine Steuerungs- und Lenkungsmasse gibt. Das heißt, dass auch das Sportministerium mit 8 Millionen oder 9 Millionen € dafür sorgen können, in dem einen oder anderen Bereich tätig zu werden, wenn wir es für wichtig halten. Es geht dabei nicht um mich – ob ich das Geld verteilen kann oder nicht –, sondern es geht darum, ob man auch eine Lenkungsmasse hat. Das halte ich für gut und richtig. Die Rückmeldungen vor allem der Fachverbände zeigen mir, dass sie schon lange auf dieses System gewartet haben. Das ist auch ein Fünf-Parteien-Be­schluss im Parlament gewesen, das möchte ich als ganz wichtig hervorheben.

Wir haben jetzt darüber hinaus angedacht, das gesamte Sportfördersystem zu verän­dern, und wollen bis 1. Jänner 2011 dieses System neu implementieren und neu auf­stellen. Das wird eine harte Nuss werden, das weiß ich jetzt schon, weil natürlich ge­wisse Besitzstände da sind, die man sozusagen pflegen möchte. Aber es ist aus mei­ner Sicht wichtig, dass wir vom Gießkannenprinzip wegkommen, hin zu einem Prinzip, das auch sogenannte Prime-Sportarten besser fördert.

Aber ich gebe zu, ich kann das nur gemeinsam mit Ihnen, Nationalrat und Bundesrat, und mit den Fach- und Dachverbänden machen. Ich habe gesehen, dass ein Vorpre­schen in gewissen Fragen nicht immer sehr hilfreich ist, da man am Ende des Tages Ir­ritationen schafft, die nicht notwendig sind. Im Grunde ziehen hier ja, glaube ich, ohne­hin alle an einem Strang. Aber es geht trotzdem um diese neue Förderung.

Wir haben versucht, Sportler für den Sport zu integrieren. Erstmals sind Sportler auch von mir persönlich aufgefordert worden. Es ist für die meisten Sportler gar nicht so ein­fach, dieser Aufforderung nachzukommen. Das Kritisieren eines bestehenden Systems ist nämlich das eine, aber dann etwas neu auf die Beine zu stellen und selbst an einem neuen System mitzuarbeiten, ist das andere. Das ist keine Kritik an den Sportlern, aber es ist ein Lernprozess für beide Seiten.

Das machen wir jetzt, und wir haben das „Team Rot-Weiß-Rot“ aufgestellt. Das halte ich für toll! Man hat gestern bei der Gala-Nacht des Sportes gesehen, dass 200 Spit­zensportler in Österreich dazu bereit sind – egal, ob sie Männer oder Frauen, Win­tersportler oder Sommersportler sind, ob sie Randsportgruppen oder ganz populäre Sportarten vertreten –, dass man sie an einen Tisch bringt und die gemeinsame Idee vorantreibt.

Da ist also noch sehr viel Arbeit, aber ich habe das Gefühl, dass sowohl die Sportler als auch die Fach- und Dachverbände jetzt versuchen, diese Aufbruchstimmung so zu nutzen, dass man für den Sport etwas erreichen kann. Es kann ja nicht das Ziel der Sportpolitik sein, jeden Tag über Doping oder über irgendwelche Missstände im ÖOC zu reden.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, Sie haben es teilweise schon beantwortet, es geht um die Neuausrichtung der Sportförderung. Trotzdem lautet meine Frage: Sehen Sie in diesem Bereich noch Handlungsbedarf?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 30

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Ja, den sehe ich. Ich bin kein Gegner der Dachverbände, ganz im Gegenteil. Ich möchte jetzt nicht die Diskussion im Bundesrat anziehen, aber wir müssen auch auf jene Sportarten schauen, die tolle Leistungen bieten.

Ich bin, wie wahrscheinlich auch viele von Ihnen, ein Verfechter eines Systems, in dem Spitzensport und Breitensport in einer gewissen Balance stehen sollten. Ich verfechte das deshalb, weil ich glaube – auch wenn das trivial gesprochen ist –, dass ohne Brei­tensport Spitzensport nicht möglich ist und dass ohne Spitzensport Breitensport in vie­len Bereichen nicht möglich ist. Die Vorbildwirkung auf der Seite des Spitzensportes fördert eine Popularisierung im Breitensport; auf der anderen Seite ist es, wenn ich eine Basis im Breitensport habe, auch leichter, in den Spitzensport hineinzukommen.

Ich habe schon gesagt, ich verstehe überhaupt nicht, dass Staaten wie Kroatien mit 4,5 Millionen Einwohnern oder Slowenien mit 2,5 Millionen Einwohnern oder skandina­vische Länder wie Schweden, Dänemark und Norwegen in Ballsportarten besser als Österreich sind. Das ist jetzt eine sportpolitische Diskussion, die wir hier sicher nicht austragen können. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Aber es ist einfach wichtig, nicht zu sagen: Ich gehe jetzt noch einmal mit der Gießkanne drüber.

Insofern sehe ich Handlungsbedarf, es wird aber eine harte Diskussion werden, ich weiß das. Es gibt sehr viele Sportarten, in denen ehrenamtliche Funktionäre ihr Herz­blut hineinlegen, die sich in weiterer Folge vielleicht schlecht beurteilt fühlen. Deswe­gen müssen wir ein System schaffen – das Wort „Evaluierung“ gefällt mir überhaupt nicht, aber es ist einfach so –, mit dem wir alle einbinden, und sagen, wir schaffen Pa­rameter: Was ist wichtig? Welche Förderungen kann ich dann für den und den Sport­verband schaffen?

Das Endziel sollte so sein – letzter Satz – wie beispielsweise in Australien. Sie sagen dort einfach zwölf Jahre vorher: Wir machen Gold in der Sportart X – und es gelingt! Warum soll das Österreich nicht gelingen? (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Petritz.

 


Bundesrat Karl Petritz (ÖVP, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben ja in Kärnten eines der schönsten Stadien von ganz Öster­reich. Der sportliche Erfolg wird sich wieder einfinden. (Bundesrat Gruber: Ein Optimist!)

Meine Frage dazu lautet: Bei einem Gespräch in Kärnten im September haben Sie ja die Zusage gegeben, dass der Bund alle Kosten für die bauliche Fertigstellung des Kla­genfurter Stadions übernimmt. Herr Minister, stehen Sie zu dieser Vereinbarung auch in Zeiten der etwas schwierigen Finanzsituation?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich stehe zu dieser Vereinbarung. Auch das würde den Rah­men jetzt sprengen, aber es sei vielleicht ganz kurz angesprochen. Ich stehe sportpoli­tisch dazu, egal, ob Austria Kärnten absteigt oder nicht; das liegt nicht in meinem Be­reich. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich würde es mir nicht wünschen, sage ich ganz offen, weil wir in diesem Bereich auch einen Bundesligaverein bräuchten. Ich stehe also ein­mal sportpolitisch dazu. (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich meine das wirklich ernst. Ich glaube, dass die Republik Österreich mit 8 Millionen Einwohnern das Happel-Stadion verträgt, dass sie Salzburg verträgt – mir wäre es lie­ber, wenn dort ein Rasen liegen würde, das sage ich auch offen, aber das ist ebenfalls eine Entscheidung, die nicht im Bereich des Sportministers beheimatet ist –, und ich halte auch Klagenfurt für wichtig.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 31

Das Zweite ist – ich habe das jetzt deswegen so ausgeführt, damit das Zweite nicht in die falsche Kehle kommt –, wir hätten mit jeder anderen Entscheidung auch budgetär nicht besser abgeschnitten. Ein Rückbau hätte uns genauso viel gekostet wie die Bei­behaltung des jetzigen Status quo. Das klingt komisch; ich habe es auch lange nicht verstanden und musste mich sehr intensiv darüber informieren lassen, warum das so ist. Es ist einfach deswegen so, weil eine Erhaltung des jetzigen Status quo schon Mehrkosten verursacht, weil gewisse Dinge nur für einen gewissen Zeitraum geneh­migt worden sind, baurechtlich und so weiter. Deswegen muss dieses Stadion noch ein bisschen adaptiert werden.

Wenn ich vor der Entscheidung stehe, 17 Millionen € in einen Rückbau zu stecken oder 17 Millionen € – was ungefähr der Fall sein wird – in die Erhaltung des Status quo zu stecken, dann bin ich für zweitere Variante, weil sie aus meiner Sicht dem österrei­chischen Sport insgesamt stärker entgegenkommt. Ich habe über Parteigrenzen hin­weg auch vom Kärntner Landeshauptmann sowie vom BZÖ, von der SPÖ und von der ÖVP in Kärnten – zumindest mir zugetragen – nur positive Reaktionen bekommen. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mitterer. – Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister, was werden Sie in Zukunft unternehmen, damit Spitzensportler und/oder Betreuer, die in Dopingfälle verwickelt waren beziehungsweise sind, keine Spitzensportförderungen erhalten beziehungsweise nicht mit Geldern aus öffentlichen Mitteln gefördert werden?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ganz klare Ansage meinerseits betreffend alle Mittel, die wir zur Verfügung stellen, ob es vonseiten der Sporthilfe oder vonseiten von „Team Rot-Weiß-Rot“, früher „Top Sport Austria“, ist: Wir stellen jede Förderung ein. Mehr können wir nicht tun, aber das ist zumindest ein Zeichen, dass es keine Förderungen mehr für Sportler gibt, die nachweislich gedopt sind.

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gelangen zur 8. und letzten Anfrage, und ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Köberl, um deren Verlesung.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Sportförderungsprogramm „Top Sport Austria“ wurde eingestellt, nun gibt es das „Team Rot-Weiß-Rot“ für die Spitzensportförderung in Österreich. Eine umfassende Koordination zwischen Bund und Ländern ist in diesem Bereich gefragt. Trotzdem wur­de Herr Direktor Hartl, der gemeinsame Ländervertreter, nicht mehr in das „Team Rot-Weiß-Rot“ hineingenommen.

Daher meine Frage:

1701/M-BR/2009

„Ist eine Vertretung der Bundesländer in der neuen Form der Spitzensportförderungs­vergabe ‚Team Rot-Weiß-Rot‘ gewährleistet?“

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Diese Frage ist durchaus berechtigt. Wir haben sehr lange überlegt, wie wir dieses „Team Rot-Weiß-Rot“ aufstellen sollen. Ich habe mich dort selbst beschnitten – ich sage das einmal in aller Offenheit und Deutlichkeit –, es sind also keine Vertreter des Ministe­riums für Sport mehr drinnen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 32

Wir haben uns entschlossen, einen fünfköpfigen Beirat zu bestellen, der aus nachweis­lich unabhängigen Koryphäen, möchte ich fast sagen, des österreichischen Sports be­steht, wie Holdhaus, wie Judith Draxler. Wir haben auch nicht auf irgendwelche politi­schen Färbungen geschaut. Ganz im Gegenteil, ich glaube, wenn man das schon so sehen würde, dann wäre meine Partei dort gar nicht vertreten. Aber das ist jetzt sozu­sagen zweitrangig.

Wir haben mit dieser Neuausrichtung versucht, eine Objektivierung einzuführen, die weg von „politischen“ – unter Anführungszeichen –, auch sportpolitischen, also ministe­riellen Entscheidungen hin zu einem Expertenbeirat geht. Deshalb haben wir diese Entscheidung so getroffen, wie sie jetzt vorliegt.

 


Präsident Erwin Preiner: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat.

 


Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sie haben es angesprochen: Die För­derung wird künftig von fünf Experten, wie Sie es bezeichnet haben, vergeben.

Gibt es dafür eine rechtliche Grundlage – beziehungsweise nach welchen Richtlinien werden diese Mittel künftig vergeben?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Es be­steht die Möglichkeit, das in meinem Ministerium zu machen. Ihre erste Frage – ich komme selbst aus einem Bundesland – ist insofern berechtigt, als man sich darüber Sorgen machen kann, ob die Bundesländer genügend vertreten sind. Aber mit Herrn Professor Hans Holdhaus, mit Judith Draxler – Sie wissen, ehemalige Spitzen-Tennis­spielerin und jetzt Sportpsychologin –, mit Primarius Harald Urbanek, der vom Landes­klinikum Krems, also aus einem Land kommt, mit Herrn Professor Nachbauer, der von der Uni Innsbruck kommt, und vor allem mit Dr. Martin Kessler, der Landesportdirektor von Vorarlberg ist, ist auch eine Vertretung der Bundesländer gewährleistet.

Wir haben das auf den Grundlagen, die wir innerhalb unseres Ressorts haben, so ent­schieden. Ich würde bitten, dieses „Team Rot-Weiß-Rot“, dieses Fördergremium nach seinen Leistungen zu beurteilen. Ich glaube, dass dies kein Rückschritt, sondern ein Fortschritt ist.

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Lindinger.

 


Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundesminis­ter, welche Ziele verfolgen Sie mit dem „Team Rot-Weiß-Rot“?

 


Präsident Erwin Preiner: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Wie so oft in der Politik ist es notwendig, sozusagen auch nach außen hin zu visualisieren, dass es einen Neuanfang gibt. Dieses „Team Rot-Weiß-Rot“ hat 3,5 Millionen € an För­dermitteln zur Verfügung.

Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass beispielsweise Spitzensportler an uns herangetreten sind – noch einmal: das ist keine Kritik, sondern einfach eine System­frage –, die gesagt haben: Wir sind jetzt so erfolgreich. Nehmen wir Judo her, das ist beispielsweise ein Bereich, oder nehmen wir die Schwimmer her. Die Schwimmer sind erfolgreich, und fürs Erfolgreichsein werden sie noch bestraft, indem sozusagen das Ministerium zu wenig Geld hat. Dann ist es oft so abgelaufen, dass man gesagt hat: Ihr braucht ein Trainingslager für eine Woche? – Wir zahlen euch vier Tage – ich sage das jetzt ganz praktisch –, und die Sportler haben gesagt: Entweder sieben Tage oder gar nichts!

Es geht also nicht anders, und wir versuchen jetzt, mit diesem „Team Rot-Weiß-Rot“ ein bisschen unbürokratischer und systemkonformer vorzugehen. Einerseits gibt es al­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 33

so 3,5 Millionen € für die Spitzensportförderung und für solche Projekte wie Trainings­lager, Ausbildungsprogramme und so weiter.

Auf der anderen Seite ist es so – ich bin wirklich stolz darauf; ich weiß nicht, wer ges­tern die Möglichkeit gehabt hat, diese Gala-Nacht des Sportes mitzuverfolgen –, dass der Spitzensport stark zusammenwächst – ich habe das in einer anderen Anfrage schon kurz angesprochen – und gewährleistet, dass Sportler, die überhaupt nichts mit­einander zu tun haben, wie Manfred Pranger, der Ski-Weltmeister, und Mirna Jukic, die Schwimm-Europameisterin und -Medaillengewinnerin, auch nach außen hin signalisie­ren: Wir sind ein Team, und wir hätten gerne von euch Österreicherinnen und Öster­reichern, dass ihr euch im Sport stärker engagiert, dass ihr selbst Sport betreibt!

Diese Idee finde ich schon an sich nicht nur begrüßenswert, sondern den österreichi­schen Sport auch vorwärts bringend. Es ist in dem Fall keine finanzielle Maßnahme. Das Finanzielle sind, noch einmal gesagt, die 3,5 Millionen €, die durch dieses Förder­gremium immerhin bereitgestellt werden.

Jetzt sage ich zum Schluss etwas, was ich nicht sagen wollte, aber ich sage es trotz­dem. Ich gebe zu, dass die Länder – und es sind hier ja Vertreter der Länder – noch stärker als der Bund gefordert sind, weil das wirkliche Geld für den Sport in den Län­dern liegt. Ich hoffe, Sie verwalten dieses Geld dementsprechend gut, dass die Sportler auch in den Genuss dieses Geldes kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Erwin Preiner: Weitere – und letzte – Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Zwanziger.

 


Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister, worin unterscheiden sich die beiden Spitzensportförderungskonzepte „Team Rot-Weiß-Rot“ und „Top Sport Austria“ und wie hoch sind sie jeweils dotiert?

 


Präsident Erwin Preiner: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: An der Dotation ändert sich jetzt meines Wissens nichts, aber es ist die Zusammensetzung eine andere. Das habe ich ja schon kurz angesprochen. Noch einmal – ich muss da sehr vorsichtig formulieren, wenn auch bei Ihnen weniger –: Wir haben Beamte heraus­genommen, wir haben Vertreter von Dachverbänden herausgenommen. Wir haben es einfach auf eine neue Basis gestellt, mit fünf unabhängigen wissenschaftlichen Beirä­ten, und ich halte diese Entscheidung für richtig. Das ist der einzige Unterschied, aber ich hoffe, dass wir damit mehr Qualität bekommen, weil wir jetzt auch bedarfsorientiert arbeiten können.

 


Präsident Erwin Preiner: Somit ist die Fragestunde beendet.

Ich danke dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung und Sport sehr herzlich dafür, innerhalb sehr kurzer Zeit, an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, hier im Bun­desrat Gast gewesen zu sein: gestern in der Enquete, und auch ein herzliches Danke­schön für die heutige Fragestunde! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.28.57Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Erwin Preiner: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen 2514/AB bis 2518/AB, der Mitteilungen des Ministerratsdiens­tes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt der Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied von 28. Oktober bis 1. November sowie von 1. bis 7. November 2009 außerhalb des EU-Raums und Betrauung des Bundesmi­nisters für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer von 28. Okto­ber bis 1. November beziehungsweise des Bundesministers für Gesundheit Alois Stö­ger vom 5. November sowie des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 34

Mag. Norbert Darabos von 2. bis 4. beziehungsweise 6. und 7. November 2009 mit ih­rer Vertretung beziehungsweise den Aufenthalt des Bundesministers für Finanzen Vi­zekanzler Dipl.-Ing. Pröll vom 4. und 7. November 2009 außerhalb des EU-Raums be­ziehungsweise am 9. und 10. November innerhalb des EU-Raums und Betrauung der Bundesministerin für Inneres Dr. Fekter mit seiner Vertretung sowie jener Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG über die Aufnahme von Verhandlungen betreffend Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen mit Spa­nien, der Republik Ungarn und der Tschechischen Republik beziehungsweise betref­fend Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steuersachen mit dem Commonwealth der Bahamas verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mit­teilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 8)

*****

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Josef Pröll                                                                                                                  Bundesministerium

Finanzminister                                                                                                                                Finanzen

Herrn Präsident

des Bundesrates

Erwin Preiner

Parlament                                                                                                     Wien, am 9. Oktober 2009

1017 Wien                                                                                      GZ: BMF-010221/2355-IV/4/2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 34. Sitzung des Ministerrates am 6. Oktober 2009 Ver­handlungen mit Spanien zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 20. Dezember 1966 unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteu­erung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. 
Nr. 395/1967 in der Fassung BGBl. Nr. 709/1995, aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur An­passung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaus­tauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                                  Bundesministerium

Finanzminister                                                                                                                                Finanzen

Herrn Präsident

des Bundesrates

Erwin Preiner

Parlament                                                                                                     Wien, am 9. Oktober 2009

1017 Wien                                                                                      GZ: BMF-010221/2281-IV/4/2009


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 35

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 34. Sitzung des Ministerrates am 6. Oktober 2009 Ver­handlungen mit der Republik Ungarn zum Abschluss eines Protokolls zur Abänderung des am 25. Februar 1975 unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und der Ungarnischen Volksrepublik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen, Ertrag und vom Vermögen, BGBl. Nr. 52/1976, aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur An­passung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaus­tauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                                  Bundesministerium

Finanzminister                                                                                                                                Finanzen

Herrn Präsident

des Bundesrates

Erwin Preiner

Parlament                                                                                                     Wien, am 9. Oktober 2009

1017 Wien                                                                                      GZ: BMF-010221/2277-IV/4/2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 34. Sitzung des Ministerrates am 6. Oktober 2009 Ver­handlungen mit der Tschechischen Republik zum Abschluss eines Protokolls zur Abän­derung des am 8. Juni 2006 unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppel­besteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 39/2007, aufgenom­men wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Transparenz und Amtshilfebereitschaft hat sich eine Revision des Abkommens zur An­passung an den neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaus­tauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

„Josef Pröll                                                                                                                  Bundesministerium

Finanzminister                                                                                                                                Finanzen

Herrn Präsident

des Bundesrates

Erwin Preiner

Parlament                                                                                                   Wien, am 30. Oktober 2009

1017 Wien                                                                                      GZ: BMF-010221/2534-IV/4/2009


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 36

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 37. Sitzung des Ministerrates am 27. Oktober 2009 Ver­handlungen mit dem Commonwealth der Bahamas zum Abschluss eines Abkommens über den Auskunftsverkehr in Steuersachen aufgenommen wurden.

Aufgrund der jüngsten internationalen Entwicklungen im Bereich der steuerlichen Trans­parenz und Amtshilfebereitschaft hat sich ein Abschluss eines Abkommens gemäß dem neuen OECD-Standard hinsichtlich des steuerlichen Informationsaustauschs von Bankauskünften als erforderlich herausgestellt.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

 


Präsident Erwin Preiner: Ebenso eingelangt sind die Beschlüsse des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 und ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Gewerbeord­nung 1994 geändert wird, die dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zur Vorbera­tung zugewiesen wurden.

10.31.19Ankündigung einer Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland gemäß § 38 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Erwin Preiner: Ich gebe weiters bekannt, dass der Landeshauptmann von Burgenland, Herr Hans Niessl, seine Absicht bekundet hat, zum Thema „Regionalität – Erfolgsrezept für die Zukunft“ eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsord­nung des Bundesrates abzugeben.

Es liegt mir hiezu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung vor, im Anschluss an die vom Herrn Landeshauptmann abgegebene Erklä­rung eine Debatte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne weiteres stattgeben.

Um dem Herrn Landeshauptmann die Abgabe seiner Erklärung zu ermöglichen, beab­sichtige ich, die Verhandlungen zur Tagesordnung um zirka 11.30 Uhr zu unterbrechen und nach Beendigung der der Erklärung des Landeshauptmannes folgenden Debatte wieder aufzunehmen.

10.32.09Antrag gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR

 


Präsident Erwin Preiner: Des Weiteren liegt mir ein Antrag der Bundesräte Mühl­werth, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zu­sammenschluss als Fraktion vor.

Ich werde sogleich über diesen Antrag abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, dass sich die dem frei­heitlichen Parlamentsklub gemäß Klubfinanzierungsgesetz angehörenden Bundesräte Monika Mühlwerth, Johann Ertl, Cornelia Michalke und Elmar Podgorschek gemäß § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu einer Fraktion zusammenschließen, ihre Zustim­mung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 37

Den Bundesräten der freiheitlichen Bundesratsfraktion ist somit der Fraktionsstatus zuerkannt. Ich gratuliere dazu sehr herzlich. (Bundesrätin Mühlwerth: Danke schön!)

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

10.33.34Anträge gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR

 


Präsident Erwin Preiner: Ich gebe bekannt, dass von den Bundesräten Kneifel, Ko­necny, Kolleginnen und Kollegen der Antrag betreffend Wahl von Mitgliedern und Er­satzmitgliedern für einen Ständigen gemeinsamen Ausschuss im Sinne des § 9 des Fi­nanzverfassungsgesetzes 1948 eingebracht wurde.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates bean­tragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Kneifel, Konecny, Kolleginnen und Kollegen, den genannten Antrag gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bun­desrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu neh­men, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bundesräte Kneifel, Konecny, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, den Antrag ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den genannten Antrag ergänzen und dies als 14. Punkt der Tagesordnung in Verhandlung nehmen.

*****

Ich gebe weiters bekannt, dass von den Bundesräten Konecny, Kneifel, Mühlwerth, Schennach, Mitterer, Zangerl, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 21 der Geschäfts­ordnung des Bundesrates der Selbständige Antrag 178/A-BR/09 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates für ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Ver­fassungsgerichtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt, ein­gebracht wurde.

Des Weiteren wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Antrag, diesen Selbständigen Antrag ohne Ausschussvorberatung in Verhandlung zu nehmen, eingebracht.

Ich lasse daher über den Antrag der Bundesräte Konecny, Kneifel, Mühlwerth, Schen­nach, Mitterer, Zangerl, Kolleginnen und Kollegen, den gegenständlichen Antrag 178/A-BR/09 auf Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmit­telbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 38

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erfor­derlich.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag der Bundesräte Konecny, Kneifel, Mühlwerth, Schennach, Mitterer, Zangerl, Kolleginnen und Kollegen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­einhelligkeit. Der Antrag, den Antrag 178/A-BR/09 ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde daher die Tagesordnung um den Antrag 178/A-BR/09 ergänzen und dies
als 15. und somit letzten Punkt der Tagesordnung in Verhandlung nehmen.

10.36.27Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Erwin Preiner: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsich­tige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 und 5 sowie 6 bis 8 unter einem zu verhandeln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände und den Selbständigen An­trag 178/A-BR/09 der Bundesräte Konecny, Kneifel, Mühlwerth, Schennach, Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete für ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Ver­fassungsgerichtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt, auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

10.37.161. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz über den Verkehr mit Wein und Obstwein (Weingesetz 2009) (332 d.B. und 365 d.B. sowie 8194/BR d.B.)

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren 1. Punkt.

Als Berichterstatter wurde mir Herr Bundesrat Tiefnig gemeldet. Ich ersuche sehr herz­lich um den Bericht.

 


10.37.20

Berichterstatter Ferdinand Tiefnig: Geschätzter Präsident! Der Bericht des Aus­schusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz über den Verkehr mit Wein und Obstwein beziehungsweise Weingesetz 2009 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Erwin Preiner: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


10.38.20

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich wollte auch „sehr geehrter Herr Bundesminister“ sagen, aber er ist nicht


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 39

anwesend. – Sie werden wahrscheinlich denken: Die anderen Redner zu diesem Ta­gesordnungspunkt sind entweder aus dem Agrarbereich oder aus einem Land, das als Weinland bekannt ist, und jetzt kommt ein Kärntner heraus und redet sogar noch con­tra zu einem Weingesetz, obwohl er sich sicherlich nicht auskennen wird. (Zwischen­rufe bei SPÖ und ÖVP.)

Ich darf daher Folgendes mitteilen: Erstens ist Kärnten in der Zwischenzeit bereits ein Weinland, wenn auch nur ein ganz kleines. Zweitens bin ich als Gastwirt natürlich mit dem Thema Wein konfrontiert. Drittens habe ich eine Burgenländerin geheiratet, die Di­plom-Sommelier ist. Deshalb werde ich auch begründen, warum wir heute diesem neu­en Gesetz die Zustimmung nicht geben werden.

Österreich ist unbestritten ein tolles Weinland, vor allem, was die Qualität anlangt. Wahrscheinlich – im Nachhinein kann man das fast behaupten – hat der Weinskandal, gerade was Qualitätswein anlangt, Österreich eher genützt als geschadet, denn die strengen Weingesetze haben in den achtziger Jahren dazu geführt, dass die Winzer sich total umgestellt haben, von der Quantität hin zu hoher Qualität.

Das hat sich auch bewährt. Die Rotweingebiete Thermenregion, Carnuntum-Gebiet, Burgenland oder die Weißweingebiete Niederösterreichs oder der Steiermark und be­kannte Winzer, die Erfolgsstorys schreiben, wie Jamek, Markowitsch, Polz, Hillinger, Heinrich, und wie sie alle heißen, haben dazu geführt, dass die Gastronomie gezielt auf österreichischen Qualitätswein gesetzt hat. Das sollten wir auch, und wir sollten noch patriotischer sein und wirklich, so wie in meinem Betrieb, nur österreichische Wei­ne anbieten, da wir behaupten können, dass wir sowohl im Rotwein- als auch im Weiß­weinbereich mit den Besten der Welt mithalten können.

Ich vermisse in Italien österreichische Weine auf den Speisekarten und den Geträn­kekarten; warum soll ich italienische Weine auf die Speisekarte in Kärnten setzen? – Ich appelliere deshalb heute auch an die Gastronomie und Hotellerie in Österreich, die­ses tolle Angebot verstärkt anzunehmen. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt bei all diesen tollen Winzern und bei allen anderen Winzern natürlich auch Niedrigpreissegmente. Es gibt den sogenannten Tafelwein. Genauso wie man bei BMW einen „1er“ oder einen „7er“ kaufen kann, kann man bei Jamek auch ein Billig­produkt genauso wie einen hochwertigen Wein kaufen. Dieses Billigprodukt ist der so­genannte Tafelwein, und der wird jetzt mit dem neuen Gesetz für Österreich problema­tisch. Ich sage es noch einmal: Weil wir eben ein Qualitäts-Weinland und kein Quantitäts-Weinland sind, wird dies dazu führen, dass wir uns zwar im Export mit den neuen Formen Tetrapak oder Bag-in-Boxes wahrscheinlich etwas leichter tun, aller­dings dafür, dass wir auf Herkunftsbezeichnungen wie „g.g.A“ oder „g.U“ verzichten, uns dann für den Konsumenten möglicherweise Billigwein aus nicht-österreichischen Bereichen anbieten lassen.

Ich glaube nicht, dass Österreich damit gut bedient ist. Das zeigt sich, wenn man sich die Quantität in Österreich zu Gemüte führt: 3 Millionen Hektoliter werden auf 45 000 Hektar angebaut, davon entfallen 2,4 Millionen auf Prädikats- und Qualitäts­wein, die jetzt von diesem Gesetz nicht betroffen sind. Das sind nur die 400 000 Liter Tafelwein, und es ist kein großer Exportfaktor, dem wir uns da gegenübersehen. Österreich hat im Bereich Import/Export im letzten Jahr bereits ein Minus vorne stehen, denn Österreich hat 690 000 Hektoliter importiert und nur 600 000 Hektoliter exportiert.

Das heißt, wir müssen da aufpassen. Länder wie Italien, Spanien, Portugal oder Frank­reich – über Australien und Südamerika möchte ich da gar nicht sprechen – sind alles Länder, die sich im Bereich des Weinbaues viel, viel leichter als Österreich tun, weil sie nicht diesen klimatischen Schwankungen unterworfen sind. Spanien hat ein durchge­hend sonniges Klima, tut sich also leichter damit, Jahr für Jahr gleiche Qualität anzu­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 40

bieten. Österreich muss sich da schon sehr, sehr anstrengen, um mithalten zu können. Wenn man außerdem weiß, dass Italien als Mitbewerber im Bereich des Exportes 20-mal so groß in der Weinproduktion ist – wir haben knapp 3 Millionen Hektoliter, Italien hat 60 Millionen Hektoliter auf 840 000 Hektar –, heißt das, dass wir da aufpassen müssen, um nicht unter die Räder zu kommen.

Abschließend muss ich sagen: Wenn sogar der Präsident des Österreichischen Wein­bauverbandes, Pleil, sich in Widersprüche verwickelt, wie sollen dann die Abgeordne­ten wissen, was gut für den österreichischen Weinbau ist, wenn wir hier Gesetze be­schließen? – Im Herbst meinte Herr Präsident Pleil, dass er wenig Freude mit den EU-Qualitätskriterien hat, aber im September 2009, als vor zwei Monaten, hat er auf ein­mal gesagt, dass wir dringend den Beschluss dieses neuen Weingesetzes brauchen. Hier gibt es also einen Widerspruch, und ich glaube, dass er auch unglaubwürdig ist.

Wir vonseiten des BZÖ werden daher diesem Gesetz keine Zustimmung erteilen. (Bei­fall des Bundesrates Zwanziger.)

10.44


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jany. – Bit­te, Herr Bundesrat.

 


10.44.25

Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Für mich als Burgenländer ist es, auch wenn ich kein Weinbauer bin, fast selbstverständlich, einiges zum Wein zu sagen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nein, bei uns in Oberschützen wächst er noch nicht, aber in früheren Zeiten hat es sogar bei uns Wein gegeben. Es war zwar ... (Bundesrat Kneifel: Aber trinken tust ihn – oder?) Trin­ken? – Na ja, ich bin ein Genießer; ein Trinker ist schon ein bisschen mehr. (Bundes­rat Gruber: Aber dafür gibt es einen guten Most! – Weitere Zwischenrufe.) Auch! Das Burgenland ist schon vielfältig, bei uns gedeiht einiges, sogar bis hin zu Kiwi. (Bundes­rat Mag. Klug: Gibt es bei uns auch!)

Das neue Weingesetz dient zur Umsetzung der EU-Weinordnung. Den Begriff „Tafel­wein“ gibt es in Zukunft nicht mehr. Vermarktet werden können aber auch künftig Wei­ne aus regionaler Herkunft, jedoch mit Angabe der Rebsorte und des Jahrganges. Bei Tafelwein war dies bisher nicht nötig. Eine regionale Herkunftsangabe aus Österreich ist in diesem Fall auch nicht nötig. Die unter den Konsumenten eingeführten, traditio­nellen Begriffe „Landwein“ – aus dem geschützten geografischen Bereich – und „Quali­tätswein“ – mit geschützter Ursprungsgarantie – dürfen weiter verwendet werden. Die­ses Gesetz ist im Sinne der österreichischen Qualitätsweinproduktion und kommt un­seren Winzern und Weinbauern zugute.

Grüß dich, Herr Minister, meine Verehrung! (In Richtung des seinen Platz auf der Re­gierungsbank einnehmenden Bundesministers Dipl.-Ing. Berlakovich.) Als Burgenlän­der ... (Bundesrat Hensler: Ist schon richtig!) Ja, sicher! (Ruf: Da freut sich wer, zumin­dest in der eigenen Partei! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Also dieses Gesetz ist im Sinne der österreichischen Qualitätsweinproduktion und kommt unseren Winzern und Weinbauern zugute. Der höchste Level in diesem Bezug ist der Wein mit der geschützten Ursprungsbezeichnung. Wir gehen hier in Österreich auch den internationalen Weg, die Regionen zu betonen, den regionaltypischen Qua­litätswein aus den politischen Bezirken. Sechs Regionen in Österreich gehen bereits diesen Weg: der „Leithaberg DAC“, „Mittelburgenland DAC“, „Kremstal DAC“, um hier einige zu nennen, auch das Kamptal. Die Neuerung ist, dass die Winzer die Möglich­keit bekommen, Qualitätswein auch in andere Behälter abzufüllen, in Tetrapak oder in Bag-in-Boxes. Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt für den Weinexport. Wein ohne Herkunftsangabe gibt es auch; dieser wird nur mit „Wein“ bezeichnet und gibt die Mög­lichkeit, Übermengen zu platzieren und zu exportieren.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 41

Der Wein-Marketing-Broschüre möchte ich mein Lob aussprechen, die ist gelungen! Das ist eine Lektüre, die den Wein als kostbares Kulturgut hervorhebt. Ich möchte der Wein Marketing dazu wirklich herzlich gratulieren.

Die Weinernte des vergangenen Jahres war zwar mengenmäßig nicht die beste, aber die Qualität ist sicherlich in Ordnung. Es wurden bereits die ersten Jungweine präsen­tiert, sie lassen auf beste Qualität hoffen. – Noch einmal: Danke für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei der ÖVP.)

10.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich darf den in der Zwischenzeit eingetroffenen Herrn Landwirtschaftsminister sehr herzlich bei uns begrüßen.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.48.28

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bekenne, ich bin stolzer Besitzer eines Weinkellers; aber genauso wie Kollege Jany bin ich selbst kein Weinbauer. Dieser Weinkeller war ursprünglich ein Erdkeller, ein Mostkeller, ein Futterkeller, wie ihn in unserer Gemeinde, in unserer Region eigentlich jeder Bauernhof hatte, und dieser wurde umgebaut, umfunktioniert zu einem Weinkeller. Aber deshalb bin ich nicht gleich dazu prädestiniert, über das Weingesetz zu reden.

Es ist dies aber eine wichtige Novelle, denn es geht darum, dass die neue europäische Weinmarktordnung im österreichischen Gesetz umgesetzt wird. Unser Ziel muss es sein, dass das hohe Qualitätsniveau – das wurde heute hier schon angesprochen – bei der Weinproduktion in Österreich aufrecht bleibt. Wie gesagt, ich komme aus dem Bur­genland, dem Südburgenland, somit aus jenem jungen Bundesland, das eine lange Tradition im Weinbau besitzt: hochwertige Qualitätsweine, die das Bewusstsein und den Stellenwert des Weinbaues prägen.

Mit 1990 setzt bundesweit eine Qualitätsentwicklung im Weinbau ein, die bis heute konsequent weiterverfolgt wird. Durch eine besser ausgebildete und international er­fahrene Winzergeneration wurden die qualitätsfördernden Maßnahmen sehr schnell umgesetzt. Durch die EU-Förderaktion haben viele Betriebe in neue und modernste Kellertechnologien investiert. Man findet heute State-of-the-Art-Keller, die nicht nur ar­chitektonisch beeindruckend sind, sondern auch von der Funktionalität her ihresglei­chen suchen. Durch die Folge von ausgezeichneten Jahrgängen haben unsere Wein-Bundesländer zu Recht ihren Stellenwert auf dem internationalen und natürlich auch auf dem nationalen Weinmarkt erobert.

Ich komme zu den wesentlichen Punkten der heutigen Novellierung. Das ist zunächst die Einführung eines Weines ohne nähere regionale Herkunftsangabe aus Österreich, bei dem aber die Rebsorte oder mehrere Rebsorten und der Jahrgang angegeben wer­den. Dieser muss, im Gegensatz zum bisherigen Tafelwein, in Aussehen, Geschmack und Geruch fehlerfrei sein und den Rebsortentyp aufweisen.

Man unterscheidet in Zukunft Weine mit geschützter Herkunftsbezeichnung und solche ohne diese. Die traditionellen Begriffe „Landwein“ für Wein mit geschützter Angabe und „Qualitätswein“ mit geschützter Ursprungsbezeichnung bleiben erhalten. Die Bezeich­nung „Tafelwein“ wird durch „Wein“ abgelöst, dieser muss aber die vorhin genannten Bedingungen und Kriterien erfüllen.

Weiters sind Neuregelungen in Bezug auf Aufbesserung und Süßung, eine Stärkung der Weinkontrolle und ab 2015 die Führung eines Weinkatasters vorgesehen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 42

Die Erlaubnis, Qualitätswein in Tetrapak oder Bag-in-Boxes abzufüllen, soll die öster­reichischen Weine international noch wettbewerbsfähiger machen und eine Absatzför­derung auf Drittlandsmärkten ermöglichen – wobei ich hoffe, dass die Weinbauern in Österreich weiterhin bei ihren traditionellen Glasflaschen bleiben werden.

Wie ich am Anfang schon erwähnt habe, komme ich aus einem Bezirk und einer Re­gion, die sich in den letzten Jahren durch die Produktion von Weinen und Qualitätswei­nen einen positiven Namen gemacht haben. In den Bezirken Güssing und Jennersdorf hat auch der ehemalige Haustrunk, der Uhudler, der aus den Selbstträgersorten „Noah“, „Isabella“, „Elvira“, „Concord“, „Ripatella“ und „Othello“ – um hier nur einige zu nen­nen – erzeugt wird, einen nationalen und teilweise auch internationalen Namen errun­gen. Unser Südburgenland ist stolz darauf, in Zeiten der Austauschbarkeit und Verein­heitlichung aller Dinge eine regionalspezifische Weinrarität vorweisen zu können.

Der Uhudler hat seinen Ursprung in der Zeit nach dem großen Reblausbefall Ende des 19. Jahrhunderts. Im Laufe des 20. Jahrhunderts kam der Uhudler als angeblich ge­sundheitsschädlich in Verruf, was zum Verbot von Weinverschnitten mit Erzeugnissen aus Direktreben, zur Rodung in den dreißiger Jahren und zu einem Verkehrsverbot von Direktträgerweinen führte. Der Uhudler blieb als Haustrunk erlaubt. 1985 wurde der Wein endgültig verboten. Aufgrund intensiver Bemühungen wurde der Uhudler 1992 wieder in das österreichische Weingesetz aufgenommen.

Die bewegte Geschichte des Uhudlers ist zu einem der wichtigen Elemente für den be­sonderen Ruf des Weins als regionale traditionelle Spezialität geworden. Der Uhudler hat heute als Werbeträger positiven Einfluss, vor allem auf den Tourismus im Südburgen­land. Was für mich trotzdem verwunderlich ist, ist, dass nach Auskunft im Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft vom vergangenen Mittwoch der Uhudler sich in einer sogenannten Grauzone befindet, mit der Folge, dass der Uhudler im Jahre 2020 wieder vor einem Produktionsverbot steht. Hier darf ich an dich, sehr geehrter Herr Mi­nister, die Bitte richten, dass wir rechtzeitig und begründet eine positive Lösung für den Uhudler auch auf EU-Ebene anstreben.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren, ich komme wieder auf das Weingesetz zurück. Es ist ein Gesetz, von dem ich überzeugt bin, dass es für die Konsumenten und die Produzenten Vorteile bringt. Wir sind auf unsere österreichischen Weine, auf unsere österreichischen Qualitätsweine sehr stolz. Ich danke unseren Weinbäuerinnen und Weinbauern für ihre hervorragende Arbeit. Wir von der sozialdemokratischen Frak­tion stimmen dieser Novelle gerne zu. In vino veritas! (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


10.55.41

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! (Ruf bei der ÖVP: „Grüne“ haben Sie nicht gesagt!) Die Grünen, Niederösterreich. – Danke, super, Herr Kollege!

Als Grüne aus Niederösterreich möchte ich betonen, dass die Grünen 1995 den Uhud­ler befreit haben; bitte, das auch zur Kenntnis zu nehmen. Der Uhudler hat ja schon die Diskussion im Ausschuss bewegt, ebenso wie die Tetrapak-Diskussion.

Für mich ist die schlimmste Nebenwirkung an diesem Weingesetz nicht das Tetrapak, sondern so manche Ausdrücke, die zum Glück nur im Gesetz und nicht auf dem Etikett stehen, so wie „Wein ohne geschützte Ursprungsbezeichnung“ oder „geografische An­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 43

gabe mit Rebsorten- oder Jahrgangsbezeichnung“. Ich glaube nicht, dass sich jemals irgendwer an solche Ausdrücke gewöhnen wird; aber sie stehen ohnehin nicht auf dem Etikett.

Es gibt viele positive Auswirkungen dieses Gesetzes. Kollege Mitterer, Sie haben vor­hin erwähnt, Sie befürchten, dass wir jetzt mit Billigwein aus dem Ausland im Tetrapak überschwemmt werden. Wenn Sie zum Hofer schauen, in die unteren Regale, finden Sie dort den Billigwein aus dem Ausland im Tetrapak und in der Flasche jetzt schon! Ich glaube nicht, dass das Weingesetz irgendetwas Besonderes daran verändern wird, außer dass man dann vielleicht auch einen österreichischen Wein im Tetrapak beim Hofer findet. Das finde ich nicht so dramatisch.

Im Übrigen kann man schon auch dazusagen, dass von der Ökobilanz her das, was ich auch sehr genieße und sehr schön finde, nämlich die Einweg-Glasflasche für den Wein, im Prinzip eher etwas sehr Verwerfliches ist. Da ist der Tetrapak um einiges bes­ser. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Glasflasche ist verwerflich?) Die Einweg-Glasflasche ist von der Ökobilanz her viel schlechter als der Tetrapak; diesen Vergleich nur dazu.

Im Prinzip denke ich, dass die Entwicklung, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehn­ten in Österreich mitgemacht haben, nämlich dass sich der Wein und die Weintrinker und -trinkerinnen mehr auf Qualität und weniger auf die Menge konzentrieren, eine sehr positive Entwicklung ist. Aber ich möchte hier trotzdem noch erwähnen – weil wir alle den Wein so hochloben –, dass Alkohol auch eine Droge ist und dass es ganz wichtig ist, dass wir hier auch eine Vorbildwirkung zeigen und nicht immer nur Drogen verherrlichen. Ich denke, dieser Vorbildwirkung sollten wir uns schon bewusst sein. Wie gesagt, Wein ist auch eine Droge, und das sollte man berücksichtigen. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) Wichtig ist auch der Umgang mit dieser Droge Alkohol. Wie gesagt, es hat sich in der Gesellschaft in den letzten Jahren glücklicherweise verändert, aber trotzdem ist es eine Droge.

Für mich ist das Spannende am Wein die Verkostung. Verschiedene Rebsorten, ver­schiedene Gegenden, aus denen er kommt, ich denke, das ist eine Qualität, die wir in Österreich zu bieten haben und die wir auch beibehalten sollten.

Kollege Pirklhuber hat im Nationalrat einen Abänderungsantrag gestellt bezüglich der pilzresistenten Sorten, nämlich dass man da auch auf den Etiketten die Sortennamen anführen kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dieser Abänderungsantrag wurde im Na­tionalrat leider abgelehnt. Es gibt nach wie vor die Möglichkeit, dass man das in eine Verordnung nimmt und dass es Länder in ihre Verordnungen mit aufnehmen. Es wäre sehr schön, würde sich in diesem Bereich einiges zum Besseren wenden. So ist zum Beispiel der „Regent“ in der Steiermark eine Qualitätssorte, in Niederösterreich nicht. Ich denke, um diese Marken und diese pilzresistenten Sorten zu unterstützen und da­mit auch die Ökologisierung des Weinbaus weiterzubringen, wäre es sehr wichtig und sehr sinnvoll, wenn man in diesem Bereich noch weitere Verbesserungen anstrebt.

Der heutigen Gesetzesänderung werden wir gerne zustimmen. (Beifall bei Bundesrä­ten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

10.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


11.00.03

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminis­ter! Herr Vorsitzender! Liebe Kollegen im Bundesrat! Die Weinwirtschaft – das ist heute schon angesprochen worden – war in den achtziger Jahren aufgrund des Weinskan­dals auf einem absoluten Tiefpunkt, und vielleicht hat gerade das die Möglichkeit oder


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 44

die Chance eröffnet, sich hier wirklich positiv zu entwickeln, positiv in Richtung Qualität zu entwickeln. Das ist daraus ersichtlich, dass sehr viele Betriebe, die diesen Weg ge­gangen sind, sich entsprechend professionalisiert haben, dass es heute große Namen gibt und dass Weinwirtschaft auch etwas ist, das mit Einkommen und durchaus auch mit Image verbunden ist.

50 000 Hektar werden in Österreich von 23 000 Betrieben bewirtschaftet, 30 davon in Niederösterreich, und wir in Niederösterreich haben die schönsten Grünen, nämlich die schönsten Grünen Veltliner, auf die wir stolz sind. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Ich glaube, die heutige Vorlage wurde inhaltlich schon ausreichend diskutiert, nämlich dass wir eine EU-Vorgabe umsetzen und hier im neuen Weingesetz einfach darauf ein­gehen. Ein Teil wurde bereits im vergangenen Jahr realisiert in Form der marktrelevan­ten Unterstützungsmöglichkeiten, Fördermöglichkeiten für den Bau von Kellern, für die Einrichtung, für die Technik von Betrieben, aber auch für die Umgestaltung der Wein­gärten, nämlich dass Weingärten aus Lagen, in denen die Produktionsgrundlagen nicht so optimal sind, um Qualitätswein zu produzieren, dorthin verlagert wurden, wo die Nach­frage nach den regionalen Produkten sehr, sehr gut ist.

Schwergewicht ist die Differenzierung im neuen Weingesetz, also Wein mit und ohne Herkunft. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass neu eigentlich der Begriff „Wein“ ist, in Österreich bekannt unter „Tafelwein“. Das wird es jetzt nicht mehr geben, aber alles andere konnte bewahrt werden, und ich glaube, das war der Erfolg bei den Ver­handlungen.

Die Differenzen, Herr Kollege Mitterer, die Präsident Pleil angesprochen hat bei der Erstdiskussion oder bei der Vorgabe, die seitens der Europäischen Union gekommen ist, entstanden aufgrund dessen, dass die Weinwirtschaft in Österreich sehr, sehr un­glücklich war mit diesen Vorgaben, weil die Wiedererkennbarkeit für den österreichi­schen Wein nicht gegeben war. Es ist aber durchaus gelungen, dass das für uns wich­tige Vertrauen des Konsumenten in die Verständlichkeit der Präsentation der österrei­chischen Weine gewährleistet ist. Es wird nach wie vor neben Wein den Landwein ge­ben, es wird den Qualitätswein geben, es wird die Prädikatsweine geben, Bereiche, die der Konsument kennt, und ich glaube, das ist auch der entsprechende Erfolg. Es wird auch möglich sein, Wein in andere Gebinde abzufüllen, in Tetrapaks und Bag-in-Boxes – das wurde bereits gesagt –, aber ich glaube, das ist für den Qualitätswein wichtig, um auch in nordischen Ländern Chancen zu eröffnen.

Die Sorge des Kollegen Mitterer, die berechtigt ist, dass vielleicht Österreich jetzt mit Billigweinen überschwemmt wird, kann man, glaube ich, insofern ausräumen, als das Ziel des österreichischen Weinbaus die Produktion von Qualitätsweinen ist und nicht im Billigsegment reüssiert werden soll.

In diesem Sinn, glaube ich, ist diese Vorlage eine sehr gute. Ich darf all jenen danken, die sich entsprechend eingebracht haben, dass wir die regionalen Bezeichnungen, die regionale Identität bewahren konnten. Ein herzliches Dankeschön Ihnen, Herr Minister, unserem Präsidenten Pleil vom Bundesweinbauverband und auch dem Kollegen Natio­nalratsabgeordneten Schmuckenschlager, die sich hier entsprechend eingebracht haben.

Wein ist in Österreich ein Kulturgut. Ich darf mich auch für die Broschüre „Österreichs Wein“ bedanken, die wir in unseren Fächern vorgefunden haben, weil es, glaube ich, wichtig ist, dass, damit wir um dieses Kulturgut entsprechend Bescheid wissen, auch die Information entsprechend fließt.

Dass Wein viele Menschen bewegt, zeigt sich auch darin, dass am 2. November im Rathaus die AWC, die All Wine Challenge, sehr, sehr gut besucht war, dass gestern in der Steiermark, in Graz, der Steirische Junker, der Jungwein, präsentiert wurde und


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 45

hier auch viele Tausende in der Messehalle waren. Ich glaube, das zeigt, dass Wein sehr breiten Zuspruch hat und für Österreich ein sehr, sehr wichtiges Identitätselement ist.

Ich glaube, wir können uns freuen auf den guten Jahrgang 2009 und auf ein gutes Weingesetz 2009. (Beifall bei der ÖVP.)

11.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Berla­kovich. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.04.46

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich für die durchwegs positiven Debatten­beiträge zum Thema Weingesetz bedanken. Sie haben es schon angedeutet: Der Grund für die Novelle war ja die Anpassung an die EU-Weinmarktordnung, und obwohl das schon länger her ist, dürfen wir nicht übersehen, dass es gelungen ist – aus ös­terreichischer Sicht sehr positiv –, einfach eine Neuorientierung auf der europäischen Ebene zu erreichen.

Sie wissen, dass große Mengen, gerade in massenproduzierenden Ländern, verspritet werden, destilliert werden, also sozusagen zerstört werden. Und das ist nicht der rich­tige Weg. Das, was bei der Novelle der Weinmarktordnung gelungen ist, ist, dass der Qualitätsweg auf der europäischen Ebene eingeschlagen wird. Es ist richtig, dass es diese Debatte um die Sortenbezeichnung gab – etwa, dass der Tafelwein eine neue Bezeichnung bekommt, was anfangs auch in Österreich Diskussionen hervorgerufen hat –, aber wir haben in Zusammenarbeit mit dem Weinbauverband und mit den Win­zerinnen und Winzern eine, wie ich meine, sehr gute Lösung erzielt, die letztlich dem Konsumenten dienen soll.

Das, was wir nämlich darüber hinaus erreicht haben, ist, dass wir durch die Umsetzung der Weinmarktordnung zusätzliche Möglichkeiten bekommen, wo wir in den nächsten Jahren allein aus diesem Titel 8 bis steigend 13 Millionen € an zusätzlichen Förder­mitteln bekommen, die wir der Weinwirtschaft zur Verfügung stellen können, und zwar in zwei wichtigen Bereichen.

Das Erste ist die Förderung des Weinabsatzes auf Drittlandsmärkten. Eines, was ange­sprochen wurde, nämlich die Diskussion, ob wir in Österreich Billigweine haben sollen oder ob wir überschwemmt werden, ist nicht mehr aktuell. Das ist beim EU-Beitritt in der Winzerschaft ganz heiß diskutiert worden, weil eben Spanien, Frankreich, Italien, also die großen Weinländer, auch viel Massenwein produzieren können. Die österrei­chische Weinwirtschaft hat sich behauptet. Der Qualitätsweg der vor 20, 25 Jahren ein­geschlagen wurde und jetzt konsequent weitergegangen wird, hat bewirkt, dass wir wie keine andere Branche den Heimmarkt verteidigt haben in hohen Prozentzahlen, und mit dem Billigsegment wollen wir sowieso nicht konkurrieren, weil wir das produktions­technisch nicht können und auch qualitätsmäßig nicht wollen. Daher ist das nicht unser Ziel.

Was wir – im Gegenteil! – wollen, ist, auch auf Auslandsmärkten erfolgreich zu sein, und man kann heute sagen, dass der österreichische Wein auf allen internationalen Märkten vertreten ist, ob in den USA, ob in Japan, in der ganzen Welt. Das ist sehr be­achtlich für ein kleines Weinbauland. Den Winzerinnen und Winzern gebührt unser Dank für ihre Bemühungen. Die zusätzlichen Finanzmittel, die wir durch die Wein­marktordnung bekommen, ermöglichen es uns, über die Österreichische Weinmar­keting diese Auslandsmärkte zu bearbeiten, erfolgreich zu bearbeiten – auch in wirt­schaftlich schwierigen Zeiten.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 46

Der zweite Punkt ist die Investitionsförderung. Wir bekommen hier ebenfalls zusätzli­che Mittel, und die Dynamik und die Innovationskraft der österreichischen Weinwirt­schaft sind sprichwörtlich. Jene, die die Weingüter kennen, wissen, dass nicht nur in Kellertechnik investiert wird, in Repräsentationsräume, sondern auch in Architektur, womit das Ortsbild gestaltet wird, womit Landschaft gestaltet wird, und das ist sehr be­eindruckend. Es hat ja nicht zuletzt deswegen auch eine große Architekturausstellung gegeben, von österreichischen Architekten initiiert, die nicht nur in Österreich gezeigt wurde, sondern auch in den USA, bei der Weinarchitektur ein Schwerpunkt war. Das ist sehr beachtlich.

Aus diesem Titel „EU-Weinmarktordnung“ haben wir jetzt aktuell – das kann ich Ihnen berichten – schon in etwa 1 500 Projekte von österreichischen Weinbauern, die inves­tieren wollen, und zwar in etwa mit einem Investitionsvolumen von 60 Millionen €. Auch ein positiver Aspekt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Allgemein – es ist bereits erwähnt worden – war die heurige Weinernte unterdurch­schnittlich. Es hat nicht so ausgeschaut zu Jahresbeginn. Es hat schwere Hagelschlä­ge gegeben, aber nicht nur deswegen war die Weinernte geringer, sondern auch auf­grund von klimatischen Umständen. Der Jahrgang wird aber jedenfalls hervorragend.

Wir wollen unseren Qualitätsweg auch konsequent fortsetzen. Das ist auch die Bot­schaft dieses Weingesetzes für die Konsumentinnen und Konsumenten: Der österrei­chische Qualitätsweg im Weinbau wird fortgesetzt, und zwar mit dem Ziel, dass wir die Herkunft in den Vordergrund stellen. Das ist die Idee des DAC-Konzeptes. Districtus Austria Controllatus heißt, im internationalen Wettbewerb steht weniger die Sorte im Vordergrund, sondern die Region. Bordeaux, Chianti, Rioja stellen auf die Region ab, und dieses Konzept verfolgen wir in Österreich. Wir haben aktuell sechs DAC-Regio­nen, vier Regionen in Niederösterreich, zwei Regionen im Burgenland, wodurch etwa das Weinviertel oder Mittelburgenland als Region positioniert werden und ein Wein mit einer gebietstypischen Stilistik präsentiert wird, sodass der Konsument sich verlassen kann, wenn er einen DAC-Wein kauft, dann weiß er, der Wein schmeckt einfach ge­bietstypisch. Das ist im Weinviertel anders als im Kamptal oder im Traisental oder eben in der Region Leithaberg.

Das ist wichtig zu sagen. Und natürlich ist da die heiß diskutierte Sache mit den Bag-in-Boxes. Klar ist, dass wir weiterhin den Weg gehen, dass Wein Kulturgut ist und da­her auch entsprechend präsentiert wird, zum Beispiel in Flaschen mit Korken, aber nie­mals sollte man sich Neuerungen verschließen. Sie kennen den Schraubverschluss, der mittlerweile unumstritten ist, weil er auch qualitativ positiv darzustellen ist. Und die Frage der Bag-in-Boxes ist einfach, daher unterstütze ich es: Gewisse Auslandsmärkte verlangen es. Der skandinavische Raum setzt sehr stark auf Bag-in-Boxes. Uns liegen Schätzungen vor, wonach beispielsweise in Finnland knapp 50 Prozent Marktanteil beim Wein in Bag-in-Boxes ist, in Schweden sind es sogar 63 Prozent. Auch im deut­schen Markt, ein sehr wichtiger Weinmarkt für uns, ist der Anteil bei den Bag-in-Boxes bereits um die 10 Prozent.

Es gibt österreichische Winzer, die Marktanteile erobern wollen. Wir können ihnen durch dieses Gesetz die Möglichkeit geben. Daher ist es richtig und dient auch dem Ziel unserer Weinbaupolitik in Österreich, dass wir den Heimmarkt verteidigen und Aus­landsmärkte erobern.

Abschließend zur Diskussion um die pilzresistenten Sorten, die wir auch im National­rat geführt haben. Klar ist, egal ob pilzresistente Sorten oder neue Weinsorten, sie müssen ein Prüfverfahren durchlaufen. Und richtig ist, dass sehr viele Winzer, die auf biologische Landwirtschaft umgestellt haben oder auf biologisch dynamische Landwirt­schaft umstellen, das ja auch mit den bestehenden Qualitätsweinsorten machen. Die schreiben die Sorte gar nicht mehr drauf, und es gehört international teilweise zum gu­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 47

ten Ton, dass man biologisch wirtschaftet, ohne dass man das extra auf dem Etikett anführt. Große französische Weingüter machen das – also wir sollten uns hier nicht mit einer Detailfrage aufhalten.

Was klar ist: Wenn es gute innovative Sorten gibt, werden die nach einem strengen Prüfverfahren zugelassen, um die Qualität auch weiterhin zu gewährleisten. Und man kann eine konventionelle Weinwirtschaft oder auch eine biologische mit den beste­henden Sorten ausgezeichnet machen. – Herzlichen Dank Ihnen allen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Kerschbaum, Schennach und Dönmez.)

11.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.12.422. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz 2009 – ArtHG 2009) (318 d.B. und 348 d.B. so­wie 8195/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nunmehr zum 2. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Bock. Ich bitte um den Bericht.

 


11.12.50

Berichterstatter Ing. Hans-Peter Bock: Geschätztes Präsidium! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Ar­tenhandelsgesetz 2009 – ArtHG 2009).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung, und ich komme sogleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3 November 2009 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


11.13.50

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Von einem Vorzeigekapitel Österreichs, nämlich dem Handel mit Wein, zu einem Kapitel, das uns eher, wenn wir es aus den Medien erfahren, oft traurig berührt.

Worum geht es, bei diesem Tagesordnungspunkt? – Es geht bei dieser Gesetzesno­velle darum, durch internationale Vereinbarungen geschützte Arten, die in ihrem Be­stand gefährdet sind, zu schützen und in Österreich den Handel beziehungsweise die Haltung dieser Arten zu begrenzen und zu verbieten.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 48

Warum ist ein gemeinsames Vorgehen auf europäischer beziehungsweise globaler Ebene notwendig? – Ganz einfach deswegen, weil, wie wir wissen, die Länder der EU der weltweit größte Importeur von Wildtieren und Pflanzen sind.

Grundlage dieser gemeinsamen Richtlinie ist das sogenannte Washingtoner Arten­schutzabkommen, zu dem sich auch Österreich bekennt. Darin sind rund 3 000 Tier- und über 30 000 Pflanzenarten, die vom internationalen Handel bedroht sind, aufge­listet.

Ich habe es erwähnt, oft sind es Highlights aus den Medien, traurige Höhepunkte. Erin­nern wir uns gemeinsam: Sommer 2009, Süd Autobahn: Ein von Warschau kommen­der und in Richtung Rom fahrender Tiertransporter wird kontrolliert. Es kommen zahl­reiche Krokodile, Störche, Schlangen, Warane, Kakadus und Frösche zum Vorschein. Ein Großteil davon ist nicht mehr am Leben. Die Transportdauer wurde um Stunden überschritten. Frischluftzufuhr und Wasserversorgung sind nicht vorhanden.

Das ist ein Beispiel dafür, dass es Tatsache ist, dass rund 90 Prozent der geschmug­gelt transportierten Tiere und Pflanzen diesen Transport meist nicht überleben.

Was wird geändert? – Geändert wird der Vollzug des Artenhandelsgesetzes. Dieser er­folgt derzeit durch zwei unterschiedliche Behörden: durch die Bezirkshauptmannschaf­ten, die Inlandskontrolle und Strafverfahren durchführen, und durch die Zollbehörden, die Ein- und Ausfuhrkontrollen und ebenfalls Inlandskontrollen durchführen. Das heißt, auf der einen Seite haben wir eine Landesbehörde, die zuständig ist, auf der anderen Seite haben wir die Bundesbehörde, den Zoll, der zuständig ist, und hier gibt es natür­lich immer wieder Unklarheiten über den jeweiligen Aufgabenbereich beziehungsweise unnötige Doppelgleisigkeiten.

Was ist das Ziel dieser Gesetzesnovelle? – Durch die Konzentration der Vollzugsauf­gaben bei den Zollbehörden soll entsprechend den einschlägigen EU-Vorgaben eine Verbesserung erreicht werden. Die Zuständigkeit zur Ahndung von Verstößen gegen die EU-Artenschutzverordnungen und das Artenhandelsgesetz wird im verwaltungsbe­hördlichen Bereich im wesentlichen auf die Finanzstrafbehörden übertragen. Das heißt, Ermittlungsverfahren und verwaltungsbehördliche Strafverfahren werden künftig bei einer Behörde konzentriert werden.

Mit der vorhergesehenen Möglichkeit der Erlassung von vereinfachten Strafverfügun­gen für geringfügige Vergehen wird eine wesentliche Vereinfachung für die Zollbehörde bewirkt. Nach den derzeitigen Erfahrungen kann nämlich davon ausgegangen werden, dass es sich im Regelfall, nämlich bei bis zu 50 Prozent der anfallenden Fälle, vorzugs­weise um Vergehen aus dem Reiseverkehr handelt. Was ist damit gemeint? – Hier geht es einfach um sogenannte Touristensouvenirs, die mitgebracht werden. Oft gar nicht vorsätzlich, sondern zum Teil aus Unwissenheit nimmt man Dinge mit, weil man einfach nicht gut darüber Bescheid weiß, dass es hier auch zu einfachen Strafverfü­gungen kommen kann. Hier soll die Abwicklung vereinfacht werden.

Dadurch frei werdende Ressourcen innerhalb der Zollverwaltung können sodann für zusätzlich durchzuführende Inlandskontrollen und die daraus resultierenden Ermittlun­gen und Strafverfahren genutzt werden. Das heißt, es ist möglich, mehr Kontrollen durch­zuführen und auch die entsprechenden Behörden besser und effizienter zu schulen.

Eine rasche Durchführung des Strafverfahrens ist gerade in diesem Rechtsbereich be­sonders wichtig, da es oft um lebend Exemplare geht, die Gegenstand des Verfahrens sind. Diese können während der Dauer des Verfahrens nur provisorisch untergebracht werden. Erst nach Verfahrensende ist meist eine endgültige Unterbringung möglich. Auch eine etwaige Rückführung oder Wiederaussetzung der Exemplare in den Herkunfts­ländern erfordert eine rasche Verfahrensführung. Hier geht es darum, dass ein rasches Handeln auch zusätzliches Leid erspart.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 49

Mit der gegenständlichen Gesetzesnovelle wird die Vollziehung nunmehr ausschlie­ßlich bei den Bundesbehörden – mit Ausnahme der Aufgaben der wissenschaftlichen Behörden, diese bleiben weiter in der Länderkompetenz; da geht es auch um Zuchtver­ordnungen –, also bei der Zollbehörde angesiedelt werden.

Die Bezirksverwaltungsbehörden werden künftig weder Kontrollen noch Strafverfahren zu führen haben. Dadurch wird es im Bereich der Länder zu einer entsprechenden Kostenersparnis kommen. Das freut natürlich einen Vertreter der Länderkammer, wenn es einmal ein Gesetz gibt oder eine Gesetzesnovelle, die auch den Ländern die Mög­lichkeit gibt, Kosten einzusparen.

Die erfreuliche Einstimmigkeit – es war eine Fünfparteieneinigung darüber auch im Na­tionalrat, und ich gehe davon aus, dass das auch in diesem Haus, im Bundesrat, der Fall sein wird – bringt nicht nur eine Verbesserung der Situation von gefährdeten und vom Aussterben bedrohten Tieren, sondern es geht auch um den Handel mit tierischen Produkten, speziell dem Kaviar. Manche haben dieses Gesetz auch als „Lex Kaviar“ bezeichnet. Ich möchte aber nicht näher darauf eingehen.

Folgendes ist mir noch wichtig, hier auch zu erwähnen, denn gerade in den letzten Jahren hat dieses Segment immer stärker zugenommen: Es ist das sogenannte Schlupfloch im Internet. Ich finde, mehr Augenmerk sollte jenem Artenhandel ge­schenkt werden, der heute im Internet stattfindet. Hier tun sich völlig neue Dimensio­nen auf. Per Mausklick wird auch der Handel mit gefährdeten und vom Aussterben be­drohten Tier- und Pflanzenarten betrieben.

Ich darf mich in diesem Zusammenhang bei dir, Herr Minister, sehr, sehr herzlich be­danken für das gemeinsame Vorgehen auch mit dem Finanzministerium. Was die so­genannte Cybercrime-Abteilung anlangt, geht es darum, eben auch im Bereich der neuen Medien, im Bereich des Internets Dinge hintanzuhalten, die oft anonym, aber sehr schnell abgewickelt werden.

In diesem Sinn werden wir von der Fraktion der ÖVP diesem Gesetz gerne die Zustim­mung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Ebner. – Bitte.

 


11.20.55

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion und ich persönlich, wir können diese Änderung des Artenhandelsgesetzes nur begrüßen, in dem es darum geht, die Überwachung des Handels mit wildlebenden Tier- und Pflan­zenarten durchzuführen, dem Handel mit diesen Einhalt zu gebieten und ihn auch neu zu regeln.

Es wird auch in Hinkunft notwendig sein, den Handel mit den im Gesetz definierten ge­fährdeten Wildtierarten und Pflanzenarten genau zu kontrollieren und einer strengeren Überwachung zu unterziehen. Die Zusammenlegung der Kompetenzen von Bezirks­hauptmannschaften und Zollbehörden auf eine Behörde können wir nur begrüßen, da­mit auch hier in einem hohen Maß eine Erleichterung stattfindet.

Wie viele wissen, blüht der Handel mit seltenen wie auch exotischen Tierarten, woraus auch Kapital geschlagen wird. Der Transport, vielfach in engen Käfigen und Koffern, teilweise auch ohne Nahrung, ohne Wasser, ist verwerflich, denn das bedeutet für die­se Lebewesen stundenlange Qualen, und dem muss Einhalt geboten werden. Ganz abgesehen davon, dass die neuen Besitzer teilweise überhaupt keine Möglichkeiten haben, diese Lebewesen auch entsprechend artgerecht zu halten.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 50

Nicht unerwähnt möchte ich auch den Tourismus lassen. Viele Touristen schmuggeln, ob es jetzt wissentlich oder unwissentlich ist, aus ihren Reiseländern Exemplare der ar­tengeschützten Tiere und Pflanzen. Hier müsste verstärkt informiert und auch kontrol­liert werden.

Eine Vielzahl von lebenden Tieren und Pflanzen wird jedes Jahr in die Europäische Union eingeführt, seien es Papageien aus Südamerika oder wunderschöne Orchideen aus Südostasien. Aber nicht nur diese lebenden Tier- und Pflanzenarten werden teil­weise illegal geschmuggelt, es gibt auch eine Vielzahl an Produkten von diesen Tier- und Pflanzenarten. Ich darf hier vielleicht nur Schuhe aus Reptilienleder oder getrock­nete Pflanzen erwähnen, die für medizinische Zwecke verwendet werden und ebenfalls illegal nach Österreich gelangen.

Wir haben schon gehört, Österreich hat 1982 das Washingtoner Artenschutzüberein­kommen unterzeichnet, das eben auch zum Ziel hat, die gefährdeten Tier- und Pflan­zenarten zu schützen. Trotzdem ist Österreich bei der legalen Einfuhr exotischer Tiere und Pflanzen ein nicht ganz unbedeutendes Land, und Österreich ist auch ein bedeu­tendes Land in der Wiederausfuhr von weiterverarbeiteten Lederprodukten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Änderung des Artenhandelsgesetzes ist Österreich bemüht, den Handel mit wildlebenden Tier- und Pflanzenarten noch bes­ser zu überwachen, den illegalen Handel zu unterbinden und die Kontrollen der Behör­den wirksamer zu machen. Verstärkte Informationen hinsichtlich der gesetzlichen Ver­pflichtungen im Handel mit diesen Tier- und Pflanzenarten sind der erste Schritt zu einem Bewusstsein, das bedeutet, sowohl die Natur zu schützen als auch den Fortbe­stand für unsere Nachkommen zu sichern.

Unsere Fraktion wird daher dieser Gesetzesänderung ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

11.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Ertl. – Bitte.

 


11.24.41

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Minister! Unter Artenschutz versteht man die Gesamtheit der Maßnah­men zum Schutz, zur Pflege und zur Förderung der wildlebenden Tier- und Pflanzen­welt in ihrer natürlichen und historisch gewachsenen Welt. Der Handel mit Produkten tierischer oder pflanzlicher Herkunft sowie mit lebenden Exemplaren ist neben der Zer­störung der natürlichen Lebensräume die Hauptursache für die Gefährdung vieler Tier- und Pflanzenarten.

Der Handel mit wildlebenden Tier- oder Pflanzenarten wird mit dem neuen Gesetz bes­ser geregelt, und Vergehen werden effizienter bestraft. So sollen Personen, die vor­sätzlich oder fahrlässig wildlebende Tier- oder Pflanzenarten oder Teile oder Erzeug­nisse daraus ohne entsprechende Genehmigung einführen beziehungsweise mit die­sen handeln, zukünftig auch gerichtlich verfolgt werden.

Die geschützten Arten sind auch keine Urlaubssouvenirs. Um eine schnellere und kos­tengünstigere Sanktionierung zu ermöglichen, werden geringfügige Vergehen zukünftig mittels einer einfachen Strafverfügung geahndet werden. Dadurch können vor allem Vergehen im Reiseverkehr im Zusammenhang mit der unerlaubten Einfuhr von arten­geschützten Touristensouvenirs rasch und effizient bestraft werden.

Weiters wird es künftig vereinfachte Verfahren bei der Ermittlung geben. Waren bisher zwei unterschiedliche Behörden zuständig, werden in Zukunft die Kontrolle und die Durchführung des Strafverfahrens ausschließlich von den Zollbehörden vorgenommen


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 51

werden. Überdies sind die Nachweispflichten und Kontrollbefugnisse genau definiert und ausdrücklich gesetzlich verankert. Personen, die ein Exemplar besitzen, müssen auf Verlangen der zuständigen Behörde die Herkunft und den rechtmäßigen Erwerb nachweisen.

Artenschutz ist ein Thema, das uns wichtig ist. Es geht darum, einzelne Arten zu be­wahren und die Lebensräume diverser Tiere, Vögel, Fische und Pflanzen zu schützen. Mit diesen neuen Bestimmungen wird der Schmuggel eingedämmt werden, und es ist, falls doch, mit umfangreichen, hohen Strafen zu rechnen. Unsere an den Grenzen ar­beitenden Zollbeamten sind den Artenschutz betreffend bestens geschult und decken auch immer wieder Fälle auf. Dadurch, dass die Zuständigkeit neu geregelt wird, wird auch die Effizienz auf jeden Fall verbessert. Wir stimmen daher gerne diesem Gesetz zu. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

11.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächste Frau Bundes­rätin Kerschbaum. – Bitte.

 


11.27.50

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen diesem Gesetz nicht nur zu, wir begrüßen es sogar. (Zwischenrufe. – Beifall der Bundesräte Schennach und Dönmez sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.) Was heißt „Schau“? Vielleicht sollten wir öfter mal zustimmen.

Was das Washingtoner Artenschutzabkommen anlangt, hat ja Österreich leider etwas zu spät unterzeichnet. Das Ergebnis daraus haben wir jetzt immer noch in Gänserndorf sitzen in Form von Schimpansen, die damals für die Wissenschaft missbraucht wurden und die nun im Affenhaus gepflegt werden. Insofern sind wir sehr froh, dass wir jetzt dieses Gesetz beschließen, noch schärfere Bestimmungen einführen und vor allem durch die Konzentration der Verantwortlichkeiten das Ganze effektiver und effizienter gestalten können.

Ich persönlich finde den Handel mit exotischen Tieren an und für sich entbehrlich be­ziehungsweise überflüssig. Der illegale Handel mit exotischen Tieren und wildlebenden Arten ist nicht nur überflüssig, sondern auch gefährlich, nicht nur für die Arten, sondern zum Teil auch für die Käufer. Immer wieder passieren so Dinge, wie dass es in einem Haus brennt, und in diesem Haus sind Giftschlangen. Wie man dann als Feuerwehr­mann damit umgeht, ist sicher wenig lustig. Es ist sicher unangenehmer einen Brand in einem Haus mit Giftschlangen zu löschen als in einem Haus ohne Giftschlangen.

Egal, wer in Österreich die Tiere hält, und egal, wie gut er sie hält (Bundesrat Gruber: Ganz gleich, wie die Schlangen ausschauen! – Heiterkeit) – ganz gleich, wie die Schlangen ausschauen, und egal, wer sie hält –, im Prinzip ist es so, dass die Haltung von exotischen Tieren in Österreich sicher nie ganz artgerecht passieren kann und dass es sicher immer optimaler ist, wenn diese in ihrer Heimat bleiben können.

Das Problem, das wir mit diesen exotischen Tieren in Österreich zum großen Teil ha­ben, ist, dass das einfach viel Geld kostet. Wir haben es im Ausschuss gehört: Die Tie­re, die vom Zoll aufgegriffen werden, müssen ja dann auch irgendwo untergebracht werden. Da finden sich dann irgendwelche Zoos, die das vielleicht übernehmen kön­nen. Ganz einfach gestaltet sich das nie. Ich denke mir, damit liegen diese Schmugg­ler, wie auch immer, auch der öffentlichen Hand ganz schön auf der Tasche.

Deshalb unterstützen wir das, wie gesagt, und freuen uns, wenn da jetzt effizienter vor­gegangen wird durch den Zoll. Das schützt einerseits die Tiere, das schützt anderer­seits auch die Gesellschaft, denn Tierschutz ist auch etwas, was für die Gesellschaft ganz wichtig ist.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 52

Damit möchte ich noch auf ein anderes Thema kurz eingehen, denn die Tierschutz­standards, die wir jetzt erreicht haben – und die sind natürlich um einiges höher als vor 20, 30 Jahren –, haben wir deshalb erreicht, weil sich Menschen engagiert und für ihre Ideologie eingesetzt haben. Diese Tierschützer haben ganz selten nur ganz normale konventionelle Mittel ergriffen, sondern meistens sind sie irgendwie doch ziemlich un­konventionell vorgegangen, um die Menschen auch darauf aufmerksam zu machen, was Tierleid ist und wo es passiert.

Wenn jetzt so unkonventionelle Tierschützer, die es schon immer gegeben hat und die uns gerade im Bereich des Tierschutzes sehr viel weitergebracht haben, wenn genau diese unkonventionellen Tierschützer jetzt als organisierte Verbrechensorganisationen verfolgt werden, dann stimmt mich persönlich das sehr bedenklich.

Ich denke, das ist bedenklich im Hinblick auf die Zukunft des Tierschutzes, denn diese Menschen haben den Tierschutz in Österreich weitergebracht, es ist aber auch be­denklich hinsichtlich der Zukunft der Gesellschaft in Österreich an sich. – Danke. (Bei­fall der Bundesräte Schennach und Dönmez. – Bundesrat Perhab: Aber Rechtsstaat muss Rechtsstaat bleiben!)

11.31


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Berla­kovich. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


11.31.35

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Werter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Danke für die Einstimmigkeit in dieser Frage. Es ist ein wichtiges Thema, den illegalerweise stattfindenden Artenhandel zu unterbinden. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität, nämlich der Artenvielfalt weltweit. Es sind aber nicht nur in der ganzen Welt Tier- und Pflanzenarten diversester Rassen bedroht, sondern auch in Österreich gilt es, Tiere und Pflanzen zu erhalten, die auf der roten Liste stehen.

Ich wollte Sie informieren, ich habe diesbezüglich seitens des Lebensministeriums eine sehr breite Biodiversitätskampagne gestartet zum Schutz der Artenvielfalt in Öster­reich. Österreich ist eines der reichsten Länder, was die genetischen Ressourcen im Bereich der Tier- und Pflanzenwelt anlangt. Wir machen das gemeinsam, nämlich Le­bensministerium mit dem WWF, mit dem Naturschutzbund und BirdLife, und im Rah­men von Partnerschaften versuchen wir, Bewusstseinsbildung zu machen, gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, damit nicht sozusagen gesagt wird: Na ja, was gehen uns die Tiere und Pflanzen an, wichtig sind die Arbeitsplätze! – Beides ist wichtig: dass wir einerseits Arbeitsplätze haben, aber andererseits auch diese Einzig­artigkeit Österreichs im Bereich der Tier- und Pflanzenwelt erhalten!

Um das auch zu gewährleisten und das Gesetz auch in der Praxis zu unterstützen, ha­ben wir gemeinsam mit dem WWF Infokampagnen gestartet. Vielleicht ist es Ihnen auf dem Flughafen Schwechat aufgefallen: Da stehen große Schautafeln, die aufmerksam machen sollen auf den illegalen Artenhandel und auf die Konsequenzen, die jemand zu erleiden hat, wenn er illegal mit Arten handelt. Wir haben aber auch Informationsmate­rialien zusammengestellt, die in Reisebüros, auf den Zollämtern und auch auf Flughä­fen aufliegen. Wir werden das noch intensivieren.

In diesem Sinne herzlichen Dank an Sie für die Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum, Schennach und Dönmez.)

11.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 53

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Aufgrund eines dezenten Hinweises zögere ich bei der Fortsetzung.

Ich unterbreche für zwei, drei Minuten die Sitzung und warte, ob der Herr Landes­hauptmann von Burgenland in diesem Zeitraum erscheint.

*****

(Die Sitzung wird um 11.34 Uhr unterbrochen und um 11.38 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsident Erwin Preiner (den Vorsitz übernehmend): Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich freue mich sehr, den Landeshauptmann des Burgenlandes Hans Niessl heute bei uns hier im Bundesrat begrüßen zu können, den Landeshauptmann jenes Bundeslan­des, das als jüngstes Kind zu Österreich gekommen ist. Heißen Sie gemeinsam mit mir sehr herzlich willkommen den Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Niessl. (All­gemeiner Beifall.)

Zugleich darf ich auch meinen Vorgänger als Präsidenten des Bundesrates aus bur­genländischer Sicht willkommen heißen. Ich begrüße sehr herzlich den Präsidenten des Bundesrates a. D. Herr Mag. Georg Pehm. Herzlich Willkommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf nun dem Herrn Landeshauptmann Hans Niessl das Wort erteilen. Er wird Er­klärungen zum Thema „Regionalität – Erfolgsrezept für die Zukunft“ abgeben. – Ich ersuche nun, Herr Landeshauptmann, das Wort zu ergreifen.

11.40.02Erklärung des Landeshauptmannes von Burgenland

 


11.40.07

Landeshauptmann von Burgenland Hans Niessl: Herr Präsident! Hohes Haus! Mei­ne sehr geehrten Damen und Herren! Mitte dieses Jahres hat, wie es der Herr Präsi­dent gesagt hat, das jüngste der österreichischen Bundesländer, auch das kleinste der österreichische Bundesländer einerseits den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen, andererseits aber auch den Vorsitz hier im österreichischen Bundesrat. Es freut mich sehr, dass ich heute Gelegenheit habe, hier im Bundesrat zu den Leitge­danken, Schwerpunkten und auch Zielen dieser Vorsitzführung Stellung zu beziehen.

Als ganz wichtigen Leitgedanken sehe ich Regionalität als Erfolgsrezept in der Zukunft. Ich glaube, dass diese Regionalität Österreich in den letzten Jahren und Jahrzehnten nach vorne gebracht hat. Und das ist auch sicherlich ein Konzept, in der Zukunft erfolg­reich zu sein. Ein aktiver und gelebter Föderalismus steht für den erfolgreichen öster­reichischen Weg der vergangenen Jahrzehnte, und ich bin davon überzeugt: Födera­lismus ist nicht nur ein Wert der Vergangenheit, Föderalismus ist auch ein Wert der Zu­kunft.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 54

Dazu brauchen wir aber starke Länder, dazu brauchen wir auch einen starken Bundes­rat, und ich möchte dir, Herr Präsident, ich möchte den Mitgliedern des Bundesrates für die Verdienste um unser Heimatland sehr herzlich danken. So mancher ist im Augen­blick der Meinung – und es werden auch diese Diskussionen geführt –, dass diese Strukturen, die zu einer erfolgreichen Entwicklung in der Vergangenheit beigetragen haben, die den erfolgreichen österreichischen Weg ausgezeichnet haben, nicht mehr zeitgemäß sind.

So manche wünschen sich ein Mehr an Zentralismus, und ich denke, dass man diese Diskussion sehr offensiv führen kann und offensiv führen muss. Sie argumentieren mit Einsparungen, mit mehr Effizienz und mit schlankeren Strukturen. Diesen Stimmen, diesen Kritikern des Föderalismus halte ich entgegen: Regionalität ist wichtig für die Lebensqualität, Regionalität bedeutet Bürgernähe, Regionalität steht für den Aufstieg der österreichischen Bundesländer.

Wenn Sie das Burgenland vor Jahrzehnten vielleicht einmal besucht haben und wenn Sie das Burgenland heute besuchen, dann können Sie anhand dieser Regionalität auch klar den Aufstieg, die Entwicklung dieses Bundeslandes sehen.

Es war das Burgenland einst ein Land, das in vielen Bereichen sehr rückständig war. Viele Gründe hat es dafür gegeben, unter anderem auch, dass wir das jüngste Bun­desland sind, bis 1921 bei Ungarn waren, dass wir im Schatten des Eisernen Vor­hanges leben mussten, der 1989 gefallen ist. Es war natürlich jahrzehntelang äußerst schwierig, hier aktive Wirtschaftspolitik, gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, wenn man einen Betrieb sozusagen in den Schatten des Eisernen Vorhan­ges hinstellt. Das hat sehr viele davon abgehalten, im Burgenland zu investieren.

Wir waren, wie gesagt, Schlusslicht, heute liegen wir in manchen Bereichen, in wichti­gen Bereichen, zum Beispiel im Bildungsbereich mit der zweithöchsten Maturanten­quote der österreichischen Bundesländer, im Spitzenfeld.

Ich komme soeben von einer Pressekonferenz, die zum Thema hatte, dass wir nächste Woche eine der modernsten, schönsten Thermen Österreichs eröffnen werden, die St. Martins Lodge, wo es wieder in einer sehr schwierigen Zeit 200 zusätzliche Arbeits­plätze geben wird und wo wir fest daran glauben, dass diese Therme nicht nur diese 200 Arbeitsplätze vor Ort schafft, sondern dass in weiterer Folge auch Arbeitsplätze bei Klein- und Mittelbetrieben entstehen, weil die regionale Wirtschaft nicht nur in der Bau­phase, sondern natürlich auch in der Betriebsphase sehr profitieren wird.

Ich halte es auch für einen Irrglauben, zu meinen, dass mehr Zentralismus automatisch zu Einsparungen führt. Da komme ich zur aktuellen Diskussion über die Verwaltungs­reform, und ich möchte ganz klar sagen, dass diese Verwaltungsreform aus Sicht der Bundesländer auch kommen soll. Wir sind keine Diskussionsverweigerer, wir führen diese Diskussion auch im Bereich der Verwaltungsreform sehr gerne. Es wird in weni­gen Wochen, noch im November, die Landeshauptleutekonferenz im Burgenland ge­ben. Hier haben wir eine klare und eindeutige Position, zum Beispiel im Bereich der Schulreform. Wir können uns ohne weiteres vorstellen, dass Bezirksschulräte, Landes­schulräte abgeschafft werden, dass es eine Bildungsdirektion gibt, dass diese Bil­dungsdirektion das Kompetenzzentrum der Bildung in einem Bundesland sein soll, wo alle Bildungsfragen gebündelt behandelt werden, wo es auch zu Einsparungen kom­men kann, aber die Frage wird sein: Wie sind die Kompetenzen aufgeteilt? Die Länder zahlen natürlich auch im Bereich der Landesschulräte nicht unwesentliche Beträge mit, und es muss auch hier der Einfluss der Länder in entsprechender Form auch in Zu­kunft gegeben sein.

Das ist zu verhandeln, da sind Gespräche zu führen. Zum Konzept gibt es, wie gesagt, eine gemeinsame Position. Diese gemeinsame Position ist sicherlich eine Grundlage


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 55

für die Gespräche, die in weiterer Folge zu führen sind. Was wir nicht wollen – das sage ich auch ganz klar – ist, dass in Bildungsfragen die Kompetenzen zur Gänze zum Bund wandern.

Auch hier sage ich als Landeshauptmann des Burgenlandes: Wir waren Schlusslicht im Bereich der Bildung, wir haben die niedrigste Zahl von Maturantinnen und Maturanten in den vergangenen Jahrzehnten gehabt. Und genau die Regionalität ist es, die dazu geführt hat, dass wir im Bildungsbereich jetzt die zweithöchste Zahl an Maturanten in Österreich haben. Ich denke, dass sich alle Bundesländer sehr intensiv mit dieser Bil­dungsfrage befasst haben und dass es hier auch einen einheitlichen Standpunkt bei der Landeshauptleutekonferenz geben wird.

Wir sind auch dafür, dass wir über Landesverwaltungsgerichtshöfe diskutieren – auch das ist schon einige Male andiskutiert worden –, wir werden aber keinen Reformen im Bereich der Verwaltung zustimmen, die zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen.

Ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig ist – auch darüber muss man diskutieren, und das kostet natürlich Geld –, ein wohnortnahes Spital zu haben. Das hat natürlich für die Menschen einen großen Stellenwert. Es ist ein Unterschied, ob ich nach einem Herz­infarkt in 15 Minuten im nächsten Krankenhaus bin oder ob ich eine Dreiviertelstunde oder eine Stunde ins nächste Spital fahre.

Also insofern bin ich dafür, dass man im Bereich der Verwaltungsreform alles hinter­frägt, aber andererseits sage ich auch: Es darf nicht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger gehen! Wohnortnahe Krankenanstalten, wohnortnahe Schulen und auch die wohnortnahen Verwaltungseinheiten, Bezirkshauptmannschaften haben für die Länder einen sehr großen und wichtigen Stellenwert. Wohnortnahe Einrichtungen zeugen von Bürgernähe. Wir haben bei den Bezirkshauptmannschaften auch Umfragen gemacht mit dem Ergebnis, dass bis zu 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, der Menschen in unserem Bundesland sehr zufrieden oder zufrieden mit der Arbeit der Bezirkshaupt­mannschaften sind, einer Verwaltungseinheit, die sehr nahe bei den Menschen ist.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass natürlich auch die Sicherheit einen sehr ho­hen Stellenwert hat, dass wir große Anstrengungen unternehmen müssen, damit die Bundesländer auch in Zukunft sicher bleiben. Ich habe zum Beispiel schon im Mai ein Treffen mit den Landeshauptleuten von Niederösterreich und von Wien gehabt, und bereits damals habe ich darauf hingewiesen, wie wichtig die Bedeutung des Assistenz­einsatzes für die Ostregion ist. Eine vorgestern publizierte Umfrage zeigt, dass wir hier schon im Mai absolut richtig gelegen sind. Diese Umfrage bestätigt, dass die Landes­hauptleute schon im Frühjahr von den Menschen gespürt haben, wie wichtig diese Fra­ge Sicherheit ist, wie wichtig den Menschen der Assistenzeinsatz ist.

Wenn im Laufe des Assistenzeinsatzes fast 100 000 Illegale aufgegriffen beziehungs­weise abgewiesen wurden, dann zeigt das, dass hier eine wichtige Aufgabe im Bereich der Sicherheit übernommen wurde, und auch aktuell zeigt sich, dass die Soldaten durch ihre neue Aufgabe, nämlich Meldungen zu machen, zu helfen, zu informieren, immer mehr Interventionen in den letzten Monaten zu tätigen hatten und auch mehr In­terventionen durchgeführt haben.

Ich bin dem Präsidenten und ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich gestern eben­falls mit dem Thema Sicherheit beschäftigt haben, und ich glaube, dass wir vor allem in der Ostregion versuchen müssen, diesen Assistenzeinsatz aufrechtzuerhalten bezie­hungsweise in Zukunft mehr Polizisten zu bekommen.

Es ist aber natürlich auch wichtig, dass wir in den Bundesländern Strukturen schaffen, dass es eine möglichst gute medizinische Versorgung gibt und dass die beste Bildung für die Kinder, Bildung für die Jugend, die ich bereits angesprochen habe, einen sehr hohen Stellenwert hat. All das kostet natürlich Geld.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 56

Es wird in den nächsten Monaten auch die Diskussion zu führen sein, wie der Staat zu weiteren Einnahmen kommt. Ich glaube, dass auch die Länder sich an dieser Diskus­sion beteiligen werden und bin da absolut auch der Meinung der Bundesregierung, dass die Finanztransaktionssteuer eingeführt werden soll, dass die Gewinne von Ak­tien und ähnliche Kapitalgewinne durchaus einer fairen Besteuerung unterliegen müss­ten. Es ist ja kaum einzusehen, dass man auf Sparguthaben die KESt bezahlt, wäh­rend bei Aktiengewinnen zum Beispiel diese KESt nicht anfällt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesräte Kerschbaum, Schennach und Dönmez.)

Diskussionen, die in diese Richtung gehen, sehe ich absolut positiv und denke, dass das auch in einem großen Ausmaß unterstützt werden wird.

Es kann in diesem Bereich zusammenfassend gesagt werden, dass es mir und sicher­lich den Landeshauptleuten klar ist, dass gespart werden muss, dass man sich immer wieder auch gute Anregungen – ich sage das auch ganz offen – von dem einen oder anderen Bundesland holen kann, dass in dieser schwierigen Zeit viele Investitionen vorgezogen wurden, viele finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt wurden, einerseits vom Bund, andererseits aber auch von den Ländern, und dass uns da gemeinsam doch sehr viel Positives gelungen ist. Österreich steht im internationalen Schnitt sehr gut da, und ich darf auch für mein Bundesland sagen, dass wir uns innerhalb Öster­reichs sehr gut entwickelt haben. Sie erkennen das, wenn Sie sich die aktuellen Touris­muszahlen anschauen oder den Anstieg der Arbeitslosigkeit. Jeder Arbeitslose ist uns zu viel, aber wir haben nur einen halb so hohen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Relation zum Durchschnitt Österreichs.

Wir wollen diesen offensiven Weg, nämlich in schwierigen Zeiten zu investieren, auch in den nächsten Jahren weitergehen. Ich habe die beiden Minister Hundstorfer und Mit­terlehner bereits eingeladen, zur Landeshauptleutekonferenz zu kommen, damit man diese Feinabstimmung wieder vornehmen kann, einerseits die Konjunkturpakete des Bundes, andererseits aber die möglichst guten Rahmenbedingungen der einzelnen Länder, weil doch viele Wirtschaftsforscher der Meinung sind, dass das nächste Jahr kein einfaches Jahr im Bereich des Arbeitsmarktes sein wird, und ich glaube, da sind alle Verantwortungsträger in Österreich gefordert, daran mitzuwirken, die Arbeitslosig­keit in Grenzen zu halten.

Ich darf aber wieder zurückkommen auf das Burgenland. Wir haben gestern offiziell un­ser Internationales Haydn-Jahr beendet. Das Haydn-Jahr war für das Burgenland ein sehr großer Erfolg. Es wurde doch fast jahrelang, kann ich sagen, vorbereitet, und ich denke sehr gut vorbereitet. Es konnte das Burgenland, glaube ich, als Kulturland einen guten Ruf, ein besseres Image erreichen. Wir haben zirka 450 000 Besucher bei unse­ren Veranstaltungen gehabt. Es hat 4 000 Veranstaltungen in einem Jahr gegeben, wenn man die Führungen mit Kindern, mit Pensionisten und so weiter dazuzählt. Wir haben international sehr, sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Es hat zum Beispiel Eisenstadt im September ein Plus von 21 Prozent bei den Nächtigungszahlen gehabt. Also das ist natürlich unmittelbar im Zusammenhang stehend mit den Interna­tionalen Haydn-Jahr.

Wir bereiten jetzt bereits für das Jahr 2011 das Internationale Liszt-Jahr vor, wofür jetzt schon die Arbeiten begonnen haben, und wir hoffen, dass dieses Internationale Liszt-Jahr gleichfalls ein großer Erfolg wird, wie das zu Ende gehende Haydn-Jahr.

Dieses Jahr 2009 war im Burgenland aber auch davon gekennzeichnet, dass wir das 20-jährige Jubiläum des Falls des Eisernen Vorhangs gefeiert und begangen haben. Wir haben sehr viel internationalen Besuch im Burgenland beziehungsweise an der Grenze gehabt. Es war auch die deutsche Bundeskanzlerin vor Ort, der ungarische


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 57

Staatspräsident, der österreichische Staatspräsident. Im Schloss Esterhazy waren vie­le Vertreter der ungarischen Bundesregierung, der österreichischen Bundesregierung anwesend.

Ich glaube, dass das vor allem auch der Jugend gesagt werden muss. Wenn manche 20-, 25-Jährige heute nicht mehr wissen, was der Eiserne Vorhang war, dann ist es wichtig, dass man auch das immer wieder in Erinnerung ruft, denn gerade wir Burgen­länder waren davon sehr, ja hautnah betroffen. Ich selbst komme aus dem Seewinkel. In einer Luftlinie von vier, fünf Kilometern war eben Stacheldraht, waren die Wach­türme, und damit haben wir sehr direkten Kontakt gehabt.

Wir sind natürlich jetzt gefordert, dass wir diese Zusammenarbeit mit unseren Nach­barn weiter intensivieren, dass wir mit den Nachbarn zusammenarbeiten, dass wir die­se Region stärken. Das sind natürlich viele Herausforderungen, die zu lösen sind – ich sage das auch ganz offen –, ob das die Herausforderungen im Bereich der Sicherheit, des Verkehrs oder des Zugangs zum Arbeitsmarkts sind. Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch sehr, sehr viele Chancen im Bereich der Wirtschaft, im Bereich der Arbeitsplätze.

Ich kann auch sagen, dass wir zum Beispiel in unserem großen Einkaufszentrum in Parndorf mit 3,5 Millionen Besuchern fast 40 Prozent Kunden aus Ungarn, der Slowa­kei und aus den neuen EU-Ländern haben, und von der St. Martins Lodge, die nächste Woche eröffnet wird, erwarten wir uns einen ähnlichen Prozentsatz an Gästen aus dem Ausland, sodass diese ganze Region natürlich auch mitprofitieren soll von diesem neu­en europäischen Raum.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch Konrad Adenauer zitieren. Von ihm stammt der wichtige Satz: Die Einheit Europas war ein Traum weniger, wurde die Hoff­nung vieler und ist heute eine Notwendigkeit für alle. – Zitatende.

Ich glaube, dass dieser Satz sehr, sehr viel aussagt. Dass wir einerseits natürlich das Positive sehen müssen, ist klar, dass wir aber auch auf die Herausforderungen in ent­sprechender Form reagieren müssen und entsprechende Rahmenbedingungen in vie­len Bereichen setzen müssen, ist auch klar.

Das Burgenland hat davon profitiert. Ich habe gesagt, wir haben eine 400 Kilometer lange Stacheldraht- und verminte Grenze im Burgenland gehabt. Wir haben erst seit dem Jahr 1989 die gleichen Voraussetzungen wie die meisten österreichischen Bun­desländer. Wir haben auch durch die Ziel-1-Förderung, die seit dem Jahr 1995 in das Burgenland geflossen ist, massiv davon profitiert. Ich denke, wir haben diese Gelder gut angelegt. Mit Unterstützung des Bundes und mit Landesfinanzen konnten wir sehr hohe Beträge vonseiten der Europäischen Union auslösen und konnten damit wichtige Impulse nicht nur im Bereich des Tourismus, nicht nur im Bereich des Gewerbes, son­dern natürlich auch im Sozialbereich, bei der Qualifizierung, bei der Ansiedlung neuer Industriebetriebe im Burgenland setzen, und das hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich das Burgenland in vielen Bereichen so gut entwickeln konnte.

Wir befinden uns heute in einer Zeit der weltweiten Krise, in einer relativ schwierigen Zeit. Es gibt vereinzelt Ansätze, dass diese Krise dem Ende zugeht. Es gibt vereinzelt Tendenzen, dass sich die Wirtschaft erholt, dass es wieder aufwärtsgeht. Diese Zeit er­fordert mehr denn je Zusammenhalt und Stärke durch ein Miteinander.

Die österreichischen Bundesländer stehen für dieses Miteinander. Die österreichi­schen Bundesländer haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gezeigt, dass dieser Zusammenhalt, dieses Miteinander möglich ist, und der Bundesrat und auch die Landeshauptleute stehen für Stärke durch Miteinander.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 58

Wir versuchen, diesen erfolgreichen österreichischen Weg weiter fortzusetzen. Das war erfolgreich in der Vergangenheit, und ich denke, das wird auch der erfolgreiche Weg der Zukunft sein.

Durch Regionalität, durch einen gelebten Föderalismus wollen wir den Aufstieg unserer Heimat weiter fortsetzen. Durch Regionalität, durch einen gelebten Föderalismus wer­den wir auch die Zukunft erfolgreich gestalten können! – Danke für Ihre Aufmerksam­keit. (Allgemeiner Beifall.)

11.59


Präsident Erwin Preiner: Geschätzter Herr Landeshauptmann! Ich danke als Präsi­dent des Bundesrates sehr herzlich für deine anerkennenden Worte die Entwicklung des Bundeslandes Burgenland als jüngstes Kind Österreichs betreffend. Ich bin davon überzeugt, dass sich diese positive Aufwärtsentwicklung auch in nächster Zukunft wei­ter fortsetzen wird: zum Wohle der Burgenländerinnen und Burgenländer!

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Jany. Ich erteile es ihm.

 


12.01.18

Bundesrat Reinhard Jany (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ich gratuliere unse­rem Bundesrat Erwin Preiner zur bisherigen Vorsitzführung im Bundesrat. Ich wünsche dir alles Gute, vor allem, dass es dir gelingen möge, im Sinne der Ländervertretung das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen.

Das Burgenland als jüngstes Bundesland war lange Zeit Schlusslicht in Österreich, konnte sich aber seit dem EU-Beitritt als Ziel-1-Gebiet ganz gut entwickeln. Durch den Beitritt zur EU ist das Burgenland – der Herr Landeshauptmann hat es bereits er­wähnt – von der toten Grenze, vom Stacheldraht, in die Mitte Europas gerückt.

Unser Land prägen die verschiedenen Volksgruppen, eine fleißig arbeitende Bevölke­rung, eine interessierte, lernwillige, zukunftsorientierte Jugend, eine leistungsfähige Wirtschaft, eine traditionsreiche Kultur, eine schöne Landschaft, das pannonische Kli­ma – das Burgenland ist das Land der Sonne –, natürlich der gute Wein und sicherlich auch der sanfte Tourismus, der uns Wesentliches im Lande bringt.

Kulturell ist das Burgenland mit dem Haydn-Jubiläum, den Festspielen in Mörbisch, St. Margarethen, Kobersdorf, bis hin zu den Burgspielen in Güssing, weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt.

Steht das Burgenland, ein Pendlerland, derzeit besser da als andere Bundesländer? – Eine provokante Frage! Wir sind von der Wirtschaftskrise weniger betroffen, da wir auch weniger Industrie beziehungsweise große Industriebetriebe im Burgenland ha­ben. Die Zahl der Arbeitslosen ist geringer gestiegen – ein Plus von 17,5 Prozent; der Österreich-Durchschnitt liegt bei 25 Prozent. Der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist allerdings ein Alarmsignal.

Was die Einkommensunterschiede bei den Monatseinkommen von Arbeitern und An­gestellten betrifft, ist das Burgenland im Bundesländervergleich das Schlusslicht. Ein männlicher Vorarlberger verdient monatlich um 585 € mehr als sein Kollege im Bur­genland. Der österreichische Durchschnittsverdienst von Männern und Frauen liegt
bei 2 150 €, ist also weit höher als der Burgenland-Wert; dieser liegt bei 1 850 €. Diese Zah­len stammen aus einer Untersuchung der Sozialversicherungen.

Bei den Menschen im Burgenland stehen ein sicherer Arbeitsplatz – wenn möglich im Burgenland, um nicht mehr auspendeln zu müssen –, ein Leben in Sicherheit und in Gesundheit an vorderster Stelle. Es gibt also in Zukunft noch genug zu tun. Ich möchte


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 59

abschließend dazu feststellen: Arbeiten wir gemeinsam für das Land, zum Wohle unse­res Landes! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.04


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile es ihm.

 


12.05.08

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geschätzte Damen und Herren! Liebe Gäste! Begrüßen möchte ich natürlich auch den Landesgeschäftsführer und Präsidenten außer Dienst des Bundesrates: Lieber Georg Pehm! Nationalräte! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen darf ich im Namen der SPÖ-Fraktion nochmals – und heute offiziell – unserem burgenländischen Bundesratskolle­gen Erwin Preiner zur Präsidentschaft des Bundesrates auf das Herzlichste gratulieren! (Allgemeiner Beifall.)

Mit 1. Juli 2009 übernahm das Burgenland wieder den Vorsitz im österreichischen Bun­desrat und auch die Vorsitzführung in der österreichischen Landeshauptleutekonfe­renz. Das ist für unser Heimatland Burgenland ein besonderer Moment. Diese Funktio­nen bedeuten für unser Heimatland Burgenland nicht nur, turnusmäßig wiederkehren­de Aufgaben in föderalen Institutionen bestmöglich zu erfüllen, sondern auch, dass das Burgenland ein gleichberechtigtes und erfolgreiches Bundesland ist.

In meiner vierjährigen Tätigkeit und Funktion als Bundesrat wurde und wird dies auch immer wieder von Ihnen, meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Bun­desrat, zum Ausdruck gebracht. Dafür möchte ich mich sehr herzlich und aufrichtig be­danken.

Recht herzlich darf ich mich vor allem bei dir, sehr geschätzter Herr Landeshauptmann, sowohl für die Teilnahme an der heutigen Plenarsitzung des Bundesrates als auch für deine inhaltlichen Ausführungen im Zuge deiner heutigen Rede im Bundesrat bedanken.

Ich darf und möchte kurz auf die Geschichte und die Entwicklung unseres jüngsten Bundeslandes eingehen. Am 21. Jänner 1921 wurde unser Burgenland als selbststän­diges und eigenständiges Bundesland in die Bundesverfassung aufgenommen. Im glei­chen Jahr fand am 18. Juni erstmals eine Landtagswahl statt. In der Zwischenzeit ist viel passiert, und es hat sich einiges verändert, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Aus dem ehemaligen Armenhaus Österreichs wurde ein international anerkannter Wirt­schaftsstandort.

In den Jahren 1932 bis 1937 kam es in unserem Bundesland zu einer Auswande­rungswelle. Viele Landsleute mussten ihre Heimat und auch ihre Familien verlassen, da die ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen ihnen keine Lebensgrundlage boten. Nach dem Zweiten Weltkrieg war 1945 die Eigenständigkeit abermals eine große Her­ausforderung.

Nach der gesicherten Selbst- und Eigenständigkeit folgte ein neuerlicher Rückschlag. Unsere Nachbarländer kamen unter kommunistische Herrschaft, und durch die Errich­tung des Eisernen Vorhanges lag das Burgenland an der toten Grenze. Das Land war von seinen gewachsenen historischen Lebensadern getrennt, und dies wirkte sich äußerst negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung aus.

Trotz dieser Situation gingen unsere Vorfahren mit sehr viel Fleiß und Einsatzbereit­schaft an die Arbeit und schafften somit das Fundament für ein neues, modernes und aufstrebendes Burgenland. Diesen Generationen des Wiederaufbaus und denjenigen, die an unser Burgenland geglaubt haben, gebühren Dank, Respekt und Anerkennung.

Es gab in den letzten Jahren einen tiefgreifenden Strukturwandel, eine Modernisierung der Wirtschaft. Viele innovative Betriebe haben sich in unserem Land angesiedelt.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 60

Sechs Technologiezentren wurden errichtet. Es wurden Thermen geschaffen und aus­gebaut. Aus einem Land der verlängerten Werkbänke wurde ein Standort innovativer Zukunftstechnologie.

Wie bereits in den Ausführungen des Herrn Landeshauptmannes sowie meines Vor­redners erwähnt wurde, hat sich unser Bundesland auch im Tourismus sehr positiv ent­wickelt. Dies belegen Jahr für Jahr steigende Nächtigungszahlen trotz der Wirtschafts­krise.

Mit der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 ist das Burgenland endgültig vom Rand ins Zentrum des neuen Europas gerückt. Dieser historische Schritt hat viele neue Heraus­forderungen, aber gerade für die Grenzregionen auch Chancen mit sich gebracht. Die­sen wirtschaftlichen Aufschwung im Burgenland weiterzuführen steht an oberster Stelle für die politischen Verantwortungsträger im Land, an der Spitze unseren Herrn Landes­hauptmann Hans Niessl!

Die EU-Erweiterung und der Fall des Eisernen Vorhanges haben für die Politik neue Herausforderungen mit sich gebracht. Eines der Grundbedürfnisse der Menschen ist die soziale und die innere Sicherheit. Die Bevölkerung hat ein Recht auf Sicherheit und fordert diese auch gerechtfertigt ein.

Viele verantwortungsvolle Politiker, wie unser Herr Landeshauptmann und unser Ver­teidigungsminister, gehen auf die Sorgen und Ängste unserer Bevölkerung ein. Sie handeln im Sinne der Menschen in unserem Land, sie sind ein verlässlicher Partner für die Sicherheit unserer Bevölkerung. Es ist mehr als legitim, wenn seitens verantwor­tungsvoller Politiker in unserem Land der Sicherheitsabbau entlang der Grenze ge­stoppt wird. Diese Maßnahme ist nicht nur für das Burgenland sehr wichtig, sondern natürlich auch für die angrenzenden Bundesländer und Städte, für die Bundeshaupt­stadt Wien, ja für ganz Österreich.

Für die gestrige Sicherheitsenquete im Bundesrat, die von unserem Herrn Präsidenten Erwin Preiner einberufen wurde und über die politischen Grenzen hinweg positive Kritik erntete, möchte ich mich bei dir, sehr geschätzter Herr Präsident, lieber Freund Erwin, sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrätinnen und Bundesrä­ten ohne Fraktionszugehörigkeit.) Bedanken darf ich mich in diesem Zusammenhang weiters bei unserem Burgenland-Minister Mag. Norbert Darabos, der sich für eine Ver­längerung des Assistenzeinsatzes über 2009 hinaus ausspricht, wie er es auch heute in der Fragestunde bestätigt hat.

Für die Menschen in unserem Land kann und muss ein gemeinsames Vorgehen gera­de in wirtschaftlich schwierigen Zeiten im Vordergrund stehen. Ich bin Burgenländer, wir sind Österreicher, wir sind Europäer. Wir Burgenländer sind stolz auf unser Bun­desland, auf unsere Republik Österreich. Ich bedanke mich nochmals bei all jenen, die zum Erfolg unseres Heimatlandes Burgenland beigetragen haben, vor allem bei dir, sehr geschätzter Herr Landeshauptmann, für deinen Einsatz und für dein Engagement für unser Land.

Dir, lieber Herr Präsident Erwin Preiner, danke ich für deine bewiesene weitsichtige, kompetente und korrekte Vorsitzführung und wünsche ich für die verbleibende Zeit als Präsident viel Erfolg, zum Wohle des Bundesrates! Ein herzliches Glückauf dem Bun­desrat! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.12


Präsident Erwin Preiner: Ein herzliches Dankeschön meinerseits für die Ausführun­gen und anerkennenden Worte des Herrn Bundesrates Sodl.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Ko­necny: Ein Tiroler?)

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 61

12.13.14

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Lieber, geschätzter jugendlicher Altpräsident Pehm – eine große Freude, dich hier in unserer Mitte zu sehen! Das erin­nert an gemeinsame Jahre. Es ist jetzt eine gewisse Herausforderung, als erster Nicht-Burgenländer das Rednerpult in Besitz zu nehmen; aber wir werden das schon irgend­wie hinbekommen.

Der Herr Landeshauptmann hat über die Chancen der Regionalität für die Zukunft ge­sprochen. Ich möchte das besonders unterstreichen, denn der Begriff, den es in einem größer werdenden, mobileren Europa für uns neu zu erstreiten gilt, wird der Heimatbe­griff sein, ein Heimatbegriff, der sich nicht mehr so sehr nationalstaatlich abarbeitet, da wir ja Europäer und Europäerinnen in der ersten Identität sind. Deshalb ist die Regio­nalität als eine neue fundamentale Wurzel des Heimatbegriffes von besonderer Bedeu­tung.

Das kann unterschiedlichste Prozesse auslösen. Der Herr Landeshauptmann hat ganz besonders zum Beispiel den Bildungsbereich herausgenommen oder den Tourismus­bereich, den Wirtschaftsbereich. Das heißt, wir schaffen hier einen neuen Heimatbe­griff, einen ganz positiven, nämlich: Heimat muss immer an die Wurzeln heranführen und darf nicht so sehr im Überbau hängen bleiben, denn dann wirkt das auch in der Identität viel stärker.

Es muss sich auch die Regionalität nicht immer nur auf die Landesgrenzen beschrän­ken. Da zeigt das Burgenland, dass es eine interessante Nachbarschaft mit Ungarn oder mit der Slowakei auch lebt und dass diese Grenzen, die einst – wie der Herr Lan­deshauptmann selbst, beim eigenen Aufwachsen, erlebt hat – unüberwindlich schie­nen, nun eigentlich Spaziergangsgrenzen geworden sind oder so mancher Fitnesspar­cours über frühere Grenzen spielend hinwegturnt.

Das hat mich immer fasziniert, weil man sich Identitäten nicht so leicht erarbeitet. Kolle­ge Schnider und ich kommen aus zwei Bundesländern, Steiermark und Tirol, die jahr­hundertelange Identitätsaufarbeitungen und ‑aufbau hatten und in denen diese Identi­täten festgemeißelt sind. Das Faszinierende ist, dass die Identität ... (Bundesrat Mitte­rer: ... in Kärnten!) – Ich habe nur zwei genannt; wir können jetzt alle Bundesländer ab­arbeiten, müssen das aber nicht tun. Ich habe jetzt nur zwei besonders starke Identitä­ten herausgehoben.

Was mir aber besonders aufgefallen ist – und das ist jetzt mein Kotau an das Burgen­land –, ist, dass es dem jüngsten Bundesland, das ja eigentlich eine Art „Restlverwer­tung“ von Westungarn war, in so kurzer Zeit gelungen ist (Zwischenrufe bei der ÖVP) – na ja, bitte, rein historisch gesehen ist es so –, diese burgenländische Identität so ein­deutig zu schaffen: „Ich bin Burgenländer“, „Ich bin Burgenländerin“, das sagen ja die Leute mit einem gewissen Stolz. Den sollen sie auch haben, weil das Burgenland auch eine Erfolgsgeschichte ist. Es muss irgendetwas Panonnisches dabei sein, dass es in so kurzer Zeit gelungen ist, diese Identität zu erarbeiten. Und deshalb auch ein Kompli­ment, dass das gelungen ist.

Nun sind zwei oder drei Dinge vielleicht noch hervorzuheben. Identitäten kann man auch relativ einfacher haben, aber das Burgenland ist vor einer schwierigen Aufgabe gestanden, nämlich multiethnisch eine Identität zu finden, was sich auch in der Mehr­sprachigkeit ausdrückt, in den Ortstafeln zum Beispiel, oder in der Ausbildung in Kroa­tisch, Ungarisch und Deutsch. Das ist in diesem Bundesland ohne große Auseinander­setzungen gelungen, als eine Selbstverständlichkeit des Lebens.

Nicht zu vergessen ist dabei die vierte Volksgruppe, die jüngste Volksgruppe unserer Republik, die im Burgenland auch stark verankert ist, nämlich jene der Roma und Sinti.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 62

Das heißt, wir haben ein Bundesland mit vier Volksgruppen, und trotzdem gelingt die Identität! Das ist etwas, was mit ganz besonderer Wertschätzung eigentlich auch hier von der Länderkammer ausgedrückt werden sollte. (Beifall bei Bundesräten ohne Frak­tionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Herr Landeshauptmann Niessl, Sie haben die Landeshauptleutekonferenz, die dem­nächst stattfindet, und die kommende Verwaltungsreform erwähnt. Hier versuche ich einmal stellvertretend auf eines hinzuweisen. Die Landesverwaltungsgerichtshöfe sind wichtig, Änderungen in der Schulverwaltung nach dem Prinzip des Föderalismus sind richtig, das geben wir Ihnen alles mit. Aber es geht natürlich auch darum, die Vertre­tung und die Stärkung der Länderkammer nicht zu vergessen, sie auch als Landes­hauptmann nicht zu vergessen. Das möchte ich nur anmerken. Sie haben es in Ihrem Referat nicht erwähnt (Bundesrat Mag. Klug: O ja!), aber wir erwarten uns, gerade Sie hier doch als Anwalt vorzufinden. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei SPÖ und ÖVP.)

Einen letzten Satz: Ich weiß, jedem Landeshauptmann und jeder Landeshauptfrau ist das Hemd näher als der Rock. Das heißt, das Land ist näher. Was ist also der Rock? – Der Rock sind in dem Fall die Städte und Gemeinden. Ich möchte nur noch einmal – und ich glaube, dass auch das für die Zukunft ganz wichtig ist – die herausragende Stellung unserer Gemeinden und Städte in unserem System für dessen Funktionieren betonen.

Sie haben vom Einkommen gesprochen. Niemand in Österreich schafft mehr an Ar­beitsplätzen, schafft mehr an Innovation, schafft zum Beispiel mehr an Kaufkraft, als es die Städte und Gemeinden tun. Dort werden die wirklichen Arbeitsplätze geschaffen, dort wird auch soziale Sicherheit mitunter an erster Stelle getragen. Und deshalb, ge­rade auch das Burgenland mit seiner Entwicklung bei den Gemeinden betreffend, aber auch in der Diskussion über eine Verwaltungsreform: Stärken wir unsere selbstbe­wussten Städte und Gemeinden, denn sie sind, wie wir ja wissen, eines der wichtigsten Elemente bei der Werdung unserer Demokratie! Ihre Schaffung, das Gemeindegesetz und das Gemeindewesen, und dass kein Quadratmillimeter unserer Republik nicht mehr in ein Gemeindegebiet fallen muss, war einer der historischen Meilensteine ge­genüber einer abdankenden Monarchie.

Deshalb sind unsere Städte und Gemeinden die Keimzelle der Demokratie, und es geht ihnen wirtschaftlich mitunter nicht gut. Ich glaube, das sollte man bei der Verwal­tungsreform, aber auch in der Frage, wie wir alle dazu beitragen zu sparen, mit be­rücksichtigen, dass die Städte und Gemeinden mitunter eine große Handreichung brauchen, auch des Landes, auch des Bundes. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei SPÖ und ÖVP.)

12.21


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist nun der Landeshauptmann des Bur­genlandes Niessl. Herr Landeshauptmann, ich erteile dir das Wort.

 


12.21.50

Landeshauptmann von Burgenland Hans Niessl: Herr Präsident! Hohes Haus! Es hat ein bekannter Schriftsteller einmal gesagt: Heimat ist nicht dort, wo man geboren wurde, sondern Heimat ist dort, wo man sich wohl fühlt. – Genau das ist der Grund, warum meiner Meinung nach die Regionalität im Vordergrund stehen muss: weil gera­de die Regionalpolitiker, weil auch der Bundesrat, der die Regionen vertritt, versuchen, eine möglichst hohe Lebensqualität in den Regionen zu schaffen.

Hohe Lebensqualität heißt natürlich einerseits, dass man eine wirtschaftliche Perspek­tive hat. Ob die Arbeitsplätze von den Gemeinden ausgehen, ob die Arbeitsplätze von der Wirtschaft ausgehen, ob die Arbeitsplätze im Sozial- und Gesundheitsbereich ge­schaffen werden, das ist für die Regionen sehr wichtig. Diese Lebensqualität heißt aber


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 63

auch, eine intakte Umwelt zu haben. Wir haben zum Beispiel im Burgenland 33 Pro­zent unserer Landesfläche unter Naturschutz gestellt, mit sieben Naturparks, mit Natio­nalpark, mit Weltkulturerbe. Ich glaube, das ist auch ein ganz wesentlicher Bereich, um zu versuchen, diese Umwelt, diese Natur den nächsten Generationen in entsprechen­der Form zur Verfügung zu stellen.

Die Bundesländer haben sehr, sehr große Anstrengungen auch über die Wohnbauför­derung unternommen, damit Beiträge zum Klimaschutz geleistet werden, wobei ver­sucht wird, durch entsprechende Maßnahmen, auch durch Artikel 15a-Vereinbarungen mit dem Bund, herauszufinden: Was können wir tun, um im Bereich der erneuerbaren Energie, durch bessere Wärmedämmung und so weiter diese ökologischen Wege zu beschreiten? – Ich glaube, dass gerade die Menschen vor Ort und in den Regionen ein ganz großes Bestreben haben, dass es in ihrem Bereich eine möglichst gute Lebens­qualität gibt, dass diese Region zur Heimat wird, ganz gleich, ob man dort geboren wurde, ganz gleich auch, ob man eine andere Sprache spricht.

Wir haben im Burgenland, wie Sie gesagt haben, auch Volksgruppen – 11 Prozent Bur­genland-Kroaten, zu 3 bis 4 Prozent eine ungarisch sprechende Bevölkerung –, die na­türlich das Burgenland als ihre Heimat sehen, die sich dort wohl fühlen, wobei eigent­lich kein Unterschied besteht, ob jemand Burgenländer oder Kroate ist. Ich habe bis vor zwei Jahren in meinem Büro nicht genau gewusst, wer tatsächlich kroatische Mut­tersprache hat, weil das gar kein Thema ist, sondern weil ganz einfach der Mensch zählt, weil die Aufgabe zählt und uns das ganz, ganz wichtig ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Ich glaube, man müsste auch den Begriff „Pendler“ definieren. Wenn man zum Beispiel aus dem Burgenland 30 Minuten nach Wien pendelt, dann ist man in der Statistik na­türlich ein Auspendler; oder auch bei 20 Minuten. Wenn jemand in Parndorf wohnt und auf dem Flughafen Wien-Schwechat arbeitet – 2 000 Burgenländerinnen und Burgen­länder arbeiten auf dem Flughafen –, dann pendelt er zirka 15 Minuten. Wenn ich von meinem Heimatort nach Eisenstadt fahre, dann pendle ich 50 bis 60 Minuten, je nach­dem, wie viel Verkehr ist. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Natürlich, es ist auch eine gemeinsame Leistung, sage ich einmal, der Regionen gewe­sen, dass wir gesagt haben, wir brauchen eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, und das auch mit Nachdruck verfolgt haben, gar keine Frage. Da könnten wir viele Bei­spiele dafür anführen, dass wir auch länderübergreifend tätig geworden sind.

Es geht ja nicht nur in Richtung neuer Länder, die der EU beigetreten sind, sondern es geht natürlich auch um Kooperation zwischen den österreichischen Bundesländern, wo ich viele Beispiele anführen könnte, wo wir mit Niederösterreich im Gesundheitsbereich schon kooperieren, wo wir mit Wien in verschiedenen Bereichen kooperieren, wo wir natürlich in der Verkehrsplanung bundesländerübergreifend planen müssen, wo man länderübergreifend planen muss. Das ist ein sehr breites und großes Spektrum.

Deswegen bin ich – auch wenn ich es nicht gesagt habe – überzeugt davon, dass Fö­deralismus wichtig ist, dass auch die kleinen Strukturen wichtig sind und dass es selbstverständlich die Konsequenz ist, dass der Bundesrat entsprechende Stärke ha­ben muss, weil das ebenfalls zur Vertretung der Regionen in einem besonders hohen Maße beiträgt. Das ist die natürliche Konsequenz, und dafür – das kann ich Ihnen zu­sagen – werde ich mich auch in Zukunft einsetzen. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.26


Präsident Erwin Preiner: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 64

12.26.42

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Landeshauptmann! Bei aller Wertschätzung und bei aller Befürwortung des Föderalismus sind es jetzt doch zwei Dinge gewesen, die mich auf den Plan gerufen haben.

Das eine ist der Bildungsbereich. Bei aller Anerkennung Ihrer Leistungen, wobei ich weiß, dass das Burgenland zum Beispiel bei den Musikschulen äußerst vorbildlich ist, was die Dichte anlangt (Landeshauptmann Niessl: Nicht nur!) – ja, aber das fällt mir jetzt ad hoc ein, da ich weiß, dass Wien zum Beispiel einen sehr großen Nachholbe­darf hat –, gibt es doch etwas festzuhalten.

Bei aller Befürwortung des Föderalismus sollte man bei den Vorgaben Ihrer Bildungs­ministerin – diese kommt ja aus der SPÖ – vielleicht nicht immer reflexartig sagen: Nein, nicht mit uns, keinesfalls!, wenn es zum Beispiel um die leidige Frage der Lehrer-Anstellungen geht. Der Bund bezahlt sie, die Länder stellen sie an. Ja, ich weiß, jeder Gemeindevorsteher weiß, wo es organisatorisch und standortmäßig für ihn am besten ist. Dennoch meine ich, dass wir hier zu einer Übereinkunft kommen müssen, mit der beide Teile leben können. Das ist wirklich ein jahrzehntelanger Streit zwischen dem Bund und den Ländern, und es passt unterm Strich nie. Ich möchte jetzt hier nicht einem generellen Zentralismus das Wort reden, aber da kommt es immer zu einem ge­wissen Reflex. Darüber sollte man vielleicht einmal nachdenken.

Ein zweiter Punkt ist – weil er hier so viel gelobt worden ist – der Assistenzeinsatz. Herr Landeshauptmann, ich glaube, es ist ein vielleicht gerade noch subjektives Gefühl der Bevölkerung, dass sie sich in Sicherheit wähnt, weil dort ein paar Uniformierte he­rumpatrouillieren. Tatsache ist aber – und Ihr Verteidigungsminister wollte noch im März 2009 den Assistenzeinsatz eigentlich auslaufen lassen –, dass das Beobachten und Melden sich nicht tatsächlich bewährt haben. (Bundesrat Hensler: 80 Prozent wol­len das ...!) Im ersten Halbjahr 2009 gab es knapp 50 Anzeigen, von Körperverletzung bis Fahrerflucht, aber keine einzige Festnahme. Kosten seit 1990: 700 Millionen €! (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Da meinen wir schon, dass diese Beweihräucherung des Assistenzeinsatzes in der jet­zigen Form völlig fehl am Platz ist. Entweder man macht es ordentlich, oder man lässt es bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

12.29


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Landeshauptmann des Burgenlandes Niessl. – Bitte.

 


12.29.35

Landeshauptmann von Burgenland Hans Niessl: Ich denke, Frau Kollegin, so kann man das nicht im Raum stehen lassen, weil es grundsätzlich falsch ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich darf auch auf die Fakten hinweisen. Ich habe es ganz kurz auch in meiner Rede gesagt: Hunderttausend, die illegal die Grenze überschritten haben, sind von den Sol­daten des österreichischen Bundesheeres in der Vergangenheit aufgegriffen worden, und es waren mehr als 300 000 Soldaten im Assistenzeinsatz. Diesen Soldaten zu un­terstellen, dass sie keine gute Arbeit geleistet haben, finde ich ganz einfach nicht fair. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat ihnen niemand unterstellt!)

Ich stelle fest, dass die Soldaten des österreichischen Bundesheeres in Kombination mit der Exekutive hervorragende Arbeit geleistet haben. Der niederösterreichische Lan­deshauptmann, der Wiener Bürgermeister und ich sind der Überzeugung, dass die Ostregion das braucht, und auch die Menschen sind der Überzeugung, dass wir das brauchen, weil die Soldaten gute Arbeit leisten. Das ist uns wichtig. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 65

Mit ist überhaupt keine Äußerung des Verteidigungsministers bewusst, in der er jemals den Assistenzeinsatz auch nur annähernd in Frage gestellt hätte. (Bundesrätin Mühl­werth: ... vom 21.3.2009! – Weitere Zwischenrufe.) Der Verteidigungsminister wohnt noch näher an der Grenze als ich, und er weiß: Dass das einmal auslaufen wird, ist durchaus möglich. Aber dass das sofort auslaufen soll – er ist noch näher an der Gren­ze und wohnt auch näher an der Grenze als ich. Er kennt die Situation noch hautnäher als ich. Deswegen ist er immer ein Befürworter des Assistenzeinsatzes gewesen (Bun­desrätin Mühlwerth: Aber dort hat er es gesagt!), und deswegen bin ich auch sehr optimistisch, dass dieser Assistenzeinsatz weiter aufrecht bleibt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nächster Punkt: Auch Länder zahlen die Lehrer. Es dürfte offensichtlich Ihrer geschätz­ten Aufmerksamkeit entgangen sein, dass es eine ganze Reihe von Bundesländern gibt, die Lehrer freiwillig zahlen, die ganz einfach sagen: Die Bildung ist uns so wichtig, wir haben klein strukturierte ländliche Gebiete oder wir haben auch im städtischen Be­reich Zusatzangebote, sodass die Länder auch in der Vergangenheit in einem sehr großen Ausmaß selbst Lehrer bezahlt haben.

Das heißt, ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass das Burgenland zirka 60, 70 Pflichtschullehrer, für die eigentlich der Bund zuständig ist, bezahlt. Das kostet uns über 3 Millionen €. (Bundesrat Kneifel: Oberösterreich 280!) Ja, Oberösterreich ist wahrscheinlich fünfmal größer als das Burgenland, also kann man zum Beispiel genau diese Relation sehen, wenn ich das jetzt mit dem Burgenland sage, wenn Oberöster­reich, ich weiß nicht, vier- oder fünfmal größer ist und ich das vom Burgenland auf Oberösterreich umrechne. Kärnten zahlt sehr viele Lehrer, und so weiter, Oberöster­reich und viele andere Bundesländer, auch das Burgenland.

Insofern ist es so, dass die Bundesländer auch Lehrer bezahlen. Warum? – Weil die Regionen sagen: Wir wollen ein entsprechendes Angebot bei der ganztägigen Be­treuung, im Bereich der Integration! und viele Millionen Euro zusätzlich für Bildung aus­geben. Genau deswegen ist diese Regionalität so wichtig und der Einfluss der Bundes­länder von so großer Bedeutung, dass die Bundesländer auch sagen: Ja, wir geben für Bildung zusätzliches Geld aus, wir wollen zusätzliche Angebote für die Leute schaffen. Und das trägt dazu bei, dass man ein ordentliches Bildungsniveau in den Ländern hat. Das ist wieder die Basis für den weiteren Aufstieg.

Ich würde nur davor warnen, dass man bei der Bildung den zentralistischen Weg geht. Die Länder zahlen die Lehrer mit, die Länder zahlen beim Landesschulrat in der Ver­waltung mit – und dann kann es nicht sein, dass die Länder keinen Einfluss auf das Bil­dungssystem haben! Dafür, dass das Bildungssystem und die Maturantenquote sehr stark gestiegen sind, ist noch einmal das beste Beispiel das Burgenland. Wir sind bei der Maturantenquote an zweiter Stelle österreichweit, während wir früher mit Abstand immer Schlusslicht bei der Maturantenquote waren!

Es hat auch mit Regionalität zu tun, dass wir zusätzlich seit vielen Jahren Lehrer be­zahlen, dass wir auf die richtigen Schultypen setzen, dass wir in extrem rückständigen Gebieten das Bildungsniveau stark angehoben haben und dass in weiterer Folge auch eine gute wirtschaftliche Entwicklung gegeben war. Das verstehe ich unter Regionali­tät, Kompetenzen in den Regionen in entsprechender Form zu ermöglichen. Dann wer­den wir sicher gute Weichenstellungen vornehmen, damit sich die Bundesländer und Österreich auch in Zukunft gut entwickeln können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.34


Präsident Erwin Preiner: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Ich bedanke mich sehr herzlich auch bei Herrn Bundesrat Schennach für die anerken­nenden Worte die Entwicklung des Bundeslandes Burgendland betreffend. Ein herzli­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 66

ches Dankeschön auch an dich, Herr Landeshauptmann, für deine Ausführungen den Bundesrat betreffend.

Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Das Burgenland hatte einen schwierigen Start, als es darum ging, als jüngstes Kind Österreichs dem Staat Österreich beizutre­ten. Die letzten Jahre und Jahrzehnte haben gezeigt, dass wir in unserer jüngsten Ent­wicklung ein gleichwertiges Bundesland geworden sind. Es wurden Highlights der Ent­wicklung im Land Burgenland soeben aufgezeigt.

Ich bin überzeugt davon, dass dieser positive Weg in der Entwicklung des Landes Bur­genland sich in den nächsten Jahren ebenfalls entsprechend gut fortsetzen wird. Das Burgenland ist das Bundesland, in dem es nicht nur die jüngste Therme innerhalb Ös­terreichs gibt, sondern in dem es auch steigende Tourismuszahlen, was die Übernach­tungen anbelangt, gibt. Hier haben wir gegenwärtig eine sehr gute Entwicklung, aber diese auch zukünftig in Aussicht.

Ich danke sehr, sehr herzlich auch dir, Herr Landeshauptmann, dafür, dass du einer der federführenden Leute in der Vergangenheit warst und gegenwärtig bist, um den Burgenländerinnen und Burgenländern diesen tollen Weg ebnen zu können. Ich wün­sche auch dem Land Burgenland und allen anderen Bundesländern für die nächste Zu­kunft, dass die aktuelle wirtschaftliche Herausforderung nicht nur im Sinne der Burgen­länderinnen und Burgenländer, sondern auch aller Österreicherinnen und Österreicher entsprechend über die Bühne gebracht werden kann, dass die Entwicklung weiter posi­tiv ist und dass man die Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen kann, sodass sie nicht stark, sondern nur moderat ansteigt.

Geschätzte Damen und Herren! Ich danke nochmals dir, Herr Landeshauptmann, für deinen heutigen Besuch im Bundesrat der Republik Österreich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Erwin Preiner: Ich nehme nun die Verhandlungen zur Tagesordnung wie­der auf.

12.37.24 3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Väter-Karenzgesetz, das Mutter­schutzgesetz 1979, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgege­setz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Angestelltengesetz 1921, das Gutsangestell­tengesetz 1923, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (340 d.B. und 362 d.B. sowie 8191/BR d.B.)

 


Präsident Erwin Preiner: Wir kommen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth (den Vorsitz übernehmend): Berichterstat­terin zu diesem Punkt ist Frau Bundesrätin Eibinger. Ich bitte um den Bericht.

 


12.37.47

Berichterstatterin MMag. Barbara Eibinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Der Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 zum betreffenden Bundesgesetz liegt schriftlich vor.

Ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen und mitteilen, dass der Ausschuss für Familie und Jugend nach Beratung der Vorlage am 3. November 2009 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag stellt, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 67

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht. – Ich begrüße Frau Staatssekretärin Christine Marek in unserer Mitte. Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


12.38.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute eine weitere Novelle zum Kinderbetreuungsgeldgesetz. Jetzt haben wir insgesamt fünf Varianten, und wir haben auch eine Flexibilität bei der Zuverdienstgrenze.

Wir glauben, dass es ein Gesetz ist, das mit jeder Novelle verwaltungstechnisch immer schwerer zu administrieren war und ist, was uns im Ausschuss durchaus auch bestätigt wurde. Wenn wir uns zurückerinnern: Das Kinderbetreuungsgeld, jahrelang von der FPÖ gefordert, ist tatsächlich erst in der Regierung mit der ÖVP umgesetzt worden. Wir waren von Anfang an gegen eine Zuverdienstgrenze, weil wir die Schwierigkeiten dabei schon haben heraufkommen sehen. Leider konnten wir uns nicht durchsetzen.

Wir glauben aber, dass gerade das der Punkt gewesen wäre, dass sich mehr Väter Karenzzeit genommen hätten, als dies jetzt der Fall ist. Unser eigentliches Hauptanlie­gen war jedoch, es den Müttern zu ermöglichen, eine Zeit lang bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben. (Bundesrat Schennach: Und den Vätern auch, oder?) Es sind meist die Mütter, die das in Anspruch nehmen und diese Möglichkeit ... (Bundesrat Schen­nach: Und den Vätern!) Aber es sind in der Mehrzahl nach wie vor Mütter, es sind überall in der Mehrzahl Mütter, und ich finde das absolut normal! (Bundesrat Mag. Klug: Stefan, das ist in dem Gesellschaftsbild nicht vorgesehen! – Bundesrat Schennach: ... klei­ne Minderheit! – Weitere Zwischenrufe.)

Es soll den Müttern ermöglicht werden, ihre Kinder selbst zu betreuen, und das wollten wir damals mit dem Kinderbetreuungsgeld wenigstens teilweise in finanzieller Art und Weise abgegolten haben. Wir haben auch dafür gesorgt, dass es pensionsbegründen­de Zeiten sind, weil natürlich kein Mensch von uns will, dass die Frauen in der Pension in die Armut fallen, weil sie sich eine Zeit lang der Kindererziehung gewidmet haben. Dass die Langzeitvariante nach wie vor die beliebteste Variante ist, zeigt uns ja, dass Frauen und Mütter das durchaus auch so sehen und es angenommen haben.

Einmal mehr ist das unsere Kritik: Sie wollen, dass die Frauen raschestmöglich wieder zurück in den Beruf kommen. Ja, wer es wirklich will und glaubt, dass es nicht anders geht, soll es tun können! Wir richten über niemanden. Aber es kann nicht unser Anlie­gen sein zu sagen: Möglichst schnell weg von den Kindern, ab in die Kinderkrippe, und raschestmöglich wieder zurück in den Beruf! – Wir halten das für keinen Meilenstein, wie es landauf, landab immer wieder propagiert wird.

Was wir wollen, ist, dass die Familie leistbar ist. Wir wollen auch, dass sich Paare wie­der trauen, Kinder in die Welt zu setzen. Das hängt nicht nur von den finanziellen As­pekten ab, das hängt unter anderem – und in Zeiten wie diesen noch viel mehr – davon ab, ob der Job einigermaßen sicher ist, ob man relativ bald einen neuen bekommen wird, wenn man den eigenen, aus welchen Gründen auch immer, verliert. Es hängt auch davon ab, ob man Zeit für seine Familie hat, ob es für die Eltern möglich ist, und zwar für Mütter und Väter, tatsächlich Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Da schaut es in der Wirtschaft und im Berufsleben oftmals wirklich sehr traurig aus!

Ich nenne jetzt nur ein Beispiel: Wenn mir ein junger Anwalt erzählt, dass jemand, der 45 oder 50 Stunden in der Woche arbeitet, eigentlich als faul gilt, dann, sage ich Ihnen, stimmt etwas im System nicht! Da reden wir jetzt von den qualifizierten Arbeitsplätzen,


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 68

wir sind noch nicht bei jenen Arbeitsplätzen, auf denen Frauen in einer Lebensmittel­kette arbeiten müssen und gewisse Stunden nicht bezahlt bekommen, obwohl sie sie leisten müssen, und das zu einem nicht gerade üppigen Lohn.

Gerade diese Familien überlegen es sich dann auch, ob sie Kinder bekommen oder nicht, und sie sagen oftmals: Nein, in diese Welt mit der Unsicherheit möchte ich sie eigentlich nicht setzen! – Das betrifft mittlerweile zu einem großen Teil die Akademike­rinnen, aber es betrifft – und unsere Demographie zeigt es uns ja ständig – natürlich auch die anderen. (Bundesrat Mag. Klug: Das steht alles nicht in der Vorlage!)

Wir sagen: Um Familien leistbar und lebbar zu machen, bedarf es auch eines Umden­kens in der Wirtschaft, wo man eigentlich ganz ökonomisch davon ausgehen könnte, dass es ihr ja wichtig sein müsste, dass sie die künftigen Facharbeiter und die künfti­gen Arbeitskräfte bekommt; denn wir zweifeln daran, dass das langfristig über die Zu­wanderung – wie man sich das immer so erträumt – möglich sein wird.

Deshalb treten wir auch seit langem – und eine Zeit lang ist die ÖVP auf diesen Zug aufgesprungen, sie hat sich dann aber wieder davon verabschiedet – für das Familien­steuersplitting ein. Dass das kein Zurückdrängen der Frauen an den Herd ist, zeigt uns Frankreich. Die Frauen gehen dort genauso arbeiten, das Modell hat sich dort wirklich bewährt, und sie bekommen auch mehr Kinder als wir. Also warum nicht auch hier?

Und: Ja, wir sind auch für eine Bevorzugung der Eltern auf dem Arbeitsmarkt. Wenn es in der Frage der Gleichbehandlung darum geht: Bevorzugen wir die Frauen, wenn beide gleich qualifiziert sind?, sagt jeder: Na selbstverständlich!, und alle befürworten das. Sagen wir aber: Warum bevorzugen wir nicht auch Eltern?, dann kommt immer das große Geheul, wie furchtbar das doch sei! – Das verstehen wir eigentlich nicht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was in diesem Gesetz nach unserer Meinung schon geschieht, ist, dass mit den ver­schiedenen Modellen Zwei-Klassen-Eltern geschaffen werden. Das wollen wir nicht! Wir wollen gleichwertige Leistungen für alle Eltern, und es wäre daher – einmal mehr sage ich das an dieser Stelle – dringend nötig, die Zuverdienstgrenze zu streichen. Sie macht genügend Probleme, die wir nicht brauchen.

Daher werden wir diesem Modell, das heute mit großer Mehrheit von ÖVP und SPÖ beschlossen werden wird, nicht zustimmen, da es einen enormen Verwaltungsauf­wand braucht, obwohl wir doch immer von Einsparungen im Verwaltungsbereich reden. Wir wollen auch nicht, dass die Eltern am Gängelband sind. Ja, wir bekennen uns da­zu, dass auch wir dafür eintreten, dass sich die Väter in die Erziehung einbringen, dass die Väter auch in Karenz gehen sollen (Bundesrat Mag. Klug: Schon? Ganz sicher?), aber wir sind immer der Meinung gewesen, dass sich die Familien das selbst regeln können (Bundesrat Mag. Klug: Ach, ja ...!), dass die Familien selbst entscheiden, wer bleibt daheim, wie lange, und wer geht wieder arbeiten.

Sie trauen den Leuten einfach nichts zu! Sie reden vom mündigen Bürger, aber wenn es darum geht, das in die Tat umzusetzen, sind Sie schon wieder weg und sagen: Nein, das können wir nicht machen, das müssen wir alles gesetzlich regeln! – Das wol­len wir Freiheitlichen nicht.

Bei diesem Gesetz – ein weiterer Punkt – bleiben auch die Alleinerzieherinnen wieder einmal auf der Strecke, weil es da eben keine Väter gibt, die dann in Karenz gehen können, wodurch sich die Karenzzeit verlängert. (Bundesrat Mag. Klug: So was von falsch!) Das empfinden wir im Sinne der Alleinerzieherinnen auch als äußerst negativ.

Alles in allem ist diese Novelle keine, der wir unsere Zustimmung geben können. (Bei­fall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: Das ist aber schade!)

12.46



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 69

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bun­desrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


12.46.29

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Liebe Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Es ist schön, dass wir heute eine Weiterentwicklung des 2002 eingeführten Kinderbetreu­ungsgeldes beschließen können, denn ich denke, unsere Familie ist die kleinste Zelle in unserem Staat und ist eine der wichtigsten. Daher müssen wir, glaube ich, alle be­strebt sein, sie bestmöglich zu unterstützen, denn, wie Sie selbst schon gesagt haben, Frau Kollegin, Kinder müssen leistbar sein, und dies auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Daher wollen wir ein Umfeld schaffen, mit dem wir verstärkt Mut zum Kind ma­chen. Gerade für unsere gut ausgebildeten Frauen von heute ist es einfach wichtig, dass sie Beruf und Familie bestmöglich vereinen können.

Daher ist schon einiges passiert, wie Sie es auch angesprochen haben. Es gibt viele Angebote an Kinderbetreuungseinrichtungen, die aber noch verstärkt gehören. Es gibt bei uns in Niederösterreich auch die Möglichkeit, die Kinder schon ab zweieinhalb Jah­ren am Vormittag in den Gratis-Kindergarten gehen zu lassen. Es wurde eine steuerli­che Absetzbarkeit für die Kinderbetreuungskosten geschaffen, die 13. Familienbeihilfe und natürlich das Kinderbetreuungsgeld für alle, was sehr wichtig ist, das die Studen­tinnen, die Hausfrauen, die Bäuerinnen, die Wirtschaftstreibenden und die Angestellten bekommen. Sie haben auch angesprochen, was uns schon immer sehr wichtig war: dass natürlich auch die Kindererziehungszeit eine pensionsbegründende Zeit ist.

Uns von der ÖVP ist es aber auch ein großes Anliegen, dass eine Wahlfreiheit besteht. Sie sagen – das ist für mich ein Widerspruch –, dass Sie auf der einen Seite die lange Variante befürworten, und auf der anderen Seite sagen Sie, dass die Zuverdienstgren­ze wegfallen soll. Da ist es meiner Ansicht nach eine gute Möglichkeit, wie sie jetzt ge­schaffen worden ist, dass derjenige, der seinem Beruf weiter nachgehen will, wenigs­tens eine kurze Zeit intensiv beim Kind zu Hause ist. Da bieten natürlich diese Varian­ten eine gute Möglichkeit.

So haben wir bisher eben die drei Varianten 30 plus 6, 20 plus 4 und 15 plus 3 gehabt, und diese sollen jetzt um zwei neue Varianten erweitert werden. Wie Sie es schon an­gesprochen haben, war die Variante 30 plus 6 jene, die am stärksten in Anspruch ge­nommen wurde, und zwar von 65 Prozent aller Kindergeldbezieherinnen. Hatten sich auch die Väter beteiligt, war es genau gegensätzlich: Die Väter waren am stärksten in der Variante 15 plus 3 inkludiert. Daher ist, glaube ich, die neue Pauschalvariante, die es jetzt geben soll – 15 plus 2 mit 1 000 € monatlich –, ein besonderes Angebot an un­sere Väter, dass sich eben die Väter in die Erziehung mit einbringen.

Für jene, die gut ausgebildet sind und Berufe haben, in denen sie dementsprechend verdienen, ist, glaube ich, die einkommensabhängige Variante eine gute Möglichkeit, da sie ja 80 Prozent ihres letzten Nettobezuges bekommen.

Eine gute Regelung, die noch nicht angesprochen wurde, ist auch die Regelung für die Zwillings- und Mehrlingsgeburten. Künftig soll es nicht mehr den Fixbetrag von 218 € pro Monat geben, sondern 50 Prozent des Grundbetrages in der jeweiligen Variante, für die sich die Frau entschieden hat.

Sie haben gesagt, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft wird es dadurch geben (Bundesrä­tin Mühlwerth: Zwei-Klassen-Eltern!), Zwei-Klassen-Eltern werden dadurch geprägt. – Ich denke, das ist nicht der Fall, denn dieses Kinderbetreuungsgeldgesetz ist meiner Meinung nach ein sozial ausgewogenes Gesetz. Da steht auf der einen Seite, dass je­ne, die qualifiziert sind und mehr verdienen, einfach einen Anreiz haben, Kinder zu be­kommen. Ich glaube, Kinder sind in unserer Gesellschaft etwas besonders Wichtiges, da sind wir uns alle einig.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 70

Aber auch für jene, die sich in einer finanziell schwierigen Situation befinden, gibt es eine Lösung, die, glaube ich, zu begrüßen ist, denn der Zuschuss zum Kinderbetreu­ungsgeld – der ja in der letzten Zeit oft Schlagzeilen gemacht hat, da er als Kredit ge­dacht war, und dann wurde eben verlangt, ihn zurückzuzahlen –, dieser Zuschuss von 180 € pro Monat ist jetzt ein Fixum, das nicht mehr zurückzahlbar ist. Ich denke, das ist eine gute Lösung.

Weil Sie besonders die alleinerziehenden Mütter angesprochen haben, denke ich, es ist auch für diese eine gute Regelung geschaffen worden, und zwar dadurch, dass sie das Kinderbetreuungsgeld praktisch länger in Anspruch nehmen können.

Ich möchte mich recht herzlich bei dir, liebe Staatssekretärin, dafür bedanken, dass du dieses Gesetz so ausverhandelt hast (Bundesrat Mag. Klug: Gemeinsam!), gemein­sam mit der Frau Minister, denn ich denke, es ist ein gutes Gesetz, es ist ein weiterer guter Schritt. Die Information muss jetzt natürlich noch an diejenigen kommen, die sie betrifft, damit sich alle bestens darüber informieren und die richtige Entscheidung tref­fen können.

Mich würde es freuen – und ich darf Sie dazu einladen –, wenn alle Fraktionen mitstim­men, denn ich glaube, es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Mit diesem Gesetz geht eine Verbesserung der Förderung unserer Familien einher. Ich möchte abschließend sagen, dass wir uns damit noch nicht zufriedengeben dürfen, sondern auch weiterhin stetig an Verbesserungen arbeiten müssen, dass es unseren Familien und damit auch den Kindern bei uns in Österreich, in unserem Land gut geht. (Beifall bei der ÖVP so­wie bei Bundesräten der SPÖ.)

12.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zwanziger. – Bitte.

 


12.53.24

Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Das Kinderbetreuungsgeld ist ja eigentlich eine Kärntner Idee. Der verstorbene Landeshauptmann Dr. Jörg Haider hat es eingeführt und ist damals belächelt worden, aber es war eine ganz tolle Idee. Ich habe das selbst gemerkt, weil ich vier Kinder habe. Meine Frau hat damals studiert, das war ganz super, denn früher hat man kein Geld bekommen, und dann haben auch die Studentinnen Geld gehabt. Das war ja eine ganz tolle Sache.

Aber mit der Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes wird die ursprüngliche Leistung um eine Art Ersatzeinkommen erweitert. Ziel ist es offensicht­lich, dass man es besser verdienenden Vätern für die Kinderbetreuung anbietet. Frag­würdig ist jedoch der Zusammenhang zwischen Einkommen und Betreuungsleistung für Kinder. Die Betreuungsleistung sollte eigentlich für jedes Kind gleich sein.

Im Vollausbau werden die Gesamtkosten für die Bargeldleistungen des neuen Kinder­betreuungsgeldes rund 1 Milliarde € ausmachen. Im Prinzip wird mit diesem System al­les noch komplizierter und teurer, und auf die Alleinerzieherinnen wird sowieso wieder einmal vergessen.

Die vorliegende Regelung bringt keine Verbesserung der komplizierten Struktur des Kinderbetreuungsgeldes. (Bundesrat Mag. Klug: Eine DIN-A4-Seite!) Im Gegenteil: Es wird undurchsichtiger, und der Verwaltungsaufwand wird umso größer. Wie es aus­schaut, werden laut statistischen Annahmen nur 5 Prozent der Väter es nützen.

Ich glaube, wenn Mütter und Väter so viel Zeit wie gewisse Studenten hätten, würden sie auch auf die Straßen gehen und draußen protestieren. Aber sie können das leider nicht, weil sie ja jeden Tag arbeiten gehen und schauen müssen, dass sie ihre Fami­lien durchbringen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

12.55



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 71

Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Blatnik. – Bitte.

 


12.55.32

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Frau Staatssekretärin! Gospa president! Drage kolegice, dragi kolegi! Gospa državna sekretarka! Lieber Kollege Peter Zwanziger, wenn du jetzt sagst, dass wir bes­ser verdienende Väter mit der Kindererziehung betrauen sollen: Ja, klar! Die Kinderer­ziehung ist nicht nur Frauensache, die Kindererziehung betrifft sowohl Väter als auch Mütter. Wir wollen keine Gesellschaft ohne Väter! Das ist ja ... (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.) Das ist ja die Grundidee dieses einkommensabhängigen Kindergeldes, das mir sehr am Herzen liegt.

Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, Sie haben das gesagt, aber meine Kollegin Diesner-Wais hat Ihnen schon geantwortet: Wir schaffen mit diesem Gesetz keine Zwei-Klas­sen-Eltern-Struktur! Was wir mit diesem Gesetz schaffen, sind ganz einfach fünf Vari­anten, und jede und jeder kann sich selbst aussuchen, was das Beste und das Opti­malste für die Familie ist. Und selbstverständlich schaffen wir – das habe ich schon Herrn Peter Zwanziger gesagt – die Möglichkeit, dass sich Väter entscheiden, in Ka­renz zu gehen und bei den Kindern zu bleiben.

Ich möchte auch gar nicht so sehr auf das Gesetz eingehen, weil Frau Kollegin Dies­ner-Wais das schon getan hat. Was ich aber sagen möchte, ist: Warum ist dieses Ge­setz so wichtig? – Erstens wird die Erhöhung der Väterbeteiligung bei der Kinderbe­treuung ermöglicht. Zweitens ist es die Verbesserung der Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Der dritte Punkt ist die Erhöhung der Geburtenrate; auch das hat Kollegin Diesner-Wais schon gesagt. Viertens ist es die Verbesserung der finanziellen Situation in der Familie.

Warum ist uns die Erhöhung der Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung so wich­tig? – Ich wiederhole es, weil das wirklich wichtig ist: Dieses Gesetz ist auch finanziell ein attraktives Angebot an Väter, eine bestimmte Zeit in Karenz zu gehen und zu Hau­se beim Kind zu bleiben. Es ist schon wichtig, darüber zu reden – und das wiederhole ich noch einmal –, dass Kinderbetreuung und Erziehungsbetreuung nicht nur eine Auf­gabe der Frauen und der Mütter, sondern auch eine Aufgabe der Väter und der Män­ner ist! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.) Wir brauchen keine Gesellschaft, die vaterlos ist; wir brauchen eine Gesellschaft, in der sich beide Elternteile für die Kinderbetreuung zuständig fühlen.

Das Nächste, liebe Kolleginnen und Kollegen: Dieses einkommensabhängige Kinder­geld führt auch zu einer Verbesserung der Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Das ist ein wichtiges Angebot an die Frauen, die rasch und ganz bewusst wieder in ih­ren Beruf einsteigen möchten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frauen, die arbei­ten gehen, versuchen nicht, die Kinder irgendwohin abzuschieben, sondern die Frau­en, die arbeiten gehen, haben keine andere Wahl, weil sie ein Einkommen haben müs­sen, um das Leben zu finanzieren! Das ist hier der Punkt. Das ist kein Abschieben der Kinder in irgendwelche Kinderbetreuungseinrichtungen.

Was jetzt noch geschehen muss, ist selbstverständlich der Ausbau der Kinderbetreu­ungseinrichtungen, vor allem auch der Kinderbetreuungseinrichtungen für die unter Drei­jährigen.

Und natürlich müssen wir schauen – in diesem Zusammenhang möchte ich das auch erwähnen –, dass die Löhne der Frauen angehoben werden, denn Faktum ist, dass Frauen immer noch ein Drittel weniger verdienen als Männer. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist für mich sehr, sehr wichtig, dass die Menschen ein Einkommen haben, von dem sie wirklich leben können, mit dem sie auskommen können, denn ich glaube schon,


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 72

dass die effektivste Armutsbekämpfung darin liegt, Arbeit und Einkommen zu haben, wovon sowohl Mann als auch Frau leben können.

Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bei der Frau Bundesministerin, aber auch bei der Frau Staatssekretärin und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bedanken für die­ses Gesetz. Es ist wirklich ein Meilenstein der österreichischen Familienpolitik, es ist aber damit auch eine langjährige Forderung der SPÖ, vor allem aber der SPÖ-Frauen, in Erfüllung gegangen und realisiert worden.

Unsere Fraktion wird dem selbstverständlich zustimmen.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.)

Danke! Hvala! (Beifall bei der SPÖ.)

13.01


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Dönmez. – Bitte.

 


13.01.53

Bundesrat Efgani Dönmez (ohne Fraktionszugehörigkeit, Oberösterreich): Sehr ge­ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Auch ich möchte da anknüpfen, wo Kollegin Ana Blatnik aufgehört hat. Die Ar­beit beider Regierungsvertreterinnen gehört honoriert, denn sie haben auch in ihren eigenen Reihen für diese neue Variante gekämpft, und ich möchte ihnen und ihrem Team recht herzlich dazu gratulieren.

Das einkommensabhängige Kindergeld wird ja schon seit Jahren in der österreichi­schen Öffentlichkeit diskutiert. Wir Grüne treten auch schon seit zirka zehn Jahren da­für ein. Wir haben auch immer voller Neugier zu den skandinavischen Ländern hinauf­geblinzelt, wo es schon seit Jahren sehr gut funktioniert, wo auch die Väterbeteiligung eine höhere ist und wo auch die Familienarbeit partnerschaftlich aufgeteilt wird. Das ist zu begrüßen.

Dieses einkommensabhängige Karenzgeld hat vor allem zum Ziel, dass auch Männer an der Kinderbetreuung partizipieren. Nach wie vor ist es so, dass leider Gottes die Männer die Besserverdiener sind, und hier soll es eben einen Anreiz geben, auch Kin­derbetreuungsarbeit zu übernehmen. (Bundesrat Petritz: Warst du in Karenz?) Ich ha­be gerade eine Tochter, die ist dreizehn Monate alt. Meine Frau ist in Karenz, und ich unterstütze sie nach besten zeitlichen Rahmenbedingungen. (Bundesrat Gruber: Drei Minuten am Tag!) Also Wickeln in 30 Sekunden geht. Ich bin über die Zuverdienst­grenze drüber, darum kann ich nicht in Karenz gehen, aber ich bin zu Hause und wer­de auch meine Frau diesbezüglich unterstützen. Das steht überhaupt nicht zur Diskus­sion. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ja, es ist leider so.

Aber zurück zur Politik: Diese gute Idee ist eigentlich durch die großkoalitionäre Mühle gedreht worden und ist in einigen Punkten kompliziert. Durch die fünf Varianten gibt es sozusagen ein bissel eine Schwierigkeit für, sage ich mal, Otto Normalverbraucher, da einen Überblick zu bekommen. Wir haben im Ausschuss von der zuständigen Beamtin die Information erhalten, dass nicht nur das Karenzgeld Neu jetzt über die Homepage angekündigt wird, sondern dass auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den jewei­ligen Kassen geschult werden – das ist sehr zu begrüßen –, dass es Infobroschüren geben wird. Nichtsdestotrotz denke ich mir, dass eine Änderung in einem System an­fangs immer ein bissel für Verwirrung sorgt, aber ich glaube, das ist etwas, was man bewerkstelligen kann.

Es gibt aber unseres Erachtens nach wie vor einen politischen Mangel in dieser Eini­gung, und zwar die Benachteiligung der Alleinerziehenden. Es wird eine Lebensrealität


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 73

nach wie vor komplett ausgeblendet, nämlich dass es im modernen Familienleben auch Trennungen gibt, dass es zu Patchwork-Situationen und Patchwork-Familien kommt, und diese sind nach wie vor benachteiligt. Das haben auch meine Vorredner und Vorrednerinnen kurz angemerkt.

Einen Punkt möchte ich kurz anführen, der nicht direkt mit dem Kinderbetreuungsgeld zusammenhängt, aber meines Erachtens dennoch thematisiert gehört. Wir haben in Österreich eine sehr, sehr – wie soll ich sagen? – angespannte Kinderbetreuungssitua­tion. Es wurde ja 2009 der Gratiskindergarten eingeführt. Bundesminister Pröll und Bundeskanzler Faymann haben da unseres Erachtens viel zu wenig Geld für das Pro­jekt in die Hand genommen, und jetzt wird der Druck einfach groß. Der Druck für die dort arbeitenden Menschen ist extrem groß in diesen Einrichtungen. Die Hauptlast tra­gen nach wie vor die Frauen, wodurch auch die Familien belastet werden.

In unseren Reden hier am Pult, aber auch in Zwischengesprächen betonen wir immer wieder, wie wichtig denn die Kinder sind, dass sie die Zukunftsträger sind, aber wenn man sich dann anschaut, unter welchen Rahmenbedingungen die Menschen arbeiten müssen, die diese Kinder betreuen, dann sind das doch, sage ich mal, Bedingungen, die sehr verbesserungswürdig sind. Wenn zum Beispiel 1,3 Kubikmeter pro Kind an Platz zur Verfügung stehen, wenn Gangflächen mit eingerechnet werden, wenn es kei­ne Möglichkeiten gibt, sich auf ordentlichen Stühlen niederzusetzen, um mit den Eltern entsprechend in Dialog treten zu können, wenn Gespräche zwischen Tür und Angel stattfinden, dann sind das doch Umstände, die eben verbessert gehören. Mit Ansagen, dass die Kinder unsere wichtigsten Ressourcen in der Gesellschaft sind, ist es nicht getan, wir müssen hier wirklich Ressourcen schaffen und Geld in die Hand nehmen. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Schennach sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Es ist uns allen klar, dass das natürlich primär Ländersache ist. Und da bin ich jetzt bei einem nächsten Punkt. Es kann nicht sein, dass die Qualität der Betreuung von der Postleitzahl abhängig ist. Hier braucht es unseres Erachtens bundesweit einheitliche Qualitätsstandards, die für alle Kinder, für alle PädagogInnen und auch für alle Eltern österreichweit gültig sind.

Übrigens setzen sich die Frau Staatssekretärin und auch die Frau Ministerin Heinisch-Hosek für bundeseinheitliche Standards ein. In diesem Bemühen sollten wir sie auch aus diesem Gremium heraus unterstützen.

Wir werden weiterhin mit Nachdruck dafür kämpfen, dass die Situation für die Men­schen, die in diesem Bereich arbeiten, besser wird. Wir werden nach wie vor Familien, Väter und Mütter, vor allem auch die Väter, ermutigen, diese vielen positiven Erfahrun­gen, die sie machen können, zu nutzen. Ich sehe es jetzt selbst bei meiner kleinen Tochter. Es ist wirklich eine sehr schöne Zeit, und es ist eine Zeit, die nicht wieder­kommt. Diese wertvolle Zeit sollten auch die Väter mit ihren Kindern teilen können, und ich hoffe, dass wir mit dieser Variante den Vätern, die das potentiell in Anspruch neh­men möchten, auch ein Stück entgegengekommen sind. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Schennach sowie bei Bun­desräten von ÖVP und SPÖ.)

13.09


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundes­rätin Rausch. – Bitte.

 


13.09.26

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im laufenden Jahr sehr regelmäßig Beschlüsse für Kinder und Familien gehabt. Das sage ich als Ausschuss­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 74

obfrau für Jugend und Familie. Es macht sich bezahlt, dass wir eine eigene Staatsse­kretärin haben wie Christine Marek, die auch für diese Fragen arbeitet. Das schlägt sich auch in unseren Beschlüssen nieder, heute etwa im Kinderbetreuungsgeldgesetz.

Es gibt vier Pauschalvarianten – wir haben es gehört –, ein neues einkommensabhän­giges Modell, eine höhere Zuverdienstgrenze. All das bringt natürlich mehr Flexibilität und mehr Möglichkeiten zu einer individuellen Lebensgestaltung und für individuelle Lebensentscheidungen.

Natürlich bedeuten mehr Möglichkeiten in gewisser Weise höhere Komplexität. Das ist nicht nur uns bewusst, die wir das beobachten und mitgestaltet haben, das ist auch dem Ministerium bewusst, wo alles dann auch abgewickelt werden muss. Im Aus­schuss wurde dargestellt, wie viele Bemühungen es geben wird, bestmöglich zu infor­mieren und zu beraten, und ich glaube, damit wäre dann auch vielen Dingen Genüge getan. Es gibt viele Kanäle und Medien, die genutzt werden. Wir haben gehört von einer Website, von einer Broschüre, aber auch für telefonische individuelle Beratung vor Ort werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult oder sind schon geschult wor­den, und auch Krankenkassenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter werden zum Beispiel darauf vorbereitet, gleich Auskunft geben zu können.

Ich glaube, es ist wichtig, gerade alle Anlaufstellen, auch die, die nicht ursächlich mit dem Thema zu tun haben, zu informieren, denn die Familien sollen dort Unterstützung bekommen, wo sie als Erstes hingehen.

Aber insofern sind, glaube ich, auch wir gefordert. Wir haben alle lang genug Zeit ge­habt, uns das anzuschauen. Auch wir sind Anlaufstellen für Väter, Mütter und Familien, auch wir sind gefordert, die Information zu geben, wenn wir darauf angesprochen werden.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, weil das auch immer wieder kommt und auch im Nationalrat gekommen ist: die Kritik an der Zuverdienstgrenze. Ganz ehrlich, mir und vielen, mit denen ich rede, gleich ob Bezieher, ob Abwickler oder Abwicklerinnen, wäre es auch viel lieber, es gäbe diese Grenze nicht. Das würde vielleicht vieles einfa­cher machen, und es wäre vielleicht als Kinderbetreuungsgeld auch einleuchtender. Das ist die eine Seite der Medaille. Die zweite Seite der Medaille und Tatsache ist aber, dass es derzeit einfach nicht geht, weil öffentliche Haushalte auch keine Fässer ohne Boden sind. Und gerade in Zeiten wie diesen und gerade, was den Familienlas­tenausgleichsfonds betrifft, haben wir das in diesem Haus, glaube ich, schon sehr oft diskutiert.

Wir alle sind gefordert, darauf zu schauen, dass wieder mehr drinnen ist in der öffentli­chen Kassa, damit wir auch das herausnehmen können, was wir uns wünschen. Das ist, glaube ich, auch im Sinne der Generationen, um die es hier geht, derjenigen, die jetzt Familien gründen, derjenigen, die jetzt geboren werden, eine faire Lösung.

Insofern halte ich die heutige Lösung fürs Kinderbetreuungsgeld, die wir hoffentlich auch alle gemeinsam beschließen – ich und meine Fraktion sind jedenfalls dabei –, für eine sehr vernünftige Lösung und eine sehr wichtige Lösung. Wir schaffen mehr Flexi­bilität und mehr Möglichkeiten zu individuellen Lebensentscheidungen.

In der Politik ist Gott sei Dank nichts endgültig. Wir haben uns etwas Arbeit übriggelas­sen, um dann, wenn Geld da ist und Zeit dafür ist, auch mehr zu tun für die Familien. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

13.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Klug. – Bitte.

 


13.12.27

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja heute


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 75

nicht zum ersten Mal erlebt, dass die eine oder andere Wortspende von Proponentin­nen oder Proponenten der Oppositionsparteien nicht wirklich mit der Beschlusslage auch nur in Ansätzen in Einklang zu bringen ist. Insofern war ich persönlich auch nicht überrascht, dass Frau Kollegin Mühlwerth in großen Teilen ihrer Ausführungen an sich zu der unter diesem Tagesordnungspunkt vorliegenden Gesetzesnovelle eigentlich Beiträge geliefert hat, die heute zur Beschlussfassung gar nicht anstehen beziehungs­weise die auch in der heutigen Vorlage keinesfalls nachvollziehbar sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es mag sein, dass ich bei der Frage des mündigen Bürgers oder der mündigen Bürgerin als jemand, der aus dem Arbeitsrecht kommt, eine besondere Sensibilisierung entwickelt habe. Ich gebe das gerne zu. Im Arbeits­recht reden wir in diesem Zusammenhang von der vielzitierten oder eben nicht vor­handenen „Waffengleichheit“.

Im Zusammenhang mit der Novellierung zum Kinderbetreuungsgeld kann ich von einem Selbstbestimmungsrecht der beiden Partner in der Frage der Übernahme der Kinderbetreuung nur dann sprechen, wenn die Rahmenbedingungen, insbesondere die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, aber natürlich auch die Rahmenbedin­gungen auf dem Arbeitsmarkt so sind, dass es wirklich eine Selbstbestimmung ist, ob die Kinderbetreuung überwiegend primär von der Frau oder auch vom Mann übernom­men wird. Diese gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen haben wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, und genau deshalb bemühen wir uns auch, mit der vorliegenden Novellierung einen weiteren Beitrag zu leisten. (Bundesrätin Mühlwerth: Daran ändert diese Vorlage nichts!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber – und deswegen beziehe ich mich jetzt wieder auf die Dinge, die tatsächlich heute zur Beschlussfassung anstehen, weil es ja im Wesentlichen sonst schade um die Zeit ist – liebe männliche Kollegen des Bundes­rates! Bei den Gesprächen zur Übernahme der Kinderbetreuung wird es uns Propo­nenten des männlichen Geschlechts in Zukunft nur mehr schwer gelingen, faden­scheinige Ausreden auf den Tisch zu legen. Liebe Kollegen, warum in Zukunft das partnerschaftliche „Wir bekommen ein Kind“ nicht automatisch dazu führen wird, dass man auch sagt, „Wir teilen uns die Kinderbetreuung danach auch zu gleichen Teilen“, wird nicht mehr leicht zu erklären sein.

Die Unterstützung der Vertreterinnen und Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion zur vorliegenden Novelle des Kinderbetreuungsgeldes soll meines Erachtens primär Folgendes zum Ausdruck bringen:

Zum Ersten: Ja, wir wollen, dass gerade in dieser wichtigen Phase des Kindes – Sig­mund Freud nachzulesen ist in diesem Zusammenhang unglaublich empfehlenswert – auch die Männer einen aktiveren Beitrag zur Kinderbetreuung leisten.

Ja, wir wollen – zweitens – auch, dass die Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt durch diese Novelle weiter verbessert werden.

Drittens: Jawohl, wir bekennen uns auch dazu, dass im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die öffentliche Hand steuernd und unterstützend eingreift.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, wir wollen auch, dass es im Bereich dieser Fami­lienleistung, den Erkenntnissen des Wirtschaftsforschungsinstituts folgend, zu einer Umverteilung zwischen den beiden Geschlechtern kommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sozialdemokratischer Bundesrat möchte ich, wie das so schön heißt, aus meinem Herzen keine Mördergrube machen, und daher schlie­ße ich mit dem fünften Punkt persönlich:

Ich sage ganz offen, ich wünsche mir auch und hoffe, dass in den männlichen Köpfen mit dem heutigen Beitrag langsam aber sicher die Erkenntnis reift: Wir bekommen ein


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 76

Kind, und ich als Mann beteilige mich in Zukunft aktiver und bleibe auch einen Teil bei der Kinderbetreuung zu Hause.

Dies herauszuarbeiten war mir als sozialdemokratischem Bundesrat ein großes Anlie­gen. Ich habe ja mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, dass es einzelne Vertreterinnen und Vertreter von politischen Parteien gibt, die mit diesem gesellschaftlichen Weltbild noch immer Probleme hatten und haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam ist es unserer Frau Bundesministerin und unserer Frau Staatssekretärin gelungen, dieses Projekt auf die Beine zu stellen. Si­cherlich, Gerüchten zufolge waren die Bemühungen in der politischen Heimat bei der Frau Staatssekretärin mit größeren Anstrengungen verbunden als in unserer politi­schen Familie. Die Gerüchte wurden allerdings nicht bestätigt. (Bundesrat Dr. Schni­der: Warum reden Sie dann davon?)

Dieses Projekt wurde angenehmerweise gemeinsam auf die Beine gestellt, und daher möchte ich schließen mit den Bemerkungen: Beharrlichkeit, Standfestigkeit gepaart mit sozialer Kompetenz, insbesondere bei den beiden Damen unserer Bundesregierung, führten in der Disziplin moderner und gleichberechtigter Familienpolitik heute letztlich ins Ziel. Es ist ein unglaublich angenehmes Gefühl, als Mann dabei sein zu dürfen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.19


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Zan­gerl zu Wort. – Bitte.

 


13.20.16

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Letzter in dieser lan­gen Reihe möchte ich auch meine Position hier in diesem Hohen Hause kundtun.

Grundsätzlich ist die Einführung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes für Erwerbstätige zu begrüßen. Auch die Verbesserungen des Zuverdienstes mit der Möglichkeit, bis zu 60 Prozent des früheren Einkommens während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes zu verdienen, ist eine Annäherung an die Forderungen nach einem Zuverdienst in einem Ausmaß von 24 Stunden pro Woche.

Zu beachten ist jedoch die legistische Umsetzung dieses Vorhabens, da eine Vielzahl von Problemen und Unklarheiten bei der Anwendung der neuen Möglichkeiten leider Gottes zu erwarten sind. Der komplexe steuerrechtliche Einkommensbegriff, der ja für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld sowie für die neuen Zuverdienst­grenzen angewandt wird, wird weiterhin für Verwirrung sorgen. Davon bin ich über­zeugt.

Kritik ist daran zu üben, dass Arbeitslosenzeiten sowohl das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld als auch den erlaubten Zuverdienst von 60 Prozent leider Gottes verringern. In wirtschaftlichen Krisenzeiten wie diesen mit steigender Arbeitslosigkeit werden viele Eltern die rechtlichen Verbesserungen daher nicht nutzen können.

Die vorgesehene Streichung von Kinderbetreuungsgeld bei Bezug von Wochengeld vor einer weiteren Geburt wird mit Einsparungen im Umfang von 14 Millionen € bezif­fert, und das, geschätzte Zuhörer, geht voll zu Lasten der Arbeitnehmer, die bereits jetzt bei der Bezugsdauer von Kinderbetreuungsgeld schlechter gestellt sind als Nicht­erwerbstätige.

Für Väter sind in diesem Entwurf ohnehin keine großen Sprünge erkennbar. Obwohl mit dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld Anreize für eine Väterbeteili­gung erhöht wurden, wurden aber leider auch neue Barrieren geschaffen: Durch die


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 77

Verkürzung der Mindestbezugsdauer von drei auf zwei Monate Kinderbetreuungsgeld wird die Karenzdauer bei Vätern kürzer.

Echte Prügel werden jenen Eltern in den Weg gelegt, die partnerschaftlich teilen und ein weiteres Kind bekommen, weil der Bezug von Kinderbetreuungsgeld für das erste Kind enden soll, sobald die Mutter wieder Wochengeld bezieht.

Dazu sei mir ein Beispiel gestattet: Der Vater bezieht Kinderbetreuungsgeld für das erste Kind. Die Mutter ist erwerbstätig und wird wieder schwanger. Aufgrund von Schwangerschaftskomplikationen wird sie freigestellt und bekommt statt ihrem Gehalt Wochengeld in gleicher Höhe. Durch den Wochengeldanspruch der Mutter verliert der Vater den Anspruch auf das Kinderbetreuungsgeld für das erste Kind. Eine vorzeitige Rückkehr zum Arbeitgeber ist dem Vater nicht möglich. Was bleibt? Die Familie muss vom Wochengeld der Mutter leben.

Kaum Verbesserungen gibt es auch für Alleinerziehende. Die vorgesehenen Gründe für eine Verlängerung der Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes von zwei Mona­ten umfassen nur Extremfälle wie Tod, wie Krankheit, wie Freiheitsstrafen oder, Gott bewahre, Gewalttätigkeit des Partners und sind daher nicht geeignet, die Situation von Alleinerziehenden grundsätzlich zu verbessern.

Dass der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld nicht mehr zurückzuzahlen ist, muss al­lerdings schon als positiv erwähnt werden, weil dies eine Rechtssicherheit für die Be­troffenen bringt. Die Problematik, dass Eltern den Zuschuss erst nach Jahren, und wie man gesehen hat, eigentlich unerwartet, wieder zurückzahlen müssen, wird damit end­gültig beseitigt.

Es sei mir nunmehr gestattet, hier fünf Verbesserungsvorschläge zu machen:

Notwendig ist nach meinem Dafürhalten eine Vereinfachung des Einkommensbegriffes durch eine Umstellung vom steuerrechtlichen auf einen sozialversicherungsrechtli­chen Einkommensbegriff.

Durch Arbeitslosigkeit dürfen beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld und beim Zuverdienst keine Nachteile entstehen.

AlleinerzieherInnen müssen beim Bezug der Kurzvarianten dieselben Chancen auf Verlängerung des Kinderbetreuungsgeldes gewährt werden. Darüber hinaus braucht es wirksame Hilfen und Programme zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt.

Vielleicht sollten wir auch das Problem der Adoptiveltern hier am Rande beleuchten, die Kinder erst nach Monaten adoptieren können. Da müssen halt auch Sonderrege­lungen geschaffen werden, damit sie beim Bezug der Kurzvariante des einkommens­abhängigen Kinderbetreuungsgeldes nicht benachteiligt werden.

Um einer Entwertung von Familienleistungen sowie des Zuverdienstes zu begegnen, sollte das Kinderbetreuungsgeld sowie die Zuverdienstgrenze jährlich valorisiert werden.

Und zum Schluss: Ich glaube, von besonderer Dringlichkeit ist es, die Anstrengung zum Ausbau der bedarfsgerechten und qualitätvollen Kinderbetreuung zu verstärken. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme des einkommensabhängigen Kinderbetreuungs­geldes und der Kurzvarianten darf nicht an der fehlenden Kinderbetreuung scheitern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

13.25


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt jetzt Frau Staatssekretärin Marek. – Bitte.

 


13.25.42

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, ich bin sehr stolz, dass ich jetzt auch hier im Bundesrat stehen darf und dass das Kinder­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 78

betreuungsgeld so, wie wir es jetzt weiterentwickeln mit ganz umfassenden Neuerun­gen, hier auch tatsächlich beschlossen wird und tatsächlich mit 1. Jänner 2010 Realität wird.

Ja, wir wissen, es ist komplex, aber viele Wahlmöglichkeiten heißt, sich einfach aus vielen verschiedenen individuellen Möglichkeiten etwas auswählen zu können. Fami­lien sind nicht alle gleich, Familien sind individuell absolut unterschiedlich, und genau­so unterschiedlich müssen die Rahmenbedingungen sein, die Familien auch tatsäch­lich brauchen. Wir sind uns dessen bewusst, aber hier liegt es – das wurde mehrfach gesagt – an der umfassenden Informationstätigkeit, und Sie können sicher sein, dass wir hier auch die bestmögliche maximale Information und Beratung für die Familien zur Verfügung stellen werden. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, und wir sehen auch an den Gesprächen jetzt, an den vielen E-Mails, die wir bekommen, dass die Familien sich durchaus auch jetzt schon informieren und viel besser informiert sind, als so mancher hier und auch in der politischen Diskussion das vielleicht glaubt.

Ganz wichtig ist es uns, mit diesem Paket Mut zum Kind zu machen. Wir haben eine im europäischen Vergleich sehr, sehr geringe und fast beschämende Geburtenrate, etwa 1,4 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter. Das ist viel zu wenig. Der Blick nach Schwe­den zahlt sich hier durchaus aus. Dort sind es etwa – nicht ganz noch, aber fast – zwei Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter. Das heißt, das ist genau der Weg, wo wir hin­kommen müssen, dass wir hier wirklich an den Rahmenbedingungen bauen. Alleine – das sei in Richtung BZÖ und auch Freiheitliche gesagt – Geld an die Familien zu zah­len – wir sind eines der Länder mit den höchsten Familientransferleistungen – bringt nicht mehr Kinder. Wir haben über viele Jahre finanziell sehr viel an den Familien­leistungen gebaut, die Geburtenrate konnten wir damit nicht heben.

Jetzt war es an der Zeit, die Services für die Familien, die Rahmenbedingungen zu ver­bessern. Ein ganz wichtiger Kraftakt liegt auch bei der Kinderbetreuung, und das über viele Jahre. Stichwort: 70 Millionen jährlich für das letzte Kindergartenjahr, das auch insgesamt einen Schub für mehr Kinderbetreuung bringen wird. Es gibt auch eine wei­tere 15a-Vereinbarung mit den Ländern für den Ausbau der Betreuung der Null- bis Dreijährigen, denn selbstverständlich dürfen wir hier nicht nur das Kinderbetreuungs­geld sehen, sondern es muss massiv mehr Kinderbetreuungsangebote gerade für die Unterdreijährigen geben. Wenn die Karenzdauer ein Jahr beziehungsweise 14 Monate beträgt, braucht es natürlich da auch entsprechend mehr Kinderbetreuungsangebote.

Ich darf ganz kurz auf die Kritikpunkte und die Argumente auch in den Reden einge­hen. Frau Bundesrätin Mühlwerth hat gesagt, es sind in der Mehrzahl nach wie vor – beziehungsweise ohne „nach wie vor“ – Mütter. Ja, genau deswegen machen wir ja hier etwas, um auch massiv mehr Väter ansprechen zu können. Wobei ich überrascht bin, Herr Bundesrat Zangerl, wenn Sie sagen, da ist gar nichts drinnen für die Väter. 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens ist ein ganz massiver Hebel, um natürlich die Väter anzusprechen. Wenn Sie ein bisschen über die Grenzen Österreichs hinaus­schauen, dann ist überall dort, wo es solche Systeme gibt, der Väteranteil – Deutsch­land ist hier auch einen Vergleich wert – bei etwa 20 Prozent, und es ist auch unser Ziel, in diese Richtung zu kommen.

Herr Bundesrat Zwanziger, 5 Prozent der Väter sind es jetzt gerade, und wir gehen da­von aus, dass es mittelfristig 20 Prozent sind. Datensicht vor der Rede schadet grund­sätzlich nicht. Im Vollausbau wird Kinderbetreuung eine Milliarde kosten, sagen Sie. Das sind die Kosten derzeit, und etwa in dieser Größenordnung werden die Kosten sich auch weiterhin bewegen.

Herr Bundesrat Zangerl, Sie haben auch die Tatsache erwähnt, dass es vor der Geburt nicht möglich ist, Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld gleichzeitig zu beziehen. Da­zu bekennen wir uns auch. Wir haben hier eine Bereinigung vorgenommen, weil nach


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 79

der Geburt ein Parallelbezug von Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld bisher schon nicht möglich war. Aber dort, wo eben dann während des Bezuges von Kinderbetreu­ungsgeld ein weiteres Kind zur Welt gekommen ist, hat es das sehr wohl gegeben.

Das haben wir bereinigt. Aber wir haben genau das, von dem Sie gesagt haben, dass es Tatsache ist, eben jetzt möglich gemacht. Wenn ein Vater – wir kennen da einzelne Fälle – im Kinderbetreuungsgeldbezug ist, die Frau wieder ein Kind bekommt, dann ha­ben wir gerade hier die Möglichkeit geschaffen – im Gegensatz zur bisherigen Rege­lung –, dass der Vater Kinderbetreuungsgeld beziehen kann, auch wenn die Mutter gleichzeitig Wochengeld bezieht.

Ich glaube, das war eine ganz, ganz wichtige Regelung und Änderung, gerade um hier auch einen Anreiz für die Väter zu bieten, und es überrascht mich, dass Sie sagen, dass wir durch die Karenzverkürzung beziehungsweise durch die Verkürzung von drei auf zwei Monate die Väter schlechter stellen. Es wird, ganz im Gegenteil, einen größe­ren Anreiz geben, weil ich in einem Unternehmen zwei Monate der Karenz einfach leichter organisieren kann als drei Monate. Und ich muss ganz ehrlich sagen, ein Va­ter, der zwei Monate in Karenz geht und Kinderbetreuungsgeld bezieht, ist mir lieber als einer, der gar nicht geht. Und wenn das der Preis dafür ist, soll es mir recht sein. Diese Monate sind ja zwischen den Eltern ganz flexibel aufteilbar. Die zwölf plus zwei Monate können genauso bedeuten, sieben Monate für jeden Elternteil. Also hier ist die Flexibilität, wie es bisher schon der Fall war, ganz stark gegeben.

Das Argument, das mehrfach von BZÖ und FPÖ gekommen ist, das einkommensab­hängige Kinderbetreuungsgeld wäre ungerecht, kann ich überhaupt nicht nachvollzie­hen. Jedes Kind ist gleich viel wert – das sagen Sie auch in Ihren Statements –, und bei den Familienleistungen ist es in der Regel tatsächlich so. Aber Tatsache ist, dass gerade besser qualifizierte Frauen und auch Männer den Kinderwunsch nicht mehr realisieren, weil sie die Perspektive, Einkommensverluste hinnehmen zu müssen, aber auch in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Einbußen zu haben, so nicht akzeptie­ren und deswegen den Kinderwunsch verschieben oder ganz aufgeben.

Deswegen, so glaube ich, ist es eine zutiefst sozial- und familienpolitische Maßnahme, wenn wir sagen: Ja zum Kind heißt auch, dass wir Einkommensverluste aufgrund die­ser Entscheidung zu einem gewissen Teil für eine gewisse Zeit kompensieren. Wenn wir damit auch mehr Kinder in Österreich bekommen werden – und ich gehe davon aus, das wird der Fall sein –, dann soll mir das recht sein und dann freuen wir uns darauf.

Es ist, glaube ich, auch sehr wichtig, Frauen auf allen Ebenen der Wirtschaft entspre­chend zu fördern und zu forcieren. Wenn wir wollen, dass die Einkommensschere ge­schlossen wird, wenn wir wollen, dass Männer wie Frauen auf allen Ebenen erfolgreich sind und auch Väter stärker sichtbar werden, wenn ein Blick wiederum nach Schweden zeigt, dass es ein ganz normales Bild ist, dass Väter mit Kinderwagen unterwegs sind, dass Besprechungen nach 17 Uhr eigentlich unüblich sind, weil da auch die Väter die Kinder vom Kindergarten abholen gehen, dann ist das ein sehr schönes Bild, und ich glaube, dann ist es das wert, hier auch mit politischen Rahmenbedingungen etwas zu machen.

Abschließend zur Kritik, dass Alleinerziehende nicht berücksichtigt wurden, auf der Strecke geblieben sind – auch von den Grünen kam dieser Vorwurf –: Ich gebe zu, es ist ein Kompromiss, aber ich glaube, es ist ein gelungener Kompromiss. Es kann nicht sein, dass wir Anreize setzen, Kinder nicht mehr offiziell miteinander zu erziehen, dass wir Anreize setzen, dass es einfach lukrativer ist, alleinerziehend zu sein, als sich ge­meinsam zu einem Kind zu bekennen. Ich sage das ganz bewusst als selbst Alleiner­ziehende und glaube schon zu wissen, wovon ich hier spreche.

Wir hatten in den neunziger Jahren das erhöhte Karenzurlaubsgeld, wonach Alleiner­ziehende eben aufgrund dieser Tatsache einen doppelt so hohen Betrag erhalten ha­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 80

ben wie gemeinsam Lebende. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir bei allen Zahlen im ge­samten Karenzurlaubsgeldsystem einen Anteil an Alleinerziehenden von knapp 27 Pro­zent. Und das ist genau das Problem in Österreich.

Deswegen haben wir gesagt, wir wollen eine Regelung schaffen, mit der wir Härtefälle, akut von Notfällen Betroffene – in der Regel Frauen – unterstützen wollen, dass man zwei Monate länger Kinderbetreuungsgeld beziehen kann. Aber hier geht es darum, einfach Luft zu schaffen in diesen Situationen, die in der Liste auch angeführt sind. Wir können durch ein paar Monate mehr eine nachhaltige Armutsgefährdung von Alleiner­ziehenden – wir wissen, sie sind häufiger als andere von Armut betroffen beziehungs­weise gefährdet – nicht verhindern, wir können hier nicht nachhaltig absichern. Hier müssen auch andere Instrumente greifen wie etwa die bedarfsorientierte Mindestsiche­rung, die jetzt gerade auch in Diskussion beziehungsweise Vorbereitung ist.

Ich glaube, es ist ein sehr, sehr gelungener Entwurf, der heute hier beschlossen wird.

Abschließend auch noch etwas zu den Vätern. Lieber Kollege Perhab, es wäre schön, wenn Politiker, also auch die Männer, in Karenz gehen könnten. Das geht nämlich der­zeit nicht, um das auch zum Kollegen Dönmez zu sagen. Das wäre vielleicht ein schö­nes Vorbild, wenn man nicht nur die Politikerinnen mit den Kindern sieht, sondern auch die Väter. Gerade für die Familienpartei ÖVP wäre das, glaube ich, ein schönes Sig­nal. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Frak­tionszugehörigkeit.)

13.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.36.034. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz und das Wirtschafts­treuhandberufsgesetz geändert werden (312 d.B. und 360 d.B. sowie 8183/BR d.B. und 8192/BR d.B.)

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mineralrohstoffgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 geän­dert werden (Bergbauabfallgesetz) (313 d.B. und 361 d.B. sowie 8193/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun gelangen wir zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 4 und 5 ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Ich bitte um die Berichte.

 


13.36.10


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 81

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner: Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Die Berichte des Wirtschaftsausschusses zu beiden Gesetzen liegen Ihnen schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlagen am 3. November 2009 mit Stimmeneinhelligkeit jeweils den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


13.37.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Leider kann ich nicht nur Pro-Reden halten, beim Mineralrohstoffgesetz muss ich doch unsere Gegenstimme erheben.

Es ist einerseits ja sehr schön, dass es auch im Mineralrohstoffgesetz jetzt einen Ab­fallwirtschaftsplan geben wird. Das ist löblich und gut; es ist auch eine Umsetzung einer EU-Richtlinie.

Es ist gut, dass man sich vor Errichtung einer Abfallanlage Gedanken darüber machen muss, wie man die dann wieder entsorgt. Das ist wichtig, gut und löblich, aber die Um­setzung einer EU-Richtlinie.

Dass im Mineralrohstoffgewinnungsgesetz nun auch von der Öffentlichkeitsbeteiligung die Rede ist, ist auch etwas sehr Positives. Leider beschränkt sich diese Öffentlich­keitsbeteiligung gerade in diesem Bereich auf NGOs und erstreckt sich nicht auf die AnrainerInnen, und das ist für uns ein großes Problem im gesamten Gesetz, mit dem wir schon seit Langem kämpfen. Das tut einfach weh, und deshalb können wir auch nicht zustimmen.

Klar ist: Die Abfallwirtschaft ist jetzt nicht das größte und einzige Umweltproblem, das man beim Abbau von mineralischen Rohstoffen hat. In Niederösterreich gibt es derzeit einen richtigen Boom, was Steinbrüche betrifft. Erst im Juli gab es eine Änderung des regionalen Raumordnungsprogramms, und es kommen jetzt aufgrund dieser Änderung weitere Steinbrüche auf uns zu. Die Bezirksverwaltungsbehörden in Niederösterreich sind da relativ locker und genehmigen selbst in Natura-2000-Gebieten und in dezidier­ten Steinbruchsverbotszonen Erweiterungen von Steinbrüchen.

Dann gibt es auf der anderen Seite wieder Klagen, Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaften, es gibt Klagen beim Verwaltungsgerichtshof und Beschwerden bei der Volksanwaltschaft. (Bundesrat Kainz: Beschwerden gibt es immer!) Ja, die gibt es. Natürlich gibt es immer Beschwerden, aber es boomt zurzeit in Niederösterreich. Das ist das, was ich damit ausdrücken wollte. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundes­rates Kainz.) Genau, genau!

Wichtig ist, dass jeder Bürger Gehör findet. Das wäre uns ein wichtiges Ansinnen, lei­der ist es im Gesetz nicht so verankert, dass er mehr als Gehör findet und auch etwas bewirken und beeinflussen kann. Das ist leider im Mineralrohstoffgesetz nicht so veran­kert. Das ist auch unser Problem mit dem Gesetz.

Ich möchte nur ganz kurz auf drei Steinbrüche zu sprechen kommen.

Einerseits auf den Steinbruch in Paudorf. Der ist seit 2004 im Vollbetrieb. Seither gibt es hundert schriftliche Anzeigen bei der Bezirkshauptmannschaft über die Nichteinhal­tung von Bescheidauflagen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 82

Dieser Steinbruch hat fünf Quadratkilometer, liegt mitten im Wohngebiet, täglich fahren ungefähr 400 Lkw vorbei. Mit dem Bescheid der BH 2003 wurde eine Sanierung und Rekultivierung verordnet und vorgeschrieben. Die ist bis jetzt nicht umgesetzt worden. Abgebaut wurde noch weiter bis 2006. Inzwischen beschäftigt dieser Steinbruch die Staatsanwaltschaft, die Volksanwaltschaft und den Verwaltungsgerichtshof.

Es gibt auch einen Steinbruch in Steinegg. Der liegt im Natura-2000-Gebiet, eine de­klarierte Steinbruchsverbotzone, nichtsdestotrotz wurden die Flächen umgewidmet. Was das dort für die zahlreichen geschützten Pflanzen und Tiere bedeutet, ist selbstre­dend. Und die Betreiberin dieses Steinbruchs ist außerdem noch ganz speziell ausge­richtet und stellt die Behörden gerne vor vollendete Tatsachen.

Es gab dort ein Biotop, das geschützt war, wo extra im Bescheid gestanden ist, dass es nicht zugeschüttet oder zerstört werden darf. Über Nacht ist es dann leergepumpt und trockengelegt worden. Inzwischen beschäftigt auch dieser Steinbruch die Staats­anwaltschaft. Eine Sachverhaltsdarstellung wurde eingebracht.

Nun zum Steinbruch Mannersdorf: Da gibt es einen Dolomitsteinbruch mit vier Hektar, der auf acht Hektar erweitert werden soll. (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.) Das ist eine Gegend, wo es viele Steinbrüche gibt. Wenn das bei dir ist, dann wirst du es wissen. (Bundesrat Hensler: Da gibt es rundherum Steinbrüche!) Ja, genau, das ist aber auch ein Feinstaubsanierungsgebiet, und da ist es nicht unbedingt förderlich, wenn man dort jetzt einen Steinbruch erweitert. Laut Statistik Austria weist dieser Be­zirk mit 75,7 Jahren die geringste durchschnittliche Lebenserwartung in Österreich auf. Wie gesagt, Feinstaubgebiet und Steinbruch, das verträgt sich nicht wirklich.

Es gibt dann auch noch wissenschaftlich interessante und als wertvoll eingestufte Höh­lensysteme, zum Beispiel den „Nassen Schacht“ – ich kenne ihn nicht, aber du kennst ihn wahrscheinlich –, der zum Teil schon eingebrochen ist und zum anderen Teil einbruchsgefährdet ist. Auch dort gibt es eine Bürgerinitiative, die ja leider in das Verfahren nicht eingebunden wird bei diesen Materien. (Bundesrat Hensler: Waren Sie schon dort? Kennen Sie den überhaupt?) Aber ich weiß schon, dass es den dort gibt. Ich muss nicht dort drinnen gewesen sein, damit ich weiß, dass es den dort gibt. Okay?

Ich weiß aber auch, dass die Einwendungen der Bürgerinitiative diesbezüglich von der BH immer wieder als unbegründet zurückgewiesen wurden. Und wie gesagt: Feinstaub­sanierungsgebiet und Erweiterung von Steinbrüchen ist meiner Meinung nach einfach ein Widerspruch an sich.

Es ist uns Grünen sehr wohl auch bewusst, dass es ganz ohne Mineralrohstoffabbau nicht gehen wird, zumindest in den nächsten Zeiten nicht, es sollte aber auch allen an­deren bewusst sein, dass man nicht unbedingt dort Steine abbauen muss, wo es einer­seits für die Umwelt, andererseits für die Menschen, die dort leben, zu großen Proble­men führt und diese auch gefährdet. Es gibt ja andere Steinbrüche, wo man das relativ einfach machen kann, wo man nicht unbedingt gleich die Anrainer daneben hat, wo man keine Bürgerinitiativen hat. Da ist es ja kein Problem. (Bundesrat Hensler: Ohne rechtliche Voraussetzungen kann man das ja sowieso nicht machen!)

Ja, genau. Es geht um die rechtlichen Voraussetzungen, die erfüllt sind, und es geht auch darum, dass Bürgerinitiativen dort keine Möglichkeit haben, wirklich Einfluss zu nehmen und mitzureden. Auch wenn die Menschen, die dort wohnen, betroffen sind, können sie in Wirklichkeit zum Salzamt gehen. Und das ist unser Problem, das wir mit diesem Gesetz haben. (Bundesrat Hensler: Die sind froh, dass sie Arbeitsplätze ha­ben, aber Sie gehen demonstrieren!) Es gibt genug Leute, die sich dort engagieren, weil einfach ihre Lebensqualität durch diese Steinbrüche auch beeinträchtigt wird. (Bundesrat Hensler: Es sind dort einfach auch die Arbeitsplätze nicht zu vernachläs­sigen!)


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 83

Also: Solange in diesem Mineralrohstoffgesetz Bürgerinitiativen einfach keine Möglich­keit haben, zu Wort zu kommen und ihre Befürchtungen nicht nur zum Ausdruck zu bringen, sondern auch zu bewirken, dass etwas getan wird, solange das im Mineralroh­stoffgesetz nicht besser gelöst ist, können wir leider auch dieser Novelle nicht zustim­men. (Beifall des Bundesrates Dönmez.)

13.44


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


13.44.29

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich spreche zum Abschluss­prüfungs-Qualitätssicherungsgesetz und zum Wirtschaftstreuhandgesetz.

Zwei Herzen schlagen da in meiner Brust. Ich habe mich ganz intensiv mit dem Gesetz auseinandergesetzt, denn im täglichen politischen Leben setzen wir uns immer für Klein- und Mittelbetriebe ein und sagen, wir sind für euch da, wir wollen euch stärken, und wenn man das Gesetz liest, sagt man: Ach, was führe ich jetzt mit unseren Klein- und Mittelbetrieben auf?

Es ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Sicherung einer möglichst hohen Qualität bei Abschlussprüfungen zu begrüßen ist, wobei die Maßnahmen für die Sicherung je­doch in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen sollen und nicht zu einer übermäßigen Bürokratisierung führen sollten.

Ich habe mir dann für mich selber so den Arbeitsablauf der verschiedenen Sparten vor­gestellt: Wie ist es so in unserem wirtschaftlichen Leben? – Da gibt es Handwerk und Gewerbe, da haben wir den Facharbeiter, den Meister und dann den Kunden. Ist der Kunde zufrieden, bezahlt er. Das Werk ist vollbracht.

Und wie ist es bei den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern? – Da gibt es den Steu­erberater. Der macht den Abschluss, erstellt die Bilanz, macht die Steuererklärung, reicht beim Finanzamt ein. Für die normalen kleinen Betriebe geht das auch nach wie vor so vonstatten.

Dann gibt es für die größeren Betriebe den Wirtschaftsprüfer und dann noch den Ab­schlussprüfer, und dazwischen – das klingt ganz harmlos – gibt es einfach wahnsinnig viel Papier.

Wirtschaftsprüfer, die als Wirtschaftsprüfer und Abschlussprüfer tätig sein wollen, müs­sen jetzt zuerst einmal ein Organisationspapier für ihren Betrieb erstellen, sie müssen den Ablauf des Betriebes genau darlegen, wer für was und wozu vorhanden und zu­ständig ist, und sie haben die verschiedensten Kriterien zu erfüllen. Eines davon ist die Verschwiegenheitspflicht. Die Verschwiegenheitspflicht ist nichts Neues für einen Steu­erberater, nur: in diesem Fall ist es jetzt so, dass die Verschwiegenheitspflicht ausge­weitet wird. Es darf nur mehr der Mitarbeiter, der den Fall bearbeitet, also entweder der Sachbearbeiter oder der Wirtschaftsprüfer, für diesen Fall Auskunft geben. Man kann nicht, wenn der Klient anruft und sagt: Bitte ich brauche etwas, könntest du mir nicht bitte nachschauen!, einfach nachschauen. Nein, man darf nicht nachschauen, wenn der zuständige Sachbearbeiter nicht da ist. Das darf nur mehr der zuständige Mitarbei­ter machen.

Es gibt dann auch die Aus- und Weiterbildung. Es ist kein Wirtschaftsprüfer gegen die Aus- und Weiterbildung. In Wirklichkeit machen sie sowieso die 120 Stunden in drei Jahren; diese Aus- und Weiterbildung ist sicher gegeben. Es muss aber jetzt alles do­kumentiert werden, niedergeschrieben werden und vorgelegt werden, damit der Wirt­schaftsprüfer die Prüfungsberechtigung, auf drei Jahre befristet, bekommt. Das ist halt alles Bürokratie, ist Mehrarbeit.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 84

In riesengroßen Kanzleien, die wirklich groß sind, ist das Organisationshandbuch nicht das Problem, denn diese müssen das von vornherein so machen, damit sie überhaupt einen Überblick über ihre Kanzlei haben. Wir sprechen da von Kleinstbetrieben. Das sind die Zweimann-, Fünfmann-, Zehnmannbetriebe, die auch sehr wohl Wirtschafts­prüfungen machen können.

Das Positive ist aber: Es gibt jetzt bei der Anbotlegung einen Dreiervorschlag. Aus dem Dreiervorschlag wird ausgesucht. Der Wirtschaftsprüfer kann zu arbeiten beginnen. Der Organisationskatalog, der mindestens 80 Seiten hat, wird Punkt für Punkt abgear­beitet. Ist alles abgearbeitet, kommt der Abschlussprüfer und kontrolliert den Wirt­schaftsprüfer. Ist der Abschlussprüfer zufrieden, wird das Honorar freigegeben, das in der Zwischenzeit auf einem Zwischenkonto deponiert worden ist. Also, der zu Prüfende tritt nicht mehr direkt mit dem Prüfer in Kontakt, sondern das wird über ein Zwischen­konto gemacht, was für die Transparenz natürlich schon sehr von Vorteil ist.

Das ist jetzt in einfachen Worten dargestellt. Jeder, der in dem Bereich tätig ist, möge mir diese Einfachheit verzeihen, denn ich wollte, dass wirklich alle verstehen, was da dahintersteckt.

Ein Wirtschaftsprüfer kann jeden Betrieb prüfen, ob das jetzt ein kleiner Fall oder ein großer Fall ist, also jede Dimension. Und in Zeiten wie diesen, wo wir ja in der Finanz­welt schon ziemlich gerüttelt worden sind, wo die Sicherheit nicht mehr so gegeben ist, da gibt es, glaube ich, nur einen Standard, und den einen Standard müssen alle erfül­len. Denn wir können nicht sagen, ihr Kleinen dürft nur – ich weiß nicht – kleine Fälle machen, ihr dürft keinen großen Fälle bearbeiten, und der kleine Fall braucht vielleicht nicht so mit Sicherheitsstandards ausgestattet zu sein wie der große.

Ich bin alles durchgegangen, wie man was machen könnte, denn auch wir Kleinen wol­len hohen Standard liefern. Wir wollen zu hundert Prozent gleichwertige Partner sein. Ich glaube, wenn wir die ersten Hürden des Organisationshandbuchs für den Betrieb geschafft haben, dann schaffen wir auch die anderen Standards wie die Großen, denn Qualität ist bei einem Wirtschaftsprüfer ja nicht kleingeschrieben, sondern wird mit gro­ßen Lettern geschrieben.

Darum glaube ich, wir alle sollten diesem Gesetzesbeschluss zustimmen, denn wir alle wollen die Harmonisierung der Qualität, die Qualitätssicherung der Abschlussprüfer und eine Anpassung an EU-Normen, denn die Großen bleiben ja auch nicht vor unse­ren Grenzen stehen, sondern wir haben sie im Land, und auch diese müssen erfasst sein und müssen mit den gleichen Qualitätsstandards arbeiten, wie wir arbeiten müs­sen, damit die Sicherheit auch gegeben ist. Und darum glaube ich auch, dass wir dem Gesetz zustimmen sollen, auch wenn ich leise fluche. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundes­räten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.51


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mit­terer zu Wort. – Bitte.

 


13.51.10

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Anders als meine Vorrednerin, Frau Bundesrätin Junker, brauche ich keinen Spagat bei einem Tagesordnungspunkt zu machen, obwohl insofern, als wir zwei Punkte unter einem debattieren, natürlich auch zwei Herzen in meiner Brust schlagen, weil wir zum Tagesordnungspunkt 4 Ja sagen werden und zum Punkt 5 Nein. Aber das wird ja getrennt abgestimmt, und damit habe ich nicht die schwierige Aufgabe des Spagats wie meine Frau Kollegin Junker aus Tirol.

Wir sind der Meinung, dass beim Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz und beim Wirtschaftstreuhandberufsgesetz durch die Verschärfung der Bestimmungen ver­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 85

besserter Anlegerschutz vorhanden ist, maximale Kontrolle und erhöhte Transparenz gewährleistet werden, und deshalb werden wir diesem Gesetz auch die Zustimmung geben.

Anders verhält es sich beim Tagesordnungspunkt 5. Dieses Gesetz möchten wir beein­spruchen, allerdings mit anderen Argumenten als die Grünen, denn wir glauben, dass wir in Österreich in diesem Bereich schon gut aufgestellt sind, und die Grünen glauben, dass wir noch strenger als die EU sein sollten. Da werden wir beide zwar dagegen stimmen, aber, wie gesagt, mit anderen Argumenten.

Die Umsetzung der EU-Richtlinie ist aus unserer Sicht deshalb nicht notwendig, weil Österreich in diesem Bereich bisher schon Vorbild war. Das Mineralrohstoffgesetz re­gelt jetzt schon die Errichtung, den Betrieb und die Stilllegung von Abfallentsorgungs­anlagen in Bezug auf Sicherheits- und Umweltaspekte. Die Ausweitung gilt also nur für bergbauliche Abfälle, und diese bedurften auch schon in der abgelaufenen Zeit einer Bergbauanlagenbewilligung. Was wir jetzt tun, also die Umsetzung der EU-Richtlinie, ist nichts anderes, als dass wir nur anzeigenpflichtige und nicht genehmigungspflich­tige überflüssige Maßnahmen beschließen sollten. Und obwohl es nur anzeigenpflichtig ist, gehen wir davon aus, dass es Mehrkosten in der Bürokratie geben wird.

Deshalb zum Tagesordnungspunkt 5 ein klares Nein der BZÖ-Fraktion.

13.53


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Bock zu Wort. – Bitte.

 


13.53.40

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Hohes Frauenpräsidium! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Hause! Zu diesen beiden Gesetzen darf ich nun von unserer Fraktion aus Stellung nehmen, und ich verrate nichts, wenn ich sage, wir werden beiden Vorlagen die Zustimmung geben.

Im Vergleich zu dem heute behandelten Weingesetz haben wir es bei diesen Geset­zesänderungen mit einer doch stark trockenen Materie zu tun. Bei beiden Änderungen handelt es sich, wie auch bereits erwähnt, um die Umsetzung von EU-Richtlinien.

Die im Vorjahr begonnene Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns gezeigt, welcher Ver­lass auf die Finanz- und Wirtschaftsprüfungsinstrumente weltweit ist. War die Wirt­schaft in den vergangenen Jahrzehnten noch stolz auf ihre stillen Reserven, die durch bewusste Unterbewertungen der Immobilien- und Lagerbestände auch steuerschonend wirkten, so hat man uns allen, ausgehend von Amerika, gezeigt, wie es in Zukunft nicht mehr gehen darf.

Die Profitgier einiger Manager, die ihre weltweit überhöhte Gage aufgrund geschönter, weitab von jeder Realität befindlicher Bilanzzahlen erhalten haben, hat zur heutigen Wirtschaftslage einen wesentlichen Beitrag geleistet. Überbewertungen von Immobilien und Lagerbeständen, falsche Angaben über Lieferverbindlichkeiten, nicht oder nur teil­weise einbringliche Kundenforderungen und schlagend werdende Haftungen wurden trotz der Überprüfung durch renommierte Wirtschaftsprüfer nicht oder erst nach einem Konkurs aufgedeckt.

Mit dieser Gesetzesänderung sollte sichergestellt werden, dass zumindest einige Ver­besserungen erfolgen. Das Vertrauen in die Finanzwelt ist kein besonders großes. Die Eintragung der Abschlussprüfer in ein eigenes Register, die verpflichtende Weiterbil­dung im Umfang von mindestens 30 Stunden pro Jahr, einheitliche Qualitätsstandards und ein erster Schritt, dass die Prüforgane nicht mehr direkt vom Auftraggeber, son­dern über ein Treuhandkonto bezahlt werden, sollten wieder mehr Vertrauen in diese Prüforgane bringen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 86

Da diese Arbeiten ja von sehr gut ausgebildeten Wirtschaftsfachleuten durchgeführt werden, fallen sehr hohe Kosten an. Ich hätte mir gewünscht, dass Abschlussprüfer und Wirtschaftstreuhänder bei bewussten Falscheinschätzungen oder Gefälligkeitsbe­stätigungen wesentlich mehr zur Verantwortung gezogen werden. Bisher mussten die­se Fehler meistens aus dem Volksvermögen finanziert werden.

Nun zum zweiten Gesetz, zum Mineralrohstoffgesetz, zum MinroG, beziehungsweise zum AWG, also zum Abfallwirtschaftsgesetz, genauer gesagt zum Bereich Bergbauab­fallgesetz.

Auch hier handelt es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie über Abfälle aus der Mineralien gewinnenden Industrie. Durch diese Novelle werden durchschnittlich nur zwei Fälle – also so bürokratisch ist das nicht, es betrifft eigentlich nur zwei Fälle – pro Jahr betroffen sein.

Bereits bisher mussten für das Erlangen einer Bergbaugenehmigung, für die konzen­trierte Abwicklung eines Bewilligungsverfahrens viele Unterlagen bereitgestellt werden. Neben den Planungsunterlagen werden in diesem Verfahren der Naturschutz, die Forstwirtschaft, die Wasserwirtschaft, das Arbeitsinspektorat für den Arbeitnehmer­schutz, der Amtsarzt für die Bewertung von Emissionen und viele andere Sachverstän­dige beigezogen. Die Gemeinden und Nachbarn haben in den meisten Fällen auch Parteistellung.

In vielen Fällen wurde bereits bisher eine Sicherheitsleistung von den Betreibern für den Abbruch von Werksanlagen und für Begrünungsmaßnahmen nach der Beendi­gung des Abbaues oder nach der Befüllung von Deponien vorgeschrieben. Diese Still­legungssicherheitsleistungen erfolgten meistens in Form einer Bankgarantie. Die Höhe der Garantien, der sogenannten Stilllegungsgarantien, hing also von den Kosten ab, die für den Abbruch der Anlagen beziehungsweise für die Wiederbegrünung und für die Bepflanzung notwendig waren.

Neu ist in Zukunft, dass die Sicherheitsleistung für reine Nachsorge, also auch für die Zeit nach der Stilllegung, auch in dieser Form vorgeschrieben werden kann. Damit ist vom Betreiber sicherzustellen, dass es nachhaltig zu keinen schweren Beeinträchtigun­gen an der Umwelt oder an der menschlichen Gesundheit kommen darf.

Diese Sicherheitsleistung kann behördenseitig für die Einhaltung der Bescheidauflagen verwendet werden. Der Betrag für die Sicherheitsleistungen kann von der Behörde nach dem Risiko und nach der Erfüllung der jeweils gestellten Auflagen erhöht, aber auch reduziert werden.

Diese Vorgangsweise hätte ich mir bei allen Deponiebetreibern gewünscht. In Tirol hat ein privater Betreiber eine Deponie um gutes Geld gefüllt. Noch bevor die Deponie ge­schlossen wurde und die kostenintensive Nachsorge gemacht werden musste, hat er sich durch einen gezielten Konkurs verabschiedet, und die Bevölkerung und das Land dürfen nun die Nachsorge für die nächsten 30 Jahre bezahlen.

Neu ist auch, dass den Planunterlagen auch ein Abfallbewirtschaftungsplan beigelegt werden muss. Dieser wird alle fünf Jahre überprüft. Ziel des Abfallbewirtschaftungspla­nes ist die Vermeidung und die Verringerung der Entstehung von Abfall.

Die langfristige geotechnische Stabilität von Dämmen und Halden und die Verwertung von anfallenden Abfällen ist in den Plänen entsprechend einzuarbeiten.

Aufgrund eines EuGH-Urteils ist sichergestellt, dass anfallendes Taubgestein und Ab­räumgut beim Bergbau und in den Schottergruben für das Verfüllen vor Ort und als landschaftsgestaltendes Schüttmaterial verwendet werden können. Deshalb sind nur einige wenige Betriebe von dieser Novelle betroffen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 87

Damit ist sichergestellt, dass diejenigen Kleinbetriebe, welche die Versorgung der Re­gionen mit Schotter sicherstellen, nicht unnötig mit bürokratischen Auflagen belastet werden. Durch die Übergangsbestimmungen sind Betriebe, die bis zum 31. Dezember schließen, nicht betroffen. Für die meisten anderen Unternehmen müssen die Unterla­gen bis zum Jahr 2013 vorgelegt werden.

Unsere Fraktion wird daher gegen beide Anträge keinen Einwand erheben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Ma­rek. – Bitte.

 


14.01.01

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend Christine Marek: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze An­merkungen zu dem, was von den einzelnen Rednerinnen und Rednern gesagt wurde. Der letzte Redner hat das Bergbauabfallgesetz sehr intensiv erläutert und alle Aspekte genannt.

Ich möchte nur ganz kurz auf die Rede der Frau Bundesrätin Kerschbaum eingehen. Ich habe Ihre Kritik nicht ganz verstanden, Frau Bundesrätin, denn geltendes Gesetz ist, dass alle, die durch eine Anlage möglicherweise im Recht auf Schutz des Lebens oder der Gesundheit beeinträchtigt werden, jetzt schon Parteienstellung haben. Wir ha­ben in der vorliegenden Novelle eine weitere Verbesserung vorgesehen, indem wir zu­sätzlich die von Ihnen erwähnten NGOs mit einbinden. Das heißt, es ist nicht das, was Sie gemeint haben, eine Einschränkung, sondern ganz im Gegenteil eine deutliche Besserstellung für Anrainerinnen und Anrainer, indem sie jetzt mit NGOs, mit Umwelt­organisationen – sogar mit Umweltorganisationen eines anderen Landes – entspre­chend zusammenarbeiten und kooperieren können.

Ich denke, das ist doch eine deutliche Besserstellung und nicht eine Schlechterstellung für die betroffenen Anrainer.

Frau Bundesrätin Junker, ich bin froh, dass es die Zustimmung, auch wenn sie mit einem leichten Fluchen erfolgt, gibt. Ich denke, dass es diese Novellierung durchaus braucht, gerade in einer Zeit – auch das wurde angesprochen, du selbst hast es ange­sprochen –, in der es das Vertrauen in den Finanz- und Wirtschaftsstandort Österreich beziehungsweise in den Finanzplatz insgesamt zu stärken gilt. Es geht darum, in die­sem Bereich weitere Verbesserungen zu schaffen.

Ich glaube, diese Novellierung ist eine Hilfe für die kleineren Kanzleien – darüber wur­de auch im Nationalrat debattiert –, weil es für sie möglich wird, in Wettbewerb mit gro­ßen Büros und Kanzleien zu treten. Es ist insofern eine Besserstellung, weil für alle die gleichen Rahmenbedingungen gelten und damit auch die Kunden entsprechend sicher sein können, dass, wenn sie sich für eine kleine Kanzlei als Abschlussprüfer entschei­den, die gleichen Qualitätskriterien sichergestellt sind.

Das ist ein gemeinsamer Schritt in die Zukunft und eine Stärkung des Vertrauens in den Finanzplatz und Wirtschaftsstandort Österreich – auch wenn, zugegebenermaßen, der Aufwand am Anfang ein bisserl größer sein wird. – Ich danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.03


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 88

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Abschlussprüfungs-Qua­litätssicherungsgesetz und das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 22. Ok­tober 2009 betreffend ein Bergbauabfallgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.04.10 6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (292 d.B. und 345 d.B. sowie 8184/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird (339 d.B. und 346 d.B. sowie 8185/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungstaxengesetz – Schu­len/Pädagogische Hochschulen geändert werden (342 d.B. und 347 d.B. sowie 8186/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich begrüße in diesem Zusammenhang Herrn Bundesminister Stöger ganz herzlich hier im Bundesrat. Herzlich willkommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Berichterstatterin zu den Punkten 6 bis 8 ist Frau Bundesrätin Hladny. Ich bitte um die Berichte.

 


14.05.45

Berichterstatterin Waltraut Hladny: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen den ersten Bericht vortragen, und zwar ist das der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Be­schluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichts­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich stelle daher den Antrag, gegen die­sen Beschluss keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 89

Ich erstatte nun den zweiten Bericht, über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher den Antrag, gegen diesen Beschluss ebenfalls keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe nun den dritten Bericht, über den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungstaxenge­setz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert werden.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls vor.

Ich stelle daher den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für die Berichte. – Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


14.07.16

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wir diskutieren heute über das Schulunter­richtsgesetz, das BIFIE-Gesetz und das Schulpraktikumsgesetz. (Präsident Preiner übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das Schulpraktikumsgesetz findet unsere absolute Zustimmung, weil wir es für durch­aus sinnvoll erachten, dieses Höchstalter aufzuheben, sodass auch etwas „ältere“ Per­sonen dieses Praktikum beginnen können und den Lehrerberuf noch ergreifen können. Das fehlt eigentlich schon lange, und es ist durchaus positiv anzumerken, dass es we­nigstens jetzt geschieht.

Das Schulunterrichtsgesetz mit der teilzentralen Matura fände grundsätzlich schon un­sere Zustimmung. Dies aus dem einfachen Grund, weil wir in unserem Bildungspro­gramm der FPÖ seit Jahren diese Forderung nach einer Zentralmatura stehen haben. Aber es ist halt immer wieder so, dass dann der Teufel im Detail steckt und es die eine oder andere Passage gibt, die unsere Zustimmung nicht findet.

Ich möchte etwas Grundsätzliches anmerken – damit Herr Kollege Klug dann wieder sagen kann, dass ich nicht zum Gesetz rede. (Bundesrat Schennach: So ist er!) Gera­de im Bildungsbereich, wie bei anderen Gesetzen auch, glaube ich, dass es nötig ist, dass wir auch über Grundsätzliches sprechen. Ich sage es nicht zum ersten Mal, was mir fehlt in der Bildungsdebatte ist der Grundsatz: Was verstehen wir eigentlich unter Bildung?

Die Bildungsdebatte wird so geführt, dass es eigentlich immer nur um Ausbildung geht. Es geht nicht so sehr darum, neben dem Wissenserwerb auch zu lernen, wie man ver­antwortungsvoll mit Wissen umgeht, zu lernen, eine gewisse Disziplin an den Tag zu legen und eine gewisse Leistungsbereitschaft darzustellen – wobei es mir jetzt nicht nur um die Noten geht, sondern auch darum, dass man an sich selber den Anspruch hat, sein Bestes geben zu wollen. Das kommt in den Diskussionen kaum vor.

Auch das Erlernen, wie mit Argumenten umzugehen ist, die eigenen Argumente zu schärfen, dem anderen aber auch zuzuhören, ohne sich gleich verbiegen zu lassen, das sind alles Dinge, die zur Bildung dazugehören und die meiner Meinung nach ziem­lich stiefmütterlich behandelt werden.

Es geht also im Bildungsbereich auch um Erziehung, und es geht auch – ein beson­ders verpönter Begriff – um die Anerkennung von Autoritäten – man soll sich nicht da­von verabschieden, nur weil es einmal missbraucht wurde – und um das selbständige Denken; alles ganz wesentliche Dinge.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 90

Stattdessen haben wir da immer wieder einen „Fleckerlteppich“, an dem wir herumdok­tern und herumnähen und uns Schritt für Schritt vorhanteln.

Die Forderung – ich glaube, von den Grünen im Nationalrat erhoben – nach einem Ge­samtpaket können wir durchaus unterstützen. Das fehlt uns seit Langem, dass ein Ge­samtpaket einmal präsentiert wird.

Die Teil-Zentralmatura begrüßen wir grundsätzlich, aber was uns nicht daran gefällt, sind zwei wesentliche Dinge:

Das eine ist die vorwissenschaftliche Arbeit. Wir haben uns im Ausschuss zwar er­klären lassen, dass das im Grunde genommen die alte Fachbereichsarbeit ist, die jetzt eben verpflichtend für alle gilt. Wenn man sich das aber im Gesetz durchliest, dann kommt man drauf, dass offensichtlich doch ein bisschen etwas anderes gemeint ist, ohne dass genau erläutert ist, was genau gemeint ist.

Wir sagen, dass eine vorwissenschaftliche Arbeit, sprich wissenschaftliches Arbeiten, dann schon eher an die Universitäten gehört. Es spricht nichts dagegen, dass ein Schü­ler sich mit einer Materie befasst, dass er recherchiert, dass er Quellenstudium be­treibt, aber das muss nicht in einer vorwissenschaftlichen Arbeit geschehen. Das wäre tatsächlich die Aufgabe an den weiterführenden Institutionen, nämlich an den Universi­täten.

Das andere betrifft die mündlichen Prüfungsfragen. Auch bei diesen ist im Ausschuss lapidar erläutert worden: Na ja, das ist ja nicht wahr, man kann sich das ja ohnehin aus den Gebieten aussuchen.

Tatsache ist aber, zwei Fragen bekommt man, eine muss man sich aussuchen – also bleibt eine mündliche Frage. Gerade in Zeiten, in denen wir doch oft mangelnde Rhe­torikkenntnisse der Schüler beklagen, wäre es doch wichtig, darauf hinzuarbeiten, dass sich diese Schüler auch mündlich bestmöglich präsentieren können. Abgesehen davon wissen wir alle, dass es Schüler gibt, die sich mündlich wesentlich besser ausdrücken können als schriftlich.

Wir meinen daher, es wäre richtiger gewesen, hier den Schülern die entsprechenden Möglichkeiten zu geben.

Aus diesem Grund findet dieser Entwurf der Zentralmatura – ich darf sie jetzt verein­facht so nennen –, auch wenn wir grundsätzlich dafür sind, nicht unsere Zustimmung.

Damit einher geht das BIFIE-Gesetz, weil es mehr Aufgaben bekommt, daher die Fi­nanzmittel aufgestockt werden – auch das haben wir uns im Ausschuss erklären las­sen. Ich bin aber trotzdem nicht davon überzeugt worden, das muss ich schon sagen. Sieht man sich die Aufgaben des BIFIE im Gesetzentwurf an, dann kommen zumindest wir zu dem Schluss, dass die eine oder andere Aufgabe durchaus im Ministerium selbst erledigt werden könnte. Es muss nicht immer ein ausgelagertes Institut sein, und das ist auch nur eines – wir kennen ja die österreichische Parteienlandschaft –, das dann hübsch rot und schwarz besetzt ist, während ein Privater vielleicht, der das effi­zienter und kostengünstiger machen könnte, überhaupt nicht zum Zug kommt.

Wir lehnen die Aufstockung der BIFIE-Mittel eben deshalb ab, weil wir meinen, es muss nicht jede Aufgabe vom BIFIE gemacht werden. Die Frage nach dem Sinn, dass quasi die Evaluierer noch einmal evaluiert werden, stellt sich ohnehin.

Zum Abschluss möchte ich auf die Gemeinsame Schule, die immer wieder ins Treffen geführt wird, zu sprechen kommen. Ich glaube nach wie vor nicht daran, dass die Ge­meinsame Schule die Probleme, die wir heute tatsächlich im Schulsystem haben, wird lösen können. Die Frau Ministerin hat uns in ihrer Rede im Nationalrat eigentlich fast ein Argument in die Hand geliefert, indem sie bedauert hat – zu Recht –, dass an den Handelsakademien von 100 Schülern leider nur 60 Schüler maturieren.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 91

Ja, das ist tatsächlich bedauerlich, und genau da setze ich jetzt aber an: Dort gehen die 14-Jährigen hin. Da haben wir keine frühe Selektion mit 10 Jahren, sondern dort gehen die hin, die schon 14 Jahre sind und trotzdem – nach ihrem Dafürhalten jeden­falls – offensichtlich in der falschen Schule sitzen.

Es ist nach wie vor meiner Ansicht nach bedauerlich – und Sie wissen, wir stehen da­zu, dass wir für das differenzierte Schulsystem sind –, dass die Hauptschulen derart kaputt gemacht worden sind. Wir erleben es vor allem in den Ballungszentren, dass dort die soziale Mittelschicht sowohl bei den Inländern als auch bei den Ausländern völlig weggebrochen ist. Jede Zuwandererfamilie, die sich halbwegs etabliert hat und einen sozialen Aufstieg gemacht hat, schaut, dass sie ihre Kinder entweder in die AHS oder als Alternative in die Privatschule schickt. Das ist eine Entwicklung, die in die völ­lig falsche Richtung geht.

Beim Thema „Bildung“ diskutieren wir fast ausschließlich über die Matura – heute ist es Teil des Gesetzes, aber auch sonst wird nur über die Matura diskutiert. Da fehlt mir – auch wenn wir jetzt Lehre mit Matura haben – die Anerkennung der Lehre. Die Wirtschaft sagt: Wir brauchen Facharbeiter. – Die kämen aus dem klassischen Haupt­schulbereich, die kämen aus dem klassischen Bereich dieser Schulen; Schüler, die eher handwerklich arbeiten wollen oder möglichst früh arbeiten wollen, aber sich nicht unbedingt durch eine Matura quälen wollen.

Ich glaube, es ist wichtig, in einem Bildungssystem verschiedene Wege zuzulassen. Unser Bildungssystem – das ist das absolut Positive daran – ist durchlässig. Es ist nicht so, dass es jemandem verwehrt ist, die Universitätsreife zu erreichen, auch wenn er aus dem Bereich der Hauptschule kommt.

Die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems finde ich durchaus in Ordnung, aber zu den vorliegenden Entwürfen, vor allem betreffend BIFIE-Gesetz und Zentralmatura, können wir heute unsere Zustimmung leider nicht geben. (Beifall des Bundesrates Mitterer.)

14.16


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Erlitz. Ich erteile es ihm.

 


14.16.34

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin! Die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, Frau Kollegin Mühlwerth, ist formal gegeben, aber tatsächlich spielt es sich in den Zahlen anders ab.

Die Durchlässigkeit hängt vom sozialen Hintergrund der Schüler ab – es ist leider so –: 87 Prozent der Schüler, deren Eltern aus akademischen Bereichen kommen, und nur 14 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Hauptschulabschluss haben, kommen in die Universität. Das heißt, wir haben soziale Barrieren zu überwinden, und wir müssen schauen, dass wir ein System finden, das soziale Barrieren beseitigt. Die formale Durchlässigkeit, die ist schon gegeben.

Aber wir sind heute beim Thema „Reifeprüfung“. Es ist schade um diesen großen Er­folg, wenn man den jetzt zerredet. Schuldebatten können wir sicher woanders auch noch führen. Ich sage immer: Herbstzeit – obwohl es schon fast winterlich ist – ist Ern­tezeit. Das gilt nicht nur für den landwirtschaftlichen Bereich, sondern auch für diesen Bereich. Die Frau Ministerin hat dieses bildungspolitische Feld meiner Meinung nach sehr gut aufbereitet und kann heute mit dieser Beschlussfassung – davon gehe ich aus – eine sehr gute Ernte in die Scheune fahren. Mit der Novelle des Schulunter­richtsgesetzes wird diese neu standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung – so nehme ich an – endgültig beschlossen werden.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 92

Ich möchte schon noch etwas dazusagen. Gestatten Sie mir, auch als seinerzeit lang­jährigem AHS-Lehrer und als Schulleiter einen kurzen Blick zurückzuwerfen und einen kurzen Blick auf die bestehende Reifeprüfung zu werfen, die nämlich auf das Jahr 1990 zurückgeht. Es ist nicht so, dass alles schlecht ist, was bisher gemacht wur­de, das muss man auch dazusagen.

Die Reform der Reifeprüfung zu Beginn der 1990er Jahre – es war ganz genau 1990, Schulunterrichtsgesetz – inkludierte ja damals schon – weil Sie gesagt haben: Was ist Bildung? – vermehrte Selbständigkeit, vermehrte Wahlmöglichkeiten, Spezialfrage, Schwerpunktfrage und erste wissenschaftliche Gehversuche mit der Fachbereichsar­beit auf freiwilliger Basis. Das gibt es ja schon.

Seit damals haben sich, und das darf auch resümierend festgehalten werden, einer­seits die Präsentations- und Argumentationsfähigkeiten – das ist auch ein Teil der Bil­dung, also nicht nur formales Wissen und Faktenwissen – der Kandidaten im Durch­schnitt vermehrt, und andererseits ist vielfach auch eine beträchtliche Identifikation mit den gewählten Gegenständen und Aufgabenstellungen feststellbar. Das heißt, der Schüler hat sich damit identifiziert, ohne dass dabei die fachliche Seriosität der Reife­prüfung abgenommen hätte.

All das ist durchaus schon feststellbar, das muss man schon sagen. (Bundesrätin Mühlwerth: Außer bei Englisch, haben wir schon gelernt!) – Ich spreche aus Erfah­rung, Frau Kollegin.

Trotz dieser unbestreitbaren Erfolge ist diese vorliegende Novelle zur Reifeprüfung an­gesichts sprunghafter Anforderungen, angesichts der zunehmenden Internationalisie­rung des Bildungswesens von eminent wichtiger Bedeutung – schon allein deshalb, da­mit das österreichische Bildungssystem den Anschluss an europäische Standards schafft, ohne deshalb gleich – und darauf lege ich auch Wert – die österreichischen Traditionen über Bord zu werfen. Das heißt, da ist Großes gelungen.

Die Schülerinnen und Schüler, die heuer die vierte Klasse AHS besuchen – ich habe heute nachgerechnet, mein Sohn wird bei der zweiten Tranche dabei sein –, werden die Ersten sein (Zwischenruf bei der ÖVP) – ich bin ein junger Vater, ich habe den gan­zen Leidensweg meines Sohnes im Gymnasium noch vor mir –, die im Schuljahr 2013/14 diese neue teilzentrale, auf drei Säulen beruhende Matura ablegen werden.

Die eigentliche Herausforderung dieser neuen Reifeprüfung besteht ja darin, die Qua­dratur des Kreises zu schaffen, nämlich indem autonome Schwerpunktsetzungen der Schulen und individuelle Prioritäten der Kandidatinnen und Kandidaten gleichermaßen Berücksichtigung finden und andererseits Standardisierungen Platz greifen, um Serio­sität, Vergleichbarkeit, Objektivität, Verlässlichkeit der Reifeprüfung gänzlich außer Streit zu stellen. Das scheint damit wirklich gelungen zu sein.

Um diese Herausforderungen zu schaffen, wurde eben diese Dreisäuligkeit festgelegt: Erstens die obligate vorwissenschaftliche Arbeit, verpflichtend für jeden als ersten wis­senschaftlichen Gehversuch. Damit können die Reifeprüfungskandidatinnen und -kan­didaten ihre Eigenständigkeit, ihre Rede-, Ausdrucks- und Argumentationsfähigkeit – wir sind wieder beim Bildungsbegriff – unter Beweis stellen, da diese Arbeit im Rahmen der mündlichen Reifeprüfung präsentiert wird. Gleichzeitig wird damit aber auch den Schwerpunktsetzungen an den Schulen ein hoher Stellenwert eingeräumt, was auch die Forderung der Schulen war und ist.

Zweitens die zentrale standardisierte Aufgabenstellung der schriftlichen Matura: Deutsch, Fremdsprachen, Mathematik, eine weitere vierte mögliche schriftliche Reife­prüfung – DG, Biologie, worin auch immer.

Das heißt, zu einem bundesweit einheitlichen Termin treten alle Schülerinnen und Schüler österreichweit zu diesem schriftlichen Klausurtermin an, und die Arbeiten wer­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 93

den dann am Schulstandort vom Lehrer nach einem einheitlichen Korrekturschlüssel benotet. Diese Ergebnisse sind somit erstmals, und das ist der Paradigmenwechsel, österreichweit vergleichbar, was wirklich einem Paradigmenwechsel gleichkommt und als Qualitätssicherungsinstrument zu verstehen ist. Das hat es bisher nicht gegeben: eine zumindest im schriftlichen Teil vergleichbare Reifeprüfung, vergleichbar – wie die Frau Ministerin immer sagt – vom Neusiedler See bis zum Bodensee. Bisher war sie nicht einmal innerhalb eines Hauses vergleichbar. Ich rede gar nicht von innerhalb eines Bundeslandes, innerhalb eines Hauses waren die Arbeiten schon verschieden, weil die Schüler der Klasse 8a ganz andere Beispiele gehabt haben als die Schüler der 8b, obwohl sie in der gleichen Schule waren. Die Vergleichbarkeit und die Objektivität sind damit, meiner Ansicht nach, wirklich sichergestellt, und auch die Qualität ist gesi­chert.

Drittens die mündliche Reifeprüfung: Ich gebe Ihnen schon recht (Abg. Mühlwerth: Echt?) – ja, durchaus, wir stimmen überein –; wenn ich bei den Standardisierungen einhake: das ist ja quasi eine Fortsetzung der Standardisierungen – vierte Schulstufe, achte Schulstufe, und es mündet jetzt quasi in die standardisierte Reifeprüfung. Das ist wichtig für die Vergleichbarkeit. Um PISA, PEARLS und TIMSS, und wie all diese Stu­dien heißen, Rechnung zu tragen, brauchen wir auch Qualitätssicherungsinstrumente.

Man muss aufpassen, dass man nicht einem falsch verstandenen Utilitarismus in die Falle geht, indem nur das unterrichtet wird, was nützlich ist – und nützlich ist das, wo der Nutzen augenscheinlich, evident ist –, also mit einem Wort: was messbar ist. Das darf es nicht sein, denn das wäre eine Verarmung des Bildungsbegriffes, eine Reduzie­rung auf rein kognitive oder intellektuelle Leistungen.

Bildung ist mehr. Bildung ist nicht nur die Vermittlung der Kulturtechniken Lesen, Rech­nen, Schreiben, so wichtig das auch ist. Wir wissen, dass heute 27 Prozent der 15-, 16-jährigen Schüler – der Buben – nicht mehr lesen können, nicht mehr verstehen, was sie lesen. Natürlich ist das wichtig. Aber der Begriff Bildung ist etwas Umfassendes. Es liegt aber in der Autonomie der Schule, den Bildungsbegriff zu definieren und ent­sprechende Angebote zu bieten. Ich denke etwa an die Steiermark, wo wir einen päda­gogischen Schwerpunkt „Kunst und Schule“ haben, wo wir versuchen, die Kunst mit hereinzunehmen unter dem Gesichtspunkt der Bereicherung des Lebens.

Im dritten, mündlichen Teil der Reifeprüfung werden, wie bereits angeführt, neben der fachlichen Seriosität auch die oft zitierten Schlüsselqualifikationen wie Argumentations­fähigkeit „abgeklopft“, wobei durchaus auch Haltungen und Einstellungen überprüft werden können.

Resümierend darf festgehalten werden, dass dieses vorliegende Gesetzeswerk zur neuen Reifeprüfung sicher einen zukunftweisenden Schritt bedeutet und von hoher po­litischer Verantwortung gegenüber unseren Jugendlichen geprägt ist.

Ich bin davon überzeugt – darüber haben wir schon einmal diskutiert –, dass diese standardisierte Reifeprüfung auch einen beträchtlichen Schub in der Unterrichtsent­wicklung der Schulen bewirken wird. In der Stellungnahme des Landesschulrates für Steiermark zum seinerzeitigen ursprünglichen Entwurf zur Vorlage dieses Gesetzes ist zu lesen, dass es sich um einen Reifeprüfungsentwurf handelt, der innerhalb der Struk­turen Sicherheit vermittelt, aber doch Leidenschaft zulässt. Ich glaube, damit ist dieses Werk sehr gut charakterisiert.

Ergänzend darf ich noch darauf hinweisen, dass, wenn die standardisierte AHS-Reife­prüfung schon nicht im Gleichschritt mit der Reifeprüfung der BHS, der Berufsbilden­den Höheren Schulen, erfolgt, wenigstens darauf geachtet werden muss, dass der an­gepeilte Termin für die Realisierung der neuen Reifeprüfung an Berufsbildenden Höhe­ren Schulen im Schuljahr 2014/15 auch tatsächlich eingehalten wird. Darauf muss Wert gelegt werden.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 94

Außerdem darf auf die Einbeziehung der Berufsreifeprüfung in diese vorliegende Reife­prüfungsreform nicht vergessen oder gar verzichtet werden. Das letzte Mal haben wir auch darüber gesprochen, dass das Gymnasium für Berufstätige nicht ausgelassen werden darf, weil wir sonst entweder Einlassventile für „Reifeprüfungen light“ haben oder die Reifeprüfung an diesen anderen Institutionen nichts mehr wert ist. Daher muss darauf geachtet werden, dass da möglichst rasch nachgezogen wird.

Mit dieser Einrichtung der neuen Reifeprüfung hat sich das bildungspolitische Schwung­rad – so wie mit der Neuen Mittelschule, der Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen oder der Lehre mit Matura – wieder ein gutes Stück weitergedreht, aber große, bedeut­same Reformen wie zum Beispiel ein leistungsgerechteres Dienst- und Besoldungs­recht, die Verwaltungsreform – ich habe gestern die Debatte im Unterausschuss ver­folgt, den ich nicht mit großem Optimismus verlassen habe – oder die gemeinsame Lehrerinnen- und Lehrerbildung, -ausbildung und -weiterbildung stehen noch an.

Mit einer gemeinsamen Willensanstrengung und übereinstimmenden Zielsetzungen, nämlich unseren und den uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen das für sie bestmögli­che Bildungs- und Ausbildungssystem zur Verfügung zu stellen, sollten diese noch anstehenden Reformvorhaben auch gelingen. Ich wünsche dazu alles Gute. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.28


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Zwanziger. Ich erteile es ihm.

 


14.28.17

Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Präsident! Herr Minister! Wir sind für die Zentralmatura aus folgenden Gründen: Die neue Reife­prüfung, die anscheinend ab dem Schuljahr 2013/14 an den AHS standardisiert und kompetenzorientiert sein soll, ist eine gute Sache. An den BHS sowie an Höheren An­stalten der Lehrer- und Erzieherbildung ist die neue Form der Zentralmatura spätes­tens im Jahr 2015 einzuführen. Es muss dann auch nach einem genauen Lösungs­schlüssel korrigiert werden. Verlässliche Aussagen über das Können des Maturanten sind somit garantiert.

Bisher hat es eine nicht verpflichtende Vorprüfung in Form einer Fachbereichsarbeit gegeben. Nun gibt es nur noch Hauptprüfungen mit drei Säulen. Die erste Säule, die vorwissenschaftliche Arbeit, beinhaltet Präsentation und Diskussion. Die zweite Säule betrifft die Klausurprüfung; zentrale Prüfungen werden schriftlich oder grafisch darge­bracht. Die dritte Säule schließlich besteht aus Teilprüfungen. Sehr positiv an dem Ganzen ist die Tatsache, dass die Matura in ganz Österreich am selben Tag absolviert wird.

Das System der neuen Zentralmatura ist sehr gut durchgedacht, es stellt sich aller­dings die Frage, warum hier zeitlich ein Unterschied zwischen AHS und BHS gemacht wird. – Wir stimmen dieser Novelle zur Reifeprüfung sicher zu.

Wofür wir nicht sein können, das ist die Änderung des BIFIE-Gesetzes. Im interna­tionalen Vergleich liegen wir bei den Ausgaben für Bildung pro Schüler und Jahr mit rund 7 500 € auf Platz vier. Vor uns sind die Amerikaner, die Schweizer und die Nor­weger.

PISA-Sieger Finnland hat Ausgaben pro Schüler und Jahr von nur 5 500 € und liegt auf Platz 17. Da stellt sich schon die Frage, wie der Sieger der PISA-Studie, Finnland,
mit weniger Ausgaben an die Spitze kommt. – Danke. (Beifall der Bundesräte Mitterer und Mühlwerth.)

14.30



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 95

Präsident Erwin Preiner: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Schnider zu Wort. – Bitte.

 


14.30.45

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass heute der Gesundheitsminister da ist, weil ich mir denke, Bildung hat sehr viel mit Gesundheit zu tun. Ich möchte mich heute aber nicht weiter darüber ausbreiten.

Ich möchte gerne die Anfrage von Frau Kollegin Mühlwerth aufgreifen, denn ich finde, sie fragt zu Recht: Was wollen wir eigentlich, was will die Bildung, in welche Richtung läuft es? – Ich möchte versuchen, das kurz in drei Punkten – die meiner Meinung nach sehr gut in dieses Konzept passen – im Rahmen dieses Gesetzestextes zu beant­worten.

Erster Punkt: Ich glaube, dass Bildung ein lebenslanger Prozess ist, und dass wir da­von abgehen müssen, zu sagen, es gibt eine Ausbildung, dafür sind wir verantwortlich, aber was dann jeder in seinem Erwachsenendasein bis zu seinem Lebensende tut, ist uns als Bildungspolitikerin und -politiker völlig wurscht.

Zweiter Punkt: In diesem lebenslangen Prozess hat jeder seine eigene individuelle Lern- und Bildungsbiographie; auf die gilt es achtzugeben und draufzuschauen.

Dritter Punkt: Daraus ergibt sich für mich aber auch eine Dualität: auf der einen Seite eine hohe Wertschätzung der Autonomie, eines autonomen Wesens und ganz konkre­ter autonomer Entscheidungen, die an ganz bestimmten Standorten passieren, aber auf der anderen Seite auch Vergleichbarkeit. Die Dualität bedeutet demzufolge: Auto­nomie, aber sehr wohl auch Standardisierung.

Wie kriegt man diese beiden Pole zusammen? – Das ist eine wesentliche Frage, die in Zusammenhang mit dem Ziel dieser Bildungsdiskussion steht.

Weiters stellt sich für mich immer die Frage, wo die persönliche Eignung liegt. Das heißt: Wo liegen meine Talente und wo liegen meine Fähigkeiten? – Ich gebe Ihnen völlig recht, wir müssen viel stärker darauf achten, dass wir unser Bildungssystem nicht mehr verschulen, sondern entschulen, das heißt, viel mehr Bedacht auf selbständige Arbeit legen. In dieser Hinsicht befürchte ich, dass im tertiären Bereich, gerade auf Hochschulebene, vieles verschult wird und weniger das Selbstständige im Vordergrund steht.

Was haben wir jetzt politisch vor und was tun wir in der Politik? – Dazu stellte ich in den letzten Jahren Folgendes fest und finde, dass die Bundesministerin einen sehr gu­ten und vernünftigen Weg geht. Es gibt für mich nämlich drei Schritte:

Der erste Schritt ist immer eine Standortbestimmung: Wo stehe ich? – Der zweite Schritt beinhaltet die Frage: Wie werde ich auf diesem Weg begleitet? – Drittens: Wo sind dann meine Kompetenzen? – Diese drei Schritte gilt es zu begleiten.

Wolfgang Erlitz hat es im Prinzip ohnehin schon sehr ausführlich gesagt: Wir haben uns immer dafür entschieden – gerade in den letzten Jahren –, uns messen zu lassen, das heißt, uns bestimmten Standardisierungen auszusetzen. Ich kann nicht sagen, dass ich vergleichbar bin, wenn ich mich nicht gewissen Standards aussetze. Diese Standards sind die unterschiedlichen Studien, die gemacht werden, ob in der Volks­schule, ob am Ende der Volksschule – es beginnt eigentlich bereits bei den Lesescree­nings –, ob nach dem 8. Schuljahr dann die PISA-Studie oder eben jetzt die standardi­sierte Matura.

Das ist meiner Ansicht nach ein Weg, der begleitet werden muss. Es ist zu wenig zu sagen: Du stehst da, also steh da!, sondern ich glaube, wir müssen früher ansetzen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 96

Deshalb bin ich auch dankbar dafür, dass wir endlich die Frühkindförderung ange­gangen sind, dass uns der Kindergarten ein Anliegen ist, dass uns auch schon die Zeit vor dem Kindergarten ein Anliegen ist.

Deshalb bin ich ein bisschen skeptisch, wenn ich im Zusammenhang mit Bildung im­mer nur höre, dass es um Betreuung geht. Es geht überhaupt nicht um Betreuung, sondern es geht um Bildung.

Wesentlich muss für uns die von Frau Mühlwerth aufgeworfene Frage nach unserem Ziel dieser Bildungsdiskussion sein. Ein paar markante Punkte sind uns gelungen und einige werden wir noch vornehmen müssen. Ein gelungener Punkt etwa betrifft die Ma­tura und den autonomen Standort. Wir haben auch gestern im Unterausschuss darüber debattiert, Autonomie soll nicht nur vom Ministerium ausgehen, sondern bei den Schu­len ansetzen, die ihre Schwerpunkte in verschiedenen Bereichen setzen, wo die Schu­len etwas leisten. Deshalb glaube ich auch, dass die Matura ihre autonomen standort­bezogenen Schwerpunkte bewahren können muss. In der Diskussion ging es ja um teilstandardisierte, teilzentrale Matura.

Frau Mühlwerth – ich möchte da meine Gedanken einbringen –, Sie sagen, dass die vorwissenschaftliche Arbeit im Grunde ja nur die Fachbereichsarbeit ersetzt. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das hat man uns gestern so gesagt!) – Stimmt, es ist so, dass sie jetzt einen anderen Namen hat. Ich sehe das bei meinen eigenen Kindern, wobei meine Tochter die Fachbereichsarbeit bereits abgeschlossen hat und mittlerweile stu­diert, während mein Sohn sie gerade macht. Die jungen Leute müssen sich selbst – und das steht ja im Gesetz so drinnen – Fragen stellen, sich damit beschäftigen, was sie interessiert, welches Thema sie bearbeiten wollen, so wie es dann auch in der Wis­senschaft gefordert wird. Die jungen Menschen müssen sich selbständig auf etwas ein­lassen, selbständig nach Forschungsfragen und nach Argumenten pro und kontra su­chen. Eine vorwissenschaftliche Arbeit ist ja genau das selbständige Suchen nach den eigenen Forschungsfragen und Argumenten.

Das ist das, Frau Kollegin Mühlwerth, was Sie, meines Erachtens ganz richtig, bei der Bildungsdiskussion fordern und der Bildung abverlangen.

Gestern wurde es schon im Ausschuss gesagt, meiner Meinung nach müsste man schon in der 7. Klasse einen Kurs ansetzen – das sehe ich selber zuhause –, um den Umgang mit dem richtigen Instrumentarium – Quellenkunde, die richtige Art und Weise des Zitierens et cetera – zu erlernen, damit die Schüler es dann auch können, wenn sie es in der 8. Klasse bei der Erstellung ihrer ersten selbständigen wissenschaftlichen Ar­beit umsetzen müssen. So war es auch immer auf der Uni, dass man zuerst in einem Proseminar das Handwerkszeug erlernt und anschließend im Seminar die wissen­schaftliche Arbeit erstellt.

Endlich gehen wir bei der mündlichen Matura von diesem Frage/Antwort-Spiel weg hin zu nur einer Frage. Die vorwissenschaftliche Arbeit wird präsentiert und muss argu­mentiert werden – so wie auf einer Hochschule. Ich finde das wahnwitzig spannend, weil für mich Bildung gegenseitiges Lernen ist. Warum soll ich als betreuender Lehrer nicht auch unglaublich viel davon lernen?

Ich halte es für eine tolle Geschichte, dass wir jetzt eine Matura haben mit dem Schwerpunkt: Ich habe mir selbständig etwas erarbeitet und muss es selbständig nicht nur präsentieren, sondern auch argumentieren. Das ist Bildung! Ich muss vom ersten Tag an, wenn ich etwas von Bildung hören will, die richtigen Fragen stellen wol­len und müssen.

Wir müssen immer mehr wegkommen von diesem Frage/Antwort-Spielchen, denn es bringt nichts, wenn wir 30 Fragen haben. Wir wissen doch alle, die wir aus der Fach­welt kommen – wenn ich jetzt auch zu dir deuten darf (der Redner wendet sich in Rich­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 97

tung Schriftführerin Blatnik) –, wie das gelaufen ist und teilweise läuft. Ich finde es viel interessanter, wenn man sich etwas erarbeiten muss, und dass es bei der Auswahl einer Frage um eine gewisse Objektivierbarkeit und Standardisierung geht.

Ich möchte ganz kurz noch einen anderen Punkt ansprechen: Ich halte es auch für wichtig, in dieser Biographie der Bildung – auch wenn es auf den ersten Blick Kleinig­keiten sind – mit Altersbegrenzungen aufzuhören, denn ich kann es nur begrüßen, wenn jemand mit 45 Jahren oder vielleicht auch mit 60 Jahren seinen Beruf wechseln will und, aus einem anderen Arbeitsumfeld kommend, in die Schule einsteigt und dann Lehrer wird. Genauso kann ich es nur begrüßen, wenn jemand, der 15 Jahre lang Leh­rer war, in eine andere Arbeitswelt, etwa in die Wirtschaft, umsteigt. Ja, um Gottes Wil­len, tun wir das doch! (Bundesrätin Mühlwerth: Sehr gut! Ausgezeichnet!)

Wir müssen solche Paragrapherln und Gesetzerln wirklich auf die Schnelle abschaffen, weil ich denke, wir sind ja noch nicht einmal mit 70 Jahren in dem Sinn alt, und warum sollen wir da nicht auch noch etwas Klasses machen? – Hier sollten wir eine größere Offenheit an den Tag legen.

Abschließend möchte ich noch auf das BIFIE zu sprechen kommen. Für mich gehört zu einer vernünftigen Bildungslandschaft Evaluierung. Wenn ich standardisiere, dann muss ich aber auch gute Evaluierung an den Tag legen. Jetzt können wir über Preise und Geld immer diskutieren. Ich glaube dem, was mir vorgelegt wird. Ich möchte aber auch, und das wird uns ja auch zugesagt, einmal im Jahr einen Bericht haben. Uns als Mitglieder dieser Kammer und letztlich auch den Abgeordneten des Nationalrates ob­liegt es, zu kontrollieren, was mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger geschieht.

Ich sage zwar, es soll jetzt gearbeitet werden, aber wenn ich mir die Bereiche an­schaue, die das BIFIE jetzt übernehmen muss, so glaube ich schon, dass das Geld ge­rechtfertigt ist. Die Vergleiche mit Bayern, die in den Beiträgen im Nationalrat zitiert worden sind, stimmen nicht ganz, weil das BIFIE nicht nur für die Entwicklung wichtig ist, für die Standardisierung, sondern letztlich, gerade was die neue Matura betrifft, auch dafür verantwortlich ist, diese Dinge nicht nur auszuwerten, sondern auch zu be­treuen. Dafür muss zum Teil eine riesige Logistik aufgebaut werden. Wie viel das jetzt wirklich kostet, kann ich nicht auf den Punkt sagen, aber es ist mir klar, dass das Mehr­ausgaben verursacht.

Ich bin, ehrlich gesagt, dazu bereit, dafür etwas zur Verfügung zu stellen, denn es muss endlich aufhören, dass wir zwar überall irgendwelche Umfragen machen, die in irgendwelchen Schubladen verschwinden, aber keine Art Agentur haben, die einen Überblick hat und bei der auch die Fragestellungen, die gebracht werden – auch die Fragebögen –, standardisiert sind und nicht heute so und morgen anders.

Deshalb kann ich für unsere Fraktion sagen: Wir werden dem voll und ganz zustim­men. Ich freue mich letztlich auch darüber, dass wir hier auf dem Weg sind, selbständi­ge Arbeit stärker in den Vordergrund zu stellen, glaube aber, dass wir bei anderen Be­reichen – auch im tertiären Bereich – immer vorsichtiger hinschauen müssen, bei all diesen Hochschulen, die wir entwickelt haben und entwickeln, ob die wirklich immer in die Richtung einer selbständigen Arbeitsbefähigung gehen, oder ob da nicht vieles sehr, sehr verschult ist und nur auf bestimmte Nutzbarkeiten hinorientiert ist. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.43


Präsident Erwin Preiner: Verehrte Bundesräte! Wir haben heute schon von der Wich­tigkeit von Städten und Gemeinden gesprochen. Ich möchte daher hier im Haus als Zu­hörer den Herrn Vizepräsidenten des Österreichischen Gemeindebundes, Herrn Land­tagsabgeordneten Bürgermeister Ernst Schmid, herzlich willkommen heißen. (Allge­meiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 98

14.44.01

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Minister! Das Spannende, was wir seit Jahren und mit einer gewissen Ungeduld versuchen, ist, eine Bildungsdebatte zu führen, die aufzeigt, dass es eine Zeit gegeben hat, in der wir einen Stillstand hatten; deshalb gibt es auch diese Ungeduld.

Wenn man sagt, wir hatten zu lange Stillstand, dann verstehe ich auch, Frau Kollegin Mühlwerth, dass man zu jedem Punkt auch gleich die nächsten und nächsten Proble­me dazugibt. Das ist völlig klar, weil das hohe und weite Arbeitsgebiet, das vor uns liegt, enorm ist, und trotzdem ist das jetzt wieder einer der Schritte. Wir setzen sie ganz klein, weil es so wahnsinnig viele Interessen sind. Offensichtlich ist Bildung etwas ganz Zentrales, auch gesellschaftlich Zentrales; im Föderalismus spielt sie eine wichtige Rol­le, in der Weiterentwicklung von Bildung generell, auch von europäischer Bildung, und deshalb kommt auch manchmal Ungeduld auf.

Ich halte diese heutige Beschlussfassung für richtig, weil durch die zentrale Matura oder zentrale Reifeprüfung eine Qualitätssicherung und ein Qualitätsstandard erreicht werden, wobei es nicht Zufall ist, wo man in die Schule geht, in welchem Bundesland, in welchem Bezirk, in welcher Stadt, in welchem aufgeklärten Haus. Wir haben nach wie vor ganz unterschiedliche Schulen, und wir tun uns in der gemeinsamen Standard­hebung auch von den Häusern her schwer. Das ist ein erster wichtiger Schritt.

Jetzt haben wir die AHS. Wenn man eine zentrale Matura oder Reifeprüfung vorgibt, könnte man als nächsten Schritt anführen, die nächste Stufe der Objektivität wäre es, sie auch zentral auszuwerten, wie es ja auch in anderen Ländern geschieht. Das ma­chen wir jetzt nicht. Aber letztlich, und deshalb machen wir ja eine Entwicklung, und das ist ja eine Bildungsforschung, wird man sich diese Frage genauso stellen müssen, ob nicht – um diese Objektivität auch in der Bewertung zu erhalten – eine zentrale Aus­wertung, wie etwa in Frankreich, notwendig erscheint.

Ich halte es für sehr wichtig, dass die mündliche Prüfung nicht zentral vorgegeben wird, nicht nur wegen der Schulautonomie, sondern wegen der Kinder, wegen der Chance, auf die spezifische Entwicklung der Kinder Rücksicht zu nehmen und bei der Prüfung auf sie einzugehen. Ich schaue gerade unseren Präsidenten des Landesschul­rates an – ich weiß noch gar nicht, ob das in der Diskussion so klar herauskommt, aber ich glaube, dass die zentrale Matura an die Lehrerinnen und Lehrer die riesige Anfor­derung stellen wird, noch viel mehr Partnerin und Partner zu sein, um die Kinder zur Matura zu führen, weil sie am Ende ja nicht unter diesem Damoklesschwert stehen, da diese Frage zentral vorgegeben ist. Man kann jetzt den Weg der Befähigung gehen und bei der mündlichen Matura, die ja diesen Spielraum hat, kann man individuelle Leistungsstärken hervorheben.

Irgendwann werden wir – das ist zumindest mein bildungspolitischer Traum, lieber An­dreas Schnider – noch stärker in die Richtung der individuellen Leistungsvorlage kom­men, die noch mehr an dem Schüler, der Schülerin ansetzt.

Jetzt, liebe Monika Mühlwerth, berichte ich aus eigener Erfahrung. Mein Sohn – er wird jetzt 21 Jahre – hatte das Glück, in seiner Ausbildung mit einer vorwissenschaftlichen Arbeit konfrontiert zu werden, und zwar – das sage ich jetzt kritisch – in der richtigen Schulstufe, nämlich in der 7. Klasse. Das, was hier gemacht wird, passiert in der fal­schen Schulstufe, wenn der Lehrplan so ausschauen sollte. Ich muss zwei Dinge aus­einanderhalten: Ich brauche das letzte Jahr zur Fokussierung auf die Reifeprüfung, und ich brauche das Jahr davor, damit ich etwas ganz Entscheidendes lernen kann, das ich in der achten Klasse umsetzen kann. Um die Reifeprüfung so zu bestehen, wie wir es wollen, in einer neuen Qualität, muss ich vorher dieses vorwissenschaftliche Arbeiten erlernt haben und sehen, dass es geht.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 99

Liebe Frau Präsidentin, all diejenigen, die die Reifeprüfung haben, müssen irgend­wann – ganz egal, wo sie später in der Berufswelt sind – präsentieren, präsentieren, präsentieren. Ich stelle und gebe ihnen bei der Matura die Möglichkeit, ihre vorwissen­schaftliche Arbeit zu präsentieren. Es ist die Hauptanforderung, die heute an junge Menschen gestellt wird, wo immer du hingehst, musst du präsentieren, wenn du einen Job willst, musst du dich selbst präsentieren, wenn du etwas verkaufen willst, musst du deine Firma, dein Gut oder was auch immer, wofür du stehst, präsentieren. Deshalb ist es wichtig, dass dieses Präsentieren dazukommt.

Ich werde meine Möglichkeiten nützen, aber ich bitte auch den Herrn Landesschulrats­präsidenten, seine Möglichkeiten auszunützen, um vielleicht noch auf die Frau Bundes­ministerin bei der Verabschiedung der entsprechenden Lehrpläne einzuwirken, das zu überlegen, dass das in die 7. Klasse gehört und dass in der 8. Klasse die Fokussierung auf die Reifeprüfung im Mittelpunkt steht.

Ich kann nur aus eigener Beobachtung der Mitschüler und Mitschülerinnen meines Sohnes feststellen: Das war der größte Quantensprung im eigenen selbständigen Ar­beiten, den ich beobachtet habe. Es wäre schade, wenn das alles ins letzte Jahr hi­neingepresst wird, im Herbst ist die vorwissenschaftliche Arbeit und im Frühjahr ist al­les schon im Tunnel der Reifeprüfung. Das wäre schade!

Beim BIFIE haben wir ein bisschen unterschiedliche Ansichten. Ich finde, es ist gut, dass die Dinge transparent sind. Mir hat man ja auch seitens des Ministeriums recht gegeben, indem ich gesagt habe, es ist im Wesentlichen keine Erhöhung, sondern es ist genau die Summe, die bisher schon ausgegeben wurde, nur wurde sie aus der Hälf­te der Verfügungsmittel ausgegeben. Jetzt werden die Verfügungsmittel wenigstens transparent definiert, das ist erfreulich.

Das ist ja das Wichtige, dass wir Bildung auch als Forschung, als einen ständigen In­novationsprozess sehen. Deshalb ist dieses BIFIE so wahnsinnig wichtig, und es ist gut, dass es so dotiert wird. Es gibt natürlich Entwicklungskosten dieser neuen Matura­form. Die gehören budgetiert, und so halte ich es zumindest für eine transparentere Form, als es nur über Verfügungsmittel zu machen.

Lieber Andreas Schnider, eine der größten Unfugsituationen wird heute beseitigt, das sind die 45 Jahre Altersbegrenzung. Dass es so etwas überhaupt gibt, das muss ja eine aberwitzige Geschichte gewesen sein, wem das jemals eingefallen ist. Ja, es ist enorm wichtig, wenn jemand aus irgendeinem Beruf, aus irgendeiner tollen Position mit tollen Erfahrungen sagt: Jetzt will ich das vermitteln. Diese Person hat auch ganz andere Möglichkeiten des Vermittelns. Warum soll der nach dem 45. Lebensjahr das nicht tun?

Ich habe gestern zum Beispiel bei der Sicherheitsenquete gesagt: Ich wünsche mir, dass der Tischler mit 38 Jahren sagt: Jetzt will ich Polizist werden! – Ja, weil dieser geht viel relaxter an bestimmte Situationen heran als ein 22-jähriger. Aber wir haben das derzeit nicht mehr. Wir haben diese Berufsübertreter bei der alten Gendarmerie ein bisschen gehabt, und ich wünsche mir diese Berufsübertreter auch im normalen Bil­dungsbereich. Es tut nämlich auch der Lehrer- und Lehrerinnenschaft gut, wenn da je­mand anderer reinkommt und sagt: Kollegen, können wir das nicht ein bisschen locke­rer sehen?

Über etwas bin ich mir nicht im Klaren, und wir haben darüber im Anschluss an den Ausschuss diskutiert. Ich glaube nicht, dass wir, wie es das Ministerium vorhat, diese Zentralmatura über alle Schultypen stülpen können. Ich glaube, es sollte Zentralmatu­ras geben, aber die Zentralmatura zum Beispiel für die BHS soll eine einheitliche sein. Wir sollten für jeden Schultyp eine Einheitlichkeit überlegen und nicht sagen: Wir prü­fen dasselbe, was wir bei der AHS zum Beispiel in Englisch prüfen, auch in der BHS.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 100

Hier sind schon unterschiedlichere Ausbildungsformen gegeben, allein wenn man sich die Stundenanzahl zum Beispiel des Fremdsprachenunterrichts anschaut. (Bundesrat Mag. Erlitz: Das ist auch nie gemeint gewesen!) – Oh ja, der Herr Sektionschef hat das so argumentiert. (Bundesrat Mag. Erlitz: Was der Sektionschef argumentiert!) – Der Sektionschef ist an sich eine bedeutende Persönlichkeit. (Heiterkeit.) Aber wenn der Herr Landesschulratspräsident sagt, das war vielleicht irrtümlich, dann hoffe ich das. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mag. Erlitz.)

Frau Kollegin Mühlwerth ist zwar jetzt draußen, aber natürlich hat sie recht beim The­ma Hauptschule. Es stellt sich generell die Frage: Warum ist gerade in den städtischen Ballungszentren diese Flucht passiert? – Die Hauptschule an sich – die alte Haupt­schule, die ländliche Hauptschule – war durchaus gymnasialreif und hat auch auf einem ordentlichen Niveau ausgebildet.

Nun erfolgt in den Städten die Flucht aus der Hauptschule. Ganz egal, von woher die Menschen kommen, ob es jetzt eine soziale Flucht ist oder nicht, was übrig bleibt, was wir derzeit in den städtischen Hauptschulen haben, ist eine Katastrophe, ist eine un­fassbare Bildungskatastrophe, die wir nicht nur zur Kenntnis nehmen können.

Ich bin sehr oft in der Demokratiewerkstatt des Hauses, und da merkt man, wenn Hauptschüler vom Land sind oder Hauptschüler aus der Stadt sind, dass manche Hauptschüler aus der Stadt nicht einmal in eine Deutschkommunikation mit einem Poli­tiker wie zum Beispiel mit mir eintreten können, weil sie ein sprachliches (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer. – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Kollege Edgar Mayer, ich habe ja nicht gesagt, dass dort ein Vorarlberger ist, das wäre ja verständlich. Ich habe gesagt, jemand, der ganz normal versucht, Deutsch zu reden, auch wenn er aus Tirol kommt. – Ich meine dieses Unvermögen, selbst kleine Fragestellungen zu formu­lieren. Natürlich gibt es soziale, aber auch sprachliche Barrieren. Das ist die ganz gro­ße Herausforderung, der wir uns zu stellen haben, wie wir mit der Muttersprache um­gehen.

Der Schritt mit dem Kindergarten war der erste Schritt, deshalb: ja. Beim Kindergarten haben wir – die über Bildungspolitik diskutiert haben – immer gesagt: Beim Kindergar­ten müssen wir ansetzen, aber wir müssen auch muttersprachlich beim Kindergarten ansetzen, denn nur so kann ich jemanden befähigen, das zu lernen, was alle anderen können und vielleicht eine Gesamthebung des Niveaus zustande bringen.

Es ist ein weiteres Puzzle in einem bildungspolitischen Bild, das wahrscheinlich noch viele, viele Puzzles benötigt. Aber in dem Sinne, wie Andreas Schnider einmal gesagt hat – der Bundesrat ist eine Bildungskammer –, werden wir wieder einmal einen weite­ren Schritt, vielleicht auch in einer Parlamentarischen Enquete setzen müssen. – Dan­ke schön. (Allgemeiner Beifall.)

14.58


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. Ich erteile es ihr.

 


14.58.19

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminister! Gospod minister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Lehrerin – und das seit 30 Jahren –, eine Lehrerin mit Begeisterung, eine Lehrerin, die Schüler unterrichtet, eine Lehrerin, die aber auch sehr viel von Schülern lernt.

Meine Aufgabe als Lehrerin sehe ich einerseits darin, Wissen zu vermitteln, weil das Leben verlangt Wissen, andererseits aber auch darin, Schülerinnen und Schüler für die Zukunft fit zu machen. Was meine ich damit, Schüler und Schülerinnen für die Zukunft fit machen? – Das heißt für mich, sie zu motivieren, sie zu unterstützen, dass sie zu


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 101

selbständigen, verantwortungsvollen, eigenverantwortungsvollen und eigenverantwort­lichen jungen Menschen werden, die mitdenken, die mitgestalten und die mitbestimmen.

Dafür brauchen wir eine Schule ohne Angst und Zittern, eine Schule, in der Talente er­kannt werden, eine Schule, in der Schüler und Schülerinnen bei Schwächen gezielt un­terstützt werden, und eine Schule, in der Begabungen durch Zusatzangebote noch mehr gefördert werden. Eine Schule, die Spaß und Freude macht – ich bezeichne sie als eine Schule für die Zukunft.

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei Frau Bundesministerin Schmied und bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für die gesetzten und beschlossenen Pro­jekte, die so eine Schule der Zukunft ermöglichen – wie zum Beispiel die Neue Mittel­schule, die Schaffung von kleineren Klassen, die ganztägigen Schulformen, das ver­pflichtende Kindergartenjahr, Lehre mit Matura, Ausbau der Sprachförderung und Ver­besserung des Förderunterrichtes –, bedanken. Ich möchte mich auch bedanken für die Projekte, die teilweise schon in Planung stehen. (Vizepräsident Mag. Himmer über­nimmt den Vorsitz.)

Kollege Schnider hat gesagt, die Bildung soll ein lebenslanger Prozess sein. – Ja, die Bildung kann in ihrer Entwicklung niemals gestoppt werden, sie muss sich immer wie­der permanent weiterentwickeln. Was wir heute beschließen – ob das die standardi­sierte kompetenzorientierte Reifeprüfung ist, ob das die Bildungsstandards sind, ob das das Unterrichtspraktikumsgesetz oder das Prüfungstaxengesetz ist –, ist ein weite­rer Schritt in die richtige Richtung.

Ich möchte speziell das, was meine Vorredner schon gesagt haben, nicht noch einmal wiederholen, diese einzelnen Punkte, welche Verbesserungen daraus resultieren. Ich möchte noch einmal das betonen, was Stefan Schennach gesagt hat.

Ich appelliere als Lehrerin an alle Lehrer und Lehrerinnen um die Fähigkeit und die Be­reitschaft zur Teamfähigkeit, denn nur in einer Teamfähigkeit, wenn Lehrer und Lehre­rinnen und Schüler und Schülerinnen gemeinsam ein Projekt machen und man den Schülern und Schülerinnen erlaubt – und das ist notwendig! –, dass nicht die Lehrer und Lehrerinnen im Frontalunterricht im Mittelpunkt stehen, soll es die Schule der Zu­kunft sein, dass wirklich Schüler und Schülerinnen im Mittelpunkt stehen. Ich muss euch sagen, wenn man sie lässt, können sie es! Ich staune immer wieder und bin da­von begeistert.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszuge­hörigkeit.)

15.03


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


15.03.20

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! (Zwischenrufe.) – Entschuldigung, Herr Bundesminister! Ich entschuldige mich dafür. (Bundesrat Schennach: Zuerst wird der Sektionschef abgewertet, jetzt sogar schon der Bundesminister! – Weitere Zwischenrufe.) Aber somit habe ich gemerkt, dass die Kollegen noch aufpassen in einer langen Diskussion, in der es eigentlich auch um einen sehr wichtigen Teil geht.

Meine geschätzten Damen und Herren, es sollte nicht nur – und darüber war ich froh – den im Bildungsbereich Tätigen vorbehalten sein, dazu zu sprechen, sondern ich finde, es ist wichtig, dass auch Damen und Herren – so wie es meine Vorrednerin gemacht


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 102

hat – als Kolleg/inn/en aus der Praxis etwas darüber erzählen können. Auch ich bin Lehrer. Ich bin Hauptschullehrer – nicht Direktor, Herr Kollege Schennach (Bundesrat Schennach: Entschuldigung!) – mit 21 Dienstjahren, und da hat man auch so einiges darüber zu berichten.

Aber jetzt zum Punkt: Sie alle wissen, dass unser Bildungssystem, insbesondere das Schulsystem und die Schulverwaltung, derzeit vor großen Herausforderungen stehen. Sie sind im Mittelpunkt vieler Diskussionen, und ob alle Beiträge aus der Politik und viele der – unter Anführungszeichen – „Expertenvorschläge“ dazu dienen, es im Sinne unserer Kinder und Jugendlichen zu verbessern, ziehe ich manchmal persönlich sehr in Zweifel.

Heute beschließen wir unter anderem die Reform der Matura. Auch dazu wurden in den vergangenen Monaten teilweise sehr kontroverse Diskussionen geführt. Schluss­endlich wurde nun aber doch eine brauchbare und zufriedenstellende Variante als Zen­tralmatura gefunden. Seitens der ÖVP war es uns wichtig, dass diese Einigung auch unter Einbindung der Schulpartner erfolgte. Einigkeit herrscht, glaube ich, quer über al­le Fraktionen hinweg darüber, dass es um eine Effizienzsteigerung gehen muss und dass es zu einer Verschlankung, wenn man es so nennen will, oder zu einer schlanke-ren Verwaltungsstruktur im Schulbereich kommen muss.

Tatsache ist – und das muss man sich vor Augen führen –, dass manche Jugendliche bei Bewerbungsgesprächen nicht nur nach den Noten ihres Reifeprüfungszeugnisses gefragt werden, sondern – wohl wissend, warum – auch danach, wo sie die Matura ab­gelegt haben. Unbestritten ist bei uns allen auch, dass es mit einer Zentralmatura keine Nivellierung nach unten geben darf. Es geht um die Festlegung eines Standards, es darf aber damit nicht verbunden sein, dass man diesen Standard so weit unten ansetzt, dass man letztendlich wirklich auch eine Nivellierung nach unten erreicht.

Künftig wird es – und das haben wir gehört – um dieses Drei-Säulen-Modell gehen; ich möchte hier nur ganz kurz darauf eingehen. Mir persönlich gefällt auch diese vorwis­senschaftliche Arbeit. Es geht darum – wir haben es heute und hier auch erlebt –, dass es oft darauf ankommt, Dinge auch präsentieren zu können. Das ist wahrscheinlich in der Politik genauso wichtig – was man beim Kollegen Schnider und beim Kollegen Schennach sehr gut sehen kann –, dass man Dinge auch in Worte kleiden und dass man dafür argumentieren kann.

Junge Menschen stehen oft vor der Herausforderung, dass sie zwar ein entspre­chendes Wissen haben, aber dieses Wissen, wenn es darauf ankommt, nicht umset­zen können. Es ist eine entscheidende Herausforderung, dass das auch im Bildungs­bereich künftig verstärkt gesetzt wird.

Die zweite Säule – wir haben es gehört –: Diese schriftliche Arbeit in Deutsch, in der le­benden Fremdsprache sowie in Mathematik wird zentral vom BIFIE ausgearbeitet und ist – und das ist das wirklich Neue – zu einem einheitlichen und gemeinsamen Termin österreichweit festgelegt. Die Korrektur – das war auch eine Sorge am Anfang der Dis­kussion – erfolgt weiterhin vor Ort in den Schulen, allerdings auch nach genau festge­legten Kriterien.

Die dritte Säule besteht aus der mündlichen Teilprüfung. Da fließen auch weiterhin die regionalen oder schulspezifischen Schwerpunkte ein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mir persönlich sind in diesem Zusammenhang aber noch drei weitere Punkte besonders wichtig und ein besonderes Anliegen. Erstens geht es darum, dass die jeweils schulautonomen Schwerpunkte weiterhin berücksich­tigt werden, ja sogar ausgebaut werden können und dass es nicht zu einem bildungs-politischen, wie manche gesagt haben, Einheitsbrei, aber ich würde sagen, zu einer bil­dungspolitischen Nicht-Vielfalt kommt.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 103

Der zweite Punkt ist, dass ein differenziertes Schulsystem in Österreich erhalten bleibt, und drittens – und das kommt mir oft zu kurz – geht es darum, dass die Matura nicht als reine Zugangsbefähigung zur universitären Ausbildung zu dienen hat, sondern auch weiterhin der Berufsvorbereitung dienen soll. Vor allem die Absolventen der be­rufsbildenden höheren Schulen brauchen weiterhin eine praxisorientierte und praxis­nahe Ausbildung, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.

Ich habe vorhin mit Frau Präsidentin Zwazl gesprochen; auch ein weiterer Aspekt sollte bei der Diskussion um Bildung und Ausbildung nicht unerwähnt bleiben. Das sind jene zirka 130 000 Lehrlinge, die es in Österreich gibt und die tagtäglich vor Ort ausgebildet werden. Ich verweise nur darauf, dass vor wenigen Wochen österreichische Lehrlinge als Preisträger und erfolgreichste Teilnehmer eines weltweiten Lehrlingswettbewerbes ausgezeichnet wurden. Auch hier muss man einmal deutlich sagen, dass dies eine gute Ausbildungsschiene ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Ein weiterer neuer Aspekt – und hier kann man sagen, wie immer wird zu viel oder zu wenig Geld dafür ausgegeben – ist die Evaluierung durch das BIFIE. Kollege Schnider hat es erwähnt: Ob jetzt die Vergleiche mit Bayern zulässig sind oder nicht, ob es 5 € pro Kind oder 14 € pro Kind sind, ist letzten Endes nicht entscheidend. Wesentlich ist, dass es diese Qualitätssteigerung und diese Qualitätssicherung gibt, und es steht ... (Bundesrat Zwanziger: Warum ist das so teuer? Dreimal so viel!) – Das ist die Frage, ob ich einen Prototypen neu entwickle oder bereits länger mit etwas fahre; so werde ich gewisse Vorleistungen haben.

Aber ich möchte darauf hinkommen, dass es heißt, dieser Bericht über die Evaluierung wird im Nationalrat vorgelegt. Ich hoffe doch schon, dass er irgendwann auch in der Länderkammer landen wird und sich auch der Bundesrat mit den ersten Evaluierungs­ergebnissen befassen wird.

Warum interessiert mich diese Thematik noch besonders? – Kollege Erlitz hat es ange­sprochen: Sein Sohn ist im zweiten Durchgang dran, ich hoffe, meine Tochter bereits im ersten – ich habe mir das ausgerechnet –, das heißt also, 2014, wenn es österreich­weit diese Zentralmatura gibt.

Grundsätzlich darf ich festhalten, dass seitens der ÖVP im Bildungsbereich ein ausge­wogenes, mit allen Schulpartnern diskutiertes Gesamtkonzept gewollt wird und dass dieses auch umgesetzt wird. Auch wenn es nicht immer der große Wurf, der große Schritt ist, so muss es ein Schritt nach dem anderen in eine Richtung sein, die wir ge­meinsam festlegen.

Dies gilt meiner Ansicht nach vor allem auch für die ganztägigen schulischen Angebo­te. Dort, wo sie gebraucht werden, sollen sie ausgebaut, jedenfalls aber mit Wahlfrei­heit für Eltern und unter Einbeziehung der betroffenen Gebietskörperschaften umge­setzt werden. Wenn ich an die Diskussionen über die Budgets der Länder, aber auch der Gemeinden denke – und ich komme aus der Kommunalpolitik –, dann wissen wir, dass hier der Spielraum ein sehr, sehr geringer geworden ist. Letzten Endes sind ja auch die Gemeinden der Schulerhalter im Pflichtschulbereich.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich denke, mit der heutigen Beschlussfassung über die standardisierte und kompetenzorientierte Reifeprüfung wird ein weiterer Schritt in die richtige Richtung gesetzt, nämlich zur Qualitätssicherung des Bildungssystems in Österreich. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundes­räten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 104

15.12.10

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viel ist in den letzten Minuten über Bildung gesprochen worden. Ich sage da etwas, was ich schon einmal an dieser Stelle gesagt habe und immer wieder sagen werde: Es gibt für mich einen Maßstab, an dem man gute Bildung und vor allem auch gute Bildungspolitik messen kann, und der ergibt sich aus meinen persönlichen Erfahrungen, aber viel mehr noch aus Erlebnissen und Kontakten mit den zentralen Personen in der Bildung, nämlich mit den Schülerinnen und Schülern. Dieser Maßstab ist: Schule muss aufs Leben vorbereiten! Das gilt für alle Schultypen und Schulstufen, für alle Bildungsbiographien, somit auch für die höhe­ren Schulen, um die es mit der neuen Matura vor allem geht.

Aufs Leben vorbereiten, das heißt für mich, auf das Leben in all seinen Bereichen und Facetten, privat wie beruflich; ganz besonders auch beruflich, weil es darum geht, selbstbestimmte Entscheidungen darüber treffen zu können, wie man seinen Lebens­unterhalt später bestreiten will. Denn je weniger man die jungen Menschen auf mo­derne Arbeitsumfelder vorbereitet, desto weniger flexibel, kreativ und unternehmerisch werden sie werden und desto weniger werden sie auch ihren Platz im Arbeitsmarkt und somit auch im Leben finden können.

Was hat das jetzt mit der neuen Matura zu tun? – Die neue Matura kann einen Beitrag dazu leisten, dass junge Menschen besser aufs Leben vorbereitet werden, auf all das, was eben nach der Schule kommt.

Mit den zentralen Elementen wird dem, glaube ich, durchaus verständlichen und sinn­vollen Wunsch Rechnung getragen, dass Bildungsabschlüsse vergleichbar werden. Es wollen nicht nur die zukünftigen Arbeitgeber wissen, ob der eine der bessere Bewerber oder die eine die bessere Bewerberin ist, sondern das wollen ganz besonders auch Schülerinnen und Schüler wissen. Ich finde, Schülerinnen und Schüler haben es sich auch verdient, zu wissen, wie gut ihre Schule im Vergleich mit anderen ist, wie gut auch die Ausbildung ist, die sie genossen haben oder haben genießen müssen.

Wenn das in manchen Schulen zu Nachbesserungen führt, diese sich vielleicht ein bisschen mehr anstrengen müssen, dort vielleicht auch die Lehrerinnen und Lehrer noch die „extra mile“ gehen müssen und das eine oder andere organisatorisch geän­dert werden muss, dann kann das nur im Sinne aller Beteiligten sein. – Zu den zentra­len Elementen das eine.

Zum Nächsten: Mit den individuellen und mündlichen Elementen können weiterhin schulische und persönliche Bildungsschwerpunkte gesetzt werden. Ich halte auch das für ganz wichtig, denn wir werden in Zukunft nicht die konformistischen Menschen brauchen, sondern Menschen, die ihre persönlichen Talente kennen und persönliche Talente auch gefördert bekommen. Dass man dann sein Wissen, seine Erkenntnisse, auch seine Persönlichkeit präsentieren kann, ist wohl eine der besten Vorbereitungen auf all das, was im Leben kommt. Sowohl privat als auch beruflich wird man immer wieder Eigenmarketing betreiben müssen.

Dass es mit der neuen Matura jetzt endlich eine vorwissenschaftliche Arbeit in der AHS gibt, ist nur logisch. Worauf sonst als auf ein weiterführendes Studium – auf einer Uni, einer FH oder wo auch immer – soll denn die AHS vorbereiten? – Insofern tut, glaube ich, so eine Beschäftigung mit wissenschaftlichem Arbeiten vor der Uni und der FH auch sehr gut. Ich weiß da, wovon ich rede: Bei uns gab es das nicht, und ich hätte es gerne gehabt.

Die neue Matura kann somit meiner Ansicht nach eine echte Chance für die Schulen, aber vor allem auch für die Schülerinnen und Schüler sein. Ich sage ganz bewusst „kann“, weil es, glaube ich, darum geht, wie wir sie jetzt mit Leben erfüllen. Ich kann da


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 105

schon die Bedenken der Schülerinnen und Schüler verstehen, die am Anfang der gan­zen Idee der Frau Ministerin sehr kritisch gegenübergestanden sind. Warum? – Weil sie nicht wussten, wie das dann in der Praxis ausschauen soll und wie sie darauf or­dentlich vorbereitet werden.

Ich meine, die Vergleichbarkeit von Abschlüssen braucht schon eine Vergleichbarkeit im Vorfeld, eine Vergleichbarkeit der Bildungsarbeit kann nicht erst am Tag X passie­ren. Ich denke an die Bildungsstandards, ohne dass man befürchten muss, dass es im­mer nur eine Nivellierung nach unten gibt. Aber ich glaube, die Bildungsstandards sind ein guter Ansatz, es muss da auch noch weitergehen.

Auch das Fördern individueller Talente muss schon früher beginnen, das kann nicht erst plötzlich bei einem Bildungsschwerpunkt bei der Matura passieren. Ich denke an das Stichwort kleinere Klassen, aber auch an die Schulautonomie. Das kann nicht alles sein, aber ein guter Anfang.

Ich denke, auch das Wesen einzelner Schultypen muss klargemacht werden. Wenn wir sagen, die AHS ist die Schule, die auf ein Studium oder eine weiterführende Bildung – Uni, FH, wo auch immer – vorbereitet, auf eine weiterführende wissenschaftliche Ar­beit, dann muss man das auch schon in der Bildungsberatung klar sagen, damit nicht bei den Schülerinnen und Schülern danach das böse Erwachen kommt.

Ich bin guter Dinge, dass uns das alles gelingt, wenn wir uns noch eine Sache bewusst machen, die wir bei der Entstehung dieser Regelung gelernt haben, nämlich dass es sich lohnt und weiterhin lohnen würde, alle Beteiligten schon möglichst früh in eine sol­che Diskussion einer neuen Idee einzubinden. Wer soll besser wissen, was in der Schule passiert, passieren kann und passieren soll, als die, die tagtäglich in dieser Schule miteinander arbeiten, miteinander Zeit verbringen?

Ich glaube, die Frau Ministerin ist sich dessen auch bewusst, dass sie diese „key play­er“ an Bord haben muss. Wir würden uns manchmal wünschen – das sage ich ganz besonders auch als Botschafterin der Schülervertreterinnen und Schülervertreter –, dass das auch schon zu einem früheren Zeitpunkt passiert. Wir brauchen einander, da­mit wir die Geschichten dann wirklich mit Leben erfüllen können, ob es jetzt darum geht, die neue Matura auch in die BHS zu bringen, oder darum, ein gemeinsames Ziel oder Leitbild für die Bildung in Österreich zu erarbeiten.

Für mich persönlich ist das Ziel klar: Schule muss aufs Leben vorbereiten, und die neue Matura kann auch dafür wieder ein erster Schritt sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Stö­ger. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


15.17.41

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Es ist mir eine Freude gewesen, als mich Ministerin Claudia Schmied gebeten hat, weil sie heute im Ausland die Interessen dieser Republik zu vertreten hat, sie hier im Bundesrat zu vertreten. Warum? – Claudia Schmied ist eine Ministerin, die sich sehr bemüht, hartnäckig und konsequent daran zu arbeiten, dass die Bildung ihrer Aufgabe nach­kommt und jungen Menschen neue Chancen in dieser Gesellschaft gibt. Sie hat mit den heutigen Gesetzen einen zentralen Beitrag dazu vorgelegt, und ich freue mich auch über die Diskussion, die heute hier stattgefunden hat. Da hätten mehr Menschen auch hören sollen, wie wichtig Bildung insgesamt für die Zukunft unseres Landes ist.

Schritt für Schritt zu arbeiten, um eine neue, standardisierte kompetenzorientierte Rei­feprüfung zu haben, scheint mir ganz, ganz wichtig zu sein. Ich denke – und das sind


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 106

auch meine eigenen Erfahrungen, nicht nur bei mir selber, sondern auch bei meiner Tochter –, wenn man selbstständig arbeiten lernt, wenn man das vor einer Prüfungs­kommission darstellen kann, lernt man, die Dinge in Beziehung zu setzen. Eine Ge­sellschaft, die Autonomie haben möchte, eine Gesellschaft, die aus der Demokratie lebt, eine Gesellschaft, die auch bereit ist, mit Widersprüchlichkeiten umzugehen, braucht Menschen, die in der Lage sind, sich zu präsentieren, die sich bemühen, auch einen allumfassenden Bildungsanspruch zu haben.

Diese neue Matura schafft eine Form, das auch in der Bildung darzustellen. Ich gratu­liere all jenen, die in der Schulpartnerschaft mitgemacht haben, die die Diskussion dar­über geführt haben und die auch bereit sind, diesen Punkt heute umzusetzen.

Autonomie ist ein zentrales Element einer Bildungspolitik, und dieser Entwurf stärkt sie. Es müssen aber weitere Schritte gesetzt werden, um die Autonomie zu stärken. Ich denke – und da bin ich jetzt auch beim Gesundheitsbereich –, es ist tatsächlich so, dass es einen Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit gibt. Menschen, de­nen man Zugang zu Bildung gewährt, sind weniger krank.

Insofern ist es auch für mich persönlich eine Freude, das zu sagen. Ich merke aber auch, dass die Vernetzung eines Schulsystems, die Steuerung eine Schulsystems ähn­lich schwierig wie die Steuerung eines Gesundheitssystems ist, mit den vielen Playern, mit den vielen Interessen, die da eine Rolle spielen. Insofern bewerte ich diesen Schritt, der heute stattgefunden hat, und dieses Gesetz als ein ganz zentrales.

Ich freue mich darüber, dass man auch in der Frage Qualitätssicherung einen Schritt gegangen ist, dass Qualität überprüfbar wird, dass man zentrale Qualitätsparameter festlegt und dass wir anhand dieser gemeinsamen Qualität auch lernen können, wie man die Schule im Interesse der Kinder, der Gesellschaft, von uns allen weiterent­wickelt. Ich bedanke mich ganz besonders auch für diese heutige, sehr qualifizierte Diskussion. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehö­rigkeit.)

15.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Dies wird nicht gewünscht.

Die Abstimmung der gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das BIFIE-Gesetz 2008 geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 107

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Ok­tober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Unterrichtspraktikumsgesetz und das Prüfungstaxengesetz – Schulen/Pädagogische Hochschulen geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.23.379. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird (238 d.B. und 349 d.B. sowie 8187/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangen wir zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Blatnik. Ich bitte um den Bericht.

 


15.24.01

Berichterstatterin Ana Blatnik: Herr Präsident! Gospod president! Herr Bundesminis­ter! Gospod savezni minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstge­genständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, deswegen komme ich sogleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2009 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Hladny. – Bitte.

 


15.25.00

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! 1984 erschien in der amerikanischen Kunst­zeitschrift „ARTnews“ ein Artikel mit dem Titel „Ein Vermächtnis der Schande“. Dabei ging es um Österreichs Umgang mit jenen Kunstgegenständen, die während der Zeit des Nationalsozialismus jüdischen Bürgerinnen und Bürgern geraubt wurden.

Obwohl sich Österreich im Staatsvertrag verpflichtet hatte, geraubtes Vermögen zu­rückzugeben, geschah dies lange Zeit nur sehr zögerlich oder zum Beispiel nur dann, wenn sich Betroffene selbst direkt bei Museen gemeldet haben. Sehr oft waren Mu­seen gar nicht so sehr daran interessiert, zu wissen, wer die eigentlichen Eigentümer sind. Das „Vermächtnis der Schande“ beschrieb also den gebrochenen beziehungs­weise den ambivalenten Umgang Österreichs mit der Rückstellung im Bereiche der Nazi-Raubkunst.

Die Rede von Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky am 8. Juli 1991 eröffnete einen breiten Paradigmenwechsel. In seiner Rede sagte Franz Vranitzky – ich zitiere –:

„Es gibt eine Mitverantwortung für das Leid, das zwar nicht Österreich als Staat, wohl aber Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben.“

Und weiters: „Wir bekennen uns zu allen Taten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen; und so wie wir die guten für


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 108

uns in Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen – bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten.“

Diese bemerkenswerte Rede hatte zur Folge, dass im Jahr 1998 die Historikerkommis­sion eingesetzt und der einstimmige Beschluss über das Bundesgesetz zur Rückgabe von Kunstgegenständen gefasst wurde. Die zehnjährige Praxis dieses Gesetzes hat gezeigt, dass manche Bestimmungen zu eng gefasst sind, vor allem in Hinblick auf das Ziel einer vollständigen Rückgabe bedenklicher Bestände von Kunstgegenständen und sonstigen beweglichen Kulturgütern im Eigentum des Bundes.

Was geraubt worden ist, muss zurückgegeben werden! Es kann keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit geben. Die Vergangenheit wirkt immer in die Zukunft, auch verdrängte Vergangenheit wirkt weiter. Wir müssen uns mit der Verantwortung und un­serer Vergangenheit auseinandersetzen und zu einer anständigen Lösung kommen.

Wir Sozialdemokraten werden diesem Gesetzesbeschluss unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrätinnen und Bundesräten der ÖVP und ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Dr. Schnider. – Bitte.

 


15.28.01

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gerade gesagt worden: Da kann man nicht einfach einen Strich daruntersetzen! Aber ich glau­be, nicht nur deswegen, weil irgendjemand irgendwelche Schuldfragen irgendwo klären will, sondern deshalb, weil, wie ich hier einfach schlichtweg behaupte, das, was jemand rechtmäßig gehört, auch an den oder an die zurückgegeben werden muss, weil es nach meiner Meinung sogar ein Wesensbestand unserer Kultur ist! Denn das, was ich nicht rechtmäßig besitze, gehört mir nun einmal nicht. – Das ist der Punkt eins.

Der Punkt zwei ist: Ich glaube – das ist auch das Schöne an Kunst, und ich freue mich jetzt darüber, dass man das erweitert hat mit diesem typisch gesetzlichen Begriff „sonstige bewegliche Kulturgüter“, aber ich glaube, wir wissen alle, was darunter ge­meint ist –, dass jeder dieser Gegenstände auch eine Geschichte, ich möchte fast sa­gen, eine Biographie hat. Das ist ja ein Teil – wir haben heute schon das Bild mit dem Puzzle verwendet, ich möchte es hier noch einmal hereinbringen – der Kultur, glaube ich, zu entdecken oder zu erforschen, wo dieses Teil hingehört, wem es eigentlich ge­hört, von welcher Hand zu welcher Hand es gegangen ist. Das gehört für mich wesent­lich nicht nur dazu, dass man historisch arbeitet, sondern dass man sich selbst kulturell ernst nimmt.

Deshalb glaube ich, dass wir gar nicht danach zu schielen brauchen, wann diese Resti­tutionsfragen zu Ende sind. Ich sage ganz ehrlich: Ich hoffe, eigentlich nie! Denn: Ich persönlich glaube, dass es immer etwas gibt – auch ganz im Sinne dessen, was Sie gesagt haben –, um einmal ein bisschen nachzudenken und sich zu erinnern. Ich glau­be, zu uns als gebildeten Menschen, als die wir uns doch immer bezeichnen, als Homo sapiens sapiens gehört wohl letztlich auch das dazu, was mit Erinnerung zu tun hat.

Da geht es nicht nur darum, dass man sagt, man arbeitet seine Vergangenheit auf. Nein, ich sage es ganz positiv: Man steht zu seiner eigenen Geschichte, mit allen Hö­hen und Tiefen, und tut genau das, was heute angebracht ist.

Da bin ich sehr froh darüber, dass es die Provenienzforschung gibt. Darüber haben wir ja ein Stück weit auch im Ausschuss geredet, und ich war für dieses Gespräch sehr, sehr dankbar. Es war dort meine Frage – diese möchte ich hier noch einmal ein­


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 109

bringen, ich wurde dort darüber aufgeklärt und bin auch sehr dankbar dafür gewesen –: Weiß man ungefähr, in welchem Ausmaß es sich bei diesen sonstigen beweglichen Kulturgütern abspielt?

Da ist mir gerade auch von Stefan Schennach ganz richtig gesagt worden: Das ist ja das Wesen dieser Forschung, dass sie das im Prinzip wirklich Schritt für Schritt – alles, was Bund, Länder und Gemeinden betrifft, das wurde ja erweitert – durchgeht und durchforstet, im wahrsten Sinn des Wortes, und schaut: Gehört das alles eigentlich dem Bund, gehört das alles den Länder, gehört das alles den Gemeinden oder nicht? – Da kann es schon sein, dass das noch Jahre braucht. Ich glaube, dass wir diese Arbeit nicht nur einfach am Rande anschauen sollten, sondern dass sie eine wesentliche Auf­gabe nicht nur unserer Geschichte, sondern – ich glaube, deshalb ist es ja letztlich auch in dem Ausschuss gewesen – der Kultur ist.

Wenn wir heute schon so lange über Bildung gesprochen haben, dann gehört das – und das ist für mich auch ein Stück Antwort an Frau Kollegin Mühlwerth – zu Bildung, zu dem, was Bildung ist, dazu: Worum geht es bei der Kultur? – Für mich gehören die­se Fragen von Restitution – wem gehört was?, welches Puzzle und welcher Gegen­stand hat welche Geschichte und gehört wo hin? – wesentlich zur Frage der Bildung dazu.

Ich freue mich darüber, dass das erweitert worden ist, und wir von unserer Fraktion ge­hen natürlich mit dem mit. Ich sage: Dieses Thema wird uns hoffentlich noch lange be­schäftigen, weil es uns gleichzeitig eben ein Thema vor Augen führt, das heißt: sich selbst zu erinnern und zu seiner eigenen Geschichte in all dem, was wir zusammen ha­ben und was jeder individuell hat, auch voll und ganz ja zu sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.32.39

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Lieber Kollege Schnider! Liebe Kollegin Hladny! Wir sind uns hier alle sehr, sehr einig, und nach wie vor löst es ja eine Form von inne­rer Betroffenheit aus. Ich habe gerade nachgerechnet: 64 Jahre nach dem Fall des Un­rechtsregimes beschließen wir heute, noch einmal zu konkretisieren, dass geraubtes Gut zurückgegeben wird. Das ist eigentlich, will man glauben, das Selbstverständ­lichste, was es gibt. Es ist geraubt worden! So schmerzhaft es vielleicht für eine Kul­turnation ist, so manches wertvolle Stück nicht mehr in einer Sammlung zu finden, aber: Geraubt ist geraubt! Das gehört zurückgegeben, das gebietet der Anstand einer Kulturnation. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt stellt sich natürlich eine prinzipielle Frage. Das Wort vom „Vermächtnis der Schande“ ist hier ja schon gefallen. Ich finde diese Ausweitung wichtig, auch jene der Entziehungsräume, dass alles das passiert ist, was du genannt hast. Man muss ja et­was sagen: Die bisherige Praxis war schon ein bisschen weiter, ein bisschen großzü­giger. Im Grunde genommen vollziehen wir etwas, was in den letzten Jahren schon ein bisschen als Praxis gehandhabt wurde, weil diese Dinge im Grunde ja drängen.

Ich habe, was ich selten tue – das wird Kollege Konecny bestätigen können, mit dem ich international oft unterwegs bin; und Kollege Kühnel ist ganz erschrocken –, vor einem halben Jahr bei einer Versammlung in Paris einmal wirklich die Contenance ver­loren. Da stand die junge bosnische Außenministerin, 31 Jahre alt, den europäischen Staaten Rede und Antwort. Von Parlamentariern aller Länder ist Frage um Frage auf sie eingeprasselt: Warum hat sich seit Ende des Krieges nicht das und das und das schon schneller entwickelt?


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 110

Ich denke mir – und viele andere Staaten können sich dasselbe fragen –: Warum brau­chen wir zum Beispiel für die Rückgabe geraubten Gutes 64 Jahre, und warum werfen wir einer kleinen Demokratie, die sich jetzt irgendwie aus dem Schlamassel eines der grausamsten Bürgerkriege überhaupt wieder zu einem normalen zivilen Leben heraus­katapultiert, vor, dass zehn Jahre danach noch nicht alles so ist, wie wir es wollen, und dass die Polizei zwischen den ethnischen Volksgruppen nicht funktioniert, wie sie in je­dem anderen Staat zu funktionieren hat? – Ich habe damals gesagt: Ich erlaube mir jetzt, zu sagen, dass nur die Österreicher die Experten sind, weil der Balkan beim Süd­bahnhof beginnt!, und habe genau dieses Beispiel aus unserer eigenen Restitutions­geschichte verwendet. Dann war es ein bisschen still.

Ich denke, wir haben noch einiges zu tun. Es gibt einen Wermutstropfen – die Frau Mi­nisterin weiß es –, und da sollte man sich nicht in den Sack lügen. Ich weiß, es sind immer die rechtlichen Gebilde, die oft gegen irgendetwas sprechen. Aber hinter der Sammlung Leopold steht der Bund, und die Sammlung Leopold ist ausgenommen! Das tut weh, und da hoffe ich, dass wir das vielleicht in einem nächsten Schritt herein­bekommen. Vielleicht hätte es im Gesetzestext auch etwas schöner geklungen – jetzt schaue ich die Hohe Beamtenschaft an –, wenn die Regierung nicht nur ermächtigt, sondern sogar verpflichtet wäre, es zu tun.

Aber wir wollen es tun, und es wird getan. Die Provenienzforschung halte ich für un­ser kollektives Lernen als Gesellschaft für wichtig. Ich sage auch: Ja, das soll noch lan­ge weitergehen.

Ich bin sogar noch großzügiger und hätte mir im Jahre 2008 etwas gewünscht. Ein ein­ziges Land hat gegen die Besetzung, den Einmarsch der Hitler-Truppen, protestiert, ein einziges Land auf der Welt: Das war Mexiko! Ich hätte mir 2008 gewünscht, den für unsere Sammlung eigentlich fast unerheblichen – aber für das Präkolumbianische Mu­seum wäre es das einzige Werk der Welt gewesen – Federschmuck des Hohepries­ters des Montezuma in einer Geste Mexiko zurückzugeben, da gerade Mexiko da­mals der Weltgemeinschaft vor Augen geführt hat: In Europa geschieht gerade Unrecht!

Auch wenn es über Ambras kommt – weil da gerade ein Tiroler zu lachen anfängt –: Wie dieser Federschmuck in den Besitz des Kunsthistorischen Museums gekommen ist, ist tatsächlich fragwürdig! Das wäre eine großzügige Geste gewesen. Ich weiß, dass dahinter natürlich eine größere Debatte unter dem Titel „Nofretete will nach Hau­se“ läuft, aber da gehen wir noch in ein ganz großes Kapitel.

Jetzt müssen wir einmal unsere Arbeit aus der Provenienzforschung erledigen. Aber vielleicht könnten wir doch einmal diese kleine Geste gegenüber Mexiko machen. – Danke. (Beifall bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 111

15.39.03 10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz erlassen wird (359 d.B. so­wie 8182/BR d.B. und 8188/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir kommen nun zum Punkt 10 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. Ich bitte um den Bericht.

 


15.39.20

Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz erlassen wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, daher komme ich sogleich zur Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2009 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erste Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.40.14

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Schuld und Unschuld sind schon nach ihrem Begriff individuell zu betrachten. In diesem Fall, bei diesem Gesetz, glauben wir, dass ein kollektiver Freispruch für alle Deserteure ein Schlag ins Gesicht all jener ist, die unseren Respekt wirklich verdienen. Gerade die vollständige Rehabili­tierung aller Deserteure, wie sie in diesem Gesetz zu finden ist, findet nicht unsere Zu­stimmung.

Wenn jemand wegen politischer Aussagen einen politischen Prozess zu erhalten hatte, ist das ganz sicherlich anders zu behandeln, als wenn jemand seine Kameraden in den Tod geführt hat. Mit diesem Gesetz sollen aber alle Deserteure pauschal rehabilitiert werden, ungeachtet der Motive und der begangenen Taten. Es wird nicht beachtet, ob jemand gemordet hat. Aber auch eine Übergabe sensibler Daten kann durchaus dazu geführt haben, dass eine Einheit ins Verderben geführt worden ist. Auch das Verlassen eines Postens kann ähnliche Auswirkungen gehabt haben.

Auch bei der Wehrmacht waren weiß Gott nicht alle Anhänger des Regimes. Daher möchten wir nicht, dass alle Deserteure über einen Kamm geschoren und mit jenen gleichgestellt werden, die in Wirklichkeit klassische Opportunisten sind. Es gibt genü­gend Beispiele – welche auch in die Literatur Eingang gefunden haben –, die zuerst begeisterte Anhänger des Regimes waren und erst, als sie bemerkt haben, dass das Blatt sich wendet, die Seiten gewechselt haben. Diese wollen wir nicht unterstützen.

Diese werden aber jetzt ohne Prüfung des Einzelfalls und ohne Prüfung, ob strafrechtli­che Tatbestände bestehen, rehabilitiert. Das ist weder im Sinne der Kriegsteilnehmer, die, wie gesagt, oft genug nicht für das Regime waren, sondern fürs Vaterland ge­kämpft haben – ein Begriff, der uns heute ja schon fast abhanden gekommen ist –, aber auch nicht im Sinne der Widerstandskämpfer, die sich nicht erst in letzter Sekun­de dazu entschieden haben, Widerstandskämpfer zu sein.

Mit dieser Vorlage werden Sie unserer Ansicht nach den Anliegen der Opfer nicht ge­recht, weil man sich einfach nicht die Mühe macht, den Einzelfall zu prüfen, wie wir das


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 112

gerne gesehen hätten. Das wäre aber, zumindest nach unserem Dafürhalten, die einzi­ge Möglichkeit, der Sache gerecht zu werden.

Hier wird jetzt einmal mehr das Unding versucht, in der Vergangenheit moralisch han­deln zu wollen. Mit der Gnade der späten Geburt weiß jeder von Ihnen offensichtlich, was damals alles richtig zu machen gewesen wäre. Das halte ich für eine ziemlich überhebliche und auch unehrliche Position, die es sich sehr leicht macht, denn ge­handelt wird immer im Hier und Jetzt. Das Hier und Jetzt muss uns interessieren, und darauf sollten wir uns auch konzentrieren. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Mayer. – Bitte.

 


15.43.38

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Mühlwerth, wir bedauern es schon, dass es bei einer derart wichtigen Materie zu keinem einstimmigen Be­schluss kommt. Aber, in aller Ernsthaftigkeit gesagt: Glauben Sie wirklich allen Ernstes, dass es mehr als 60 und 70 Jahre nach diesen Urteilen sinnvoll wäre, eine Einzelfall­beurteilung bei allen angefragten Delikten vorzunehmen und auf Motivenforschung zu gehen? – Das ist, glaube ich, ein Ding der Unmöglichkeit!

Die damaligen Urteile, die nicht nur von nationalsozialistischer Wehrmachtspropagan­da strotzen, sind absolute Willkürakte und haben mit Rechtsprechung überhaupt nichts zu tun. Da noch Einzelfallprüfungen zu verlangen und zu beantragen, ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit, Frau Kollegin, bei aller Wertschätzung. Ich habe dann noch ein besonderes Beispiel für Sie, im Anschluss daran, obwohl ich zugestehe, dass die Diskussion um eine einstimmige Beschlussfassung berechtigt ist, zumal wir mit dem heutigen Beschluss, glaube ich, auch ein wichtiges Signal setzen, weil wir eine jahre­lange, mühsame Debatte zu einem positiven Abschluss bringen. Da wäre es einfach schön gewesen, auch alle mit dabei zu haben.

Kurz ein Abriss zur Geschichte, und dann muss ich Ihnen auch noch sagen, Frau Kol­legin Mühlwerth, dass das Ganze im Prinzip ja schon erledigt ist, aber wir eben einige Lücken schließen, das Gesetz zur Befreiungsamnestie 1945 ergänzen. Durch das An­erkennungsgesetz 2005 sind die Urteile der NS-Sondermilitärgerichte auch wegen De­sertion bereits aufgehoben worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist uns bekannt!) In die­sem Sinn ist es also einfach mühsam, darüber zu diskutieren.

Trotzdem gibt es, wie wir im Ausschuss gehört haben, viele Gründe für dieses Gesetz. Erstens geht es darum, dass diejenigen entsprechende Anerkennung und Respekt ent­gegengebracht bekommen, welche das nationalsozialistische Gräuelregime abgelehnt haben, seien es nun Deserteure, Widerstandskämpfer oder sogenannte Kriegsverräter. Der zweite Punkt ist, dass es eine zentrale rechtspolitische Bedeutung hat, weil es Missverständnisse aufklärt, Unklarheiten beseitigt und damit auch, wie gesagt, vorhan­dene Lücken schließt.

Es werden somit auch Urteile des sogenannten Volksgerichtshofes, der Militär- und SS-Gerichte sowie der Sonder- und Standgerichte, die keine Gerichte im herkömmli­chen Sinne gewesen sind, aufgehoben. Da bleibt einfach kein anderer Weg, als Urtei­le, die von diesen Pseudogerichten gefällt wurden, samt und sonders einheitlich und vollständig aufzuheben! Ausgenommen sind natürlich – das haben wir auch im Aus­schuss gehört – die Urteile wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen. Hier gibt es Ein­zelfallprüfungen, weil abgeklärt werden muss, ob diese nach dem heutigen Recht noch strafbar wären. Deshalb bleibt auch, liebe Frau Kollegin Mühlwerth, kein Spielraum in diesem Bereich.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 113

Es war unserer Partei – und ich denke, auch der Partei der Sozialdemokraten – immer schon ein wichtiges Anliegen, die Unrechtsfolgen des Nazi-Regimes aufzuheben. Auch die Grünen – das möchte ich hier besonders erwähnen – haben wesentlich zu diesem Kompromiss beigetragen und sehr viel Engagement in dieser Sache gezeigt. Daher neige ich, Herr Kollege Schennach, in Ehrfurcht mein Haupt bei dieser Materie.

Ich darf in diesem Zusammenhang einen großen Österreicher, einen Widerstands­kämpfer, Politiker, Staatssekretär außer Dienst, einen Tiroler, vor dem wir Vorarlberger natürlich auch den Hut ziehen, nämlich Dr. Ludwig Steiner zitieren:

„In der Nacht zum 3. Mai 1945 schlug sich Ludwig Steiner in Uniform zu den US-Trup­pen durch und verhandelte die Übergabe Tirols an die Alliierten. War er ein Deserteur?

‚Ich war ein Parlamentär, das ist ein gewisser Unterschied’, berichtete er. Keinen Un­terschied will er aber machen, wenn es um die Aufhebung der Urteile gegen Wehr­machtsdeserteure im Nationalrat geht:

‚Diese Unrechtsurteile gehören pauschal abgeschafft. Nach 60, 70 Jahren muss das vorbei sein. Das kann man heute nicht mehr abrechnen.’

Steiner stieg damals an der Seite von Karl Gruber, dem politischen Kopf der Wider­standsgruppe in Tirol, in die Politik ein.

Dennoch war auch er immer wieder mit Unverständnis für seine Haltung konfrontiert. Einmal im Vorfeld des Kärntner Ulrichsbergtreffens, erinnert er sich:

‚Da haben mir Leute gesagt, du hast deinen Fahneneid verraten. Und ich habe gesagt, erstens habe ich den Eid nicht freiwillig geleistet. Und zweitens habe ich gefragt, hast du den Fahneneid geleistet, damit dein Führer deine Kameraden vor Stalingrad ver­recken lässt?

Dafür stehst du heute noch gerade? Denn man muss sagen, was allen deutschen Sol­daten durch diese nationalsozialistische Führung angetan wurde, das ist ein Verbre­chen an diesen Soldaten.’

Es sei deshalb gerechtfertigt gewesen, die Flucht aus der Wehrmacht zu versuchen. Und die Motive für die Desertion ließen sich heute, Jahrzehnte später, nicht mehr im Einzelfall aufarbeiten.“ – Zitatende.

Ludwig Steiner hat auch im hohen Alter den Fonds für Versöhnung, Frieden und Zu­sammenarbeit geleitet, der für die Entschädigungszahlungen bei Zwangsarbeit verant­wortlich zeichnete. Ein großer Österreicher – und wir sollten seine Worte ernst neh­men, Frau Kollegin Mühlwerth!

Sehr verehrte Damen und Herren, ich darf Sie einladen, trotzdem dieser Vorlage zuzu­stimmen, weil damit ein großes Stück unbewältigter Geschichte einer sehr sinnvollen Lösung zugeführt wird. Meine Fraktion bedankt sich ausdrücklich bei Frau Bundesmi­nisterin Bandion-Ortner dafür, dass sie eine mehrheitsfähige Vorlage zur Rehabilitation der Justizopfer des Nationalsozialismus vorgelegt hat. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

15.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Konecny. – Bitte, Herr Professor.

 


15.50.06

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ja, ich gebe Kollegin Mühlwerth in einem Halbsatz recht, nämlich dort, wo sie davon ge­sprochen hat, dass der Maßstab einer gesetzlichen Maßnahme das Hier und das Jetzt ist.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 114

Ja, diese Republik ist säumig gewesen bei der juridischen Aufhebung einer Reihe von Unrechtsurteilen, und ein Unrechtsregime kann gar keine Rechtsurteile fällen. Das ist unsere Verpflichtung im Hier und Jetzt, es ist eine Verpflichtung gegenüber den Men­schen, gegenüber jenen, die von diesen Urteilen betroffen waren, und es ist eine Ver­pflichtung gegenüber diesem Land, einem Land – und da widerspreche ich ausdrück­lich, nicht der Kollegin Mühlwerth, sondern dem Dritten Präsidenten des Nationalra­tes –, das unbestreitbar auf jenem viel zitierten antifaschistischen Grundkonsens auf­gebaut ist, der schon in der Wieder-Unabhängigkeitserklärung dieses Landes enthalten ist.

Sie haben vorgeschlagen, man möge – und das alles nach vielen, vielen Jahrzehn­ten – die Motive der in ihrer großen Mehrzahl Verstorbenen, Betroffenen, zum Beispiel Deserteure, analysieren. Es hat sicherlich unterschiedliche Motive gegeben. Aber es ist in jedem Einzelfall ein Beitrag dazu gewesen, dass dieses Regime den Krieg verloren hat! Das allein rechtfertigt jede juridische Maßnahme zur Rehabilitierung dieser Men­schen.

Es mag für jene, die eingerückt waren und heute noch leben, betrüblich sein – ich habe das in vielen Gesprächen auch miterlebt –, einsehen zu müssen, dass die Angehörigen der deutschen Wehrmacht sicherlich nicht für das „Vaterland“ – ich zitiere jetzt Sie, Frau Kollegin – gekämpft haben. Österreich war von der Landkarte getilgt, also für wel­ches Vaterland hätten diese Menschen sterben können? – Außer, sie haben sich den alliierten Streitkräften angeschlossen: Dann haben sie nämlich für Österreich gekämpft!

Ich verwahre mich dagegen, dass hier wieder unterschwellig jene Beschuldigung aus­gesprochen wird, dass Deserteure ihre Kameraden, wie Sie gesagt haben, in den Tod geführt haben. Kollege Kampl war 2005 etwas weniger zurückhaltend und hat sie als „Kameradenmörder“ bezeichnet.

Ich erzähle Ihnen die Geschichte – und zwar die einzige Geschichte, die es gibt, nach gründlichen Forschungen – jenes Falles, in dem tatsächlich österreichische Soldaten sich mit der Waffe in der Hand den Weg zum Feind gebahnt haben. Das ist nachweis­lich der Vorfall, der so oft zitiert wurde.

Die Kapitulation der deutschen Wehrmacht erfolgte am 8. Mai 1945. Zu diesem Zeit­punkt befand sich die 6. deutsche Gebirgsjägerdivision, in der naheliegenderweise vie­le Österreicher Dienst taten, noch im Norden Norwegens, in Tromsø, einer Stadt, die ich in der Zwischenzeit kennengelernt habe.

Der Kommandant dieser Einheit hat am 8. Mai die Verwendung von Rundfunkgeräten in der Truppe verboten, sonst hätten die Soldaten vielleicht etwas von der Kapitulation der deutschen Wehrmacht erfahren können. Er hat einen Tagesbefehl erlassen, in dem die Kapitulation abgelehnt wurde, die Weiterführung des Kampfes gegen den Bolsche­wismus angekündigt wurde und die Anordnung erneuert wurde, innerhalb der Division mit dem deutschen Gruß zu grüßen.

Eine Einheit, die 4. Batterie aus dem 118. Gebirgsartillerieregiment, in der die Österrei­cher konzentriert waren, hatte Kenntnis davon, dass sich in Wien eine provisorische österreichische Regierung konstituiert hatte. Sie erfuhren naturgemäß auch von der Zi­vilbevölkerung über die Kapitulation. Die Österreicher haben sich entschlossen, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945, also zu einem Zeitpunkt, als die Fortführung der Kampfhandlungen friedensvereinbarungswidrig und damit völkerrechtswidrig gewesen ist, zu flüchten.

Ein Hauptmann und ein Batterieleutnant haben sich ihnen mit der Waffe in der Hand entgegengestellt. Es kam zu einem Schusswechsel, bei dem diese beiden Personen erschossen wurden. Danach wurde die flüchtende Gruppe von einer loyalen Einheit


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 115

dieser Truppe verfolgt, und es mussten leider einige diese Flucht mit dem Leben be­zahlen, zum Teil im Kampf, aber auch durch Kriegsgerichtsurteile, für die es keinerlei Rechtsgrundlage gab.

Diese Österreicher, die noch in unser Land zurückkehrten – einer davon Wilhelm Grim­burg, eine bedeutende, führende Beamtenpersönlichkeit, die mir über viele Jahre ein guter Freund war –, wurden wegen dieser Kampfhandlung auch tatsächlich angezeigt: wegen Mord. Im Jahr 1953 hat unter Berufung auf die damals und heute gültigen öster­reichischen Strafgesetze die Strafverfolgungsbehörde dieses Verfahren eingestellt.

Das ist der einzige Fall – und ich wiederhole: der einzige Fall! –, in dem es tatsächlich eine Desertion mit Waffengewalt nach dem Waffenstillstand gegeben hat. Diese Dis­kussion sollte ein für alle Mal erledigt sein. Alles andere ist Legendenbildung, wenn nicht gezielte Lüge.

Diese Menschen haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um der Komplizenschaft eines verbrecherischen Krieges zu entgehen. Wir wissen spätestens seit der Wehrmachts­ausstellung, dass auch die Wehrmacht in die Pflicht genommen wurde für die Verbre­chen des Nationalsozialismus an der zivilen Bevölkerung, am Feind und an Juden. Die­se Trennlinie zwischen dem Bösen und den Guten kann es in einem Unrechtsregime nicht geben.

Ich sage noch etwas dazu: Motive aufarbeiten zu wollen aufgrund der Akten eines Un­rechtsregimes ist eine merkwürdige Forderung. An diesem Hause hängt eine Gedenk­tafel für ein Mitglied dieser Kammer, Otto Felix Kanitz, der im Konzentrationslager im wahrsten Sinn des Wortes erschlagen wurde. Wenn Sie nach der Aktenlage vorgehen, dann ist das – vielleicht nicht der Tod, aber die Bestrafung, die diesem Tod voranging; es waren die üblichen Prügelschläge – zu Recht erfolgt, weil irgendein Schreiber der NS-Lagerverwaltung aufgeschrieben hatte, das erfolge wegen Kameradschaftsdieb­stahls. Wobei das Originelle daran ist, dass der passionierteste Nichtraucher, der in seiner Generation bekannt war, nämlich Kanitz, ausgerechnet unter den glücklichen Lebensbedingungen des KZ Zigaretten gestohlen haben soll!

Noch im Töten war die Diffamierung der „Zwillingsbruder“ der nationalsozialistischen Unrechtspolitik: Es sollte jemand nicht nur getötet, sondern auch noch über den Tod hi­naus diffamiert werden! Aufgrund solcher Akten wollen Sie eine Einzelfallprüfung vornehmen? – Das ist doch, mit Verlaub gesagt, ein Herumtrampeln auf dem Anden­ken an jene, die gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

Meine Damen und Herren, keine Frage, das ist hoffentlich die letzte juridische Maß­nahme, die auf diesem Gebiet notwendig ist.

Es wird im Bereich einer Spezifität gleichgeschlechtlicher Handlungen, die mit Strafe bedroht waren, sehr wohl Einzelfallprüfungen geben – das ist durchaus sinnvoll und vernünftig –, aber es ist das auch – ich füge es hinzu – unter dem Vorbehalt, dass den nazistischen Akten nur begrenzte Glaubwürdigkeit zukommt, vorzunehmen.

Dass wir dieser, wie ich hoffe, abschließenden Behandlung des Themas aus Überzeu­gung und in großer Dankbarkeit gegenüber jenen, die mitgeholfen haben, dass das Naziregime den Krieg verloren hat, zustimmen, versteht sich von selbst. Es gibt wenige Gesetze, denen ich persönlich mit so viel Überzeugung zugestimmt habe wie diesem. (Allgemeiner Beifall)

16.00


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 116

16.00.58

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zunächst einmal herzlichen Dank, lieber Edgar Mayer, für die Anerkennung. Aber jetzt gebe ich es an den Albrecht Konecny weiter: Ich danke ihm, dass er seinerzeit mit seiner Unterschrift es uns er­möglichte, jene Dringliche Anfrage zu den Deserteuren und dem Unrecht an den De­serteuren in dieser Kammer zu machen, die enorm vieles bewegt und dynamisiert hat und 2005 dann noch zu einem sehr wichtigen Schritt geführt hat.

Zwischen den Jahren 1946 und 2005 liegen fast 60 Jahre. Das heißt, was wir heute wahrscheinlich abschließen, die Rehabilitierung von Wehrmachts-, SS-Gerichtsurteilen von Sonder- und Strafgerichten, Volksgerichtshof und nicht zuletzt Erbgesundheits­gerichten ist ja vielleicht für einige wenige noch lebende Menschen wichtig. Aber es ist in zwei Richtungen wichtig.

Einerseits um die „Oberhoheit des Biertisches“ zu bekämpfen und das Bild jener ins Licht zu rücken, die damals zu Unrecht von einem menschenverachtenden Regime verurteilt wurden. Insbesondere spreche ich hier von den Deserteuren, und zum ande­ren – und da geht es um unser kollektives Bewusstsein – spreche ich von den Ver­wandten. Da geht es um Urteile, die in einer Familie weiterwirken, wobei es darum geht, zu sagen: Mein Onkel, mein Vater oder wer auch immer war nicht schuldig! Denn eines darf man nicht vergessen: Was stand denn für ein Leitspruch über der natio­nalsozialistischen Gerichtsbarkeit gerade in Militärfragen? Und zwar: Ein Soldat kann sterben, ein Deserteur muss sterben!

Deshalb haben all jene Zehntausenden, die durch Selbstverstümmelung oder Flucht oder Überlaufen die NS-Militärmaschinerie geschwächt haben, einen unfassbaren, für uns heute eigentlich nicht vorstellbaren Mut an den Tag gelegt, denn ein Deserteur hat­te keine Gnade zu erwarten.

Deshalb sollten wir einmal mehr unseren tiefen Respekt vor diesen Patrioten aus­drücken, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass eine Militärmaschinerie eine Schwächung erlitten hat, und das war wichtig. Vor allem tragen diese Menschen auch unsere Ehre weiter, denn es waren die Widerstandskämpfer und die Deserteure, auf die wir uns heute in der Geschichte auch immer wieder berufen, wenn wir sagen, dass wir sehr wohl auch Widerstand geleistet haben.

Mein Freund Ludwig Steiner ist nur einer davon, dem man höchsten Respekt zollen kann. Es gibt noch einige wenige, die zum Beispiel als Kinder gerade noch die Flucht schaffen konnten, in die berühmten Züge gesetzt wurden und dann mit der alliierten Ar­mee nach Österreich gekommen sind. All jenen bietet nun dieses Gesetz auch jene Anerkennung, die ihnen gebührt.

Nach der Debatte, die wir hier im Bundesrat hatten, ist ein führendes Mitglied einer in Österreich honorigen Gemeinschaft zu mir gekommen und hat mit mir diskutieren wol­len. Er hat gesagt: Man kann über vieles diskutieren, aber über eines nicht, nämlich über die Tadellosigkeit und die Ehre der NS-Militärgerichtsbarkeit! – Das sind Leute, die heute in einem ganz bestimmten Bund in Funktionen sind.

Ich hätte mir gewünscht, gerade als Sohn eines Deserteurs, der das leider nicht mehr erleben kann, dass genau das, wofür man früher kämpfen musste an den Biertischen, nämlich dass es nicht feige Menschen waren, dass es nicht Kameradenschweine wa­ren, dass es nicht Verräter waren, früher passiert wäre.

Jetzt für uns, für die Nachgeborenen, vielleicht auch für die Enkeln und so weiter, ist das jetzt wichtig, und das ist im kollektiven Bewusstsein einer Gesellschaft wichtig. Deshalb wäre es schön gewesen, wenn es einstimmig gewesen wäre. – Danke. (Allge­meiner Beifall.)

16.06



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 117

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Bundesminis­ter Bandion-Ortner. – Bitte, Frau Bundesminister.

 


16.06.47

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist soweit: Sämtliche NS-Unrechtsurteile, Urteile, die unter dem Deckmantel der Justiz gefällt wurden, werden jetzt beseitigt – Urteile, die diametral jedem Ansatz von Gerechtigkeit und jedem Ansatz von Rechtstaatlichkeit wi­dersprechen.

Ich bin zwar froh, dass es zu einer Einigung zwischen den Regierungsparteien und den Grünen gekommen ist, finde es aber schade, dass FPÖ und BZÖ im Nationalrat nicht zugestimmt haben. Es wäre von großer Symbolkraft gewesen, wenn hier einheitlich vorgegangen worden wäre.

70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges stellen wir uns der Verantwortung in mehrerlei Hinsicht. Es werden eben folgende Urteile aufgehoben, die noch nicht aufge­hoben worden sind: Urteile der Standgerichte, der Sondergerichte; das waren keine wirklichen Gerichte, die haben sich nur als Gerichte bezeichnet.

Da wurde zum Beispiel ein polnischer Arbeiter verurteilt, weil er zwei Blechhäferln in den Trümmern gestohlen hat. Er wurde zum Tode verurteilt.

Aufgehoben werden sollen auch alle Urteile der Erbgesundheitsgerichte. Es hat Zwangs­sterilisationen gegeben, Zwangsabtreibungen – unglaublich eigentlich!

Es sollen auch Urteile wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen aufgehoben werden, sofern sie nicht heute auch noch unter Strafe stehen würden. Da hat es Zwangskastra­tionen gegeben, aber auch die Todesstrafe.

Es gibt auch eine Generalklausel, dass sämtliche Urteile mit typischem NS-Unrechts­gehalt aufgehoben werden sollen.

Es ist so, dass es grundsätzlich eine pauschale Aufhebung dieser Urteile gibt, nur bei der Generalklausel und bei Urteilen wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen gibt es eine Einzelfallprüfung, weil man ja eben nicht weiß, ob heute auch noch eine Strafbar­keit gegeben wäre oder nicht. Das muss geprüft werden.

Zuständig ist das Landesgericht für Strafsachen Wien. Es soll beraten werden durch einen sogenannten Versöhnungsbeirat, und es soll auch Aufhebungsbeschlüsse bezie­hungsweise deklarative Beschlüsse auf Antrag geben.

Es soll außerdem eine generelle Rehabilitierung aller Opfer politischer Verfolgung ge­ben. Auch diesen Opfern soll die Achtung ausgesprochen werden. Es wird das Mitge­fühl für alle Heimatvertriebenen und Opfer des NS-Unrechtsregimes durch dieses Ge­setz zum Ausdruck gebracht.

Eines muss man sagen, und das ist schon auch wesentlich: Durch dieses Gesetz sol­len nicht die Soldaten des Zweiten Weltkrieges herabgewürdigt werden. Viele glaubten, ihre Pflicht tun zu müssen, und vielen ist Schlimmes widerfahren.

Es stimmt, die Republik Österreich ist Opfer des Nationalsozialismus geworden, doch viele Österreicherinnen und Österreicher haben sich mitschuldig gemacht.

Dieses Bewusstsein darüber ist übrigens eine der Grundlagen für dieses Gesetz. Und dieses Bewusstsein müssen wir, meine Damen und Herren, auch weiter fördern. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

16.09


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 118

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.10.5711. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Verkehrs­opferentschädigungsgesetz geändert und das Bundesgesetz über internationa­les Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum aufgeho­ben werden (322 d.B. und 356 d.B. sowie 8189/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nunmehr zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mosbacher. Bitte um den Bericht.

 


16.11.20

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über den Beschluss des Nationalra­tes vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das IPR-Gesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Verkehrsopferentschädigungsgesetz geän­dert und das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum aufgehoben werden, liegt Ihnen schriftlich vor; ich be­schränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2009 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wünscht die Berichterstattung ein Schlusswort? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.12.3712. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Übereinkom­men des Europarats zur Verhütung des Terrorismus (95 d.B. und 357 d.B. sowie 8190/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kaltenbacher. Bitte um den Bericht.

 


16.12.51


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 119

Berichterstatter Günther Kaltenbacher: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Justizausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2009 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kühnel. – Bitte.

 


16.13.53

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist Terrorismus? – Eine große Frage. Jedenfalls können wir in der Geschichte verfol­gen, dass es verschiedene Entwicklungen gegeben hat. Ist Terrorismus eine politisch motivierte Gewaltanwendung? Ist es eine strategische Provokation, die auf die psychi­schen Folgen von Angst und Schrecken abzielt? Ist es eine Art Propaganda der Tat, auch wenn sie zutiefst böse ist?

Jedenfalls ist der Terrorismus in den jetzigen Ausprägungen – man kann ruhig so sa­gen – eine Geißel der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und auch des beginnenden 21. Jahrhunderts.

Ist Terrorismus ein Mittel des Krieges, ist er eine Auswirkung der sogenannten asym­metrischen Auseinandersetzungen? Wie ist das mit dem Problem der Ideologie, der Religion, des Moralismus? Gibt es Staaten, die sich dieses Mittels versteckt oder ganz offen bedienen? Oder wird die Situation in Territorien auf der ganzen Welt, in denen die Staatsgewalt nicht gegeben ist, ausgenützt, um terroristische Akte zu setzen? Vor allem aber eines: Wie schaut es aus mit der Religion? Wird Religion eingesetzt, um solch scheußliche Taten zu rechtfertigen?

Faktum ist, dass es heute im Grunde genommen keinen Ort auf der Erde gibt, der vom Terror verschont wird. Daher soll sich niemand in Sicherheit wiegen.

Eines soll man auch nicht unberücksichtigt lassen: Der Terrorismus heute ist deswe­gen ein besonders scheußliches Mittel, weil die Medien, seien es Zeitungen, sei es Rundfunk, vor allem Fernsehen, Bildmedien und Internet, heute zur Verbreitung des Terrorismus beitragen, indem sie die entsprechenden Bilder und natürlich auch mani­pulierte Bilder weitergeben.

Daher ist einerseits der Terrorismus schwer zu definieren, andererseits muss man auch immer wieder in die Definition einfließen lassen, dass es einen rasanten techni­schen Fortschritt gibt, und dass wir immer mit der menschlichen, kriminellen Intelligenz rechnen müssen, dass irgendetwas Neues entwickelt wird. Das kann auch gelegentlich durch einen Film geschehen, durch einen utopischen Film, von dem man denkt, das wird nie Realität sein – aber es wird dann doch irgendwann Realität. Diese kriminelle Intelligenz ist eben etwas, worauf man im Grunde genommen immer nur, sei es nun im Bereich des Strafrechtes, sei es bei UNO-Konventionen, Europaratskonventionen, nach­träglich reagieren kann.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 120

Gemeinsam ist aber dem Terrorismus – egal, nach welcher Definition –, dass die Men­schenrechte im höchsten Maße missachtet werden. Während früher, obwohl das na­türlich auch in jeder Hinsicht verwerflich war, vor allem politische und wirtschaftliche Kapitäne oder Träger der Staatsanwaltschaft von Terroristen als Opfer ausgesucht wurden, ist heute, neben diesen Personen, die immer wieder Ziel von terroristischen Angriffen sind, auch die Zivilbevölkerung betroffen beziehungsweise sind es Opfer, die zufällig an einem bestimmten Ort sind und jederzeit in eine terroristische Attacke invol­viert, unter Umständen schwer verletzt oder gar getötet werden können.

Der Europarat hat sich – Professor Konecny ist in diesem Gremium ebenso vertreten wie Kollege Mitterer – erstmals bereits im Jahr 1977 mit dem Thema „Terrorismus“ be­schäftigt und im Jahr 2005 eine Novellierung beziehungsweise Ergänzung herausge­geben.

Der Europarat setzt sich besonders für die Menschenrechte ein. Deshalb ist es jetzt unsere Aufgabe, diese Konvention aus dem Jahr 2005 anzunehmen und Schritt für Schritt ins österreichische Recht überzuführen.

Inhalt dieser Ergänzung ist vor allem, dass der Terrorismus-Prävention das Wort ge­redet wird und es zu einer Stärkung der rechtlichen Grundlagen kommt, um gegen den Terrorismus vorzugehen.

Was heißt das konkret? – Einerseits, dass die Anwerbung von Terroristen strafrechtlich zu verfolgen ist, selbstverständlich auch die Ausbildung von Terroristen oder auch die Aufrufe zu irgendwelchen terroristischen Handlungen, wobei diesbezüglich im Internet einiges kursiert. Andererseits werden jetzt aber auch die nationalen Staaten in die Pflicht genommen, dass sie einerseits versuchen sollen, den Terrorismus zu verhüten, andererseits aber auch die Opfer terroristischer Akte entsprechend entschädigen.

Früher war es ein beliebtes Mittel von Staaten, die indirekt Staatsterrorismus betrieben haben, dass die Einrede gebracht wurde, es handle sich um ein politisches Delikt, und damit konnte die Auslieferung verhindert werden. In Zukunft soll es so sein, dass die Einrede des politischen Deliktes nicht mehr anerkannt wird.

Daher möchte ich zum Abschluss sagen, dass meine Fraktion diese Änderung be­grüßt, dass meine Fraktion keinen Einspruch erheben wird. Ich möchte aber nicht uner­wähnt lassen, dass seitens des Bundesministeriums für Justiz noch einiges an Detail­arbeit – aber wie gesagt, nur an Detailarbeit – zu geschehen hat, damit die Konvention des Europarates entsprechend in inländisches Recht übertragen werden kann. (Allge­meiner Beifall.)

16.20


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mosba­cher. – Bitte.

 


16.20.38

Bundesrätin Maria Mosbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Mitgliedstaaten des Europara­tes sind von dem Wunsch geleitet, wirksame Maßnahmen zu treffen, um Terrorismus zu verhüten und insbesondere der öffentlichen Aufforderung zur Begehung terroris­tischer Straftaten sowie der Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke ent­gegenzutreten.

Angesichts der ernsthaften Besorgnis, die durch die Zunahme terroristischer Straftaten und die wachsende terroristische Bedrohung verursacht wird, verpflichten sich die Staaten, den Kampf gegen den Terrorismus wirksamer zu gestalten, besonders aber Terrorismusprävention zu stärken. Menschenrechtliche, demokratische und rechts­staatliche Grundsätze sollen, ja müssen aber dabei gewahrt bleiben.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 121

Von besonderer Bedeutung sind im gegebenen Zusammenhang zwingende Rechtsvor­schriften gegen die Anwerbung und Ausbildung von Terroristen sowie gegen Aufrufe zu terroristischen Handlungen.

Weiters werden die Staaten aufgefordert, nationale Maßnahmen zur Verhütung des Terrorismus und zur Entschädigung der Opfer des Terrorismus und deren Familienan­gehörigen zu ergreifen.

Die Staaten verpflichten sich auch, Ermittlungen gegen sich auf ihren Territorien befin­dende mutmaßliche Terroristen einzuleiten, einander Rechtshilfe zu leisten und Vor­kehrungen zur Auslieferung zu treffen. Allerdings sollen Staaten dann nicht zur Auslie­ferung verpflichtet sein, wenn die Vermutung besteht, dass das Auslieferungsersuchen auf einer Diskriminierung hinsichtlich Rasse, Religion, Staatsbürgerschaft, Volkszuge­hörigkeit oder der politischen Orientierung beruht oder der Auszuliefernde Folter, un­menschlicher Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt werden könnte.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dieses Abkommen zur Bekämpfung des Ter­rorismus auf allen Ebenen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ist zu unter­stützen. Daher wird meine Fraktion dem Übereinkommen die Zustimmung geben. (All­gemeiner Beifall.)

16.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


16.23.16

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Terrorismus ist der schlimmste Feind der Demokratie. Es ver­geht praktisch kein Tag, der uns nicht via Medien neue schreckliche terroristische Ta­ten direkt in unsere Wohnzimmer bringt.

Ich bin überzeugt davon, dass wir dieses Übereinkommen, das den präventiven Schutz vor Terrorismus zum Ziel hat, auch unbedingt notwendig haben. Es handelt sich um eine Konsensmaterie, die uns nach Maßnahmen zur verbesserten internationalen Zu­sammenarbeit – über eine gemeinsame Aus- und Weiterbildung bis hin zu gemeinsa­men Maßnahmen – zur Schärfung des Bewusstseins führen wird.

Mit diesem Übereinkommen setzen wir uns für den Schutz der Menschrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der pluralistischen Demokratie innerhalb der Gemeinschaft ein. Terrorismus stellt diese Grundwerte infrage. Aber auch Freiheit, Privatsphäre und infor­mationelle Selbstbestimmung sind für das Funktionieren eines demokratischen Ge­meinwesens mindestens genauso wichtig. Der Staat muss deshalb einen guten Grund haben, warum er seine Bürger beobachten und ihre Daten sammeln möchte. Auch in Zeiten des Terrors muss sich jede gesetzliche Maßnahme zur Bekämpfung des Terrors die Frage nach ihrem Nutzen und ihrer Verhältnismäßigkeit gefallen lassen.

Die gesetzliche Maßnahme zur Bekämpfung des Terrorismus muss die Balance zwi­schen Freiheit und Sicherheit wahren. Wer nicht wissen kann, wer was, wann und bei welcher Gelegenheit über jemanden weiß, ist in seiner Freiheitsausübung gehemmt. Der Einzelne soll deshalb grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten bestimmen können. Einschränkungen dieses Rechts muss er nur in über­wiegend allgemeinem Interesse hinnehmen.

Mit diesem Übereinkommen und nach Erlassung einer entsprechenden Verordnung werden wir die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat, die Anwerbung für terroristische Zwecke und die Ausbildung zu terroristischen Zwecken unter Strafe stellen.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 122

Es darf nicht sein, dass unter dem Schutz von Meinungsfreiheit und Religionsaus­übung Hassprediger ihr Unwesen treiben. Toleranz hat dort ihre Grenzen, wo einzelne Personen oder der Staat betroffen oder gefährdet sind.

Dieses Übereinkommen ist für Österreich eine höchst notwendige Maßnahme bezüg­lich jener Personen, die versuchen, terroristische Taten zu setzen, die versuchen, für terroristische Taten anzuwerben beziehungsweise für Österreicher, die im Ausland das Gleiche umzusetzen versuchen.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass es auch in Österreich Personen gibt, die in auslän­dischen Terrorcamps ausgebildet worden sind und die sich bei uns frei bewegen können.

Bei diesem Übereinkommen handelt es sich um eine EU-Ratifizierung. Die Umsetzung erfolgt durch innerstaatliches Recht, und wir werden diesem daher gerne zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.26


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


16.26.53

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Terrorismus ist allgegenwärtig. Lieber Kollege Ertl, wir waren uns noch nie so einig wie heute. Das Thema „Terrorismus“ wird von den Medien exzessiv ausgeschlachtet und entsprechend diskutiert.

Es ist deshalb auch von enormer Wichtigkeit, dass sich die europäischen Staaten, die Mitglieder des Europarates, in diesem Übereinkommen dazu bekannt haben, den Ter­rorismus entsprechend zu bekämpfen und im Bereich der Zusammenarbeit besondere Maßstäbe zu setzen.

Der Bereich Prävention, die Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit und auch die bevorzugte Auslieferung in terroristischen Fällen sind wesentliche Punkte, die durchaus erwähnenswert sind.

Gerade im Bereich der Prävention wird es möglich sein, bereits bei vorliegenden An­haltspunkten, noch bevor ein konkreter Verdacht gegeben ist, gewisse Gefahrenquel­len aufzuspüren und bestimmte Personengruppen zu observieren.

Es sei mir auch gestattet, drei besondere Tatbestände herauszugreifen, die meiner An­sicht nach als wesentliche Bestandteile dieses Übereinkommens gelten und auch im Ausschuss angesprochen wurden – übrigens waren die Erklärungen im Ausschuss sehr kompetent und sehr informativ –: erstens die öffentliche Aufforderung zur Bege­hung einer terroristischen Straftat, zweitens die Anwerbung für terroristische Zwecke, drittens die Ausbildung für die Begehung von terroristischen Straftaten.

Kollege Ertl hat die Hassprediger schon erwähnt, und ich kann das, was er dazu ge­sagt hat, nur unterstreichen, auch was die Ausbildung in Terrorcamps angeht. Zu die­sem Bereich gibt es sehr wohl Medienberichte. Unsererseits gilt es, dafür null Toleranz und null Verständnis aufzubringen. Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit – ja, in all ihren Facetten. Die sind ein hohes Gut, die sollen wir auch unterstützen und schützen, aber nicht, um dem Terror Tür und Tor zu öffnen!

Frau Ministerin, wir sind in Österreich im Bereich der Justiz – auch bei der Polizei na­türlich – gut gerüstet und sehr gut unterwegs. Es gibt, wie wir im Ausschuss gehört ha­ben, nur einen geringen Anpassungsbedarf, was die österreichische Rechtssituation in Bezug auf dieses Übereinkommen anbelangt, und das betrifft, glaube ich, die Ausbil­dung für die Begehung von terroristischen Straftaten.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 123

Wir dürfen aber trotzdem – und das ist wichtig und richtig – dem Terrorismus keine Plattform bieten und müssen uns gegen alle Anfänge rechtzeitig zur Wehr setzen. Ös­terreich ist eines der sichersten Länder der Welt mit einer großartigen Lebensqualität. Diese Lebensqualität gilt es zu erhalten, mit allen legalen Mitteln, die unser Rechts­staat zur Verfügung stellt. (Allgemeiner Beifall.)

16.30


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


16.30.29

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bei diesem Tagesordnungspunkt sind wir uns alle einig: Dem Terrorismus gehört der Nährboden entzogen. Die Qualität dieses Übereinkommens zeigt sich darin, dass das Verbrechen präventiv bekämpft werden soll. Im einzigen Punkt, bei dem wir noch geringfügigen Handlungs- oder Re­gelungsbedarf haben, geht es um die Ausbildung und darum, dass bereits in den vor­bereitenden Handlungen eine Strafbarkeit gesetzt wird. In allen anderen Bereichen dieses Übereinkommens ist unsere Strafgesetzgebung bestens aufgestellt.

Kollege Kühnel hat gesagt: Der Terrorismus missachtet im höchsten Maße die Men­schenrechte! Dieser Satz ist zu unterstreichen und mit drei Rufzeichen zu versehen, aber wir dürfen bei der Bekämpfung von Terrorismus nicht die Grundrechte und die Bürgerinnen- und Bürgerrechte verletzen.

Ich möchte nicht, dass der Terrorismus indirekt gewinnt durch die Einschränkung von Bürgerinnen- und Bürgerrechten, durch die Einschränkung von Grundrechten und die Einschränkung unserer liberalen Gesellschaftsordnung. Das wäre ein fataler indirekter Sieg des Terrorismus.

Was wir seit 9/11 erleben, ist genau das, nämlich dass wir überbordend unsere eigene Gesellschaftsordnung und das, was wir und unsere Vorfahren so schmerzlich erkämpft haben, die liberalen Bürger- und Bürgerinnenrechte, Stück für Stück einschränken. Das ist wirklich ein Pyrrhussieg über den Terrorismus, von dem ich nicht hoffe, dass er in diesem Regelwerk vorkommt. (Vizepräsidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

Das ist nicht nur so dahergesprochen, nein, denn heute wurde der italienische Staat als Komplize einer Entführung eines Hasspredigers zu 1 Million € Strafe verurteilt. Das ist Unrecht. Man muss einen Hassprediger mit den strafrechtlichen Mitteln eines Lan­des verfolgen und darf ihn nicht illegal entführen und die Täter durch Staatsgeheimnis der Justiz entziehen. Damit das nicht an Österreich alles so spurlos vorbeigeht, möchte ich nur sagen, dass über die Morde in der Linken Bahngasse im dritten Bezirk – die Kurdenmorde von Wien – auch ein Staatsgeheimnis gestülpt wurde und sie bis heute nicht gesühnt sind. Die Täter waren nachweislich noch länger in Österreich, und man hätte ihrer durchaus habhaft werden können, aber damals gab es andere Gründe, sie ausreisen zu lassen.

Wir müssen in unserer Gesellschaftsordnung bei den Grund- und Freiheitsrechten auf­passen, und wir müssen alles unternehmen, dass es zu keiner Menschenrechtsver­letzung kommt. Wir müssen dem Terrorismus, wo auch immer, geistig und faktisch den Nährboden entziehen. Ich glaube, dass dieses Übereinkommen ein Schritt dazu ist. Bei der Umsetzung müssen wir die Bürgerinnen- und Bürgerrechte wahren. – Danke. (All­gemeiner Beifall.)

16.34


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 124

16.34.27

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es handelt sich hier, wie wir schon gehört haben, um die Ratifikation des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus. Wir sind in Österreich, das haben wir auch schon gehört, gut gerüstet. Wir verfügen über bereits sehr gute Instrumente im Kampf gegen den Terrorismus. Ich erwähne in die­sem Zusammenhang etwa nur die Bestimmungen um den § 278 StGB.

Es gibt noch einen geringen Umsetzungsbedarf beziehungsweise Anpassungsbedarf. Der ist gegeben darin, dass wir jetzt auch noch eine Bestimmung brauchen gegen die Ausbildung in einem Terrorcamp und eine Bestimmung brauchen, die uns eine Hand­habe gibt gegen die sogenannten Hassprediger. Ich kann Ihnen versichern, meine Le­gislativsektion befindet sich diesbezüglich bereits im Endspurt. – Danke schön. (Allge­meiner Beifall.)

16.35


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um
ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Na­tionalrates, gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.36.1913. Punkt

Wahl von Ausschüssen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Ta­gesordnung. Es ist dies die Wahl von Ausschüssen.

Aufgrund der Ergebnisse der Vorarlberger und der oberösterreichischen Landtagswahl ist die Wahl von Ausschüssen erforderlich geworden.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Professor Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundes­rates den

EU-Ausschuss mit 14 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wobei 7 Mitglieder und Er­satzmitglieder auf die ÖVP, 6 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ und 1 Mit­glied und Ersatzmitglied auf die FPÖ entfallen sowie den

Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz,


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 125

Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten,

Ausschuss für Familie und Jugend,

Geschäftsordnungsausschuss,

Ausschuss für innere Angelegenheiten,

Justizausschuss,

Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur,

Ausschuss für Verfassung und Föderalismus

jeweils mit 10 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wobei 5 Mitglieder und Ersatzmitglie­der auf die ÖVP, 4 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ und 1 Mitglied und Er­satzmitglied auf die FPÖ entfallen, neu zu wählen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Die vorher genannten Ausschüsse sind somit gemäß § 13 Abs. 1 der Geschäftsordnung neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen; diese gelten damit als gewählt.

16.37.5614. Punkt

Wahl der vom Bundesrat zu entsendenden Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nunmehr aufgrund der er­gänzten Tagesordnung zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Es ist dies die Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern für den Ständigen gemein­samen Ausschuss im Sinne des § 9 des Finanzverfassungsgesetzes 1948.

Diese Wahl ist ebenfalls aufgrund der Ergebnisse der Vorarlberger und der oberös­terreichischen Landtagswahl erforderlich geworden.

Es liegt mir hierzu der Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Professor Albrecht Ko­necny, Kolleginnen und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates den genannten Ausschuss mit 13 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, wo­bei 6 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 6 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die SPÖ und 1 Mitglied und Ersatzmitglied auf die FPÖ entfallen, neu zu wählen.

Nach der Geschäftsordnung dieses Ausschusses sind die Mitglieder und Ersatzmitglie­der vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss. Entsprechende Wahlvor­schläge der Fraktionen liegen mir vor. Diese lauten auf:

Mitglieder:

Von der ÖVP vorgeschlagen: Georg Keuschnigg aus Tirol, Gottfried Kneifel aus Ober­österreich, Edgar Mayer aus Vorarlberg, Josef Saller aus Salzburg, Dr. Andreas Schni­der aus der Steiermark und Sonja Zwazl aus Niederösterreich.

Von der SPÖ vorgeschlagen: Ana Blatnik aus Kärnten, Karl Boden aus Niederöster­reich, Mag. Wolfgang Erlitz aus der Steiermark, Manfred Gruber aus Salzburg, Josef Kalina aus Wien und Wolfgang Sodl aus dem Burgenland.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 126

Von der FPÖ vorgeschlagen: Cornelia Michalke aus Vorarlberg.

Ersatzmitglieder:

Von der ÖVP vorgeschlagen: Dr. Magnus Brunner, Vorarlberg, Mag. Michael Hammer, Oberösterreich, Mag. Harald Himmer, Wien, Mag. Barbara Eibinger, Steiermark, Elisa­beth Greiderer, Tirol, Martin Preineder, Niederösterreich.

Von der SPÖ vorgeschlagen: Wolfgang Beer, Wien, Ing. Hans-Peter Bock, Tirol, Juli­ane Lugsteiner, Niederösterreich, Maria Mosbacher, Steiermark, Mag. Susanne Neu­wirth, Salzburg, Erwin Preiner, Burgenland.

Von der FPÖ vorgeschlagen: Johann Ertl, Niederösterreich.

Ich werde die Abstimmung über diese Wahlvorschläge, sofern sich kein Einwand er­hebt, unter einem vornehmen. Da jeweils nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich durch Handzeichen abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den von mir bekanntgegebenen Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­meneinhelligkeit.

Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmeneinhelligkeit gewählt. – Ich gratuliere!

16.40.3015. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Moni­ka Mühlwerth, Stefan Schennach, Peter Mitterer, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abhaltung einer parlamentarischen Enquete gemäß § 66 GO-BR für ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitglie­des des Verfassungsgerichtshofes, für welches dem Bundesrat das Vorschlags­recht zukommt (178A-BR/2009)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Ta­gesordnung.

Es ist dies der Selbständige Antrag 178/A betreffend Abhaltung einer Parlamentari­schen Enquete gemäß § 66 der Geschäftsordnung des Bundesrates für ein Hearing der Bewerberinnen und Bewerber um die Stelle eines Mitgliedes des Verfassungsge­richtshofes, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukommt.

Wortmeldungen hiezu liegen mir nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 178/A der Bundesräte Professor Albrecht Konecny, Gottfried Kneifel, Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Stefan Zangerl, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag ihre Zustimmung ge­ben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag auf Ab­haltung der gegenständlichen Enquete ist somit angenommen.

Hinsichtlich des Termins, der Tagesordnung und des Teilnehmerkreises für die soeben beschlossene Enquete darf ich auf den bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zu­gegangenen Selbständigen Antrag 178/A verweisen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


BundesratStenographisches Protokoll777. Sitzung / Seite 127

16.42.10Einlauf

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung die Anfrage 2726/J-BR eingebracht wurde.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Montag, der 23. November 2009, 13 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht bezie­hungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen, sowie die Beschlüs­se des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Fremdenrechtsänderungs­gesetz 2009, ein Bundesgesetz mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Gewerbeordnung 1994 geändert wird.

Die Ausschussberatungen sind für Montag, 23. November 2009, 12 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche einen guten Heimweg!

Die Sitzung ist geschlossen.

16.42.55Schluss der Sitzung: 16.42 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien