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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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786. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 1. Juli 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

786. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 1. Juli 2010

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 1. Juli 2010: 9.02 – 18.59 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Ge­setz, das Telekommunikationsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Privatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Ex­klusivrechtegesetz geändert werden

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das Pres­seförderungsgesetz 2004 geändert werden

3. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichts­hofes für das Jahr 2008

4. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffent­lichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird (Waffengesetz-Novelle 2010)

6. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung des Königreichs Marokko über die Zusammenarbeit im Bereich des Zivilschutzes

7. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicher­heitsbericht 2008)

8. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum Achtzehnmonatsprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Fi­nanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden – Glücksspiel­gesetz-Novelle 2008 (GSpG-Novelle 2008)

10. Punkt: EU-Jahresvorschau 2010 des Bundesministeriums für Finanzen

11. Punkt: Europäisches Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von in­ternationaler Bedeutung (AGN) in der Fassung der Änderung vom 15. Oktober 2008


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 2

12. Punkt: Bundesgesetz über Sicherheitsmaßnahmen bei ausländischen Luftfahrzeu­gen und Luftfahrtunternehmen

13. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2009

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005 geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Burgenländischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ................................................................................ 10

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ................................................................................................................ 11

Angelobung der Bundesräte Michael Lampel, Inge Posch-Gruska und Walter Temmel                        11

Antrittsansprache des Präsidenten Martin Preineder .............................................. 12

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumge­hung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen .......................... 37

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über kulturelle Zusammenarbeit durch den Herrn Bundespräsidenten ................................. 38

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Ukraine über kulturelle Zusammen­arbeit durch den Herrn Bundespräsidenten ................................................................... 39

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Mazedo­nien über kulturelle Zusammenarbeit durch den Herrn Bundespräsidenten ......................... 41


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 3

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Albanien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit durch den Herrn Bundespräsi­denten                        43

Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten Dr. Johannes Kyrle gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Erteilung der Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Türkei über kulturelle Zusammenarbeit durch den Herrn Bundespräsidenten ................................. 44

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schrift­lichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR ................................................................................................. 46

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Fragestunde (150.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 14

Waltraut Hladny (1743/M-BR/2010); Martina Diesner-Wais, Elmar Podgorschek, Efgani Dönmez, PMM

Dr. Angelika Winzig (1740/M-BR/2010); Monika Kemperle, Monika Mühlwerth, Peter Mitterer

Cornelia Michalke (1739/M-BR/2010); Ferdinand Tiefnig, Elisabeth Grimling, Eli­sabeth Kerschbaum

Adelheid Ebner (1744/M-BR/2010); Mag. Bettina Rausch, Johann Ertl

Dr. Magnus Brunner, LL.M (1741/M-BR/2010); Günther Kaltenbacher, Elmar Pod­gorschek, Peter Zwanziger

Peter Mitterer (1746/M-BR/2010); Mag. Gerald Klug, Kurt Strohmayer-Dangl, Cor­nelia Michalke, Stefan Schennach

Ing. Hans-Peter Bock (1745/M-BR/2010); Josef Saller, Monika Mühlwerth, Peter Zwanziger

Josef Steinkogler (1742/M-BR/2010); Josef Kalina, Elmar Podgorschek, Stefan Schennach

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 46

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 46

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Gesetz, das


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 4

Telekommunikationsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Privatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Ex­klusivrechtegesetz geändert werden (611 d.B. und 761 d.B. sowie 8327/BR d.B. und 8338/BR d.B.) ................................................................................................................. 47

Berichterstatterin: Martina Diesner-Wais ..................................................................... 47

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das Presseförderungs­gesetz 2004 geändert werden (762 d.B. sowie 8339/BR d.B.) ................................................................................................................. 47

Berichterstatterin: Martina Diesner-Wais ..................................................................... 47

Redner/Rednerinnen:

Stefan Schennach .................................................................................................  48, 61

Josef Kalina ............................................................................................................. ..... 51

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 53

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 54

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 56

Waltraut Hladny ...................................................................................................... ..... 59

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 60

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 1, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 62

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 62

3. Punkt: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs­gerichtshofes für das Jahr 2008 (III-387-BR/2010 d.B. sowie 8340/BR d.B.) .................................................. 62

Berichterstatter: Karl Petritz ......................................................................................... 62

Redner/Rednerinnen:

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 62

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 63

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 65

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 66

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-387-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 70

4. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011 (III-394-BR/2010 d.B. sowie 8341/BR d.B.) ................................. 70

Berichterstatter: Karl Petritz ......................................................................................... 70

Redner/Rednerinnen:

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 70

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 72

Martina Diesner-Wais ............................................................................................. ..... 74

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 76

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ..... 78

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-394-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 82


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 5

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird (Waffengesetz-Novel­le 2010) (744 d.B. und 755 d.B. sowie 8329/BR d.B.) ............................................................................................................................... 82

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 82

Redner/Rednerinnen:

Kurt Strohmayer-Dangl .......................................................................................... ..... 83

Adelheid Ebner ....................................................................................................... ..... 84

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 85

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 86

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 87

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 90

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des König­reichs Marokko über die Zusammenarbeit im Bereich des Zivilschutzes (586 d.B. und 756 d.B. sowie 8330/BR d.B.) ............................................ 90

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zu­stimmung zu erteilen ................................................................. 91

7. Punkt: Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheitsbericht 2008) (III-384-BR/2009 d.B. sowie 8331/BR d.B.) ......................................................................... 91

Berichterstatter: Christoph Kainz ................................................................................. 91

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 92

Dr. Franz Eduard Kühnel ....................................................................................... ..... 94

Josef Kalina ............................................................................................................. ..... 97

Stefan Schennach ................................................................................................... ... 100

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 102

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ..........................................  102, 103

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-384-BR/2009 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 103

8. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parla­ment zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum Achtzehnmonatsprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes (III-392-BR/2010 d.B. sowie 8332/BR d.B.)                104

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................. 104

Redner/Rednerinnen:

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ... 104

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-392-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 108


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 6

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden – Glücksspielgesetz-Novelle 2008 (GSpG-Novelle 2008) (658 d.B. und 783 d.B. so­wie 8333/BR d.B.) ............................................................................................................... 108

Berichterstatterin: Maria Mosbacher ........................................................................... 108

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 109

Franz Perhab ........................................................................................................... ... 110

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 112

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................. 113

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 115

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ....................................................................... 117

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 120

10. Punkt: EU-Jahresvorschau 2010 des Bundesministeriums für Finanzen (III-399-BR/2010 d.B. sowie 8334/BR d.B.) ............................................................................................................... 120

Berichterstatterin: Maria Mosbacher ........................................................................... 120

Redner/Rednerinnen:

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ... 120

Franz Wenger .......................................................................................................... ... 122

Ing. Hans-Peter Bock ................................................................................................. 123

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-399-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 127

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend Europä­isches Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung (AGN) in der Fassung der Änderung vom 15. Oktober 2008 (681 d.B. und 745 d.B. sowie 8335/BR d.B.) .................................. 127

Berichterstatter: Ewald Lindinger ............................................................................... 127

Redner/Rednerinnen:

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ... 127

Werner Stadler ........................................................................................................ ... 128

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 129

Franz Wenger .......................................................................................................... ... 131

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................. 131

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 132

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz über Sicherheitsmaßnahmen bei ausländischen Luftfahrzeugen und Luftfahrtunternehmen (684 d.B. und 746 d.B. sowie 8336/BR d.B.) ..................................................................................................... 133

Berichterstatter: Ewald Lindinger ............................................................................... 133

Redner/Rednerinnen:

Werner Stadler ........................................................................................................ ... 133

Anneliese Junker .................................................................................................... ... 134

Johann Ertl .............................................................................................................. ... 135


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 136

13. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2009, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-404-BR/2010 d.B. sowie 8337/BR d.B.) ..... 136

Berichterstatter: Ewald Lindinger ............................................................................... 136

Redner/Rednerinnen:

Karl Boden ............................................................................................................... ... 136

Elisabeth Greiderer ................................................................................................ ... 138

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ... 139

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................. 140

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-404-BR/2010 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 141

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (714 d.B. und 763 d.B. sowie 8342/BR d.B.) .........              141

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 142

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird (654 d.B. und 764 d.B. sowie 8343/BR d.B.)        ............................................................................................................................. 141

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 142

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (713 d.B. und 765 d.B. sowie 8344/BR d.B.)                    142

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 142

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird (712 d.B. und 766 d.B. sowie 8345/BR d.B.)                   142

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 142

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (715 d.B. und 767 d.B. sowie 8346/BR d.B.)               142

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 142

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005 geändert wird (676 d.B. und 768 d.B. sowie 8328/BR d.B. und 8347/BR d.B.)    ............................................................................................................................. 142

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 142

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird (655 d.B. und 769 d.B. sowie 8348/BR d.B.)                        142

Berichterstatter: Josef Saller ....................................................................................... 142


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 8

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 143

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ... 145

Efgani Dönmez, PMM ............................................................................................. ... 146

Notburga Astleitner ................................................................................................ ... 149

Mag. Wolfgang Erlitz .............................................................................................. ... 150

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ... 152

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 156

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .................................................................. 158

Mag. Bettina Rausch .............................................................................................. ... 161

Günther Köberl ....................................................................................................... ... 164

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 166

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 167

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 167

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Josef Steinkogler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Denkmalschutz in Hallstatt (2760/J-BR/2010)

Elisabeth Kerschbaum, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Wis­senschaft und Forschung betreffend die Kostensteigerung beim Projekt ITER (Kern­fusion) (2761/J-BR/2010)

Wolfgang Sodl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend befristete Legalität des Uhudlers (2762/J-BR/2010)

Cornelia Michalke, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kol­legen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Verbot der Fahrgastaufnahme für Vorarlberger Taxiunternehmer (2763/J-BR/2010)

Cornelia Michalke, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kol­legen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ver­bot der Fahrgastaufnahme für Vorarlberger Taxiunternehmer (2764/J-BR/2010)


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 9

Cornelia Michalke, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kol­legen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Verbot der Fahrgastaufnahme für Vorarlberger Taxiunternehmer (2765/J-BR/2010)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Bundesräte MMag. Barbara Eibinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Einführung eines lebenslangen Ge­sundheitspasses (2542/AB-BR/2010 zu 2749/J-BR/2010)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desräte Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Feuerwehr-Führer­schein“ (2543/AB-BR/2010 zu 2750/J-BR/2010)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bezug einer Aus­gleichszulage durch EU-Bürger und bei zwischenstaatlichen Teilpensionen (2544/AB-BR/2010 zu 2757/J-BR/2010)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen betreffend Areal des Finanzamtes Josefstädter Straße (2545/AB-BR/2010 zu 2753/J-BR/2010)


 


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 10

09.01.58Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Martin Preineder: Geschätzte Damen und Herren! Werte Mitglieder des Bun­desrates! Ich darf Sie heute hier recht herzlich begrüßen und eröffne die 786. Sitzung des Bundesrates – für mich die erste Sitzung als Präsident.

Ein besonderer Gruß gilt unserem Bundeskanzler Werner Faymann. Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf auch den neuen Landtagspräsidenten des Burgenlandes recht herzlich hier willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

Das Amtliche Protokoll der 785. Sitzung des Bundesrates vom 2. Juni 2010 ist aufge­legen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Manfred Gruber, Johann Kraml und Gottfried Kneifel.

09.03.02Einlauf

 


Präsident Martin Preineder: Eingelangt sind Schreiben des Oberösterreichischen Land­tages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes sowie des Burgenländischen Land­tages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Burgenländischen Landtages betreffend Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern:

„DER PRÄSIDENT                                                                                     Eisenstadt, 24. Juni 2010

DES BURGENLANDISCHEN LANDTAGES                                            Tel. 02682/600-2442

                                                                                                                      E-Mail: post@bgld-Iandtag.at

Zahl: 1075-XX.Gp.2010

Bundesräte, Wahl

An den

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

1017 Wien

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Burgenländische Landtag hat in seiner 1. (konstituierenden) Sitzung der XX. Gesetz­gebungsperiode am Donnerstag, dem 24. Juni 2010 gemäß Artikel 35 B-VG als Vertre­ter des Landes im Bundesrat gewählt:

Mitglied:                          LAMPEL Michael, Angestellter,

                                          2491 Neufeld a.d. Leitha, Dr. Robert Davy-Gasse 22, SPÖ;

Ersatzmitglied:              HARETER Helmut, Fachbereichsleiter,

                                           7091 Breitenbrunn, Franz Schellstraße 64, SPÖ;

Mitglied:                          TEMMEL Walter, Angestellter,

                                           7521 Bildein, Hauptstraße 32, ÖVP;


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 11

Ersatzmitglied:              LIEGENFELD Andreas, Weinbauer,

                                           7082 Donnerskirchen, Johannesstraße 25, ÖVP;

Mitglied:                          POSCH-GRUSKA Inge, Angestellte,

                                           7024 Hirm, Mitterweg 1, SPO;

Ersatzmitglied:              FISCHER Kurt, Angestellter,

                                           7021 Baumgarten, Neue Siedlung 15, SPÖ.

Herr Bundesrat LAMPEL Michael hat als erster Vertreter des Landes zu gelten.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Steier

(Landtagspräsident)“

*****

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes:

                                                                                                                                         „Friedrich Bernhofer

                                                                                                         Erster Präsident des Oö. Landtags

                                                                                                                                           L-16/14-XXVII-Rm

An den                                                                                                                                       10. Juni 2010

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Peter Mitter

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

Nachwahlen zum Bundesrat

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag in seiner Sitzung am 10. Juni 2010 gemäß Art. 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art. 29 des Oö. Landes-Verfassungsgesetzes die Nachwahl eines Ersatzmitglieds durch­geführt hat.

Es wurde gewählt:

Ersatzmitglied an 7. Stelle:                         LAbg. Gabriele Lackner-Strauss, Hauptplatz 17,

                                                                                                                                                    4240 Freistadt

Diese Nachwahl wurde notwendig, weil Bundesrat Dr. Georg Spiegelfeld-Schneeburg mit Ablauf des 31. Mai 2010 auf sein Mandat als Mitglied des Bundesrats verzichtet hat und weil dessen Ersatzmitglied Mag. Dr. Angelika Winzig ex lege in den Bundesrat nach­gerückt ist.

Mit freundlichen Grüßen!“

*****

Angelobung

 


Präsident Martin Preineder: Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause an­wesend, ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 12

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.03.49

Schriftführerin Ana Blatnik: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Ge­setze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

Über Namensaufruf durch die Schriftführerin leisten die Bundesräte Michael Lampel (SPÖ, Burgenland), Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland) und Walter Temmel (ÖVP, Burgenland) die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“, welchen Bundesrat Walter Temmel „Mit Gottes Hilfe“ hinzufügt.

 


Schriftführerin Ana Blatnik: Wir gratulieren. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Martin Preineder: Ich begrüße die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte.

09.07.43Antrittsansprache des Präsidenten

 


09.07.45

Präsident Martin Preineder: Geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Landtagspräsi­dent Steier! Herr Professor Schambeck, herzlich willkommen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Damen und Herren! Es ist eine Besonderheit, dass am Tag der Amtsübernahme, also an meinem ersten Tag als Präsident, auch die erste Sitzung stattfindet. Mein Vorgänger, Peter Mitterer, hat beklagt, dass zwischen seiner ersten und letzten Sitzung quasi nur eine Amtsperiode von vier Monaten war. Ich habe diesbezüglich etwas mehr Glück.

Ich darf mich bei dir, lieber Peter Mitterer, recht herzlich für deine Amtsführung bedan­ken, es war eine sehr ordentliche Amtsführung, und das, obwohl du aus einer sehr kleinen Fraktion kommst und das einer besonderen Leistung bedarf. Herzlichen Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Seneca sagt: „Der Lohn eines Amtes ist das Amt selbst.“ – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Aufgabe für das kommende halbe Jahr wird es sein, den Vorsitz zu führen, den Bundesrat zu leiten und ihn nach außen entsprechend zu vertreten.

Wir alle sind gefordert, unsere Arbeit ständig zu überdenken, zu hinterfragen und, wenn notwendig, neu auszurichten, um – und das ist für uns als Bundesräte wichtig – die föderale oder, besser gesagt, die regionale Mitgestaltung an der Bundesgesetzgebung aktiv wahrzunehmen, die Stellung des Bundesrates in der öffentlichen Wahrnehmung zu verbessern und das Vertrauen in die Politik wieder zu stärken.

Meine Vorgängerin Sissy Roth-Halvax war stets darum bemüht und hat im Rahmen ei­ner Bundesratsklausur viele Vorschläge erarbeitet und einige davon auch umgesetzt.

In ihrem Sinne möchte ich meine Präsidentschaft führen, aber auch im Andenken an einen Vorgänger, der auch stets um Reformen in diesem Haus bemüht war, nämlich Präsident Harald Reisenberger. Beide sind leider nicht mehr in unserer Mitte, und um­so mehr sollte es unser gemeinsamer Auftrag sein, ihr Erbe beziehungsweise ihre In­tentionen weiterzuverfolgen.

Seit der Klausur von Sissy Roth-Halvax weht die Fahne des jeweils amtsführenden Bundeslandes auf dem Dach des Parlaments. Vielleicht ist das auch ein Signal dafür, manchmal die Türen dieses Hauses zu öffnen, damit auch hier frischerer Wind wehen kann. Ich glaube, dafür sind weniger Reformen der Geschäftsordnung notwendig, son­dern eher die Nutzung der Möglichkeiten, die uns als Bundesräte die Geschäftsordnung


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 13

gibt: von Gesetzesanträgen über Entschließungen, die Regierung entsprechend zu len­ken, Herr Bundeskanzler, mit Anfragen, mit Anfragebesprechungen, mit Fragestunden oder mit der neuen Aktuellen Stunde, auch hier die Arbeit der Regierung immer wieder zu hinterfragen und – das richtet sich an uns alle – uns rechtzeitig in die Gesetzwer­dung einzubinden, nämlich in unseren Klubs, in den Ausschüssen des Nationalrates, die wir auch besuchen dürfen.

Nicht mehr Rechte des Bundesrates, die nicht genutzt werden, brauchen wir, sondern der Nutzung der bestehenden Rechte und Möglichkeiten gerecht zu werden ist unsere Aufgabe.

Gestern wurde in Deutschland ein neuer Bundespräsident gewählt. Ich gratuliere Herrn Christian Wulff von dieser Stelle aus. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er wurde von der Bundesversammlung gewählt. (Ruf bei der SPÖ: Ein bisschen knapp die ganze Ange­legenheit!)

Unser Arbeitsprogramm wird auch damit beginnen, den neuen beziehungsweise wie­dergewählten – vom Volk gewählten – Bundespräsidenten in Österreich in der Bundes­versammlung anzugeloben.

Es wird in meiner Amtszeit auch ein Treffen mit der Schweizer Ständeratspräsidentin Erika Forster-Vannini stattfinden, und ich glaube, auch dabei könnte das Thema Spa­ren mit den Schweizer Kollegen diskutiert werden.

Vor fünf Jahren fand in St. Pölten die Subsidiaritätskonferenz statt, als Startschuss für mehr regionale Mitsprache. Und es gilt, 15 Jahre nach Beitritt zur Europäischen Union die Lissabon-Strategie entsprechend umzusetzen. Wir alle haben am 2. Juni einen Verfassungsgesetzesantrag an den Nationalrat eingebracht. Gestern wurde im Verfas­sungsausschuss dieser Verfassungsgesetzesantrag in der Fassung des Bundesra­tes – es gab zwei Fassungen, eine des Nationalrates und eine des Bundesrates – be­schlossen. Diese Fassung räumt uns die Möglichkeit der Subsidiaritätsrüge, der Subsi­diaritätsklage und des Ministerauftrags ein.

Es wird an uns Bundesräten liegen, einen entsprechenden Dialog mit der Europäischen Union, dem nationalen Parlament und den regionalen Parlamenten, unseren Landta­gen, zu führen. Ein ständiger Dialog zwischen Bundesrat und Landtag stärkt uns als Vertreter in der Bundesgesetzgebung.

Aus diesem Grund möchte ich auch – das wurde vom Präsidium schon beschlossen – eine „Europakonferenz“ in St. Pölten durchführen, um diesen Prozess entsprechend breit zu diskutieren.

Der Bundesrat ist für mich als Regionalrat zu sehen. Die Regionen in dieses Hohe Haus bringen möchte ich mit einer Ausstellung betreffend Regionen und deren wohl­tuende Seiten zum Thema „Genussregionen“ und der Aktion „So schmeckt Niederös­terreich“.

Bildung als Schlüssel zum Erfolg, lebenslanges Lernen als Herzensbildung – bei der letzten Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus hat Präsident Neugebauer gesagt: Bildung ohne Menschlichkeit ist professionalisierte Unmenschlichkeit.

Deshalb möchte ich mit Ihrer Zustimmung, geschätzte Damen und Herren, eine En­quete des Bundesrates durchführen, die sich mit dem Thema Schulverwaltung, Schul­verwaltungsreform beschäftigt, um einen Beitrag zum Thema Verfassungsreform zu leisten, denn das Thema Schule ist in aller Munde. Schule muss aus der öffentlichen Diskussion wieder in die Klassenzimmer zurückgeführt werden.

Gerade das Thema Schule ist eines, bei dem es sicher viele Mehrgleisigkeiten gibt, die man durchaus entflechten kann. Es wird über Schulbehördenstrukturen, über die Kom­


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petenzen von Bund, Ländern und Gemeinden zu sprechen sein, darüber, wer die Vor­gaben, wer die Umsetzung durchzuführen hat, über die Organisation der Lehrer, über Finanzierung und Leistungserbringung und letztlich auch über Schulpartnerschaften. Ergebnis sollte eine Reduktion der Kosten bei einer Verbesserung des Ergebnisses sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Bundesrat! Wir feiern heuer „90 Jahre Bundesverfassung“. Ich darf mich bei Frau Präsidentin Prammer bedanken, die den Bundesrat in diese Festveranstaltung entsprechend mit eingebunden hat, weil wir hier Vertreter und Hüter dieser Verfassung und vor allem des bundesstaatlichen Prinzips sind.

Wir werden am 1. Dezember hier auch gemeinsam „90 Jahre Bundesrat“ feiern. Die­sen Anlass wird unser Landeshauptmann Dr. Pröll dazu nützen, vor dem Bundesrat zu sprechen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte in den nächsten sechs Monaten dazu bei­tragen, die Zukunft des Bundesrates außer Zweifel zu stellen. Deshalb darf ich Sie alle um Ihre Zusammenarbeit bitten: die Mitarbeiter im Haus, in der Bundesratsdirektion, die im Plenum vertretenen Fraktionen und auch jene ohne Fraktionsstatus und natürlich alle Mitglieder des Bundesrates. Ich meine, es gilt, den Geist des Bundesrates zu pfle­gen, einen Geist, der konsens- und nicht konfliktorientiert ist, der lösungs- und nicht problembezogen ist, der den Menschen in den Regionen und nicht den Strukturen in den Institutionen verpflichtet ist, der letztlich realistisch und nicht populistisch ist.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit eurer Hilfe und mit Gottes Segen möchte ich meine Arbeit im Dienste des Bundesstaates beginnen. (All­gemeiner Beifall.)

9.18

09.18.52Fragestunde

 


Präsident Martin Preineder: Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte, wir gelan­gen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt – um 9.18 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, um die Behandlung aller mündlichen Antworten zu ermöglichen, auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde.

Bundeskanzleramt

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur 1. Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Hladny, um Ihre Anfrage.

 


Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage, lautet:

1743/M-BR/2010

„Wie stellt sich die Beschäftigungssituation in Österreich im europäischen Vergleich dar?“

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesrätin, Sie wissen, dass im April 2010 Eurostat erhoben hat, dass wir eine Arbeits­


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losenquote von 4,9 Prozent haben – ich sage gleich dazu: Jeder Arbeitslose ist einer zu viel! Im Vergleich – und das können wir doch mit Stolz sagen – liegt Österreich an der zweitbesten Stelle innerhalb der Europäischen Union; nur die Niederlande sind vor uns. Die Zahlen betreffend Arbeitslosigkeit insgesamt, aber auch Jugendarbeitslosig­keit zeigen, dass unser Land wirtschaftlich stark ist, dass die Unternehmen, Klein- und Mittelbetriebe, Industriebetriebe, die Beschäftigten stark sind, dass das, was wir an ge­sicherter Struktur in unserem Land vorfinden, aber auch das, was wir an aktiver Arbeits­marktverwaltung getan haben, sinnvoll ist und war.

Wenn ich daran denke, dass zu Beginn der Krise mit Horrorszenarien gearbeitet wurde und dass manche dieser Prozentsätze von 20 Prozent und mehr Arbeitslosigkeit – in manchen Regionen 30 und 40 Prozent Arbeitslosigkeit – in Europa auch eingetreten sind, so muss ich sagen: Da ist Österreich mit den Arbeitslosenzahlen – ich wiederhole noch einmal: Es ist jeder Arbeitslose um einer zu viel! – von 4,9 Prozent ein Vorbild für viele andere Länder. Wenn ich Besuche von Regierungschefs aus der Europäischen Union habe, dann fragen diese sehr oft: Wie macht Ihr das? – Es ist die gemeinsame Anstrengung in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundes­rätin Hladny.

 


Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Welche Maßnahmen der österreichi­schen Bundesregierung haben zur Abfederung der Auswirkungen der Krise einen Bei­trag geleistet?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Neben der schon erwähnten hohen Innovationskraft der Industrie, neben den Klein- und Mittelbetrieben, die man immer besonders nennen muss, weil sie nicht nur zu jenen gehören, die mehr Steuern zahlen als die Finanz­märkte, sondern weil sie auch zu jenen gehören, die in der Beschäftigung mehr leisten, gehört aber natürlich auch die von mir genannte aktive Arbeitsmarktpolitik: 2,1 Milliar­den € wurden eingesetzt. Zum Beispiel die Ausbildungsgarantie, um nur eines der vie­len Beispiele hervorzuheben, ist etwas, von dem mehr als 10 000 Jugendliche in über­betrieblichen Ausbildungseinrichtungen profitiert haben.

Das zeigt, dass der Satz: Man muss Arbeitslosigkeit bei jungen Leuten genauso ver­hindern wie bei allen anderen, weil Menschen, die aus der Schule kommen, nicht in die Hoffnungslosigkeit gehen dürfen!, in Österreich Praxis geworden ist.

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Diesner-Wais.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Be­schäftigung ist ein wichtiges Thema, auch die Beschäftigung im Alter. Meine Frage: Wie hoch ist die Beschäftigungsquote von Frauen über 55 und Männern über 60 Jah­ren im internationalen Vergleich?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich habe natürlich nicht alle Zahlen mit und kann Ihnen nicht über alle Statistiken präzise Auskunft geben. Das schicke ich Ihnen gerne nach. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Beschäftigung gerade von älteren Men­schen, aber auch von Frauen, die Sie angesprochen haben, und von Jüngeren – also in praktisch allen Zielgruppen – im europäischen Durchschnitt immer zur höchsten und besten gehört. Noch einmal: Das heißt nicht, dass nicht gerade die Arbeitslosig­keit von Frauen, dass nicht die Arbeitslosigkeit in manchen Sektoren uns auch Sorgen bereitet.


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Im internationalen Vergleich gibt es eine Zahl, die etwas herausragt, das sind jene Ju­gendlichen – Frauen wie Männer –, die es nach ihrer Ausbildung, nach den überbe­trieblichen Werkstätten, die wir anbieten, schwer haben, eine Arbeit zu finden. Das AMS hat ganz besondere Maßnahmen gesetzt, um die Beschäftigung dort zu verstär­ken und auch die Betriebe – sei es durch Kurzarbeitsmodelle und andere Modelle – in die Lage zu versetzen, in dieser Zeit der Krise auch so etwas wie Überbrückungshilfen zur Verfügung zu haben.

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Podgorschek.

 


Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Wie viele Arbeitslose des Arbeitsmarktservices sind derzeit in Schulungen un­tergebracht? Und um wie viel ist die Jugendarbeitslosigkeit seit dem Einbruch der Wirt­schaftskrise in Österreich gestiegen?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Im Jahr 2010 gibt es 62 400 arbeitslose Jugendli­che, davon 37 400 in Kursen und Kursangeboten. Ich bin überzeugt, dass Sie die Zah­len auch selber kennen, aber wenn Sie es von mir noch einmal hören wollen, sage ich sie Ihnen gerne!

Meine zusätzliche politische Äußerung dazu ist, dass ich natürlich weiß, dass diese Kursangebote vom AMS, die in den letzten Monaten zwar schon verbessert wurden, weiter verbessert werden müssen. Ich weiß, dass immer wieder Kritik daran geübt wur­de, ob diese Kurse auch tatsächlich für die Weiterbildung, für die Besserqualifizierung geeignet sind. Ich kann sagen, dass Sozialminister Hundstorfer da bereits einiges in die Wege geleitet hat, aber auch angekündigt hat, die Qualität dieser Kursmaßnahmen, die Sie angesprochen haben, zu verbessern und zu verstärken.

Die Zeit der Arbeitslosigkeit – also wie lange jungen Menschen arbeitslos sind – gehört zu den kürzesten in Europa. Das zeigt, dass diese Kurse nicht nur eine Art von Be­schäftigung anstelle der eigentlichen Beschäftigung sind, sondern dass sie sehr wohl eine wichtige Hilfe leisten, um anschließend im Berufsleben etwas zu finden und sich behaupten zu können.

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dönmez.

 


Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Werter Herr Bundeskanz­ler! Die Zahl der offenen Arbeitsstellen auf dem Arbeitsmarkt ist im Steigen begriffen. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um den Anteil an Leiharbeits­stellen zugunsten fester Stellen möglichst gering zu halten?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es gibt nur eine Möglichkeit in einem Land dafür zu sorgen, dass die Beschäftigung stark ist und dass die Menschen, die arbeiten, auch von dem leben können: Das ist ein Wirtschaftswachstum, dass die Betriebe in die Lage versetzt, ausreichend Beschäftigte aufnehmen zu können. Es ist eine Frage der Ge­rechtigkeit, dass diejenigen, die etwas gemeinsam erwirtschaften, auch etwas davon haben. Es gibt keine Maßnahme, wo ich zu einem Betrieb gehen und sagen könnte: Bitte stell von der einen Form auf die andere um!

Die prekären Arbeitsverhältnisse, die sich nicht nur bei Leihfirmen auf verschiedenste Art und Weise äußern, sind in ganz Europa im Steigen. Es gilt, eine Anstrengung in­nerhalb der Europäischen Union zu unternehmen, um auch jene dabei zu überstützen, die sagen: Wir müssen diese prekären Arbeitsverhältnisse, ganz gleich ob Leiharbeit oder in welchem Bereich sie anzutreffen sind, zurückdrängen und die ordentliche Be­


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schäftigung, von der man leben kann – nicht nur Leistung soll sich lohnen, auch Arbeit soll sich lohnen –, erhöhen.

Eine andere Möglichkeit gibt es nicht – außer den Gesprächen zwischen Sozialministe­rium und den Betrieben, zwischen den Interessenvertretungen und den Betrieben, den Kammern und den Betrieben und dieser Maßnahme des Wirtschaftswachstums. (Bei­fall bei der SPÖ.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, und ich bitte die Anfra­gestellerin, Frau Bundesrätin Dr. Winzig, um ihre Anfrage.

 


Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler, meine Frage lautet:

1740/M-BR/2010

„Haben Sie sich vor beziehungsweise beim Europäischen Rat vom 17. Juni 2010, der sich unter anderem mit wirtschafts- und finanzpolitischen Themen im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise, mit den UNO-Millenniums-Entwicklungszielen und mit den aktuellen Entwicklungen im Iran befasst hat, dafür eingesetzt, dass die Außen- und die Finanzminister an den Beratungen des Europäischen Rates teilnehmen können?“

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Verehrte Frau Bundesrätin! Tatsächlich habe ich am 10./11. Dezember 2009 mich dafür eingesetzt, dass an den Beratungen des Euro­päischen Rates die Außen- und Europaminister teilnehmen können. Das hängt auch sehr stark damit zusammen, dass mich eine sehr gute und enge Zusammenarbeit mit Außenminister Michael Spindelegger verbindet und ich es immer als Vorteil erachtet habe, dass im Europäischen Rat der Außenminister mit mir gemeinsam teilnimmt.

Die Regierungschefs haben in einer sehr ausführlichen Debatte damals entschieden, dass die Regierungschefs in den meisten Sitzungen – es gibt ja eine Ausnahme, die nächste im September, wo die Außenminister dabei sein werden –, die über das Jahr und darüber hinaus stattfinden, im Kreise der Regierungschefs bleiben wollen und kei­ne zusätzlichen Minister dazunehmen. Das ist eine Entscheidung, die bis heute eine klare Mehr-als-Zweidrittelmehrheit der Anwesenden vertritt. Das ist auch eine Entschei­dung, von der ich ausgehe, dass sie so bleiben wird, außer es kommt aus anderen Entwicklungen zu irgendeiner Neuerung.

Warum vertreten mehr als zwei Drittel der Mitglieder des Europäischen Rates die Mei­nung, dass es gut ist, wenn 27 Vertreter in einem Raum zusammensitzen und sich po­litisch über wesentliche Fragen einigen und nicht 54 oder eine darüber hinausgehende Zahl? – Weil diese zwei Drittel der Meinung sind, dass ein kleineres Gremium, wo einer ein Land vertritt – und das sind die Regierungschefs – bei derartigen Entscheidungen gerade richtig ist, in schwierigen Zeiten die Europäischen Union zu lenken.

Das stimmt übrigens auch völlig mit dem Vertrag von Lissabon überein. Der Vertrag von Lissabon sieht genau das vor: Mitglieder des Europäischen Rates sind nur die Staats- und Regierungschefs, andere Minister können hinzugezogen werden. – Es ist damals, vor meiner Zeit, von denjenigen, die den Lissabon-Vertrag vorbereitet haben, bewusst darauf abgestellt gewesen, dieses Gremium sehr klein zu halten. Das ist auch die Mei­nung der Regierungschefs zur Stunde.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundes­rätin.

 


Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler! Am 15. Juni 2010 war die iranische Friedensnobelpreisträgerin Dr. Shirin Ebadi anlässlich


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der Verleihung des Felix Ermacora-Menschenrechtspreises zu Besuch in Wien und hat erschütternde Informationen über die aktuelle Menschenrechtssituation im Iran über­bracht, über die ja ausführlich in den Medien berichtet wurde.

Sind Sie angesichts dieser Berichte der Friedensnobelpreisträgerin beim Europäischen Rat am 17. Juni 2010 dafür eingetreten, dass sich die Europäischen Union verstärkt auch für die Menschenrechte im Iran einsetzen soll?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Verehrte Frau Bundesrätin! Im Vorfeld des Euro­päischen Rates gibt es eine Fülle von international relevanten Themen, von denen kei­nes als geringer als das andere einzuschätzen ist. Dazu gehört, dass wir gerade zum Iran im Europäischen Rat eine Resolution angenommen haben, die im Vorfeld und auch danach eine wichtige Rolle gespielt hat, nämlich gerade dem Iran gegenüber auch in Zukunft, auch über unsere Rolle im UNO-Sicherheitsrat dafür einzutreten, dass es ver­stärkte Sanktionen gibt, die natürlich mit den Menschenrechten zusammenhängen, die natürlich mit der Entwicklung im Iran zusammenhängen, die natürlich mit vielen Fragen zusammenhängen, die wir gemeinsam als Wertehaltung vertreten, die aber vor allem damit zusammenhängen, dass wir darüber besorgt sind, dass der Iran Atomwaffen ent­wickelt.

Es gibt im Europäischen Rat nicht eine Diskussion über alle internationalen und euro­päischen und wirtschaftlichen und sozialen und gesellschaftspolitischen Themen mit einer sozusagen telefonbuchartigen Tagesordnung, sondern es gibt im Vorfeld und auch danach politische Entscheidungen, wo wir als Österreicher gerade in der Frage des Irans, der Unterstützung der emanzipativen Bewegungen im Iran, der Unterstützung der Menschenrechte im Iran, der Unterstützung der friedenspolitischen Überlegungen der Staatengemeinschaft, um das Atomwaffenprogramm des Irans zu stoppen, so viele Möglichkeiten hatten, uns einzusetzen, dass ich oft Gelegenheit hatte, das zu tun. (Bei­fall bei der SPÖ.)

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Kemperle.

 


Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler! Ist aufgrund der Beratungen im Rat bereits absehbar, wann die Europäische Bürgerinitiative umgesetzt sein wird?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Leider nein, weil zwar derzeit eine Beschlussfas­sung darüber erfolgt ist, im Rahmen unserer vom Lissabon-Vertrag festgelegten Mög­lichkeit eine Bürgerinitiative in Zukunft vorzusehen, die Durchführungsbestimmungen grundsätzlich im dafür zuständigen Rat angenommen wurden, aber jetzt das Europäische Parlament damit befasst ist.

Ich bin optimistisch und glaube, dass das Europäische Parlament sehr rasch diese Be­schlussfassung machen wird, also im Herbst. Dann allerdings – und das ist nicht nur bei diesem Thema so, sondern auch bei allen anderen Themen – sind wir davon ab­hängig, dass in allen 27 Ländern das mitgetragen wird, vor allem in jenen Ländern, die dieses Instrument gar nicht kennen und eigene gesetzliche Bestimmungen erst be­schließen müssen, um uns auf europäischer Ebene gemeinsam in die Lage zu ver­setzen, so ein direktdemokratisches Instrument zu schaffen.

Da ist es tatsächlich so, dass eine überwiegende Mehrheit der Länder der Europäischen Union nicht ausreicht, das rasch durchzusetzen. Ein Land, wenn es sich bei diesen Beratungen länger Zeit lässt – ob aus unserer Sicht legitimen Überlegungen oder nicht legitimen Überlegungen –, kann dies verzögern. Eine Prognose, wann tatsächlich die


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Durchführungsbestimmungen gültig und damit die erste Initiative möglich ist, wäre ge­wagt. Da müsste man die politische, psychologische und strategische Diskussion in allen Ländern nicht nur kennen, sondern sogar vorhersagen können. Daher gibt es noch keinen Termin für das Inkrafttreten.

Es gibt allerdings die Notwendigkeit – wie ich meine immer stärker, gerade im Zusam­menhang mit der Spekulation und den Finanzmärkten –, dieses Instrument der Bürger­initiative, sobald es vorhanden ist, nutzen zu können. Und alles, was bis dahin durch­gesetzt werden kann, fällt dann eben für eine derartige Bürgerinitiative weg, etwa zu den Finanzmärkten gegen Spekulation. Und mich würde nichts mehr freuen, als wenn etwas, weil erledigt, wegfallen würde.

Dort, wo ich mitwirken kann, wirke ich mit, dass dieses Instrument so rasch wie mög­lich geschaffen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundekanzler! Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Sie, wenn Sie nach Brüssel zum Europäischen Rat fahren, auch mit einem Verhandlungsmandat ausgestattet sind, das vorher mit Ihrem Regierungspartner akkordiert wurde.

Meine Frage ist jetzt eher persönlich und zugegebenermaßen auch ein wenig pole­misch, aber ich hoffe, Sie werden sie mir trotzdem beantworten. (Rufe bei der SPÖ: Na!) Könnte man diese Forderung, dass Sie in Begleitung des Außenministers und des Finanzministers – beides ÖVP-Kollegen – fahren, dahingehend interpretieren, dass da ein gewisses Misstrauen Ihrem Verhandlungsgeschick gegenüber zu erkennen ist? (Ru­fe bei der SPÖ: Geh bitte!)

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Mich verbindet ei­ne derartig gute Zusammenarbeit mit dem Außenminister – er ist auch in die Vorberei­tungen des Europäischen Rates involviert –, dass es keinen Sinn hat, uns gegeneinan­der auszuspielen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Martin Preineder: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mitterer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Wir befinden uns in einer sehr angespannten Budget­situation. Ausgabenseitig belastet natürlich Österreich auch die Entwicklungszusammen­arbeit. Daher meine Frage: Haben Sie sich bei diesem Europäischen Rat vom 17. Juni 2010 für die Reduktion von EZA-Geldern eingesetzt?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Nein! Es ist natürlich so, dass die materiellen Mög­lichkeiten zur Entwicklungszusammenarbeit, aber auch für viele andere politisch sen­sible und international wichtige Themen der Europäischen Union und auch der Außen­politik der Europäischen Union uns Sorge bereiten.

Eine Budgetkonsolidierung, die 800 Milliarden € in Europa bewegen soll, aber natürlich auch eine Budgetkonsolidierung, die mit den Mitteln der Europäischen Union ebenfalls vorgesehen ist, stellt natürlich für uns eine Situation dar, wo wir auch besorgt sind, welche Möglichkeiten reduziert werden und welche Möglichkeiten behalten werden kön­nen und welche Schwerpunkte gesetzt werden.

Ich bin davon überzeugt, dass gerade die Mittel, die der Zusammenarbeit dienen, Mittel sind, die eine große Mehrheit im Europäischen Rat haben, würde aber nicht so weit gehen, dass ich Ihnen jetzt aufzählen könnte, ob es nicht auch in den sensiblen Be­


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reichen Möglichkeiten gibt, effizienter zu werden und doch gewisse Sparmaßnahmen auch dort einleiten zu können.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zur 3. Anfrage. Diese wird von Frau Bun­desrätin Michalke gestellt. – Bitte.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine Frage lautet:

1739/M-BR/2010

„Wie viele Personen werden durch die von Ihnen unterstütze ‚Reichensteuer‘ betroffen sein, und wie hoch sind die Einnahmen, welche Sie daraus erwarten?“

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Verehrte Frau Bundesrätin! Wir haben uns geeinigt, dass wir in einem Verhältnis von zumindest 60 : 40 nicht wie andere Länder ausschließ­lich den Sparstift ansetzen, weil wir nicht glauben, dass wir dieses Potential an Sparmaß­nahmen zur Verfügung haben, um dadurch nicht auch Leistungskürzungen zu bewir­ken.

Die Verwaltungsreform, wozu in der Beantwortung einer Anfrage noch Gelegenheit sein wird, Stellung zu nehmen, ist natürlich eine Möglichkeit, einzusparen. Es gibt in jedem Ressort Möglichkeiten, effizienter zu arbeiten.

Aber es gibt doch sehr viele Bereiche, die nicht nur durch Sparen geleistet werden kön­nen. Zum Beispiel führen im Gesundheitsbereich Einsparungen vieler der Kosten, die der Rechnungshof als Möglichkeiten, effizienter zu werden, aufzeigt, gleich wieder bei der Pflege zu Mehrkosten. Diese führen also nicht tatsächlich zu weniger Ausgaben für den Finanzminister, sondern lediglich zu wichtigen, bedeutenden Verschiebungen.

Daher ist die Frage: Wo kommen die Einnahmen her? – Und das betrifft die Frage der von Ihnen genannten Reichensteuer.

Wir sagen: Die Einnahmen sollen sozial gerecht sein, und diejenigen, die bisher in der Vergangenheit zu wenig geleistet haben, sollen mehr leisten. Da sind die Finanzmärkte gemeint, da ist die Finanztransaktionssteuer gemeint, da sind die Bankenabgaben ge­meint. Da sind auch jene gemeint, die zwar in der Vergangenheit etwas geleistet ha­ben, aber über sehr viel mehr verfügen als 90 Prozent der Bevölkerung, zum Beispiel über hohe Aktiengewinne. Manche Menschen – es sei ihnen vergönnt – lassen sich freudig in Magazinen mit dem Zusatz abbilden, welche Gewinne sie nach zwei, drei Jahren durch Steigerung der Aktien hatten, welche herausragenden Ergebnisse dort zustande gekommen sind. – Da heißt unsere Forderung, die Spekulationsfrist mit einem Jahr abzuschaffen. Und dann ist – und das ist eine unserer Forderungen und auch Verhandlungsüberlegungen, die wir vorbereiten – von diesen Einkünften, von diesen Gewinnen auch ein gewisser Anteil notwendig, um im Budget die Konsolidierung her­beizuführen.

Das gilt auch für andere Bereiche der Vermögenszuwächse, die nicht die kleinen und mittleren Einkommensbezieher, nicht die kleinen und mittleren Betriebe betreffen, nicht jene, die der Mittelschicht angehören, weil sie sich durch fleißige Arbeit heute zur Mit­telschicht zählen, sondern die das ganz große Vermögen betreffen, die in der Vergan­genheit viel leichter den Weg gefunden haben, und zwar über Steuerschlupflöcher oder Bevorzugungen, die wir zum Teil selbst geschaffen haben, um die Attraktivität des Lan­des zu erhöhen (Bundesrat Schennach: Stiftungen!) – Stiftungen zum Beispiel –, aber


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die in diesen Zeiten natürlich unter die Lupe genommen werden müssen, weil wir diese einnahmenseitigen Maßnahmen – und da schließt sich der Kreis – brauchen.

Was soll hereinkommen? – Ausgehend von einem Verhältnis von 60 zu 40: 40 Prozent des gesamten Budgetkonsolidierungsbedarfs, den Sie kennen, für 2011, 2012, 2013, der auch im Rahmen der Europäischen Union festgesetzt wurde, der in Österreich mit einem Budgetpfad – Sie kennen alle diese Gesetze, die wir bereits beschlossen haben – fest­gelegt wurde. Es geht darum, dass diese 40 Prozent Einnahmen möglichst gerecht sind. Und da halte ich es für völlig zumutbar, zu sagen: Alles in diesen Bereichen muss ge­prüft werden, um jene Steuerschlupflöcher, die es gibt, zu schließen, und um jene Ver­mögenden, die in der Vergangenheit weniger beigetragen haben im europäischen Durch­schnitt, um die Finanzmärkte und Banken zu einem größeren Beitrag zu bringen.

Die Alternative wäre eine Mehrwertsteuererhöhung, die jeder im Supermarkt bezahlt. (Bundesrat Mag. Klug: Sicher nicht!) Das allerdings ist mit Sicherheit jene Maßnahme, die falsch wäre! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Wäre aus diesen Ausführungen trotz­dem vielleicht zahlenmäßig festzulegen, ab welchem Jahresbruttoeinkommen zum Bei­spiel so eine Steuer zum Tragen kommen würde?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich höre nicht gerne das Wort „Jahresbruttoein­kommen“, weil es die erste Anstrengung von uns war und ist, in Richtung Finanzmärk­te, Transaktionssteuer, Bankenabgaben zu gehen – also sehr große Vermögen zu er­fassen, die nicht immer nur mit Arbeitnehmereinkommen zu tun haben, sondern die sehr oft nichts mit einem Beschäftigten und mit einer Veranlagung als Beschäftigter zu tun haben.

All diese Vorschläge werden in erster Linie natürlich mit dem Finanzminister, aber auch mit allen anderen Regierungsmitgliedern so ausgearbeitet, dass wir in diesem Jahr für das Budget 2011 und dann im Herbst des nächsten Jahres für das Budget 2012/13 mög­lichst viele dieser Einnahmen auch auf die Schiene bringen. Es wäre zu früh, heute irgendein Detail zu sagen, über das wir uns noch nicht geeinigt haben. Es gibt Vor­schläge, die einzelne Parteien, einzelne Politiker geäußert haben. Diese kennen Sie, und diese lassen, glaube ich, an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Aber es ist zu früh, von einem Verhandlungsergebnis Auskunft darüber zu geben, in welchem Detail wer womit zu rechnen hat.

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Tiefnig.

 


Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundeskanzler, gelten die damaligen Gründe, wie schwere Administrierbarkeit und Gerechtigkeitsüberlegungen, die auch unter Finanzminister Lacina in Bezug auf die Vermögensteuer angeführt wur­den und die auch zu deren Abschaffung geführt haben, heute nicht mehr?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es gibt viele Überlegungen, die im Laufe der Ge­schichte unseres Landes dazu geführt haben, dass wir Bevorzugungen in einzelnen Bereichen geschaffen haben. Aber es ist doch eine ganz klare Aussage, wenn die OECD uns jetzt bereits zum x-ten Mal sagt, dass wir bei den vermögensbezogenen Steuern zu den untersten drei Ländern gehören, die also die geringsten vermögensbe­zogenen Steuern haben, und bei den Arbeitnehmersteuern zu den höchsten drei.


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Nun lässt sich im Expertenkreis lange darüber streiten, ob hier die Vergleichbarkeit gegeben ist, ob hier alles so einbezogen ist, dass es in jedem Punkt vergleichbar ist, aber wenn Sie allein diese Gewichtung sehen, dann muss in einem Land die Frage er­laubt sein: Wie können wir etwas, das durch die Wirtschaftskrise verursacht wurde, nicht von jenen auslöffeln lassen, die ohnehin die meisten Steuern in diesem Land bezahlen, oder von jenen auslöffeln lassen, die wir mit der Armutsbekämpfung/Min­destsicherung davor verschonen wollen, dass sie die Opfer dieser Wirtschaftskrise sind? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Grimling, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Er­warten Sie Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung durch eine Ver­mögensbesteuerung?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es ist jede Steuer – daher haben wir auch sehr lange zugewartet, um uns darauf zu einigen, welchen Budgetpfad wir einschlagen –, es ist jede Budgetkonsolidierung, jede einnahmenseitige Maßnahme, aber auch jede Kür­zung der ausgabenseitigen Maßnahmen unter die Lupe zu nehmen, ob sie dem Ziel des Wirtschaftswachstums nützt oder schadet. Diese Prüfung muss bei jeder dieser Maßnahmen geschehen. Denn: Präsident Sarkozy hat vor zwei Wochen gesagt: Drei solche Sparprogramme, und wir befinden uns in einer Rezession!

Dasselbe könnte man natürlich auch für eine falsche Steuerpolitik sagen, nämlich: wenn man in der Steuerpolitik die Kaufkraft der Bevölkerung schwächen würde, indem man jene, die das meiste von dem, was sie verdienen, in Konsum umsetzen, belastet und damit die Kaufkraft entscheidend beeinflusst. Und Kaufkraft ist etwas, das uns bisher in der Wirtschaftskrise als positiver Faktor entgegengekommen ist! Daher ist jede dieser Maßnahmen auf Folgendes zu prüfen: Wie können wir dort, wo es zu einem Verlust der Kaufkraft kommt, dort, wo es zu einem Verlust der Investitionen kommt, dort, wo es zu einem Verlust von Maßnahmen, die der Beschäftigung dienen, kommt, das Ausmaß möglichst gering halten – und wie können wir, umgekehrt, trotz einer Wirtschaftskrise verstärkt in jene Bereiche investieren, die mit Bildung, Forschung und Entwicklung zu tun haben, also mit Schlüsselkräften?

Also ich glaube, es gibt eine Steuerpolitik, die gerecht ist und nicht die Kaufkraft der Bevölkerung zerstört. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mag. Neuwirth: Jawohl!)

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! In Österreich sind in ungefähr 3 300 Stiftungen 70 Milliarden € geparkt. Das meiste davon ist nicht gemeinnützig, sondern dient eher der Steuerschonung der Superreichen, die schon ein paar Mal angesprochen worden sind. Da haben Sie ge­sagt, Sie wollen sich das anschauen.

Meine Frage: Ist es nicht schon oft genug angeschaut worden? Wäre es jetzt nicht an der Zeit, es endlich umzusetzen, beziehungsweise haben Sie da einen Zeitplan?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Was die Maßnahmen betrifft, die wir für das Bud­get 2011 vorbereiten – und Sie als Bundesrätinnen und Bundesräte wissen das ja –: Es geht ja gar nicht darum, auch wenn uns manche in den Kommentaren das jetzt


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einzureden versuchen, dass wir unbedingt im August die nächsten drei Budgets be­schließen müssen, nein, sondern wir mussten so etwas wie eine Budgetvorschau be­schließen.

Wir haben das sehr ernst genommen und haben im Vergleich zu den meisten euro­päischen Ländern einen sehr konkreten Budgetpfad beschlossen. Also, wir sind bei dem, was im Voraus zu beschließen ist. Und Sie können sich im europäischen Ver­gleich gut ansehen, dass wir sehr klar festgelegt haben, wie die Rahmenbedingungen aussehen.

Es ist also Zeit genug, die Frage der Stiftungen und andere Fragen bis Spätherbst die­ses Jahres für die ganz normalen Gespräche über das Budget so auszudiskutieren, dass wir für das Budget 2011 die ersten Maßnahmen und, wenn nötig, durchaus auch in einer zeitlichen Staffel die Maßnahmen für 2012/2013 vorsehen.

Warum ist es nicht so einfach, dass man sagt, Sie haben genug Zeit gehabt, es sich anzusehen? – Natürlich sind Stiftungen unter die Lupe zu nehmen, weil sie zu jenen Bereichen gehören, wie Sie selbst gesagt haben – manche –, die es besonders durch gute Beratung und Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Ideenreichtum erreicht haben, dass sie – auch unabhängig davon, ob sie gemeinnützig oder nicht gemeinnützig sind und welchem Zweck sie dienen – sich Steuervorteile verschafft haben. Es ist dem ent­gegenzuhalten, dass es gilt, nicht jene zu treffen, die sonst in ein anderes Land wech­seln würden, weil wir ihnen damit die Kraft der Investition im eigenen Land nehmen.

Daher ist der Schnittpunkt zu erreichen: Wo kann man ohne Schaden für unser Land mehr Gerechtigkeit durch eine Überarbeitung unseres Stiftungsrechtes einleiten? Und dafür haben wir Zeit bis Ende des Jahres. Und zur rechten Zeit – nämlich für das Bud­get 2011 und dann für die Folgebudgets – werden wir das auch tun.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zur 4. Anfrage. Anfragestellerin ist Frau Bundesrätin Ebner. – Bitte.

 


Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler, meine Frage lautet:

1744/M-BR/2010

„Die Strukturfondsprogramme der Periode 2000-2006 mussten bis spätestens 31.3.2010 endabgerechnet werden. – Hat Österreich seine Programme, die aus dem EU-Regio­nalfonds (EFRE) gefördert werden, rechtzeitig abgeschlossen?“

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr geehrte Frau Bundesrätin, ich habe mir das berichten lassen und kann Ihnen daher auch sagen, dass für alle österreichischen Pro­gramme der Strukturfondsperiode 2000-2006 die Endabrechnung mit den Abschluss­bescheinigungen vor dem 31. März 2010 an die EU-Kommission übermittelt wurde.

Es geht um das Ziel-1-Programm für das Burgenland, das Ziel-2-Programm für die acht übrigen Bundesländer und die URBAN-Programme für Wien und Graz. Ich könnte sie Ihnen jetzt auflisten. Ich möchte aber nur zusammenfassend die Beträge nennen: Die Höhe der eingesetzten EU-Mittel betrug fast 900 Millionen €, und die nationale Kofinan­zierung 940 Millionen €.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundes­rätin Mag. Rausch.

 



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Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Ent­lang der österreichisch-ungarischen Grenze wird ja eine mit Fördergeldern der EU-Kom­mission mitfinanzierte Güter- und Personenverkehrstrasse gebaut, bei der der EU-För­dersatz 85 Prozent der gesamten Projektkosten beträgt.

Österreich ist da seiner vertraglichen Beitrags- und Beteiligungsverpflichtung in Höhe von 14,5 Millionen € bis dato noch nicht nachgekommen. Dadurch ist für das Projekt ein großes Liquiditätsproblem entstanden, das zu einem Abbruch des Projekts und zu weit höheren Rückzahlungsverpflichtungen der Republik Österreich an die EU führen könnte, die bis zu 65 Millionen € betragen könnten.

Daher meine Frage: Herr Bundeskanzler, wann ist damit zu rechnen, dass die Republik Österreich ihren Eigenanteil für dieses Projekt: Modernisierung der Eisenbahnstrecke Sopron – Szombathely – Szentgotthárd zahlt, damit wir nicht Gefahr laufen, EU-Mittel zurückzahlen zu müssen?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich weiß diese und andere Detailfragen der Pro­jekte und eines Projektstandes nur, wenn ich die dafür Verantwortlichen frage, und ich würde Ihnen die Antwort dann nachreichen. Da ich aber in diesem Bereich tätig war, könnte ich mir vorstellen, dass es natürlich damit zu tun haben könnte, dass es in die­sem Bereich zu einer Gesellschaftsänderung gekommen ist und sich möglicherweise daher auch die Art der Einreichung und der Abwicklung geändert hat.

Aber wie gesagt, ich möchte als Bundeskanzler nicht in dem Bereich, für den ich noch dazu vorher zuständig war, Auskünfte erteilen, die möglicherweise nicht den letzten Stand beinhalten, und werde daher mit der Ministerin Rücksprache halten und Ihnen die Information zukommen lassen.

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Ertl.

 


Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, kurz EFRE, ist ein wichtiger Struk­turfonds, der für die Wirtschaft, für den wirtschaftlichen Aufholprozess der ärmeren Re­gionen sorgen soll.

Jetzt meine Frage: Wie sieht die weitere Entwicklung der Zuschüsse aus dem Europäi­schen Fonds für regionale Entwicklung aus?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sie wissen, dass gerade die Belange der Regional­förderung – nicht in allen Bereichen, aber in wesentlichen Bereichen – in den Händen eines Kommissars sind, den Österreich stellt. Und Sie wissen, dass er jedenfalls inner­halb der Kommission daran mitwirken kann, auch in jenen Bereichen tätig zu sein, die nicht unmittelbar sein Aufgabengebiet betreffen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir uns, um eine Unterstützung dieser Regionen auch in Zukunft sicherzustellen, europaweit darüber im Klaren sind, dass all diese Strukturmit­tel auch einen positiven Beschäftigungseffekt und einen positiven Wirtschaftseffekt hat­ten.

Wenn man weiß, dass man vor einer Budgetkonsolidierung steht, kann man aus mei­ner Sicht für die nächste Periode der Europäischen Union und damit auch die Kofinan­zierung in Österreich keine Vorhersage treffen. Ich kann Ihnen nur sagen – und das habe ich heute schon einmal gesagt –, dass gerade für diese Fragen der Zusammen­


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arbeit und der regionalen Entwicklung in der Europäischen Union eine starke Mehrheit und damit auch eine starke Unterstützung der anderen Regierungschefs vorhanden ist.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur 5. Anfrage. Anfragesteller ist Herr Bun­desrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler, meine Frage lautet:

1741/M-BR/2010

„Welche Maßnahmen der Verwaltungsreform, die von der Arbeitsgruppe Verwaltung neu unter Einbindung von IHS, Wifo und Rechnungshof bereits zahlreich erarbeitet wur­den, werden Sie heuer noch umsetzen?“

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Hoher Bundesrat! Ich freue mich, dass auch so vie­le Schülerinnen und Schüler bei uns sind!

Sehr verehrter Herr Bundesrat, Ihre Frage zur Verwaltungsreform ist eine umfassende. Die Frage, wie viele Maßnahmen davon heuer umgesetzt werden, ist der kleinere Teil – denn wäre die Verwaltungsreform so angelegt, dass wir sie heuer im vollen Umfang um­setzen, dann wären wir weltweit rekordverdächtig. Ich glaube zwar, dass wir in der Ab­schaffung von Doppelgleisigkeiten und in der Schaffung von Synergien zu den Spitzen­reitern gehören werden – wo man sparen kann, soll man sparen! –, kann Ihnen aber jetzt nur jene Projekte sagen, die auch in der letzten Regierungssitzung beschlossen wurden.

45 Projektmaßnahmen, die beim Ministerrat am 11. Mai 2010 beschlossen wurden, das sind 19 Projekte, die aktuell sind und bereits umgesetzt oder in diesem Jahr umgesetzt werden. Das Einsparungspotential durch diese Projekte beträgt 100 Millionen €. Das Ziel der Verwaltungsreform bis 2013 ist aber wesentlich engagierter und reicht bis zu 3 Mil­liarden € – dies nur, um zu zeigen, dass wir hier am Anfang stehen.

Wenn Sie die Maßnahmen, die heuer noch beschlossen werden oder gerade beschlos­sen wurden, hören wollen, sage ich sie Ihnen gerne: Ein One-Stop-Shop für die Behör­denkontakte bei Meldung etwa einer Geburt, der bis 2010 umgesetzt wird. Ein One Stop Shop für die Behördenkontakte bei den Gewerbeanmeldungen wird bis 2010 abgeschlos­sen werden. Unternehmerserviceportale online, Vereinheitlichung der Fuhrparkstrategie, Nutzung der Synergieeffekte bei den Wetterdiensten, ebenfalls mit den nötigen Endbe­richten, aber auch einiges zur Bundesbeschaffung.

Also organisatorische Maßnahmen, die innerhalb der Regierungsmannschaft in dieser Sitzung im Mai festgelegt wurden, können zu einem Gutteil heuer abgeschlossen wer­den. Die großen Fragen – Fragen der Bildung, der Gesundheit, des Förderungsdschun­gels – brauchen etwas mehr als Vorlauf als die nächsten paar Wochen.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundes­rat.

 


Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundeskanzler, Sie ha­ben über Doppelgleisigkeiten gesprochen. Es gibt einige Doppelgleisigkeiten, wo Bun­desbehörden auch in den Ländern tätig sind.

 


Können Sie sich vorstellen – es hat diesbezüglich auch schon einige Anfragen an Bun­desminister gegeben –, über solche Doppelgleisigkeiten und Parallelstrukturen zu dis­kutieren?


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Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich wäre dafür, über diese Doppelgleisigkeiten auf allen Ebenen zu reden. Ich habe in den letzten Tagen oft Gelegenheit gehabt, wenn je­mand gefragt hat: Was erwartest du von der Transparenzdatenbank, die wir gemein­sam vorbereiten wollen?, zu sagen: Sie ergibt aus meiner Sicht nur dann einen Sinn, wenn nicht nur der Bund mit seinen Förderungen, sondern auch die Länder und Ge­meinden vertreten sind, denn dann kann man eine Doppelgleisigkeit auch tatsächlich feststellen.

Das ist nun so beschlossen worden. Wir haben die Länder aufgefordert, uns diese Da­ten zur Verfügung zu stellen. Wir haben sogar vereinbart, wir würden uns um ein Bun­desgesetz bemühen, wenn das nicht durch die Verhandlungen mit den Ländern – das ist unser erstes Ziel: Verhandlungen mit den Ländern – passiert, um genau zu diesen Daten zu kommen.

Das Förderungswesen ist nur dann durchschaubar, wenn man Klarheit hat. Ein Arzt, der kein Röntgenbild hat, sollte auch nicht zu den Maßnahmen schreiten. Also brauchen wir völlige Klarheit darüber, wie es mit den vielen Projekt- und Raumförderungen aus­sieht und wer in all den Bereichen der Wirtschaft, der Landwirtschaft, der Direkthilfen, der Transferzahlungen, die es gibt, welchen Beitrag leistet.

Manches Mal hat in der Vergangenheit jemand nicht so sehr in die Öffentlichkeit ge­stellt, was er tut, weil er der Meinung war, es könnte dazu führen, dass ein anderer sagt: Wieso gibt es das in Vorarlberg und wieso gibt es das nicht in Niederösterreich?, und: Warum gibt es das in Wien und nicht in Niederösterreich?, oder umgekehrt. Aber ich glaube, dass es noch wichtiger ist, diese Geheimhaltung zu durchbrechen und zu sagen: Es darf niemand in der Republik einen Grund haben, die Zahlen seiner Aus­gaben nicht auf den Tisch zu legen. Es handelt sich immerhin um Ausgaben des Steu­erzahlers. Es ist ja nicht die Privatschatulle von irgendeinem Politiker, es ist das Steu­ergeld, das hier eingesetzt wird.

Ich erwarte mir daher von dieser Transparenzdatenbank, dass diese Zahlen auch auf den Tisch kommen. Die werden viel Diskussion auslösen. Und manche werden sagen: Das hast du jetzt davon, dass da so viel auf dem Tisch ist! – Aber mir ist lieber, es ist auf dem Tisch, man kann es anschauen, man kann darüber auch trefflich streiten, aber dann kommt man zu einem Ergebnis, das heißt: Doppelgleisigkeiten muss man besei­tigen! Sparen dort, wo es möglich ist! (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesra­tes Dönmez.)

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Kaltenbacher.

 


Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Bundeskanz­ler, Sie haben von 45 Projekten in der Verwaltungsreform gesprochen. Meine Frage da­zu: Sind Maßnahmen im Bereich des Beschaffungswesens geplant?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Gemeinsamer Einkauf, stärkere Nutzung der Bun­desbeschaffung GmbH, elektronische Durchführung von Beschaffung für die österrei­chische Verwaltung soll bis 2010 in einem Beschluss umgesetzt werden. Die Arbeits­programme für Beschaffung im Spitalsbereich, Schulbereich und in den ausgeglieder­ten Gesellschaften sowie Infrastrukturgesellschaften werden im Laufe der zweiten Jah­reshälfte 2010 umgesetzt. Das führt zu Effizienzsteigerungen.

Sie wissen, dass es, wenn man unterschiedliche Bereiche im Bund zusammenholt und fragt: Können wir das nicht gemeinsam kaufen oder sogar gemeinsam verwalten, kön­nen wir nicht von der Datenerfassung zu einer Gemeinsamkeit kommen?, sehr oft sehr


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berechtigte Gegenargumente der Experten, der Praktiker in der Verwaltung gibt, die vie­les anzuführen haben, warum ihr Bereich sich von anderen Bereichen so unterschei­det, dass das eine gemeinsame Beschaffung schwierig macht.

Daher hat es ein bisschen gedauert, das vorzubereiten, denn es soll ja diese Übergangs­phase, in der von einer völlig aufgesplitterten Beschaffung oder einer völlig aufgesplit­terten Erfassung von Daten zu gemeinsamen Vorgangsweisen – einer gemeinsamen EDV etwa – übergegangen wird, mit den Praktikern geschaffen werden. Man hat ja nichts davon, wenn die Leute, die das machen, einen warnen und man fährt drüber und führt das einfach ein! Sie sind ja einzubeziehen, und daher ist es im heurigen Jahr und in der zweiten Jahreshälfte so zu erwarten, wie ich es Ihnen gerade berichten durfte.

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Podgorschek.

 


Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Wann wird ein neues, dringend benötigtes Beamtendienstrecht als Minister­vorlage in Begutachtung gehen?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wenn es ausverhandelt ist, sei es punktuell oder umfassend, sei es in einzelnen Bereichen oder generell. Das ist eine gute Tradition der Sozialpartnerschaft in Österreich. Diese gilt in allen Bereichen, auch im öffentlichen Bereich.

Ich weiß, dass manches Mal in der öffentlichen Diskussion jemand einen Vorschlag macht und ein anderer einen anderen Vorschlag macht, aber wirklich ausdiskutiert muss es nicht werden, indem es in der Öffentlichkeit ausdiskutiert wird, sondern indem zuerst die Partner miteinander reden. Ich erwarte mir von den Gesprächen auch einen Erfolg dadurch, dass eine Stärke der großen Koalition darin besteht, dass sowohl auf gewerk­schaftlicher Ebene, aber auch unter Einbeziehung der Bundesländerinteressen diese Regierung doch eine sehr breite Basis hat. Und wenn die Opposition sich konstruktiv versteht, dann ist das auch eine Gelegenheit etwa im Dienstrecht, aber auch in vielen anderen Fragen, einen wesentlichen Schritt weiterzukommen.

Ich bin überzeugt davon, dass die Bevölkerung sehr genau beobachtet, ob wir auch dort Mut an den Tag legen, wo Verhandlungen etwas intensiver werden, oder ob wir eher den Weg des geringeren Widerstands gehen. Da werden wir alle spätestens bei der Nationalratswahl 2013, aber in der öffentlichen Meinung schon vorher, Rede und Ant­wort zu stehen haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Zwanziger.

 


Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Wie ist der Stand bei den Verhandlungen in den Bundesländern über die Umsetzung des Konzeptes „Verwaltungsreform Schule“?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es gibt eine Arbeitsgruppe, die wir geschaffen ha­ben, in der der Rechnungshof und einige Bundesländer vertreten sind – also, es wur­den Vertreter für die Bundesländer entsandt. Es sind nicht alle immer in allen Arbeits­gruppen gleich repräsentiert, aber es gibt überall Vertreter von Bundesländern, um nicht ohne sie zu tagen. Vertreten ist auch der Rechnungshof, natürlich das Finanzministe­rium, das Bundeskanzleramt oder das jeweilige Fachministerium.

Es gibt diese Arbeitsgruppe, und dazu kommt auch die Arbeitsgruppe „Schule/Bildung“, die auch solche Strukturen aufzeigt. Hier wurden die Unterlagen betreffend Doppelglei­sigkeiten beziehungsweise betreffend jene Themen, die zur Regelung anstehen, ver­sendet.


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Ich habe mit großem Interesse vernommen, dass sich auch der neue Verantwortliche der Landeshauptleute in diesem Kreis gemeldet und gesagt hat, er möchte gerade in seiner kommenden Funktionsperiode der Frage der Bildung besonderes Augenmerk widmen. Das freut mich, denn auch mir ist Bildung und dort die Beseitigung von Dop­pelgleisigkeiten ein großes Anliegen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur nächsten Anfrage. Fragesteller ist Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, meine Frage lautet:

1746/M-BR/2010

„Wird von Ihnen und auch von der Bundesregierung angedacht, dass der VwGH auch in Fällen, in denen der Sachverhalt vollständig abgeklärt ist oder nur mehr geringfügige Ergänzungen erforderlich erscheinen, meritorisch, also in der Sache selbst, entschei­den kann?“

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Der von Ihnen ange­sprochene VwGH hat unserer Überzeugung nach auch vom System her nicht die Mög­lichkeit, Beweisverfahren durchzuführen, ist also keine Tatsacheninstanz in dem Sinne, dass man die Einzelfallprüfung vorgelagert hätte, sondern ist eben vom System her – anderes wäre ein gravierender Systemwechsel – anders eingestellt. Die neuen Verwal­tungsgerichte erster Instanz sollen aber grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden.

Also: Betreffend den VwGH haben wir keinen Systemwechsel vor. Im Zusammenhang mit den neuen Verwaltungsgerichten erster Instanz soll auch grundsätzlich in der Sa­che selbst entschieden werden.

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundes­rat Mit­terer.

 


Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Bundeskanz­ler! Im internationalen Vergleich kann ein Oberstes Verwaltungsgericht mit einer ver­gleichbaren personellen Ausstattung wie der des VwGH nicht mehr als zirka 3 000 Be­schwerdefälle in angemessener Zeit und entsprechender Qualität erledigen.

Wird an eine personelle Aufstockung des VwGH gedacht, um die jährlich immer noch 5 000 bis 6 000 anfallenden Fälle entsprechend bearbeiten zu können?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ers­ter Instanz ist für uns ein wesentlicher Fortschritt und wird von diesem Bereich im Gro­ßen und Ganzen auch so gesehen. Ich habe da an einigen Gesprächen teilgenommen, die zeigen, dass ein einheitlicher Rechtsschutz, aber auch die Entlastung des Verwal­tungsgerichtshofes und die erwarteten kürzeren Verfahrensdauern aus rechtsstaatlicher Sicht positiv zu bewerten sind. Also ich glaube, dass wir auch dadurch eine gewisse Ent­lastung schaffen.

In die Verhandlungen, die es zwischen den Gerichten, der Justizministerin in der Sache und der verantwortlichen Ministerin für Angelegenheiten im Dienstrecht gibt, mische ich mich bei der Stellenbesetzung nicht ein. Ich bin aber überzeugt davon, dass die getrof­fenen Entscheidungen etwa in den Verwaltungsbereichen und die Vereinheitlichungen zu wesentlichen Entlastungen führen.

 



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Präsident Martin Preineder: Nächste Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Klug.

 


Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geschätzter Herr Bundeskanz­ler, vielen herzlichen Dank für die von Ihnen soeben hervorgehobene besonders gute Tradition der sozialpartnerschaftlichen Strukturen in Österreich! – Nun aber zu meiner Frage.

Sehr geschätzter Herr Bundeskanzler, zum Begutachtungsentwurf betreffend die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind mittlerweile mehr als 100 Stellungnahmen einge­gangen. Deren Analyse abzuwarten ist selbstverständlich; meine Frage möchte ich da­her zu diesem Zeitpunkt wie folgt formulieren:

Welche Auswirkungen auf das Rechtsstaatsprinzip erwarten Sie sich durch die Einfüh­rung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Die Stellungnahmen, wie Sie erwähnt haben, sind natürlich nicht nur genauestens zu lesen, sondern auch dort einzuarbeiten, wo sie einen wesentlichen Beitrag leisten – und ich bin überzeugt davon, dass das noch eine umfas­sende Diskussion wird.

Geschaffen wurde das natürlich zur Vereinfachung und zur Erreichung einer kürzeren Verfahrensdauer, aber aus rechtsstaatlicher Sicht geht es auf der einen Seite immer darum, dass bei komplexen Sachverhalten einerseits Verwaltungsabläufe, aber ande­rerseits natürlich auch die Gerichtsbarkeit einen niedrigschwelligen Zugang haben soll, also für jeden leistbar und auch erkennbar, damit nicht nur jeder dieselben Rechte hat, sondern auch in die Lage versetzt wird, sie in Anspruch zu nehmen, und auf der ande­ren Seite darum, die daraus entstehende Vielfalt so zu ordnen, dass die Abläufe bezie­hungsweise die Verfahren kürzer werden und auch eine gewisse Dienstleistung für den Antragsteller gegeben ist und dass die rechtliche Qualität auf höchstem Niveau gehal­ten wird.

Das ist als Prinzip schnell formuliert und in der Theorie, wie meine, auch unbestritten, aber diese Diskussion und die vielen Stellungnahmen zeigen, dass, wie es so schön heißt, oft der Teufel im Detail steckt. Und es wird auch da so sein, dass wir diese vie­len, vielen Stellungnahmen, die es gibt, sehr ernst nehmen und einarbeiten.

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl.

 


Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundeskanzler! Für viele Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes gilt das Richterdienstgesetz, nach wel­chem sie strengen Unvereinbarkeitsbestimmungen unterliegen und somit auch keine Organfunktionen in Kapitalgesellschaften innehaben dürfen. Damit soll ein möglicher schädlicher Einfluss auf die Rechtsprechung von vornherein unterbunden werden. Jetzt zu meiner Frage:

Sind Sie bereit, ein derartig strenges Verbot auch für Verfassungsrichter vorzusehen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Der Verfassungsgerichtshof – und hier ist ja immer auch auf die Diskussionen, die von den unabhängigen Verfassungsrechtlern selbst ge­führt werden, sehr Rücksicht zu nehmen – hat sich in der Vergangenheit Regeln auf­erlegt. Dazu gehört, dass etwa der Verfassungsgerichtshofpräsident wissen muss, wo­rum es geht, bevor jemand so etwas antritt, und natürlich auch vom Verfassungsge­richtshofpräsidenten und – davon bin ich überzeugt – auch von allen Mitgliedern des VfGH sehr genau beachtet wird, wer welche Funktion wo übernimmt. – Daher war es


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schon in der Vergangenheit so, dass Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes etwa in Aufsichtsräten waren.

Ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit einige davon kennengelernt, etwa den ehema­ligen Verfassungsgerichtshofpräsidenten Korinek, den ich sehr schätze, in einer Wohn­baugenossenschaft in meiner Zeit als Wohnbaustadtrat. Ich habe also immer wieder aus diesem Kreis honorige Persönlichkeiten in Aufsichtsräten wahrgenommen, beurtei­le ihre Arbeit als ausgesprochen sinnvoll und würde daher persönlich aus meiner Sicht keine Änderung vorsehen.

Sollte der Verfassungsgerichtshof – seine Mitglieder und der Präsident – zu einer Dis­kussion gelangen mit dem Ergebnis, dass sie der Meinung sind, dass es sie in ihrer Unabhängigkeit oder in ihrer Tätigkeit einschränkt, dann bin ich überzeugt davon, dass sie mit mir diesen Dialog aufnehmen.

Ich habe das Gefühl, dass die Mitglieder, die ich im Laufe meiner doch langen politi­schen Laufbahn etwa in Aufsichtsräten getroffen habe, dort alle einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Michalke.

 


Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, bis wann kann man damit rechnen, dass die Landesverwaltungsgerichtshöfe installiert werden, und wenn es so weit ist, erwarten Sie nach einer Installierung der Landesver­waltungsgerichtshöfe eine Entlastung des VwGH?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Eine Entlastung erwarte ich, weil das der eigentli­che Sinn dahinter ist und weil das die Idee war.

Ich kann Ihnen noch keinen Termin nennen; das würde auch gegenüber jenen, die jetzt Stellungsnahmen abgegeben haben, respektlos sein. Ich glaube, wir sollten alle diese Stellungnahmen, die gekommen sind, mit Respekt behandeln und daher noch keine vorzeitigen Termine nennen oder Terminzusagen abgeben.

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, nur eine Bemerkung zu Ihrer vorhergehenden Antwort: Die Politik muss eigentlich Unver­einbarkeiten vorgeben. Aufsichtsratsfunktionen sind keine Charity-Funktionen, und dass das von Begünstigten kommt, ist eher nicht zu erwarten.

Aber zu Ihrer ursprünglichen Antwort zu dieser Fragestellung: Sie sind dafür, dass der Verwaltungsgerichtshof ein Kassationsgerichtshof bleibt. Darüber bin ich sehr ...

 


Präsident Martin Preineder: Die Frage, bitte!

 


Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): Herr Bundeskanzler, der Rechnungshof bescheinigt dem Verwaltungsgerichtshof extreme Sparsamkeit. Und alleine das, was derzeit abzuarbeiten ist, ...

 


Präsident Martin Preineder: Herr Kollege, wir befinden uns in der Fragestunde.

 


Bundesrat Stefan Schennach (fortsetzend): ... eben im Asylbereich, erfordert sozusa­gen die volle Personaldecke.

Können Sie sicherstellen, dass es zu keinen Einsparungen in der derzeitigen Personal­planung kommt?

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich sehe wie Sie die Arbeit des VwGH sehr positiv, insbesondere auch in ihrer organisatorischen Abwicklung und in ihrer Sparsamkeit, ich


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bin aber nicht in der Lage, wirklich jetzt im Detail festzustellen, ob es nicht auch dort Ein­sparungsmöglichkeiten gibt. Auch jemand, der sparsam ist, kann noch Möglichkeiten der Effizienzsteigerung haben.

Wenn Sie mich also darauf festlegen wollen, dass es dort zu keiner Änderung kommen kann, dann würde ich gerne die Gelegenheit haben, das gemeinsam mit meiner zu­ständigen Ministerin, mit der ich diese Abläufe im Besonderen durchgehe und bespre­che, die für Personal zuständig ist, die ich auch in diesem Bereich als inhaltlich Zustän­dige heranziehe, zu besprechen, weil ich keiner jener bin, der sagt, nur weil gerade Fra­gestunde ist: Dort wird sich nichts ändern!, wenn ich nicht vorher genau weiß, dass ich es halten kann. – Also diese Gelegenheit würde ich gerne haben.

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur 7. Anfrage. Anfragesteller ist Herr Bun­desrat Ing. Bock. – Bitte.

 


Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Herr Bundeskanzler! Spekulationen mit Aktien haben sicherlich einen wesentlichen Beitrag zu dieser Finanz- und Wirtschafts­krise geleistet.

Daher meine Frage:

1745/M-BR/2010

„In welchem Rahmen – global, europäisch oder national – sollte es zu einer Umset­zung einer Transaktionssteuer kommen?“

 


Präsident Martin Preineder: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich wünsche mir natürlich weltweit, weil sich so die Transaktionen am besten festmachen lassen und man damit eine Fluchtmöglichkeit aus­schließt.

Ich weiß aber, dass man oft zu lange wartet – so wie in der Umweltbewegung und im Umweltschutz auch –, wenn man immer darauf wartet, dass es weltweit zu einer Maß­nahme kommt. Daher muss man auch auf europäischer Ebene oder in der Eurozone, in gewisser Weise auch in Österreich Maßnahmen setzen, die niemals besser sind als eine international geregelte, gleichzeitig gemeinsam eingeführte Finanztransaktionssteu­er, die aber besser sind, als nichts zu tun und den Zustand zu betrauern, dass sich die internationale Staatengemeinschaft so schwer einigt.

Ich war selbst in Kopenhagen zum Thema Umwelt und habe schon gesehen, wie es ist, wenn 190 Regierungschefs auch nur eine Resolution verabschieden wollen, die etwas Konkretes beinhalten soll: Solange es um die gemeinsamen Überschriften geht, kann man allerlei verabschieden, aber wenn es konkret wird, dann hört es sich schnell auf. Und ich bin von einem überzeugt: Der richtige Ansatz, den ich hundertprozentig unter­schreibe, ist ein weltweiter – aber das darf nicht als Ausrede dienen, in Europa nichts zu tun. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

 


Präsident Martin Preineder: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Saller.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Bundeskanzler, welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit eine eventuelle Transaktionssteuer zu keinen Wettbewerbs­verzerrungen mit unseren Nachbarländern, wie zum Beispiel der Schweiz, führt?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Alle Maßnahmen, die man setzt, sind – und das habe ich ja in meiner ersten Beantwortung versucht, deutlich zu machen – am besten, wenn sie der Nachbar auch setzt. Und da wir in einer globalen Welt leben und wenn es


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um Finanztransaktionen geht praktisch jeder unser Nachbar ist, weil man mit einem Knopfdruck Finanztransaktionen durchführen kann, ist natürlich die logische und einzig richtige Antwort: Es gibt nur eine Maßnahme: Die internationale Staatengemeinschaft führt etwas gleichzeitig ein.

Ich bin aber von einem überzeugt, und daher vergleiche ich es so gerne mit der Umwelt: Wenn wir beim Klimawandel sagen: Wir machen erst dann etwas, wenn wir die Unter­schrift von allen Ländern – etwa von China, Brasilien und allen anderen Ländern – ha­ben; vorher machen wir nichts!, dann würden wir nicht nur den nächsten Generationen erheblich schaden, weil vorläufig nichts zustande kommen würde, sondern das würde auch gar nicht den Druck erhöhen, etwas zu tun.

Ich sehe es eher umgekehrt: Ich sehe es eher so, dass eine gewisse Vorbildwirkung durch ein Land wie Österreich in der Staatengemeinschaft der Eurozone, also der ge­meinsame Währungsgemeinschaft oder in der Europäischen Union eingenommen wird, so etwas wie eine Pionier- oder Vorreiterfunktion, die auch in der öffentlichen Meinungs­bildung international Bedeutung hat.

Wo ist nun die Grenze? – Da gibt es gewisse Grenzen! Auch in der Klimapolitik gibt es gewisse Grenzen, wenn wir im eigenen Land davor zurückscheuen, Maßnahmen zu set­zen, die dazu führen, dass wir plötzlich keine Industrie mehr haben, weil wir so strenge Vorschriften nur im eigenen Land machen, wie wir sie uns weltweit wünschen, und da­mit der Flucht Vorschub leisten und in manchen Bereichen die Flucht vielleicht sogar einleiten.

Also gibt es einen Schnittpunkt zwischen einem „Beispielsetzen“ und einem „Rücksicht­nehmen auf eigene Interessen“, und darum geht es bei allen Maßnahmen, auch bei der Bankenabgabe, auch bei vermögensbezogenen Steuern, auch bei Fragen des Stif­tungsrechts, auch bei Steuerschlupflöchern. Wir können nicht sagen: Die Zielgröße sind Steuerparadiese irgendwelcher Steuerparadies-Inseln!, sonder wir sagen: Die Zielgrö­ße ist, dass wir eine gewisse Vorbildfunktion auch in diesem Bereich haben! Und das gilt auch für die Transaktionssteuer, für die Bankenabgabe und für diesen Sektor. (Bei­fall bei SPÖ und ÖVP.)

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wird es auch einen Fonds geben, in den Banken einzahlen, um für schlechtere Zeiten gerüs­tet zu sein, damit dort Geld zur Verfügung ist, damit nicht wieder der Steuerzahler allein herhalten muss?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr verehrte Frau Bundesrätin! Es gibt da unter­schiedliche Modelle: Ein Modell, das auf europäischer Ebene sehr stark diskutiert wird, weil es einige Regierungschefs immer wieder einbringen, ist das Modell, einen Fonds zu schaffen, der, so wie Sie das formuliert haben, die Risken, die er eingeht für den Fall, dass sie schiefgehen, auch selber trägt.

Man muss wissen, das ist vom Prinzip her eine richtige Idee. Aus meiner Sicht stimmt die Richtung. Man soll zuerst einmal dafür sorgen, dass die Bankenabgaben auch bei der Beseitigung von Schäden Verwendung finden, also bei dem, was jetzt zu bezahlen ist. Und man soll vorausschauend dafür sorgen, dass Banken und der Finanzsektor Ris­ken, die sie eingehen, auch selber bezahlen können.

Man muss nur wissen, dass es bei dieser Idee eine Voraussetzung gibt, dass nämlich der Fonds so gestaltet ist, dass er die eingegangenen Risken dann auch selber bezah­len kann. Wenn dies nur eine Motivation ist, noch mehr zu spekulieren, weil man sich


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dann auf einen Fonds verlässt, der die Risken bezahlt, passiert etwas Verheerendes: Wir wissen aus der letzten Wirtschaftskrise, dass überhaupt kein Fonds in der Lage ge­wesen wäre, diese Schäden zu bezahlen, sondern der Fonds waren letztlich die Steuer­zahler, also die Staaten.

Wenn man schon weiß, dass es systemrelevante Banken und systemrelevante Teile des Finanzsektors gibt, dann muss man natürlich in Betracht ziehen, dass so ein Fonds nur ein Puzzlestein bei der Bewältigung von Risken sein kann. Da braucht man mehr! Man braucht zum Beispiel eigene Ratingagenturen, man muss auch gewisse Bereiche ver­bieten. Die Amerikaner diskutieren sehr intensiv die Frage: Sollte nicht eine Bank ge­trennt werden in einen Teil mit der klassischen konservativen Funktion einer Bank und in einen Teil, wo man Risikogeschäfte in Töchter auslagert, damit für den Fall, dass et­was in Konkurs geht, nicht die systemrelevante Mutterbank mit den klassischen Kredit­geschäften betroffen ist, die die Staaten immer zu retten haben, weil sie immer die Spa­rer betrifft, weil sie immer das Sparbuch betrifft, weil sie immer die Klein- und Mittelbe­triebe und damit die Finanzierung betrifft? Also sollten sich die Banken nicht ihre spe­ziell kreierten Finanzprodukte selber verantworten in ausgelagerten Töchtergesellschaf­ten, für die eigenen Insolvenzrechte und damit auch Möglichkeiten für den Fall, dass sie in Konkurs gehen, geschaffen werden?

Also ich sehe einen solchen Fonds nur im Einklang mit anderen Maßnahmen, mit be­gleitenden Maßnahmen, wie etwa der klaren Regelung, was man wo darf. Genau um diese Regelungen geht es, um diese Reglementierungen geht es! Wenn diese Regle­mentierungen stark genug sind, wenn die Transparenz der Daten stark genug ist, wenn die Eingriffe und damit auch gewisse Verbote von Spekulationen stark genug sind, dann kann so ein Fonds durchaus ein wichtiger Bestandteil sein und dann ergibt er auch einen Sinn. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Präsident Martin Preineder: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Zwanziger.

 


Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Herr Bundeskanz­ler! Sollte eine Transaktionssteuer auf EU-Ebene eingeführt werden, wie wollen Sie si­cherstellen, dass die entsprechenden Steuereinnahmen in und für Österreich lukriert werden und nicht auf EU-Ebene?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Es hat derzeit bei allen Diskussionen um Banken­abgabe und Finanztransaktionssteuer eine klare Haltung dahin gehend gegeben, dass es sich um Einnahmen der Nationalstaaten handelt. Ich könnte mir auf längere Sicht schon vorstellen, dass die Europäische Union dort, wo alle Nationalstaaten zugestimmt haben – denn anders würde es ja gar nicht gehen –, natürlich auch gemeinsam Finan­zierungen übernehmen und Finanzierungsinstrumente schaffen könnte, die diese ge­meinsam – nur, wo alle mitgestimmt haben – beschlossenen Projekte auch gemeinsam finanzieren.

Zur Stunde geht es in Wirklichkeit immer um die Abstimmung von Maßnahmen, die in einer gewissen Bandbreite gleichzeitig eingeführt werden sollen. Ich muss aber, um den Bundesrat auch immer aus meiner Sicht nach bestem Wissen und Gewissen zu infor­mieren, sagen, wie der Diskussionsstand ist: In der Europäischen Union der Regierungs­chefs ist zur Stunde nicht einmal die Hälfte für eine Einführung der Transaktionssteuer auf europäischer Ebene. Es sind einige – wie etwa UK, Schweden, der Vertreter der Tschechischen Republik und Italien – nicht einmal der Meinung, dass wir das interna­tional entschlossen verlangen sollen.

Also um nicht den falschen Eindruck in der Diskussion zu erwecken: Das wird ein har­ter politischer Konflikt und ist keine gemeinsame Linie der von uns gemeinsam vertre­


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tenen Europäischen Union, sondern wir sind mit unserer Position einer Transaktions­steuer, der alle Parlamentsparteien zugestimmt haben, ganz weit vom Ziel entfernt, was an den Stellungnahmen anderer Regierungschefs deutlich sichtbar ist. Sonst käme ich auch gar nicht auf die Idee, Maßnahmen wie eine Bürgerinitiative als Regierungschef zu begrüßen, ja sogar dort, wo ich einen Betrag leisten kann, zu unterstützen, wenn ich glauben würde, dass es möglich wäre, in absehbarer Zeit diese Finanzarchitektur, die wir gemeinsam verlangen, nämlich Verbote von Spekulationen, die unbestrittenermaßen in Österreich eingeführt gehören würden, und Einnahmen wie etwa eine Finanztrans­aktionssteuer oder eine Bankenabgabe durchzusetzen.

Das wird eine harte politische Auseinandersetzung innerhalb der Europäischen Union, wo wir viele Gegner haben, die aus ganz verschiedenen Überlegungen agieren: aus dem Grund des eigenen Finanzplatzes oder weil es ihrer ideologischen Ausrichtung nicht entspricht oder weil sie in Wirklichkeit das alles wieder wollen, was sie schon vor der Krise gesagt haben und jetzt wieder nach der Krise sagen, so als wäre nichts ge­schehen. – Aufgrund verschiedenster Gründe wird das eine harte politische Auseinan­dersetzung.

Diese Finanztransaktionssteuer innerhalb der Europäischen Union, auch wenn wir sie so einhellig bei Fragestunden, bei Diskussionen unterstützen, wird einer der Hauptkon­flikte der nächsten Monate sein. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zur 8. und letzten Anfrage. Anfragesteller wä­re Herr Bundesrat Kneifel. Er ist aus traurigen familiären Gründen verhindert, hat uns aber mitgeteilt, dass er laut § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis be­kannt gibt, dass Herr Bundesrat Steinkogler in das Fragerecht eintritt. Ich darf diesen um die Fragestellung bitten.

 


Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler, die Frage lautet:

1742/M-BR/2010

„Warum haben Sie im Zuge der eben erfolgten Novellierung des ORF-Gesetzes keine Reform der Gremien des Österreichischen Rundfunks vorgeschlagen, obwohl vor allem der Rechnungshof und der Publikumsrat diese dringend einmahnen?“

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Wir haben, sehr verehrter Herr Bundesrat, bei der Novellierung des ORF-Gesetzes ‑ da ich Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer schon gesehen habe, gibt es ja kaum jemanden Berufeneren in Ihrem Kreis; ich weiß, Sie werden mit ihm diese Diskussion auch noch führen –, glaube ich, einen entscheiden­den Punkt und eine Reform zustande gebracht, die auch die Bezeichnung „Reform“ verdient, weil sie elementare und grundsätzliche Änderungen vornimmt.

Noch nicht die Reform der Gremien! Diesbezüglich gibt es eine Vereinbarung, bis zum Ende des Jahres 2011 Fünf-Parteien-Gespräche aufzunehmen, um den Wahlmodus des Publikumsrates und die Aufgabenstellung der ORF-Gremien und deren Struktur zu diskutieren.

Ich möchte Ihnen auch sagen, warum ich das für sinnvoll erachte. Ich bin dafür, dass ein Entscheidungsgremium – so wie in der Wirtschaft auch – möglichst klein sein soll. Es sollen nicht über 30 Leute, sondern unter 15 Leute sein. Es gibt kaum Aufsichtsräte der größten Konzerne in der Welt, die ein Aufsichts-, Kontroll- oder Entscheidungsgre­mium von über 30 Personen bestellen.


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Aber die entscheidende Frage, die Sie mir zu Recht stellen werden, ist: Wer ist denn in diesem Gremium und wer bestellt die Verantwortlichen, von denen wir dann sagen, sie sollen möglichst eigenständig sein, auch ohne Zurufe von Parteien? Sie sollen dort ihre Aufgabe als Aufsichtsräte – Stiftungsrat, Aufsichtsrat, wie immer ihre Bezeichnung ist – im Interesse eines unabhängigen starken ORF ausführen. Diese politische Diskussion möchte ich aber nicht führen, ohne mit allen Parteien gesprochen zu haben, weil ich glaube, dass ihnen hier eine Entscheidung, wie es sie etwa im UK oder in anderen Ländern gibt, nämlich, dass einfach die Regierung diese Gremien besetzt und Schluss, keine Freunde machen würde, wenn ich sie gesamtheitlich sehe – einigen vielleicht schon.

Wir hatten bisher eine gute Tradition, dass wir unsere Maßnahmen, auch wenn zum Schluss nicht alle dafür sind, durchbringen. Wir bringen zwar nicht zustande, dass bei allen Gesetzen und allen Entscheidungen alle Parteien immer zustimmen, aber der An­teil der Gesetze, die Sie ja selbst beschließen und die wir gemeinsam auf die Reihe brin­gen, ist doch sehr hoch.

Ich kann Ihnen daher nicht versprechen, ob die Art und Weise, wie Gremien zu beset­zen sind und der ORF auch fit zu machen ist – da bin ich bei Ihnen: Er muss fit gemacht werden auch von den Entscheidungsebenen her, eine schlanke Entscheidungsstruktur ist zu schaffen –, also ob das Ganze zum Schluss nach den Parteiengesprächen zu einer großen Übereinstimmung führen wird. Das weiß ich nicht vorher. Aber dass diese Gespräche vorher zu führen sind und dass die Aspekte einfließen müssen, im Interes­se eines unabhängigen ORF, davon bin ich überzeugt! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsident Martin Preineder: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundes­rat Steinkogler.

 


Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Wann werden Sie eine Alternati­ve für die 1 Millionen € teure Faxwahl von nur 6 der 35 Publikumsräte des ORF vorle­gen?

 


Präsident Martin Preineder: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Als Teil der Reform, wenn die Gremien neu be­schlossen sein werden, muss auch gefragt werden, ob diese Faxwahl noch einen Sinn hat. Ich stehe auf dem Standpunkt, da gibt es bessere Lösungen – daher gleichzeitig mit der Schaffung der neuen Gremien.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth (den Vorsitz übernehmend): Weitere Zusatz­frage? – Bitte, Herr Bundesrat Kalina.

 


Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen da helfen. Bei der ÖVP ist es so: Solange sie in einem Gremium die Mehrheit hat, ist es mit der Reform nicht so dringend – wie in den letzten Jahren. Wenn sie aber nicht mehr die Mehrheit hat, dann tauchen diese Fragen auf. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Der ORF ist in vielen Fragen ein Leitmedium: bei der Förderung der Kultur, bei der För­derung des Sports. So sollte es auch bei der Frauenförderung sein. Meine Frage lautet daher:

Welche Maßnahmen von gesetzlicher Seite haben Sie vorgesehen, dass es in diesem Bereich beim ORF einen Fortschritt gibt?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Verehrter Herr Bundesrat! Eine 45-prozentige Frau­enquote, bis zu deren Erreichung in Zukunft bei gleicher Qualifikation verpflichtend die


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Frauen zum Zug kommen sollen, bedeutet natürlich noch lange nicht, dass das schnell erreicht wird. Aber das ist zumindest ein Prozess, der klarstellt, dass die 45-prozentige Frauenquote und deren Erreichung auch bei allen Neubestellungen vorgesehen ist, die es derzeit gibt, und darin einbezogen ist. Das betrifft sämtliche Verwendungs- und Ent­lohnungsgruppen.

Bei Gremien und Organen ist daher – und das ist auch so beschlossen worden – auf eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter Bedacht zu nehmen. Gesetzliche Einrichtungen und Regelungen dafür – das wissen Sie – gibt es natürlich bei der Gleich­stellungskommission, den Gleichstellungsbeauftragten und der Arbeitsgruppe für Gleich­stellungsfragen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zusatzfrage? – Bitte, Bundesrat Podgor­schek.

 


Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Da in dem unter Tagesordnungspunkt 1 zu beschließenden neuen ORF-Ge­setz der ORF die sogenannte Gebührenbefreiung in den nächsten vier Jahren abgegol­ten erhalten soll, und zwar in den Jahren 2010 und 2011 mit je 50 Millionen € und in den Jahren 2012 und 2013 mit je 30 Millionen €, ist die erste Tranche für 2010 dem ORF be­reits zugegangen.

Als Bedingung wurde unter anderem der Ausbau der Barrierefreiheit für Hör- und Seh­behinderte auf 45 Prozent bis Ende 2011 vorgeschrieben. Laut dem Budgetplan und dem Konzept des ORF ist aber nur eine Ausbaustufe von 40 Prozent vorgesehen.

Ist dies nicht ein Grund dafür, 2011 dem ORF die zweite Tranche von 50 Millionen € nicht auszubezahlen, da bereits eine der ersten Forderungen nicht erfüllt werden kann?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Bitte, Herr Bundeskanzler.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich bin natürlich in den Details der Budgeterstellung und den Möglichkeiten, die es nach der Budgeterstellung gibt, Ziele zu erreichen, nicht verantwortlich, und daher werde ich mich in diese Details auch nicht einmischen. Aber prinzipiell können wir über eine so gute Beziehung zu den Verantwortlichen, und zwar gemeinsam, im ORF, berichten, dass wir, wenn wir eine derartige Frage zu klären ha­ben, nicht drohen müssen – wir haben ohnehin die Möglichkeit, zu sagen, dass diese Mittel auch an die Einhaltung gebunden sind –, sondern einfach Gespräche einleiten können. Das halte ich für das Sinnvollste. Und ich kenne Dr. Ostermayer schon lange und kann daher sagen: Ich bin überzeugt davon, er ist dazu auch ohne Drohung in der Lage. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundes­rat Schennach.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, da diese Arbeitsgruppe zwei wichtige Fragen bis 2011 beraten und hoffentlich im Sinne ei­nes schlanken Unternehmens lösen wird, eine ganz andere Frage meinerseits. In Euro­pa diskutieren wir eine Medienabgabe pro Haushalt. In Deutschland wurde diese be­reits eingeführt, weil die Endgeräte, das Fernsehgerät, das Radiogerät, gar nicht mehr das künftige Mediennutzungsverhalten darstellen.

Sind Sie bereit, in den nächsten Jahren in Österreich über eine Medienabgabe pro Haus­halt anstelle der bisherigen Fernseh- und Radiogebühren zu diskutieren?

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Bundeskanzler, bitte.

 


Bundeskanzler Werner Faymann: Ich bin jedenfalls dafür, eine Diskussion darüber zu führen, wie wir langfristig Medien in unserem Land sicherstellen können, die möglichst


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unabhängig sind. Sie können mir glauben, ich habe jedes Interesse der Welt daran, da­für zu sorgen, dass ich einen Beitrag dazu leisten kann, dass es in Österreich sowohl eigenständige Medien gibt, als auch möglichst unabhängige Medien, die, auch wenn man sich über das eine oder andere subjektiv ärgert, weil man anderer Meinung ist, doch den Vorzug haben, dass sie dem Land und der Unabhängigkeit verpflichtet sind.

Bei allen Fehlleistungen, die es geben kann und die jeder persönlich von Fall zu Fall verschieden beurteilen wird, ist es doch ein beruhigendes Gefühl, so etwas als Staat und damit auch als Regierungschef vorzufinden. Daher bin ich für alle Überlegungen, die sich, auch über den ORF hinaus gehend – ich beziehe da durchaus auch Private mit ein, die einen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen –, damit befassen, wie diese langfristige Finanzierung geschehen kann.

Bevor wir sagen, wir sind für eine bestimmte Abgabe, müssen wir jedoch alle Abgaben miteinander vergleichen; das wissen Sie. Wenn wir uns immer nur sozusagen Über­schriften beziehungsweise Varianten von Abgaben abschauen, die es in anderen Län­dern gibt, und diese dann bei uns einführen, so hätte das die Eigenwilligkeit, dass es ein Vielfaches ist, weil vielleicht andere Länder Abgaben, die wir schon haben, nicht haben. Also: Für die Diskussion der langfristigen Sicherung haben Sie mich als Part­ner, aber betreffend die Frage, ob das zu einer Abgabe führen muss, beteilige ich mich gerne am Diskussionsprozess. (Beifall bei der SPÖ.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Die Fragestunde ist beendet. Danke, Herr Bundeskanzler. (Allgemeiner Beifall.)

10.36.48Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältig­ten und verteilten Anfragebeantwortungen 2542/AB bis 2547/AB beziehungsweise je­ner Schreiben des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten sowie des Bun­desministers für Finanzen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit der Republik Kosovo, der Ukraine, der Republik Mazedonien und der Republik Türkei über kulturelle Zusammenarbeit sowie mit der Republik Albanien über wissenschaftlich-technische Zu­sammenarbeit und mit der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteu­erung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mittei­lungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenogra­phischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Liste der Anfragebeantwortungen (siehe S. 9)

*****

Schreiben des Bundesministers für Finanzen und des Generalsekretärs für auswärtige Angelegenheiten gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Josef Pröll                                                                                                       BUNDESMINISTERIUM

Finanzminister                                                                                                                 FÜR FINANZEN

Herrn Präsidenten

des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament                                                                                                            Wien, am 18. Juni 2010

1017 Wien                                                                                        GZ: BMF-010221/1054-IV/4/2010


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 38

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 64. Sitzung des Ministerrates am 15. Juni 2010 Verhand­lungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­publik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Im Verhältnis zur Republik Tadschikistan wird das Abkommen mit der Union der Sozia­listischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens samt Notenwechsel, BGBl. Nr. 411/1982, weiter angewendet.

Nur ein eigenes Abkommen zwischen Österreich und Tadschikistan kann entsprechen­de Rechtssicherheit bieten. Außerdem sind beide Seiten daran interessiert, ein Abkom­men zu schließen, das dem neuen OECD-Standard entspricht. Daher wäre nun seitens des ho. Ressorts im Hinblick auf die Gespräche mit einer tadschikischen Delegation im Einvernehmen mit dem BMeiA die Genehmigung des Ministerrats betreffend die Ertei­lung einer Verhandlungsvollmacht einzuholen.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                                    27. Mai 2010

1017 Wien                                                                              GZ: BMeiA-K1.8.33.02/0002-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 11. Mai 2010 (Pkt. 17 des Beschl.Prot. Nr. 60) der Herr Bundespräsident am 17. Mai 2010 die Vollmacht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Re­publik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo über kulturelle Zusammenar­beit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit freundlichen Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-K1.5.26.41/0001-V.1/2010

Abkommen zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Republik Kosovo

über kulturelle Zusammenarbeit; Verhandlungen


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 39

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Es besteht Interesse seitens der Republik Österreich und seitens der Republik Kosovo, eine vertragliche Basis für die kulturellen bilateralen Beziehungen zu schaffen und ein Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit abzuschließen.

Ein solches Abkommen hätte den Zweck, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu verstärken und die Zusammenarbeit im Kulturbereich zu fördern. Es würde durch ein solches Abkommen die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft und auf dem Gebiet des Unterrichtswesens unterstützt werden und der kulturelle Aus­tausch könnte gefördert werden. Zur Durchführung des Abkommens würde eine Ge­mischte Kommission geschaffen werden.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Ges. Dr. Hans Martin Windisch-Grätz                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Mag. Martina Maschke                   Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Ministerialrätin Dr. Dipl.-Päd. Christine                 Bundesministerium für Unterricht, Kunst

Kisser                                                                                                                                               und Kultur

Ministerialrätin Dr. Anna Steiner                               Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Das geplante Abkommen wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter haben und daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 B-VG bedür­fen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlun­gen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Republik Kosovo über kulturelle Zusammenarbeit zu bevollmächtigen.

Wien, am 30. April 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 40

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                                    27. Mai 2010

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-UA.8.33.02/0001-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 11. Mai 2010 (Pkt. 16 des Beschl.Prot. Nr. 60) der Herr Bundespräsident am 17. Mai 2010 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Ukraine über kulturelle Zusammenarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-UA.5.26.41/0001-V.1/2010

Abkommen zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Ukraine über

kulturelle Zusammenarbeit; Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Es besteht Interesse seitens der Republik Österreich und seitens der Ukraine, eine ver­tragliche Basis für die kulturellen bilateralen Beziehungen zu schaffen und ein Abkom­men über kulturelle Zusammenarbeit abzuschließen.

Ein solches Abkommen hätte den Zweck, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu verstärken und die Zusammenarbeit im Kulturbereich zu fördern. Es würde durch ein solches Abkommen die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft und auf dem Gebiet des Unterrichtswesens unterstützt werden und der kulturelle Aus­tausch könnte gefördert werden. Zur Durchführung des Abkommens würde eine Gemisch­te Kommission geschaffen werden.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Ges. Dr. Hans Martin Windisch-Grätz                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Mag. Martina Maschke                   Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 41

Ministerialrätin Dr. Dipl.-Päd. Christine                  Bundesministerium für Unterricht, Kunst

Kisser                                                                                                                                               und Kultur

Ministerialrätin Dr. Anna Steiner                              Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Sofern Beschlüsse über finanzielle Auswirkungen gefasst werden, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zu Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Das geplante Abkommen wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter haben und daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 B-VG bedür­fen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlun­gen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Ukra­ine über kulturelle Zusammenarbeit zu bevollmächtigen.

Wien, am 30. April 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                                    27. Mai 2010

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-MK.8.33.02/0001-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 11. Mai 2010 (Pkt. 18 des Beschl.Prot. Nr. 60) der Herr Bundespräsident am 17. Mai 2010 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Mazedonien über kulturelle Zu­sammenarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfol­gen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 42

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-MK.5.26.41/0002- V.1/2010

„Abkommen zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Republik Mazedonien

über kulturelle Zusammenarbeit; Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Es besteht Interesse seitens der Republik Österreich und seitens der Republik Mazedo­nien, eine vertragliche Basis für die kulturellen bilateralen Beziehungen zu schaffen und ein Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit abzuschließen.

Ein solches Abkommen hätte den Zweck, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu verstärken und die Zusammenarbeit im Kulturbereich zu fördern. Es würde durch ein solches Abkommen die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft und auf dem Gebiet des Unterrichtswesens unterstützt werden und der kulturelle Aus­tausch könnte gefördert werden. Zur Durchführung des Abkommens würde eine Gemisch­te Kommission geschaffen werden.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Gesandter Mag. Stephan Vavrik                              Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Mag. Martina Maschke                   Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Dr. Elisabeth Burda-Buchner                                    Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Ministerialrat Mag. Norbert Riedl                              Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Das geplante Abkommen wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter haben und daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 B-VG bedür­fen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlun­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 43

gen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Republik Mazedonien über kulturelle Zusammenarbeit zu bevollmächtigen.

Wien, am 5. Mai 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                                   16. Juni 2010

1017 Wien                                                                              GZ: BMeiA-AL.8.33.02/0001-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 1. Juni 2010 (Pkt. 25 des Beschl.Prot. Nr. 62) der Herr Bundespräsident am 2. Juni 2010 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Albanien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehest­möglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-AL.5.26.42/0002-V.1/2010

Abkommen zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Republik Albanien

über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit;

Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Österreichischerseits sowie albanischerseits besteht Interesse, die bilateralen wissen­schaftlich-technischen Beziehungen zu vertiefen und auf eine vertragliche Basis zu stel­len. Aus diesem Grund ist geplant, bilaterale Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen,


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 44

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Albanien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit abzuschließen.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Ges. Dr. Hans Martin Windisch-Grätz                    Bundesministerium für europäische und

Delegationsleiter                                                                                internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Mag. Christine Buzeczki             Bundesministerium für Wissenschaft und

stv. Delegationsleiterin                                                                                                             Forschung

Mag. Sonya BaltI, MSc                                                     Zentrum für Internationale Kooperation

                                                                                                           und Mobilität des Österreichischen

                                                                                                                                          Austauschdienstes

Das geplante Abkommen wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter haben und daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 B-VG bedür­fen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Sofern Beschlüsse über finanzielle Auswirkungen gefasst werden, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zu Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlun­gen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Republik Albanien über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zu be­vollmächtigen.

Wien, am 21. Mai 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

                                                                                                                                     „Der Generalsekretär

                                                                                                                 für auswärtige Angelegenheiten

                                                                                                                                         Dr. Johannes Kyrle

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

Dr. Karl Renner Ring 1-3                                                                                                   16. Juni 2010

1017 Wien                                                                            GZ: BMeiA-TR.8.33.02/0001-I.2a/2010

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Auftrag von Bundesminister Dr. Michael Spindelegger unterrichte ich Sie gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG, dass aufgrund des Vorschlages der Bundesregierung vom 8. Juni 2010 (Pkt. 13 des Beschl.Prot. Nr. 63) der Herr Bundespräsident am 10. Juni 2010 die Voll­macht zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Regierung


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 45

der Republik Österreich und der Regierung der Republik Türkei über kulturelle Zusam­menarbeit erteilt hat. Die Aufnahme dieser Verhandlungen wird ehestmöglich erfolgen.

Zur näheren Information lege ich eine Kopie des Vortrages an den Ministerrat bei.

Mit meinen besten Grüßen

Beilage“

„BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

BMeiA-TR.5.26.41/0002-V.1/2010

Abkommen zwischen der Regierung der Republik

Österreich und der Regierung der Republik Türkei über

kulturelle Zusammenarbeit; Verhandlungen

V o r t r a g

an den

M i n i s t e r r a t

Es besteht Interesse seitens der Republik Österreich und seitens der Republik Türkei, eine vertragliche Basis für die kulturellen bilateralen Beziehungen zu schaffen und ein Abkommen über kulturelle Zusammenarbeit abzuschließen.

Ein solches Abkommen hätte den Zweck, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu verstärken und die Zusammenarbeit im Kulturbereich zu fördern. Es würde durch ein solches Abkommen die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft und auf dem Gebiet des Unterrichtswesens unterstützt werden und der kulturelle Aus­tausch könnte gefördert werden. Zur Durchführung des Abkommens würde eine Gemisch­te Kommission geschaffen werden.

Für die Verhandlung des Abkommens wird nachstehende österreichische Delegation in Aussicht genommen:

Ges. Mag. Stephan Vavrik                                                   Bundesministerium für europäische

Delegationsleiter                                                                       und internationale Angelegenheiten

Ministerialrätin Mag. Martina Maschke                   Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Ministerialrätin Dr. Dipl.-Päd. Christine                  Bundesministerium für Unterricht, Kunst

Kisser                                                                                                                                               und Kultur

Ministerialrat Mag. Norbert Riedl                              Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Ministerialrätin Dr. Anna Steiner                               Bundesministerium für Unterricht, Kunst

                                                                                                                                                           und Kultur

Die mit der Verhandlung dieses Abkommens verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung in den Budgetansätzen der jeweils entsendenden Ressorts. Das künftige Abkommen wird voraussichtlich keine erheblichen finanziellen Auswirkungen haben; sofern es den­noch zu solchen kommen sollte, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Ver­fügung gestellten Mitteln bedeckt.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 46

Das geplante Abkommen wird gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter haben und daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 B-VG bedür­fen.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur stelle ich den

A n t r a g,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, die Mitglieder der österreichischen Delegation in der oben angeführten Zusammensetzung zu Verhandlun­gen über ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Republik Türkei über kulturelle Zusammenarbeit zu bevollmächtigen.

Wien, am 31. Mai 2010

SPINDELEGGER m.p.“

*****

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Darüber hinaus ist der Kulturbericht 2009 der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur eingelangt, der dem Ausschuss für Unterricht, Kunst und Kultur zur Vorberatung zugewiesen wurde.

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die jeweils Gegenstand der heu­tigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu neh­men.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnah­me von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte einver­standen sind, um eine Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates er­forderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vor­schlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 sowie 14 bis 20 jeweils unter einem zu verhandeln.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 47

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Es ist dies nicht der Fall. Wir werden da­her so vorgehen.

Ich begrüße Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer in unserer Mitte. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

10.39.311. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Gesetz, das Telekommuni­kationsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Privatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Exklusivrechtege­setz geändert werden (611 d.B. und 761 d.B. sowie 8327/BR d.B. und 8338/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das Presseförderungsgesetz 2004 geändert werden (762 d.B. sowie 8339/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte.

 


10.40.03

Berichterstatterin Martina Diesner-Wais: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das KommAustria-Gesetz, das Telekommunikati­onsgesetz 2003, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006, das ORF-Gesetz, das Pri­vatfernsehgesetz, das Privatradiogesetz und das Fernseh-Exklusivrechtegesetz geän­dert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das Presseförderungsgesetz 2004 geän­dert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 48

10.42.11

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Eigentlich könnte ich ja jetzt sagen, für jedes der letzten zehn Jahre Medienpolitik ist etwas Positives in diesem Gesetz aufgegangen, und könnte eigentlich glücklich sein – nicht? (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Kalina.) – Danke, lie­ber Joe Kalina.

Jetzt stehe ich zwar als Kontraredner hier, werde aber trotzdem einmal versuchen, das Positive voranzustellen, so wie es ja meine Art ist. (Heiterkeit bei der ÖVP.) – Ich weiß gar nicht, was das jetzt für ein Lachen ist, Kollege Perhab!

Es war immer so ein wechselseitiges Ziehen an einem gemeinsamen Strang. Da Herr Kollege Perhab hier so gelacht hat: Gemeinsam mit der ÖVP versuchen wir Grünen, seit es die Medienbehörde gibt – wirklich eine der wichtigsten Neuschöpfungen in die­sem Land –, diese weisungsungebunden zu stellen. Da hatte die SPÖ einen acht Jah­re langen Marsch hinter sich.

Gemeinsam mit der SPÖ – und ganz gegen die ÖVP – haben wir in dieser Zeit genau­so versucht, die Refundierung der Gebührenbefreiung für den ORF zurückzuerkämp­fen.

Beides ist im heute vorliegenden Gesetzentwurf enthalten: sowohl die Unabhängigkeit der Medienbehörde als auch 160 Millionen € Refundierung der Gebührenbefreiung.

Gemeinsam mit der ÖVP – und das ist jetzt, glaube ich, ein bitteres Kapitel für die ÖVP –haben wir immer wieder eine Finanzierung privater Sender versucht – auf diesem Auge war die SPÖ immer komplett blind –, weil der Start privater Sender in Österreich – über zehn Jahre, vielleicht sogar über 15 Jahre zu spät – besonders dornenreich war.

Auch das kommt jetzt, aber in diesem Punkt hat die ÖVP die Privaten schmählich im Stich gelassen. (Bundesrat Mayer: Die Förderungen wurden verdreifacht!) Schmählich im Stich gelassen! Na ja, „Förderungen verdreifacht“, aber in einem ganz anderen Punkt, Kollege Mayer.

Gemeinsam mit der SPÖ haben wir wiederum versucht, die sogenannte dritte Säule zu fördern. Man soll nicht übersehen, dass es neben öffentlich-rechtlichen und privaten in Österreich auch noch freie, nicht kommerzielle Sender, offene Kanäle gibt, die medien­pädagogisch insofern wichtig und bedeutsam sind, als die User, die Benützer selbst zur Schöpfung von Medien und Programmen eingeladen sind und diese auch selbst schaf­fen. – Das ist eine ganz andere Form von Partizipation an Medien. Auch diese Sender erhalten eine Förderung; die Frage ist allerdings, ob sie ausreichend ist.

Weiters konnte das gerettet werden, was wir die „Futurezone“ nennen. Der Versuch, dass im ORF namentlich gekennzeichnete Beiträge aufscheinen, ist fallen gelassen worden, weil es ja ganz gegen die Kultur von „Futurezone“ spricht. Das halte ich für sehr wichtig.

Zum Code of Conduct: Den habe ich hier vor zwei oder drei Jahren zum ersten Mal gefordert. Im Zusammenhang mit der Möglichkeit, ab einer bestimmten Uhrzeit bei Kin­dersendungen auch Werbung einzustreuen, habe ich gesagt, wir müssen in die Rich­tung eines Code of Conduct kommen. – Es wurde nun festgelegt, dass ein solcher kommt.

Eine Diskussion, die wir alle führen – und daran ist auch ein Abgeordneter der ÖVP maßgeblich beteiligt –, betrifft jede Art des Senkens von Barrieren für benachteiligte, behinderte Menschen in Österreich. Das betrifft einerseits die Barrierefreiheit und zum anderen den Ausbau jener Maßnahmen, die Gehörlosen eine bessere Partizipation an Sendungen ermöglichen.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 49

Einer der unanständigen Bereiche des ORF, der ja immer alles ausreizt, was es auszu­reizen gibt, war, dass man bisher immer ein sogenanntes Location Placement erzwun­gen hat, also: Wir berichten aus eurer Region, wenn die Region zahlt.

In dieser Fassung sieht man jetzt den Versuch, dass unterbunden wird, dass man auf „SPORT PLUS“ nur jene Veranstaltungen überträgt, wo die Veranstalter beziehungs­weise die veranstaltende Region oder Gemeinde auch einen Beitrag dazu zahlen.

Wichtig ist noch – darum sage ich, zehn Erfolge aus den letzten zehn Jahren Medien­politik sind in diesem Gesetz enthalten, und das ist auch sehr schön zu wissen –, dass wir bei der Online-Werbung, die das Einzige ist, was derzeit trotz Wirtschaftskrise pros­periert – bei 35 Prozent Zuwachsraten, während alle anderen im Abschwung sind –, eine Einigung finden konnten, die darauf Rücksicht nimmt, dass vor allem die privaten Medien wie etwa „Der Standard“ sehr viel Geld für ihren Online-Auftritt in die Hand ge­nommen haben und ein mächtiger „Dominator“ des Medienmarktes natürlich ganz an­dere Möglichkeiten hat.

Dass man dem ORF bis 2016 die Möglichkeit bietet, bis zu 25 Millionen € an Werbe­einnahmen zu lukrieren, finde ich den richtigen Weg, und ich finde, das hält sich auch in einer guten Balance.

Ich kann mich erinnern, dass ich 2002 nach der Sitzung der europäischen Presseräte, bei der einzig Österreich gefehlt hat, zum ersten Mal die Forderung nach einem Pres­serat gestellt habe. Ein Presserat ist immerhin ein Selbstregulativ des Marktes, bevor man zu Gericht geht, mit Ethik und bestimmten Ansprüchen in einer Szene. Österreich musste die Schande auf sich nehmen, über zehn Jahre keinen Presserat zu haben. Damals, im Jahr 2002, wurde im Zuge der Regierungsverhandlungen zum ersten Mal verankert, dass es so etwas wie eine finanzielle Bedeckung eines Presserates gibt. Das werden wir heute beim Tagesordnungspunkt 2 behandeln und sicherstellen.

Das sind alles sehr gute Regelungen, die in diesem Gesetz getroffen wurden. Deshalb muss ich auch sagen, dass in den gesamten Verhandlungen sicher der richtige Weg eingeschlagen wurde.

Was ich als besonders bedauerlich empfinde, ist der Rückfall in das Jahr 1999/2000, als es zu einem sehr unanständigen Deal zwischen VÖZ und ORF kam, einer Art Macht­absprache, die dann eineinhalb Jahre später öffentlich ruchbar wurde, was zu einem großen Aufschrei in der Öffentlichkeit darüber geführt hat, dass zwei Mainplayer im Grunde eine Art kartellrechtliche Absprache geführt haben.

Genau das passiert hier gerade auch. Deshalb sage ich ja: Die ÖVP hat die Privaten schwer im Stich gelassen, was dieses Gesetz betrifft (Zwischenruf des Bundesrates May­ernicht nur, was die Erhöhung betrifft. Die Privaten werden dieses Gesetz nach der heutigen Beschlussfassung und nach der Kundmachung beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen, und zwar wegen der Ausdehnung der regionalen Werbezeiten. Das war ja bisher verboten. Jetzt schaffen Sie es, indem Sie noch dazu einen Kontraktierungs­zwang einführen: Wer so und so viel beim ORF hat, muss das in gleicher Weise bei den Zeitungen haben.

Die Privaten gibt es in Wirklichkeit für Sie nicht. Da gibt es immer nur Lippenbekennt­nisse, obwohl es gerade diese Sender auf dem österreichischen Markt schwer haben. Dabei produzieren die Privaten in manchen Bereichen mehr beziehungsweise span­nender öffentlich-rechtlich, als der Öffentlich-Rechtliche selbst. Genau diese Sender werden jetzt durch eine Regelung, die noch dazu in das Gesetz geschrieben wird, das der Verfassungsgerichtshof nun zu bewerten hat, dermaßen vor den Kopf gestoßen, dass ich nur sagen kann: Liebe ÖVP, ihr habt die Privaten aber so etwas von im Stich gelassen! (Bundesrat Mayer: Das ist ein Topfen!) – Das sagen Ihnen alle, lieber Herr


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 50

Kollege Mayer! Den Topfen kaufst du am besten im Supermarkt, aber nicht auf dieser Ebene.

Was ich außerdem noch bedauerlich finde, Herr Staatssekretär: Ich hätte innerhalb der Behörde – und es war wichtig, dass sie nicht nur unabhängig gestellt wurde, sondern dass es auch gelungen ist, eine Mitwirkung des Nationalrates hineinzupacken –, zu­mindest eine Trennung der beiden Stränge vorgenommen. Ich hätte zwischen RTR-GmbH und KommAustria so getrennt, dass eine für die gesamten Subventionierungen und Förderungen zuständig ist. Jetzt haben wir in beiden Teilen sowohl Förderungen als auch Subventionierungen – einerseits als Behörde, anderseits als GmbH. Es wäre aber der Wunsch des Unternehmens gewesen, da Klarheit zu haben, und die schafft dieses Gesetz nicht.

Besonders froh bin ich über Folgendes: Österreich hat mit dem Humanitarian Broad­casting, mit „Licht ins Dunkel“ und „Nachbar in Not“, Geschichte geschrieben. Das ist europäische Fernseh- und Radiogeschichte! Dass dies nun 25 Jahre danach auch als Programmauftrag verankert wird, ist sehr, sehr erfreulich.

Im Bereich Radio finde ich es gut, dass im Begutachtungsverfahren erkannt wurde, dass man von den Freien und Nichtkommerziellen, die – by the way – für ihre Programm­schöpfung die meisten internationalen Preise für Österreich bekommen, nicht ein Mini­mum von 50 000 Teilnehmern verlangen kann. Es ist gut, dass das gefallen ist.

Wenn ich an das Gymnasium Hollabrunn denke: Das betreibt ja ein sogenanntes nicht kommerzielles Radio. Die haben keine 50 000 User, aber es ist etwas ganz Wichtiges in der Region. Auch in Innsbruck, im Salzkammergut oder wo auch immer, und auch im Bereich von neuen Minderheiten ist das wichtig, daher ist es sehr gut, dass diese Gren­ze gefallen ist.

Es steht ja letztlich die Bevorzugung von „Krone Hitradio“ dahinter. Dass man, wenn eine Frequenz frei wird, eigentlich in die umgekehrte Richtung debattieren muss, dass da letztlich für einen Sender eine bundesweite Bevorzugung festgeschrieben wird, das halte ich für einfach nicht dem fairen Markt konform. Dass die anderen, die sich jetzt neuerlich um eine Frequenz bemühen müssen, die Argumentationspflicht auf ihrer Sei­te haben, warum sie einem durchgeschalteten „Krone Hitradio“ nicht im Wege stehen, das finde ich geradezu abenteuerlich!

Aber insgesamt, Herr Staatssekretär Ostermayer, ist das, was hier vorliegt, zu 95 Pro­zent eine gelungene Zusammenfassung der letzten Jahre, was notwendig ist. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) Aber, Kollege Mayer, wir werden uns dann hier wie­der einfinden, wenn die Novellierung durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, was mit Sicherheit der Fall sein wird. Wie oft hast du, Kollege Mayer, schon so ge­lacht, und dann sind wir dagesessen und haben es machen müssen. Da hast du dann immer rot vor Scham zu Boden geblickt – aber so ist das Leben. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Oder vielleicht warst du auch schwarz vor Wut. Ich weiß es nicht  schamesrot hier, schwarz vor Wut dort.

Deshalb hoffe ich auch, Herr Staatssekretär Ostermayer, dass die Arbeitsgruppe zu die­sen beiden Themen und letztlich auch für die Zukunftsthemen der Medienförderung – das ist natürlich auch beim Finanzminister angesiedelt, weil es ja ein Finanzgesetz ist  doch noch jene organisatorischen Änderungen des ORF bewirkt, dass dieser aufgebla­sene Stiftungsrat eine Größe bekommt – etwa 15 Leute –, die einem Kapitalunterneh­men, das mit ihm vergleichbar ist, angemessen ist. Danke. (Beifall bei den Grünen.)

10.56


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Kalina. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 51

10.56.12

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kol­leginnen und Kollegen! In einem hat Stefan Schennach sicher recht: Er ist wirklich kon­struktiv und meist positiv, und man kann ihm dafür, dass er hier soeben viel Positives aufgezählt hat, nur dankbar sein. Was für mich aber auch nach der Begründung des Kollegen Schennach wirklich schleierhaft bleibt, ist, warum die Grünen dann diesem wirklich wichtigen Gesetz letztendlich nicht zustimmen können.

Wenn man bei all dem, was du heute aufgezählt hast, eine Abwägung der Pros und Kontras vornimmt – und nur so kann Politik aus meinem Verständnis heraus funkti­onieren –, kann man diesem Gesetz als vernünftiger Mensch eigentlich nur zustimmen. Mir ist es schleierhaft, wieso die Grünen es den Freiheitlichen überlassen, eine Verfas­sungsmehrheit im Nationalrat zu schaffen – aber das müssen die Grünen ihren Leuten und Sympathisanten selbst erklären.

Zu einem Argument, das du angeführt hast, lieber Stefan, das gegen deine Zustimmung spricht, und zwar die Ausdehnung der regionalen Werbezeiten: Auch das halte ich ein­fach für verfehlt, und zwar aus meiner Erfahrung aus der Praxis. Ich war einige Jahre Manager und musste für regionale Produkte Werbung machen. Ich sage dir aus Erfah­rung: Jeder vernünftige Unternehmer in einem Bundesland, in einer Region geht so­wieso in die privaten, regionalen Medien hinein, weil er sie dort hat und weil er sie braucht: ins Radio, wenn es geht – aber das gibt es ja weniger – auch ins Fernsehen, aber selbstverständlich auch in die Zeitungen. Das, was man aber dann schmerzlich merkt, ist, dass einem der ORF für eine vernünftige Kampagnen-Reichweite für ein re­gionales Unternehmen einfach fehlt.

Ich spreche zum Beispiel von der Steiermark, wo ich für ein Printprodukt Kampagnen gemacht habe. Wenn man im ORF Steiermark nicht präsent ist, fehlen einem einfach ganz wesentliche Zielgruppen. Beim ORF musste man sich anstellen! Das war ja kein Werbezeiten-Verkauf, sondern es wurde sozusagen eine Mangelware vergeben; da musste man Listen führen, um zu sehen, wann man wieder einmal drankommen konn­te.

Ich glaube, dass damit ein Missstand beseitigt wird, was für die regionale Wirtschaft wirk­lich wichtig ist – auch dagegen kann kein vernünftiger Mensch sein.

Die Privaten werden dadurch sicher nicht benachteiligt, denn ich kann ja nicht noch mehr Geld in die „Antenne“ hineinbuttern, als ich ohnehin schon hineinbuttere, wenn mir nur der ORF gefehlt hat. – Dieses Argument zieht also nicht.

Das Wesentliche an dem Gesetz heute ist, dass es das für den Rundfunk- und Medien­standort Österreich überhaupt gibt. Ich denke, im heurigen Jahr sind zwei Meilensteine erreicht worden – und dafür muss man dem Herrn Staatssekretär und natürlich auch den Kollegen vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt wirklich sehr danken –: einerseits die Absicherung in den Verhandlungen mit der Europäischen Kommission bezüglich Gebührenfinanzierung des ORF, und andererseits das heute hier debattierte Gesetz über die Refundierung der entgangenen Gebühren.

Ich möchte Sie alle in aller Eindringlichkeit darum ersuchen, darüber nachzudenken, welche Auswirkungen es durch die negativen Auswirkungen auf den ORF auch auf den Medienstandort Österreich insgesamt gehabt hätte, wenn das eine oder das andere gescheitert wäre. Eines muss man nämlich schon festhalten: Dieser ORF ist für öster­reichische Verhältnisse ein einzigartiges, wichtiges Unternehmen und Leitmedium, und er erfüllt eine Funktion, die in Österreich eben niemand anderer erfüllen kann.

Wenn man sich vorstellt, der ORF wäre um die Möglichkeit einer ausreichenden Gebüh­renfinanzierung umgefallen, muss man sich fragen, wie dann ein halbwegs vernünf­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 52

tiges österreichisches Programm oder überhaupt ein öffentlich-rechtliches Programm zu finanzieren gewesen wäre, das über das eines totalen Minderheitensenders hinaus­gegangen wäre. – Das möchte ich mir eigentlich gar nicht ausmalen.

Daher sind diese beiden Schritte, die heuer passiert sind, diese Absicherung nach doch sehr langen Verhandlungen mit der Kommission und dieses Gesetz, wirklich wichtig, wenn man an den Medienstandort Österreich denkt.

Zum Gesetz selber: Da muss man jenen, die dem Gesetz nicht zustimmen, schon Fol­gendes vor Augen führen – und da geht es gar nicht darum, zu polemisieren –: Wenn man dem ORF die Gebührenbefreiungen nicht refundiert, dann ist das so, wie wenn man ein Gesetz macht, das festschreibt, die Semmerl im Supermarkt sind für bestimm­te Leute ab nun gratis. Beim Telefon haben wir ja die Gebührenbefreiungen, und selbst­verständlich werden da die Gebühren dem jeweiligen Unternehmen refundiert. Es wäre unvorstellbar, dass man ein Gesetz macht, in dem es heißt, du kannst dir beim Billa die Semmerl holen und musst sie nicht zahlen. So ein Gesetz könnte sich niemand vor­stellen. Beim ORF hat man das 1999 bedauerlicherweise gemacht – mit eben sehr ne­gativen Auswirkungen für die Zukunft des Unternehmens.

Da muss man auch wieder in Erinnerung rufen, insbesondere jenen, die sich da so quer­gelegt haben und verschiedenste schwierige Bedingungen an eine Zustimmung ge­knüpft haben: Der ORF hat kein Monopol mehr. Der ORF ist im schärfsten Wettbewerb mit unzähligen deutschen Programmen. Es braucht ja nur jede/r einmal selber seine Satellitenkanäle, seine Kabelkanäle durchzuzappen, dann weiß er oder sie, wovon ich spreche. Das heißt, es ist ungleich schwieriger geworden. Da wundere ich mich schon, dass es ehemalige ÖVP-Leute gibt, die uns in den letzten Tagen mit interessanten E-Mails bombardiert haben – Sie werden sie ja auch alle bekommen haben –, bei denen man glauben könnte, dass sie aus einer verflossenen Zeit stammen, wo es noch ein ORF-Sendemonopol, ein volles Monopol gegeben hat. Da hat derjenige, der uns diese E-Mails schreibt, die Entwicklungen der letzten Jahre nicht zur Kenntnis genommen – aber wie heißt es so schön: Mit voller Hose ist gut stinken!

Wenn sich die Bedingungen vollkommen geändert haben, dann muss man das doch zur Kenntnis nehmen! Ich glaube, deswegen ist es gut, dass die ÖVP auf diese Schal­meientöne ihres ehemaligen Generalsekretärs nicht hört und mit uns eine vernünftige Regelung trifft, die diesen geänderten Wettbewerbsbedingungen Rechnung trägt.

Es sind schon viele Zahlen genannt worden, ich brauche das jetzt nicht zu wiederho­len, aber eine Summe sollte man nennen. Wenn pro Jahr 280 Millionen € Werbegelder an deutsche Programmfenster gehen, dann kann man sich ungefähr ausmalen, wie die Möglichkeiten für österreichisches Programm abgeschnitten oder verkürzt werden. Dem muss man Rechnung tragen, dass der ORF die Einnahmen aus Gebühren und aus der Werbung für die Erfüllung seines Programmauftrags zur Verfügung hat. Man darf ja da­bei die Wirtschaft nicht vergessen, die braucht ja das. Die Werbung ist ja nicht Selbst­zweck, damit irgendwelche Werbefilmchen gespielt werden, sondern das ist ja ein we­sentlicher Beitrag für die Wirtschaft, auch auf regionaler Ebene.

Ich möchte noch eine Sache zu den Privaten sagen, weil Kollege Schennach auch das angesprochen hat. Es ist nie genug für den betroffenen Sektor, die Betroffenen wollen immer mehr, aber ich glaube, es ist eine beachtliche Erhöhung, die in den nächsten Jahren für private kommerzielle und nicht kommerzielle Programmanbieter stattfinden wird. Ich denke, das ist ein völlig richtiger Weg. Vor allem für die nicht kommerziellen Programmanbieter sollte man diese Blumen, die da sprießen, unbedingt gießen und sie vom Staat, von der Öffentlichkeit her unterstützen. Daher ist auch das ein richtiger Weg, der hier eingeschlagen wird, im Rahmen dieses dualen Systems, zu dem wir uns be­kennen.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 53

Ich möchte zum Schluss noch einmal wiederholen: Es ist ein wirklich wesentliches Ge­setz. Wer Österreich im Fernsehen sehen will, und zwar in der Politik, im Sport, in der Kultur, in der Lebensart, der muss sich zu diesem ORF in dieser Form bekennen und der sollte dieses Gesetz unterstützen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.04


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 


11.04.31

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich nur den Worten des Kollegen Kalina in Bezug auf Kollegen Schennach anschließen. Wenn jemand von seiner Rede­zeit, die ja nicht kurz war, 95 Prozent dafür aufwendet, ein Gesetz zu loben, es dann auch noch zu 95 Prozent als ein sehr gutes Gesetz bezeichnet, und dann doch nicht zustimmt, na ja, dann kann man sich seinen Teil denken. Jede Partei und jede Insti­tution, die ein Wahlergebnis, beispielsweise bei einer Vorsitzendenwahl, von 95 Pro­zent hat, würde jubeln, aber das ist ja in eurer Partei nicht unbedingt vorgesehen, Kol­lege Schennach.

Außerdem: Von Schamrot-Werden oder Sich-Schwarzärgern, wenn dieses Gesetz dann schlussendlich vom Verfassungsgerichtshof, wie du gemeint hast, gekippt wird, kann keine Rede sein. Wenn ich nicht dein vorgeschrittenes Alter vor Augen hätte, würde ich sagen, du bist ja noch grün hinter den Ohren, Herr Kollege Schennach! Aber das ist ein anderes Thema, und ich möchte da jetzt wirklich nicht polemisch werden, sondern eini­ges klarstellen.

Mit diesem ORF-Gesetz sichern wir auf der einen Seite das Leitmedium ORF ab, ma­chen es fit für die Zukunft, und auf der anderen Seite erhalten wir die Medienvielfalt, die Medienlandschaft, werden doch damit gewisse Rahmenbedingungen festgelegt, die den Zugang zum Markt zu gleichen Bedingungen ermöglichen.

Das ORF-Gesetz ist bei genauer Betrachtung natürlich auch ein Mediengesetz, von dem, wie erwähnt, alle tangiert sind – die Printmedien genauso wie die privaten Rund­funkstationen wie selbstverständlich auch der ORF. Ich habe schon gesagt, es ist ein Gesetz, mit dem versucht wird, faire Wettbewerbsbedingungen, faire Rahmenbedingun­gen für alle Marktteilnehmer zu schaffen.

Dem ORF, der klar als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen positioniert ist, kommt aus all diesen Gründen eine ganz besondere Verpflichtung zu. Auf der einen Seite hat er das Privileg der Gebühreneinhebung, auf der anderen Seite hat der ORF eine be­sondere Verpflichtung in puncto Inhalt und Programm und sind ihm auch Werbebe­schränkungen auferlegt – ein Punkt, mit dem er sich von anderen Fernsehanstalten wohltuend abhebt, sind doch die andauernden Werbeunterbrechungen nicht jedermanns Sache.

Bei wohlmeinender Betrachtung scheint es bei den Beschränkungen für den ORF in puncto Werbung gelungen zu sein, wie Kollege Kalina ausgeführt hat, einen Weg zu finden, der für das Unternehmen erträglich ist, aber doch eine große Herausforderung darstellt. Trotz aller Auflagen für den ORF sollte es gelingen, sich inhaltlich so zu posi­tionieren, dass ein Österreich-orientiertes, heimisches Programm geboten wird, sowohl im Nachrichtenbereich als auch im Unterhaltungssegment.

Wir schaffen mit diesem Gesetz auch eine weisungsfreie und unabhängige Medienbe­hörde, wie im Ausschuss bereits dargelegt – an dieser Stelle darf ich mich auch für die sehr guten Informationen im Ausschuss bedanken –, die einerseits über die Einhaltung


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 54

des öffentlich-rechtlichen Auftrags des Unternehmens und andererseits natürlich auch über die sorgsame Verwendung der Steuergelder wachen soll.

Die spezielle Förderung in Höhe von 160 Millionen € in den nächsten vier Jahren wur­de schon erwähnt. Ich denke, es ist wichtig, dass nach dem im Jahre 1999 geschaffe­nen Gebührenbefreiungsgesetz nun letztendlich eine Abgeltung dieser Gebühren erfolgt, um dem ORF neue Möglichkeiten zu geben und um natürlich auch dieses Struktur- und Sparkonzept, das er sich vorgenommen hat, umsetzen zu können, um den ORF fit zu machen, sodass er nach diesen vier Jahren ohne diese Subvention ausgeglichen bi­lanzieren kann.

Kollege Schennach hat auch daran Kritik geübt, aber es ist für uns in diesem Zusammen­hang wichtig, auch die Privaten zu fördern. Es wird eine Verdreifachung der Förderung ge­ben, und das ist eine gute Geschichte, um Chancengleichheit am Markt zu gewährleisten.

Herr Kollege Schennach, auch die Privaten unterliegen in gewissem Sinne einfach markt­wirtschaftlichen Prinzipien. Von dir als Unternehmer, der du ja selbst auch diesen Prin­zipien unterliegst, kann man doch diesbezüglich Verständnis erwarten. Also diese Argu­mentation verstehe ich überhaupt nicht. (Bundesrat Schennach: Nicht einmal 10 Prozent der Refundierung ...!)

Es kommt zu einer Verdreifachung der Förderungen. Auch die Privaten müssen sich in diesem marktwirtschaftlichen Segment bestätigen. Wenn ich höre, dass durch Pro­grammfenster 280 Millionen an Werbeeinnahmen an Private fließen, dann kann man natürlich auch davon sprechen, dass sich auch diese Privaten dem Markt fügen und nicht höchst subventioniert sind. Das kann man hier in aller Form anmerken.

Meiner Überzeugung nach auch ein ganz wesentlicher Punkt ist Folgender, Herr Staats­sekretär: Es gibt ein klares Bekenntnis zu den Landesstudios, und das, denke ich, soll­te auch für uns Bundesräte, für uns als Vertreter der Länder einen besonderen Stellen­wert haben. Es gibt ein uneingeschränktes Bekenntnis zu den Landesstudios. Sie ha­ben eine wichtige regionale Funktion, eine wichtige Funktion für das kulturelle Angebot und auch eine wichtige demokratiepolitische Funktion. Deshalb ist das für mich auch ein besonders wichtiger Punkt in diesem Gesetz.

Ich möchte abschließend noch eine Kritik anbringen; es wurde heute auch schon er­wähnt, es geht um die Online-Bereiche der Landesstudios. Da gibt es für den ORF die Einschränkung, dass auf diesen Internetplattformen nur noch 80 Tagesmeldungen pro Bundesland und pro Kalenderwoche möglich sind. Das bedeutet, dass es ein Limit von etwa elf Meldungen pro Tag gibt. Das ist schon eine massive Einschränkung des Infor­mationsauftrages. Wenn man daran denkt, dass insbesondere die jungen Leute über diese Internetforen kommunizieren und diskutieren, auch über Facebook et cetera, und diese Diskussion dann auf diesen Internetplattformen der Landesstudios nicht mehr mög­lich ist, dann ist das für mich schon eine Beschränkung, die es einfach anzumerken gilt. Wir haben diese Information bereits gestern im Ausschuss erhalten.

Summa summarum ist das also ein gutes Gesetz, ein sehr gutes Gesetz, dem meine Fraktion natürlich gerne ihre Zustimmung geben wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

11.12


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundes­rat Podgorschek. – Bitte.

 


11.12.07

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsi­dentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Solange ich mich erinnern kann, ist der ORF


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 55

immer und in ständiger Kritik gewesen – und es wird wahrscheinlich auch in Zukunft so ein. Den einen ist der ORF zu wenig objektiv, andere bekritteln die hohen Zwangsge­bühren, andere wiederum bemängeln die politische Einflussnahme, und immer wieder ist auch die Programmqualität in Diskussion.

Wir Freiheitlichen können uns diesen Kritikpunkten teilweise durchaus anschließen, was zum Beispiel die Besetzung von Diskussionsrunden anbelangt oder manchmal auch ten­denziöse Kommentare von Nachrichtensprechern sowohl in Wort als auch in der Mimik. Es gibt Beiträge, die teilweise eher an die Propaganda eines autoritären Regimes erin­nern. Die Regierungspolitik wird oftmals kaum kritisiert, hingegen werden Oppositions­positionen, vor allem von meiner Partei, oft ins Lächerliche gezogen. Das führt manch­mal so weit, dass wir unterschwellig außerhalb des Verfassungsbogens gestellt wer­den, auch wenn sich manche Kritik von unserer Seite im Nachhinein eher als richtig erwiesen hat. (Bundesrat Dr. Kühnel: Das heißt, die Freiheitliche Partei hat immer recht! – Bundesrätin Mühlwerth: Sowieso, natürlich! ...!) – Ich habe nicht „immer recht“ gesagt, ich habe „eher“ gesagt, ich habe es relativiert, Herr Doktor! Ich bin durchaus imstande, auch selbstkritisch zu sein.

Es gibt jetzt ein neues ORF-Gesetz, dem wir Freiheitlichen nach reiflicher Überlegung zustimmen werden, und es freut mich, Herr Kollege Kalina, dass Sie uns attestieren, dass wir durchaus eine gewisse Regierungsfähigkeit an den Tag legen.

Warum haben wir letzten Endes zugestimmt? – Es wird mit diesem Gesetz doch einiges besser im ORF. Vor allem wird es, was uns wichtig ist, eine bessere Kontrolle geben, mehr Transparenz und die Sicherung der Gebührenfreiheit für sozial Schwache. Unse­re Forderung nach Abschaffung der ORF-Zwangsgebühren durch Einführung einer ge­rechten und nachvollziehbaren Medienförderung bleibt aber leider unerfüllt.

Was wird sich jetzt durch dieses Gesetz ändern? – Wie bereits erwähnt, es wird in Zu­kunft mehr Kontrolle als bisher geben, sowohl in rechtlicher als auch wirtschaftlicher Hinsicht. Erreicht wird das durch die neue unabhängige Kontrollbehörde KommAustria. Der Schwerpunkt der Kontrolle liegt auf Einsparungsmaßnahmen in der Struktur und beim Personal des ORF und auf der Sicherstellung eines öffentlich-rechtlichen Mehr­werts bei ORF-Angeboten.

Was ist mit den 160 Millionen, die der ORF bekommt? – Sozial Schwache sind, wie wir wissen, von der ORF-Gebühr befreit, so auch im Telekommunikationsbereich, und die­se Befreiung hat bis dato der ORF immer selbst tragen müssen, was an und für sich ungerecht war. Der ORF erhält nun diese Beitragsausfälle – ich habe es heute schon bei der Anfrage an den Herrn Bundeskanzler gesagt – in mehreren Tranchen, unter Auf­lage von strengen Sparmaßnahmen und der Sicherstellung einer künftigen Gebühren­befreiung für sozial Schwache, als einmalige Kostenerstattung zurück. Sozial Schwa­che werden daher auch in Zukunft von diesen Gebühren befreit werden.

Die Auszahlung wird von der Umsetzung von Einsparungsmaßnahmen und vor allem auch von strukturellen Reformen abhängig gemacht. Also ohne Struktur- und Personal­reform wird es in Zukunft – wir hoffen, dass das dann auch konsequent durchgezogen wird – kein Geld für den ORF geben. Das bringt die ORF-Führung unter Sparzwang, und das ist aus unserer Sicht gut so.

Was gibt es sonst noch an wesentlichen inhaltlichen Verbesserungen? – Es gibt jetzt ein Verbot für den ORF, Senderechte zu überhöhten Preisen zu erwerben. Bisher konnte der ORF wettbewerbsverzerrend Gebührengelder dafür nutzen, um Produkte, die nicht dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprachen, teuer zu kaufen. Das heißt, mit Pro­grammentgelt wird nur öffentlich-rechtliches Programm finanziert.

Es wird eine besondere Förderung für den österreichischen Film und für die Eigenpro­duktionen, wie zum Beispiel für Dokumentationen, sichergestellt. Der Anteil von Eigen­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 56

produktionen am Gesamtprogramm wird gesteigert, damit amerikanische oder sonstige Massenprodukte nicht noch mehr den öffentlich-rechtlichen Auftrag verwässern.

Weitere Punkte sind: Das Radio-Symphonieorchester konnte als wichtige kulturelle Vi­sitenkarte Österreichs erhalten werden. Der ORF beschleunigt die Umsetzung eines bar­rierefreien Programms für Hör- und Sehbehinderte. Die Erfüllung des ORF-Programm­auftrags wird verstärkt kontrolliert. Der ORF ist daher zur Qualitätssicherung verpflich­tet.

Dies sind Gründe, warum wir heute diesem Gesetz zustimmen werden, wobei ich trotz­dem anführen möchte, dass unsere Forderung nach Abschaffung der Zwangsgebühren durch Einführung einer gerechteren und transparenten Medienförderung nach wie vor in vollem Umfang aufrechterhalten bleibt. (Beifall bei der FPÖ.)

11.18


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Dr. Os­termayer. – Bitte.

 


11.18.14

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ganz speziell begrüßen möch­te ich die neu angelobte Bundesrätin Inge Posch aus dem Burgenland. Es freut mich sehr.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich zu bedanken, einerseits beim Koalitionspart­ner, beim Klubobmann Kopf und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, mit denen ich in den letzten eineinhalb Jahren sehr viel Zeit verbracht habe, gerade zu dem The­ma, über das wir heute sprechen. Ich möchte mich aber auch bei den anderen Klubs für die konstruktiven Gespräche bedanken, die es im Vorfeld der Beschlussfassung im Nationalrat gegeben hat.

Wir reden nicht nur über das ORF-Gesetz, sondern wir reden hier über die umfangreichs­te Reform im mediengesetzlichen Bereich der letzten neun Jahre. Es wird erstmals – es wurde schon von meinen Vorrednern gesagt – eine unabhängige Medienbehörde geschaffen, etwas, worüber lange diskutiert wurde und was jetzt verwirklicht wird. Es wurde die Refundierung der Gebühren beschlossen. Josef Kalina hat es schon gesagt, es wurden 1999 mit der Gebührenbefreiung Einschnitte für den ORF beschlossen, wäh­rend es in anderen Bereichen selbstverständlich war, dass dem Unternehmen soziale Entlastungen der Bevölkerung abgegolten werden.

Wir reden über die Erhöhung einer Förderung, die letztes Jahr erstmals geschaffen wur­de, nämlich die Medienförderung für private Fernseh- und Rundfunkunternehmen. Die Erhöhung – auch das wurde schon gesagt – ist eine Verdreifachung. Wir reden in die­sem Zusammenhang über die Änderung von insgesamt acht Gesetzen; davon ein Ver­fassungsgesetz.

Ziel war von Anfang an, dass man in diesem demokratiepolitisch wichtigen und heiklen Bereich eine möglichst breite Einigung erreicht – Einigung jetzt nicht nur mit den politi­schen Akteuren, sondern insgesamt auch mit den Akteuren in diesem Feld, also mit den Medienunternehmen einerseits im printmedialen Bereich, andererseits im Rundfunkbe­reich. Nicht aus den Augen gelassen dabei wurden natürlich immer auch die Seher/Se­herinnen und Hörer/Hörerinnen, um den Fokus darauf nicht zu verlieren.

Natürlich gibt es – wie bei jedem Gesetz – von verschiedenen Seiten Kritik. Ein Gesetz, bei dem man das Ziel vor Augen hat, möglichst viele Interessen zu bündeln, führt im­mer auch dazu, dass es ein Kompromiss ist. Ich glaube und hoffe, dass wir ein Maxi­mum erreicht haben. Herr Bundesrat Schennach hat gesagt, das Gesetz sei zu 95 Pro­


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zent gut oder sehr gut. Ich kann nur sagen: Ich wünsche mir, dass wir das in Zukunft bei jedem Gesetz erreichen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Der Beschluss dieses Gesetzes bedeutet, einen Beitrag zu leisten und eine Basis, näm­lich die gesetzliche Basis zu schaffen für eine rot-weiß-rote Zukunft des ORF. Ich erin­nere an den Dezember 2008, als ich angelobt wurde. Kurz danach war die Diskussion, ob der ORF 100 Millionen minus oder vielleicht nur 70 Millionen minus hat, und es war klar: Wenn es in diese Richtung weitergeht, könnten wir ein ähnliches Problem bekom­men, wie wir es bei der AUA kurz davor miterlebt haben.

Daher haben wir sehr rasch begonnen, einerseits auf der gesetzlichen Ebene zu agie­ren, also in unserem Bereich. Meine KollegInnen im Bundeskanzleramt – denen ich da­für ganz speziell danken will – haben zig Entwürfe geschrieben, sozusagen jeweils als Verhandlungsbasis für die politischen Gespräche, und am Ende ist jetzt ein – ich glau­be – 85-seitiger Gesetzentwurf mit ähnlich vielen Seiten Erläuterungen herausgekom­men. Es ist extrem viel im Hintergrund gearbeitet worden. Ziel war immer, dass wir auf der gesetzlichen Ebene das Unsere tun, um sicherzustellen, dass der ORF in eine ver­nünftige Zukunft geht. Natürlich mussten auf der anderen Seite im Bereich des ORF selbst, also durch die Geschäftsführung, durch den Stiftungsrat, durch den Publikums­rat, entsprechende Schritte gesetzt werden. Es gab alle möglichen Einsparungsprogram­me, die medial auch intensiv kommuniziert wurden: „Golden Handshake“-Programme, Personalreduktion und vieles mehr.

Wir haben aber – und das ist immer ein wichtiger Aspekt bei diesem ganzen Thema ge­wesen – nicht nur den ORF im Auge gehabt, sondern wir haben auch die anderen Hör­funk- und Fernsehunternehmen im Auge gehabt, weil wir immer die Position vertreten haben, dass wir ein duales Rundfunksystem haben wollen. Daher erfolgte auf der an­deren Seite auch die stufenweise Verdreifachung der Medienförderung für diese privaten Unternehmen – Stefan Schennach ist jetzt nicht da, auch er hat diesen wichtigen Punkt angesprochen –; also nicht nur für die kommerziellen, sondern auch für die nichtkom­merziellen Rundfunkunternehmen eine Verdreifachung der Medienförderung.

Dass das Paket, das jetzt vorliegt, insgesamt sehr umfangreich geworden ist, habe ich schon erwähnt. Es enthält einige Kernpunkte, die ich nur kurz herausstreichen will – es ist ja einiges im Vorfeld schon gesagt worden –; Kernpunkte, die im Interesse der Se­herInnen, der HörerInnen, der LeserInnen im Online-Bereich ganz wichtig sind, die aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ORF sehr wichtig sind.

Wir haben nämlich – und das ist ein wesentlicher Punkt – die Refundierung der Ge­bühren, also die 50 Millionen € im heurigen Jahr, die 50 Millionen € im nächsten Jahr und die dann zweimal 30 Millionen €, an Auflagen geknüpft – an Auflagen, die in der Folge die unabhängige Medienbehörde, die jetzt auch geschaffen wird, zu überprüfen hat. Es geht dabei um Auflagen, die einerseits das Programm betreffen, das Programm­angebot, und andererseits die Struktur des Unternehmens.

Zum Programm: Der ORF hat in Zukunft nicht nur die Leistungen aufrechtzuerhalten, die er jetzt erfüllt, sondern er hat darüber hinaus zusätzliche Leistungen zu erbringen. Der ORF muss nicht nur die Fernsehsender, die es jetzt gibt, die Radiosender, die es jetzt gibt, und die Landesstudios weiter betreiben, sondern zusätzlich einen neuen Fern­sehkanal schaffen, nämlich einen Info- und Kulturkanal; etwas, das war im Regierungs­programm vereinbart haben.

Der ORF hat den Ausbau des barrierefreien Zugangs voranzutreiben – auch das ist heu­te schon kurz besprochen worden –, also einerseits die Untertitelung, andererseits die Audiounterstützung. Diesbezüglich ist auch eine Vereinbarung mit den entsprechenden Interessengruppen geschlossen worden.


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Der ORF hat mehr österreichisches Programm zu produzieren. Das ist einerseits für die Zuseher und Zuseherinnen wichtig, das hat aber auch Auswirkungen auf die Wirt­schaft, nämlich auf die in diesem Bereich tätige Filmwirtschaft und all deren Zuliefer­betriebe.

Eine ganz wesentliche kulturelle Maßnahme – und es ist im Raum gestanden, ob dies so fortgeführt werden kann – ist die Fortführung des Film-/Fernseh-Abkommens. Dabei geht es nicht um die Förderung des Fernsehfilms, sondern um die Unterstützung des Kinofilms. Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Wir haben ein System, in dem der Kinofilm Förderung braucht, damit er realisiert werden kann, und dazu gibt es die Filmförderung des Bundes und der Länder. Die Filmförderung setzt aber aus europa­rechtlichen Gründen voraus, dass es auch einen privaten Beitrag dazu gibt, und da es wenige private Mäzene, Sponsoren von Film gibt, hat diese Rolle immer der ORF über­nommen; in der Vergangenheit mit ungefähr 5 Millionen € pro Jahr, ab jetzt mit 8 Millio­nen € pro Jahr. Würde es in Zukunft dieses Film-/Fernseh-Abkommen nicht mehr ge­ben, könnte das bedeuten, dass der momentan besonders erfolgreiche österreichische Kinofilm nicht mehr produziert werden kann. Das, was wir bisher alle sozusagen ge­nossen haben, nämlich in Cannes, in Venedig, in Hollywood Preise, Oscars zu gewin­nen, was natürlich auch eine extreme Tourismusförderung und Imageförderung für die­ses Land bedeutet, würde es nicht mehr geben. – Das wird mit diesem Gesetz sicher­gestellt.

Ein zweiter Sektor im kulturellen Bereich ist die Absicherung des Radio-Symphonieor­chesters. Wir haben einige große Orchester im Land, zum Beispiel Philharmoniker, Sym­phoniker, und gerade im Bereich der neueren Musik ist das Radio-Symphonieorchester international hoch angesehen. Natürlich bedeutet, ein Orchester zu halten, Geld zu in­vestieren. Ohne die Gebührenrefundierung, die Sie heute hoffentlich beschließen, hät­te es nicht fortgeführt werden können.

Wir haben im sozialen Bereich „Rat auf Draht“ abgesichert. Das ist eine Helpline, die ins­besondere für Jugendliche eingerichtet worden ist.

Wir haben festgelegt, dass durch die Gebührenrefundierung der Sportkanal fortgeführt werden kann und dass dort auch aktuelle Berichterstattung zu erfolgen hat; etwas, das im Vorfeld sehr intensiv von den Sportorganisationen an mich, aber wahrscheinlich auch an Sie, herangetragen wurde. Die Übertragung werde abhängig gemacht davon, dass Produktionskostenzuschüsse gezahlt werden. – Das stellen wir mit diesem Gesetz ab.

Wir haben darüber hinaus – der Bundeskanzler hat das in der Fragestunde schon ge­sagt – eine 45-prozentige Frauenquote vorgesehen. Das heißt, bei gleicher Qualifikation ist in Zukunft so lange die Bewerberin vorzuziehen, bis die 45 Prozent Frauenquote er­reicht sind.

Was wir natürlich auch immer beachtet haben, ist, dass das Ganze EU-konform ist. Wir hatten, wie Josef Kalina schon erwähnt hat, ein fünf, sechs Jahre lang anhängiges Ver­fahren bei der Europäischen Kommission, bei dem es insgesamt um die Finanzierung des ORF ging, um die Frage des Online-Bereichs und um die Frage des Sportkanals. Im September letzten Jahres konnte ich nach intensiven Vorarbeiten und Vorgesprä­chen der Mitarbeiter aus dem Bundeskanzleramt gemeinsam mit Kommissarin Kroes das Verfahren abschließen.

Es hat verschiedene Auflagen gegeben, und der wesentliche Punkt ist, dass das, was wir jetzt umsetzen, all diese Auflagen mitberücksichtigt. Wir haben das informell auch mit der Kommission immer wieder abgestimmt, das heißt, wir können davon ausgehen, dass das EU-konform ist.

Wir haben aber auch eine Richtlinie umsetzen müssen, nämlich die audiovisuelle Me­diendienste-Richtlinie. Sie werden sich erinnern können, im letzten Jahr ist bereits der


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erste Teil für die privaten Rundfunkunternehmer umgesetzt worden, und der zweite Teil wird jetzt im Zuge dieser Novellen auch für den ORF umgesetzt.

Es ist sehr viel, was in diesem Entwurf drinnen steckt. Gut Ding braucht eben Weile, da­her bitte ich um Verständnis dafür, dass wir eineinhalb Jahre lang intensiv verhandelt haben. Ich hätte mich gefreut, wenn im Nationalrat ein möglichst umfassender, viel­leicht sogar einstimmiger Beschluss zustande gekommen wäre. Im Vorfeld, während der Verhandlungen mit den anderen Fraktionen, hat es danach ausgesehen, und ich habe es sehr bedauerlich gefunden, dass das BZÖ und die Grünen dann nicht mitge­stimmt haben. Ich muss mich da durchaus der Meinung von Josef Kalina anschließen, auch ich konnte es nicht nachvollziehen und kann es auch jetzt nicht nachvollziehen, Herr Bundesrat Schennach, dass man einem Gesetz, das man zu 95 Prozent für posi­tiv erachtet, nicht zustimmt.

Ich habe im Nationalrat auch gesagt, was es bedeuten würde, käme dieses Gesetz nicht zustande. Wenn SPÖ und ÖVP sich nicht geeinigt hätten und die FPÖ nicht mitge­stimmt hätte, gäbe es keine Festlegung einer Frauenquote von 45 Prozent. Ich habe angenommen, dass das ein Anliegen für die Grünen ist. Es gäbe die Fortsetzung des österreichischen Kinofilms nicht und somit keine Arbeitsplätze für Regisseurinnen/Re­gisseure, Schauspielerinnen/Schauspieler, Kameraleute et cetera und was sonst noch alles dranhängt. Ich hätte angenommen, dass das ein Anliegen unter anderem auch der Grünen ist, dass der österreichische Kinofilm weiterbesteht.

Zur Untertitelung hat Grüne-Abgeordnete Jarmer sehr positiv gesprochen, trotzdem wur­de dann nicht zugestimmt, obwohl dadurch der Ausbau eines barrierefreien Zugangs im ORF stattfindet, wie es ihn zuvor noch nie gegeben hat. Das Radio-Symphonieor­chester sei ein Anliegen der Grünen, habe ich gedacht; moderne E-Musik und -Musiker sollten gefördert werden. Der ORF hat auch vereinbart, dass mehr österreichische Musik, in dem Fall Pop-Musik, gespielt wird – das hängt natürlich auch von der finanziellen Basis ab –, und auch diesbezüglich habe ich angenommen, dass das im Interesse aller Parteien sein müsste.

Insofern finde ich es bedauerlich, dass im Nationalrat kein einstimmiger Beschluss zu­stande gekommen ist, aber vielleicht kommt hier im Bundesrat ein einstimmiger Beschluss zustande. Das wäre schön, damit würde der Bundesrat zeigen, dass er die Zustimmung zu diesem Gesetz als sinnvoll erachtet. Ich kann nur hoffen – die Entscheidung liegt bei Ihnen.

Abschließend noch einmal vielen herzlichen Dank für die wirklich konstruktiven Gesprä­che, die es dazu gab, und noch einmal ausdrücklichen Dank sowohl an meine Kolle­gInnen in meinem Kabinett, als insbesondere auch an die KollegInnen im Bundeskanz­leramt, die haben nämlich ganz großen Anteil daran, dass dieses umfangreiche Gesetz so zustande gekommen ist. Sie haben unzählige Entwürfe erarbeitet, die jeweils als Verhandlungsbasis dienen konnten. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

11.33


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Hladny. Ich erteile es ihr.

 


11.33.54

Bundesrätin Waltraut Hladny (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Gesetzesnovelle ist ein Funda­ment für einen modernen, zukunftsorientierten ORF. Sie haben schon sehr viel erzählt, Herr Staatssekretär, ich möchte aber trotzdem noch zwei Punkte, die mir sehr am Her­zen liegen, erwähnen.

In Abschnitt 5a wird die Gleichstellung von Frauen und Männern behandelt, wobei die Vertreterinnen und Vertreter der Stiftung „Österreichischer Rundfunk“ verpflichtet sind,


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nach Maßgaben des Gleichstellungsplanes auf eine Beseitigung von Benachteiligun­gen von Frauen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis hinzuwirken. Frauen sind unterrepräsentiert, wenn ihr Anteil in der Stiftung weniger als 45 von 100 beträgt. Auf Vorschlag der Arbeitsgruppe hat die Generaldirektorin/der Generaldirektor einen Gleich­stellungsplan zu erstellen. Im Gleichstellungsplan ist festzulegen, in welcher Zeit und mit welchen Maßnahmen eine bestehende Unterrepräsentation sowie bestehende Be­nachteiligungen beseitigt werden können. Solange der Frauenanteil von 45 von 100 nicht erreicht ist, ist Frauen bei gleicher Qualifikation der Vorrang bei Aufnahmen zu geben, ebenso bei Aus- und Weiterbildung sowie beim beruflichen Aufstieg. Die Aus­schreibungen von Arbeitsplätzen und Funktionen dürfen keine Kriterien enthalten, die auf ein bestimmtes Geschlecht schließen lassen. Das Personalauswahlverfahren ist transparent und nachvollziehbar zu gestalten.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist nur ein Teil des Gesetzes, für uns Frau­en aber ein sehr, sehr wichtiger.

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen, der mir sehr wichtig ist, und zwar auf den barrierefreien Zugang für Menschen mit Einschränkungen, der in einem Round-Table-Gespräch mit Behinderten- und Seniorenorganisationen erreicht werden konnte.

Derzeit untertitelt der ORF bereits 33 Prozent seines TV-Angebotes. Im nächsten Jahr soll dieser Anteil auf 45 Prozent steigen, Ende des Jahres 2011 sollen 55 Prozent er­reicht werden. Beim Ausbau der Untertitel soll Live-Sportereignissen und -Parlaments­übertragungen Priorität eingeräumt werden. In den nächsten zwei Jahren will der ORF rund 50 Serienfolgen und rund zwölf eigenproduzierte Spielfilme in Hörfilmfassung her­stellen. Dieser Service und dessen Ausbau sind ein wesentlicher Schritt zur Barriere­freiheit und ermöglichen 318 000 blinden und sehbehinderten Menschen, am Programm des ORF teilzuhaben.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen, da es ein wichtiger Schritt in die richti­ge Richtung ist. (Beifall bei der SPÖ.)

11.36


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundes­rat Saller. – Bitte.

 


11.36.59

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Anlässlich des neuen Gesetzes und der damit verbunde­nen Möglichkeiten möchte ich kurz etwas zum Thema Seniorinnen/Senioren und ORF sagen. Dieses Thema ist in der Vergangenheit – sagen wir einmal – über weite Stre­cken sehr stiefmütterlich behandelt worden. Tatsache ist, die Senioren sind die größte ORF-Zielgruppe, ebenfalls Tatsache ist, dass die meisten Zuhörer und Zuseher über 50 Jahre alt sind, und ebenfalls Tatsache ist, dass ORF 2 74 Prozent und ORF 1 immer­hin noch 40 Prozent sehen.

Diese treue Mehrheit fordert besondere Information und auch Rücksichtnahme. Es ist natürlich richtig und wichtig, jährlich umfassend über Pensionsverhandlungen zu be­richten oder ständig zu sprechen über die Unfinanzierbarkeit des Pensionssystems – unterschwellig sind daran ja immer nur die Senioren schuld –, aber das allein kann es nicht sein. Wir brauchen dringend mehr Information zu gesellschaftlich wichtigen The­men in TV und Radio auch in Richtung Seniorinnen und Senioren.

Wir brauchen die Verstärkung des Dialogs der Generationen. Wir haben wohl und brau­chen keinen Generationenkonflikt. Senioren sind eine bunte Altersgruppe geworden. Früher hat es drei Gruppen gegeben, jung, aktiv und alt, inzwischen hat sich das ver­


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ändert. Wenn man bedenkt, dass die 50- bis Ende-60-Jährigen eine total aktive Grup­pe sind, kann man fast sagen, es ist eine neue Generation dazugekommen, mit neuen Anforderungen und neuen Perspektiven, und das erfordert auch eine besondere Rück­sichtnahme.

Dazu kommen noch Unterschiede im städtischen Bereich, im ländlichen Bereich; vor allem Info-Sendungen für Menschen und ihr Leben im ländlichen Raum darf man nicht vergessen. Die Senioren wollen Qualitätsfernsehen, Kultur, Sport, Zeitgeschichte, Doku­mentationen und was es sonst noch alles gibt; die Liste ließe sich weit fortsetzen.

Die Rücksichtnahme auf die Lebenswirklichkeit der Senioren bietet eine Unmenge an Inhalten. Ich denke da etwa auch an die viele unentgeltliche Ehrenamtlichkeit.

Was täten Vereine, Sport, Kultur, Kirche ohne Mitwirkung der Seniorinnen und Senio­ren? Bildung, lebensbegleitendes Lernen sind weitere Themen, ebenso Gesundheit, oh­ne zu vergessen, dass viele Menschen auch unsere Hilfe brauchen in Sachen Pflege und Betreuung. Also es gilt ein umfassendes Szenario an wichtigen Möglichkeiten, ge­rade in Rundfunk und Fernsehen auf die Seniorinnen und Senioren nicht zu vergessen. Ich hoffe also, dass künftig den Anliegen der älteren Generation mit der Vielfalt der In­halte besonderes Augenmerk geschenkt wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.40


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundes­rat Schennach. – Bitte.

 


11.40.47

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Meine Damen und Herren! Da der Herr Staatssekretär, „Joe“ Kalina und auch der Kollege Mayer es nicht verstanden haben, dass man ein Gesetz zu 95 Prozent loben kann, und trotzdem die Zustimmung am En­de nicht gibt, möchte ich nur in Erinnerung rufen, Herr Staatssekretär Ostermayer, um das noch deutlicher zu machen, dass – diese Möglichkeit haben wir im Bundesrat nicht – seitens der Grünen sowohl in der ersten als auch in der zweiten Lesung diesem Ge­setz im Nationalrat die Zustimmung gegeben wurde. Ich möchte damit nur unterstrei­chen, dass das sehr wohl ein Ausdruck dessen war, dass wir die Bemühungen, die rund um dieses Gesetz auch von Ihrer Seite, von allen Seiten, auch der Verhandlungsfüh­rung der Regierungsparteien gekommen sind, auch hier gewürdigt haben, und dass auch vieles aus diesem Kompromiss, der auch von unserer Seite herangetragen wor­den ist, für uns wieder erkennbar ist.

Würden Ihnen heute, lieber Herr Staatssekretär, eine oder zwei Stimmen auf die Zwei­drittelmehrheit fehlen: Sie würden sie bekommen. Sie fehlt Ihnen aber nicht (Heiter­keit), und deshalb müssen Sie damit leben, dass Sie hier keine Zustimmung insofern bekommen – daran möchte ich noch einmal erinnern, weil das vielleicht die Kollegin­nen und Kollegen nicht wissen –, als am Ende der Parteienverhandlungen, am Ende des Ausschusses, am Ende des Ausschussprozesses, lieber „Joe“ Kalina, die Ausdeh­nung der regionalen TV-Werbung nicht vorgesehen ist.

Über Nacht hat sich dann das „Kartell“, wenn ich das so bezeichnen darf, VÖZ und ORF, getroffen und das verhandelt, und es ist am nächsten Tag in Form einer Entschließung in das Gesetz geflossen. Das ist schon eine Veränderung, als wenn ein Ausschuss und die Parteien etwas miteinander verhandeln, und sich dann die Betroffenen unter Aus­schluss des dritten Bereichs, der dritten Säule im Medienmarkt Spielregeln ausmachen und die dann in das Gesetz hineinkommen.

Und dieser Schönheitsfehler, dass nicht die Politik die Spielregeln bestimmt, sondern sich einmal mehr Spielregeln von Marktteilnehmern vorsetzen lässt, ist der Grund, wa­rum wir sagen: Sie haben die Zweidrittelmehrheit, und ich bin froh, dass Sie sie haben,


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 62

aber deshalb können wir hier aufzeigen, dass wir diese Vorgangsweise, wie ich hoffe, bei künftigen Mediengesetzen nicht noch einmal erleben werden. – Danke.

11.43


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Publizistikförderungsgesetz 1984 und das Presseförderungsgesetz 2004 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

11.44.213. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtsho­fes für das Jahr 2008 (III-387-BR/2010 d.B. sowie 8340/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Petritz. Ich bitte um den Bericht.

 


11.44.40

Berichterstatter Karl Petritz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Mei­ne sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2008 liegt in schriftlicher Form vor. Ich nehme daher von einer Verlesung Abstand und stelle den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Klug. – Bitte.

 


11.45.27

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Ta­gesordnungspunkt, den Berichten der beiden Gerichtshöfe, möchte ich voranstellen, dass der besondere Dank meiner Fraktion den Verfassern dieser beiden Berichte gilt. Diese Berichte sind nicht nur strukturell hervorragend gegliedert, sondern bieten auch den einschlägig Interessierten wichtige Informationen zu beiden Gerichtshöfen. (Vize­präsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Dass aus sozialdemokratischer Sicht und aus unserem Blickwinkel die Rechtsschutz Suchenden von besonderer Bedeutung sind und wir die Situation der Rechtsschutz


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 63

Suchenden bei beiden Gerichtshöfen besonders im Auge haben, wird sicherlich nie­manden überraschen.

In diesem Zusammenhang möchte ich daher zu Beginn doch einige Sorgen im Hinblick auf den Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck bringen. Erstens konnten, obwohl die Beschwerdefälle um insgesamt 16 Prozentpunkte zurückgegangen sind, bedauerlicher­weise die noch offenen Rechtssachen nicht wirklich abgebaut werden. Zweitens ist die Zahl der Erledigungen bedauerlicherweise wieder leicht zurückgegangen. Vor dem Hin­tergrund des Artikels 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention nehmen wir da­her mit Sorge zur Kenntnis, dass die Zahl der Verfahren, welche länger als drei Jahre beim Gerichtshof anhängig sind, auch leider wieder gestiegen ist.

Werte Kolleginnen und Kollegen, diese Sorgen möchte ich im Rahmen der Diskussion zu den Berichten doch deutlich zum Ausdruck bringen.

Zum Bericht des Verfassungsgerichtshofes möchte ich es als erfreulich hervorheben, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer mit acht Monaten nicht nur für unseren Ge­richtshof, sondern auch im internationalen Vergleich eine hervorragende Statistik ist, wo­zu ich dem Verfassungsgerichtshof sehr herzlich gratulieren möchte.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte in diesem Zusammenhang nicht den Ein­druck vermitteln, dass die Dauer des Verfahrens für uns das Alleinseligmachende ist. Zweifelsohne sind Fragen der Qualität, aber auch der Struktur des Verfahrens ebenso wichtig, und da habe ich die gesamte Problematik des Asyls noch gar nicht angespro­chen.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, das Verfassungsprojekt zweistufiges Verwal­tungsgerichtsverfahren besonders zu strapazieren. Wir haben es auf der einen Seite im Ausschuss diskutiert, aber auch heute mit unserem geschätzten Bundeskanzler in der Fragestunde schon vertiefen können. Dieses Verfassungsprojekt wird unseres Er­achtens auf beide Gerichtshöfe zweifelsohne eine unmittelbare Auswirkung haben.

Abschließend, werte Kolleginnen und Kollegen, möchte ich daher aus unserer Sicht noch anmerken, dass beide Berichte für uns im Ausschuss eine hervorragende Gele­genheit waren, aktuelle Dinge beider Gerichtshöfe, des Verwaltungsverfahrensrechts, aber auch der verfassungsrechtlichen Problematik, gemeinsam zu diskutieren. Beide Vizepräsidenten standen uns im Ausschuss für diese Diskussionen und Beratungen zur Verfügung, wofür ich mich an dieser Stelle auch nochmals recht herzlich bedanken möch­te.

In diesem Sinne möchte ich daher für unsere Fraktion festhalten, dass wir beide Be­richte sehr gerne zur Kenntnis nehmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

11.50


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat May­er. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.50.06

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingangs gleich der Kernsatz dieser Berichte: Beide Gerichtshöfe sind dauernd und strukturell überbelastet; und das stellt nicht nur das klaglose Funktionieren der Verwaltung in Frage, sondern beeinträch­tigt natürlich auch das immer und überall gepriesene Bürgerservice. Und das ist für mich schon eine ganz wichtige Frage.

Woher könnte Abhilfe kommen? – Natürlich aus der Politik, nämlich durch die Umset­zung des Regierungsprogramms, wo im Rahmen des Verfassungsreformprojektes ja die


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zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit angedacht ist. Aber wir wissen ja alle, wie hier der Stand der Dinge ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Bericht auch kurz­fristige Maßnahmen aufgezeigt, die sich vor allem durch die Ausweitung der Zuständig­keiten der Unabhängigen Verwaltungssenate ergeben würden.

Ich werde jetzt einige Punkte zitieren, damit das auch im Protokoll vermerkt ist.

An erster Stelle wäre hier die Zuweisung der Prüfungskompetenz in weiten Bereichen des Fremdenpolizeirechtes, insbesondere im Bereich der aufenthaltsbeendenden Maß­nahmen, aber auch im Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht an die Unabhängigen Ver­waltungssenate zu nennen.

Die Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates sollten, was die Ablehnungs­möglichkeit für den Verwaltungsgerichtshof betrifft, den Entscheidungen der Unabhän­gigen Verwaltungssenate gleichgestellt werden. Gleiches gilt für die Vergabekontrollbe­hörden.

Dem Verwaltungsgerichtshof wurde die Möglichkeit eingeräumt, die Behandlung von Beschwerden gegen Bescheide des Bundesvergabeamtes abzulehnen. Sieben Bundes­länder haben die Vergabekontrolle den Unabhängigen Verwaltungssenaten übertragen. Lediglich Beschwerden gegen Bescheide der Vergabekontrollbehörden der Bundeslän­der Wien und Salzburg unterliegen – in Anführungszeichen: „systemwidrig“ – nicht dem Ablehnungsrecht des Verwaltungsgerichtshofes.

Eine weitere Maßnahme, eine legistisch einfache, doch wirksame Maßnahme wäre die Anhebung des seit 1991 nahezu unveränderten, derzeit 750 € betragenden Grenzwer­tes für die Ablehnung einer Beschwerde in Verwaltungsstrafsachen auf mindestens 2 000 €.

Dies sind einige Punkte aus dem Bericht des Verwaltungsgerichtshofes.

Wenn man auch noch die Belastungssituation im Besonderen betrachtet, so übersteigt der Neuanfall an Beschwerden die Zahl der Erledigungen wieder. Das war vor einigen Jahren umgekehrt. – Wobei offensichtlich die Verengung des Zuganges zum Verwal­tungsgerichtshof in Asylsachen keine unmittelbare Lösung mit sich bringt. Hier gibt es allerdings Bedenken, dass die Beschwerdefälle aus dem Bereich Fremdenpolizei und Niederlassungsrecht stärker ansteigen werden, und das ist, wie wir im Ausschuss ge­hört haben, auch tatsächlich so gekommen.

Interessant, auch im internationalen Vergleich – das wurde heute in einer Anfrage bezie­hungsweise bei der Beantwortung durch den Bundeskanzler bereits erledigt –, ist, dass ein oberstes Verwaltungsgericht mit dieser Personalausstattung, die jener des Verwal­tungsgerichtshofes vergleichbar ist, nicht mehr als 3 000 Fälle in der erforderlichen Qua­lität erledigen kann. Und bei uns ist es gerade doppelt so viel.

Auch aus dem Bericht des Verfassungsgerichtshofes entnehme ich schon aus den ers­ten Seiten eine dramatische Entwicklung. Wurde der Verfassungsgerichtshof bisher mit etwa 2 500 bis 2 800 Fällen konfrontiert, wird durch die Entwicklung in der Asylgesetz­gebung und durch den Ausschluss des Verwaltungsgerichtshofes in Asylrechtssachen mit einer Ausweitung der Beschwerdefälle an den Verfassungsgerichtshof um zirka 3 500 bis 4 000 gerechnet. Und wie wir im Ausschuss gehört haben, ist das auch tat­sächlich so eingetreten. Es ist ein massiver Zugang im Bereich der Asylfälle zu verzeich­nen. Das ist weltweit eine einmalige Angelegenheit, die nicht nur das Gericht, sondern vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor schier unlösbare Probleme stellt.

Auch da regt der Verfassungsgerichtshof an, im Rahmen dieses Verfassungsreformpa­ketes, das ja im Regierungsprogramm festgeschrieben ist, die zweistufige Verwaltungs­gerichtsbarkeit einzuführen.


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Die Entwicklung der Zahl der Fälle am Verfassungsgerichtshof zeigt, wie Kollege Klug schon ausgeführt hat, dass es hier wieder zu einem Anstieg gekommen ist und des­halb natürlich auch die Zahl der unerledigten Fälle, die sozusagen in einem Rucksack mitgenommen werden, von 1 359 im Jahr 2007 auf 2 174 gestiegen sind.

Wie schon erwähnt, beträgt die Verfahrensdauer in einem mehrjährigen Durchschnitt acht Monate. Das ist international betrachtet übrigens bemerkenswert kurz. Wir wollen ja hier auch nicht die Arbeit des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes in Frage stellen. Ich glaube, hier wird sehr speditiv, hier wird sehr rasch gearbeitet, aber es wird einfach eine ganze Flut von Fällen an diese beiden Gerichtshöfe herangetragen.

Auch ich als Ausschussobmann des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus möchte die ausgezeichnete Ausschussarbeit erwähnen und Frau Präsidentin Dr. Bier­lein und Präsident Dr. Thienel für die informativen Auskünfte danken. So macht Aus­schussarbeit, denke ich, Sinn, wie Kollege Klug schon erwähnt hat.

Ich möchte mich auch namens meiner Fraktion bei allen Richterinnen und Richtern und allen Mitarbeitern des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes für die hervorragen­de Arbeit im Sinne der österreichischen Rechtspflege bedanken. Meine Fraktion wird die­se Berichte sehr gerne zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Mühl­werth das Wort. – Bitte.

 


11.56.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja von meinen Vor­rednern schon einiges über Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof gesagt worden. Im Vordergrund steht vor allem die dauerhafte und strukturelle Überlastung vor allem des Verwaltungsgerichtshofes, es ist aber leider beim Verfassungsgerichtshof nicht wesentlich besser.

Es ist auch schon angesprochen worden, dass aufgrund der Einrichtung des Asylge­richtshofes zwar 2008 die Zahl der Fälle zurückgegangen ist, aber das hat an der dau­erhaften Gesamtbelastung des Verwaltungsgerichtshofes leider überhaupt nichts geän­dert. Es gibt im Bericht auch ein paar Zahlen dazu, die die prekäre Situation des Ver­waltungsgerichtshofs widerspiegeln.

Im Jahr 2008 sind 8 334 Beschwerden eingelangt. 7 203 Fälle konnten im gleichen Zeit­raum erledigt werden. Damit wuchs der Rückstau der unerledigten Beschwerdefälle, der Ende 2007 erstmals die Zehntausender-Marke überschritten hatte, mit Ende 2008 auf 12 416 Akten an. 463 Beschwerdefälle waren über drei Jahre lang in Bearbeitung, was eine wirklich sehr lange Zeit ist, die dringend verkürzt gehört.

Die meisten Beschwerdefälle hat es, wie auch schon angesprochen worden ist, im Be­reich des Asylwesens und des Sicherheitswesens gegeben, aber auch im Bereich Ab­gaben, Sozialversicherung und Baurecht gab es zahlreiche Beschwerden.

Da haben wir uns ja schon im Nationalrat etwas überlegt. Der Bundeskanzler hat es zwar heute nicht befürwortet, wie wir in der Fragestunde festgestellt haben, dennoch wollen wir daran festhalten, indem wir sagen: In jenen Fällen, wo strukturell der Sach­verhalt völlig klar ist und abgehandelt worden ist, sollte der Verwaltungsgerichtshof auch in der Sache entscheiden können, nicht dass, wenn ein aufgehobener Bescheid den Instanzenweg wieder zurückgeht, die Geschichte wieder von vorne anfängt. Das Ver­fahren dauert dadurch natürlich entsprechend lang. Es werden also Zeit und Ressour­cen verschwendet. Vielleicht können sich die Regierungsparteien einmal dazu aufraf­


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fen, noch einmal darüber nachzudenken, ob das nicht vielleicht doch eine Lösung wä­re, die den Verwaltungsgerichtshof entlasten könnte.

Das Gleiche haben wir beim Verfassungsgerichtshof. Auch da gibt es eine chronische Überbelastung, was auch in diesem Tätigkeitsbericht beklagt wird. Mit gezielten organi­satorischen Vorkehrungen, zusätzlichen Mitarbeitern und besonderem Einsatz ist es in den ersten Monaten zwar gelungen, die neuen Herausforderungen, die sich durch die Asylgerichtshöfe ergeben haben, einigermaßen zu bewältigen, sagt der Bericht, aber auf Dauer ergibt sich auch hier ein gravierendes Problem für den Verfassungsgerichtshof.

Dabei geht es den VfGH-Richtern nicht nur um die enorme Arbeitsbelastung, sondern sie fürchten auch, dass der VfGH durch die hohe Zahl von Beschwerden im Asylbe­reich von seiner ureigensten Aufgabe der Normenkontrolle und der Prüfung grundsätzli­cher verfassungsrechtlicher Fragen mehr und mehr entfremdet wird – etwas, wo man wirklich aufpassen muss, weil es wirklich nicht nur bedauerlich, sondern eine staatspo­litische Katastrophe wäre, wenn der Verfassungsgerichtshof nicht mehr seinen ureigens­ten Aufgaben nachkommen könnte.

Auch diesbezüglich haben wir von der FPÖ schon einen Antrag eingebracht, und da bitte ich die Regierungsfraktionen ebenfalls, sich damit zu beschäftigen und darüber nachzudenken, ob sie da nicht Entgegenkommen zeigen könnten. Es ist so: Der Ver­fassungsgerichtshof tagt jetzt in Sessionen, und wenn der Arbeitsanfall sehr groß wird, dann gibt es eine Zwischensession. Wir schlagen vor, dass es quasi eine andauernde Sitzung des Verfassungsgerichtshofes geben soll, weil dadurch die Fälle rascher abge­handelt werden könnten. Aber selbstverständlich funktioniert das nur dann, wenn eine entsprechende Anzahl an Referenten da ist, die auch zuarbeiten können.

Weil der Bundeskanzler heute völlig richtig gesagt hat, sparen sei wichtig: Ich habe das letzte Mal hier auch gesagt: Sparen ist wichtig, und man muss immer schauen, wo ge­spart werden kann, aber sparen um jeden Preis, das geht nicht! Auch in der Justiz gibt es Bereiche, wo man einiges einsparen könnte, ohne dass das Funktionieren der Jus­tiz Schaden nehmen würde und ohne dass inhaltlich ein Schaden entstünde, aber es gibt sicher auch Bereiche, wo man mehr Personal bräuchte, um eben einen Schaden hintanzuhalten. Und ich meine, dass das gerade beim Verfassungsgerichtshof durchaus der Fall ist. Dort den Sparstift anzusetzen halte ich für nicht gut.

Abschließend: Ich danke all jenen, die diese Berichte verfasst haben, auf das Herzlichs­te, und wir werden sie auch wohlwollend zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

12.02


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.02.08

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Auch wir werden die beiden vorliegenden Berichte zur Kennt­nis nehmen – wenngleich in Sorge über die Situation an den beiden Gerichtshöfen.

Frau Kollegin Mühlwerth, auch wir haben damals dringend davor gewarnt, nachdem schon der Verwaltungsgerichtshof an den Rand des Funktionierens gebracht wurde, bei der Einführung des Asylgerichtshofes nicht auch noch den Verfassungsgerichtshof an den Rand der Arbeitskapazität zu bringen. Wenn wir uns nämlich die Zahlen von 2009 und nicht nur jene von 2008 anschauen, dann sehen wir, dass 2009 63 Prozent aller Be­schwerden, die an den Verfassungsgerichtshof herangetragen wurden, Beschwerden in Sachen Asyl sind. Der Rest von 37 Prozent betrifft Verordnungsprüfungen, Geset­zesprüfungen, Bescheidprüfungen und Urteilsprüfungen. Es handelt sich hiebei um zir­ka 3 500 Beschwerden, und die können trotz Aufstockung der Planstellen nur sehr müh­


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sam vom Verfassungsgerichtshof bewältigt werden. Das zeigt, dass letztlich Asylange­legenheiten keine Integration in unsere Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit gefunden ha­ben.

Im Jahre 2009 gab es 424 Beschwerden, 2 342 Verfahrenshilfeanträge, 446 Verfahrens­hilfeanträge mit gleichzeitig eingebrachter Beschwerde und 237 Verfahrenshilfeanträge mit nachträglich eingebrachter Beschwerde. Von diesen 3 500 Fällen konnten 2009 nur 2 004 erledigt werden. Das heißt, dort beginnt sich ein Rucksack zu füllen, wie wir das im Verwaltungsgerichtshof auch erlebt haben.

Problematisch ist – und das habe ich schon im Ausschuss gesagt, und die Frau Vize­präsidentin konnte das nicht entkräften –, dass es zu einer inhaltlichen Vorabprüfung durch die Verfahrenshilfe kommt, in der ein einzelnes Mitglied feststellt: Aussicht auf Erfolg! Das ist im Grunde eine Verkürzung des Rechtsweges, auch wenn, wie die Frau Präsidentin gesagt hat, darüber dann der kleine Senat mit sechs Richtern entscheidet, aber sie hat gesagt, dies ist eine Formalentscheidung, also keine Prüfung mehr in der Sache selbst.

Es ist ganz interessant, wie aufgrund dieser Verfahrenshilfeprüfungen durch einen Rich­ter dann die Aufhebungsquote ausschaut. Wenn man zum Beispiel den Verwaltungs­gerichtshof hernimmt, so sieht man, dass 2007 noch 14 Prozent der Bescheide aufge­hoben wurden und in den Jahren davor 22 Prozent der Bescheide. Beim Verfassungs­gerichtshof war es 1 Prozent, und zu diesem 1 Prozent kam es tatsächlich durch diese Verengung: ohne Aussicht auf Erfolg, Abschneiden der Verfahrenshilfe!

Der Verfassungsgerichtshofpräsident hat dringend appelliert, dass die Asylangelegen­heiten in die Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit implementiert werden. Das heißt, wir haben hier eine Legisvakanz. Und da, Herr Staatssekretär, sind Sie am Zug: nämlich diese Legisvakanz in einem überschaubaren Zeitraum zu schließen.

Wenn wir den Verwaltungsgerichtshof hernehmen, so können wir sehen, Frau Kollegin Mühlwerth, dass dort der Inhalt des Rucksacks im Jahr 2009 bereits reduziert werden konnte. Die Zahlen, die uns da vorliegen, sind: 12 416 Fälle, wie Sie, Frau Kollegin, ge­sagt haben, und am Ende von 2009 waren es nur mehr 10 162 Fälle. Der Rucksack ist noch verdammt prall gefüllt, obwohl es bei Beschwerden einen Abbau von 35 Prozent gab und bei Anträgen mit aufschiebender Wirkung einen solchen von sogar 55 Pro­zent.

Aber wir haben am Verwaltungsgerichtshof nach wie vor eine Verfahrensdauer von 19 Monaten, und die „Ausrutscher“ von über 19 Monaten Verfahrensdauer werden wie­der mehr. Das heißt, bei der derzeitigen Ausstattung – und deshalb heute meine Frage an den Herrn Bundeskanzler, weil im Bundesfinanzrahmengesetz 2011 bis 2014 ja eine Reduktion von Stellen im Verwaltungsgerichtshof geplant ist – ist keine Person zu viel. Das sagt auch der Rechnungshof in seinem Bericht. Und wenn wir davon ausgehen – und das zeigt die internationale Erfahrung –, dass mit der derzeitigen personellen Aus­stattung 3 000 Fälle im Jahr bearbeitet werden können, so können wir uns vorstellen, wie lang bei derzeit 5 358 neuen Beschwerden und ungefähr 2 000 neuen Anträgen und einem noch bestehenden Potenzial von 10 000 Fällen eigentlich die definitive Recht­sprechung in diesem Bereich ist.

Das heißt, auch wenn man alle Asylangelegenheiten wegpackt, ist bereits bei den nor­malen Angelegenheiten eine Überlastung gegeben. Deshalb müssen wir hier unbedingt schauen, dass die Obersten Organe, die obersten Gerichtshöfe personell entsprechend ausgestattet sind, damit Recht zeitgerecht auch Recht wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.08



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 68

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Oster­mayer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


12.08.55

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache nur ein paar Anmerkungen zu dem hier Gesagten.

Wenn man genau betrachtet, worin das Problem besteht, dass es eine relativ große Be­lastung der beiden Höchstgerichte in Österreich gibt, dann sieht man, dass es daran liegt, dass bis 2006/2007 ein sehr großer Rückstau an Verfahren aus dem Asylbereich entstanden ist. Was hat man demzufolge gemacht? – Man hat in der letzten Legislatur­periode den Asylgerichtshof geschaffen, der – und das konnten wir in diesem Raum auch schon besprechen – wirklich eine sehr, sehr gute Arbeit, wie ich meine, leistet, wofür nicht nur dem Präsidenten Perl, sondern auch den dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Richterinnen und Richtern zu danken ist. Diese Leistung zeigt sich auch daran – und da habe ich eine etwas andere Schlussfolgerung als der Herr Bundesrat Schennach –, dass die Zahl der Aufhebungen von Bescheiden des Asylge­richtshofes durch den Verfassungsgerichtshof deutlich zurückgegangen ist; von 1 Pro­zent war vorhin die Rede. Daraus kann man auch ableiten, welche Qualität in die Ar­beit beim Asylgerichtshof hineingelegt wird.

Dieser Rückstau, dieser „Rucksack“, den der Asylgerichtshof übernommen hat, wird suk­zessive abgebaut. Der Abbau liegt im Plan, und es ist nach dem derzeitigen Stand und auch nach den Informationen, die wir vom Präsidenten des Asylgerichtshofes bekom­men haben, auch zu erwarten, dass in dem Zeitplan, der damals festgelegt wurde, der Abbau erfolgt. Dass natürlich die hohe Leistung des Asylgerichtshofes, auch was die Erledigung von Akten anlangt, in der Folge dann zu einer Belastung des Verfassungs­gerichtshofs führt, ist klar, ist die logische Folge davon. Daher hat der Verfassungsge­richtshofpräsident Holzinger veranlasst, dass es zu den vier Sessionen, die der Verfas­sungsgerichtshof pro Jahr abhält, zusätzliche Sessionen gibt, in welchen die Asylakten bearbeitet werden.

VfGH-Präsident Holzinger hat im Verfassungsausschuss auf den Vorschlag der Freiheit­lichen Partei, eine Dauersession zu machen, gemeint, dass er das nicht für ein zielfüh­rendes Instrument hält, effizienter zu werden und den Stau schneller abzubauen. Im Übrigen: Wenn man sich die Zahlen von 2009, die Kollege Schennach hier schon genannt hat, anschaut, dann sieht man, dass diesbezüglich bei beiden Gerichtshöfen eine Besserung erfolgt ist. Dies geschah aus einem einfachen Grund, und zwar: Würde man eine Dauersession machen, hätte das eine totale Änderung des Systems zur Fol­ge. Die Konsequenz daraus wäre nämlich, dass es ein System, wie wir es haben, wo zum Beispiel Rechtsanwälte und Uni-Professoren drinnen sitzen können, dann nicht mehr geben könnte, denn unser derzeitiges System setzt ja voraus, dass man neben­bei seinen Beruf als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin, Uni-Professor/Uni-Professorin aus­üben kann, wobei man während der Sessionszeit dann eben drei Wochen lang durch­gängig am Verfassungsgerichtshof ist.

Der VfGH-Präsident sagt, die Effizienz gewährleisten in Wahrheit die Referenten, die während und zwischen der Sessionen die Entscheidungen vorbereiten, die dann in der Session eben von allen intensiv diskutiert werden.

Es wurde vorhin angemerkt, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer 8 Monate be­trägt. Wenn man sich das genau anschaut, dann muss man sagen: Das ist tatsächlich international gesehen eine Spitzenleistung, denn schneller geht es bei der Sorgfalt, die an den Tag zu legen ist, eigentlich nicht. Daher glaube ich, dass die Vorgangsweise, wie sie derzeit beim Verfassungsgerichtshof gepflogen wird, wo man die unterschiedli­chen Rechtsberufe mit einbezieht, nämlich Praktiker und Theoretiker, eine sinnvolle ist.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 69

Was haben wir, weil das hier auch angesprochen wurde, noch getan? – Wir haben im Jahr 2010 dort auch das Personal aufgestockt. Das haben die beiden Gerichtshofpräsi­denten auch dankend erwähnt. Und wir haben etwas gemacht, was auch – ich glaube, man kann das durchaus sagen – Jahrzehnte diskutiert wurde, nämlich einen Entwurf betreffend eine mehrstufige Verwaltungsgerichtsbarkeit in Begutachtung geschickt. Wir haben davor intensiv mit den verschiedenen Akteuren, insbesondere natürlich auch den Ländern, darüber gesprochen. Wir haben, wie gesagt, einen Verfassungsgesetz-Ent­wurf in Begutachtung geschickt. Dazu sind bisher etwas mehr als 100 Stellungnahmen eingelangt. Die werden jetzt gerade im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes ge­sichtet und bearbeitet. Es wird parallel dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet, unter an­derem auch mit dem Finanzministerium, aber auch gemeinsam mit den Ländern, wo auch die Fallzahlen der einzelnen verschiedenen Verwaltungsbehörden erhoben wer­den, weil es nicht darum geht, dass wir zusätzlich zu den Beamten, die es jetzt gibt, Lan­desverwaltungsgerichtshöfe und ein Bundesverwaltungsgericht erster Instanz schaffen, sondern es soll auf der einen Seite eine Entlastung der Verwaltungsbehörden geben und auf der anderen Seite das entsprechende Personal bei den Gerichtshöfen.

Das ist keine Verwaltungsreform, durch die man Einsparungen vornehmen will, son­dern in Wahrheit ist das eine Rechtsstaatlichkeitsreform. Der Plan ist der, dass beim Bundesverwaltungsgericht erster Instanz meritorisch, also in der Sache, entschieden werden soll, während beim Verwaltungsgerichtshof weiterhin kassatorisch entschieden werden soll, weil man ansonsten in verschiedenen Fällen in oberster Instanz auch den Sachverhalt wieder neu feststellen müsste. Das soll in der Instanz darunter passieren.

Wie gesagt, wir haben zur Entlastung der beiden Höchstgerichte den Asylgerichtshof geschaffen. Der „Bauch“, der dort abgebaut wird, landet auf Grund dessen natürlich teilweise beim Verfassungsgerichtshof, aber reduziert sich in der Folge auch klarerwei­se. Des Weiteren haben wir das Personal aufgestockt in Abstimmung mit den Präsi­denten des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs. Und wir haben ein Begut­achtungsverfahren gestartet für ein Gesetz, wo im ersten Schritt der Asylgerichtshof nicht integriert ist, weil unsere Überlegung die war, dass dieser jetzt in Ruhe sein Ziel erreichen soll, den Berg, den Rückstau an Asylverfahren abzubauen, wo aber in letzter Konsequenz natürlich die Überlegung die ist, den Asylgerichtshof auch in ein Bundes­verwaltungsgericht einzugliedern.

Also wir waren nicht untätig. Wir haben laufend – unabhängig von den Berichten – mit den beiden Gerichtshofpräsidenten Kontakte gepflogen und uns deren Bedürfnisse an­gehört. Das hat unter anderem auch dazu geführt, dass wir im heurigen Jahr das Per­sonal aufgestockt haben. Wir diskutieren jetzt den Begutachtungsentwurf zur mehrstu­figen Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Stellungnahmen dazu und holen natürlich auch den Rat der beiden Gerichtshofpräsidenten ein, wie man die Belastung, die sie ha­ben, entsprechend reduzieren kann.

Ich glaube, die notwendigen Schritte sind eingeleitet. Dass die Umsetzung der Verwal­tungsgerichtsbarkeit eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, und zwar nicht nur auf der legistischen, sondern in der Folge natürlich auch auf der operativen Ebene, ist klar. Aber auch dieser Zeitplan ist mit den beiden Gerichtshofpräsidenten akkordiert.

Im Übrigen danke ich den beiden Gerichtshofpräsidenten nicht nur für die Verfassung der beiden vorliegenden Berichte, sondern natürlich auch für die Tätigkeit, die sie dau­erhaft erbringen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 70

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

 

12.17.434. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011 (III-394-BR/2010 d.B. sowie 8341/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Petritz. Ich bitte um den Bericht.

 


12.18.04

Berichterstatter Karl Petritz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Mei­ne sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frau­en und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011 liegt in schrift­licher Form vor; ich nehme daher von der Verlesung desselben Abstand.

Ich komme sogleich zum Ausschussantrag:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 den Antrag, den Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Euro­päischen Kommission für 2010 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011 (III-394-BR/2010 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.18.58

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zuerst herzlich für die Form bedanken, in der dieser Frauenbericht zugestellt wurde. Er ist sehr platzsparend und war sehr angenehm durchzulesen. Die digitale Form ist äußerst an­genehm. Für diesen Bericht in Form einer CD möchte ich mich sehr herzlich bedanken.

Der vorliegende Frauenbericht 2010 weist aus, dass sich die Situation der Frauen in den vergangenen Jahren um sehr vieles und in sehr vielen Bereichen zwar verbessert hat, von einer Gleichstellung mit Männern kann aber nach wie vor keine Rede sein.

Demnach haben Frauen die Männer zum Beispiel in der Bildung teilweise überholt. Mehr Frauen als je zuvor sind berufstätig. Gleichzeitig sind aber etwa die Einkommens­unterschiede zwischen Männern und Frauen größer geworden.

Besonders aufgeholt haben die Frauen im Bereich der Bildung. Konnten zum Beispiel 1971 noch rund 70,4 Prozent als höchste Ausbildung nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen, waren es 2008 nur mehr rund 22,3 Prozent. Von rund 1,4 Prozent im Jahr 1971 auf rund 13,8 Prozent im Jahr 2008 gestiegen sind hingegen Abschlüsse an Uni­versitäten, Hochschulen und hochschulverwandten Lehranstalten. Bei Männern lag die­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 71

ser Wert 2008 bei rund 12,8 Prozent. Technische und naturwissenschaftliche Ausbil­dungswege sind aber immer noch von Männern dominiert.

Rund sieben von zehn Frauen, zirka 68 Prozent, sind mittlerweile berufstätig – es ergibt sich hier eine Diskrepanz, da von den Frauen, die in Österreich geboren sind, 80 Pro­zent berufstätig sind, hier gibt es also eine Diskrepanz zwischen 68 Prozent und 80 Pro­zent –, 1991 waren es rund 62,7 Prozent.

Mehr als verdoppelt hat sich seither allerdings die Teilzeitquote. Sie betrug 2008 rund 41,5 Prozent, bei Männern nur 8,1 Prozent. Jede vierte Frau in Teilzeit würde laut dem Bericht gerne mehr arbeiten, jede zweite gibt als einen Grund für die Teilzeitbeschäfti­gung Betreuungspflichten an.

Bei der unbezahlten Arbeit, also Kinderbetreuung oder Haushalt, wurden nur sehr ge­ringe Verbesserungen verzeichnet. Rund zwei Drittel dieser Arbeit werden immer noch von Frauen erledigt. Fest in Frauenhand ist beispielsweise die Pflege: 2007 erfolgten etwa 88 Prozent der Pflegetätigkeiten durch Angehörige, rund zwei Drittel von ihnen wa­ren Frauen.

Aber auch bei der bezahlten Arbeit sind Frauen benachteiligt. So verdienen sie, gemes­sen am Brutto-Jahreseinkommen der Männer, nur rund 58,4 Prozent, teilzeitbereinigt bekommen sie immer noch um zirka ein Viertel weniger als Männer. Bis zu 18 Prozent weniger verdienen Frauen laut Ministerium, nur weil sie Frauen sind, denn diese Zahl sei statistisch nicht erklärbar. Zum Vergleich: Die Hälfte der Frauen verdient unter 1 740 € brutto, bei den Männern sind es 2 232 € brutto. Rund 7 Prozent der Frauen sind außer­dem berufstätig und gleichzeitig armutsgefährdet. Insgesamt sind etwa 13 Prozent der Frauen armutsgefährdet.

Um die Zahlen einzuschränken und nicht nur statistisch vorzugehen, habe ich einfach die ersten paar Eindrücke aus diesem Frauenbericht ein bisschen zusammengefasst. So werden zum Beispiel Frauen stärker als Individuen als in Familienbezügen wahrge­nommen. Ein starker Fokus liegt auf Frauen, die in der Erwerbsarbeit tätig sind, und we­niger auf Frauen als Mütter.

Erwerbsarbeit wird nur als Vollerwerbsarbeit gleichsam ernst genommen, Teilzeitarbeit wird tendenziell abgewertet und für Männer offenbar als keine Möglichkeit gesehen. Es kann vermutet werden, dass sich die Bewertung von Vollzeitarbeit – vielleicht auch un­bewusst – an einem männlichen Leitbild orientiert, wobei nicht gefragt wird, ob Männer damit immer glücklich sind.

Offenbar als zwingend erforderlich gesehen wird der Ausbau von institutioneller, das heißt außerfamiliärer Kinderbetreuung, um es Frauen zu ermöglichen, einer Erwerbs­arbeit nachzugehen. Damit wird zunächst das Prinzip der Wahlfreiheit in Frage gestellt – für das wir uns immer ganz stark eingesetzt haben –, unbeschadet des Umstands, dass zum Beispiel in Deutschland ähnliche Ansätze in den letzten Jahren zu einem weiteren Geburtenrückgang geführt haben.

Frauenleistungen, die zum Beispiel in Erziehung, Betreuung und Pflege – notabene auch überwiegend unbezahlte Tätigkeiten – erbracht werden, werden nur unzureichend wahrgenommen, bewertet oder als materiell abgeltenswert dargestellt. Einen zukunfts­trächtigen neuen Arbeitsgriff, der auch die in und durch Familien erbrachten Leistungen angemessen einschließt, sucht man leider vergebens.

Daher fehlen auch in der Diskussion um eine bessere Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit neue Ansätze, zum Beispiel die Ermöglichung einer nacheinander ge­lebten Abfolge von Phasen der Familien- und Erwerbsarbeit – natürlich immer für beide Geschlechter gedacht – anstelle der momentan für Frauen ausschließlichen Entschei­dung zwischen Erwerbsarbeit und/oder Kindern. Wünschenswert gewesen wären Über­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 72

legungen, wie eine Ebenbürtigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit – gültig für Männer wie für Frauen – hergestellt werden kann, zum Beispiel durch entsprechende Maßnah­men im Steuer-, Sozial- und Arbeitsrecht.

Es entsteht der Eindruck, als würden aus der Frauenperspektive Fragen der Geschlech­tergerechtigkeit zu Lasten der Generationengerechtigkeit verhandelt werden. An die Stel­le einer isolierten Kinder-, Jugend-, Frauen-, Männer- und Seniorenpolitik sollte eine geschlechter- und generationenübergreifende Generationenpolitik mit einer Fernverant­wortung auch für die nachwachsenden Generationen treten und auch institutionell ab­gebildet werden.

Zum Schluss: Früher haben arbeitende Frauen als Rabenmütter gegolten. Wenn man heute den Frauenbericht liest, hat man fast den Eindruck, dass Frauen, die sich für die Familienarbeit und für die Erziehung ihrer Kinder entscheiden, als faul dargestellt wer­den. Das ist nicht das, was wir in der FPÖ uns unter einer vernünftigen Politik vorstel­len. Wir würden uns diesbezüglich eine andere Vorgangsweise wünschen.

Das „Sahnehäubchen“ am Schluss ist, glaube ich, die Intention oder der Entwurf einer Resolution, der im Europarat vorliegt, worin es ganz klar einen Anschlag auf das Wort „Mutter“ gibt, indem der Begriff „Mutter“ als „sexistisch“ bezeichnet wird. Wir möchten das nicht.

Insgesamt nehmen wir den Bericht nicht zur Kenntnis. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Mitterer.)

12.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Blat­nik. Ich erteile es ihr.

 


12.27.16

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Gospod pre­sident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Gospod državni sekretar! Liebe Frau Mi­chalke! Wir nehmen hier eigentlich nicht den Frauenbericht zur Kenntnis, sondern die­ser Bericht ist ein Bericht zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kom­mission und zum Arbeitsprogramm des Rates für den jeweiligen Wirkungsbereich. (Bun­desrätin Michalke: Nehmen wir auch nicht zur Kenntnis! – Bundesrat Konecny: Wurscht, Sie nehmen gar nichts zur Kenntnis!) Es ist ein gemeinsamer Bericht des Bundeskanz­lers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, den nehmen wir zur Kenntnis!

Ich gebe Ihnen in einem Punkt recht: Gleichstellung funktioniert nicht, auch nicht im 21. Jahrhundert. Aber in diesem Bericht, über den wir jetzt reden, sind Ansätze und Maßnahmen definiert, mit denen die Gleichstellung verbessert wird. Deswegen werden wir diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis nehmen!

Es sind Maßnahmen wie zum Beispiel gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Es sind Maßnahmen, durch die man Familie und Beruf besser vereinbaren kann. Es sind Maß­nahmen für gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit. Es sind Maßnahmen, mit denen man Impulse gegen Diskriminierung setzen kann. Es sind praktisch auch Maßnahmen, mit denen man der geschlechtsspezifischen Gewalt ein Ende setzen kann. Das sind positive Maßnahmen!

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich bin davon überzeugt, dass unser gemeinsames Ziel Gleichstellung heißen muss. Die Bundesregierung bekennt sich zu dieser Gleich­stellung, und das nicht nur, weil es modern ist, weil es „in“ ist, weil es ein paar Eman­zen oder Feministinnen fordern, sondern auch deshalb, weil Gleichstellung Sinn macht. Es ist etwas Positives, weil Gleichstellung Wirtschaftswachstum mit sich bringt. Gerade das zeigt auch die europäische Studie.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 73

Aber Österreich hat in der Gleichstellung noch einen langen Weg vor sich, und den müs­sen wir beschreiten. Da müssen wir aufpassen und einfordern – nicht nur Frauen, son­dern Männer und Frauen –, dass Gleichstellung ein Muss ist, etwas Wichtiges und Po­sitives sein muss. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Nach wie vor belegen die von der Europäischen Kommission vorgelegten Zahlen, dass das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in vielen Bereichen weiterhin be­steht – da gebe ich Ihnen recht –: Ungleichheit bei der Beschäftigungsquote, Ungleich­heit bei der Teilzeitquote, beim Einkommensniveau, bei unbezahlter Arbeit – und hier meine ich, bei der Betreuungsarbeit, in der Pflege, bei der Hausarbeit –, bei Entschei­dungsprozessen sowie im Hinblick auf die Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewalt ist kein Privatdelikt, bei Gewalt dürfen wir nicht zuschauen. Es ist für mich nicht romantisch, zu wissen, dass fast jede fünfte Frau Op­fer von Gewalt ist. Wen trifft denn die Gewalt am meisten? – Frauen und Kinder! Da dürfen wir nicht zuschauen, da müssen wir Ansätze und Maßnahmen setzen, um die­ser Gewalt entgegenzuwirken.

Gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit: Im Vorfeld des hundertjährigen Jubiläums des Internationalen Frauentages wurde festgestellt, dass sich insbesondere die Lage der Frauen in Österreich, in Europa, aber auch weltweit nicht verändert hat, sondern leider verschlechtert hat. Die Gehaltsschere ist immer größer geworden, und Österreich liegt bei dieser Gehaltsschere an vorletzter Stelle. Nur Estland ist hinter Ös­terreich, alle anderen EU-Staaten haben bessere Werte als Österreich, sogar diese – unter Anführungszeichen – „Macho“-Regionen liegen vor Österreich. (Bundesrat Per­hab: In Bulgarien verdienen die Damen weniger als in Österreich! – Weitere Zwischen­rufe.)

Na ja, dann fragen wir eben: Ist es gerecht, dass in Österreich Frauen ein Drittel weniger als Männer verdienen, nur weil sie Frauen sind? Ist es gerecht, dass 39 Prozent aller erwerbstätigen Frauen in Teilzeit arbeiten? Ist es gerecht, dass die Frauen, der Großteil der Frauen, noch immer Betreuungsarbeit, Hausarbeit und Arbeit für die Kindererziehung machen? Ist das gerecht? (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) – Nein, es ist nicht gerecht!

Deswegen müssen wir Ansätze machen, dass vor allem auch bei der Hausarbeit, bei der Pflege- und Kinderbetreuungsarbeit der Begriff „unbezahlte Arbeit“ neu verteilt wird. Halbe-halbe müsste im 21. Jahrhundert kein Slogan mehr, sondern eine Selbstverständ­lichkeit sein! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)

Noch etwas: Höchstens die Hälfte der Einkommensunterschiede ist rational zu erklä­ren, der Rest ist Lohndiskriminierung! Freilich müssen wir uns fragen: Sind vielleicht auch die Frauen daran schuld? Sind die Frauen zu wenig selbstbewusst? – Meine Ant­wort: Man muss die Frauen selbstverständlich dazu ermutigen, nicht immer die typi­schen Frauenberufe wie Verkäuferin, Friseurin, Sekretärin zu erlernen.

Ich kann euch sagen, in der Schule – ich bin nämlich Berufsschullehrerin und unter­richte drei dritte Klassen – sind in einer Verkäuferklasse zu hundert Prozent Mädchen, die gerade diesen typischen Frauenberuf auswählen, in dem sie keine Aufstiegsmög­lichkeit haben und wenig verdienen. Da müssen wir bei den Frauen ansetzen! Wir müs­sen aber auch da ansetzen, dass ein Grund für diesen Einkommensunterschied die unterschiedliche Einstufung ist, die unterschiedliche Anrechnung von Vordienstzeiten, außerordentliche Gehaltserhöhungen, Prämien, Zulagen und Überstundenabgeltung.

Noch zwei Punkte zum Thema Diskriminierung: Die Zahl der Frauen in Führungsfunk­tionen sinkt, statt zu steigen, und Österreich fällt immer weiter zurück. In Kärnten, oder eigentlich überhaupt in Österreich, ist es so, dass Frauendomänen von Männern be­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 74

setzt sind. Wir in Kärnten fordern eine Gynäkologin mit Kassenvertrag, denn wir haben keine einzige Gynäkologin in Kärnten, die einen Kassenvertrag hat. Wenn man sich das in Bezug auf Österreich anschaut, dann muss ich euch auch sagen, es gibt 407 Gy­näkologen und nur 88 Gynäkologinnen mit Kassenvertrag.

Gestern hätte ich noch gesagt, wir haben keine Rektorin. Ab heute haben wir Gott sei Dank eine Rektorin! Ich hoffe, dass es nicht nur bei einer bleibt.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ja, wir müssen Rahmenbedingungen schaffen. Kinderbetreuungseinrichtungen sind ein Muss, auch von null bis drei. Da ist Kärnten auch das Schlusslicht. Wir müssen die Kinderbetreuungseinrichtungen ausbauen. Wa­rum? – Es geht jetzt nicht um die Frage, ob ich arbeiten gehe oder daheim bleibe, son­dern es geht um die Frage: Wie kann ich es gestalten, dass ich sowohl Familie haben als auch arbeiten gehen kann?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt nämlich sehr viele Frauen, Alleinerzieherinnen, die sich das nicht aussuchen können. Um ganz einfach ein Leben gestalten und auch finanzieren zu können, müssen sie arbeiten gehen.

Noch etwas: Kinderbetreuung ist ja nicht allein Frauensache, Kinderbetreuung geht uns alle an, die Gesellschaft, Männer und Frauen. Deswegen müssen wir ganz einfach die Väterkarenz stärken! Ich bin deshalb sehr froh darüber, dass es gelungen ist, ge­meinsam das einkommensabhängige Kindergeld zu realisieren, denn jetzt gibt es diese Ausrede verschiedener Männer nicht mehr: Wenn ich in Karenz gehe, habe ich finan­zielle Einbußen.

Liebe Väter! Kinderbetreuung ist auch etwas Positives. Ich glaube, dass Kinderbetreu­ung, der Zugang zum Kind und die Beziehung zum Kind, wenn man die Männer mo­tiviert, mehr in Väterkarenz zu gehen, etwas ganz Einzigartiges und Schönes sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere wichtigste Aufgabe ist es jetzt, dass man die­se Ankündigungen, diese Ansätze, diese Maßnahmen auch in Taten umsetzen muss. Daran werden wir gemessen, ob wir Gleichstellung ernst nehmen oder nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen keine Besserstellung. Was wir wollen, ist Gleichstellung, und für Gleichstellung sind wir alle verantwortlich, sowohl Männer als auch Frauen.

Ich möchte mich bei allen, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben, recht herzlich be­danken. Wir werden diesen Bericht selbstverständlich zur Kenntnis nehmen.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

12.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. – Bitte, Frau Kollegin.

 


12.39.40

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Ungleichheiten für Frauen gibt es in ganz Europa. Meine Vorrednerinnen haben das schon angeführt.

Darum finden sich auch im Arbeitsprogramm der Kommission und des Rates Maßnah­men, damit sich das verbessert. Da gibt es einige Punkte zur Gleichstellung von Frau­en und Männern, auf die ich eingehen will. Wie meine Vorrednerin bereits gesagt hat, soll es für Frauen keine Besserstellungen gegenüber den Männern geben, sondern es sollen einfach für beide gleiche Bedingungen gelten. Daher gilt es, Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt abzubauen, die es noch immer gibt. Wir haben schon vielfach ge­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 75

hört, dass Männer gegenüber Frauen oft bevorzugt werden. Es besteht auch von EU-Seite die Absicht, das abzubauen.

Erhöhung der Beschäftigungsquote von Frauen: Frauen haben noch immer eine gerin­gere Beschäftigungsquote. Wir werden in Zukunft mehr Leute auf dem Arbeitsmarkt brauchen. So ist es natürlich auch wichtig, die Beschäftigungsquote von Frauen anzu­heben.

Beseitigung von Lohnunterschieden: Für gleiche Arbeit soll es auch gleiche Entschä­digung geben.

Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist sehr wichtig, und dafür ist die Kinderbetreuung ein wesentliches Element. Da gilt es auch, die Aufteilung der Versorgungspflichten durch eine Verbesserung der Väterkarenz zu fördern.

Beseitigung von Gewalt gegen Frauen: Gewalt gegen Frauen ist in vielen Ländern Euro­pas vorzufinden, aber auch bei uns in Österreich sehr häufig. Diesbezüglich sollen Maß­nahmen getroffen werden. Eine EU-weite Maßnahme ist das EU-Opfertelefon, das ein­geführt werden soll, sodass jeder sich kostenlos bei einer Stelle melden kann.

Ich möchte diesen Bericht aber nicht nur im Hinblick auf die Situation der Frauen be­urteilen. Im Bericht des Bundeskanzlers werden noch viele andere Dinge beleuchtet, die problematischen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise beispielsweise. Die Kommission hat sie natürlich auch zum Schwerpunkt gemacht. Um die Krise zu be­wältigen, beginnt man Ausstiegsszenarien aus dem Unterstützungspaket für den Fi­nanzsektor auszuarbeiten. Es gilt natürlich auch, Vorkehrungen zu treffen, um uns zu wappnen, damit solche Krisen nicht so bald wieder über uns hereinbrechen. Daher wer­den die Finanzmarktvorschriften zu verschärfen und die Finanzmarktaufsicht zu refor­mieren sein. Es geht auch um die Einführung einer europaweiten Finanztransaktions­steuer, die ja in Diskussion ist und die auch zu befürworten ist. Ein Alleingang einzelner Länder bringt jedoch nichts, sondern es ist sinnvoll, dass man das europaweit oder so­gar über den EU-Rahmen hinaus macht, weltweit, denn nur dann kann es wirklich et­was bringen.

Im 18-Monatsprogramm des Rates ist auch die vollständige Umsetzung des Lissabon-Vertrags enthalten. Dies ist ein wichtiger Vertrag, der wesentliche Verbesserungen bringt, und zwar in Bezug auf die Bürgerrechte und im gemeinsamen Auftritt Europas nach außen. Dabei geht es jetzt darum, nach außen eine Außen- und Sicherheitspolitik zu vertreten. Dafür wird der Europäische Auswärtige Dienst geschaffen.

Der Lissabon-Vertrag gibt aber auch uns im Bundesrat die Möglichkeit, uns in Europa­fragen zu positionieren: So haben wir ja in der vorletzten Sitzung zum Beispiel einen Beschluss zur Subsidiaritätsprüfung gefasst. Der Vertrag gibt uns als Bundesrat die Möglichkeit, mit Subsidiaritätsrüge und Subsidiaritätsklage eine Mittlerrolle zwischen den Gemeinden, Ländern und Europa einzunehmen.

Ein wichtiger Punkt ist auch das nachhaltige Wirtschaftswachstum, für das es eine neue Strategie festzulegen gilt. Als Nachfolgestrategie der Lissabon-Strategie wird Euro­pa 2020 eingesetzt. Darin geht es um Beschäftigung und Wachstum. Als Kernziele fun­gieren Bildung, Forschung und Innovation. Da gilt es vor allem, das Innovationspoten­zial in Europa zu steigern, wichtige Programme, Maßnahmen zur Forschungsunterstüt­zung EU-weit besser zu koordinieren, damit sie effizienter gefördert werden können.

Beschäftigung und soziale Eingliederung: Das ist in Zukunft eine besondere Herausfor­derung. Erfreulich ist, dass dem Thema „Jugendarbeitslosigkeit“ ein besonderer Schwer­punkt in den strategischen Maßnahmen gewidmet wird.

Klima und Energie: Leider war der Ausgang der Klimakonferenz im Vorjahr in Kopen­hagen eher enttäuschend. Der Rat wird das Klimaprogramm jetzt noch einmal überar­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 76

beiten und dabei auch darauf schauen, dass es nicht durch Emissionsgrenzen zu einer noch stärkeren Verlagerung der Produktion kommt. Wir wollen weiter daran arbeiten, ein umfassendes globales und rechtsverbindliches Abkommen zu erzielen.

Die EU 2020-Strategie hat Priorität. Das gilt auch für die neue Haushaltsgestaltung. Ziel soll sein, ein faires, qualitatives, umweltgerechtes, ressourcenschonendes Wirtschaften mit sozialen Rücksichten zu sichern und zu einem Wachstum zu führen. Der Rat wird sich auch mit der Überprüfung des Haushalts befassen, um ihn auf die Zukunft aus­zurichten. Es geht um den Finanzrahmen 2014 bis 2020 und dessen finanzielle und auch inhaltliche Ausgestaltung.

Neben den Forschungs-, Struktur- und Regionalfonds ist die Gemeinsame Agrarpolitik eine wichtige Aufgabe, die wir jetzt schon erfüllt haben. Diese gilt es weiterzuentwi­ckeln, denn es treten neue Herausforderungen an die Landwirtschaft und an die Agrar­politik heran. Europa ist einfach größer geworden. Dem müssen wir uns auch anpas­sen. Wir dürfen die Rolle der Agrarpolitik nicht schmälern. Wir haben wichtige Aufga­ben zu erledigen, wenn es um Nahrungsmittelsicherheit, Qualität und erneuerbare Ener­gien geht. Es ist wichtig, Bedingungen zu schaffen, damit wir in Europa auch in Zukunft noch eine Landwirtschaft vorfinden, die hier unter den globalen Einflüssen überleben kann.

Ein Punkt, den ich noch herausgreifen will, ist die Donauraum-Strategie, denn gerade unser Kommissar Hahn hat sie ja auch eingebracht. Am Wochenende wurde dieses Thema beim Europaforum in der Wachau sehr stark diskutiert. Es geht dabei darum, ein makroregionales Konzept zu entwickeln, das man dann auch auf ganz Europa um­legen kann.

Es ist ein umfangreiches Arbeitsprogramm. Dies gilt es, in bester Form für Europa und für die Regionen in Europa zu erledigen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten von SPÖ und Grünen sowie des Bundesrats Zangerl.)

12.48


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


12.48.21

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. Er ist umfangreich, er ist über­sichtlich, es gibt zu fast jedem Punkt eine österreichische Stellungnahme, eine öster­reichische Sichtweise, die meiner Meinung nach in diesen Berichten das besonders Wichtige ist. Das ist in diesem Fall gut erfüllt. Wir werden den Bericht also prinzipiell gern zur Kenntnis nehmen.

Es gibt interessanterweise eine sehr heftige Frauendiskussion. Mir ist aufgefallen, dass auf der RednerInnenliste ausschließlich Frauen stehen. Der Bericht umfasst natürlich schon auch viele andere Bereiche. Ich habe mir zwei Bereiche herausgesucht, die der Herr Bundeskanzler heute in einem Atemzug erwähnt hat, nämlich den Klimawandel und die neue Regulierung des Finanzsektors.

Sehr spannend habe ich gefunden, dass der Herr Bundeskanzler gesagt hat, dass er das so gerne vergleiche, weil im Prinzip dasselbe gelte: Wir wollen alle, dass europa­weit oder möglichst weltweit etwas geschieht. Wenn das jedoch nicht so schnell mög­lich ist, dann ist trotzdem wichtig, dass wir auch schon vorher anfangen, uns hinstellen und selbst damit beginnen. – Das begrüße ich ausdrücklich auch bei der Finanztrans­aktionssteuer. Natürlich wäre es besser, sie europaweit beziehungsweise weltweit um­zusetzen. Man könnte jedoch einmal ein Zeichen setzen. Man darf auch nicht verges­


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sen: Wer mit etwas beginnt, der hat meistens die Nase vorn, hat einfach mehr Informa­tionen und weiß, wie es geht.

Beim Thema Klimawandel lese ich allerdings aus dieser Unterlage einen ein bisschen anderen Standpunkt des Bundeskanzlers heraus. Er macht sich zwar einerseits große Sorgen um den Klimawandel, sieht aber andererseits überhaupt keine Veranlassung, bei den Klimazielen eine Treibhausgasreduktion Europas um 30 Prozent anzustreben, statt der 20 Prozent, die wir zuletzt beschlossen haben. In dem Bereich hat er also of­fenbar einem Alleingang oder Vorstoß Europas nichts abgewinnen können. Es wäre schön, wenn er sich das doch noch einmal überlegen könnte, denn im Prinzip ist uns wohl allen bewusst, dass man mit dem 20-Prozent-Ziel und diversen anderen Zielen, die wir derzeit vereinbart haben, ganz sicher die Treibhausgasemissionen nicht so weit in den Griff bekommt, um die Klimaerwärmung auf 2 Prozent einbremsen zu können, damit wir nicht noch weitaus dramatischere Auswirkungen des Klimawandels erleben müssen.

Natürlich nehme auch ich zum Thema Frau Stellung: Die österreichische Position und diverse Aussagen zum Thema Frauenpolitik, die man im Bericht des Bundeskanzlers lesen kann, hat man wahrscheinlich vor 30 Jahren auch schon lesen können. Das ist das Traurige daran – und das gilt im Prinzip auch für die Klima- und Finanzpolitik –: Man liest viel, man redet viel, aber es ändert sich nichts.

Ich habe erst vor Kurzem mit einem Bekannten diskutiert, der politisch wirklich sehr in­teressiert ist. Ich habe gesagt: Und was ist mit den Einkommensunterschieden? Wo­rauf er geantwortet hat: Ihr arbeitet ja kürzer. – Es hat sich also noch nicht einmal he­rumgesprochen, dass Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht nur daran liegen, dass Frauen öfter Teilzeitarbeit annehmen, sondern dass sie auch wirklich daher rühren, dass Firmen einer Frau für die gleiche Arbeit weniger zahlen als einem Mann.

Da ist einerseits die Bewusstseinsbildung sicher noch zu verstärken, denn das haben viele Menschen noch nicht so erkannt, und andererseits wäre es endlich, dringend an der Zeit, Maßnahmen zu setzen. In Österreich gehört leider das Einkommen und das Vermögen zu den bestgehüteten und wichtigsten Geheimnissen eines jeden. Solange das so bleibt, solange Betriebe nicht irgendwie gezwungen werden, ihre Daten darzu­stellen und zu begründen, warum sie einer Frau weniger als einem Mann zahlen, so­lange da also kein Zugzwang geschaffen wird, wird sich an den Einkommensunter­schieden leider nichts ändern. Bei der SPÖ höre ich ja schon, dass es diesbezüglich Gedanken gibt; bei der ÖVP höre ich immer nur, wie man so etwas nur denken könne und dass das doch ganz unmöglich sei.

Ich denke also, dass es eine ganz, ganz wichtige Voraussetzung wäre, damit sich ge­rade bei den Einkommensunterschieden etwas ändert, dass man sie transparent macht und die Firmen sie begründen müssen.

Teilweise wurde auch auf das Thema Frauen in der Familie eingegangen. Mit dem Vor­schlag von Frau Michalke, mit einer Abgeltung der Familienarbeit habe ich insofern ein Problem, als ich für mich ganz persönlich meine Kinder nicht als „Arbeit“ bezeichnen möchte. Ich wende gerne viel Zeit für sie auf, es ist eine schöne Tätigkeit, und ich wür­de mir wünschen, dass Männer viel mehr die Möglichkeit hätten, auch Zeit dafür auf­zuwenden und diese schöne Tätigkeit zu erleben. Ich möchte es aber nicht als Arbeit bewerten, nicht in Geld bewerten müssen.

Abgesehen davon: Was ist Mutterarbeit? Was ist Erziehungsarbeit? Wer bewertet das? – Da gibt es einen schönen Spruch, den ich jetzt gendern möchte: „Mutter werden ist nicht schwer, Mutter sein dagegen sehr.“ (Bundesrat Dr. Kühnel: Den kenne ich aber anders!) – Ich sagte ja, es ist ein schön gegenderter Spruch. Ich würde mir wünschen,


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dass man das ein bisschen auseinanderhält, denn es ist einfach ein Ding der Fast-Unmöglichkeit, die Arbeit einer Mutter monetär zu bewerten. Wichtig wäre, den Zeitauf­wand anzuerkennen, und wichtig wäre auch, eben auch den Männern zu ermöglichen, diese „Arbeit“ – unter Anführungszeichen – zu leisten.

Da Efgani gerade so nett lächelt: Ich denke mir, da wäre natürlich auch die Politik ge­fordert. Wir sind ja die großen Vorreiter in diesem Lande. Ich möchte noch einmal da­ran erinnern, was Kollege Dönmez ohnehin schon einmal betont hat: Dass es für einen Politiker unmöglich ist, in Väterkarenz zu gehen, ist ein Sachverhalt, mit dem man sich schon beschäftigen sollte. Wenn wir Politiker und Politikerinnen Vorreiter sind – denn natürlich stehen wir auch ein bisschen mehr im Rampenlicht als andere –, dann sollte man auch daran denken, zu ermöglichen, dass vielleicht auch einmal ein Politiker in die Väterkarenz geht. Das könnte, sollte und müsste man einfach auf gesetzlicher Ebe­ne noch entsprechend ändern.

Insgesamt würde ich mir, wie gesagt, wünschen, dass wir in diesen drei Bereichen we­niger reden – weniger reden müssen wir gar nicht unbedingt –, aber jedenfalls mehr tun, damit wir irgendwann einmal auch in diesen Bereichen Erfolgsmeldungen verneh­men können. Beim Klimawandel habe ich in den letzten Jahren noch keine gehört. Beim Finanzsektor habe ich nur gehört, dass wir das und das brauchen. Ich habe aber noch nichts gehört, was wirklich gemacht wird. Bei den Frauen lesen wir im jährlichen Frau­enbericht, den die FPÖ leider auch ablehnen wird, ja auch, dass sich nichts verbessert, sondern sich die Dinge zum Großteil eher verschlechtern. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrätin Blatnik: Das stimmt nicht!)

12.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mag. Duzdar. – Bitte.

 


12.56.08

Bundesrätin Mag. Muna Duzdar (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Erstens vielen Dank für den umfassenden Bericht. Es ist ja schon vieles vorweggenommen worden von mei­nen Vorrednerinnen. Es ist anscheinend so, dass alle oder zumindest viele davon aus­gehen, dass wir hier den Frauenbericht zur Kenntnis nehmen. Deshalb haben sich anscheinend keine Männer zu Wort gemeldet. In Wirklichkeit nehmen wir hier jedoch das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission bezüglich der Vorhaben der Euro­päischen Union zur Kenntnis.

Da meine Kollegin Blatnik schon sehr stark auf das Frauenkapitel eingegangen ist, möchte ich die Möglichkeit nutzen, ein bisschen auf den Bereich Wachstum und Beschäftigung einzugehen. Wir haben es heute ja schon gehört: Die Regierungschefs haben sich nach Auslaufen der Lissabon-Strategie 2010 auf eine Nachfolgestrategie geeinigt: Europa 2020, eine neue europäische Strategie für Beschäftigung und Wachstum, so heißt es im Ar­beitsprogramm. Europa soll damit zu einem sozialen, umweltfreundlichen, innovativen und leistungsfähigen Wirtschaftsraum werden. Die Kommission wird mehrere Leitinitia­tiven präsentieren, unter anderem „Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut“, „Jugend in Bewegung“ und „Europäischer Plan für Forschung und Innovation“.

Man sieht deutlich, dass sich dieses Arbeitsprogramm sehr stark auf Wachstum und auf ein hohes Beschäftigungsniveau konzentriert. Die Betonung liegt auf dem hohen Be­schäftigungsniveau. Gleichzeitig spricht das Arbeitsprogramm aber auch von Ausstiegs­strategien aus den konjunkturstützenden Maßnahmen. Für mich ist da nicht ganz klar, was damit gemeint ist. Die Vermutung liegt nahe, dass damit auch das Zurückschrau­ben von öffentlichen Ausgaben gemeint sein könnte. Und wenn ich dann in den letzten Tagen in den Zeitungen lesen musste, dass sich Europa beim G20-Gipfel gegen die


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USA durchgesetzt und man sich darauf geeinigt hat, bis 2013 die Defizite zu halbieren, dann wird der Grundtenor schon deutlicher und ich verstehe mehr und mehr, was mit dieser Ausstiegsstrategie gemeint ist.

Wenn dann die südeuropäischen EU-Staaten wie Portugal und Spanien versuchen, mit milliardenschweren Sparpaketen Defizite abzubauen, gewinnt man den Eindruck, dass in Europa der Sparwahn und ein Wettbewerb der Staaten untereinander ausgebrochen ist, welcher Staat in kürzerer Zeit mehr Milliarden einsparen kann. Da frage ich mich wohl mit Recht, was das alles noch mit Wirtschaftswachstum und hoher Beschäftigung zu tun hat. (Bundesrat Dr. Kühnel: Alles auf einmal geht eben nicht! Wir haben eben kein Geld mehr dafür!)

Dass man sich beim G20-Gipfel nicht zu einer Bankenabgabe durchringen konnte und die Regulierung der Finanzmärkte wieder einmal aufgeschoben wurde, sich also an­scheinend wieder die Lobby der Finanzwirtschaft durchgesetzt hat, steht zunächst ein­mal auf einem anderen Blatt. Es ist aber dennoch erwähnenswert, denn ich finde, dass damit der Keim für die nächste Krise gelegt wurde. Und dass Europa nun versucht, im Alleingang eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dass bei diesem G20-Gipfel sogar US-Präsident Barack Obama noch ver­sucht hat, Europa zur Vernunft zu bringen, indem er vor diesem geplanten, bevorste­henden Kahlschlag gewarnt und für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sparen und Wachstumsförderung plädiert hat, spricht ganze Bände.

Bei Sparpaketen, wie sie vor Kurzem in Portugal und Spanien geschnürt wurden, werte Kolleginnen und Kollegen, wird jedenfalls das Wirtschaftswachstum auf der Strecke blei­ben und die Beschäftigung zurückgehen. Wir wissen heute, dass wir, um Arbeitslosen­zahlen zu reduzieren, ein Wirtschaftswachstum von mindestens 3 Prozent brauchen. Reine Sparpolitik führt nur zu einer Rücknahme der öffentlichen und privaten Inves­titionen und verhindert gerade Wachstum und Beschäftigung.

Die Europäische Union hat sich in den letzten zehn Jahren mit der Lissabon-Strategie das Ziel gesetzt, zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten wissensbasierten Wirt­schaftsraum der Welt zu werden, mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen und ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum zu garantieren.

Angestrebte Ziele waren ja bis 2010 ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von real 3 Prozent und eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent der Bevölkerung. Beide Ziele wurden verfehlt. Zwar hat man, was die Beschäftigungsquote betrifft, mehr Er­werbstätigkeit geschaffen, doch muss gesagt werden, dass die Qualität der Arbeitsbe­dingungen gesunken ist und die Arbeitsverhältnisse zunehmend prekär werden.

Natürlich stehen wir zu diesen Zielen der Lissabon-Strategie und werden diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. Meines Erachtens bestand bei der Bekämpfung der Arbeitslosig­keit allerdings immer das Problem, dass man geglaubt hat, man könnte die Arbeitslo­sigkeit lediglich durch Reformen auf dem Arbeitsmarkt eindämmen.

Dabei werden die besten Umschulungen und Ausbildungen nicht ausreichen, wenn es zu wenige Arbeitsplätze gibt! Daher darf sich eine erfolgreiche Beschäftigungsstrategie nicht nur auf Strukturreformen beschränken, sondern muss Teil einer allgemeinen Wirt­schaftspolitik sein.

Beschäftigung kann daher nur durch Investitionen geschaffen werden. Damit sind wir schon bei der Hauptursache für das niedrige Wirtschaftswachstum in Europa angelangt, nämlich dem Fehlen an Investitionen und Innovationen.

Die besten Zielvorhaben werden auch in Zukunft fehlschlagen, wenn nicht die entspre­chenden wirtschaftlichen Maßnahmen gesetzt werden. Bei der Frage des Wachstums geht es insgesamt um eine gerechte Verteilung, werte Kolleginnen und Kollegen.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 80

Wachstum kann nur erzielt werden, wenn die Einkommen gerechter verteilt werden, denn nur dadurch kann der Konsum gestärkt werden. Und nur wenn der Konsum ge­stärkt wird (Bundesrat Dr. Kühnel:  Schulden!), können wir die Investitionen stärken. Und wenn wir die Investitionen stärken, kann Beschäftigung geschaffen werden, so­dass auch die Schulden abgebaut werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn dagegen Einkommensungleichheit wächst, dann geht der Konsum zurück, die privaten Ausgaben werden zurückgehalten, die Investitionen gehen zurück, und die Kapitalbesitzer setzen ihr Kapital in Spekulationen ein. Deshalb ist es Zeit für Gerech­tigkeit – nicht nur als moralische Antwort, sondern weil es die einzige Lösung ist, um eine nachhaltige Entwicklung in unserer Gesellschaft sicherzustellen und die nächste Finanzblase zu verhindern.

Wichtig ist daher, dass der Herr Bundeskanzler, wie bisher, auch weiterhin auf der euro­päischen Ebene für die Transaktionssteuer und die Bankenabgabe eintritt. Ich weiß, er hat es auch heute erwähnt, dass es alles andere als einfach ist, wir sind von einer ein­heitlichen Meinung dazu weit entfernt. Aber: Österreich kann mit gutem Beispiel voran­gehen und auf Gerechtigkeit und gerechte Verteilung der Einkommen achten.

Dadurch tragen wir viel dazu bei, dass die Ziele der Kommission nicht nur Papier blei­ben, nicht nur theoretisch sind, sondern auch Realität werden. Wenn wir in Österreich als Vorzeigebeispiel vorangehen, werden auch die anderen erkennen und einsehen, dass kaputtsparen der falsche Weg ist, und uns folgen. – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrätin Blatnik: Bravo, Muna!)

13.04


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Staatssekretär Dr. Oster­mayer. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


13.04.26

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach dieser schönen Rede hätte ich eigentlich Lust, mei­ne Wortmeldung zurückzuziehen, dann hätten zu diesem Tagesordnungspunkt tat­sächlich nur Frauen gesprochen. Jetzt bin ich sozusagen der „Quotenmann“. Stört mich nicht, gestern war eine Veranstaltung von Frauennetzwerk Medien, auch dort durfte ich beim Gruppenbild sozusagen den Mann abgeben.

Ein paar wenige Anmerkungen: Das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission, über das wir sprechen, wurde Ende März in der Kommission beschlossen. Es wurde dann im April im Europäischen Parlament diskutiert und dann sozusagen inneröster­reichisch bewertet, daher auch die jeweiligen österreichischen Positionen dazu, daher jetzt auch diese Diskussion. Es gibt ein paar Punkte, auf die ich eingehen will, ansons­ten haben Sie ja das umfangreiche Papier erstens gelesen, zweitens schon analysiert.

Europa 2020, sozusagen die Fortsetzung der Lissabon-Strategie, wurde um einen sehr wesentlichen Punkt erweitert, wobei Österreich auf diese Erweiterung sehr intensiv und sehr geschlossen gedrängt hat: Neben den ganz wichtigen Bereichen Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Klima und Energie sowie Bildung wurde ein weiterer As­pekt dazu genommen, nämlich soziale Eingliederung oder Armutsbekämpfung, wie wir es sagen würden.

Gestern wurde im Sozialausschuss innerösterreichisch ein ganz wesentliches Element zur Armutsbekämpfung, nämlich die Mindestsicherung besprochen. Es konnte auch durchgesetzt werden, dass das ein wichtiges europäisches Ziel ist, eines von fünf.

Der zweite Punkt, auf den ich kurz eingehen will – er wurde schon mehrfach ange­sprochen, auch in der Fragestunde, glaube ich –, ist die Frage von Abgaben für Finanz­institute, also die Frage: Wie können Banken und sonstige Finanzinstitute an der Be­


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wältigung der Kosten der Krise beteiligt werden? – Bankenabgabe einerseits, Finanz­transaktionssteuer andererseits.

Richtig ist, dass es dazu in Europa einen gewissen Konsens gegeben hat. Nicht ganz einig war man sich bei der Frage, wie Bankenabgaben verwendet werden sollten, wenn sie eingeführt werden. Sollen sie in einen Fonds gehen oder ins staatliche Budget? Die­se beiden Ansätze hatten etwa gleich viele Befürworter, aber das ist nicht der wesent­liche Punkt.

Der wesentliche Punkt ist, dass es einen Konsens gab, dass so etwas stattfinden soll. Was die Finanztransaktionssteuer betrifft, wissen wir, dass sich das international nicht durchgesetzt hat, Stichwort: G-20. Ich denke, man soll sich europäisch, oder, wenn nicht europäisch, dann eben innerstaatlich überlegen, wie man das umsetzen kann. Es gibt Überlegungen und Arbeiten dazu. Zur europäischen weiteren Vorgangsweise soll bis zum Europäischen Rat im Oktober ein Bericht stattfinden.

Eine kurze Anmerkung: Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hat vor Kurzem ein Buch veröffentlicht. Er hat dazu auch etliche Interviews gegeben und ganz dezidiert die Position vertreten: Wenn es nicht international, europäisch erfolgt, dann soll man eben innerstaatlich Maßnahmen, erste Schritte setzen, denen weitere folgen werden.

Damit komme ich zum Thema Klima. Frau Kollegin Kerschbaum meinte, sie höre beim Bundeskanzler immer, man solle bei dem und dem vorangehen, beim Klima höre sie das nicht. Ich glaube, man muss erst einmal bedenken, was Europa dazu schon getan hat. Die ursprünglichen Ziele Europas waren diese 20-20-20, also 20 Prozent CO2-Ein­sparung oder Treibhausgaseinsparung, 20 Prozent Energieeffizienzsteigerung, 20 Pro­zent an erneuerbaren Energien.

Europa ist in diesem Bereich wesentlich weiter als andere, auch ökonomisch wichtige Regionen der Welt. Wenn wir jetzt noch weiter gehen – das war ja einer der Diskus­sionspunkte im Vorfeld zu Kopenhagen –, stellt sich die Frage: Können wir die anderen dazu bewegen, ebenfalls weiter zu gehen? Mit den anderen meine ich die USA, Russ­land, Brasilien, China und Indien.

Wenn sie nicht mitgehen – und wir sozusagen trotzdem weiter gehen, als ursprünglich geplant war –, besteht die Gefahr, dass die saubereren, mit höheren Auflagen versehe­nen europäischen Industriestandorte aufgegeben werden und die Industrie woanders hin ausweicht, wo es eben weniger strikte Auflagen gibt. Die Summe daraus wäre eine negative. Dann würde nämlich weltweit – und das Klima ist etwas, das weltweit rele­vant ist – hinsichtlich der Treibhausgasreduktion eigentlich eine relative Verschlechte­rung eintreten.

Genau das muss man in der Diskussion und in der Verhandlung berücksichtigen. Des­halb ist auch vorgesehen, dass jetzt weitere Gespräche stattfinden, dass bestimmte Analysen zu Burden sharing et cetera – ich gehe jetzt nicht auf Details ein, das würde zu lange dauern – erfolgen und man sich im Herbst beim Europäischen Rat auf eine gemeinsame Linie verständigt, die dann beim Klimagipfel in Cancún vertreten werden soll.

Ein weiterer Punkt, der auch für Österreich nicht ganz unrelevant ist, ist die Frage der Regelungen, die sich aus dem Lissabon-Vertrag ergeben, und zwar zur Erweiterung des Europäischen Parlaments auf der einen Seite. Dazu gab es am 23. Juni in Brüssel bei einer Regierungskonferenz eine Einigung sowie ein Änderungsprotokoll betreffend die Übergangsbestimmungen zum Lissabon-Vertrag – mit der Konsequenz, dass die Zahl der Sitze im Europäischen Parlament von 736 auf 754 erhöht werden, was im Übrigen zwei Sitze mehr für Österreich bedeutet. Das muss jetzt noch von den einzelnen Mit­gliedstaaten genehmigt werden.


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In diesem Zusammenhang ganz wichtig ist die Umsetzung der Regelungen für die euro­päische Bürgerinitiative. Da geht es also um das Ziel, das man sich im Lissabon-Ver­trag gesetzt hat: die Bürger und Bürgerinnen Europas intensiver am Meinungsbildungs­prozess und in der Folge auch am Gesetzgebungsprozess teilnehmen zu lassen; wo­bei es aber erforderlich ist, noch detaillierter auszuarbeiten, wie das erfolgen soll. Das soll noch in diesem Jahr passieren. Wir von Österreich aus haben ja schon einen Vor­schlag für eine Bürgerinitiative gemacht.

Der letzte Punkt, den ich erwähnen will, führt mich zurück zum Ausgangspunkt: Ein wesentliches Thema in diesem Arbeitsprogramm ist das Thema Geschlechtergleich­stellung. Ich glaube nicht, dass das allein der Grund dafür war, weshalb ausschließlich Frauen vor mir gesprochen haben, aber es ist jedenfalls ein wesentlicher Punkt, wobei sich Österreich sehr intensiv dafür eingesetzt hat, dass das als Strategieziel der Euro­päischen Kommission festgelegt wird.

Dazu haben auch die Spanier einiges gemacht, so zum Beispiel in der Frage Väterka­renz beziehungsweise Babymonat. Details, um die es da geht und die auszuarbeiten sind, hat ja Frau Bundesrätin Blatnik schon angeführt, nämlich gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit, gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, die Frage Gleichstellung der Ge­schlechter in Entscheidungsprozessen, sowie die Themen Gewalt, Würde und Unver­sehrtheit.

Insgesamt geht es um ein sehr dichtes Arbeitsprogramm, daher ist auch die Unterlage sehr umfassend. Es geht darum, dass im nächsten Jahr, und zwar sowohl auf Kom­missionsebene bei den Räten als auch im Europäischen Parlament diese Dinge um­gesetzt werden. Welche zusätzlichen Einwirkungsmöglichkeiten es gibt, wurde ja be­reits erwähnt: Subsidiaritätsrüge, Subsidiaritätsklage. Das wurde gestern im Verfassungs­ausschuss beschlossen und ist daher auch für den Bundesrat relevant. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

13.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.13.305. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird (Waffengesetz-Novelle 2010) (744 d.B. und 755 d.B. sowie 8329/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kainz. – Bitte um den Bericht.

 


13.13.46

Berichterstatter Christoph Kainz: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für in­nere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Waffengesetz 1996 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.


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Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Strohmayer-Dangl das Wort. – Bitte.

 


13.14.21

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute die Waf­fengesetz-Novelle 2010. Unser derzeitiges Waffengesetz ist ein gutes Gesetz und wird von dieser Änderung beziehungsweise Anpassung an die europäische Waffenrechts­linie in fast keiner Weise beeinträchtigt.

Diese Novellierung schafft ein Mehr an Sicherheit und besteht aus drei wesentlichen Teilen. Der erste Teil ist, dass es bis Ende 2014 ein computerunterstütztes Waffenre­gister geben wird, das zusätzlich zu den Faustfeuerwaffen auch alle Langwaffen der Kategorie C – das sind Büchsen – sowie der Kategorie D, Flinten registriert, und dass bei deren Erwerb eine entsprechende Begründung für Erwerb und Besitz angegeben werden muss. Jetzt ist nur eine Meldung bei einem befugten Waffenhändler notwendig.

Durch diese Registrierung, verbunden mit dem bestens funktionierenden Zentralmelde­amt, wird es nicht mehr erforderlich sein, dass sich Waffenbesitzer, wenn sie umzie­hen, neue Dokumente beschaffen beziehungsweise die Waffen ummelden müssen, was bisher Vorschrift war, wobei darauf leider des Öfteren vergessen beziehungsweise gar nicht daran gedacht wurde.

Zweitens: Mit der Umsetzung dieser EU-Richtlinie werden auch Regelungen hinsicht­lich der Deaktivierung von Schusswaffen eingeführt. Menschen, die zum Beispiel von verstorbenen Angehörigen Waffen vererbt bekommen, können diese dann deaktivie­ren, womit diese vom Gesetz ausgenommen sind. Das ist eine wesentliche Erleichte­rung bei Verlassenschaften, wo Waffen inkludiert sind und diese vom Erben nicht ge­wollt werden.

Drittens: Es wird künftig eine klarere und praxistauglichere Regelung in Bezug auf die Verwahrung von Schusswaffen geben. Laut derzeitiger Rechtslage gibt es nämlich kei­ne Handhabung gegen Besitzer von Waffen der Kategorie C und D, wenn sie ihre Waf­fen nicht ordnungsgemäß verwahren. Nun wird die generelle Verpflichtung eingeführt, die eine sorgfältige Verwahrung von Schusswaffen und Munition genau regelt – ein Mei­lenstein hinsichtlich der Handhabung der periodischen Überprüfung seitens der Behör­den beziehungsweise der ausführenden Organe.

Dem Grundsatz, ein Waffengesetz kann nie streng genug sein, wird voll Rechnung ge­tragen. Es braucht sich aber niemand darüber zu sorgen, dass es bei geringfügigen Übertretungen gleich zum Entzug der Berechtigung kommt; da wird abgestuft vorge­gangen werden. In der Regel wird es zunächst zu einer Verwarnung, dann zu einer Strafe wegen einer Verwaltungsübertretung und letztendlich – und das ist richtig so – zum Entzug dieser Berechtigung kommen.

Abschließend möchte ich noch auf folgenden wichtigen Punkt hinweisen: Mit dieser Novelle wird auch die Erlassung eines Waffenverbotes gegen Personen ohne Wohn­sitz in Österreich geregelt. Bisher fehlte eine solche gesonderte Regelung. Zukünftig soll daher jene Behörde mit der Einleitung eines Waffenverbotsverfahrens für örtlich zuständig erklärt werden, in deren Sprengel sich ein Vorfall ereignet hat.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 84

Zusammenfassend kann man sagen, dass wir hiemit ein neues, modernes Gesetz be­kommen, mit dem auch wirksam gegen Missbrauch vorgegangen werden kann. Wir sind damit auf dem Stand der Zeit. Unsere Fraktion stimmt daher dieser Waffengesetz-No­velle gerne zu. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.17


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Ebner. – Bit­te.

 


13.17.51

Bundesrätin Adelheid Ebner (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! In den letzten Jahren gab es immer wieder heftige Diskussionen zum Thema Waffengesetz. Gefordert wurde einerseits, und zwar aus den verschiedensten Bereichen, eine Verschärfung des Waffengesetzes, andererseits aber auch ein totales Waffenverbot. Der Seriosität der Auseinandersetzung wurde damit aber eher geschadet.

Was sind eigentlich Schusswaffen? Wissen wir überhaupt, was der Begriff „Schusswaf­fen“ bedeutet? – Schusswaffen sind Waffen, mit denen feste Geschosse durch einen Lauf in eine bestimmte Richtung verschossen werden können. Diese sind auch in Ka­tegorien eingeteilt: Da gibt es die Kategorie A, das sind die verbotenen Schusswaffen, so zum Beispiel Schalldämpfer und Pumpguns sowie Kriegsmaterial. Für den Besitz dieser Waffen benötigt man eine Sondergenehmigung.

Weiters gibt es die Kategorie B. Unter dieser Kategorie werden die Faustfeuerwaffen – Revolver und Pistolen –, die halbautomatischen Schusswaffen und die Repetierflinten geführt. Diese Waffen dürfen nur mit einer Genehmigung besessen werden, so zum Beispiel einem Waffenpass.

Dann gibt es noch die Kategorie C. Darunter fallen Schusswaffen mit einem gezoge­nen Lauf; sie müssen beim Waffenfachhandel gemeldet werden, so zum Beispiel die Jagdbüchsen.

Unter die Kategorie D fallen Schusswaffen mit einem glatten Lauf; das sind die Schrot­flinten. Der Erwerb und der Besitz dieser Waffen ist frei, wird aber nach dem Inkrafttre­ten dieses Gesetzes auch meldepflichtig sein.

Wer darf überhaupt eine Schusswaffe besitzen? – Prinzipiell ist der Besitz von Waffen und Munition für Personen unter 18 Jahren verboten. Bei uns in Niederösterreich kann zum Beispiel schon von Personen ab dem 16. Lebensjahr eine Jagdkarte erworben wer­den.

Unter welchen Voraussetzungen darf man überhaupt eine Waffe besitzen und füh­ren? – Da gibt es die Waffenbesitzkarte. Mit der darf man eine Waffe besitzen, das heißt, man darf sie in der Wohnung oder auf der Liegenschaft bei sich haben. Dann gibt es den Waffenpass. Das bedeutet, dass man die Waffe auch außerhalb seiner Wohnung in einem schussbereiten Zustand bei sich tragen darf, allerdings – wie ge­sagt – mit dem Waffenpass. Ausgenommen sind wir Jäger. Wir dürfen mit einer gülti­gen Jagdkarte die Jagdwaffen der Kategorie C und D ohne ein weiteres Dokument mit uns führen. Der oft erwähnte Waffenführerschein berechtigt nur dazu, eine Schuss­waffe zu führen. Er ist nur ein Nachweis, dass man mit einer Waffe auch sachgemäß umgehen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, welche Änderungen wird es nach der Be­schlussfassung dieser Novellierung geben? – Es wird bei einer Änderung des Wohnsit­zes keine gesonderte Mitteilung mehr geben. Derzeit musste jeder Wohnortwechsel bei der Behörde angezeigt werden. Wurde dies unterlassen, gab es strafrechtliche Maß­nahmen. Hat man ein Waffenverbot, so wird der jeweilige Waffenbesitzer eine Ent­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 85

schädigung nicht nur für seine Waffe erhalten, sondern auch für die Munition. Bisher gab es die Entschädigung nur für die Waffe. Für die Verhängung eines Waffenverbotes gegen Personen ohne Wohnsitz in Österreich fehlte bislang eine gesonderte Regelung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit. Auch hier gibt es zukünftig Behörden, die örtlich zuständig sind, wenn sich in deren Sprengel der Vorfall ereignet hat.

Weiter ist ein computerunterstütztes zentrales Waffenregister vorgesehen, zu dem auch alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, das einzurichten. Was wird in diesem Register geführt? – Es werden erstmals alle Schusswaffen erfasst, auch diejenigen, die bisher frei erhältlich waren. Dabei ist auch eine Begründung für den Erwerb und den Besitz anzugeben. Alleine der Wille, dass man eine Schusswaffe besitzen möchte, ist natür­lich keine ausreichende Begründung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, mit dieser vorliegenden Gesetzes­novelle wurde wieder ein Schritt zu mehr Transparenz im Bereich des Waffengesetzes getan. Ich hoffe, dass dadurch der eine oder andere Fall von Kriminalität verhindert wer­den kann. Unsere Fraktion stimmt natürlich dieser Gesetzesnovelle gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

13.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ertl zu Wort. – Bitte.

 


13.22.52

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Wir werden dieser Regierungsvorlage zur Umsetzung der Richtlinie 2008/51/EG zustimmen.

Damit kommt es zu einer Einführung eines computerunterstützten Waffenregisters, zu einer Registrierungsverpflichtung der meldepflichtigen und sonstigen Schusswaffen der Kategorie C und D. Bei der Registrierung ist eine Begründung anzuführen und die Re­gistrierung erfolgt durch den Waffenhandel. Es kommt zu einer Klarstellung, dass Deko­waffen nicht unter Schusswaffen fallen. Es kommt zu einer Neudefinition der Inneha­bung und es führt zur Verschärfung der psychologischen Gutachten. Es führt auch zur Verschärfung der Verwahrungsbestimmungen. Geringfügige Verwahrungsfehler führen nicht gleich zum Entzug der Berechtigung.

Wir sind daher aus folgenden Gründen für diese Regierungsvorlage: Die Befürchtun­gen, dass für die Waffenbesitzer große Nachteile und Kosten entstehen werden, haben sich nicht bewahrheitet. Die Verschärfung aus dem Ministerialentwurf wurde komplett herausgenommen. Die Registrierung kann kostenlos über die Bürgerkarte erfolgen und Verwaltungskosten entstehen keine.

In Zukunft müssen also Erwerb und Besitz aller Schusswaffen in einem computerun­terstützten Waffenregister vermerkt werden. Ein solches Register ist bis zum 31. Dezem­ber 2014 einzuführen. Mit dieser Anpassung beziehungsweise Änderung an die EU-Waffenrichtlinie wird unser gutes, bestehendes Waffengesetz nicht beeinträchtigt. Zu­sätzlich zu den Faustfeuerwaffen werden zukünftig auch alle Langwaffen registriert. Durch die Registrierung auf der einen Seite und das Zentralmeldeamt auf der anderen Seite wird es nicht mehr erforderlich sein, dass Waffenbesitzer, die umziehen, neue Dokumente beschaffen beziehungsweise Waffen ummelden müssen.

Wir hätten aber trotzdem gerne noch einige Punkte im neuen Waffengesetz gehabt, die die Änderungen in der Richtlinie nicht verletzt hätten.

Nämlich geht erstens die in der Regierungsvorlage gewählte Formulierung von der der­zeit von einigen Waffenbehörden geübten Praxis aus, jeden Kontakt mit Waffen oder Munition als Innehabung zu werten. Das widerspricht nicht nur den Grundsätzen des


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 86

Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern ist auch völlig lebensfremd und ver­hindert überdies die praxisbezogene Ausbildung von Jungjägern und Jungschützen. Die in der Regierungsvorlage im § 6 Abs. 2 angeführte Ausnahme verstärkt das noch. Durch die vorgeschlagene Formulierung wird die jahrzehntelange, bis vor einigen Jahren noch unbeanstandete und auch sicherheitspolitisch unbedenkliche Praxis genehmigt und Rechtssicherheit geschaffen.

Zweitens: Zurzeit kann ein Sportschütze gemäß § 38 Abs. 3 Z 2 nur drei Schusswaffen für Wettkämpfe ohne Bewilligung transportieren. Das ist aber aus Sicht des Schießspor­tes unzureichend, da viele Wettkämpfe mit unterschiedlichen Waffen und Kalibern, meis­tens mehr als drei Stück, auszutragen sind. Durch die bestehende Regelung sind un­sere Sportschützen benachteiligt. Das ist vor dem Hintergrund, dass Deutschland die Fünf-Stück-Regelung hat, unbefriedigend.

Drittens: Das Jahr 1871 als Grenze für genehmigungspflichtige Waffen der Kategorie B stammt noch aus dem Jahr 1938 und wurde seither immer wieder übernommen. Eine genaue Begründung, warum gerade das Jahr 1871 als Grenze festgelegt wurde, gibt es nicht. Die oftmals behauptete Umstellung von Vorderladerwaffen auf Hinterladerwaf­fen trifft mit Sicherheit nicht zu. Man denke hier nur an den Revolver M 1870 der Firma Gasser, welcher fertigungsgleich von 1870 bis ins 20. Jahrhundert erzeugt wurde. Die Fabrikate mit der Seriennummer vor 1871 sind somit nicht genehmigungspflichtig im Sinne der Kategorie B, aber Fertigungen danach schon, obwohl es sich um dieselbe Waffe handelt. Daher wäre es sinnvoll, hier eine neue Grenze mit dem Jahr 1900 ein­zuführen, da Waffen vor 1900 auch nicht deliktsrelevant waren oder sind.

Wir werden aber trotzdem zustimmen. (Beifall bei FPÖ und Grünen sowie des Bundes­rates Zwanziger.)

13.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


13.28.30

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Umsetzung dieser EU-Richtlinie bedeutet ja, dass ein Register für beinahe alle Schusswaffen eingeführt wird. Eigentlich sagt die EU für alle Schusswaffen, aber es wurde da ein kleines Schlupfloch offen gelassen. Aber auch wir werden dem zustimmen. Insgesamt wird das Waffenrecht restriktiver und das ist zu begrüßen, denn wer braucht in Österreich eigentlich eine Waffe?

Das sind vier Gruppen. Das sind die Sportschützen, das sind die Jäger und Jägerinnen (Bundesrat Zangerl: Die Tiroler Schützen!), die beruflichen Sicherheitsdienste und die Dekorwaffensammler der unbrauchbar gemachten Dekorwaffen (Bundesrat Zangerl: Die Schützen! – Heiterkeit bei der ÖVP), so wie sie auch in diesem Gesetz vorkommen. Ansonsten braucht man in Österreich privat zur Erhöhung der inneren Sicherheit keine wie auch immer gearteten privaten Waffen. Frau Kollegin Ebner! Ich glaube, das ist bis­her auch immer die Linie der SPÖ gewesen.

Nun komme ich zum vorliegenden Gesetz. Ich bin ich froh darüber, dass im Ausschuss geklärt werden konnte, dass man für dieses Gesetz, nämlich jene Verordnungsermäch­tigung, vorsieht, dass der bisherige Unfug, dass man, wenn man beim Psychotest bei der Verlässlichkeitsprüfung durchgefallen ist, immer und immer wieder antreten konnte, unterbunden wird. Es ist hier nun analog zum Führerschein eine Regelung vorgese­hen, dass es irgendwann aus ist mit dem Antreten, wenn man mehrfach durchgefallen ist beziehungsweise dass es einen Abstand dazwischen geben muss.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 87

Weiters wird in einer Verordnung auch klargemacht, dass, wenn die Waffenhändler ih­rerseits den Antrag stellen, dass sie diese Registrierungsermächtigung erhalten möch­ten, sie diese erhalten, wodurch dann die Registrierung über den Fachhandel erfolgen kann. Ich habe die Argumente des Ministeriums so verstanden, dass zuerst der Schritt von der anderen Seite kommen muss.

Bei der Registrierung haben wir zwei Probleme. Das eine ist, dass wir zwar mit der Re­gistrierung die ordnungsgemäße Registrierung einer Waffe bescheinigen, aber wir be­scheinigen damit nicht den Besitz. Ich kann eine Waffe ordnungsgemäß registrieren, kann sie aber aus meinem Besitzstand weitergeben. Das ist eine kleine Lücke, die die­ses Gesetz offen lässt. (Bundesrat Zangerl nickt.) – Ich sehe unser Schützenmajor nickt. Dieses Gesetz lässt das offen.

Zum Zweiten – und das ist, glaube ich, im Ausschuss des Langen diskutiert worden – ist zu sagen, dass es bei der Kategorie D natürlich jetzt dazu kommt, dass die ganzen Schrotflinten auch die nächsten 30 Jahre nicht registriert werden, weil das hier nicht vor­gesehen ist. Also, wenn wir uns ansehen, wie viele Menschen allein im häuslichen Streit oder was auch immer Opfer von meist Schrotflinten wurden, so wäre es doch sinn­voll gewesen, auch die Schrotflinten hereinzunehmen, wie das auch dankenswerter­weise vom Kollegen Lindinger im Ausschuss massiv eingefordert wurde. Das fehlt hier natürlich.

Was neu ist, ist, dass man nun auch bei der Kategorie C und D eine Glaubhaftma­chung anführen muss, zumindest begründen muss. Inwieweit diese Glaubhaftmachung – ich erinnere mich an deine 35-Quadratmeter-Wohnung, die du mit Flakgeschützen ver­teidigen möchtest – sozusagen einem tatsächlichen Standard entspricht, sei dahinge­stellt. Wie ich eingangs gefragt habe: Wer braucht denn wirklich eine Schusswaffe in Österreich?

Wir werden das genau zu beobachten haben, wie das funktioniert, aber im Prinzip ist das eine wesentliche Verbesserung in einer doch etwas unsicheren Rechtsmaterie wie beim Waffenbesitz. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

13.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

 


13.33.33

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Man könnte sprichwörtlich sagen, es wird scharf geschossen im Bundesrat, aber das ist nicht der Fall.

Wir haben heute die Novelle zum Waffengesetz 2010 zum Thema und meine Vorred­ner haben schon wesentliche Punkte dieser Novelle angeführt. So hat etwa der Kollege Schennach, mein Vorredner, vor allem die Begründung für den Besitz einer Waffe an­gesprochen. Das ist natürlich etwas, was neu ist, aber was in Wirklichkeit dann in der Praxis wieder sehr, sehr schwierig sein wird. Die Frau Kollegin Ebner hat die Katego­rieneinteilung, die dem Kollegen Schennach im Ausschuss noch nicht sehr klar war, ganz klar erklärt. (Bundesrat Schennach: Aber du warst hilfreich!) Jetzt weiß man, wa­rum etwas A, B, C oder D ist und wir wissen jetzt, dass die Kategorie D die Schrotflinte umfasst, nicht weil es die Schrotflinte ist, sondern weil es eben diese Einteilung mit den gezogenen Läufen gibt.

Mir ist auch unverständlich – und da spreche ich auch als Obmann des Jagdschutz­vereins beziehungsweise als aktiver Jäger –, dass man den Besitz, die Nichtmeldung, muss man sagen, von Schrotflinten nach wie vor ausgenommen hat. Hier wissen wir, dass es wahrscheinlich auch eine sehr hohe Dunkelziffer gibt.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 88

Der Kollege Ertl hat sich als Experte im Detail herausgestellt, als es um die Modelle vor der Jahrhundertwende oder nach der Jahrhundertwende gegangen ist. Hier gibt es wahr­scheinlich immer gewisse Lücken oder gewisse Schwachstellen, aber das sind Einzel­fälle, die, im Generellen gesehen, zu vernachlässigen sind.

Mir geht es darum, dass man auch wirklich klarstellt, dass Waffen, vor allem Jagdwaf­fen, Instrumente sind, die dazu konstruiert wurden, zu töten. Das muss man auch ein­mal klar und deutlich sagen und solche gefährlichen Instrumente gehören sicher ver­wahrt. Sie gehören auch in die richtigen Hände. Das ist ganz klar.

Im Rahmen des Jagdschutzvereins wird die Ausbildung zum Jungjäger durchgeführt und viele, die angetreten sind, haben gesagt: Na ja, ich möchte die Jagdprüfung einmal machen. Die sind spätestens im Kurs draufgekommen, dass das eine sehr intensive Ausbildung und eine sehr intensive Schulung ist, die zur Erlangung der ersten Jagd­karte berechtigt. Diese Ausbildung ist wirklich in guten Händen und auch dankens­werterweise, mit wenigen Ausnahmen, gibt es hier auch aus der Jägerschaft keine sol­chen Vorfälle.

Ich darf noch ein bisschen auf ein paar Details eingehen, weil es immer um die sichere Verwahrung gegangen ist, die in dieser Novelle 2010 angesprochen wurde.

Verlässlich und sicher, heißt es da. Es gibt in Österreich derzeit zirka 120 000 Inhaber einer Jagdkarte. Das heißt also, das sind Personen, die die Jagdberechtigung haben. Sie sind sich bewusst, dass die breite Öffentlichkeit hinsichtlich der sicheren Verwah­rung der Jagdwaffen natürlich besonders scharf auf die Jägerschaft achtet. Gibt es die absolute Sicherheit? Wir wissen aus vielen Fällen, dass es die nie geben wird, nie ge­geben hat und auch nie geben kann.

Man teilt hier zwei Kategorien ein. Einmal geht es um die unberechtigte Aneignung, den sogenannten Außenschutz. Hier geht man davon aus, dass diese Waffen an einem Ort verwahrt werden müssen, der auch abgeschlossen werden kann. Das heißt, in ei­nem sicheren Raum, in einem geschlossenen Raum, der vor unberechtigtem und frem­dem Zugriff, auch durch Gewalt, schützt.

Dann geht es um den sogenannten Innenschutz. Das ist die unbefugte Verwendung. Wir alle kennen leider diese traurigen Fälle, wo Familienangehörige, insbesondere Kin­der oder Bekannte, Freunde, die eingeladen wurden und dann Zugang zu im Haus ge­lagerten Waffen hatten. Das soll natürlich auch nicht passieren und hier ist es in der Regel so, dass diese Waffen in einem Waffenschrank, das ist auch ein Tresor, gelagert werden. Oftmals wird davon ausgegangen, dass Munition und Waffen nicht gemein­sam gelagert werden dürfen. Das stimmt nicht. Es muss beides sicher verwahrt sein. (Präsident Preineder übernimmt den Vorsitz.)

Wie geht man jetzt mit dem Schlüssel dazu um? – Der Schlüssel darf natürlich nur dem dazu berechtigten Waffenkartenbesitzer beziehungsweise Jagdkarteninhaber zugäng­lich sein. Bei Kontrollen, die durchgeführt werden, wird zuerst nach dem Schlüssel ge­fragt. Wenn der Kleine, der Sohn, dann sagt, ja, der Schlüssel hängt dort oben, das weiß ich, ist das natürlich ein Fall, der nicht eintreten darf, sondern dieser Schlüssel muss von denjenigen verwahrt werden, die auch die Berechtigung haben.

Auch hinsichtlich der Anzahl der gelagerten Waffen gilt das Prinzip, dass je mehr Waf­fen gelagert werden, das heißt, im Regelfall sind es in einem Jagdbetrieb zwischen ein bis fünf Waffen, natürlich entsprechend mehr gesichert werden muss, als wenn es um eine einzige Waffe geht.

Das sind einige Details, die angesprochen wurden. Ich glaube, wir alle können auch darüber froh sein, dass dieses Gesetz, diese Novelle gemeinsam beschlossen wurde. Bei all den Unterschiedlichkeiten eint das die Mitglieder des Bundesrates. Ich glaube,


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 89

dass wir uns hier einig sind, dass das neue Waffengesetz eine Materie ist, die zu sen­sibel ist, um daraus billige Alltagspolitik und politisches Kleingeld zu schlagen. Dafür darf ich mich seitens unserer Fraktion auch sehr, sehr herzlich bedanken. – Danke. (Bei­fall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

13.39


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


13.39.37

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist zum Gesetz schon alles gesagt, was zu sagen ist, aber ich habe noch ein paar Anmerkungen zu einem Kollegen.

Kollege Ertl hat erwähnt, dass Jäger in Ausbildung keine Waffen erwerben dürfen – das ist klar: Weil sie noch keine Prüfung abgelegt haben, dürfen sie sie auch noch nicht erwerben und besitzen.

Ich habe in meiner Zeit im Bundesrat zwischen 2003 und 2007 die Jagdprüfung ge­macht. Das war oft sehr anstrengend, weil dieser Kurs wirklich ein sehr, sehr intensiver Kurs ist. Ich habe oft noch Donnerstag abends den Kurs besucht – nach der Bundes­ratssitzung. Damals haben die Bundesratssitzungen oft noch lange gedauert, ich bin also oft sehr spät zum Kurs gekommen.

Ich muss aber sagen: Dieser Kurs ist eine wichtige Ausbildung im Umgang mit Waffen, obwohl ich schon – weil mein Vater Jäger war – mit Waffen aufgewachsen bin. Darum habe ich auch eingesehen, dass diese Gesetzesnovelle sehr notwendig ist, denn ich kann mich erinnern, vor 30 oder 40 Jahren, als das Waffengesetz noch nicht so streng war, war es üblich, dass bei den Jägerfamilien die Waffen daheim in der Garderobe ge­hangen sind, nach der Jagd wurden sie hingehängt. Die Jäger sind mit der Waffe ins Wirtshaus gegangen und haben sie dort hingehängt. Das war ganz üblich, aber das waren Auswüchse, die man den heutigen Standards nicht mehr zumuten kann, und darum begrüße ich das Gesetz, das sich entwickelt hat. (Bundesrat Stadler: ... Wirts­haus!)

Bis zum Jahr 1938 gab es nur das kaiserliche Waffenpatent, das von 1853 an gegolten hat. Es hat ein jeder eine Waffe besitzen dürfen. Erst 1934, liebe Kolleginnen und Kol­legen, ist das Waffenverbot für bestimmte politische Gruppen gekommen – natürlich für die sozialdemokratisch orientierten Gruppen, die dann keine Waffen mehr besitzen durften (Ruf: Ist eh gescheit!), weil damals in Österreich Bürgerkrieg herrschte und man eine Gruppe entwaffnet hat.

Kurios war für mich – in meinen Recherchen zum Waffengesetz –, dass bis zum Jahr 1967 eigentlich das deutsche Waffengesetz fast vollinhaltlich gegolten hat. Nur einige Details, die sehr deutschbezogen waren oder auf die NS-Diktatur und auf diese Ideologie abgestimmt waren, wurden 1945 aus dem Waffengesetz entfernt, aber bis 1967 galt das Gesetz noch. Erst in den neunziger Jahren – mit dem Verbot der Pumpguns und 1996 mit dem jetzigen Waffengesetz, das heute novelliert wird – wurde in Betracht gezogen, dass strenger umgegangen wird. 14 Jahre nach Inkrafttreten des Waffenge­setzes haben wir heute hier die Novelle dazu.

Ich kann nur sagen: Ein Waffengesetz kann nicht streng genug sein, und Erwerb und Besitz von Waffen sollen auch kontrolliert und registriert werden, denn Waffen sind kei­ne Spielzeuge, und Waffen müssen auch ordentlich verwahrt werden. Jene Personen­gruppen, die Waffen für ihren Beruf oder auch für den Sport oder die Freizeit brau­chen – wie Jäger, Schießsportler und Waffensammler –, können diese Waffen besit­zen.

Da komme ich wieder zurück auf die Begründung, die man angeben muss, warum man eine Waffe besitzen will. Stefan Schennach hat ja schon die Ausschussdebatte, die wir


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 90

dazu geführt haben, erwähnt. – Mir ist das noch ein wenig zu vage, denn Besitz einer Wohnung ist noch keine Begründung für den Besitz und Erwerb einer Waffe. (Demons­trativer Beifall der Bundesräte Konecny und Schennach.)

Wenn jeder in einem zehngeschoßigen Wohnhaus eine Waffe bei sich hat, damit er seine Wohnung verteidigen kann – auch wenn er noch so viele wertvolle Gemälde in seiner Wohnung hat, Stefan Schennach, wie du das begründet hast im Ausschuss, glaube ich, hier muss man in der laufenden Debatte auch sensibilisieren und die Men­schen darauf aufmerksam machen, dass wir in Österreich keine Waffen zur Verteidi­gung unseres Besitzes und Eigentums brauchen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bun­desrates Schennach.)

Wir brauchen das auch nicht, und insbesondere junge Menschen sollen am Gebrauch von Waffen – Schusswaffen, nicht Sportwaffen – wirklich gehindert werden, oder es sol­len sehr rigorose Zugänge geschaffen werden.

Da komme ich jetzt zum Waffenregister, das die Kategorie D ausschließt, also Schrot­flinten, die bisher schon im Eigentum von Jägern oder anderen waren. Das Beispiel, das ich auch im Ausschuss erwähnt habe: Ich habe mir zum Beispiel vorige Woche ei­ne Schrotflinte gekauft (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), und ich brauche sie nicht zu registrieren, weil ich sie bei Inkrafttreten des Gesetzes schon im Eigentum hat­te. Das heißt, ich werde vielleicht noch 20 Jahre die Jagd ausüben, und 20 Jahre lang ist diese Waffe nicht registriert. (Bundesrat Schennach: Das ist ein Fehler!)

Ich war zufällig zum Ankauf eines Kleidungsstückes für die Jagd in einem Jagdbedarfs­geschäft, habe dort ein bisschen herumgeschaut, es waren ein paar junge Menschen da, und der Waffenhändler hat gesagt: Jetzt musst du dir noch eine Schrotflinte kaufen, weil du sie in ein paar Wochen registrieren musst. Das heißt: Kauft jetzt noch fleißig ein!

Da stellt sich für mich die Frage, ob man nicht eine Regelung einziehen und sagen soll, dass man die Waffen, die vor zwei Jahren gekauft wurden, rückwirkend registrieren muss, damit man diese Einschleifphase ausschließt. – Jetzt wird noch fleißig gekauft, und diese Waffen werden dann nicht registriert, und brauchen die nächsten 20 Jahre nicht registriert zu werden. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir ausschließen, dass Waffen in Umlauf kommen, von denen wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren nichts er­fahren – ausgenommen sie wechseln den Besitzer.

Aber grundsätzlich ist es so: Das Gesetz geht in eine richtige Richtung, dass die Waf­fen gut registriert werden in Zukunft, auch vernetzt sind in ganz Österreich, und durch das ZMR niemand in der Dunkelheit verschwinden kann – durch Wohnsitzwechsel oder sonst etwas – mit seinen Waffen.

Ich glaube, hier gehen wir in die richtige Richtung, und wir stimmen dem Gesetz zu. (Bei­fall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Dönmez und Schennach.)

13.47


Präsident Martin Preineder: Gibt es dazu noch weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.48.206. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Königreichs Marok­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 91

ko über die Zusammenarbeit im Bereich des Zivilschutzes (586 d.B. und 756 d.B. sowie 8330/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Bitte um den Bericht.

 


13.48.41

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regie­rung des Königreichs Marokko über die Zusammenarbeit im Bereich des Zivilschutzes.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsident Martin Preineder: Danke für den Bericht.

Ich darf Frau Bundesministerin Bandion-Ortner recht herzlich bei uns begrüßen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Wenn das nicht der Fall ist, kommen wir nun zur Ab­stimmung.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.50.497. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich (Sicherheits­bericht 2008) (III-384-BR/2009 d.B. sowie 8331/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kainz. Ich bitte um den Bericht.

 


13.50.59

Berichterstatter Christoph Kainz: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Aus­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 92

schusses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, den sogenannten Sicherheitsbericht.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf daher zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 den Antrag, den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Martin Preineder: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ertl. Ich erteile es ihm.

 


13.51.31

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Wir diskutieren heute den Sicherheitsbericht 2008 – um einein­halb Jahre zu spät. Ich frage mich, warum der Sicherheitsbericht vom Innenministerium dem Parlament so spät vorgelegt wird. Wird dieser Bericht nicht ernst genommen, weil man sich so lange Zeit lässt?

Offensichtlich glauben wirklich einige Leute in unserem Land, dass Österreich eines der sichersten Länder ist. Das ist aber nicht die Realität und entspricht auch nicht dem sub­jektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Welches Sicherheitsgefühl wird zum Beispiel die Wiener Bevölkerung haben bei 550 Wohnungseinbrüchen pro Woche? In täglichen Zeitungsberichten ist über die vielen in Österreich begangenen Straftaten wie in einem Roman zu lesen.

Nicht aus schlechter Laune heraus zweifelt die Bevölkerung den Sicherheitszustand in Österreich an, sondern 61 Straftaten pro Stunde und 1 466 Straftaten pro Tag bereits im ersten Quartal 2010 lösen Ängste in der Bevölkerung aus. Mangelndes Sicherheits­gefühl löst Angst aus: Angst, nach Hause zu kommen und die Wohnung ist aufgebro­chen; Angst, zum Autoabstellplatz zu kommen und das Auto ist weg; Angst, auf der Straße einem Überfall ausgesetzt zu sein.

Jeder von uns musste schon am eigenen Leib erfahren – oder durch sein Umfeld, sei­ne Familie –, dass durch kriminelle Elemente laufend Straftaten begangen werden.

Obwohl viele der Geschädigten, der Opfer überhaupt keine Anzeige mehr erstatten und diese Straftaten daher nicht in der Statistik aufscheinen, sprechen die bekannten Zah­len – die Fakten – für sich: Im gesamten Bundesgebiet hatten wir 162 561 Fälle von Diebstahl, davon alleine in der Bundeshauptstadt Wien 70 059. Die Aufklärungsquote betrug österreichweit 15,6 Prozent, in der Bundeshauptstadt Wien betrug die Aufklä­rungsquote überhaupt nur 9,3 Prozent.

Das ist kein Erfolgszeugnis für die innere Sicherheit, das ist doch eher ein Motivations­bericht für kriminelle Elemente. Aus diesem veröffentlichten Bericht können Kriminelle, Straftäter doch eindeutig herauslesen, dass in Österreich ein Straftäter statistisch gese­hen alle zehn Jahre einmal erwischt wird.

Wir leben in einem Rechtsstaat, und darin hat Recht gelebt zu werden. Die Straftäter haben mittlerweile ihre Rechte, aber wo bleiben die Opferrechte? Wer bei uns das Recht mit seinen Füßen tritt, ist dafür zur Verantwortung zu ziehen. Und wenn es sich um keinen österreichischen Staatsbürger handelt, ist diese Person nach Verbüßung ihrer Strafe unverzüglich außer Landes zu schaffen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundes­räte Mitterer und Zwanziger.) Solche Personen haben bei uns nichts verloren.

Wir haben einen sehr gut arbeitenden Polizeiapparat, aber dieser Apparat ist hoffnungs­los unterbesetzt. Unsere Sicherheitsorgane leisten sehr gute Arbeit, aber wenn Opfer Anzeige erstatten wollen, weil sie durch kriminelle Elemente geschädigt worden sind,


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 93

und dafür mehrere Stunden auf einer Polizeiinspektion auf die Aufnahme des Proto­kolls warten müssen, dann werden kleinere Straftaten nicht mehr angezeigt.

Auch spielt bei der Entscheidung, ob Anzeige erstattet wird oder nicht, die Angst, nach einer Anzeigeerstattung vom Straftäter weiter verfolgt zu werden, eine Rolle. Die Be­völkerung weiß mittlerweile, dass ein Schutz durch den Staat vor krimineller Verfolgung durch Straftäter nicht vorhanden ist. Hier müssen wir für mehr Opferrechte sorgen. Wir müssen die Opfer schützen, und nicht für den Wohlstand der Straftäter sorgen. Die Be­völkerung unseres Landes hat ein Recht auf Sicherheit, auf ein Leben in Sicherheit.

Ich danke unserer Exekutive, die – obwohl sie unterbesetzt und unterbezahlt ist – mit Arbeit überschüttet wird, für die in diesem Sicherheitsbericht angeführten Leistungen. Unsere Exekutive leistet nicht nur Arbeiten im Dienste der Strafjustiz, nein, sie leistet auch immense Arbeiten im Dienste der Verwaltung.

Trotz dieser immensen Leistungen unserer Exekutive ist bereits jeder zweite Österrei­cher entweder direkt oder indirekt von einer Straftat betroffen – zum überwiegenden Teil von Einbruchsdiebstahl, Kraftfahrzeugdiebstahl und Vermögensdelikten. Hier müssen wir handeln, die Exekutive von Verwaltungsarbeiten befreien und unbedingt das Perso­nal aufstocken.

Ich habe genauso wie unsere Frau Innenministerin – leider ist sie heute nicht hier – die Vision, dass Österreich einmal das sicherste Land wird, aber ohne einen zufriedenen, nicht völlig mit Arbeit überschütteten und mit Überstunden überlasteten Sicherheitsap­parat wird das nicht gehen. Unsere Exekutive gehört entsprechend bezahlt, sie gehört selber besser geschützt, und es muss auch auf die Familienverhältnisse der Beamten Rücksicht genommen werden. Die Scheidungsraten unserer Exekutivbeamten sind im­mens hoch. Die hohe Selbstmordrate der Exekutivbeamten wird geheim gehalten. Un­ser Staat muss endlich mehr Geld in die Hand nehmen, um für seine Sicherheit besser zu sorgen.

Mit anderen Modalitäten für die Kriminalstatistik den Sicherheitsbericht zu schönen, hat keine Zukunft. Zum Beispiel: In einer Tiefgarage werden in einer Nacht 50 Pkw aufge­brochen. – Das gilt mittlerweile als eine einzige Straftat.

Die Bevölkerung und natürlich die im Sumpf des Staates eingesetzten Sicherheitsbe­amten wissen genau, was bei uns im Staate täglich passiert. Eine konsequente Verfol­gung und Bestrafung von Straftätern und eine ausreichende Anzahl von gut bezahlten Exekutivbeamten sind für die Aufrechterhaltung unserer Sicherheit unbedingt erforder­lich. Aber wenn für Verwaltungsstraftaten – zum Beispiel Falschparken – höhere Stra­fen verhängt werden als bei Diebstählen und Einbrüchen, dann produzieren wir in un­serem Land selbst ein riesiges Sicherheitsproblem. Wir erwecken damit den Anschein, auf der einen Seite mit den hohen Verwaltungsstrafen die eigene Bevölkerung nieder­zuhalten, und auf der anderen Seite mit geringen Gerichtsstrafen kriminelle Elemente ins Land zu holen.

Was nützt es uns, die Tatortarbeit zu verstärken, die Strukturermittlungen ganz konkret anzusetzen, moderne Strategien zu entwickeln, dafür sogar im Ausland gelobt zu wer­den, wenn wir für die Straftäter keine nachhaltigen Strafen haben. Diese Modernisie­rung ist zwar notwendig, aber sie hindert die Ostbanden nicht daran, in unserem Land tätig zu werden. Es müssen die Strafen für die organisierte Kriminalität erhöht und auch konsequent vollzogen werden.

Es ändert nichts am Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, dass die Polizei mit modernen Strategien arbeitet, wenn der erst vor zwei Stunden verhaftete Straftäter wieder vor der Tür steht.

Der Österreicher fühlt sich nicht sicher. Der Österreicher unterscheidet auch nicht, wer dafür verantwortlich ist, die Polizei und somit das Innenministerium oder die Justiz. Der


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 94

Österreicher hat ein Recht auf Sicherheit. Nur Sicherheit sorgt für sozialen Frieden im Land. Ich möchte in diesem Land nicht vom Vergleich des jährlichen Unsicherheitsbe­richtes, sondern in Sicherheit leben, und dieses Recht steht mir und jedem anderen zu.

Ich halte es nicht für sinnvoll, über einen Sicherheitsbericht aus dem Jahre 2008 zu de­battieren, wenn sich in der Zwischenzeit nicht nur die Statistiken, sondern auch die Mo­dalitäten deren Erstellung geändert haben. Ich hoffe nur, dass das Innenministerium aus dem Sicherheitsbericht 2008 gelernt und die Erkenntnisse in jenen für das Jahr 2009 eingearbeitet hat. Um als Politiker unmittelbar auf einen Sicherheitsbericht reagieren zu können, ist eine Darstellung in Echtzeit notwendig. Die technischen Mittel für einen Sicherheitsbericht in Echtzeit sind mittlerweile vorhanden. Diese brauchen nur genutzt zu werden.

Abschließend darf ich wiederholen: Unsere Exekutive, unsere Polizistinnen und Polizis­ten arbeiten sehr gut. Unsere Polizistinnen und Polizisten haben trotz Unterbezahlung besonderen Eifer und besonderes Engagement – und zeigen dies täglich mit ihrer Ar­beit.

Ich erinnere mich, vor 36 Jahren, als ich selbst als Polizeipraktikant begonnen habe, den Beruf eines Polizisten zu erlernen, war es eine schöne Zeit. Der Polizeiberuf war immer ein schöner und aufregender Beruf. Aber seit der Polizeireform 2005, bei der über Jahr­zehnte angeeignetes Wissen und über Jahrzehnte angewendete Arbeitsmethoden und -taktiken über Bord geworfen wurden, geht es auch mit unserer Polizei abwärts. (Bun­desrat Kalina: Wer hat denn das gemacht, welche Regierung?! – Bundesrat Stadler: 2005 wart ihr aber beteiligt!)

Abschließend noch: Wenn die Polizei vor einem Abgrund steht, dann brauchen wir Po­litiker, die vor uns und zu uns stehen, und nicht hinter uns. – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Mitterer, Zwanziger und Zangerl.)

14.02


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Kühnel. Ich erteile es ihm.

 


14.02.52

Bundesrat Dr. Franz Eduard Kühnel (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schüler! Wenn wir Kollegem Ertl zugehört haben, dann haben wir gehört, dass er be­reits 36 Jahre im Polizeidienst ist und offensichtlich ein sehr zwiespältiges Verhältnis einerseits zu seinem Beruf, aber auch zur Politik hat. Wenn es wirklich so fürchterlich wä­re, wie Sie es uns darzustellen versucht haben, würde ich Ihnen Folgendes emp­fehlen: Wandern Sie nach Südamerika aus, nach Rio de Janeiro, gehen Sie in irgendei­ne der Favelas und schauen Sie, wie es dort zugeht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth.)

Ich sage Ihnen eines: Österreich ist ein Land, das sicher ist. Das möchte ich ausdrück­lich feststellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Zwanziger: Mit Südamerika ver­gleichen!)

Außerdem – weil Sie den Rechtsstaat in Zweifel gezogen haben, und das möchte ich auch in Anwesenheit der Frau Bundesministerin sagen – ist und bleibt Österreich ein Rechtsstaat. Daher kann es durchaus sein, dass manche Verfahren eben etwas länger dauern. Wir halten die Europaratsstandards ein, glauben Sie uns das.

Vielleicht könnte man entschuldigend für Sie sagen, dass der Wiener Wahlkampf aus­gebrochen ist. Sie müssen natürlich alles etwas drastischer darstellen, als es in Wirk­lichkeit ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist eh schon drastisch genug!) Nur frage ich mich: Sind Sie Wiener? – Ich glaube, Sie kommen aus Niederösterreich. Daher sollten


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Sie es doch eher den Wienern überlassen, die Situation zu beurteilen, wie zum Beispiel mir. (Heiterkeit bei der FPÖ sowie den Bundesräten Mitterer, Zwanziger und Zangerl. – Bundesrätin Mühlwerth: Das macht’s besser!) Ja, richtig, ich bin ein echter Wiener. Das kann man sagen.

Sie haben kritisiert, dass der Bericht aus dem Jahr 2008 erst jetzt diskutiert wird. – Herr Kollege, Sie sind, glaube ich, schon länger im Bundesrat und wissen inzwischen, dass dieser Bericht gemeinsam von den Bundesministerien für Inneres und für Justiz erstellt wird. Ich finde, es ist eine Glanzleistung unserer Bundesregierung, dass zwei Berichte, die eng zusammengehören, zusammengefasst werden. (Bundesrat Mitterer: Deshalb dauert es auch zwei Jahre!) Dass es unter Umständen etwas länger dauert, weil ver­schiedene Statistiken aus dem Justizministerium kommen, muss man eben zur Kennt­nis nehmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ach so! Müssen wir nicht!) Ja, das dauert. Aber dafür wird der Bericht gemeinsam erstellt.

Zweitens wird ohnehin vierteljährlich die entsprechende Kriminalstatistik veröffentlicht, die auf dem letzten Stand ist. Auf die sind Sie weniger eingegangen, weil das Ihrer Ar­gumentation nicht so gedient hätte. Ich nehme an, dass die Frau Bundesminister da­rauf näher eingehen wird.

Nun zum Sicherheitsbericht selbst: Ich habe schon erwähnt, dass es ein gemeinsamer Bericht ist. Ich möchte aber auch unterstreichen, dass im Innenausschuss des Bundes­rates die Möglichkeit gegeben war, ausführlich über diesen Sicherheitsbericht zu disku­tieren. Kollege Schennach wird mir das bestätigen. Das Innenministerium war mit her­vorragenden Vertretern anwesend, die Beamtinnen und Beamten wurden teilweise ge­löchert, aber sie haben alles problemlos überstanden. Was ich allerdings mit Bedauern feststellen musste – ich habe das dort auch gesagt –, ist, dass vom Bundesministerium für Justiz leider niemand dabei war. Wieso, werden wir sicher demnächst erfahren.

Dass die Frau Bundesminister für Inneres heute nicht da ist, hat einen ganz einfachen Grund: Sie ist erkrankt. Deshalb können wir nicht so unmenschlich sein, sie trotzdem herzuzitieren. Aber die VertreterInnen aus dem Innenministerium sind wieder zahlreich erschienen – dort sitzen auch welche. Also, wenn irgendetwas sein sollte, ist die Infor­mation für Sie jederzeit gegeben.

Ich möchte mich aber auch herzlich dafür bedanken, dass es immer wieder so viele gibt, die an diesem Bericht mitarbeiten und die Qualität sicherstellen. Auch beim Redaktions­team, das oft eine schwierige Arbeit zu absolvieren hat, möchte ich mich bedanken. Für mich als Vorsitzenden des Innenausschusses ist der Sicherheitsbericht immer ein Be­richt, den ich sehr gerne lese, der umfassend informiert und eine Fundgrube ist. Wenn man ihn genau liest und sich alle Kapitel anschaut, kann man sagen: Der Zustand in Österreich ist hervorragend.

Letzthin, im Februar dieses Jahres, hatte ich die Möglichkeit, an der Sicherheitskonfe­renz, am Polizeikongress in Berlin, teilzunehmen. Auch General Mahrer, der Polizeikom­mandant von Wien, war dort. Dort ist ein Thema sehr intensiv besprochen worden, das auch in dem Bericht angedeutet wird: die Gewaltbereitschaft der Jugend, aber auch die Gewaltbereitschaft von linken und rechten Extremisten, einfach auf die Polizei einzu­schlagen, Polizistinnen und Polizisten zu verletzen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ma­chen nur die Linken!)

Diese Entwicklung gilt es in Europa, in allen Ländern, einzudämmen. Einen Polizisten zu schlagen – er ist auch ein Mensch (Bundesrätin Mühlwerth: Auch!) –, das tut man einfach nicht! Weil Polizisten eben auch Menschen sind und wir die Gleichbehandlung ja so fördern, muss unsere Polizei entsprechend gegen diese Entwicklungen geschützt werden.


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Bei diesem Kongress ist erwähnt worden, dass es dabei ganz besonders wichtig ist, dass zwischen dem Tatzeitpunkt und der Strafprozessverhandlung, der Hauptverhandlung, ein möglichst kurzer Abstand liegt. Ich habe neulich eine Demonstration in Wien beob­achtet und mit Freude festgestellt, dass die Wiener Polizei bereits mit entsprechender Videoausrüstung dabei ist, um gleich alles zu dokumentieren, wenn es zu Gewalt kom­men sollte, damit das Verfahren beschleunigt werden kann.

Als Nächstes möchte ich auf die Schengen-Erweiterung eingehen, weil gerade auch die FPÖ es immer wieder so darstellt, als wäre die Kriminalität gestiegen, weil der Schen­gen-Raum größer geworden ist. (Bundesrat Ertl: Genau! Sie wissen es eh!) Die Frau Mi­nisterin wird sicher darauf eingehen. Aber erstens: Durch die Erweiterung des Schen­gen-Raums ist die Kriminalitätsrate nicht gestiegen.

Zweitens: Die Schweizer, die immer ganz besonders kritisch sind – die Schweiz ist dem Schengen-Raum 2008 beigetreten –, haben in ihrer „Neuen Zürcher Zeitung“ mehrmals in großen Artikeln erwähnt, welche Vorteile der Beitritt zum Schengen-Raum für die Schweiz hat, und dass vor allem in der Aufklärung sehr viel erreicht werden konnte. Daher stimmt diese Propaganda seitens der FPÖ nicht, von der man immer wieder hört, Schengen sei ein großer Nachteil und so weiter – auch wenn wir jetzt in Wien fast täg­lich irgendeine „gehaltvolle Postille“ von der FPÖ für den Wahlkampf erhalten.

Weiters würde mich interessieren, wie es mit Schengen II ausschaut – ein Gebiet, für das man schon lange sagt, dass Schengen II endlich kommt, also das Informationssys­tem. Wie schaut das jetzt aus und wann tritt es tatsächlich in Kraft?

Eines hat mich an dem Bericht – unter Anführungszeichen – ein bisschen „euphorisch gestimmt“: Es gibt so einen lieben Ausdruck – „Diebe im Gesetz“. Ich habe mir gedacht: Was ist das? (Bundesrat Konecny: Das sind FPÖ-Politiker, die ...gelder nehmen!) – Das ist eine Ehrenauszeichnung für Kriminelle. Mit einer Zeremonie werden besondere Kri­minelle in die Zunft, könnte man sagen, der „Diebe des Gesetzes“ aufgenommen und gelten dann als Kapos in der entsprechenden Branche.

Es ist auch interessant, über die Tätergruppen zu lesen. Die kaukasischen Völker sind natürlich sehr intensiv vertreten, aber nicht nur diese; es gibt auch andere. Auch der südeuropäische Raum wird beleuchtet. Wir haben auch eine türkische organisierte Kri­minalität und eine asiatische organisierte Kriminalität. Für nähere Details lohnt es sich wirklich, den Bericht zu lesen.

Die Task Force über den Menschenhandel hat mich erschüttert. Wenn einmal so ein Bericht da ist und man sich das Leid vorstellen kann, das im Menschenhandel geschieht, dann sollten wir uns aber als Österreicher selbst an der Nase nehmen. Man liest zum Beispiel, wie viele Bordelle es in den einzelnen Bundesländern gibt, und dass es be­dauerlicherweise in Wien ganz besonders viele Abnehmer gibt, wenn man von der Be­völkerungszahl ausgeht. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Es ist in jeder Rich­tung erschütternd, auch das, was über Kinderpornographie in diesem Bericht nachzule­sen ist.

Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass aus dem Bericht auch hervorgeht, dass un­sere Polizei, was technische Hilfsmittel betrifft, hervorragend ausgestattet ist. Das ist auch ein langer Prozess, der stattgefunden hat. Erinnern wir uns zehn, zwölf Jahre zu­rück: Wo stand damals die österreichische Polizei – damals noch Gendarmerie –, und wo steht sie heute? In dem Bericht ist sehr viel darüber enthalten, was alles dazuge­kommen ist.

Zuletzt kann ich feststellen, dass Österreich wirklich gut aufgehoben ist. Ich danke für den Bericht, und meine Fraktion nimmt diesen Bericht selbstverständlich zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

14.12



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 97

Präsident Martin Preineder: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kalina. Ich erteile es ihm.

 


14.13.07

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Zum Sicherheitsbericht: Ich möchte in einem Punkt Kollegem Ertl tatsächlich recht geben und in dem Fall Kollegem Kühnel widersprechen. Es ist ja schön, dass es diesen Be­richt gibt, aber so ein Ruhmesblatt für die beiden Ministerien ist er in der Tat nicht, wenn es so wahnsinnig lange dauert, dass man dieses Druckwerk mit Zahlen, die doch schon im Jahr 2008, am 31. Dezember, vorgelegen sind, zustande bringt.

So gut es ist, dass er ausführlich ist, so möchte ich den beiden Ministerien doch drin­gend empfehlen, diesen Bericht, sagen wir, binnen einem halben Jahr fertigzustellen, damit man die Zahlen von 2010 Mitte 2011 diskutieren kann und nicht wieder erst ein­einhalb Jahre später. So weit möchte ich Kollegem Ertl recht geben.

Ansonsten muss man sagen, dass die Darstellung der FPÖ, so wie sie ist, außerordent­lich kurios war. Ich glaube auch, dass das mit dem Wiener Wahlkampf zusammenhängt.

Ich muss Ihnen schon auch vom Pult Folgendes sagen: Wenn Sie selbst als Polizist – dann muss man das nämlich noch ernster nehmen, und wir kritisieren das ja auch – sagen, dass die Polizeireform 2005 ein Murks war, und dass sie vor allem für Wien ka­tastrophale Auswirkungen gehabt hat, dann muss ich Sie leider trotzdem daran erin­nern, dass damals die FPÖ in der Regierung war und diesen ganzen Murks mitgetra­gen hat. Sie hat damit dazu beigetragen, dass in Wien 1 000 Polizisten zu wenig da sind. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Kerschbaum und Schennach.) Also, das bringen Sie leider nicht an. Jetzt sind wir eben mit den Auswirkungen konfrontiert, und müssen schauen, wie wir das besser machen.

Kollege Ertl, ich muss Ihnen in einem zweiten Punkt widersprechen – nicht widerspre­chen, sondern mich über den Stil beschweren, der hier drinnen jetzt auch gepflogen wird. Das ist kein Problem, es kriegen ja Gott sei Dank nicht allzu viele mit; manches Mal schmerzt einen das auch.

Aber die Angst, die Sie ansprechen – das ist leider auch wahr. Ich erlebe das selbst, wenn ich mit den Leuten spreche, dass sie teilweise diese Angst haben. Jetzt ist aber die Frage, wie man damit als Politiker umgeht, in einem absolut sicheren Land wie Ös­terreich, in Wien, der wahrscheinlich sichersten Millionenstadt der Welt. Wie geht man mit Angst vor Kriminalität um? Schürt man das, oder versucht man das auf die Fakten, die es gibt, die unangenehm sind, zurückzuführen? (Bundesrätin Mühlwerth: Das schürt niemand! Sie finden kaum jemanden, der Ihnen nicht erzählt, dass eingebrochen wird oder sonst etwas!)

Versucht man den Leuten zu sagen, dass sie in einer sicheren Stadt, in einem sicheren Land leben, oder versucht man diese Angst ununterbrochen mit vollkommen haltlosen und aufgeplusterten Dingen auch noch aus politischen Gründen zu schüren? – Ich fin­de das schäbig, offen gestanden, und das ist nicht die Form ... (Zwischenruf des Bun­desrates Ertl.) – Sie wissen ja besser, dass es keinen Grund zu übertriebener Angst gibt. In Wien werden die Leute nicht überfallen, im restlichen Österreich auch überhaupt nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Ach nein, nicht?! Sie reden offensichtlich mit nieman­dem! Das sind Tatsachen!) Nein! Ganz wenige Leute werden überfallen. Es ist bedauer­lich, dass es das gibt, aber dieses Bild, das Sie zeichnen, ist ein Schlechtreden eines Lan­des, einer Stadt. Dafür sollten Sie sich schämen und diese Linie nicht im Wahlkampf fortsetzen!

Zur FPÖ möchte ich noch etwas sagen: Die FPÖ präsentiert sich – wie Sie, aber natür­lich H-C am meisten; der „HC-Man“ – als Versuch einer Sicherheitspartei. Aber wenn


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man sich auch da die Fakten anschaut, sich die Größenverhältnisse der Parteien – ÖVP, SPÖ und in dem Fall FPÖ – hernimmt und die Gerichtsseiten und die Kriminalitätssei­ten in der Zeitung ansieht, ist die FPÖ keine Law-and-Order-Partei.

Die FPÖ ist in Wahrheit eine Partei der Nehmer und in Wirtschaftskriminalitätsfälle ver­wickelt, die sie ja weggeredet hat, wie es noch nie eine Partei in diesem Land getan hat. Seit sie an die Regierung gekommen sind, plündern sie, wo sie können, öffentliche Kas­sen aus, Meischberger, Grasser und Konsorten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrä­te Kerschbaum und Schennach. – Bundesrat Podgorschek: Der Herr Grasser ist doch ... ! – Zwischenrufe der Bundesräte Ertl und Mühlwerth.) Das ist auch ein Teil der Kri­minalität, denn das müssen die Steuerzahler auch irgendwann einmal zahlen, lieber Kol­lege Ertl.

Lesen Sie Zeitung! Jeden Tag! Kein Tag vergeht! Ich hätte einen Vorschlag für Sie: Sie können tätige Reue tun. Meischberger hat, weil er auf ein Mandat verzichtet hat, schwarz 2,5 Millionen € bar auf die Hand kassiert (Bundesrat Ertl: Schilling!) – Entschuldigung, Schilling. Meischberger hat Steuern hinterzogen. Es wird dem Einzelnen nicht helfen, aber mein Vorschlag lautet: Die FPÖ soll, bevor sie den Mund so voll nimmt, diese Steu­ern einmal vorstrecken, so wie beim Unterhaltsvorschuss, und sie sich dann von den Betroffenen zurückholen. Ihr sollt den Steuerzahlern das Geld, das ihnen aus den Ta­schen gezogen wurde, zurückgeben. Das wäre ein guter Vorschlag. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ja, Sie sind ein Teil der Wirtschaftskriminalität. Anders kann man das nicht nennen. Das ist ein Faktum. (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.) Es ist unangenehm, aber wahr. (Bundesrätin Mühlwerth: „Konsum“ haben wir schon vergessen?!) Ja, das habe ich wirk­lich vergessen, da war ich noch nicht auf der Welt. Also, was soll ich machen?

Aber ich möchte mich natürlich auch ... (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist hart, das zu hören, aber Sie sind ein Teil der Wirtschaftskriminalität dieses Landes (Präsi­dent Preineder gibt das Glockenzeichen), und stellen sich hier heraus und tun so, als wären Sie Law and Order.

Zu Law and Order gehört auch, dass man die Steuern pünktlich zahlt. Zu Law and Or­der gehört auch – wenn man das vertreten würde –, dass man sich an die Regeln hält, dass man Freunderln keine Tipps gibt, wie sie billig an Aufträge kommen und Geschäf­te machen. (Bundesrätin Michalke: Hoffentlich passiert das in der SPÖ nie!)

Dass man das Steuergeld, Entschuldigung, das Eigentum der Steuerzahler, nicht an Freunde verhökert, gehört auch zu Law and Order. Schreiben Sie sich das hinter die Ohren! (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, möchte ich noch einen Satz zu etwas sa­gen, das heute hier in Wien stattfinden wird, auch mit diesem Thema zu tun hat und uns leider lange beschäftigt. Heute werden sehr viele besorgte Bürgerinnen und Bürger und Künstler im Zusammenhang mit der ganzen Causa um Arigona Zogaj auf die Stra­ße gehen. Ich möchte etwas sagen, das ich schon einmal gesagt habe, das man aber heute, glaube ich, angesichts der Entwicklungen wieder feststellen kann: Es ist wirklich ein ganz bedauerlicher persönlicher Fall, und ich glaube, dass man auf beiden Seiten – aufseiten des Innenministeriums, aber natürlich auch aufseiten mancher, die Arigona für ihre politischen Ansichten benutzt haben – ganz auf das individuelle Schicksal ver­gessen hat.

Ich bin froh darüber, dass der Verfassungsgerichtshof einen Weg vorgezeigt hat, wie es möglich ist, dass sie doch noch eine Zukunft in jenem Land findet, in dem sie sich so gut eingelebt hat, in dem sie die Sprache erworben hat, in dem sie die Schule absol­viert hat und einen Zugang zum Beruf finden wird. Ich bin froh, dass es das geben wird.


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Aber diesen Weg, den sie jetzt gehen muss und den sie gehen musste, den hätte man ihr aus Rücksicht auf das Individuum, auf den Menschen, auf das junge Mädchen, glaube ich, ersparen sollen. (Bundesrat Ertl: Haben Sie vorher gesagt, wir haben einen Rechtsstaat?! – Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.)

Das Bedauerliche ist aber, dass manche Leute, aus vielleicht ehrenhaften Motiven, ih­nen eingeredet haben, dass sie ein Fall für Asyl sind, was sie nicht sind. Das sind Leu­te, die hier leben und arbeiten wollen, die hier bleiben wollen. Ich finde das ganz in Ord­nung (Bundesrätin Mühlwerth: Aber nicht, dass sie illegal reingekommen sind, das kann Ihnen doch nicht egal sein!), wenn sie sich wie in diesem Fall so gut integrieren, aber sie sind nun einmal kein Fall für Asyl. Und das sollten auch jene Berater, die ihnen das einreden und sie zum Werkzeug ihrer politischen Machenschaften machen, einmal zur Kenntnis nehmen – leider, leider, leider.

Aber ich hoffe, wie gesagt, dass es noch ein gutes Ende gibt, der Verfassungsgerichts­hof hat einen Weg gezeigt, wie das gehen kann.

Zum Bericht selbst ist zu sagen, dass es bedauerlich ist, dass wir Zahlen aus dem Jah­re Schnee diskutieren müssen – daher möchte ich das nicht machen.

Die Situation in Österreich ist an sich, was die innere Sicherheit und den Schutz vor Kri­minalität im Vergleich betrifft – Österreich ist ja nicht eine Insel im Ozean, man kann al­so nur im internationalen Vergleich sehen, wie die Entwicklung tatsächlich ist –, äußerst positiv, auch die Entwicklung in Wien.

Aber was mir Sorge macht, das ist das Ignorieren von Fakten. Etwa die Hälfte der straf­baren Handlungen werden im Raum Wien und Umgebung verübt. Das ist ein Faktum, das seit Jahren aus diesen Berichten hervorgeht.

Jetzt finde ich als Wiener Mandatar es an sich positiv, dass man eine SOKO Ost einrich­tet. Aber schon beim Wort „SOKO“ stellen sich mir als gelerntem Österreicher ein biss­chen Bedenken ein, weil „SOKO“ heißt ja „Sonderkommission“. Das heißt, jetzt wird eine Sonderkommission eingerichtet, die möglicherweise nach der Landtagswahl wieder in der Versenkung verschwindet. Das sollte es nicht sein.

In Wien fehlen in der Tat – das rote Licht blinkt, ich muss das aber noch sagen – 1 300 Polizisten. Wenn man zur Kenntnis nimmt, dass es im Jahr 2005 in absoluten Zahlen mehr Beamte in Wien gab als das heute der Fall ist, so ist das angesichts der Kriminalitätsentwicklung, die in den Berichten 5, 6, 7, 8 und jetzt 9 aufgezeigt wird, ein­fach zu wenig. Es ist eine falsche Linie, die hier vom Innenministerium gegenüber Wien gemacht wurde.

Jetzt möchte ich noch eines zu Wien sagen: Das Land Wien, die Stadt Wien hat un­glaublich viel für die Sicherheit getan. Wien hat die Parkraumüberwachung übernom­men, damit sich Polizisten vom Strafzettelschreiben auf das Verfolgen von Gaunern kon­zentrieren können. Wien hat das Meldewesen übernommen, damit die Polizisten nicht die Meldezettel schreiben müssen, sondern eben die Gauner verfolgen können. Wien hat das Fundwesen übernommen und letztendlich auch, was viel Arbeit ist, das Pass­wesen übernommen. Wien fördert Sicherheitstüren und so weiter.

Das heißt, Wien übernahm und übernimmt zahlreiche Funktionen, die bisher Polizisten machen mussten, damit die Polizisten freie Hand bekommen, um sich auf die Krimina­litätsbekämpfung konzentrieren zu können. Aber wenn dann, wie gestern in der Zei­tung zu lesen war, Wien auch noch die Polizei tatkräftig mit Sachspenden unterstützt, zum Beispiel mit Tatortkameras, und die Reaktion der Frau Innenministerin – die leider heute erkrankt ist nach dem Radio-Interview in der Früh – dann so ist, dass die Kame­ras, die für Wien vorgesehen waren, abgezogen und in andere Bundesländer gegeben werden, dann muss man sagen, man hat fast schon das Gefühl, hier wird ein bisschen


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Wien benachteiligt oder es wird ein Exempel statuiert, weil es dort Leute gibt, die sagen, dass das nicht passt. Das ist ein Punkt, der mir als Wiener Mandatar  (Bundesrat Ko­necny: Bist schon wieder schuld, wenn das abgezogen wird!) – Genau! Und das ist ein Punkt, der mir in der Tat als Wiener Mandatar nicht gefallen kann.

In Summe, glaube ich, sollte man aus diesen Berichten und natürlich auch aus den Kri­minalstatistiken und den Quartalsbilanzen schon den Schluss ziehen, dass man den Verfolgungsdruck dort erhöhen soll, wo die meiste Kriminalität nun einmal – bei aller Sicherheit in dieser Stadt – trotzdem passiert. Das ist in Wien.

Daher glaube ich, dass das Innenministerium einmal politische Motive weglassen und sich darauf konzentrieren sollte, dort das Personal und auch die Ausrüstung zu konzen­trieren, wo die Kriminalität am höchsten ist. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bun­desrates Dr. Kühnel.)

14.24


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte.

 


14.25.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Die gar nicht rehäugige und heute früh noch sehr stimm­gewaltige Innenministerin hat heute im „Morgenjournal“ einmal mehr gesagt, es geht um den Rechtsstaat und der Rechtsstaat muss zum Recht kommen. Auch Frau Kolle­gin Mühlwerth hat herausgerufen: Was ist mit dem Rechtsstaat?

Wie viele Jahre diskutieren wir über die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, dass die Rechtsstaatlichkeit in Kärnten bei den Ortstafeln endlich umgesetzt wird, und nichts passiert, und der Rechtsstaat wird am Nasenring auf der politischen Bühne vor­geführt? – Das sind unterschiedliche Bewertungen von Rechtsstaat, in der Tat. Aber um dort, wo es darum geht, jungen Menschen, die wir ausgebildet haben, wo wir viel Steu­ergeld investiert haben, um junge Menschen zu integrieren, die sich ihre Eltern nicht aussuchen können, ein Exempel des Rechtsstaates zu praktizieren, da wird der Rechts­staat sehr wohl herbeigelobt.

Kollege Ertl, Ihre Rede war die einzige Kontrarede, deshalb müssen wir uns ein bisschen mit Ihnen diese Rede betreffend befassen, Sie halten es aus. Ich habe das Gefühl, das ist Ihre Standardrede, wenn es um Sicherheit und Polizei geht, nur hat diese Rede ir­gendwie nichts mit dem Sicherheitsbericht zu tun. Hätten Sie bei dem Szenario auf den wirklichen Sicherheitsbericht Bezug genommen, dann hätten Sie sagen müssen, im Jahr 2008 war die Gesamtkriminalität so niedrig wie im Jahr 2003.

Sie hätten aber, was möglich ist – und als Polizist müssten Sie das wissen –, auch auf die Daten vom Jahr 2009 zugreifen können. Da hätten Sie sagen können – ich habe sie da –: Ja, 2009, da gibt es ein Problem, da gibt es einen Zuwachs. Einen Zuwachs, den ich mir zwar etwas dramatischer aufgrund der innenpolitischen Diskussion gedacht habe, aber so dramatisch war der Zuwachs nicht. Aber jeder Zuwachs und jedes Ver­brechen sind ernst zu nehmen.

Aber das Jahr 2009 zeigt etwas ganz Erfreuliches, nämlich dass es drei Bundesländer gibt, in denen die Aufklärungsrate dramatisch gestiegen ist.

Wenn wir Vorarlberg hernehmen: 55 Prozent aller Verbrechen werden aufgeklärt. Wenn wir das Burgenland hernehmen: 51,3 Prozent aller Verbrechen im Burgenland werden aufgeklärt. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.) Wenn wir das durchaus große Oberös­terreich hernehmen: 51 Prozent aller Verbrechen in Oberösterreich werden aufgeklärt. Das ist etwas Wichtiges.


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Aber nun, Frau Bundesministerin für Justiz, muss ich Ihnen schon eine andere Frage stellen, nämlich zu der Tatsache, dass wir zwar eine höhere Aufklärungsrate haben, aber bei den Verurteilungen einen Rückgang um 11,4 Prozent. Da frage ich mich: Wie kommt es zu einem solchen Missverhältnis? – Eine Antwort von Ihnen würde mich sehr, sehr interessieren.

Herr Kollege Ertl, im Jahr 2009 hat die Polizei wesentlich mehr Verdächtige ausgeforscht, nämlich 246 000, als im Jahr 2008. Und auch die Zahl der Untersuchungshäftlinge, die überstellt wurden, betrug im Jahr 2009 bereits 12 000, also eine Steigerung von 13 000. Was erzählen Sie hier, in welcher Situation wir sicherheitsmäßig in Österreich sind?

Auch wenn wir einzelne Bereiche hernehmen, fällt auf, dass es fast durchgehend zu ei­nem Rückgang kam. Interessant ist aber, weil es immer wieder um das Thema „nicht österreichischer Pass“ geht, dass 72,85 Prozent, sprich 73 Prozent aller Tatverdächtigen österreichische Staatsbürger sind; 27,15 Prozent haben eine fremde Staatsbürgerschaft. Das ist – und das muss man auch dazusagen – kein Zuwachs, es ist exakt dieselbe Zahl wie in den Jahren 2006 und 2007.

Wenn aber in den Jahren 2006 und 2007 die Kriminalitätsrate höher war, dann könnte man sagen: Okay, es gibt eine minimale Bewegung, aber es ist im Wesentlichen dassel­be.

Man sollte dann schon dazusagen, dass die zwei größten tatverdächtigen Gruppen in Österreich Serben und Deutsche sind, und zwar Kopf an Kopf liegend.

Die Asiaten, finde ich, nicht so sehr. Wenn Sie die türkischen Passinhaber doch eher niedrigeren Niveaus in den asiatischen Bereich geben, Herr Kühnel, dann fällt auf, dass die Neigung türkischer Mitbürger zu Kriminalität eher sehr gering ist und bei 2,5 Pro­zent der Gesamtbevölkerung liegt. Wenn man jetzt aber sieht, wie hoch der Anteil der Mitbürger mit diesem Hintergrund ist, so ist dieser Prozentsatz sehr gering. Aber ich glaube, Sie haben etwas ganz anderes hier angesprochen, das aber statistisch nicht relevant ist. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.)

Herr Kollege Ertl, ich halte mich an den Bericht. Sie haben Literatur gemacht. Ich gehe rein nach dem Bericht vor. Das sind alles Zahlen, die uns das Innenministerium und das Justizministerium übermittelt haben. Das andere ist ich weiß nicht woher.

Aber jetzt, Kollege Ertl, und vor allem hat mich der Zwischenruf der Frau Kollegin Mühl­werth schnell einmal zum Nachschauen gebracht: Etwas fällt schon auf  (Bundes­rat Dr. Kühnel: Sie konnte die Wahrheit nicht ertragen!)

Ich möchte etwas sagen – ich brauche keinen Zwischenruf in diese Richtung –: Extre­mismus in jede Richtung ist widerwärtig und abzulehnen! Aber wenn mit solchen Zwi­schenrufen: Links, links, links!, übersehen wird, was dieser Bericht sagt, nämlich dass wir beim Rechtsextremismus eine deutliche Steigerung um 21,5 Prozent haben und wir im Vergleich zum Jahr 2006 eine Explosion haben, nämlich eine Steigerung von 240 auf 451 rechtsextremistische Fälle, und dass 350 Personen angezeigt wurden, von denen sogar fast 10 Prozent weiblichen Geschlechts sind, so ist das schrecklich. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ertl.) – Herr Kollege Ertl, alles steht im Bericht.

Ich frage mich, lieber Kollege Schnider, was wir mit unserem Bildungssystem machen, denn dass von diesen Personen fast 35 Prozent Jugendliche sind, ist meiner Meinung nach verheerend. Wir können sagen: Okay, jetzt sind es fast 35 Prozent Jugendliche, diese Zahl ist wenigstens zu 2007 ein bisschen gesunken. Aber diese Entwicklung ist natürlich schlimm.

Wenn gleichzeitig der Bericht festhält und das ein Beamter des Innenministeriums ge­schrieben hat, der meint, die linksextremistisch motivierten Tathandlungen – wobei ich


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noch einmal sage: Jeder Extremismus gehört abgestellt in diesem Land! – bewegen sich weiterhin auf niedrigem Niveau, so gehört auch dieses Niveau ganz auf null gesenkt.

Über den Zuwachs zum Beispiel von antisemitischen Handlungen in unserem Land, die sich von einem Jahr zum anderen verdoppeln, oder von islamfeindlichen Handlungen, die sich verzehnfachen, steht alles im Bericht. Wenn man den Bericht liest, dann ist das schon etwas, wozu wir sagen müssen: Dieser Bericht warnt uns vor einigen Entwicklun­gen, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Aber Österreich ist, und auch das sagt dieser Bericht, ein sicheres Land, und es gibt sichere Bundesländer mit einer über 50-prozentigen Aufklärungsquote. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

14.34


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


14.34.30

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich möchte nur ganz kurz Stellung nehmen zu einem Satz aus dem Bericht, und zwar zum ersten Satz im Bericht, der lautet:

„Die Vorsorge für die Sicherheit der Menschen in Österreich stellt eine umfassende Auf­gabe des Innen- und Justizressorts dar.“

Ich würde diese Aussage gerne zu 100 Prozent unterschreiben.

Ich bin deshalb jetzt herausgekommen, denn ein bisschen nach Erscheinen des Be­richts, nämlich 2009 am Städtetag, hat die Frau Innenministerin gemeint, sie bedankt sich jetzt bei allen Gemeinden, die eine eigene Stadtpolizei oder eine eigene Sicher­heitswacht installieren, um die Sicherheit im Land besser gewährleisten zu können.

Ich denke, es ist in fast allen Gemeinden, denen ihr angehört, sicher schon einmal The­ma gewesen, ob man nicht einen eigenen Sicherheitsdienst braucht, um die Sicherheit gewährleisten zu können. Es kommt meistens von der ÖVP und von der FPÖ in einem. Ich möchte diesen ersten Satz im Sicherheitsbericht noch einmal hier betonen und auch darauf verweisen, dass es eigentlich eine Frechheit von der Frau Innenministerin ist, die Gemeinden mehr oder weniger dazu aufzufordern, sich selbst um die Sicherheit zu kümmern und selbst Geld in die Hand zu nehmen für Sicherheitsdienste, die bei Wei­tem nicht das leisten können, was die Polizei leisten kann. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen sowie des Bundesrates Konecny.)

14.36


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Mag. Ban­dion-Ortner. – Bitte.

 


14.36.06

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Natürlich wäre es mir auch lieber, wir würden einen aktuelleren Sicherheitsbericht diskutieren. Es ist schade, dass wir heute über das Jahr 2008 reden; doch das hat schon seine Gründe. Es ist so, dass das Justizministerium und das Innenministerium jeweils andere Ansätze bei der Zählung haben. Das hängt damit zusammen, dass zum Beispiel in einem Verfahren mehrere Beschuldigte abgeurteilt werden, dass es auch andere Erle­digungen gibt wie zum Beispiel die Diversion, oder dass auch etwa mehrere Delikte und mehrere Faktengruppen in einer Verhandlung, in einem Gerichtsverfahren abge­handelt werden.


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Das heißt, das ist das Problem, warum es relativ lange dauert, das zunächst einmal so darzustellen, dass wir auch tatsächlich eine Übersicht haben. Es ist ja nicht so, dass wir nur Zahlen auswerfen wollen, sondern wir wollen auch eine gute Darstellung, einen Überblick liefern.

Doch das wird sich – und jetzt kommt die gute Nachricht – in Zukunft ändern. Maria Fek­ter und ich haben das in Angriff genommen; aber das ist ein Problem, das es ja schon viele Jahre gibt. Wir werden die Statistiken angleichen. Wir haben auch schon eine Stra­tegie, wie wir diesen Vorgang beschleunigen werden. Ich kann Ihnen jedenfalls sa­gen: Der nächste Sicherheitsbericht wird nicht so lange auf sich warten lassen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesräte Ertl und Zwanziger.)

Kurz zu den Ausführungen des Herrn Bundesrates Ertl; da muss ich schon etwas dazu sagen: Es ist erwiesen, dass Österreich eines der sichersten Länder der Welt ist. Das gibt es schwarz auf weiß. Bitte, Herr Bundesrat, machen Sie doch den Leuten nicht so viel Angst! Was sollen sich Schüler denken, wenn sie hier sitzen? Die glauben, sie le­ben im Wilden Westen. (Bundesrat Ertl: Es soll keiner Angst haben!)

Natürlich kann man immer etwas verbessern. Wir sind alle bestrebt, die Sicherheit so zu gewährleisten beziehungsweise noch zu verbessern.

Und das muss man auch sagen: Die österreichische Polizei, aber auch die österreichi­sche Justiz leisten wirklich gute Arbeit. Wir werden dafür sorgen, dass Österreich auch weiterhin zu den sichersten Ländern der Welt zählen wird! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zwanziger. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

14.38


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Kollege Dönmez, bitte.

 


14.38.46

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die Frage, die Kollege Schennach gerade eingeworfen hat, wollte ich auch noch nachfragen, weil die ist für mich oder für uns alle, glaube ich, nicht beantwortet. Es geht um die Frage nach dem Rückgang der Verurteilungen. Wenn Sie das bitte noch beantworten würden.

14.39


Präsident Martin Preineder: Ich bitte darum.

 


14.39.04

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Das werde ich gerne be­antworten. Ich habe es eigentlich schon erklärt. Es ist das Problem, dass wir verschie­dene Ansätze verfolgen, weil es eben Verfahren gibt, in denen, was weiß ich, zehn An­geklagte zusammengefasst werden, und das gilt dann als eine Erledigung bei der Jus­tiz, aber im Innenressort zählt das öfter. Das ist das Problem. Diese Angleichung neh­men wir gerade in Angriff. Das klingt leichter, als es tatsächlich ist. Das ist eine ziem­lich große technische Herausforderung.

14.39


Präsident Martin Preineder: Danke für diese Erklärung.

Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor. Die Debatte ist somit geschlossen.

Nun kommen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist mehr­heitlich angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 104

14.40.038. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum Achtzehnmonatsprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes (III-392-BR/2010 d.B. sowie 8332/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Bitte um den Bericht.

 


14.40.30

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für innere Angelegenheiten über den Bericht der Bundesministerin für Inneres an das österreichische Parlament zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2010 und zum Achtzehnmonatsprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Vorsitzes.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher sogleich den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Martin Preineder: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

 


14.41.13

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geschätzte Damen und Herren! Seit dem Jahr 2004 haben wir die Mög­lichkeit, uns mit den von den einzelnen Ministerien vorgelegten Berichten über das Ar­beitsprogramm auf europäischer Ebene auseinanderzusetzen, darüber zu diskutieren, und zwar über einen Zeitraum von 18 Monaten der jeweiligen Ratstroika. Für uns im Bundesrat ist das eine gute Gelegenheit, uns sehr frühzeitig mit den europäischen Initia­tiven auseinanderzusetzen. – Ich komme später noch einmal darauf zu sprechen. Das hat sich insofern noch weiterentwickelt, als wir seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissa­bon als Parlament sehr frühzeitig in die Umsetzungsmaßnahmen einbezogen sind.

Das Sicherheitsmanagement auf nationaler, aber noch viel mehr auf internationaler Ebe­ne ist enorm vielfältig und hochkomplex. Einer der Gründe dafür ist die ganz massiv gestiegene Mobilität der Personen, die zu Hunderttausenden und Millionen auf Reisen und unterwegs sind und die Sicherheitsapparate vor große Herausforderungen stellen. Ein weiterer wesentlicher Grund sind auch die technischen Entwicklungen. Es genügt der Hinweis auf das Internet, wo völlig neue Kommunikations- und Informationsformen Platz greifen.

Ich darf einige Themen kurz ansprechen, die da enthalten sind. Ein Dauerthema ist der vielfältige Komplex der legalen und illegalen Einwanderung. Es ist die Einführung eines Systems im Gange, Personen, die legal einreisen, dann aber, wenn ihre Aufenthalts­dauer abgelaufen ist, irgendwo abtauchen, besser zu erfassen. Eine ganz wichtige Maß­nahme.

Es ist weiters ein System der registrierten Reisenden in Entwicklung, wo nach einer an­gemessenen Vorab-Sicherheitsüberprüfung der Status eines registrierten Reisenden ver­geben werden kann, was in der Frage der Administration, der automatischen Kontroll­gates, der Ressourcenbewirtschaftung, bei den Wartezeiten große Bedeutung hat.

Im Werden ist weiters die Schaffung eines umfangreichen Einwanderungskodexes mit dem Ziel, die Regeln im gesamten Migrationsbereich zusammenzuführen.

Ein weiterer wichtiger Bereich, der in vielen Städten, vor allem in den Landeshauptstäd­ten, insbesondere auch in meiner Heimatstadt Innsbruck von ganz großer Bedeutung


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ist, sind die Rückübernahmeverhandlungen und -abkommen mit den Drittstaaten. Ich verweise nur auf das sogenannte Marokkaner-Problem.

Es ist das ein sehr schwer zu lösendes Problem, weil vielfach die Identität nicht mehr feststellbar und nachweisbar ist und auch das sogenannte Rückübernahmeland über keine Identität verfügt, wodurch das Verhandeln relativ schwierig wird.

Diese Verhandlungen sind im Gange mit Marokko, der Türkei und China; sie ziehen sich, sie stocken. Es ist das eine nicht ganz einfache Materie.

In Verhandlung ist die Erweiterung des Schengen-Raumes. Die Erweiterung um das Fürstentum Liechtenstein ist knapp vor der Abschluss – ich glaube, es fehlt noch die Ratifizierung durch das schwedische Parlament. Verhandlungen mit Bulgarien, Rumä­nien und Zypern sind im Gange. Österreich unterstützt diese Verhandlungen mit der Ein­schränkung, dass es zu keinen Missbrauchsanreizen im Zuge dieser Abkommen kom­men darf. Es darf zu keinen – um das in der Verhandlungssprache zu sagen – Pull-Faktoren kommen; sprich, dass zum Beispiel Sozialleistungen dazu führen, dass ver­stärkt in Richtung Einwanderung gedrängt wird. Insgesamt ist natürlich immer auch die Kostenentwicklung zu beachten.

Es gibt also eine Reihe von Themen, die uns immer wieder sehr beschäftigen. Ich möch­te jetzt zurückkommen auf die Arbeit im EU-Ausschuss des Bundesrates im Zusam­menhang mit den Subsidiaritätsprüfungen. Der Lissabon-Vertrag bietet uns sehr kon­krete Möglichkeiten, an diesen Verhandlungen teilzuhaben, uns politisch einzubringen und ganz konkret dazu Stellung zu nehmen.

Ein kleiner Einschub: Gestern hat der Verfassungsausschuss des Nationalrates getagt, in welchem die Lissabon-Begleitnovelle behandelt wurde. Mit den Stimmen von Volks­partei, Sozialdemokratischer Partei, Grünen und BZÖ – die FPÖ konnte da leider nicht mitgehen – wurde die Lissabon-Begleitnovelle auf der Basis des im Bundesrat einge­brachten Antrages verhandelt und mit großer Mehrheit verabschiedet. Wir werden da­her am 22. Juli die neuen Möglichkeiten, die wir im Bundesrat bekommen, hier im Ho­hen Haus zu beraten haben.

Wir haben in den letzten Sitzungen des Bundesrats-Europaausschusses eine Reihe je­ner Maßnahmen beraten, die aktuell auf europäischer Ebene behandelt werden; die Fra­gen Menschenhandel, Kinderpornographie, Übersetzungsrechte bei Angeklagten aus Drittstaaten. Gestern wurde die Frage der Überwachung der Ratingagenturen behandelt. Wir haben es – darauf möchte ich hinweisen – auch als Bundesrat in der Hand, bei die­sen Verhandlungen Grundsätze einzubringen, die Verhandlungsrichtung Österreichs mit zu beeinflussen – wir tun das im Bundesrat. Und vor allem geht es darum, das muss ich ebenfalls erwähnen, Vorschläge, die überschießend sind, zu beeinspruchen. Es liegt jetzt an den nationalen Parlamenten, für einen ausgewogenen Mix an Maßnahmen zu sorgen.

Der Bundesratsausschuss macht das mit großer Intensität. Ich möchte mich bei allen Fraktionen dafür bedanken, dass diese Materien mit großer Sachlichkeit abgehandelt werden und wir die Rechte des Vertrages von Lissabon aus der Sicht des Bundesrates wahrnehmen können. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

14.48


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pro­fessor Konecny. – Bitte.

 


14.48.16

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär für beinahe alles! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erspare es mir, das zu wiederholen, was bereits gesagt wurde, obwohl es natürlich ein ganz besonderer Anlass ist, sich da­


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rüber zu freuen, dass ein Gesetzesantrag des Bundesrates in einer so zentralen Mate­rie die Zustimmung des Nationalrates – einer verfassungsgebenden Mehrheit – gefun­den hat. Wir werden das in unserer nächsten Sitzung noch ausreichend würdigen können. Aber es bringt doch ein Stückchen bestätigtes Selbstbewusstsein dieses Hau­ses, und von daher ist es durchaus erwähnenswert.

Wir befassen uns mit den Stellungnahmen des Innenministeriums zum Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und zum kombinierten Achtzehnmonatsprogramm der vorigen, der jetzigen und der nächsten Präsidentschaft der Europäischen Union.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass in diesem Vorhabensbericht der Europäischen Union Fragen des Asylwesens, der Einreise, der Kontrolle von Einreisenden eine ganz zent­rale Rolle spielen.

Es ist auch gut und richtig – das wird auch in der Stellungnahme des Ministeriums be­tont –, wenn wir da zu gemeinsamen europäischen Standards, vor allem aber auch zu gemeinsamen europäischen Maßnahmen kommen. Denn es ist natürlich richtig, dass in dem Maße, in dem die Europäische Union und vor allem der Schengen-Raum ein einheitlicher Komplex geworden sind, die Frage, wie wir Menschen behandeln, welche Rechtsnormen wir anwenden, sinnvollerweise nur einheitlich zu regeln ist.

Wir merken aber, dass wir in mancher Hinsicht – und das ist traurig – an technische Kapazitätsgrenzen stoßen. Es wird in diesem Bericht an mehreren Stellen darauf hin­gewiesen, dass jene technologischen Unterstützungsmaßnahmen, die wir für jede Kon­trolle brauchen, ganz offensichtlich falsch aufgesetzt sind, nicht weiterentwicklungsfä­hig sind und dass wir bei SIS II zum Beispiel in einer absoluten Sackgasse sind, wo das Nachfolgesystem einfach nicht leistet, was es leisten sollte, und daher auf Jahre hinaus wahrscheinlich zwar eine gute Normensetzung, aber nur ein geringes Maß an prakti­scher Anwendungsmöglichkeit für diese Normen besteht. Das muss mit bedacht wer­den, wenn wir über einzelne Maßnahmen reden.

Wenn wir ein einheitlicher Raum sind, haben wir zunächst die Frage zu stellen, wer in diesen Raum herein darf. Wir haben als Schengen-Raum mit einer Reihe von Staaten inzwischen Verträge, die ihren Bürgern eine visumsfreie Einreise ermöglichen, und es gibt Überlegungen, den Schengen-Raum zu erweitern.

Zu den Kandidaten einer Vollmitgliedschaft – im Hinblick auf Liechtenstein gibt es kein großes Problem, nehme ich an – gehören auch die letzten beiden der neuen Mitglieder, also Rumänien und Bulgarien. Es gehört auch Zypern dazu, das mit seiner Insellage so­zusagen ein spezielles Problem für Schengen darstellt.

Ich muss an dieser Stelle ein paar Sätze sagen zu etwas, was mich sehr, sehr betroffen macht, und zwar jetzt nicht nur unter dem Sicherheitsaspekt, aber es hat sicherheitspo­litische Auswirkungen.

Wir sind seit Jahren, ohne dass die Europäische Union in irgendeiner Art und Weise eingeschritten ist, konfrontiert mit der Tatsache, dass Rumänien in Wirklichkeit eine ge­zielte Staatsbürgervermehrungspolitik betreibt, denn jeder Moldawier – und das ist die Mehrheit der Bevölkerung –, der das auf Rumänisch halbwegs ordentlich sprachlich begründen kann, bekommt einen rumänischen Pass.

Wir sind aktuell mit dem originellen Imperialismus unseres ungarischen Nachbarlandes konfrontiert, das jedem ethnischen Ungarn, wo immer er wohnt, die Staatsbürgerschaft anbietet und damit natürlich auch den Reisepass.

Kolleginnen und Kollegen, das ist erstens einmal unschön in jeder wie immer gearteten Hinsicht, aber es bedeutet für den Schengen-Raum eine Herausforderung. Es gibt eine große Zahl ethnischer Ungarn in Rumänien – Rumänien ist derzeit nicht Mitglied des


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Schengen-Raumes –, und wenn jemand, sobald dieses Gesetz auch implementiert wird – beschlossen ist es ja im ungarischen Parlament –, als Staatsbürger zweier Staa­ten, eben auch Ungarns, einen ungarischen Pass bekommt, kann er als Schengen-Bür­ger jederzeit in jedes andere Schengen-Land reisen. Das, bitte, ist nicht der Sinn des Schengen-Raumes!

Im Falle eines möglichen Beitritts Rumäniens selbst ist diese Problematik noch eine viel zugespitztere. Profunde Schätzungen – nicht meine Schätzung, ich habe nicht nachge­rechnet – sprechen davon, dass mindestens 100 000 Moldawier bereits einen rumäni­schen Pass haben. Wird Rumänien Mitglied des Schengen-Raumes, dann sind diese 100 000 und jeder, der durch diese Tür nach Rumänien reinkommt, theoretische Schen­gen-Bürger und haben Reisefreiheit. – So kann es nicht sein, dass wir mit allen Prob­lemen, die das bedeutet, den Schengen-Raum erweitern und versuchen, ihn abzusi­chern, aber in Fällen eklatanten Nationalismus dann auch noch ein Hintertürl aufma­chen.

Ich glaube, dass wir an die Verhandler über die Schengen-Erweiterung ganz klar die Aufforderung richten müssen, diesen beiden Staaten deutlich zu machen, dass ihre Aufnahme in den Schengen-Raum davon abhängt, dass sie diese Praktiken abstellen. Denn da ist auch sicherheitspolitisch, da die Moldawier in der österreichischen Krimi­nalstatistik, die wir unter dem vorigen Tagesordnungspunkt behandelt haben, nicht ganz belanglos sind – zwischen Klammern: Wenn ich ein moldawischer Einbrecher wäre, würde ich auch nicht daheim arbeiten, bei dem Durchschnittsreichtum dieses Landes! –, eine Verknüpfung gegeben.

Zum zweiten Aspekt: Im Zusammenhang mit Asylfragen hat Österreich – unter welchen Innenministern und Außenministern auch immer – den klaren Standpunkt vertreten, dass es für ein hohes Maß an Einheitlichkeit ist. Erstens, um breite Rechtssicherheit zu erreichen, und zweitens, um das größere Gewicht der Europäischen Union – im Ver­gleich zum Gewicht eines einzelnen Mitgliedstaates – bei der Rückführung von Perso­nen in ihr Ursprungsland anwenden zu können. Österreich hätte da vermutlich ein ge­ringes Gewicht, die große Europäische Union ein wesentlich höheres.

Ein weiterer Punkt, den ich ... (Zwischenruf des Bundesrates Dönmez.) – Nein. Also wenn ich der Frau Innenministerin glauben darf – und dazu bin ich als Mitglied einer Koali­tionspartei verpflichtet –, dann ist das nicht der Fall. Sie kann es uns selbst nicht sa­gen, und ich erkläre meine Unzuständigkeit für die Beantwortung des Zwischenrufes.

Eine letzte Bemerkung noch, ein Beispiel dafür, wo wir derzeit offenbar an die Grenzen der Technologie stoßen: Die Schaffung eines Entry/Exit-Systems, das sicherstellen soll, dass der Einreisende die genehmigte Aufenthaltsdauer nicht überschreiten kann, weil man ihn findet, wenn er noch nicht wieder ausgereist ist, oder weil man zumindest beginnt, sagen wir es einmal so, ihn zu suchen, wenn er nicht rechtzeitig aus dem Schengen-Raum ausgereist ist, ist sicher eine großartige Idee, da wir wissen, dass in vielen Fällen diese Überschreitung stattfindet – zu welchen Zwecken auch immer, sei es auch zur illegalen Arbeitsaufnahme.

Nur: Derzeit scheitern wir an den mangelnden technologischen Möglichkeiten, oder man kann es auch so sagen: an dem falschen Auftrag, der da offensichtlich einer Anbieter­gruppe erteilt wurde. Dieses System, das bereits seit 2007 in Funktion sein sollte, wird vielleicht 2013 fertig sein; aber daran zweifeln alle Beteiligten.

Herr Präsident, Sie werden mir nicht gleich das Wort entziehen, wenn ich noch zu einer Bemerkung meine Redezeit strapaziere. Ich beziehe mich auch, Frau Kollegin Mühl­werth, auf Ihren Zwischenruf an die Adresse des Kollegen Schennach. (Bundesrat Schen­nach: ..., sie hat ihn nur gemacht!) – Also gut, du hast dich nicht betroffen gefühlt. Das stelle ich hiemit amtlich fest.


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In vielen Wiener Bezirken haben sich private Initiativen gebildet, die dort, wo jüdische Mitbürger zuletzt gewohnt haben, bevor sie in die Vernichtungslager transportiert wur­den, Gedenksteine anbringen. Sehr bewusst – die Aktion heißt auch „Stolpersteine“ – im Trottoir, man soll darüber zumindest geistig stolpern. Und das ist auch in dem Bezirk in Wien, in dem ich wohne, im 8. Bezirk, der Fall.

Es wurde jüngst – die Presse hat darüber erfreulicherweise bemerkenswert breit berich­tet – eine größere Anzahl solcher Steine angebracht. Wenige Tage später war einer dieser Steine – und die sind, bitte, einbetoniert! – unter beträchtlicher Gewaltaufwendung herausgerissen worden. Sie werden wohl nicht behaupten, dass es sich hiebei um eine linke Aktion handelt. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, aber von uns ist es auch nicht ...!) – Frau Kollegin, ich würde an dieser Stelle nicht ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist eine blanke Unterstellung!) – Frau Kollegin, ich habe ... (Bundesrätin Mühlwerth: Das weise ich zurück!)

Es ist originell, dass Sie etwas zurückweisen, was ich nicht gesagt habe! (Bundesrä­tin Mühlwerth: Das war ja an mich gerichtet!) Ich sage Ihnen: Es gibt inzwischen genü­gend Hinweise aus der Bevölkerung. Sie werden sich wundern, wohin die Spur führt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.00


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Nun kommen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.00.579. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührenge­setz 1957, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, das Finanzstrafge­setz und das Finanzausgleichsgesetz 2008 geändert werden – Glücksspielgesetz-Novelle 2008 (GSpG-Novelle 2008) (658 d.B. und 783 d.B. sowie 8333/BR d.B.)


Präsident Martin Preineder: Nun kommen wir zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mosbacher. Bitte um den Bericht.

 


15.01.12

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht über den Beschluss des Natio­nalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Abgabenverwal­tungsorganisationsgesetz 2010, das Finanzstrafgesetz und das Finanzausgleichsge­setz 2008 geändert werden – Glücksspielgesetz-Novelle 2008 –, liegt Ihnen schriftlich vor; ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

 


Präsident Martin Preineder: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

 


Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 109

15.02.10

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde dem Glücksspielgesetz nicht zustimmen, und zwar nicht aus dem Grund, weil ich etwas ge­gen Glücksspiele hätte, ganz im Gegenteil, ich bin auch an und für sich dafür, dass man das „kleine Glücksspiel“ in einer Form legalisiert, aber wogegen ich etwas habe, ist die Spielsucht. Ich habe etwas dagegen, dass Menschen mit der Sucht anderer Menschen viel Geld verdienen. Für mich ist klar, sobald das Spiel, auch das Glücksspiel zu einer Sucht wird, dann ist es aus mit lustig und dann ist es im Prinzip auch kein Spiel mehr. Das mit dem Glück hat sich dann auch irgendwie aufgehört, denn das endet dann eher im Unglück – meistens für die ganze Familie.

Ich persönlich habe es schon in meinem Bekanntenkreis erlebt. Ich nehme an, die meis­ten von Ihnen auch und können das nachvollziehen. Aus diesem Grund ist es meiner Meinung nach ganz wichtig, weil eben ganze Familien betroffen sind, dass man diese Sucht möglichst hintanhält.

Ich weiß nicht, ob Sie den Abänderungsantrag, den Herr Peter Pilz im Nationalrat ein­gebracht hat, gelesen haben. Ich kann Ihnen das prinzipiell nur empfehlen, denn die Lektüre ist nicht nur besser gegliedert als die Gesetzesvorlage, sondern auch inhaltlich um einiges besser und umfangreicher. Er drückt in erster Linie das aus, was wir wollen oder was auch ich will, nämlich einen besonders guten, gesetzlich verankerten Spieler­schutz, einen Spielerschutz, der den Namen Spielerschutz auch verdient, weil er einer­seits die Leute davor schützt, süchtig zu werden – es gibt ja diverse Studien, was die Sucht mehr oder weniger verursacht –, indem man Abstandsregelungen einführt, indem man Beschränkungen von Tages- und Wochenspielzeiten einführt, indem man Verlust­beträge beschränkt, indem man Gewinnhöhen beschränkt. Höchstgewinne von 10 000 € animieren vielleicht doch mehr als Höchstgewinne bis 20 000 €, die bisher gestattet waren.

Es wäre wirklich sinnvoll, die Gewinnchance auf einem Automaten auszuzeichnen, da­mit den Leuten ein bisschen bewusster wird, wie hoch ihre Chancen stehen, wirklich reich zu werden. Eine Beschränkung des zulässigen Einsatzes pro Spiel wäre eben­falls sinnvoll. Ich meine, wenn man sagt, 10 € Einsatz im „kleinen Glücksspiel“ sind okay, das ist ohnehin nicht viel, dann heißt das pro Spiel aber doch immerhin in der Stunde bis zu 36 000 €, und das ist kein „Lapperl“ und hat nichts mehr mit Spiel zu tun und schon gar nichts mehr mit Glück.

Wir hätten gerne eine gesetzliche Grundlage dafür, dass Glücksspielbetreiber auch in dem Ausmaß haften, in dem sie Schaden verursachen können. Derzeit tun sie das nicht. Die Gesetzesvorlage garantiert uns das auch nicht. Im Prinzip – dazu stehe ich – wäre hier schon das Verursacherprinzip anzuwenden: Wenn jemand mit der Sucht anderer Menschen Geld verdient, dann muss er auch dafür verantwortlich sein. Gleichzeitig mit der Erlaubnis, dass er das tun darf, muss er auch verantwortlich gemacht werden, die Haftung und die Kosten zu übernehmen, die aus dieser Spielsucht auch für die öffent­liche Hand entstehen.

Im Prinzip ist es ja derzeit so und wird auch in Zukunft mit diesem Gesetz so bleiben, dass die öffentliche Hand den Schaden, den Glücksspiel verursacht, zu einem großen Teil deckt. Indem sie ein Sozialsystem hat, in dem Menschen dann aufgefangen wer­den, indem sie ein Gesundheitssystem hat, in dem Menschen dann aufgefangen wer­den, unterstützt die öffentliche Hand das. Ich bin der Meinung, dass die öffentliche Hand, solang das so ist, ganz sicher nicht davor zurückscheuen sollte, dementsprechend hoch die Steuereinnahmen aus diesem Gewerbe einzutreiben und anzusetzen. Auch da hat das vorliegende Gesetz sicher Möglichkeiten ausgelassen, da könnte man sicher noch viel mehr tun.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 110

Insgesamt: Natürlich bin ich dafür, dass man das Glücksspiel regelt, dass es klare Richt­linien gibt. Wir wollen einfach mehr Spielerschutz, wir wollen eine verbesserte Haftung für die Glücksspielbetreiber, und wir wollen, dass der Staat sich das Geld holt, das ihn das Ganze kostet. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.06


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Perhab. – Bitte.

 


15.06.44

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Herr Staatssekretär! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Frau Kollegin Kerschbaum, die Grünen sind wieder einmal ge­spalten. Ich glaube, Ihr Kollege Efgani Dönmez wird dafür stimmen, soviel ich weiß. Es ist leider das Werk des Peter Pilz im Nationalrat gewesen, dass wir keine Fünf-Par­teien-Einigung zusammengebracht haben. Das muss man fairerweise sagen. Es gibt aber dafür einen Fünf-Parteien-Entschließungsantrag, wo der Finanzminister aufgefor­dert wird, bis Jahresende technische Möglichkeiten über einen verstärkten Spielerschutz zu erörtern.

Wenn man sich den Werdegang dieser Rechtsmaterie vor Augen führt, die auf einem Entwurf vom damaligen Finanzminister Molterer im Jahr 2008 fußt, dann sieht man, wie intensiv und vielschichtig unsere politische Diskussion darüber war, dass sie aber wirklich auch durch alle Reihen gegangen ist, weil wir uns – so glaube ich – alle be­wusst sind, dass die Spielsucht eine der Erscheinungen unserer Gesellschaft ist, die wir natürlich mit allen Mitteln irgendwie hintanhalten wollen. Es gibt auch sehr viele Projekte, die diese Suchtprävention auch auf diesem Gebiet forcieren.

Wir haben zum Beispiel in der Wirtschaftskammer Steiermark einen Fonds mit 500 000 € in der Fachgruppe der Freizeitbetriebe, nur: Er wird nicht angenommen. Wir haben etwa zehn bis 15 Fälle, wo sich Spieler outen und eine Therapie annehmen. Ich glau­be, die Hemmschwelle ist einfach noch zu groß. Ich habe selbst einen qualifizierten Mitarbeiter in der Küche, der spielsüchtig ist, was fatale Konsequenzen auf seine finan­ziellen Verhältnisse gehabt hat. Er ist aber ein ausgezeichneter Mitarbeiter, ich halte ihn und gebe ihm sein Entgelt in kleinen Dosen. Es ist die einzige Möglichkeit, wie ich et­was beitragen kann, dass er sich nicht auf einmal seiner finanziellen Mittel entledigt.

Aber vielleicht zurück zum Gesetz: Ich glaube, dass Österreich durchaus ein auch inter­national herzeigbares Gesetz zustande gebracht hat, auch dank des Herrn Staatssekre­tärs und seines Einsatzes. Auch Günter Stummvoll als Obmann des Finanzausschus­ses im Nationalrat hat wirklich intensive Arbeit und Kommunikation mit den anderen Fraktionen geleistet.

Wir novellieren eine Materie, die seit 1976 im Wesentlichen nicht mehr verändert wur­de. Wenn man bedenkt, welche technische Entwicklung sich gerade auf diesem Auto­matensektor in dieser Zeit abgespielt hat, dann sieht man, dass es höchst an der Zeit ist, dies zu novellieren. Daher ist auch diese Vier-Parteien-Einigung zustande gekom­men, weil jede Fraktion für sich natürlich schon zu dem Schluss kommt, dass wir hier Handlungsbedarf gehabt haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Dass wir da noch nicht am Ende der Fahnenstange sind, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Frau Kollegin, aber es ist natürlich ein gesellschaftspolitisches Faktum, dass wir dieses Problem nicht mit einem Gesetz und auch nicht von heute auf morgen aus unserer Ge­sellschaft entfernen können.

Ich darf positiv erwähnen, dass indirekt auch die Bundessportförderung aus diesen Erlö­sen sehr gut dotiert ist. Man soll bedenken, wir haben im Jahr 2000 33 Millionen € in der Sportförderung gehabt und haben jetzt 80 Millionen € Basisförderung für 14 000 Sport­vereine in Österreich. Ich glaube, das ist durchaus eine sinnvolle Zweckbindung dieser


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Mittel. Letzten Endes wissen wir ja alle, dass Sport, auch Freizeitsport, gewisse Rah­menbedingungen und Infrastruktur benötigt, um vor allem die Jugend dazu zu bringen, sich sportlich zu betätigen.

Was noch nicht im Gesetz ist, ist dieses Online-Gaming. Die Regelungen sind meiner Meinung nach nur international zu regeln. Was sollen wir in Österreich hier tun? Wir haben die technischen Möglichkeiten gar nicht, so glaube ich. Alleine die Anbindung der Spielautomaten online an das Bundesrechenzentrum ist, wie ich glaube, der erste Schritt, der technisch wirklich machbar ist und womit wir diesen Graubereich der illega­len Automaten einmal wegbringen.

In der Steiermark stehen ungefähr 4 000 Spielautomaten. Ich glaube, die Dunkelziffer ist bei 8 000. Wir hoffen, dass wir dadurch auf 1 000 Automaten herunterkommen. Na­türlich gibt es auch kleinere Aufsteller, die jetzt um ihre Existenzen bangen. Automa­tenaufsteller müssen sich jetzt eine Aufstellungslizenz von einem größeren Casinobe­treiber besorgen, was momentan nicht immer auf sehr großes Verständnis stößt.

Wir sind in der Steiermark in einer besonderen Situation, weil ja hinter der Grenze bei Spielfeld ein sehr großes Casino in Slowenien betrieben wird, das Casino „Mond“. Ich glaube, der Grazer Großraum würde lückenlos abwandern. Das muss man auch dazu sagen. Da ist es mir schon lieber, das Geld bleibt zumindest in Österreich und in der Steiermark.

Was ich auch erwähnen möchte, ist – die Debatte war in der Nationalratssitzung ganz hitzig –: Ich halte nichts davon, die Firmen, die in dieser Branche tätig sind, ständig schlechtzureden. Ich meine, die Firma Novomatic, um sie beim Namen zu nennen, ist sozusagen das Intimfeindbild von Peter Pilz; er agiert da im Schutze der Immunität.

Novomatic ist ein Weltmarktführer, der sein Headquarter in Österreich hat. Die Nieder­österreicher werden das zu schätzen wissen. In Gumpoldskirchen – so glaube ich – wur­de die Zentrale neu gebaut. Sie haben 2 500 Mitarbeiter und 2,5 Milliarden € Umsatz. Also, meine Damen und Herren, das sind einfach Dinge, die man in Zeiten wie diesen gar nicht hoch genug schätzen kann. Es ist nicht „bad money“ oder sonst irgendwas. Das ist ein hochtechnisiertes Unternehmen mit einer riesigen Forschungsabteilung. Wir können auch ein bisschen stolz darauf sein, dass die Automaten in Las Vegas stehen. Ich meine, das ist für mich als Wirtschaftsvertreter natürlich positiv zu sehen. Ich halte nichts davon, diese Dinge dauernd schlechtzureden.

Abschließend: Wir sind mit diesem Gesetz auf dem richtigen Weg – und wir stimmen der Vorlage natürlich zu. Ich hoffe nur, dass damit ein Teil der Illegalität des Glücksspiels hintangehalten wird, so wie es zum Beispiel in den Casinos gelingt, noch dazu, wo jetzt eine neue Pokerlizenz vergeben wird. Wenn man sich das nämlich anschaut, dann sieht man, dass Poker im Internet momentan eine gewaltige „Sportart“ – zwischen Anfüh­rungszeichen – ist, die Zuschauerzahlen hat, wo man nur den Kopf schütteln kann. Aber es ist offenbar auch ein Trend, und ich denke, auch diesbezüglich haben wir vorge­sorgt.

Was aus meiner Sicht noch zu diskutieren wäre, sobald es umsetzbar ist, wäre eine gesamtösterreichische Spielerkarte, die jeder Spieler haben müsste, um nicht nur einen Zugang zu erhalten, sondern auch die Automaten in Gang setzen zu können. Das ist, so glaube ich, noch Zukunftsmusik. Ja, es ist angedacht. (Bundesrätin Mühlwerth: Ein Antrag ist angenommen worden!) – Ich weiß nicht, ob der Antrag schon angenommen wurde. Aber ich glaube, das werden wir irgendwann einmal in Angriff nehmen müssen. Zu klären, wie man das technisch löst, bin ich nicht kompetent genug. Ich glaube aber, in diese Richtung könnte es gehen, mit mehr Prävention für die Spielsüchtigen und auch mit Zugangsbeschränkungen. Die Mindestabstände zu den Schulen stehen eben­falls im Gesetz.


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Ich glaube daher, es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Wir stimmen natür­lich zu. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

15.14


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.14.56

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Da meine Kollegin so betont hat, dass sie dem nicht zustimmen wird, werde ich, Herr Kollege Perhab, es auch betonen: Ich werde diesem Gesetz zustimmen. Das zeigt, dass wir die Demokratie in diesem Haus sehr ernst nehmen, und nicht nur in diesem Haus, sondern auch in unserer eigenen Frak­tion, dass wir unterschiedlichen Meinungen und Auffassungen auch den Raum bieten.

Nichtsdestotrotz erlauben Sie mir als Bundesrat von Oberösterreich, auch ein bisschen einen Oberösterreich-Schwerpunkt in die Diskussion mit hineinzunehmen. Wir haben in Oberösterreich ... (Bundesrätin Mühlwerth: ... umentschieden?) – Nein, das ist umge­ändert worden. Du hast noch den Ausdruck vom Vormittag. Das ist jetzt mittlerweile elek­tronisch geändert worden. Da sieht man, wie schnell sich das ändert und wie kurzlebig das Papier ist.

Nichtsdestotrotz: Wir haben in Oberösterreich seit 18 Jahren ein Glücksspielverbot, und trotzdem wissen wir – so wie in der Steiermark, Kollege Franz Perhab, ihr habt in etwa 8 000 illegale Automaten –, wir haben in etwa 3 500 illegale Spielautomaten, an denen sehr viele Menschen sehr viel Geld verlieren. Wenn man sich diese Zahl 3 500 vor Au­gen hält, dann kann man sich in etwa vorstellen, um welche Summen es sich unter dem Strich handelt und was da alles verspekuliert und verzockt wird.

Es geht um gewaltige Summen. Es geht um sehr viel Geld, das unversteuert irgendwo versickert und eben auch, wie schon angesprochen, menschliche Tragödien hinterlässt. Man kann auch sagen, dass in Österreich zwar offiziell ein Glücksspielmonopol existiert, das der staatlichen Aufsicht und Kontrolle untersteht, durch die vielen illegalen Auto­maten kommt es jedoch zu einer Aufweichung dieses Monopols. Es stellt sich für mich schon die Frage, inwiefern der Staat seinen Kontrollaufgaben nachkommen kann und diese Pflichten auch dementsprechend wahrnehmen kann.

Das Glücksspiel unterliegt ja der Kompetenz des Bundes. Der Bund könnte ja ein all­gemeines Glücksspielverbot verhängen. Das sind die Tatsachen, mit denen ich mich in dieser Materie konfrontiert sehe.

Die Frage, die sich, so glaube ich, nicht nur mir alleine stellt, sondern auch uns allen, vom Nationalrat bis in den Bundesrat hinein, ist: Sollen wir das Glücksspiel legalisieren oder nicht? Da greife ich auch die Argumentation meines Vorredners Franz Perhab auf. Für mich hat die Legalisierung natürlich auch eindeutige Vorteile. Denn mit der Legali­sierung erzielt die Öffentlichkeit Einnahmen, die sonst in der Schattenwirtschaft ver­schwinden würden. Diese öffentliche Partizipation schafft eben Mittel, die wir zielgrup­penorientiert zur Suchtbekämpfung einsetzen können. Das ist für mich schon ein wich­tiger Aspekt.

Natürlich wäre es auch mir und, so glaube ich, uns allen lieber, wenn weniger Men­schen zwanghaft spielen oder spielsüchtig würden. Aber das heißt umso mehr, dass wir Mittel benötigen, um in der Prävention diese Mittel flüssigmachen zu können, um die Menschen von der Gefahr abzuhalten beziehungsweise sie gar nicht diese Rich­tung einschlagen zu lassen, indem wir genügend Aufklärungsarbeit in diesem Bereich leisten.


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Mit der Legalisierung können wir auch im Sinne des Jugendschutzes viel besser agie­ren. Die Kontrolle der jetzt illegalen Automaten ermöglicht eine bessere Überwachung der Betreiber und Betreiberinnen, aber auch der Spieler und Spielerinnen.

Ein Totalverbot könnte eben zur Folge haben – was Kollege Perhab für die Steiermark angeführt hat –, dass die Menschen dann ins nahe liegende Ausland reisen. Es ist ja heutzutage kein großes Problem, dass man schnell über die Grenze fährt. Von Oberös­terreich aus haben wir in Tschechien, in Deutschland, in Slowenien oder auch in Kroa­tien, überall an der Grenze oder in unmittelbarer Grenznähe diese Spielcasinos. Dann fahren die Menschen halt dorthin, und der österreichische Staat hätte dann überhaupt nichts davon.

Wir könnten auch mit einer Legalisierung sozusagen die Szene sehr gut im Überblick behalten.

Grundsätzlich denke ich, dass das Spielen genauso wie das Konsumieren von illegalen Drogen ein gesellschaftliches Phänomen ist, das wir mit Verboten alleine – und das möchte ich wirklich betonen – sicherlich nicht in den Griff bekommen werden. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass die Exekutive die Vollziehung eines Verbotes auch wirklich gewährleisten kann.

Wir haben in Oberösterreich in etwa 500 Wettlokale, in denen sich laut dem Sicher­heitsdirektor Parallelwelten aufgebaut haben. Die hohen Summen, die bei den Durch­suchungen gefunden worden sind, deuten darauf hin, dass neben dem illegalen Glücks­spiel auch andere illegale Machenschaften getätigt werden. Die derzeitige rechtliche Situation erlaubt es dem Bundesland nicht, über ernsthafte Strafmöglichkeiten nachzu­denken. Und unter „ernsthaft“ verstehe ich nicht nur sozusagen ein Reuegeld von ein paar hundert Euro, die ja im Endeffekt – und das wissen wir alle – für diese Betreiber ein Körberlgeld sind. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Im Großen und Ganzen ziehe ich eine Reglementierung des Glücksspiels einem Ver­bot vor, weil wir eben dadurch einfach mehr Kontrolle über die Spielszene bekommen und auch die Jugend effizienter schützen können.

Was ich mir aber schon gewünscht hätte – und ich glaube, das geht auch etwas in die Richtung der Kritik, die Kollege Pilz geäußert hat –: Man kann in Österreich mit der vor­liegenden Materie innerhalb kürzester Zeit bis zu 72 000 € verspielen! – Bitte, lassen Sie sich diese Summe einmal auf der Zunge zergehen! Wie lange muss man arbeiten, damit man dieses Geld verdient? Und da gehen Existenzen drauf!

Und der Kritikpunkt ist: Wir hätten es doch, wenn wir nicht vor der Lobby in die Knie gegangen wären, schaffen können, wie im norwegischen Modell ein Limit einzuführen, zum Beispiel ein wöchentliches Limit von 250 €. Dann hätten die Menschen dennoch spielen können, und wir hätten einen Schutz gehabt, dass sie sich nicht Hals über Kopf übermäßig verschulden und ganze Existenzen mit in den Abgrund gerissen werden. – Ich glaube, das war die Kritik, die mein Kollege und auch meine Kollegin gemeint ha­ben.

Aber nichtsdestotrotz: Ich halte diese Novellierung, wie schon erwähnt, für eine Verbes­serung, und ich werde diesem Gesetz in dieser Form meine Zustimmung erteilen. – Dan­ke. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

15.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Ing. Bock. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.22.11

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Herr Staatssekretär! Herr Vizepräsident! Geschätzte Damen und Herren im Hause! Wenn es stimmt, was in den österreichischen


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 114

Medien in der letzten Woche veröffentlicht wurde, dann gibt jeder österreichische Haus­halt im Jahr 1 020 € für das Glücksspiel aus. Im Jahr 2001 waren es noch 460 €. Somit haben sich die Ausgaben für diesen Bereich um das 2,2-Fache erhöht. Im Vergleich dazu die Ausgaben für die Bildung: 440 € pro Haushalt, und für den Urlaub: 1 090 € pro Haushalt. – Diese Entwicklung ist natürlich nicht wünschenswert, und ich verstehe Kollegin Kerschbaum, wenn sie da auch Bedenken hat.

Neue Medien wie das Internet und moderne Elektronik beschleunigen diese Entwick­lung noch weiter. Der Zugang zum Spielen wurde durch die Globalisierung in den letz­ten Jahren noch viel einfacher. Gerade junge Menschen werden zum Spielen verleitet. Nach verschiedenen Schätzungen sind in Österreich zwischen 34 000 und 120 000 Per­sonen spielsüchtig.

Mit technischen Tricks wurden in den vergangenen Jahren die vorhandenen Schutzbe­stimmungen umgangen. Beim Vollzug gab es immer wieder Probleme mit den Strafbe­stimmungen, die nicht mehr zeitgemäß waren.

Durch die Novellierung dieses Gesetzes wird das sogenannte kleine Glücksspiel – hier liegt bekanntlich die Kompetenz bei den Ländern, wie Kollege Dönmez schon erwähnt hat – nicht behandelt. Es wird in der Verantwortung der Länder liegen, auch in diesem Bereich vorhandene Probleme durch eine Novellierung der Landesgesetze entsprechend in den Griff zu bekommen. Dies gilt vor allem für Wettbüros und für Wettlokale. Spiel­automaten mit einem Einsatz von maximal 1 € unterliegen ja nicht dem Glücksspielmo­nopol.

Kartenspiele dürfen nur in Turnierform mit einem maximalen Einsatz von insgesamt 10 € pro Spieler ausgeführt werden, und diese müssen ab dem 1. Jänner 2011 dem Finanz­minister gemeldet werden.

Die Regierungskoalition hat es sich zur Aufgabe gemacht, bis zum Jahre 2013 auch das Online-Glücksspiel in eine gesetzliche Regelung zu bringen, und das ist sicher dringend notwendig.

Nun zur heute vorliegenden Novellierung des Glücksspielgesetzes. Den einen werden die vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen, und den anderen werden diese wohl zu weit gehen. Es ist jedoch vorgesehen, dann bis 2014 diese Evaluierung durchzufüh­ren, damit die Erfahrungen aus diesen Jahren zu einer eventuell notwendigen Novelle führen können.

Das Spielen, geschätzte Damen und Herren, und die Spielsucht sind so alt wie die Menschheit selbst. Daher wird ein Spielverbot genauso erfolglos bleiben, wie wenn man die Prostitution verbieten würde.

In der neuen Novelle werden wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Ziele vereint. Einen besonderen Schwerpunkt bilden der Jugendschutz, der Spielerschutz, die Verhin­derung von Umgehungstricks und die Festlegung von österreichweiten Mindeststan­dards. Neu ist auch die Zertifizierung von Teilen und von der Software der Spielauto­maten. Der zwingende Anschluss der Automaten an das Rechenzentrum des Bundes – das haben wir bereits gehört – ermöglicht eine flächendeckende Kontrolle. Dadurch ist mehr Fairness zwischen den Anbietern und mehr Sicherheit für die Benutzer gegeben. Besteuerungslücken werden mit dieser Maßnahme ebenso geschlossen.

Was mir wichtig ist: Mit der Ausbildungsverordnung wird großer Wert auf das Mitarbei­terschulungskonzept gelegt. Der Jugendschutz und die Prävention stehen dabei an vor­derster Stelle der Ausbildungsziele. Neu sind auch die finanzielle Dotierung des Beira­tes und die Aufgabenfestlegung für diesen wichtigen Beirat.

Die Ausweispflicht beim großen Glücksspiel in den Casinos hat sich sehr gut bewährt. Dies ist auch beim Glücksspielen vorgesehen. Der Zutritt zu den Automatensalons ist


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nur mehr für Volljährige erlaubt. Die durch dieses Gesetz ermöglichte Spielersperre ist ein sicherlich geeignetes Instrument gegen die Spielsucht. Als Zusatzmaßnahme ge­gen hohe Spielverluste werden die Automatiktaste und das Parallelspielen an mehre­ren Automaten gleichzeitig untersagt.

Bei Vergehen gegen das neue Glücksspielgesetz sind zwei getrennte Verfahren vorge­sehen: zum einen das normale Strafverfahren und zum anderen ein bescheidmäßiges Einziehungsverfahren mit der Beschlagnahme und anschließenden Vernichtung der Spielautomaten. Als erste Instanz dient die Bezirksverwaltungsbehörde, zweite Instanz ist der UVS. Die Höchststrafe ist gleich geblieben mit 22 000 € und diversen „Speziali­täten“.

Zur Höhe der Glücksspielabgabe möchte ich nicht viel sagen. Diese wird vom Spielge­winn berechnet und beträgt zwischen 16 und 40 Prozent. Es gibt Ausnahmen, vor allem für gemeinnützige, wohltätige und kirchliche Zwecke. Da ist die Glücksspielabga­be mit 5 Prozent festgelegt, und für Preisausschreiben ohne Einsatz – also ohne dass man einen Beitrag dazu leisten muss – mit 5 Prozent. Klargestellt wird mit diesem Ge­setz auch, dass es sich bei der Glücksspielabgabe um eine reine Bundesabgabe han­delt.

Die Sportförderung wurde bereits erwähnt: Sie wird mit 80 Millionen € mindestdotiert, und ab dem Jahr 2013 erhöhen sich die Beiträge zum Sporttopf im gleichen Ausmaß, wie sich die Zunahme an den glücksspielrechtlichen Bundesabgaben entwickelt.

Unsere Fraktion wird dieser Novelle – die nicht alles regelt, jedoch sehr viele Verbesse­rungen bringt – sehr gerne die Zustimmung erteilen. Eine gewisse Eigenverantwortung müssen die mündigen Menschen aber auch selbst übernehmen. Der Staat kann und soll nicht alles regeln. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dönmez.)

15.29


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühl­werth. – Bitte, Frau Kollegin.

 


15.29.59

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Über eines, habe ich festgestellt, sind wir uns im Klaren: Wir werden die Menschen nicht davon abhalten, ihr Glück im Spiel zu versuchen, ob es jetzt der Lottoschein oder das kleine Glücksspiel ist. Wir können das nicht.

Es mit einem Verbot zu belegen halte ich ebenfalls für völlig sinnlos. Das ist ungefähr so wie mit dem Prohibitionsgesetz in den USA in den dreißiger Jahren: Nie ist der Alko­hol in solchen Strömen geflossen wie zur Zeit der Prohibition.

Daher ist es natürlich wichtig, dass hier auch entsprechende Regelungen getroffen wer­den. Und dabei – und da gebe ich meinen Kollegen und Kolleginnen von den Grünen durchaus recht – sollten wir die Gefahren der Spielsucht oder der potenziellen Spiel­sucht nicht unterschätzen. Das ist tatsächlich ein Problem. Die „Presse“ hat darüber ges­tern sehr ausführlich berichtet, weil interessanterweise Herr Felderer beziehungsweise das IHS so quasi eigeninitiativ geworden ist und ohne Auftrag eine Studie gemacht hat, wo die Zahlen schon erschreckend sind.

Jeder sechste Spielsüchtige wird wegen Schulden kriminell. Also die Auszahlung des Entgelts in kleinen Dosen, die du, Kollege Franz Perhab, erwähnt hast, ist durchaus löb­lich, aber die Gefahr, dass man sich das Geld dann vielleicht anderswo besorgt, ist nicht auszuschließen – ohne dass ich deinem Mitarbeiter irgendetwas unterstellen möchte. Nach Schätzungen sind es 1,5 Prozent der Österreicher, die tatsächlich spielsüchtig sind, und man schätzt, dass zirka 3 bis 4 Prozent als extrem gefährdet gelten. Im Schnitt ha­


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ben die Spielsüchtigen 41 600 € Schulden. Der Abstieg in die Kriminalität ist bei jedem sechsten durchaus gegeben, um diese Spielsucht zu finanzieren.

Allerdings muss ich, anschließend an Kollegen Bock, schon auch sagen: Ich gebe dir da völlig recht, die Eigenverantwortlichkeit der Menschen muss schon gewahrt bleiben. Die Maxime: Der Staat regelt für dich alles, macht für dich alles, du bist für nichts ver­antwortlich, und am Ende sind immer die anderen schuld!, lehne ich wirklich ab. Trotz­dem glaube ich, dass das Gesetz durchaus auch ein gutes ist, nämlich in der Richtung, dass man die Spieler zumindest zu einem Teil auch vor sich selbst schützen kann – und wahrscheinlich auch muss. Aber bei den Jugendlichen muss ich trotzdem auch einmal mehr von diesem Rednerpult aus einfordern, dass der Erziehungsauftrag der Eltern da­mit natürlich nicht weg ist. Leider kommen nicht alle Eltern diesem nach – und es sind nicht nur die, die aus sozial schwachen Schichten kommen, sondern durchaus auch andere, die ihren Erziehungsauftrag einfach nicht mehr ernst nehmen. Ich erwarte von Eltern schon, dass sie sich schlaumachen, wo sich ihre Kinder herumtreiben und was sie so tun. Wir kennen viele nicht nur Jugendliche, sondern auch Kinder, die – wie auch immer – in solche Spielhallen hineinkommen und dort Nachmittage verbringen.

Auch wir haben uns die Zustimmung zu diesem Gesetz nicht leicht gemacht. Ich habe das nicht vergessen, dass wir gemeinsam eine Dringliche Anfrage zum Thema „kleines Glücksspiel“ gemacht haben, wo wir das durchaus auch kritisch beleuchtet haben. Trotz­dem glauben wir – und ich habe festgestellt, das ist in der Fraktion der Grünen auch durchaus ähnlich –, dass hier Schritte in die richtige Richtung gesetzt worden sind.

Ich finde zum Beispiel etwas, was noch nicht erwähnt worden ist, positiv: dass die Be­hörden von sich aus tätig werden können, dass sie auch ein Sicherheitsorgan beizie­hen können. Wir haben uns auch damals bei der Dringlichen darüber unterhalten, wie ohnmächtig die Behörden oft dem illegalen Aufstellen von Automaten und dem vielfa­chen Überschreiten einer Gewinngrenze zugesehen haben. Das finde ich also schon einmal sehr gut. Auch die Reduzierung der Anzahl der Automaten ist absolut begrüßens­wert.

Noch ein kleiner Einwand: Meiner Meinung nach hat es viel zu lange gedauert, bis die­ses Gesetz gekommen ist.

Die Spielerkarte, Kollege Perhab, das geht zurück auf einen Entschließungsantrag, der im Nationalrat angenommen worden ist. – Kleine bescheidene Bemerkung meinerseits: Das ist ein FPÖ-Antrag, den wir schon im Wiener Landtag einmal eingebracht haben. Aber ich freue mich, dass das jetzt funktioniert hat.

Die Zutrittskarte beim Betreten von Casinos, die eine erste Hemmschwelle darstellt, ist positiv. Die Tatsache, dass Jugendliche einen Lichtbildausweis vorzeigen müssen, wird hoffentlich dazu führen, dass sie die Spielhallen nicht mehr bevölkern werden.

Aber, was heute auch schon angeklungen ist: Ein Gesetz ist natürlich immer nur so gut, wie seine Umsetzung gut ist. Und da sind schon die Länder – und vor allem die Länder, die das kleine Glücksspielgesetz sehr gerne eingeführt haben, wie Wien, Nie­derösterreich, die Steiermark und Kärnten – aufgefordert, dieses Gesetz auch entspre­chend umzusetzen. Das Körberlgeld, das sie damit machen – das sind immerhin 90 Mil­lionen € pro Jahr, für alle vier Länder gemeinsam –, ist ja nicht zu verachten. Umso wichtiger ist es, hier auch entsprechend streng vorzugehen, denn der volkswirtschaftli­che Schaden beläuft sich laut Studien allein für die Steiermark auf rund 43,5 Millio­nen € pro Jahr. Das ist etwas, was uns nicht kaltlassen kann, worum man sich küm­mern muss.

Auch wenn es schön ist, dass die Sportförderung erhöht wird – und, ja, im Sinne der Prävention vor Süchten aller Art ist es äußerst positiv zu bewerten, dass die Sportför­


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derung eine Aufstockung ihrer Mittel bekommen hat –, so ändert das aber nichts daran, dass wir, wie auch schon angesprochen worden ist, einen extremen Nachholbedarf bei der Regelung des Internet-Glücksspiels haben. Es gibt ganz sicher Experten, die uns sagen könnten, wie hier ein Riegel vorzuschieben wäre. Ich darf den Bundeskanzler zi­tieren, der heute in der Fragestunde im Zusammenhang mit den Finanzen gesagt hat: Wenn wir bei allem warten, bis es international passiert, dann passiert es nie! – Das sehe ich hier auch so. Es ist wahrscheinlich schwierig, es im Alleingang zu machen, aber man darf sich da nicht entmutigen lassen. Man muss schauen, wie man es auch allein umsetzen kann, denn die Gefahr, dass es sonst gar nicht passiert, ist zu groß.

Insgesamt aber sehen wir dieses Gesetz durchaus als einen guten Schritt in die richtige Richtung und werden daher zustimmen. (Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mag. Klug: Bravo!)

15.36


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht ... – Ach so, doch! Zu Wort gemeldet ist noch Herr Staatssekretär Dr. Lopatka. (Heiterkeit.) – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


15.36.10

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold Lopatka: Danke, dass nicht vergessen worden ist, dass ich mich schon zu Wort gemeldet habe.

Es ist schon vieles gesagt worden. Das, was – wie hundertprozentig richtig festgestellt worden ist – sicherlich das Negative ist, ist der Umstand, dass wir so lange gebraucht haben, um zu diesem Gesetz zu kommen. Denn: Die jetzige Rechtsgrundlage ist aus den siebziger Jahren, konkret aus dem Jahr 1977. Wir haben ja jetzt vor allem das klei­ne Glücksspiel angesprochen, und damals war das noch der „einarmige Bandit“, heute aber sind das hoch technische Geräte – und die Gesetzgebung ist da im Jahr 1977 ste­hen geblieben. Das Einzige, was wir im Gesetz geändert haben, ist die Währung, da­mals war es der Schilling, und jetzt ist es der Euro, aber im Prinzip ist sonst nichts pas­siert.

Ich versuche ganz kurz zusammenzufassen, was die großen Fortschritte zunächst ein­mal für diesen Bereich sind. Man muss auch dazu sagen, dass das Gesetz zwei Teile hat und der andere Teil nicht unwichtig ist. Er betrifft den Bereich, der nicht angespro­chen worden ist, weil man da allem Anschein nach mit den Standards zufrieden ist: Das ist das, was in den Casinos passiert – das war hier überhaupt kein Thema, ist aber für uns schon von großer Bedeutung – und auch was bei den Lotterien passiert. Von Bedeutung ist das zumindest für das Finanzministerium, um es direkt zu sagen. Wir haben aus diesem Bereich, der international gesehen durchaus hohe Spielerschutz-Standards hat, Einnahmen zwischen 450 und 480 Millionen € pro Jahr. Das soll man nicht verschweigen.

Aber jetzt zum kleinen Glücksspiel. Wir haben zugesehen, wie sich über Jahrzehnte in diesem Bereich ein Wildwuchs an illegalen Automaten entwickelt hat, und unsere Leu­te waren machtlos: Auch wenn solche Automaten beschlagnahmt worden sind, nach kurzer Zeit mussten wir diese wieder zurückstellen. Es hat hier auch Rechtsunsicher­heiten gegeben zwischen dem, was Bezirksverwaltungsbehörden gemacht haben, und dem, was auf gerichtlicher Ebene passiert ist. Das hat jetzt mit diesem Gesetz ein En­de gefunden. Wir haben hier klare Regelungen. Und ich hatte bereits vor einigen Ta­gen, am 21. Juni, 80 KIAB-Mitarbeiter, die erfahren sind in der Betrugsbekämpfung, bei­sammen, weil wir, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, dann gegen diese illegalen Auto­maten auch entsprechend vorgehen werden.

Es gibt tatsächlich in Österreich rund 10 000 illegale Automaten. Zum Beispiel in einem Bundesland wie Oberösterreich gibt es, so wissen wir, zumindest 3 000 – manche sa­


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gen, 4 000 – illegale Automaten, in Wirklichkeit vielleicht noch mehr. Ein untragbarer Zustand! Und wir werden dagegen sehr konsequent vorgehen. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Auch bei den legalen Automaten – Kollege Perhab hat sich dazu zu Wort gemeldet – wird es eine massive Reduktion geben. Von 4 000 auf etwas über 1 000 Automaten herunterzugehen, das wird nicht einfach sein. Daher gibt es hier auch Übergangsfristen. Das kann man kritisieren, auf der anderen Seite bedeutet das tatsäch­lich für eine Reihe von Unternehmen, dass sie sich ein neues Betätigungsfeld suchen müssen, denn in jenem, in dem sie bisher waren – selbst wenn sie legal unterwegs wa­ren, und in der Steiermark war das der Fall –, wird ihr Markt von 4 000 auf 1 000 Auto­maten reduziert. Also da braucht man Übergangsfristen.

Wo sind die großen Fortschritte? – In Zukunft ist nur mehr jener Automat legal, der am Bundesrechenzentrum angebunden ist. Durch diese Anbindung wissen wir von jedem einzelnen Automaten, was auf diesem Automaten rund um die Uhr passiert. Im Zuge der parlamentarischen Verhandlungen haben wir das noch verschärft, was auch die Ein­sichtnahme in den Automaten betrifft, wodurch wir dann sehr genau Bescheid wissen, was dort tatsächlich passiert.

Dann wurde von Ihnen auch die Höhe der Einsatzmöglichkeiten angesprochen. – Da sage ich Ihnen eines: Wir sind hier im Bundesrat! Wenn die Länder darauf bestehen, dass sie hier die Gesetzgebungskompetenz haben, dann sollen sie auch ihre Verant­wortung wahrnehmen! Das, was wir festgelegt haben, sind Obergrenzen. Ich kann es so machen wie die Vorarlberger – die sagen: Ich will diese Einnahmen nicht und daher bleibe ich Verbotsland! –, oder ich kann das zur Gänze ausnützen. Oberösterreich star­tet erst: Jeder Euro, der hier an Einnahmen kommt, ist ein zusätzlicher Euro für das oberösterreichische Landesbudget.

Also noch einmal: Haben wir eine Landesgesetzgebung, dann haben wir auch eine lan­despolitische Verantwortung. Ich kann nicht immer dem Bundesgesetzgeber sagen: Regle alles für mich, aber ich will die Gesetzgebungskompetenz! – Wozu will ich dann noch eine Landesgesetzgebungskompetenz? Die Verantwortung liegt hier bei den Ländern, denn sie haben auch die Einnahmen. Das ist die politische Verantwortung, die ich mir auch in anderen Bereichen wünschen würde, wenn es um Einnahmen geht, und nicht nur alle sechs Jahre beim Finanzausgleich, aber das ist ein anderes Thema. (Zwischen­ruf des Bundesrates Dönmez.) – Daher sage ich: Das, was wir hier gemacht haben, ist eindeutig eine Verbesserung.

Sie haben die Jugendlichen und die Kinder angesprochen. Ein ganz klares Wort dazu: Unser, das Ziel des Gesetzgebers ist, dass auch dieses kleine Automatenspiel, dieses kleine Glücksspiel ausschließlich in Spielsalons stattfindet. Ein Jugendlicher, ein Kind kommt dort nicht hinein, denn man braucht einen Lichtbildausweis, und der, der unter 18 ist, wird dort – hoffentlich – keinen Zugang finden. Wenn es der Fall ist, dass ein Automatenaufsteller diesbezüglich nicht sorgsam vorgeht, dann gibt es zuerst eine Ver­warnung, dann eine Geldstrafe, dann den Konzessionsentzug. – Also so einfach ist es dann nicht für die Aufsteller! Wenn er da nicht sorgsam vorgeht, riskiert er, dass er sei­ne Konzession verliert.

Der nächste Punkt, der auch zu thematisieren ist, betrifft das, was Sie angesprochen haben, nämlich was man verlieren kann. An und für sich dürfte das, wenn das Gesetz wirkt, nirgends passieren. Warum? – Alle, die in diesem Bereich tätig sind, haben in Zukunft die Verpflichtung, Spieler, die regelmäßig beziehungsweise oft kommen und die um hohe Einsätze spielen, zu verwarnen. Diejenigen, die jetzt in diesem Bereich ar­beiten, müssen entsprechend ausgebildet sein. Erfolgt diese Verwarnung nicht – und wir in Österreich haben jetzt europaweit die am weitesten gehende Regelung –, dann haf­tet der Konzessionär bis zu 3 Jahre zurück, wenn Schaden aufseiten des Spielers ent­


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standen ist. Wenn diese Verpflichtung nicht wahrgenommen worden ist, nämlich einen Spieler zu warnen, dann tritt der Haftungsfall ein.

Also es ist hier schon ein zusätzlicher Schutz gegeben! Bisher war das nur auf ein hal­bes Jahr zurück begrenzt. Das gibt es sonst nirgends in Europa in dieser Größenord­nung. Also auch das ... (Bundesrat Dönmez: Aber diese Logik setzt voraus, dass ein Schadensfall eintreten muss, um dann jemanden zu verklagen! Der norwegische Ansatz ...!) – Ich fordere Sie auf – die Grünen sind ja nicht unbedeutend in Oberösterreich –: Machen Sie das norwegische Modell in Oberösterreich! Warum nicht? (Beifall bei der ÖVP.)

Noch einmal: Überzeugen Sie den Landeshauptmann, dann werden die Oberösterrei­cher Norweger, und dann haben wir das!

Damit meine Ausführungen nicht zu lange werden: Mit diesem Gesetz gibt es jetzt eine Reihe von Fortschritten. Trotzdem: Wie in anderen Bereichen kann etwas, was reines Vergnügen sein kann, auch zur Sucht werden. Natürlich ist diese Gefahr im Glücks­spiel gegeben. Daher wird bei uns im Ministerium in Zusammenarbeit mit dem Gesund­heitsministerium und dem Konsumentenschutz ein Beirat eingerichtet, bei dem Spiel­suchtbekämpfung, aber natürlich auch -prävention auf der Tagesordnung stehen. Hier gibt es auch ein eigenes Budget, um diesbezüglich präventiv tätig sein zu können.

Daneben gibt es die SOKO Glücksspiel, diese Sonderkommission, die sich zuerst ein­mal vor allem darum kümmern wird, die illegalen Automaten raschest aus der Welt zu schaffen. Der zweite Punkt ist: Wir werden natürlich auch, ohne dass unsere Mitarbei­ter zu erkennen sind, unterwegs sein, um zu überprüfen, ob unter 18-Jährige in die Spielsalons hineinkommen oder nicht, ob diese von uns beauftragte Verwarnung bei Spielern erfolgt oder nicht, und, und, und. – Also es ist hier mit diesem Gesetz wirklich etwas gelungen. Es hat eindeutig einen Fortschritt gegeben!

Trotzdem ist das Gesetz – das möchte ich auch sagen; ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben – zweigeteilt. Wir werden uns hoffentlich auch in der nächsten Bundesratssitzung mit dem Glücksspiel beschäftigen, nämlich mit dem zweiten Teil, weil wir erst am 15. Juli wissen, ob von europäischer Seite grünes Licht für den zweiten Teil des Glücksspiels kommt. Wichtig ist einmal, dass der erste Teil jetzt in Kraft tritt, denn dann kann diese SOKO Glücksspiel sofort ihre Arbeit aufnehmen, was ich für ganz wesentlich halte.

Vielleicht noch ein Punkt zum zweiten Teil: Die letzte Vergabe des großen Glücksspiels ist nach wie vor auf europäischer Ebene gerichtsanhängig – das ist die Sache Engel­mann. Wir bekommen hier im Sommer hoffentlich auch ein diesbezügliches Urteil, in dessen Licht wir die nächste Konzessionsvergabe – die Zahl der Konzessionen haben wir von 12 auf 15 erweitert – dann schon durchführen können. Bei der im neuen Glücks­spielgesetz vorgesehenen Interessentensuche im Vorfeld der Konzessionsvergabe sollte das europarechtlich „wasserdicht“ sein, denn in diesem Bereich geht es um sehr, sehr viel Geld.

Es gibt hier europaweit Anbieter, die gefüllte Kriegskassen haben, uns ist aber die Ver­lässlichkeit ganz, ganz wichtig, der Spielerschutz ganz, ganz wichtig, und die Casinos Aus­tria AG war solch ein verlässlicher Partner in den letzten Jahrzehnten. Nur sie befindet sich in einem europaweiten Wettbewerb; wir wissen nicht, wer diese Konzessionen be­kommt. Aber wichtig ist für uns, hier eine klare Rechtsgrundlage zu haben, wenn es um das kleine Glücksspiel geht, wo letztendlich dann die landesgesetzliche Verantwortung zum Tragen kommt; beim großen Glücksspiel ist es unsere Verantwortung – jene des Bundesgesetzgebers –, dann auch entsprechend zu Partnern zu kommen.

Schlusssatz von meiner Seite: Ich glaube, es ist richtig, das Glücksspiel gesetzlich best­möglich zu regeln und nicht zu verbieten. Diesbezüglich gab es hier einen breiten Kon­


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sens. Wir haben in Österreich eben diese Zweiteilung: hier die Verantwortung des Bun­desgesetzgebers, da die Verantwortung des Landesgesetzgebers. Für den Landesge­setzgeber haben wir nur einen Rahmen geschaffen: Wie dann die neun Bundeslän­der das kleine Glücksspiel innerhalb dieses Rahmens ausgestalten, das ist wirklich zu 100 Prozent Aufgabe der Landesgesetzgeber. Ich bin mir sicher, dass die einzelnen Bundesländer nach bestem Wissen und Gewissen vorgehen werden!

In diesem Sinne freue ich mich, dass das Gesetz hier eine so breite Zustimmung fin­det – eine breitere, als ich es mir erwartet habe. Danke für Ihre Mitwirkung an diesem Gesetz. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ sowie der Bundesräte Pod­gorschek und Zangerl.)

15.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche all jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, ge­gen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

15.49.1110. Punkt

EU-Jahresvorschau 2010 des Bundesministeriums für Finanzen (III-399-BR/2010 d.B. sowie 8334/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mosbacher. Bitte um den Bericht.

 


15.49.22

Berichterstatterin Maria Mosbacher: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätz­te Damen und Herren! Der Bericht des Finanzausschusses über die EU-Jahresvor­schau 2010 des Bundesministeriums für Finanzen liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher direkt zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 2010 den Antrag, die EU-Jahresvorschau 2010 des Bundesministeriums für Finanzen zur Kenntnis zu neh­men.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Podgorschek. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.50.02

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! In der EU-Jahresvorschau 2010 steht unter anderem, dass eine wirt­schafts- und budgetpolitische Governance anzustreben ist. Das ist im Grunde genom­men eine sehr schöne Umschreibung für eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Ich würde sagen, das würde eine Art Gleichschaltungsinstitution bedeuten. Das heißt für uns, dass es dann letzten Endes dazu kommen kann, dass Steuern oder Sozialausga­ben direkt von der EU eingehoben würden.

Für uns ist der Kern des Problems, wie schon bei der EZB, der Umstand, dass solch un­terschiedliche Wirtschaftsräume wie einerseits etwa das industrialisierte Oberösterreich, aus dem ich komme, oder Bayern oder das Dienstleistungszentrum Wien andererseits


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 121

mit Griechenland, Sizilien oder sonstigen von Zuschüssen abhängigen Regionen un­terschiedlicher Art, die unterschiedliche Wirtschaftsmaßnahmen brauchen, über einen Kamm geschoren werden.

Ich glaube, das Gebot der Stunde ist gerade jetzt, nach den letzten Monaten der Wirt­schaftskrise, wieder eher eine Regionalisierung. Subsidiarität und Rückverlagerung der Kompetenzen in die Einzelstaaten sind nötiger denn je und eine Zusammenballung von immer mehr Macht in abgehoben weltfremden zentralen Planungsorganisationen schei­nen uns eher ein Rückschritt zu sein. Selbst einem zentralistisch geführten Staat wie der Sowjetunion, die auch unterschiedliche Regionen wie die industrialisierte Ukraine oder rückschrittlichere Regionen wie Sibirien gehabt hat, ist es nicht gelungen, diese unter einen Hut zu bringen, und Flächenstaaten wie zum Beispiel die USA und selbst China sind ausgesprochen föderal aufgebaut und organisiert. Und auch in der Geschich­te hat es ja schon Riesenreiche wie das Römische Reich gegeben, das ausgesprochen föderalistisch organisiert war.

Ein Blick in diese Jahresvorschau zeigt, dass das Krisenmanagement aus unserer Sicht in die falsche Richtung geht, denn Griechenland ist nicht die Ursache, sondern ein Symptom dieser Wirtschaftskrise. Wenn ich an die Währungsunion denke, so wurden unter großem Beifall von SPÖ und ÖVP Volkswirtschaften zusammengebunden, deren Unterschiede aus unserer Sicht eine einheitliche Währung komplett überfordern. Die Summe von 750 Milliarden € macht das Versagen der europäischen Währung eigent­lich deutlich.

Die Forderung von Frau Merkel und Herrn Sarkozy, der EU eine zentrale Wirtschaftsre­gierung zu geben, wenn schon die Währungsunion die Mitgliedstaaten überlastet, ist aus unserer Sicht der vollkommen falsche Weg. Die Lehre ist, dass man auf die Frei­heit und Selbstverantwortung der einzelnen Staaten zu bauen hat und nicht auf Zent­ralplanung. Es mag wie so oft in der Makroökonomie Jahre dauern, aber derartige Fehl­entscheidungen werden sich mit mathematischer Präzision rächen.

Für die FPÖ ist eines klar: EU-Steuern sind ein Angriff auf die Souveränität der natio­nalen Parlamente. Der Vorteil des bestehenden Systems der EU-Finanzierung besteht darin, dass die EU keine Schulden machen kann und darf. Das soll aus Sicht der FPÖ auch so bleiben.

Die Einführung einer EU-Steuer könnte als Begründung für ein Unterlaufen des Kredit­aufnahmeverbotes herangezogen werden.

Eine Steuerfinanzierung der EU würde die Abhängigkeit des EU-Haushaltes von den nationalen Staaten aufheben und so die Haushaltsdisziplin der Brüsseler EU-Bürokra­tie entscheidend schwächen.

Eine EU-Steuer führt zu einer finanziellen Mehrbelastung der Steuerzahler in den ein­zelnen Mitgliedstaaten.

Die Einführung eigener EU-Steuern würde die EU-Finanzierung noch intransparenter machen, als sie bereits ist.

Die Finanzierungsanteile der einzelnen Mitgliedstaaten würden verhüllt und eine gerech­tere Verteilung würde verunmöglicht.

Eine Steuerhoheit der EU ist mit dem Charakter der EU als Staatenverbund nicht ver­einbar.

Eine EU-Steuer würde einer europaweiten Harmonisierung der nationalen Steuerpoliti­ken bedürfen und dadurch zu einer weiteren Zentralisierung der EU führen.

Daher treten wir aus diesen Gründen dafür ein, dass die Steuerhoheit in den Händen der nationalen Parlamente bleibt. (Beifall bei der FPÖ.)

15.55



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 122

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 


15.55.28

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Herr Kollege Podgorschek, unter Governance verstehe ich keine Drohung oder keine Bedrohung, sondern Governance ist im Grunde genommen eine Lenkungsform und im politischen Zusammenhang genau jene Lenkungsform, bei der nicht der Staat alleine, sondern dieser mit der Wirtschaft und auch mit dem dritten Sektor – Vereinen und Verbänden – eine Lenkung ausübt. Also in dem Fall ist das kein Staatsgebilde von oben her, sondern eine breite Lenkungsform – und Corporate Governance wäre das Kontrollinstrument dazu. Also jetzt Governance so hinzustellen, als wäre es eine Be­drohung für die EU – ist das wirklich Ihre Ansicht?!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Jahr 2010 ist für die Europäische Union sicherlich der Beginn einer ganz neuen Ära: Die Finanzkrise hat die Gesellschaft, die Bürger und auch die Wirtschaft in ganz Europa enormen Belastungen ausgesetzt. Wei­termachen wie bisher ist also ausgeschlossen. Die Herausforderungen sind größer ge­worden, der Handlungsspielraum jedoch kleiner.

Die Europäische Kommission stellt in ihrem Arbeitsprogramm für das Jahr 2010 unter dem Motto „Jetzt handeln“ vier thematische Schwerpunkte in den Vordergrund: Die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Bewahrung der sozialen Markt­wirtschaft, die Entwicklung einer innerhalb der EU koordinierten außenpolitischen Agen­da, die Modernisierung der Instrumente und Arbeitsweise der EU sowie eine Agenda für Bürgernähe, die die Menschen in den Mittelpunkt der EU stellen soll.

Das Arbeitsprogramm der Europäischen Union ist vor dem Hintergrund der globalen Wirt­schafts- und Finanzkrise auch darauf konzentriert, die Grundlagen für eine künftig nach­haltigere und ausgewogenere wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen. Gleichzeitig soll die Konsolidierung des öffentlichen Haushaltes im Einklang mit den Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes konsequent vorangetrieben werden.

In Bezug auf die Europastrategie 2020 kündigt die Europäische Kommission in ihrem Arbeitsprogramm an, dass sie Maßnahmen zur Erhöhung der internationalen Wettbe­werbsfähigkeit, zur Förderung von Forschung und Innovation, zur Verbesserung der Bil­dungs- und Ausbildungssysteme, zur Modernisierung der Arbeitsmärkte und Erhöhung der Jugendbeschäftigung sowie zur Bekämpfung der Armut ausarbeiten wird.

Außerdem will die Europäische Kommission die Arbeit für ein ressourcenschonenderes Europa weiter vorantreiben und in diesem Zusammenhang Vorschläge zur Erhöhung der Energieeffizienz sowie zur Sicherung der Energieversorgung vorlegen. Einen Schwer­punkt bildet dabei auch die Verbesserung der Energieinfrastruktur und die Entwicklung nachhaltiger Konzepte in der Verkehrspolitik.

Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist das stetige Wirtschaftswachstum in der EU abrupt beendet und der Beschäftigungszuwachs der letzten Jahre wieder weitestgehend zunichte gemacht worden. Gleichzeitig ist durch den damit verbundenen Anstieg der öffentlichen Defizite die Verschuldungsquote, die Sicherung des künftigen Wirtschafts­wachstums noch schwieriger geworden. Das Bundesministerium für Finanzen teilt die Auffassung, wonach zielgerichtete Strategien notwendig sind, um das Wachstumspoten­zial in der EU zu stärken.

Ein weiterer wichtiger Bereich aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen ist die Steuerpolitik, wo einerseits jeder Mitgliedstaat selbst, andererseits aber auch die EU im Wege einer engeren Kooperation zu ausgewogenen Besteuerungsstrukturen beitragen können. Im Bereich der Steuerpolitik soll die bereits in den letzten Jahren verfolgte Stra­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 123

tegie, die auf eine Vereinfachung und Modernisierung des gemeinsamen Mehrwertsteu­ersystems sowie auf eine effiziente Betrugsbekämpfung abzielt, fortgesetzt werden.

Außerdem tritt das Bundesministerium weiterhin für die Einführung einer Finanztrans­aktionssteuer ein. In diesem Zusammenhang ist uns allen das Nicht-Ergebnis des G-20-Gipfels von voriger Woche im Gedächtnis. Die Haltung diverser Nationalstaaten zu die­sem Thema haben wir heute im Rahmen der Fragestunde bereits ausführlich erläutert.

Die Modernisierung der Arbeitsmärkte, die Mobilität der Erwerbstätigen, die lebenslange Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen haben zum Ziel, die Beschäftigungs­quote zu erhöhen und Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt besser aufeinan­der abzustimmen.

Die Initiative „Europäische Plattform zur Bekämpfung der Armut“ wird Empfehlungen be­inhalten, wie gewährleistet werden kann, dass Wachstum und Beschäftigung möglichst vielen Menschen zugutekommt.

Zum umfassenden Thema Frauen haben wir heute unter dem Tagesordnungspunkt 4 schon eingehend diskutiert.

Das erste Arbeitsprogramm der neuen Kommission zeigt ihre Ziele und Bestrebungen für 2010 und darüber hinaus. Es nimmt anstehende Fragen in Angriff und legt zur Be­wältigung der kommenden Herausforderungen die politische Richtung fest.

In der Jahresvorschau finden sich nahezu alle gesellschaftlichen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereiche wieder, in denen Jahresinitiativen oder mehrjährige Pro­gramme zur Umsetzung gelangen sollten.

Insgesamt soll es auch eine Agenda für Bürgernähe sein, der Mensch soll im Mittelpunkt der geplanten Maßnahmen stehen. Ziel ist also die Schaffung eines Europas der Bür­ger, auch wenn wir derzeit von diesem Ziel doch noch ein ordentliches Stück entfernt sind.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu einer positiven Umsetzung der gegenständli­chen Vorschau wird es allerdings erforderlich sein, dass sich die Haltung einzelner Na­tionalstaaten in wichtigen Bereichen und im Sinne dieser Initiativen wesentlich ändert.

In diesem Sinne wird die Jahresvorschau der Europäischen Kommission für das Jahr 2010 von der ÖVP-Fraktion zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundes­räte Dönmez und Zangerl.)

16.03

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ing. Bock. – Bit­te.

 


16.03.20

Bundesrat Ing. Hans-Peter Bock (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema Finanz­vorschau 2010 mit der Strategie „Europa 2020“ möchte ich zuerst meinem Vorredner beipflichten – Herr Wenger hat ja sehr ausführlich berichtet. Damit können wir uns voll­inhaltlich zufriedengeben. Allerdings möchte ich zu Herrn Podgorschek noch ein paar Bemerkungen machen.

Ich denke, Sie hätten vielleicht besser einen Antrag auf Austritt aus der EU stellen sol­len, dann hätte man Klarheit gehabt, dass Sie nicht in der EU sein wollen und dass Sie die Vorteile der EU, denke ich, noch nicht erkannt haben. Sollen wir vielleicht wieder zurück zum Schilling und den Euro vergessen?

Zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Kommission noch vor der Rats­tagung am 17. Juni 2010 Vorschläge zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordina­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 124

tion und Überwachung und zur Einhaltung der Stabilitäts- und Wachstumspakte vorge­legt.

Bei der Ratstagung am 17. Juni 2010 haben sich die Regierungschefs auf erste Leitli­nien in Bezug auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt und auf die haushaltspolitische Überwachung inklusive der Sanktionen geeinigt.

Auf dieser Tagung wurde auch die Umsetzung der Strategie „Europa 2020“ beschlos­sen. Eingangs darf ich feststellen, dass ich mir von diesen Beschlüssen mehr erwarte als von dem vor wenigen Tagen in Kanada abgehaltenen G-20-Gipfel, der außer ho­hen Kosten nicht viel gebracht hat.

Die Regierungschefs der G 20 haben noch immer nicht begriffen, dass es auf Dauer nur Frieden und Wohlstand geben kann, wenn die Schere zwischen Armen und Rei­chen nicht noch weiter aufgeht.

Bisher habe ich geglaubt, dass nur einige wenige Spekulanten auf unserer Erde für die Wirtschafts- und Finanzkrise verantwortlich sind. Anscheinend unterstützen aber auch sehr viele der Regierungschefs der G 20 die Fortsetzung dieser Spekulationstätigkeiten auf Kosten von vielen Bürgerinnen und Bürger.

Es ist kein Allheilmittel, Budgetprobleme nur durch Einsparungen zu lösen und damit eine Konjunkturankurbelung zu gefährden, ohne die Verursacher dieser Krise zur Kas­se zu bitten. Ohne weltweite Bankenabgabe und Transaktionssteuer werden wir sehr schnell wieder eine Krise zu bewältigen haben.

In der Strategie „Europa 2020“ wird sehr viel Raum für Wachstum, Wettbewerbs-, Pro­duktivitäts- und Beschäftigungszuwachs geschaffen. Eine Schlüsselrolle dabei spielen Bildung, Ausbildung, Forschung und Innovation. Die Mitgliedstaaten müssen Fortschrit­te in diesen Bereichen erzielen, um eine nachhaltige Sicherung der Sozial- und Finanz­systeme zu gewährleisten.

Durch die Unterstützung der Realwirtschaft in der Höhe von 4,5 Prozent des BIP euro­paweit und die Senkung der Leitzinsen konnte der Wachstums- und Beschäftigungs­einbruch bei uns deutlich abgeschwächt werden.

Diese Unterstützungen haben in den EU-27 zu einer Neuverschuldung von durchschnitt­lich 7,2 Prozent des BIP geführt. Bis zum Jahre 2013 sollten die Budgetdefizite wieder auf 3 Prozent sinken.

Der Schuldenstand der EU-27 wird heuer auf 75 Prozent und im nächsten Jahr auf mehr als 83 Prozent des BIP ansteigen. Gegen 20 Staaten, darunter auch Österreich, sind Verfahren wegen eines übermäßigen Defizites anhängig.

Die Herausforderung bei der Budgetkonsolidierung in Österreich wird darin bestehen, dass sowohl einnahmenseitige als auch ausgabenseitige Maßnahmen zu setzen sind. Ein wichtiges Element könnte bei den zusätzlichen Einnahmen eine EU-weite Transak­tionssteuer sein.

Die Umsetzung von nationalen Stabilitätsprogrammen mit einer Neuausrichtung der Fi­nanzmarktaufsicht zählt zu den beabsichtigten Vorhaben.

Die Ressourcenschonung im neuen Programm wurde bereits erwähnt, ich werde das nicht mehr wiederholen. Es ist aber auch vorgesehen, dass die Steuern nach dem Ener­giegehalt und nach den CO2-Emissionen gestaffelt werden sollen.

Eine Weiterentwicklung bei den Binnenmarktvorschriften und bei der Dienstleistungs­richtlinie sind ebenso die erklärten Ziele vor dem Hintergrund dieser Strategie „Euro­pa 2020“.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 125

Bei der europäischen Steuerpolitik sollte in Zukunft eine Vereinfachung und Moderni­sierung eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems eingeführt werden.

Einer effizienten Betrugsbekämpfung wird ebenfalls mehr Augenmerk geschenkt.

Einer raschen Beitrittsverhandlung mit Kroatien steht nichts mehr im Wege und der Ver­handlungsprozess mit der Türkei nach dem Ankara-Protokoll wird fortgesetzt. Mit Maze­donien sollen die Verhandlungen demnächst begonnen werden. Die Beitrittsanträge von Serbien, Albanien, Montenegro und Island werden geprüft.

Die Führungsrolle bei den G 20 durch die EU wird angestrebt. Gerade in Bezug auf den Einfluss bei internationalen Finanzinstitutionen, beim IWF, bei der Weltbank und bei den regionalen Entwicklungsbanken, ist das auch sehr wichtig.

Dies wäre auch wichtig und notwendig, um für die Finanzmarktaufsicht, die Finanzmarkt­regulierung, die Einlagensicherung bei den Banken, den Derivatehandel und die Swap-Geschäfte eine weltweit gleiche Vorgangsweise zu finden.

Ich denke, die Ansätze sind recht gut, es wird jedoch noch sehr viel Lobbyismusarbeit notwendig sein, um diese durchaus guten Ansätze auch umzusetzen.

In einigen Bereichen können wir nicht mehr lange warten, es braucht Taten. Von unse­rer Fraktion aus können wir loslegen. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesrä­ten der ÖVP und des Bundesrates Zangerl.)

16.10


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dön­mez. – Bitte.

 


16.10.13

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die vorliegende Jahresvorschau des Finanzministe­riums fußt auf den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Überwindung der Krise, in der wir uns gegenwärtig befinden und die uns, wenn wir nicht eine gravieren­de Kurskorrektur vornehmen, noch länger begleiten wird.

Eine entscheidende Rolle zur Überwindung dieser Krise sieht die Europäische Kommis­sion in der Vorlage der Strategie „Europa 2020“, die an die Lissabon-Strategie anschließt. Leider ist die Lissabon-Strategie in all ihren wesentlichen Zielsetzungen gescheitert. So unerfreulich das ist, auch wir Grüne haben trotz aller Kritik an der Lissabon-Strategie doch einiges von ihr erwartet. Das müssen wir auch eingestehen und auch offen aus­sprechen: dass diese Erwartungshaltungen, die wir in den Lissabon-Vertrag gesetzt ha­ben, nicht in Erfüllung gegangen sind.

Woran ist diese Lissabon-Strategie letztendlich gescheitert? – Sie ist hauptsächlich an der neoliberalen Wirtschaftspolitik gescheitert. Ausgliederungen, Privatisierungen, weni­ger Staat, mehr Markt: diese Konzepte haben sich nicht bewährt. Das sehen wir vor al­lem hier in Österreich, wo von den Reformen der konservativ-nationalen Regierung ein­heitlich überall nur Baustellen und ein Scherbenhaufen übriggeblieben sind.

Jetzt soll ohne ernsthafte Evaluierung der Ergebnisse der Lissabon-Strategie möglichst rasch die Strategie „Europa 2020“ aus dem Boden gestampft werden – ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft und ohne Beteiligung der nationalen Parlamente. Der Weg aus der Krise, für die diese 2020-Strategie stehen soll, wird so unserer Ansicht nach nicht mög­lich sein, zumal wir keinen Kurswechsel erkennen können und das Versagen der neoli­beralen Marktkräfte, das uns schon eine große Stange Geld gekostet hat, letztendlich fortgesetzt wird und nach wie vor keine Kurskorrektur in Aussicht ist.

Nun zu den einzelnen Punkten der Jahresvorschau: Der ECOFIN, der Rat für Wirtschaft und Finanzen, fordert unter anderem eine effiziente Betrugsbekämpfung. Systemati­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 126

sche Steuerhinterziehung ist Betrug – ich denke, da sind wir uns alle einig –, und es ist hoch an der Zeit, innerhalb der Staatengemeinschaft durch optimalen steuerlichen In­formationsaustausch diesen Betrug zu unterbinden. Das Bankgeheimnis eignet sich vor­züglich dazu, große Summen steuerschonend zu verstecken. Ich kann daher nicht nach­vollziehen, dass der Finanzminister nach wie vor am Bankgeheimnis – oder was immer davon übriggeblieben ist – festhält. Zumindest findet es in der vorliegenden Jahresvor­schau keine Erwähnung. Die Abschaffung des Bankgeheimnisses würde die von der Europäischen Kommission gewünschten Verbesserungen im steuerlichen Informations­austausch doch um einiges erleichtern.

Eine Kernaussage der Jahresvorschau ist die Strategie für Wachstum und Beschäfti­gung. Schlüsselbereiche wie Forschung und Bildung, Ausbildung generell und das Vor­antreiben von Innovationen sollen laut des mir vorliegenden Papiers auf keinen Fall ge­bremst werden. Diese Bereiche müssen weiterhin ausgebaut werden, denn sie sind Garant für Wachstum. Bisher liegen jedoch keine konkreten Zahlen aus dem Finanz­ministerium vor, und wir alle wissen, dass wir diese vor den wichtigen Wahlen in Wien und in der Steiermark sicher nicht erwarten können und auch nicht bekommen werden.

Was wir aber schon wissen, ist, dass die Universitäten keinesfalls über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um ihre Aufgaben adäquat erfüllen zu können. Auch hier kön­nen wir beobachten, wie sich die schwarz-blau-orange Universitätsreform als Luftblase entpuppt. Ich habe noch die schönen Worte der damaligen Wissenschaftsministerin im Ohr, die von viel Autonomie und so weiter gesprochen hat. Keineswegs sind die Uni­versitäten autonom. Natürlich sind sie nach wie vor vom Ministerium abhängig, nur heißt das neue Wort jetzt „Leistungsvereinbarung“. Und dass bei Wissenschaft und Bildung ja weniger gespart werde als in anderen Bereichen, bedeutet nicht, dass man sich einer größeren Forschungs- und Bildungsoffensive verpflichtet fühlt.

Auch sollen unsere Unis zur Weltklasse aufschließen. Mit eingefrorenen Mitteln lässt es sich jedoch schwer zur Weltklasse aufschließen, und die Drittmittel sind aufgrund der Krise ohnehin rapide eingebrochen.

Noch so ein Detail aus der Jahresvorschau ist die Transparenz, die an mehreren Stel­len dringend eingefordert wird. An diesem Punkt ist der Finanzminister und ÖVP-Ob­mann wohl am unglaubwürdigsten. Wie schaut es denn aus mit der Transparenz bei der Parteienfinanzierung, mit der Transparenz aller – ich betone: aller – Agrar- und Wirt­schaftsförderungen? – Eine vollkommene Transparenz bei der Finanzierung der Partei­en, wie wir, die Grünen, sie vorleben – und wir sind leider Gottes die Einzigen –, würde vielen Wählerinnen und Wählern die Augen öffnen. Ich sehe hier schon einen direkten Zusammenhang zwischen neoliberaler Wirtschaftspolitik und geheim gehaltener Partei­enfinanzierung. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Im Grunde genommen sind einzelne vorgeschlagene – oder besser gesagt: angedach­te – Maßnahmen sinnvoll und auch richtig. Ein gemeinsames Vorgehen zur Gestaltung des Europäischen Finanz- und Wirtschaftsraumes scheitert immer an einzelstaatlichen Interessen. Das beste Beispiel hiefür ist Österreich mit seinem anachronistischen Bank­geheimnis.

Wir fordern die Einbindung der nationalen Parlamente und der Zivilgesellschaft in die Gestaltung der nächsten großen Wirtschaftsstrategie für Europa. Wir fordern, dass die Zielsetzungen sozialer und nachhaltiger gestaltet werden und wir fordern eine Abkehr vom neoliberalen Kurs, nämlich eine Wirtschaftspolitik, in deren Mittelpunkt die Solida­rität steht und weniger der globale Wettbewerb, denn letztendlich werden wir unseren Standard nur halten können, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir neben den Wirt­schaftsinteressen internationale Kernarbeitsnormen im globalen Handel verankern kön­nen. (Beifall der Bundesräte Kerschbaum und Zangerl.)

16.17



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 127

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­menmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

16.17.5611. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend Europäisches Überein­kommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung (AGN) in der Fassung der Änderung vom 15. Oktober 2008 (681 d.B. und 745 d.B. sowie 8335/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


16.18.16

Berichterstatter Ewald Lindinger: Herr Präsident! Frau Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend Europäisches Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung (AGN) in der Fassung der Änderung vom 15. Oktober 2008.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 30. Juni 2010 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Ich darf in der Zwischenzeit sehr herzlich Frau Bundesminister Bures in unserer Runde begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Podgorschek. – Bitte.

 


16.19.18

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Herr Kollege Bock ist, glaube ich, nicht mehr im Saal; ich wollte ihn eigentlich nur insofern korrigieren: Man muss nicht unbedingt, wenn man et­was kritisiert, gleich dagegen oder für den Austritt aus der EU sein – nur, damit das klargelegt ist. Ich bin sehr wohl für die Europäische Union, aber eben in einer anderen Form. Und das darf man als Oppositionspolitiker durchaus auch einmal dementspre­chend artikulieren.

Was den in Verhandlung stehenden Tagesordnungspunkt anbelangt, darf ich vorerst ein­mal sagen, dass ich natürlich grundsätzlich für die Verlagerung der Verkehrsströme auf die umweltfreundliche Wasserstraße bin. Selbstverständlich wird das von uns befürwor­tet.

Mit der Ratifizierung verpflichtet sich Österreich aber zu einem Ausbau der Donau, und da kann es letzten Endes zu Vorgaben durch die EU kommen. Insbesondere in der Wach­au besteht dann die Gefahr, dass es zu Staustufen kommt, und in Folge wäre es auch


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 128

denkbar, dass Kraftwerke an diesen Stellen entstehen. Das, glaube ich, will die Mehr­heit der österreichischen Bevölkerung nicht.

Österreich verpflichtet sich zu einer Erhöhung der Fahrwassertiefe auf mindestens 2,8 bis 3,2 Metern im gesamten Donaubereich. Dieses Ziel wäre eben nur über besagte Stau­stufen in der Wachau oder auch östlich von Wien erreichbar, zumindest laut Umwelt­dachverband.

Obwohl dieses Übereinkommen bereits 1997 unterzeichnet wurde, wird es erst jetzt ra­tifiziert. Den Zusammenhang kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Das, was wir befürchten, ist nämlich nicht, dass in absehbarer Zeit an der Donau die Bagger auffah­ren; das ist, glaube ich, nicht sehr realistisch. Es sind jedoch nach Ratifizierung dieses Übereinkommens jederzeit Änderungen möglich. In Artikel 14 steht, wie die Anlage III dieses Übereinkommens geändert werden kann. Um das zu verhindern, um Einspruch zu erheben, brauchen wir dann aber ein Fünftel der Mitgliedstaaten. Da wird es also schon schwieriger. Eine Änderung dieses Vertrages ist dann sowohl juristisch als auch völkerrechtlich möglich, und unser Natur- und Landschaftsschutz sind dann wirklich in extremer Gefahr.

Wir Freiheitliche sehen, dass mit dieser Ratifizierung ein weiteres Stück Souveränität abgegeben wird und wir nicht mehr Herr im eigenen Haus sind. Letzten Endes kann dann die Bürokratie – was auch immer man darunter versteht – aus Brüssel über un­sere Wasserwege entscheiden. Daher werden wir diesem Übereinkommen nicht zustim­men. (Beifall bei der FPÖ.)

16.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


16.22.50

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Podgorschek, du darfst dich nicht im­mer so fürchten! Das bin ich gar nicht gewohnt. Wir sind Innviertler, und du fürchtest dich immer so. Das bin ich gar nicht gewohnt, dass du das so aussprichst. (Bundesrat Pod­gorschek: Vor dir fürchte ich mich eh nicht!) Ah, du fürchtest dich eh nicht.

Ich glaube, du hast eingangs gesagt – und das möchte auch ich am Beginn meiner Ausführungen ansprechen –, umweltfreundlicher Güterverkehr und die Reduzierung der Schadstoff- und Feinstaubbelastung sind wesentliche verkehrspolitische Grundsät­ze, für die sich sicher alle hier vertretenen Fraktionen einsetzen. Auch unsere Frau Bun­desministerin hat in der Vergangenheit mit ihrer Verkehrspolitik bewiesen, dass diese Grundsätze für sie ebenfalls oberste Priorität haben.

Ich möchte an dieser Stelle nur den Ausbau der Schieneninfrastruktur als eine dieser sicherlich großen Maßnahmen erwähnen, die die Frau Bundesminister da in die Wege geleitet hat.

Neben der Schiene ist die Schifffahrt eine ökologische Alternative zum Gütertransport auf der Straße. Wie man in der Vergangenheit gesehen hat und in der Zukunft erwar­ten kann, wird uns ja der Gütertransport auf der Straße über den Kopf wachsen. Dazu kommen noch die wirtschaftlichen Vorteile des Transports von Gütern mit dem Schiff.

Geschätzte Damen und Herren, mit der Donau besitzt Österreich eine Wasserstraße von internationaler Bedeutung, und es ist daher sicher sinnvoll, richtig und ganz wichtig, dass wir dem Übereinkommen über Wasserstraßen von internationaler Bedeutung bei­treten. Im Bereich der Eisenbahn und des Kombinierten Verkehrs sind schon lange ent­sprechende Übereinkommen unterzeichnet, nur im Bereich des umweltfreundlichen Ver­kehrsträgers Schifffahrt war das bisher nicht der Fall.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 129

Da der österreichische Donauabschnitt die im Übereinkommen festgelegten technischen und betrieblichen Kriterien jetzt schon erfüllt und als Wasserstraße von internationaler Bedeutung eingestuft wurde, setzen wir mit der Ratifizierung ein formales Signal – und zwar, dass Österreich seine Verantwortung wahrnimmt, der Schifffahrt einen verlässli­chen Verkehrsweg zu bieten, und dies auch weiterhin tun wird.

Geschätzte Damen und Herren, weiters möchte ich noch in Erinnerung rufen, dass die Donauhäfen Wien, Krems, Enns und Linz in die Liste der Binnenhäfen mit internationa­ler Bedeutung aufgenommen wurden und damit ihre Position gestärkt wurde. Als Ober­österreicher will ich sagen, wie wichtig und richtig es ist, im Sinne eines umweltfreund­lichen Güterverkehrs weg von der Straße zu kommen und Investitionen in Eisenbahn und Schifffahrt zu tätigen. Das zeigt sich am Beispiel der oberösterreichischen Donau­häfen Linz und Enns, aber auch bei den anderen Häfen, die ich genannt habe, wird es nicht anders sein. Dort kam es in den letzten Jahren durch diese sinnvollen Investitio­nen und durch die gute Zusammenarbeit der umweltfreundlichen Verkehrsträger Eisen­bahn und Schifffahrt zu einer enormen Aufwertung des Wirtschaftsraumes und des Wirt­schafts- und Verkehrsstandortes.

Erfreulicherweise sind die Umschlagszahlen im Bereich Schifffahrt und Eisenbahn enorm gestiegen. Ich meine, wir alle stehen in der Verantwortung, diesen eingeschlagenen wirt­schaftlichen und ökologischen Weg weiter gemeinsam zu gehen.

Geschätzte Damen und Herren, abschließend: Neben der Eisenbahn ist die Binnen­schifffahrt ein ökologischer und wirtschaftlicher Verkehrsträger. Mit der Donau verfügt Österreich über eine wichtige internationale Wasserstraße, und mit der Ratifizierung des Abkommens über Wasserstraßen von internationaler Bedeutung bekennt sich Österreich sowohl zum ökologischen Güterverkehr als auch zu seiner internationalen Verantwor­tung.

Ich lade daher alle Fraktionen ein: Nehmen Sie die Verantwortung wahr und stimmen Sie gemeinsam mit der SPÖ-Fraktion der Ratifizierung zu! Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

16.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


16.27.21

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und Zu­hörerinnen und Zuhörer! Ich zitiere jetzt doch Frau Kollegin Mühlwerth, weil es einfach die passende Antwort war: Wir nehmen sehr wohl unsere Verantwortung wahr, und ge­rade deshalb stimmen wir nicht zu! (Präsident Preineder übernimmt wieder den Vorsitz.)

Meiner Ansicht nach ist das Problem mit diesem AGN-Abkommen, dass es da nicht um die Wasserstraße Donau geht, sondern eher um eine Wasserautobahn. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.Ja, genau! Da gilt das Motto: Größer muss es sein, schnel­ler muss es gehen und weiter muss man kommen. Es geht darum, die Donau den Schif­fen anzupassen. Mir wäre es lieber, wenn man die Schiffe der Donau anpassen würde. Das wäre auch der ökologisch bessere Zugang.

Natürlich kann man sagen, im Vergleich zum Lkw ist das Schiff das ökologisch bessere Transportmittel. Ich denke, man muss nicht immer eines gegen das andere ausspielen. In diesem Fall wird Naturschutz gegen Klimaschutz ausgespielt. Man kann das auch zu­sammenspielen lassen. Wenn man sich anschaut, was auf Schiffen großteils transpor­tiert wird, dann sieht man, dass das ja nicht nur mit dem Schiff transportiert wird, sondern


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 130

in letzter Konsequenz wird es dann mit dem Lkw weitertransportiert. (Bundesrat Stad­ler: Oder mit dem Zug!) – Oder mit dem Zug, aber in den meisten Fällen mit dem Lkw.

Wenn ich mir anschaue, welche Güter transportiert werden, dann denke ich, dass es – so wie beim Lkw – möglich ist, viele dieser Fahrten einzusparen, und das wäre wirklich ein ökologischer Zugang: sich die Transporte zu ersparen, indem man versucht, regio­nal möglichst autark zu werden. Was wird denn transportiert? Kohle, Schotter, Steine, Sand. Das ist das, was man auf der Donau großteils sieht. (Bundesrat Stadler: Contai­ner auch!)

Es ist natürlich jetzt die Frage, ob man das von weiß Gott woher braucht, oder ob diese Dinge nicht zum Teil auch regional beschafft werden können. Der ökologisch beste Ver­kehr ist der eingesparte Verkehr!

Da Kollege Podgorschek das zum Teil ohnehin schon gemacht hat, möchte ich nur noch ganz kurz die ökologischen Probleme, die dieser Vertrag mit sich bringt, ansprechen. Einerseits steht im Vertrag, dass wir uns verpflichten, im gesamten Donaubereich eine Fahrwassertiefe von 2,8 bis 3,2 Metern zu gewährleisten. Das merken jetzt nicht nur wir an, sondern das hat auch der Herr Umweltminister angemerkt und auch der WWF und der Umweltdachverband: Das geht sich einfach in manchen Bereichen nicht aus.

Es läuft gerade ein flussbauliches Gesamtprojekt, das derzeit im UVP-Verfahren schwebt, und da ist die Rede von 2,5 bis 2,8 Metern Fahrwassertiefe. Auf 3,2 Meter werden wir da bei Weitem nicht kommen.

Es ist klar, dass wir in der Wachau und in Hainburg ein Problem mit diesen Fahrwas­sertiefen haben. Es ist des Weiteren klar, dass diese Ausbaggerungen beziehungswei­se Veränderungen der Fahrwassertiefen auf jeden Fall ein ökologisches Problem sind, denn neben dem Klimaschutz gibt es ja auch noch den Naturschutz. Das hat etwas mit der Fauna im Wasser und mit Sonstigem zu tun, das eben nicht mehr da ist, wenn man es ausbaggert. (Bundesrat Mayer: ... Wasser, da kann man nicht baggern!) Das heißt, es sind einfach gewisse naturschutzrechtliche Belange durch diese Vertiefung nicht mehr zu gewährleisten.

Was noch dazukommt, ist das Thema der Finanzierung dieser Verpflichtungen. – Ich weiß nicht, was Sie schon vorbereitet haben, aber da die Verpflichtungen in dem Vertrag noch nicht genau festgelegt sind, wissen wir auch noch nicht genau, was das kostet, und ich gehe davon aus, dass das sehr teuer werden kann, und damit wird auch die Wasserstraße teurer.

Mein Ansatz ist also: Eine Wasserstraße haben wir. Die Frage ist: Brauchen wir eine Wasserautobahn? – Meiner Meinung nach brauchen wir die eben nicht.

Das nächste Problem, das ich in diesem Bereich sehe, ist der Donau-Oder-Elbe-Kanal, der von Umweltorganisationen ebenfalls häufig angesprochen wurde. Da gibt es Prob­leme mit diversen Naturschutzgebieten, die dann eben einfach keine Naturschutzge­biete mehr sein können – und das aufgrund eines Konzepts, das irgendwann aus den Fünfzigerjahren stammt, als man eben einfach noch geglaubt hat, man muss jeden Ka­nal so bauen, dass er möglichst gerade durchrennt!

Mein Ansatz ist, wie gesagt: Naturschutz versus Klimaschutz muss nicht sein. Man kann sehr wohl beides verbinden, indem man einfach schaut, dass man, obwohl das Schiff per se sicher ökologischer unterwegs ist als der Lkw, auch auf der Wasserstraße noch mehr darauf achtet, was man braucht und welcher Transport wirklich nötig ist. Das ist der ökologischste Zugang! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.32


Präsident Martin Preineder: Nächster Redner: Herr Bundesrat Wenger. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 131

16.32.22

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass vor dem Hintergrund der pro­gnostizierten Zuwachsraten, sei es im Gütertransportverkehr oder auch im Individualver­kehr, die Verkehrsträger zunehmend mehr an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, ist so weit nichts Neues.

Das ist ein Dauerthema und auch ein Dauerbrenner in der Diskussion für unser – ja, sagen wir einmal – Transitland Österreich, wenn man das ein bisschen scharf formu­lieren will. Ich meine, dass genau deshalb die Verlagerung auf den umweltfreundlichen Verkehrsträger Binnenschifffahrt ein Weg ist, der zwar nicht unbedingt ein Weg aus der gesamten Krise ist, aber immerhin einer, der beschritten werden soll und dessen Be­schreitung letztendlich auch zu begrüßen ist.

Es ist sicherlich unumstritten, dass die Binnenschifffahrt im Vergleich zu den anderen Binnenverkehrsträgern ökologische und ökonomische Vorteile aufweist, zudem über we­sentliche Transportkapazitäten verfügt und auch die volkswirtschaftlichen Kosten und die negativen Auswirkungen des Binnenverkehrs auf die Umwelt doch verringern kann.

Ich glaube, zur Umsetzung dieser ökonomischen und ökologischen verkehrspolitischen Zielsetzung ist es ganz einfach auch notwendig, eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen und einheitliche Standards festzulegen.

Es ist ganz klar, internationale und grenzüberschreitende Verkehre machen nun einmal an der Grenze nicht halt und brauchen demnach auch internationale Verkehrskonzepte und internationale Standards, denn ohne diese Standards gibt es ganz einfach keine entsprechenden Verkehrskonzepte.

Der österreichische Donauabschnitt erfüllt die im Übereinkommen festgelegten techni­schen und betrieblichen Kriterien und wurde als Wasserstraße von internationaler Be­deutung eingestuft.

Das Thema Wasserrahmenplan ist auch eines, bei dem immer wieder darauf verwie­sen wird, dass die Donau zur ganzjährigen Nutzung natürlich entsprechende Vertiefun­gen braucht, aber letztendlich darf man nicht vergessen, dass der laufende Betrieb – also das, was wirklich laufend zu tun ist – zwar auch Eingriffe beinhaltet, aber nicht sol­che mit negativen Auswirkungen, sondern Eingriffe, die erforderlich sind, um das Um­feld auch vor Überflutungen zu schützen.

Insgesamt leistet das Übereinkommen einen Beitrag zur Förderung des umweltfreund­lichen Verkehrsträgers Binnenschifffahrt, und es kann sicherlich von positiven umwelt­politischen Effekten ausgegangen werden. Zudem führt das Übereinkommen zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt.

Man kann sicher darüber diskutieren – auch kritisch –, dass angesichts der steigenden Verkehrsströme und der prognostizierten Zuwachsraten auch andere Maßnahmen zu setzen sind, als immer nur neue Verkehrswege zu erschließen. In diesem Fall findet das gegenständliche Übereinkommen jedoch die Zustimmung der ÖVP. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

16.36


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie. – Bitte.

 


16.36.28

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es geht bei der Ratifi­zierung dieses Übereinkommens darum, dass die Republik Österreich noch einmal klar


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 132

zum Ausdruck bringt, dass die Binnenschifffahrt für uns ein nachhaltiger und ökologi­scher Verkehrsträger ist, der der Straße vorziehen ist.

Das passt daher auch zu den anderen Bereichen und zu unseren Zielsetzungen in der österreichischen Verkehrspolitik, die stets eine Verlagerung von der Straße auf die Schie­ne oder von der Straße auf das Schiff – weil auch das umweltfreundlicher ist – bein­haltet.

Ich denke, das ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass Ökonomie und Ökologie kein Wi­derspruch sein müssen, denn wenn es gelingt, mehr Güter auf dem Wasserweg zu trans­portieren, dann ist das sowohl für unsere Wirtschaft als auch für unsere Umwelt gut.

Wir brauchen die Donau gar nicht besonders zu einer „Autobahn“ auszubauen, weil wir, was die Kapazitäten betrifft, derzeit gerade die Hälfte ausnützen. Wir befördern rund 11 Millionen Tonnen auf der Donau, und von der Kapazität her wäre gut das Doppelte möglich. Das heißt, es geht nicht darum, dass es zu Ausbaumaßnahmen kommt, schon gar nicht im Zuge des flussbaulichen Gesamtprojektes östlich von Wien, sondern das sind vor allem auch Maßnahmen, die gerade dem Schutz der Au dienen sollen, weil die Gefahr der Austrocknung dieses Naturschutzgebietes besteht. Das heißt, die Ratifizie­rung dieses Übereinkommens ist ein nochmaliges Bekenntnis zur Binnenschifffahrt.

Folgende Zahl sei auch noch erwähnt: Würden wir diese rund 11 Millionen Tonnen, die auf dem Wasser befördert werden, auf Lkws durch Österreichs Straßen transportieren, dann hätten wir 600 000 Tonnen mehr CO2.

Das ist also ein gutes Beispiel dafür, dass es zwar Verkehrswege geben muss, dass es aber unsere verkehrspolitische Zielsetzung ist, die ökologischen Verkehrsträger zu prio­risieren und zu bevorzugen – und da gehört, wie gesagt, auch die Wasserstraße dazu.

Ein Punkt, der mir noch sehr wichtig ist, ist die Frage, ob wir mit dieser Ratifizierung auto­nome österreichische Entscheidungsmöglichkeiten aufgeben. – Das tun wir nicht. Es bleibt in autonomer österreichischer Entscheidung, ob wir Kraftwerke an der Donau bau­en oder nicht. Vor allem – und das ist ganz wichtig – bleiben alle Umweltschutzrege­lungen – ob das europäische oder nationale sind – natürlich weiter aufrecht. Das heißt, nach dieser Ratifizierung gilt trotzdem die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die voll wirksam wird, wenn es um den ökologischen Zustand der österreichischen Gewässer geht. Es gilt außerdem weiterhin die Rechtsvorschrift des Ramser Abkommens, das Vogelschutz­abkommen, UVP-Gesetze, Naturschutzrecht und Naturparkgesetzregelungen.

Das heißt, alle diese Regelungen sind weiter aufrecht, die Autonomie in Entscheidun­gen, was den Wasserkraftwerksausbau in Österreich betrifft, bleibt im Nationalstaat, und es ist, wie gesagt, ein klares Bekenntnis dazu, dass wir den Warenverkehr auf ökologi­sche Verkehrsträger verlagern wollen. Die Straße ist nämlich der Verkehrsträger, auf dem wir den Güterverkehr am wenigsten haben wollen, weil dieser die größten Umwelt­belastungen mit sich bringt. Dieses Abkommen ist ein Mosaikstein in Richtung Verlage­rung auf einen ökologischen Verkehrsträger. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrä­ten der ÖVP.)

16.40


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 133

16.41.0912. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz über Sicherheitsmaßnahmen bei ausländischen Luftfahrzeugen und Luftfahrtunterneh­men (684 d.B. und 746 d.B. sowie 8336/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. Bitte um den Bericht.

 


16.41.32

Berichterstatter Ewald Lindinger: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 16. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz über Sicherheitsmaßnahmen bei ausländischen Luftfahr­zeugen und Luftfahrtunternehmen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Martin Preineder: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stadler. – Bitte.

 


16.42.07

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Vorlage geht es um die Umset­zung einer erweiterten EU-Richtlinie zur Erhöhung der Sicherheitsstandards im interna­tionalen Flugverkehr und der Sicherheit in der Luftfahrt. Die Richtlinie sieht Regeln und Verfahren zur wirksamen Durchsetzung internationaler Sicherheitsstandards bei Luft­fahrzeugen aus Drittstaaten vor.

Es geht also bei dem vorliegenden Gesetz einerseits um die Umsetzung einer EU-Richt­linie in nationales Recht, andererseits darum, dass der Regelungsumfang des bisheri­gen Bundesgesetzes über Sicherheitsmaßnahmen bei Luftfahrzeugen aus Drittländern auch auf Luftfahrzeuge und Luftfahrtunternehmen, die der Aufsicht eines anderen Mit­gliedstaates der Europäischen Gemeinschaft unterliegen, erweitert wird.

Zu erwähnen ist noch, dass durch dieses Gesetz das BMVIT im Interesse der Luftfahrt­sicherheit auch die Durchführung von Vorfeldinspektionen bei ausländischen Luftfahr­zeugen, die außerhalb von Flughäfen gelandet sind, veranlassen kann. Dasselbe gilt auch für nicht im gewerblichen Luftverkehr betriebene ausländische Luftfahrzeuge mit einer höchstzulässigen Abflugmasse unter 5 700 Kilo, also auch für Kleinflieger und Kleinluftfahrzeuge.

Geschätzte Damen und Herren, ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Gesetz sind die Vorgaben über die Qualifikationserfordernisse der zuständigen Inspektoren. Wir in Ös­terreich sind diesbezüglich sehr gut versorgt, aber in anderen Ländern schaut es da nicht so gut aus. Es ist daher zu begrüßen, dass in den Anhängen dieses Gesetzes nähere Vorgaben über die Qualifikationserfordernisse der Inspektoren sowie die Klassifizierung der festgestellten Mängel und die daraus folgenden Sofortmaßnahmen festgelegt sind. Die Erfassung von Informationen über gemeldete Mängel, die Durchführung der Über­prüfung von Luftfahrzeugen und deren Besatzung und schließlich die Vorschreibung von Sofortmaßnahmen bei Vorliegen einer Gefährdung der Sicherheit der Luftfahrt sol­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 134

len innerhalb der Gemeinschaft möglichst einheitlich erfolgen, um eine lückenlose Reak­tion auf Sicherheitsmängel zu erreichen.

Seitens der SPÖ-Fraktion ist dieses Gesetz im Sinne der Sicherheit in der Luftfahrt sehr zu begrüßen. Mit einheitlichen Regelungen zur Überprüfung von Flugzeugen wird die Sicherheit im Flugverkehr für die Passagiere, für die Besatzungsmitglieder und für die Menschen am Boden weiter erhöht. Wir werden daher gerne zustimmen. – Danke. (Bei­fall bei der SPÖ.)

16.44


Präsident Martin Preineder: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


16.44.58

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Damen und Herren! Die Richtlinie und welche Maßnahmen gesetzt werden, um EU-weit die gleichen Standards in der Luftfahrt zu haben, hat mein Vorredner Stadler schon auf das Genaueste erläutert. Diese Maßnahmen sind auch sehr zu begrüßen, aber die Aschewolke hat uns gezeigt, dass wir uns wesentlich breiter auf­stellen müssen, und das besonders auch im Land Tirol.

Die Binnenschifffahrt kommt bei uns in Tirol nicht zum Tragen, da haben wir keine Chan­ce (Heiterkeit), aber die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene wä­re für unser Bundesland zu begrüßen – ja, sie muss kommen.

Ich darf das auch begründen: Der Brenner-Basistunnel ist zurzeit das einzige Mittel, das Tirol braucht, das Tirol haben muss, um diese Verlagerung durchführen zu können. Man muss sich einmal vor Augen führen, wie viel Schwerverkehr über die Brenner-Achse fährt; Schwerverkehr, das sind Lkws mit über 3,5 Tonnen. Ich zeige Ihnen das anhand des Ver­gleichs Österreich/Schweiz auf: Über den Brenner fahren 2 102 000 Lkw, über den Sem­mering 487 000, über die Tauern 1 045 000 und über den Gotthard 973 000 Lkw im Jahr. – Das wurde 2008 gemessen.

Wenn ich dann vielleicht noch weiter vergleichen darf: Über die Südosttangente, die Pra­terbrücke fährt noch weniger Schwerverkehr. Zudem ist die Südosttangente achtspurig, und die Brenner Autobahn ist nur vierspurig. – Achtspurig wäre bei uns nicht möglich, denn dafür wäre das Tal zu eng. (Bundesrat Todt: Haben Sie es für die S 1 auch! Denn da fahren nämlich die Lkw!) – Aber es ist nicht so ein enges Tal wie das Wipptal. Und wenn durch das Wipptal 2 102 000 Lkw im Jahr fahren, dann muss man schon sehen, was das für eine Belastung ist! Zudem ist die Bahnstrecke an und für sich ausgelastet, da geht nichts mehr. Die Bahn ist aber noch eine zusätzliche Belastung für die Bevöl­kerung.

Die Schweiz leistet sich zwei Tunnelprojekte und hat keine Kofinanzierung. Österreich hätte eine Kofinanzierung mit dem Land Tirol und Südtirol, mit Italien, das zu der Zusa­ge steht, dass es die Restfinanzierung zur Hälfte trägt, und mit der EU, die mit 27 Pro­zent an dem Projekt beteiligt ist.

Ich glaube, wenn das Nadelöhr Brenner nicht entschärft wird, dann war auch die Unter­inntal-Trasse für die „Wäsch’“. Die Schulen auf der Brennerstrecke müssen jetzt schon teilweise einen unterschiedlichen Schulbeginn wählen, weil die Kinder durch die Ver­spätungen nicht rechtzeitig in die Schule gekommen sind. (Bundesrat Mag. Erlitz: Das ist schülerfreundlich, wenn man später beginnt!) – Mag schon sein, dass es schüler­freundlich ist, aber leben Sie im Wipptal? (Bundesrat Mag. Erlitz: Kein Nachteil ohne Vorteil!) Sie müssen sich einmal das Wipptal anschauen. Es ist zwar wunderschön, aber wir haben einen Berg, haben die Sill, haben die Bahn, haben eine Häuserzeile, haben die Autobahn und haben wieder einen Berg – und das ist das Tal! Dieses Tal muss einfach entlastet werden, und ich glaube, wenn uns die EU mit 27 Prozent der


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 135

Finanzierung hilft, dann können wir dieses Tal auch entlasten – und vor allem auch die Bevölkerung.

Bei uns in Tirol werden im Jahr an 200 Tagen die IG-Luft-Grenzwerte überschritten, und diese Immissionen kann man nicht so einfach wegbringen, das ist bedingt durch das Tal. Wenn die Kälte oben steht, bringen wir unten die Luft nicht weg, und somit haben wir die schlechte Luft. Ich glaube, dass der Brenner-Basistunnel zu einer besseren Luft in Tirol beitragen wird, was im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung ist, und natürlich wäre der Brenner-Basistunnel vor allem auch für den Verkehr, für den Transit eine po­sitive Sache.

Ich bitte die Frau Bundesministerin, dass sie dem Land Tirol hilft, vielleicht auch dem Ex-Verkehrslandesrat in Tirol, dem Hannes Gschwentner, denn wenn das Projekt durch­geht, ist es natürlich auch ein Verdienst unseres Ex-Verkehrslandesrates. – Danke. (Bei­fall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.49


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ertl. – Bitte.

 


16.50.01

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kollegin Junker, eine Landebahn wollen wir bei euch eh nicht bauen! – Ich glaube, es gibt keinen Zweifel – und das steht auch außer Streit –, dass mit diesem Übereinkommen für mehr Sicherheit in der Luftfahrt gesorgt wird. Das Passagieraufkommen wird nicht nur in Schwechat, sondern weltweit steigen. Umso wichtiger sind die für den Luftverkehr notwendigen Sicherheitsvorkehrungen und Si­cherheitsvorschriften.

Fliegen ist teilweise bereits billiger als eine Reise mit dem Auto. Zwischen 20 € und 70 € kosten die Tickets bei rechtzeitiger Buchung innerhalb Europas. Fliegen wird bil­liger, aber die Fixkosten und die Gebühren für Flughäfen werden steigen. Dieses Prob­lem ist auch unserer AUA zum Verhängnis geworden. Die Zeiten, in denen die Fluglinien hohe Preise für Linienflüge verlangen konnten, sind vorbei. Es herrscht Preisdumping, und die Preise fallen immer weiter nach unten. Dadurch besteht aber die Gefahr, dass irgendwo gespart werden muss – das kann beim Personal, beim Passagierservice, das kann aber auch bei Service und Wartung der Flugzeuge sein.

Es gibt den alten Pilotenspruch: Runter kommen sie alle, die Frage ist nur, wie! Wenn Unfälle passieren, dann sind diese besonders dramatisch, weil immer zahlreiche Pas­sagiere davon betroffen sind. Im Internet ist eine Unfallstatistik nachzulesen, und es ist interessant, dass die Destinationen dabei eine Rolle spielen. Demnach sind Flughäfen in Asien und Amerika weit gefährlicher als jene in Europa. Es ist aber auch von Bedeu­tung, mit welchen Flugzeugen man fliegt. Eine DC-9 zum Beispiel hat eine Unfallwahr­scheinlichkeit von 19 : 1, ein Airbus eine von 37 : 1 und eine Boeing 747 eine von 52 : 1. (Bundesrat Schennach: Und die Dash?) Der Airbus A30 hat aber zum Beispiel eine Un­fallwahrscheinlichkeit von 943 : 1.

Die Sicherheit des Luftverkehrs müssen wir garantieren. Wir haben aber nicht nur für die Sicherheit des Luftverkehrs zu garantieren, sondern wir müssen auch Lösungen finden, die eine weitere Lärmbelästigung der Flughafen-Anwohner durch startende und landende Flugzeuge mindern. Die Einhaltung beziehungsweise die Vorschreibung eines Nachtflugverbotes wäre wünschenswert. Zurzeit besteht zwar in Schwechat eine Rege­lung betreffend ein Nachtflugverbot, aber es dürfen nach wie vor 3 500 Flugzeuge jähr­lich auch während der Nachtstunden starten und landen. Darunter fallen auch Rettungs­flüge. Niemand hätte etwas dagegen, wenn Kleinflugzeuge oder Rettungsflugzeuge während der Nachtstunden starten und landen, aber die Realität schaut leider anders


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 136

aus: Bei zirka zehn Starts und Landungen während der Nachtzeit, noch dazu mit auf­fallend lauten Flugzeugen, ist an Schlaf rund um das Gebiet des Flughafens nicht zu denken. Da muss wirklich gehandelt werden.

Aber zurück zur Sicherheit. Der wesentliche Inhalt dieses Bundesgesetzes ist die Durch­führung von Vorfeldinspektionen von ausländischen Flugzeugen von EU- und Drittland­fluggesellschaften und deren Besatzungen auf inländischen Flughäfen durch speziell ausgebildete Inspektoren. Es handelt sich dabei um eine Verbesserung im Luftfahrtbe­reich. Darum begrüßen wir dieses Bundesgesetz und werden diesem auch gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Stadler.)

16.54


Präsident Martin Preineder: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Nun kommen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.54.4813. Punkt

Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2009, vorgelegt von der Bundes­ministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-404-BR/2010 d.B. sowie 8337/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Lindinger. Bitte um den Bericht.

 


16.55.07

Berichterstatter Ewald Lindinger: Offensichtlich dürfte ich als Eisenbahner prädestiniert dafür sein, alle Berichte aus dem Verkehrsausschuss zu erstatten.

Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2009, vorgelegt von der Bundesmi­nisterin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 30. Juni 2010 den Antrag, den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2009 zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsident Martin Preineder: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Boden. – Bitte.

 


16.55.53

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Geschätzte Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2009 gibt einen umfassenden Überblick über die Entwicklungen in den Aufga­benbereichen Unfalluntersuchung und Unfallforschung. Er enthält viele Daten, Fakten


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 137

und detaillierte Unfallberichte aus den Verkehrsbereichen Luftfahrt, Eisenbahn, Seilbah­nen und Schifffahrt, inklusive Sicherheitsempfehlungen.

Diese Daten und Fakten sind mit sehr gutem Bildmaterial unterlegt und zeigen sehr gut, welch große Schäden bei diesen Unfällen verursacht werden. Es zeigt sich auch, dass es in Österreich im Eisenbahnbereich gegenüber dem Jahr 2008 um 188 Unfälle weni­ger gegeben hat. Dafür hat sich die Anzahl der Störungen, also beispielsweise unbeab­sichtigte Zugtrennung oder unerlaubte Signalüberfahrungen, im gleichen Zeitraum um 43 Vorfälle erhöht. Diese Statistik sagt nicht unbedingt viel aus. Solche Statistiken müss­te man natürlich über einen längeren Zeitraum beobachten.

Die Sicherheitsempfehlungen sind an jene Stellen zu richten, die sie auch umsetzen können. Ob und in welchem Ausmaß diese umgesetzt werden, obliegt den einzelnen Unternehmungen selbst.

Ein weiterer Punkt ist „Kraftfahrzeug- und Verkehrstechnik“; dort sind Daten und Fakten der technischen Fahrzeugüberprüfungen, also der mobilen Lkw-Kontrollen und der Ab­gasfernmessungen, zu finden. 2009 konnte die Zahl an überprüften Fahrzeugen erneut gesteigert werden. Mehr als 107 000 Kraftfahrzeuge sind kontrolliert worden. Von die­sen kontrollierten Fahrzeugen sind knapp 32 300 auffällige Fahrzeuge von den Sach­verständigen genauer auf ihre Verkehrstauglichkeit überprüft worden. Bei mehr als 20 Pro­zent war Gefahr im Verzug. Das heißt, bei diesen Fahrzeugen sind schwere Mängel ent­deckt worden; sie mussten natürlich aus dem Verkehr gezogen werden.

Wir wissen um die Wichtigkeit dieser Kontrollen – man erinnere sich nur an die Bilder von Unfällen, die von sogenannten Schrott-Lkws, die defekte Bremsen gehabt haben oder bei denen verschiedene tragende Teile bereits durchgerostet waren, verursacht wurden.

Die Typengenehmigung ist ebenfalls ein Teil dieses Berichtes; sie ist im 3. Abschnitt des Kraftfahrgesetzes geregelt.

Im Fachbereich „Gefahrgut und Chemie“ werden Gefahrgutkontrollen und chemische Analysen für alle Bereiche der Unfalluntersuchungsstellen des Bundes durchgeführt. Die Sachverständigen nehmen auch an technischen Unterwegskontrollen von Lkws teil und beurteilen die transportierten Stoffe hinsichtlich ihrer gefährlichen Eigenschaften wie et­wa Brandverhalten und Reaktivität mit anderen Stoffen. Da, glaube ich, ist es sehr wich­tig, dass diese Lkws auch entsprechend gekennzeichnet sind. Es gibt ja international genormte Kennzeichnungen, damit die Einsatzkräfte auch wissen, mit welchen Subs­tanzen sie bei Unfällen rechnen müssen.

Ein weiterer Punkt ist die Kooperation in Angelegenheiten der Unfallforschung im Stra­ßenverkehr in Bezug auf Aufgaben im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Fahr­prüfern, aber auch im Bereich der e-motion-Lehrwerkstatt, einer Initiative zur Förderung von Lehrlingsausbildung. Dort werden für die Jugendlichen wichtige Projekte zum The­ma Verkehrssicherheit durchgeführt. So wurden etwa bei dem Projekt „Alkohol am Steu­er“ ausgesuchte Schülerfahrzeuge, Zielgruppe 17+, mit Alkoholsensoren ausgestattet, die verhindern, dass das Kraftfahrzeug bei einem Blutalkoholspiegel von über 0,15 Pro­mille in Betrieb genommen werden kann. Dieses Projekt wird mit Schulende abgeschlos­sen sein und in der nächsten Zeit der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Ein herzliches Danke, Frau Bundesminister, für diesen wirklich umfangreichen Bericht. Wir nehmen ihn sehr gerne zur Kenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00


Präsident Martin Preineder: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 138

17.00.57

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Verkehrsaufkommen wird – wie wir wissen und feststellen – ebenso immer größer wie auch die Vielfältigkeit der Fortbewegungsmöglichkeiten zunimmt. Ob mit Fahrrädern, Mopeds, Motorrädern, Quads, Autos, landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Lkws, Gefahrguttransporten, mit Bahn, Luftfahrt oder auch zu Fuß – die Fortbewegungsmöglichkeiten sind, wie wir wissen, sehr vielfältig. Um das Leben der VerkehrsteilnehmerInnen bestmöglich zu schützen, erfor­dert es umfassende Regeln und Maßnahmen, die laufend nachjustiert und analysiert werden müssen.

Jeder einzelne Mensch, der im Straßenverkehr – egal ob auf der Straße oder der Schie­ne – oder in der Luft verletzt oder getötet wird, ist jedenfalls einer zu viel – das steht fest. Es reicht aber nicht, nur Statistiken darüber zu erstellen, sondern es erfordert umfassen­de Unfalluntersuchungen und Analysen, um die Ursachen zu erforschen. Genau das macht die Unfalluntersuchungsstelle des Bundes seit 1. Jänner 2006. Ergebnisse und Sicherheitsempfehlungen können wir in dem uns vorliegenden Tätigkeitsbericht 2009 der BAV nachlesen. Wichtig ist, dass Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrssicher­heit ausgearbeitet und in geeigneter Weise umgesetzt werden.

Zu den Schwerpunkten im Bericht 2009 zählen insbesondere Vorfälle mit Güterwagen sowie Vorfälle auf Eisenbahnkreuzungen, die natürlich sehr gefährliche Bereiche sind. Leider konnte ich in dem Bericht aber keinerlei Untersuchungen über die Ursachen von Unfällen auf Schutzwegen finden. Gerade die schrecklichen Unfälle der letzten Zeit er­fordern aus meiner Sicht dringend Verbesserungen und Maßnahmen zum Schutz vor allem der Fußgänger. Deshalb würde ich mir Unfalluntersuchungsergebnisse und Vor­schläge dazu sehr wünschen.

Ein weiterer wichtiger Beitrag, den ich mir herausgesucht habe, ist, finde ich, eine Erhe­bung zur Verkehrssicherheit. Auf Seite 51 des Berichtes werden Maßnahmen zur Quali­tätssteigerung der Fahrausbildung angesprochen. Dabei denkt man an die Verbesserung der Ausbildung von Fahrprüfern und Fahrlehrern. In der dritten Führerscheinrichtlinie der EU sind unter anderem diese Mindestanforderungen an Personen, die praktische Fahrprüfungen abnehmen, bereits festgeschrieben. Diese Vorschläge muss Österreich bis 19. Jänner 2011 festlegen, und dann haben wir zwei Jahre Zeit, die Maßnahmen auch umzusetzen.

Derzeit gibt es für Fahrprüfer keine spezielle einheitliche Ausbildung in Österreich. Ich meine jedoch, dass über eine qualitätsvolle Prüfung auch die Qualität der Ausbildung gesteuert wird – im Interesse der Verkehrsteilnehmer der Zukunft. Ich persönlich hoffe, dass sich die noch auszuarbeitenden Maßnahmen an das skandinavische Modell an­lehnen. Dort ist es nämlich so, dass die Basisausbildung der Fahrprüfer und der Fahr­lehrer gleich ist und die weiterführende Ausbildung spezifisch für den entsprechenden Bereich getrennt erfolgt. Das wäre sehr effizient und vorteilhaft, denn dann hätten bei­de die gleiche qualitätsvolle Ausbildung. Es ist effizient, wenn der eine Teil weiß, was der andere prüft beziehungsweise was in der Ausbildung des anderen enthalten ist.

Sehr positiv finde ich – wie mein Vorredner schon erwähnt hat – die schon seit vier Jah­ren laufende Kooperation der BAV im Hinblick auf eine überbetriebliche Lehrlingsausbil­dung. Ich finde, das ist eine tolle Förderungsinitiative.

Zum Abschluss möchte ich dem Leiter der Bundesanstalt für Verkehr, Herrn Hofrat Ge­rald Pöllmann, und seinem Team für die rasche Erstellung dieses umfassenden Be­richtes 2009 danken. Ich hoffe, dass die Verantwortungsträger die empfohlenen Sicher­heitsmaßnahmen in geeigneter Weise umsetzen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

17.05



BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 139

Präsident Martin Preineder: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


17.05.57

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir werden diesen Be­richt natürlich gerne zur Kenntnis nehmen. Eine Anregung gleich zum Einstieg – ich habe aber schon gehört, dass der Bericht sehr rasch erstellt worden ist –: Ich denke, die Struktur des Berichts wäre im Prinzip noch ein bisschen verbesserungswürdig; es gibt viele Berichte, in denen ich mich leichter zurechtfinde. Es ist ein bisschen ein Durch­einander, aber das mag vielleicht an der raschen Erstellung liegen.

Ich habe zum Beispiel gesucht – vielleicht habe ich es nur nicht gefunden, vielleicht steht es nicht drin –, aufgrund welchen Gesetzes dieser Bericht eigentlich gelegt wird. Man sollte rein theoretisch doch nachschauen können, ob auch all das drinsteht, was laut Gesetz drinstehen sollte. Einen entsprechenden Vermerk habe ich nirgendwo gefun­den. Die Struktur des Berichtes wäre, wie gesagt, ein bisschen überarbeitungswürdig. Der Bericht ist inhaltlich sehr umfangreich und sehr gut, und ich glaube, mit ein biss­chen mehr Struktur könnte man ihn auch besser verkaufen. Im Prinzip geht es um drei Bereiche.

Im Schienenbereich gibt es auch Überblickstatistiken bezüglich der Unfallursachen et ce­tera. Kollege Boden hat schon gesagt, es wäre interessant, wenn diese Statistiken et­was längere Zeiträume erfassen würden. Ich denke, es wäre interessant, auch einen internationalen Vergleich zu erarbeiten, denn wenn zum Beispiel aus der Zahl 31 jetzt 33 wird, so kann man im Prinzip nicht allzu viel damit anfangen. Eine Zahl allein sagt nicht allzu viel aus.

Was aber schon interessant ist und was mich überrascht hat, ist ein doch heftiger An­stieg bei den Beeinträchtigungen des sicheren Betriebs durch Bahnfrevel. Wenn ich das richtig verstanden habe, so geht es dabei zum Beispiel um Beeinträchtigungen dadurch, dass ein Stein auf dem Gleis liegt, und Ähnliches.

Es gibt einen erkennbaren Anstieg bei den unterbliebenen Sicherungen von Eisenbahn­kreuzungen und bei den einfahrenden Straßenfahrzeugen in schließende Eisenbahn­kreuzungen. Über Eisenbahnkreuzungen haben wir schon sehr viel gesprochen und auch schon einiges beschlossen, aber ich denke, dazu gehört auch ein bisschen Be­wusstseinsbildung. Viele Menschen, insbesondere Autofahrer, rechnen einfach nicht mit einem herbeifahrenden Zug, fahren einfach, ignorieren Stopptafeln.

Wenn ich unter „Bahnfrevel“ – ein etwas seltsames Wort – das Richtige verstehe, dann, denke ich, wäre es an der Zeit, dass man auch in diesem Bereich ein bisschen mehr Aufklärung leistet, damit den Menschen, die zum Beispiel einen Stein auf das Bahn­gleis legen, bewusst ist, dass man dadurch auch einigen Schaden verursachen kann. Die Zahl derartiger „Vandalenakte“ – zwischen Anführungszeichen – im Bahnbereich ist, was ich bisher erfahren habe, auch massiv im Steigen begriffen. Ich meine, dage­gen sollte man schon aktiv etwas unternehmen können, insbesondere im Bereich Infor­mation und Aufklärung.

Nun zur Luftfahrt – über Unfälle habe ich zunächst gar nichts gefunden, dann aber doch. Wir haben heute beim zuletzt verhandelten Tagesordnungspunkt Sicherheitsmaßnah­men für ausländische Luftfahrzeuge beschlossen, die unsere volle Zustimmung finden. In dem jetzt vorliegenden Bericht finden wir unter anderem auch Unfälle mit Motorflug­zeugen, Sport- und Privatflugzeugen. Ich greife nur ein Beispiel aus dem Jahr 2007 he­raus: den Flugunfall mit dem Motorflugzeug der Type Diamond DA 42 im Raum St. Pan­taleon.

Nach Untersuchung der Unfallursachen wurde sehr deutlich darauf hingewiesen, dass es bei der Zertifizierung von Luftfahrzeugen offensichtlich schon noch Verbesserungs­


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 140

möglichkeiten – sagen wir es einmal so – gibt, weil manche Dinge offenbar nicht so leicht zertifizierbar sind und weil offensichtlich eine Gesamtanalyse fehlt. Der Bericht enthält Empfehlungen dahin gehend, diese Gesamtanalyse künftig einzuführen und bei den Zulassungsvorschriften geeignete Maßnahmen zu setzen, damit der Pilot besser handeln, den Störungen besser entgegenwirken kann. Es geht auch um die Qualifika­tion von Teilen ausfallkritischer Systeme für Luftfahrzeuge. Im angesprochenen Fall wa­ren offenbar Teile eingebaut, die nicht zertifiziert waren.

Ich denke, das ist schon auch ein Bereich, der in Ihre Kompetenz fällt, Frau Minister Bu­res, und wo offensichtlich Handlungsbedarf besteht. Wenn ich darüber lese, dass Flie­ger unterwegs sind, in die Teile eingebaut sind, die nicht zertifiziert sind, so beunruhigt mich das schon ein bisschen.

Alles in allem, bin ich der Meinung – zumal wir vorhin auch die Sicherheitsmaßnahmen für ausländische Luftfahrzeuge besprochen haben –, wäre es schon gut, wenn man sich die Sicherheitsmaßnahmen für Sport- und Privatflugzeuge auch im Inland näher an­schauen könnte.

Zum Bereich Lkw-Kontrollen hat ebenfalls Kollege Boden schon sehr viel gesagt. Ich denke, die Zahlen zeigen, wie dringend notwendig es ist, diese Kontrollen durchzufüh­ren, und wie dringend notwendig es wäre, diese Kontrollen intensiver und häufiger durch­zuführen, denn das Ausmaß, in dem bei solchen Kontrollen dann wirklich Fahrzeuge aus dem Verkehr genommen werden müssen, zeigt ja, dass man nicht unbedingt mit Kontrollen rechnet. Das ist auch eine Beeinflussung, worüber wir vorhin gesprochen haben. Wenn der Lkw-Besitzer glaubt, er kann mit dem billigen alten Schrot-Lkw durch die Gegend chauffieren, wenn der Lkw-Fahrer seine Arbeitszeiten überschreiten muss, damit er seinen Job behält, et cetera, et cetera, dann, denke ich, läuft da einiges schief. Das ist auch eine Verzerrung der Wirtschaftlichkeit. In diesem Sinne: Es wären einfach mehr Kontrollen nötig, damit diese Dinge abgestellt werden können. (Beifall bei den Grü­nen sowie des Bundesrates Zangerl.)

17.12


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesminister Bures. – Bitte.

 


17.12.30

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Prä­sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist der vierte Tätigkeitsbericht, der hier gelegt wird, und ich glaube, es ist gut, dass wir uns mit den Unfallursachen aus­einandersetzen, weil das dazu führt, dass wir durch Unfallforschung die richtigen Maß­nahmen setzen können, um in Zukunft sozusagen menschliches Leid durch Unfälle hintanzuhalten.

Der Tätigkeitsbericht betrifft die Bereiche Schiene, Luftfahrt, Schifffahrt und die Seilbah­nen. Mit ein Grund dafür, Frau Bundesrätin Greiderer, dass Sie nichts über Zebrastrei­fen gefunden haben, ist, dass der Bereich Straße in dieser Berichtserfassung deshalb nicht vorgesehen ist, weil das über die Exekutive läuft. Aber ich bin ganz bei Ihnen, dass wir eine Diskussion darüber führen müssen, auch aufgrund der zahlreichen Vorfälle, ob Zebrastreifen nicht oft nur vermeintliche Sicherheit geben. Der Bereich Straße ist aber nicht Teil dieses Tätigkeitsberichtes, daher konnten Sie auch nichts darüber finden.

Ich schließe mich all jenen an, die gesagt haben, Regelungen sind nur so gut, so gut sie dann auch kontrolliert werden. Daher war es für mich ganz wichtig, dass wir die Bud­getmittel trotz der schwierigen Finanzsituation genau in diesem Bereich halten können. Die Mittel wurden im Jahr 2008 um 40 Prozent erhöht, und wir werden diese Mittel für den Bereich Unfalluntersuchung auch im Jahr 2010 beibehalten. Wir haben keine Kür­zungen vorgenommen, weil es mir eben sehr wichtig ist, dass die notwendigen Kontrol­len durchgeführt werden können.


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Ich glaube, der Bericht zeigt in allen Punkten eine sehr positive Entwicklung. Das ist zwar immer mit großer Vorsicht zu betrachten – ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie sich Unfälle oder auch eine größere Störung in der Luftfahrt in den Zahlen, aber vor allem in Bezug auf menschliches Leid auswirken –, aber wir haben überall eine positive Entwick­lung.

Um ein Beispiel zu nennen, eine Diskussion, die wir geführt haben und in Zukunft noch führen werden: die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen. Es hat eine Reihe von Inves­titionen und Initiativen gegeben, um Eisenbahnkreuzungen sicherer zu machen, zu be­schranken, mit Lichtsignalanlagen auszustatten, Über- oder Unterführungen zu machen. Dieses Programm ist vor eineinhalb Jahren intensiv angelaufen; es muss noch fortge­setzt werden, aber die Zahlen geben uns recht: Im Jahr 2007 sind noch 31 Menschen auf Eisenbahnkreuzungen ums Lebens gekommen, im Jahr 2009 waren es 14. Das ist mehr als eine Halbierung. Daher ist ein Weiterführen dieser Sicherheitsmaßnahmen auch in Zukunft notwendig.

Zweiter Bereich: Seilbahnen. – Auch da zeigt sich eine positive Entwicklung von 37 Stör­fällen im Jahr 2008 auf 18 im Jahr 2009. Man hat die Empfehlungen der BAV umge­setzt und so für mehr Sicherheit gesorgt.

Auch die Kontrollen der Lkw sind mir ganz wichtig. Die Zahl der nach ihrem techni­schen Zustand überprüften Fahrzeuge betrug im Jahr 2008 33 520 und ist im Jahr 2009 auf 35 698 angestiegen.

Das heißt, die Programme zur Verkehrssicherheit – ob bei Eisenbahnkreuzungen, bei Seilbahnen, in der Schifffahrt –, um die wir uns annehmen, greifen und greifen vor al­lem dann, wenn die Empfehlungen, die aufgrund der Unfallforschung gemacht werden, auch umgesetzt werden. Ich meine, dieser Bericht bestätigt, dass wir hier einen richti­gen Weg gehen. Auch ich bedanke mich bei den Beamtinnen und Beamten für die Er­stellung dieses sehr aufschlussreichen Berichtes. – Danke vielmals. (Allgemeiner Bei­fall.)

17.16


Präsident Martin Preineder: Danke, Frau Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlos­sen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.17.2014. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (714 d.B. und 763 d.B. sowie 8342/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird (654 d.B. und 764 d.B. sowie 8343/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 142

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (713 d.B. und 765 d.B. sowie 8344/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird (712 d.B. und 766 d.B. sowie 8345/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird (715 d.B. und 767 d.B. sowie 8346/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005 geändert wird (676 d.B. und 768 d.B. sowie 8328/BR d.B. und 8347/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsgesetz geändert wird (655 d.B. und 769 d.B. so­wie 8348/BR d.B.)

 


Präsident Martin Preineder: Nun gelangen wir zu den Punkten 14 bis 20 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Ich darf dazu Frau Bundesminister Schmied recht herzlich willkommen heißen. (Beifall.)

Berichterstatter zu den Punkten 14 bis 20 ist Herr Bundesrat Saller. Ich bitte um die Berichte.

 


17.18.32

Berichterstatter Josef Saller: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Na­tionalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunter­richtsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher gleich den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige geändert wird.

Auch dieser liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher gleich den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 143

Weiters: Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schul­organisationsgesetz geändert wird.

Auch dieser liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher gleich den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Weiters: Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufs­reifeprüfungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher gleich den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Es folgt der Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schüler­beihilfengesetz 1983 geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher gleich den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben.

Weiters: Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hoch­schulgesetz 2005 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher sogleich den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Als Letztes: Bericht des Ausschusses für Unterricht, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bildungs­dokumentationsgesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Ich stelle daher den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Martin Preineder: Ich danke sehr herzlich für die Berichterstattung. (Heiter­keit und Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte. (Zwischenruf.)

 


17.21.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Ich kann das auch gar nicht so, wie er das gemacht hat – er hat es ja fast wie ein Notar gemacht. Aber: Kompliment! (Heiter­keit.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt eine ganze Reihe von Gesetzesmaterien unter einem zu ver­handeln und auch zu beschließen. Wir stimmen auch fast allem zu, aber eben nur fast.

Wir stimmen der Änderung des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige zu. Ich finde es wirklich höchst an der Zeit, dass da durch das Modulsystem eine Erleichterung für


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jene geschaffen wird, die neben ihrem Beruf die Matura anstreben. Ich finde es sehr positiv, sie dabei zu unterstützen, denn es ist wirklich hart, neben seinem Beruf fünf Jah­re jeden Tag in die Schule zu gehen (Beifall und Bravoruf der Bundesrätin Blatnik), die Matura zu machen, und wenn man dann Pech hat und in eine gewisse Schülerrolle zurückfällt, was vorkommen kann, muss man ein Jahr wiederholen.

Ich bin sonst schon eher für Schuljahreswiederholungen – aber aus anderen Gründen, weil sich nämlich meistens herausgestellt hat, dass die Fünfer-Kandidaten nicht nur ei­nen Fünfer, sondern drei oder vier Fünfer haben und es für ihre Entwicklung oft wirklich besser ist, das Schuljahr zu wiederholen; das gilt natürlich auch nicht für alle. In die­sem Fall begrüße ich die Änderung aber sehr. (Neuerlicher Beifall und Bravoruf der Bun­desrätin Blatnik.)

Bei der Änderung des Berufsreifeprüfungsgesetzes finde ich es auch sehr positiv, dass jetzt Berufsschullehrer auch ihre Fachgebiete unterrichten dürfen. Das ist eigentlich auch schon länger fällig gewesen.

Dass das Schülerbeihilfengesetz der Änderung bei den Berufstätigen angepasst wird, ist eigentlich nur logisch.

Die Sprachförderkurse waren uns immer schon ein großes Anliegen, und dass sie jetzt verlängert werden, finde ich sehr gut – wir werden wahrscheinlich in zwei Jahren hier stehen und über die nächste Verlängerung nachdenken –, das findet ebenfalls unsere Zustimmung.

Wo es hakt, das ist die Zustimmung zur teilzentralen Matura für die berufsbildenden hö­heren Schulen. Das Gesetz an sich ist ja nicht so schlecht, es ist nicht so, dass wir es in Bausch und Bogen ablehnen und sagen: Wie furchtbar, wie schrecklich!, aber zwei Anmerkungen dazu.

Die eine bezieht sich jetzt nicht wirklich auf die teilzentrale Matura, sie betrifft aber die Bildungsstandards, die bei der Überprüfung für die Schulbücher hier auch zum Tragen kommen. Das gebe ich Ihnen jetzt als Anregung mit, Frau Ministerin, wenn Sie erlau­ben. Im Bereich der Volksschulen gibt es Testhefte zur Überprüfung der Bildungsstan­dards, und da haben mir jetzt ein paar Volksschuldirektoren und auch ein paar Volks­schullehrerInnen gesagt, sie hätten sich das angeschaut und seien damit nicht sehr zu­frieden.

Wogegen richtet sich die Kritik? – Dass weniger die Fertigkeiten und das Wissen abge­prüft werden, sondern mehr Lösungskompetenz und Logik. Das ist nicht generell etwas Schlechtes, etwas, was man unbedingt ablehnen muss, aber die Volksschullehrer sind sich ziemlich einig darin, dass die Volksschüler damit noch überfordert sind und mit die­sen Tests nicht ganz zurechtkommen. Vielleicht kann man sich das anschauen, und vielleicht kommt man zu einem besseren Test, der auch mehr Aussagekraft hat, was die Volksschüler angeht. Da geht es ja noch darum: Was können sie? Wie können sie lesen, schreiben, rechnen?

Vielleicht ist die Kritik auch gar nicht so sehr berechtigt. Ich möchte jetzt nicht behaup­ten, dass das ganz sicher so ist, aber vielleicht kann man sich das anschauen.

Bei der teilzentralen Matura im BHS-Bereich ist unsere Kritik ähnlich geartet wie bei der AHS. Aus zwei Gebieten kann man eine mündliche Frage ziehen. Das ist, wie wenn ich in den Glückstopf greife, und wenn ich Glück habe, habe ich einen Gewinn gezogen, oder ich habe Pech und habe eine Niete gezogen.

Wir wissen, dass Schüler nicht immer alles gleich gut gelernt haben, alles gleich gut kön­nen. Wir wissen auch, dass Schüler manchmal eine echte Blockade haben und selbst dort, wo sie etwas können, nichts mehr geht. Wir glauben, dass mit nur einer Frage


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 145

aus dem betreffenden Gebiet dem Schüler die Möglichkeit genommen wird, sich noch zu bewähren und zu beweisen. So, wie es bisher war, mit drei mündlichen Fragen, kann ich schon drüberturnen, kann ich auch wieder zurückkommen zur ersten Frage, und dann ist das Wissen vielleicht auch plötzlich wieder da und die Blockade damit aufge­hoben.

Wir schauen sonst sehr auf den Schüler, stellen den Schüler in den Fokus und sagen, wir müssen ihn unterstützen, ihm helfen, ihn fördern und fordern. Das ist alles richtig, aber das könnten wir bei der teilzentralen Matura, vor allem bei der mündlichen Frage, auch tun.

Daher: Zustimmung zu allen anderen Punkten – leider ein Nein zur teilzentralen Matura für die BHS. (Beifall bei der FPÖ.)

17.26


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile es ihr.

 


17.26.42

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die vor­liegenden Novellierungen von sieben Bundesgesetzen – ich zitiere sie jetzt nicht auch noch einmal; ich glaube, wir kennen sie mittlerweile – beinhalten umfassende Neurege­lungen, die insgesamt auf eine zeitgemäße Adaption der Regelungsinhalte abzielen, wie sie in vernünftiger Weise ein modernes Bildungswesen sowohl von der inhaltlichen Zielsetzung als auch von der praktischen, administrativen Vollziehung verlangt. Ich darf aber jetzt ganz kurz auf die einzelnen Novellierungen eingehen.

Als Erstes natürlich etwas länger auf das Schulunterrichtsgesetz. Die Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes zielt auf die konsequente Fortführung der bereits im Vorjahr in diesem Gesetz verankerten Einführung der teilzentralen Reifeprüfung im Bereich der allgemeinbildenden höheren Schulen ab. Der bisher nicht erfasste Bereich der berufs­bildenden höheren Schulen einschließlich der höheren Anstalten der Lehrerbildung und Erzieherbildung wird damit, zwar zeitversetzt, aber fundiert geplant, nunmehr in diese bahnbrechende und fortschrittliche Regelung einbezogen.

Die teilstandardisierten Abschlussprüfungen schaffen die Voraussetzungen für die Si­cherstellung eines vergleichbaren Niveaus der unterschiedlichen Schularten auf der Ebene der Reifeprüfungen im AHS-Bereich und der Reife- und Diplomprüfung im BHS-Bereich.

Ein weiterer Bereich der Novelle regelt die zeitgemäße Vorgangsweise bei der Approba­tion von Unterrichtsmitteln. Dies gilt besonders für Schulbücher, die aufgrund veralteter Bestimmungen aus dem Jahre 1974 in kostenaufwändigen und langwierigen Verfahren approbiert wurden. Die neuen Verfahren stellen sicher, dass der Weiterentwicklung der pädagogischen Ansprüche im fächerübergreifenden Kompetenzerwerb Rechnung getra­gen wird.

Das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige entspricht nicht mehr den organisatorischen Anforderungen für Studierende, die im zweiten Bildungsweg eine höhere schulische und berufliche Qualifikation anstreben. Untersuchungen haben gezeigt, dass von den Studierenden vermehrt der Wunsch nach Einführung eines Modulsystems geäußert wird. Die nunmehr geplante Einführung des Modulsystems an Schulen für Berufstätige bei gleichzeitigem Entfall der Wiederholung von Schulstufen ändert die bisherige inneror­ganisatorische Struktur.

Generell kann bei Umsetzung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen die Pla­nung und Organisation des Unterrichtsangebotes des jeweiligen Bildungsganges flexib­


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ler und somit bedarfsgerechter erfolgen. Gleichzeitig gewährleistet diese Flexibilität die noch individuellere Betreuung der Studierenden.

Das Schulorganisationsgesetz soll als Begleitmaßnahme die Einführung dieser modula­ren Unterrichtsorganisationen regeln. Studierende können durch eine Modulwahl indi­viduelle Unterrichtsplanungen vornehmen und damit die Bildungslaufbahn individueller gestalten. Wo bisher auf Klassen und deren Aufbau und auf die Gliederung nach Se­mestern abgestellt wurde, muss das modulare System auch schulorganisationsrecht­lich entsprechend verankert werden.

Außerdem enthält die Novelle die begrüßenswerte Regelung über die erfolgreiche Fort­führung von Sprachförderkursen.

Das Berufsreifeprüfungsgesetz enthält die sinnvolle Ergänzung, dass Lehrer für den fach­theoretischen Unterricht an Berufsschulen sowie an berufsbildenden mittleren und höhe­ren Schulen nunmehr auch Vortragende in Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Be­rufsreifeprüfung sein dürfen.

Das Schülerbeihilfengesetz 1983 bedarf im Hinblick auf die erwähnte Einführung des modularen Systems an den Schulen für Berufstätige der Änderung, dass Module in einer bestimmten Anzahl der durchschnittlichen Gesamtwochenstundenzahl eines Semes­ters der bisherigen Ausbildung gleichzuhalten sind, um weiterhin den Anspruch auf Bei­hilfen zu sichern.

Das Hochschulgesetz – ich möchte es nur ganz kurz erwähnen; da gibt es wahrschein­lich Profundere, die darüber noch sprechen werden – enthält neben einer Neuregelung der Studienausweise wesentliche Bestimmungen, die Absolventen früherer Lehramts­studien die Nachgraduierung zum Bachelor und den Zugang zum Masterstudium ermög­lichen.

Als Letztes möchte ich das Bildungsdokumentationsgesetz erwähnen. Es soll durch die Einführung eines Datenverbundes für die Pädagogischen Hochschulen vergleichbar je­nen an den Universitäten ergänzt werden.

Zusammenfassend: Die vorgesehenen Neuregelungen scheinen sinnvoll, gut gelungen und einer fortschrittlichen Gesetzgebung angemessen zu sein. Ich schlage daher vor, der Bundesrat möge den vorliegenden Novellierungen zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Mitterer.)

17.33


Präsident Martin Preineder: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


17.33.25

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Grüß Gott, Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident, wie Sie in Ihrer Eingangsrede angemerkt haben, plant der Bundesrat eine Enquete zum Thema Bildung. Das ist sehr begrüßens­wert. Ich habe eine riesengroße Bitte an alle: Diskutieren wir doch nicht mit ideologi­schen Scheuklappen! Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten, kann man sa­gen, gesehen, wohin uns das geführt hat, und das nicht nur im Bildungsbereich.

In einer halben Stunde oder in einer Stunde findet eine Demonstration zum Fall Arigo­na Zogaj und ihrer Familie statt. Es ist genau diese Politik, die Probleme produziert, und das brauchen wir nicht. Jeder Tag, den wir hier vergehen lassen, ist ein Tag, den wir verlieren, denn im Mittelpunkt müssen unsere Kinder und Jugendlichen stehen. Wir müs­sen garantieren, dass sie die bestmögliche Ausbildung bekommen, dass sie ein Lern­umfeld vorfinden, in dem sie mit ihren Kompetenzen und Fähigkeiten und als Individuen im Mittelpunkt stehen, aber auch mit ihren Defiziten, ein Umfeld, in dem Lehrer und


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Lehrerinnen aktiv sind, die den Stoff entsprechend vermitteln können, die Spaß am Leh­ren haben.

Ich nehme an, es wird Ihrer werten Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, denn Sie ha­ben ja ein großes Interview im „Standard“ gehabt, wo man am letzten Samstag einen Schwerpunkt auf das Thema Bildung gelegt hat: Da hat man das skandinavische Mo­dell – Finnland, Schweden – mit dem österreichischen Modell verglichen. Das gilt nicht nur für diesen Bereich, aber wenn man sich anschaut, wie viel Ressourcen und Mittel wir dafür aufwenden und was der Output ist, muss man sagen: Da haben wir allerhöchs­ten Handlungsbedarf.

Die Finnen haben den Ansatz – ich glaube, diesen Ansatz sollten auch wir überneh­men –, dass sie es sich einfach nicht leisten können, dass Kinder und Jugendliche ein­fach sitzenbleiben oder fallengelassen werden. Das Schuljahresende naht, in ein paar Wochen ist Semesterende, und wir werden in etwa 14 500 oder knapp 15 000 Kinder und Jugendliche haben, die mit einem Nichtgenügend oder mehreren Nichtgenügend die Klasse wiederholen werden müssen oder sitzenbleiben. Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedenken Sie das! Ich glaube, es bedarf hier keiner weiteren Ausführung, was das für den weiteren Berufsverlauf bedeutet.

Aber nun zu der vorliegenden Gesetzesmaterie. Hier möchte ich eines explizit betonen: Ich bin zwar als Kontraredner gemeldet, aber ich bin nur mit einem Punkt nicht zufrie­den – alle anderen Punkte kann ich mittragen –, und das ist der Punkt der Bildungsdo­kumentation. Wir haben das auch im Ausschuss diskutiert. Für mich ist nach wie vor nicht nachvollziehbar, warum wir eine Sozialversicherungsnummer anführen und diese verwendet wird. Ich denke, die Sozialversicherungsnummer sollte dort belassen werden, wohin sie gehört, nämlich im sozialversicherungstechnischen Bereich. Man könnte hier auch den Vorschlag des Datenschutzrates aufgreifen, wonach mittelfristig Personen­kennzahlen eingeführt werden sollen, ähnlich wie die Matrikelnummern an der Universität.

Aber jetzt zum Thema Bildung. – Es sind einzelne Verbesserungsvorschläge da. Das ist gut und sehr schön, die brauchen wir besser gestern als heute. Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber es ist nicht der große Wurf, den wir in der Bildungsdebat­te brauchen würden, denn die Entwicklung der Gesellschaft muss sich auch mit der Ent­wicklung in der Bildungslandschaft im Einklang befinden. Was im 19. Jahrhundert gut war, passt eben für das 21. Jahrhundert nicht mehr, und das müssen die Bewahrer und Blockierer endlich einmal begreifen.

Das differenzierte Bildungssystem ist ein Spiegel, ein Spiegel der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts: Die Volksschule für das Volk, Bürger- beziehungsweise Hauptschule für die Bürger und die Mittelschicht und das Gymnasium für die oberen Schichten. Nun liegt es doch auf der Hand, dass wir es heute mit einer ganz anderen Gesellschafts­struktur zu tun haben, die aus einer breiten Mittelschicht besteht, und deswegen ist eine gemeinsame Schule für alle nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ) für den Zusammenhalt der Gesellschaft und für eine optimale Förderung unserer Kinder und Jugendlichen.

Ich bin zwar nicht so sensibel in dieser Materie, aber es ist doch kennzeichnend, wenn man eine solch wichtige Debatte am Ende eines doch langen Plenartages ansetzt, wo manche schon auf die Uhr schauen, viele schon weg sind und manche vielleicht gera­de noch aufpassen. Ich versuche, es dennoch spannend zu halten, und ich hoffe auch, dass mein Kollege Andreas Schnider zur Gesamtschule noch einige Worte sagen wird. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

Wir müssen in unserer Umgebung auch jene berücksichtigen, die aufgrund ihrer fami­liären Situation nicht die schulische Unterstützung bekommen können und nicht so ge­


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fördert werden können, wie sie es brauchen würden. Da ist es unsere Aufgabe als Staat und als Gesellschaft, aber auch als Politiker, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Defizite dieser Kinder und Jugendlichen ausgeglichen werden können. Es kann und darf einfach nicht passieren, dass ein beträchtlicher Teil unserer Schulabgänger und Schulabgängerinnen aus den dritten Leistungsgruppen keine Lehrstelle findet, weil es eben an wesentlichen Qualifizierungen mangelt.

Da ist es notwendig, sich über die Ausgestaltung des Unterrichts Gedanken zu machen. Und das kann man halt nur, wenn man auch ein motiviertes Lehrpersonal hat, das unter­nehmungslustig ist und die jungen Menschen, Kinder und Jugendlichen zu einem kriti­schen Denken, zu einem eigenständigen Denken motiviert.

Aber im Augenblick sind eigentlich alle beteiligten Gruppen – und das unterstreiche ich: alle beteiligten Gruppen! – unzufrieden: einerseits die Lehrer und Lehrerinnen, die in unterschiedliche Kategorien mit unterschiedlicher Bezahlung eingeteilt werden, anderer­seits die Eltern, die Angst haben, ihre Kinder könnten unter Umständen durch eine fal­sche Schulwahl ins Hintertreffen gelangen, aber auch die Kinder selbst. Und das ist ei­gentlich der größte Skandal, und das ist das, was ich am meisten kritisiere an der laufen­den Debatte: dass nicht die Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen, sondern meistens nur am Rande erwähnt werden!

Wir haben, wie eingangs angemerkt, nun schon seit Jahren und Jahrzehnten eine schwe­lende Bildungsdebatte, die immer wieder von einigen Wenigen, aber dennoch sehr Ge­wichtigen und Mächtigen leider Gottes, muss ich in dieser Sache betonen, erstickt wird – doch die Flammen lodern!

Die Flammen lodern – und ich freue mich, wenn die Wissenschaftsministerin ein „Gym­nasium für alle“ einfordert, der Wirtschaftskammerpräsident die erstarrte Haltung der ÖVP-Führungsclique kritisiert und für radikale Reformen eintritt.

Die Wirtschaft weiß ganz genau, was sie will, und sie weiß auch, was sie braucht, näm­lich Arbeitskräfte, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen sind: selbst­bewusste, kritische, kreative Menschen, die etwas können und die sich auch etwas zu­trauen.

Ich möchte jetzt noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Unser Bildungssystem ist für unsere Kinder da – und nicht für die Vertreterinnen und Vertreter des ÖAAB! Natürlich sollen die Vertreter und Vertreterinnen der Lehrer deren Interessen auch vertreten, aber vertritt ein Herr Neugebauer wirklich noch die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer, oder handelt er vielmehr aus Gewohnheit und Reflex?

Wie schon eingangs erwähnt, unterstütze ich die klitzekleinen Änderungen im Bildungs­system – aber nur deswegen, weil sie vor allem im Interesse der Kinder und Jugendli­chen sind! (Zwischenruf des Bundesrates Kainz.)

Es ist gut, wenn endlich modularer Unterricht erleichtert und gefördert wird, wenn das System durchlässiger wird, wenn die Auszahlung der Schülerbeihilfe eine Spur gerech­ter wird, wenn sich Lehrerinnen und Lehrer auch weiterbilden können.

Aber all das ist nicht genug! Wir brauchen eine umfassende Reform, die von der Kin­dergartenpädagogik, also vom Kleinstalter, bis zur Andragogik reicht. Dazu braucht es Mut und Durchsetzungskraft – und das wünsche ich vor allem der Bildungsministerin und dem Bundeskanzler, der sie dabei hoffentlich unterstützen wird! – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Schnider.)

17.43


Präsident Martin Preineder: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Astleitner. – Bitte.

 



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17.43.16

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich eingangs den Ausführungen meines Landsmanns Efgani Dönmez anschließen und auch mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass diese wichtige Materie so spät verhandelt wird.

Ich möchte mich in meinen Ausführungen vor allem auf den ersten Punkt beziehen, und zwar auf die teilzentrale Matura, und dazu Frau Kollegin Mühlwerth ein paar Beispiele aus der Praxis zu Gehör bringen.

In Oberösterreich war es so, dass nach der Baseline-Testung – du hast vorhin diese Abtestung der Bildungsstandards in den Volksschulen erwähnt – unser Landeskoordi­nator mehrere Volksschulen besucht und die Kinder gefragt hat, wie es ihnen denn ergangen ist. Und er hat sie gebeten, mit fünf Fingern aufzuzeigen, wenn es sehr gut war, und bei allen Klassen war das fast immer der Fall. Einmal hat ein Mädchen die Faust in der Höhe gehabt, und er hat es dann gefragt, warum. Darauf hat das Mädchen gesagt: Mir war das ein bisschen zu leicht!

Ganz nett waren auch die Aussagen, die gekommen sind: Eigentlich war das Kreuzerl­machen lustig!, oder: Wir haben uns sehr angestrengt! Und weil etwas abgefragt wurde, was noch nicht so ganz unterrichtet worden war, hat ein Kind auch geschrieben: Man sollte uns das fragen, was wir schon können!

Es wurden auch die Lehrerinnen und Lehrer befragt, wie sie mit den Bildungsstandards arbeiten können, und da darf ich berichten, dass die oberösterreichische Schulaufsicht im Mai eine Umfrage unter Lehrerinnen und Lehrern gemacht hat, was sie noch an Wünschen haben und an verschiedensten Dingen brauchen, um mit Bildungsstandards gut umgehen zu können. Es ist interessant, dass 70 Prozent der Lehrerinnen und Leh­rer gesagt haben: Die Arbeit mit den Bildungsstandards trägt zur Verbesserung des Un­terrichts bei!

Es gab noch andere Aussagen. Wir hatten insgesamt 46 Items, die wirklich von großem Interesse sind. Natürlich kann ich jetzt nicht alle aufzählen, aber ein paar möchte ich anführen.

Zum Beispiel: Wer diese Auffassung vertritt – das ergab diese Umfrage –, sieht die Bil­dungsstandards als effiziente Qualitätsentwicklung im österreichischen Bildungssystem, sieht die Bildungsstandards nicht im Widerspruch zu den Praxiserfahrungen und be­greift die Bildungsstandards als Ansatzpunkt für mehr Chancengerechtigkeit.

Die Bildungsstandards sind ja keine Prüfungen im üblichen Sinn. Sie sollen zeigen, was sich Schülerinnen und Schüler in mehreren Jahren angeeignet haben, und sicherstel­len – mir als Vertreterin der Schulaufsicht ist es besonders wichtig, das hier zu sagen –, dass alle Schulkinder über gewisse Kompetenzen verfügen, egal, aus welcher Schule sie kommen, und darauf muss der Unterricht abgestimmt werden, unterstützt auch – das ist auch ein wichtiger Punkt – durch entsprechende Schulbücher.

Die neue Reifeprüfung im Bereich der AHS und nun auch als Vorlage für eine Geset­zesänderung im Bereich der BHS ist für mich eigentlich die logische Weiterentwicklung der eingeführten oder einzuführenden Bildungsstandards. Auch sie beruhen darauf, dass alle Schülerinnen und Schüler über bestimmte Kompetenzen verfügen, unter Berück­sichtigung – und das möchte ich hier auch betonen – der schulautonomen Schwerpunk­te und unter bestmöglicher Einbindung aller Betroffenen.

Es geht auch da – so wie im Pflichtschulbereich – um bessere Vergleichbarkeit sowie um Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Es ist, wie Sie, Frau Ministerin, selbst sa­gen, ein Meilenstein, ein großer Schritt, der eine große Herausforderung für alle Beteilig­


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ten ist, wenn man bedenkt, dass im Schuljahr 2014/15 über 660 Schulen 45 000 Schü­lerinnen und Schüler sowie 4 500 Lehrer die standardisierte Matura durchführen sollen, was, wie ich meine, einer sorgfältigen Koordinierung und Koordination bedarf.

Ich darf hier aber auch erwähnen – und das hat mir unser Landeskoordinator sozusa­gen mitgegeben für das Parlament –, dass die Zusammenarbeit mit dem Bildungsfor­schungsinstitut in der letzten Überprüfungsphase sehr, sehr gut funktioniert hat. (Bun­desministerin Dr. Schmied: Danke!)

Meine Fraktion stimmt aus den obgenannten Gründen den vorliegenden Entwürfen zu. (Bundesrat Mag. Klug: Bravo!)

Zum Schluss darf ich ein paar Gedanken bringen aus dem Buch „Leadership: Kraft zum neuen Denken“ von Wilfried Schley und Michael Schratz: Der Anfang stellt die Weichen. Sorgsam und bewusst beginnen. Alle, die wollen, mitnehmen, in Achtung und Wert­schätzung für unterschiedliches Tempo. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen sowie der Bundesministerin Dr. Schmied.)

17.48


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Er­litz. – Bitte.

 


17.49.00

Bundesrat Mag. Wolfgang Erlitz (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach der Reform der Reifeprü­fung an den allgemeinbildenden höheren Schulen wird nun auch die Matura an den berufsbildenden höheren Schulen reformiert – eine logische und notwendige Konse­quenz, um auch dort eine standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung einzurich­ten.

Mit dieser Maßnahme hat Frau Bundesministerin Schmied einen – mit Fug und Recht darf man das behaupten – weiteren entscheidenden Mosaikstein in ihr bildungspoliti­sches Gesamtbild, ihr bildungspolitisches Gesamtkonzept zur qualitativen Weiterentwick­lung unseres Schulsystems gesetzt.

Ab dem Haupttermin 2015 wird auch an den berufsbildenden höheren Schulen die teil­zentrale Reifeprüfung Einzug halten. Ich möchte mich da gar nicht lange aufhalten, son­dern nur sagen: Sie folgt quasi nicht ganz im Gleichschritt, nicht ganz im Gleichklang mit der Reifeprüfung Neu in der AHS, aber doch im Fahrtwind dieser.

Diese teilzentrale, standardisierte Reifeprüfung stellt eine schlüssige – wir haben es ge­rade gehört: die Bildungsstandards stellen eine Voraussetzung dafür dar – Fortsetzung oder, besser gesagt, einen bündigen Abschluss der Bildungsstandards in der vierten be­ziehungsweise achten Schulstufe dar.

Mit der Einführung der Bildungsstandards – heute haben wir auch von den Standards in der Luftfahrt gehört, die der Luftfahrt Sicherheit geben –, die man als einen Meilenstein in unserer Schulentwicklung betrachten kann, kommen auf die Schule und auf die Pä­dagoginnen und Pädagogen neue An- und Herausforderungen zu – das ist ein Paradig­menwechsel, und es wird auch eine Zeit brauchen, um sich damit vertraut zu machen –, die der pädagogischen Arbeit mehr Sicherheit und eine bessere Orientierung geben. Die Überprüfung der Leistungsfähigkeit unseres Schulsystems über die Bildungsstandards hat einen hohen Wert im Sinne von Rückmeldung, von Mahnung und Ermutigung an die Schule beziehungsweise an die Lehrenden.

Aber entscheidend für mich ist bei diesen Bildungsstandards, dass bei der Überprüfung derselben auch die Schulleitungen beziehungsweise die Lehrerinnen und Lehrer selbst eingebunden sind. Sofern ich richtig informiert bin, kommen ab 2012 etwa 9 000 Lehrer


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und Lehrerinnen als Testadministratoren hier zum Einsatz. Mit der Einbindung der Päda­goginnen und Pädagogen in diesen Bildungsstandardprozess ist für mich auch eine kla­re Botschaft verbunden, nämlich: Die Schule und die Pädagogenschaft selbst zeigen da­mit großes Interesse an diesen Rückmeldungen. Sie selbst sind interessiert, sie selbst sind eingebunden, das ist nicht fremdbestimmt, ihnen wird nicht irgendetwas aufge­pfropft, sondern sie selbst sind dabei, sie selbst sind bei dieser Prüfung dabei und zei­gen Interesse für eine qualitative Weiterentwicklung ihres Unterrichts. Und das bedeutet auch – das möchte ich auch festhalten – den Beginn einer neuen Kultur, einer Feed­back-Kultur an unseren Schulen, im Schulwesen, die in anderen Bildungseinrichtungen längst Einzug gehalten hat, wie zum Beispiel an den Universitäten, wo Feedback etwas Normales ist.

Vor Kurzem waren Vertreter der steirischen Schülervertretungen bei mir, die gemeint ha­ben, die Feedback-Kultur gehöre überhaupt ausgebaut, auch die Schüler selbst müss­ten in dieses Rückmeldesystem stärker eingebunden werden. Ich denke, wenn ich Leh­rer bin, habe ich doch selbst Interesse daran, möchte ich wissen, wie ich bei den Schü­lern ankomme, wie mein Unterricht bei den Schülern ankommt. Das heißt, das ist der Beginn einer Feedback-Kultur, die wahrscheinlich in Zukunft noch weiter ausgebaut wird, und zwar in Form von Überprüfung, Feedback und Bewertung.

Zum SchUG-B: Einführung des Modulsystems. – „Lifelong-Learning“ ist heute ein viel­zitiertes Zauberwort. Fort- und Weiterbildung ist die beste Prophylaxe gegen Arbeitslo­sigkeit und der Schlüssel zum Arbeitsmarkt. Natürlich müssen, damit der Schlüssel auch sperrt, die notwendigen Rahmenbedingungen und entsprechende nutzerfreundliche Struk­turen geschaffen werden. Und das geplante modulare System ermöglicht eben mehr Fle­xibilität, individuelle Gestaltungsmöglichkeit und vor allem eine bessere Anpassung an die Situation von bildungswilligen Berufstätigen.

Ich betrachte überhaupt das Kurssystem grundsätzlich als eine schülerfreundliche Wei­terentwicklung unseres Schulsystems, und es wäre überhaupt erfreulich, dieses Kurs­system auch an den Oberstufen insgesamt, AHS, BHS, anzubieten. Nicht zuletzt ent­fällt auch die Wiederholung ganzer Schulstufen mit allen Gegenständen, deren pädago­gische Sinnhaftigkeit – von der ökonomischen spreche ich gar nicht –, nämlich die Wie­derholung der gesamten Schulstufe, mit Fug und Recht angezweifelt werden darf.

Aber worauf ich hinweisen möchte bei Weiterbildung, dem Schlüssel zum Arbeitsmarkt: Wenn Bildung wirklich der beste Schutz vor sozialer Ausgrenzung und Armut ist – alle Statistiken zeigen, dass höhere Bildung auch zu mehr Beschäftigungschancen und zu höherem Einkommen führt –, dann muss es ein gesamtgesellschaftliches Anliegen sein, ein nicht unwesentliches Problemfeld in Österreich zu bearbeiten und als solches zu beseitigen, und das sind die sogenannten Early-School-Leavers, das heißt, die frühen Schulabbrecher. Davon haben wir in Österreich nicht wenig, nämlich 10 000 pro Jahr.

10 000 Jugendliche pro Jahr verlassen unser System ohne ausreichende Minimalbildung. Die sind genau definiert: Das sind Schüler, die maximal, wenn überhaupt den Hauptschul­abschluss haben, keinen Lehrabschluss haben, keinen Fachschulabschluss haben und keine Matura haben. Also eine große Bandbreite: von keinem Hauptschulabschluss bis keine Matura. Und dieses vorliegende Problem verschärft sich noch dadurch, dass bis zum Jahr 2020 die Zahl der 15- bis 19-Jährigen in Österreich gegenüber 2007 um 13 Pro­zent abnimmt. Das bedeutet um weitere 65 000 weniger 15- bis 19-Jährige. Das heißt, die Zahl der ersteintretenden jungen Menschen in das Beschäftigungssystem beziehungs­weise in die Lehre in dieser Zeit wird weiterhin stark reduziert. Das heißt wiederum: Der Facharbeitermangel ist vorprogrammiert, wenn wir hier nicht ansetzen.

Wenn wir die Zahl der Risikoschüler und Risikoschülerinnen – PISA sagt, wir haben un­gefähr 30 Prozent Risikoschüler, die zumindest in einem der Kompetenzbereiche Ma­


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thematik, Lesen und Naturwissenschaften Schwächen, und zwar große Schwächen ha­ben – senken wollen, wenn wir Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit wirklich in die Tat umsetzen wollen, dann müssen wir zu einer anderen Schulorganisation greifen, dann müssen wir eine andere Schulorganisation mit anderen Lernmöglichkeiten, mit anderen Lerngelegenheiten, mit anderen Erfahrungsmöglichkeiten schaffen.

Das sind zum Beispiel ganztägige Schulformen, mit einer völligen Neugestaltung, mit einer neuen Strukturierung, Rhythmisierung des Tagesablaufs. Das ist auch die Aus­weitung des Erfolgsmodells Neue Mittelschule, die die Möglichkeit hat – und auch wahr­nimmt –, stärker auf die Potenziale und Fähigkeiten der Kinder zuzugehen, diese aus­zuloten und individuelle Fördermaßnahmen anzubieten und so Kinder wirklich bestmög­lich in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Auch die Verlängerung der Sprachförderkurse bis 2011/12 und deren Ausweitung auf die AHS-Unterstufe stellen eine weitere unverzichtbare Maßnahme dar, Kindern mit Mi­grationshintergrund die Teilnahme am weiteren Bildungsweg zu ermöglichen und damit die Chancen für einen erfolgreichen Eintritt in unser Beschäftigungssystem sicherzu­stellen, denn viele dieser 10 000 Kinder, deren Fähigkeiten versickern, die quasi durch den Rost fallen, sind gerade Kinder mit Migrationshintergrund. Und früher Bildungsab­bruch ist verbunden mit Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Und Arbeitslosigkeit ist, wie wir wissen, verbunden mit sozialer Ausgrenzung. Und soziale Ausgrenzung ist der Sprengstoff gegen den sozialen Zusammenhalt.

Deswegen muss es uns gemeinsam gelingen, dieses Gefährdungspotenzial zumindest zu minimieren oder, besser, gänzlich zu beseitigen durch eine entsprechende Reform unserer Schulorganisation. Und ich lade alle ein, da mitzuhelfen und die Frau Bundes­ministerin dabei zu unterstützen, die auf dem besten Weg ist, unsere Schulorganisation zu reformieren.

Frau Ministerin, alles Gute! – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bun­desrates Mitterer.)

17.58


Präsident Martin Preineder: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schni­der. – Bitte.

 


17.58.29

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist nie zu spät, über Bildung zu reden, selbst wenn wir 4 Uhr in der Früh hätten. Aber das, was uns hier im Bundesrat auszeichnet, ist, dass wir uns für bestimm­te Themen auch dementsprechend Zeit nehmen, denn wenn wir uns die Rednerinnen- und Rednerliste anschauen, dann sehen wir, dass die meisten RednerInnen hier zu Wort gemeldet sind.

Wir haben im Vorfeld diskutiert, ob das so sein soll oder nicht, und haben uns entschie­den, dass es so sein soll, weil damit auch symbolisch zum Ausdruck gebracht wird: Die­ses Thema ist es uns wert, dass hier darüber geredet wird.

Das Thema „Bildung und Reform“ – du, Herr Kollege Dönmez, hast es angesprochen; und ich freue mich ganz besonders, dass unser neuer Präsident sich auch dieses The­mas angenommen hat – ist ein Thema, zu dem wir im Unterrichtsausschuss, wo ich dabei sein konnte mit den Bundesräten Dr. Magnus Brunner und Josef Kalina, ange­merkt haben, dass man da schauen muss, dass etwas weitergeht. Da müssen wir ein­fach auch aufpassen, dass es zwischen Bund und Ländern eine gute Lösung gibt. Es muss hier, glaube ich, mit aller Vorsicht, gerade auch im Sinne der Subsidiarität, über­legt werden, wer was am besten und am effizientesten kann, damit es auch hier ein gu­


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tes, zukunftsweisendes Signal gibt. Darauf freue ich mich, und ich danke dem Martin Preineder dafür, dass er hier eine Initiative ergreift. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Mitterer.)

Heute – und das haben ja schon alle meine Vorrednerinnen und Vorredner sehr deut­lich vorgebracht – stehen hier wichtige Gesetzesnovellierungen auf dem Programm. Das sind aber nicht nur Einzeldinge, von denen man sagt: Jetzt haben wir alles in ein Paket hineingebracht. Meine Meinung wäre die, dass wir über jeden dieser Punkte eine Ex­tra-Debatte führen könnten. Aber es hat, glaube ich, auch einen Sinn, das in einem Pa­ket zu diskutieren, weil es zeigt, dass jeder dieser Punkte für die gesamte Bildungsde­batte wesentlich ist. Ich werde versuchen, das in aller Kürze aufzuzeigen.

Erstens: Matura neu. Hier steht das Thema im Vordergrund – das ist angesprochen wor­den –: standardisierte Elemente. Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren – da sind wir uns alle, auch meine Vorrednerinnen und Vorredner, hier einig gewesen –, dass das einen Sinn macht, aber nicht nur, weil das bereits 22 EU-Staaten in ihren Konzepten drinnen haben, sondern weil das auch einen Sinn in Richtung Vergleichbarkeit hat. Und vor allem hat es einen Sinn – das ist auch angesprochen worden – in Richtung Kompe­tenzen-Orientierung.

Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass die Materialien und Bücher jetzt auch dement­sprechend abgestimmt werden. Es wurde schon gesagt: 1974, da liegt wohl etliche Zeit dazwischen. Aber ich bin auch froh darüber – und wir haben es in unserer Ausschuss­sitzung angesprochen –, dass im Nationalrat ein Entschließungsantrag betreffend bar­rierefreie Schulbücher und Unterrichtsmittel eingebracht worden ist.

Ich halte es für ganz, ganz wichtig, hier wirklich Acht darauf zu geben, dass auf jeden – egal, wo seine Stärken, aber auch seine Schwächen liegen, ich möchte gar nicht von Behinderung reden, sondern einfach davon, wo seine Schwächen im Leben liegen – Rücksicht genommen wird. Denn es kann nicht sein, dass jemand, der nicht hören kann, weil er taub ist, praktisch aufgrund eines Hörbeispiels irgendwelche Dinge erzählen soll, und, und, und. Das heißt, darauf ist bei ausgewählten Materialien Rücksicht zu nehmen, und so freue ich mich darüber, dass es das auch hier gibt.

Aber auch weitere Punkte: Sprachförderung, Sprachen und Sprachkompetenz, das ist, glaube ich, ein wirklich wichtiger Standard und ein wesentlicher Maßstab.

Oder – Frau Kollegin Mühlwerth hat es angesprochen – gerade was Berufsmatura und so weiter betrifft, Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Ausbildung, das halte ich für ganz wichtig, und in dem Zusammenhang auch, dass endlich – und da sind wir ja im Zusam­menhang dessen, was das Hochschulgesetz 2005 betrifft –, wenn wir von Lehre reden, auch im Gesetz definiert wird, was damit gemeint ist, Aus-, Weiter- und Fortbildung, und dass wir das endlich als ein Gesamtpaket ansehen.

Oder, auch im Hochschulgesetz 2005: Welche Personen dürfen was tun? – Jetzt sage ich schon etwas, das möchte ich hier ein bisschen einschränkend sagen, ich habe es im Ausschuss auch gesagt: Da sind wir auf dem richtigen Weg, aber da sind wir noch nicht ganz weit. Jetzt habe ich ein bisschen den Eindruck, dass das – die Pädagogischen Hochschulen stehen sichtlich dahinter, auch konkrete Forderungen – nur so etwas wie Notfallparagraphen sind, weil wir hier lang und breit darüber diskutieren müssen, wer ein Institut leiten darf, und dass das eigentlich im Grunde nur ein Stammpersonal leiten darf. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Wissen Sie, wer heute nach wie vor zum Stammpersonal gehört? – Jemand, der eine Lehrerin oder ein Lehrer mit einem Lehramtszeugnis ist und mindestens vier Jahre an einer Schule unterrichtet hat. Das ist typisch ein altes Akademiegesetz. Da sind wir längst dran, da müssen wir längst einmal hergehen und sagen: Freunde, da gehört gesetzlich


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etwas verändert, denn wenn wir heute Forschung und Lehre zusammenbringen wollen, dann werden wir niemals Leute von Universitäten oder anderen Hochschul-/tertiären Ein­richtungen herbringen, wenn wir nur sagen: Alle, die ein Institut leiten dürfen und die dort lehrend tätig sind, dürfen im Grunde nur StammlehrerInnen sein.

Denn da steht jetzt leider auch nur drin: Im Notfall, wenn man keinen Geeigneten fin­det, dürfen wir einen anderen nehmen. Ich muss ganz ehrlich sagen, das halte ich für ein Notfallgesetz. Da müssen wir – schon auch in Richtung Hochschulen, weil die das sichtlich auch beim Ministerium eingefordert haben – schon ein Stück hergehen und sa­gen, da müssen wir weiterdenken.

Ein weiterer Punkt ist, dass darüber diskutiert wird, wer im Grunde wo an was unterrich­ten darf, ob Personal auch innerhalb der Institutionen wechseln kann. Na hoffentlich! Hoffentlich kommen wir so weit, dass Professorinnen und Professoren auch an einer Fachhochschule, an einer Pädagogischen Hochschule und an einer Universität lehren dürfen, denn wenn sie irgendwo einen Schwerpunkt haben, werden sie ja oft in ihrer eigenen Institution, damit sie auf ein volles Kontingent kommt, eben irgendwo mit – ent­schuldigen Sie, dass ich jetzt das Wort sage – versorgt. Aber ihre Schwerpunkte haben einen gewissen Teil, und ich glaube, wir müssten schauen, dass sie dort eingesetzt wer­den, wo sie wirklich ihre Kapazitäten haben, und das auch Institutionen übergreifend.

Ebenfalls ein Punkt, den ich für ganz, ganz wichtig halte, ist, dass wir darüber nachden­ken: Wie schaut das Upgrading aus? – Ich bin dankbar dafür, dass drinsteht, dass die­jenigen, die Lehrerbildungsanstalten oder Akademien absolviert haben, das upgraden können, praktisch auf einen Bachelor.

Aber wir müssen schon darüber nachdenken, ob nicht auch Pädagogische Hochschulen die Qualität und Qualifizierung haben müssen, einen Master anzubieten, unmittelbar auf dem Bachelor aufbauend. Jetzt ist es ja so, dass einer so einen Bachelor machen kann; aber er muss den Master an einer Universität machen, und da haben wir wieder folgendes Problem: Wird das angerechnet? Oder sagen die Professoren dort, nein, das nehmen wir nicht an, weil das ja nur einer von einer Pädagogischen Hochschule ist?

Bei den Fachhochschulen haben wir ein ähnliches Problem. Da haben wir also schon noch einige Themen, von denen ich glaube, dass wir uns da auf eine gute Reise ma­chen sollten.

Ein weiterer Punkt, der auch hier hereinfällt: Rektoren- und Rektorinnenvertretung wird bei Verhinderung auch nur als Notfallgesetz genommen. Ich glaube aber, es wäre wich­tig, dass Vizerektorinnen und ‑rektoren von Anfang an eine Aufgabe bekommen, wie auch an den klassischen Universitäten, und diese über vier beziehungsweise fünf Jah­re haben und nicht nur in Zuordnung zum Rektor und zur Rektorin etwas zugeteilt be­kommen. Ich glaube, das sind Dinge, da wäre es schon noch spannend, sie ein Stück zu verfolgen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die Diskussion eingehen, die hier schon angesprochen worden ist; das ist meines Erachtens ein ganz wichtiger Punkt. Wenn wir von einer Schule neu reden, dann müssen wir auch von einer Lehrerbildung neu wirklich als einer gemeinsamen Lehrerinnen- und Lehrerbildung, Aus-, Weiter- und Fort­bildung, reden. Das halte ich für unglaublich wichtig.

Deshalb haben wir – und da erlaube ich mir, auch hier darauf hinzuweisen – in un­serem neuesten Konvolut aus der Steiermark, „Wege für die Steiermark“, auch im Zu­sammenhang mit unserer bevorstehenden Wahl Folgendes formuliert, das möchte ich hier nur vorlesen, da heißt es nämlich: „Für uns gibt ...“ (Bundesrat Mag. Erlitz: Kann man das auch käuflich erwerben? – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ja, das kannst du käuf­


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lich erwerben. Ich werde dir das sogar franko/frei zustellen, Herr Präsident! – Darin heißt es:

„Für uns gibt es nur ein Maß für Reformen: Das Beste für unsere Kinder möglich ma­chen. Wir wollen unter der Bedingung einer gemeinsamen Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer eine gemeinsame Schule, die Maß an den vielfältigen und unterschiedlichen Talenten und Begabungen der steirischen Kinder nimmt. Alle müssen optimal gefördert und gefordert werden: Kinder mit Behinderungen, Hochbegabte, Kinder mit Migrations­hintergrund. Die Modelle der ‚Neuen Mittelschule‘ sind zu evaluieren und weiterzuent­wickeln. Klare Bildungsstandards müssen für verlässliche Zukunftschancen unserer Kin­der sorgen.“

Ich freue mich auf der anderen Seite auch darüber, dass ein ganz neues Papier der letz­ten Woche – ebenfalls der letzten Woche, das war also wirklich eine großartige Woche für die Bildung! – von der Wirtschaftskammer Österreich vorliegt, und da brauchen wir nicht viel darüber zu debattieren, wo diese steht. Aber sie nimmt sich auch kein Blatt vor den Mund und redet hinten im Stichwortverzeichnis sogar von einer Gesamtschule.

Wenn man dann auf Seite 25 nachschlägt, liest man: „GEMEINSAM LERNEN. Als Er­gebnis der Individualisierungsoffensive“ – die die Wirtschaft ja fordert –, „der Qualitätssi­cherungsreformen“ – die jetzt hier schon oft erwähnt worden sind – „und auf Basis einer umfassenden Schulverwaltungsreform ist unter Beachtung des klaren Bekenntnisses zur Leistungsdifferenzierung eine gemeinsame Schule der 10- bis 15-Jährigen ein lo­gischer Schritt.“ – Punkt. In diesem Zusammenhang ... (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Bravo! – Beifall bei der ÖVP.)

Bitte, ich weiß, ich weiß, darf ich nur noch sagen ... (Bundesrat Mag. Erlitz: Wer ist denn jetzt noch dagegen?) Herr Präsident, darf ich nur, weil meine Zeit mir davonrennt und ich sie eindeutig überschreite, etwas schon noch sagen.

Wie ich persönlich glaube – und ich habe den Efgani, glaube ich, richtig verstanden –, geht es hier nicht um den ÖAAB, sondern es geht um eine andere Gruppe. Da muss ich sagen, da freue ich mich; die Burgi hat gesagt, es geht immer um die Vielfalt, um die Differenzierung auch der Meinungen und darum, diese zuzulassen. Nur etwas sage ich Ihnen und euch hier schon: So geht es nicht in diesem Staat!

Nämlich: Das letzte Heft, das vor drei Tagen an alle AHS-Lehrer und ‑Lehrerinnen ver­schickt worden ist, in dem das große Thema „Das Scheitern der Gesamtschule“ steht und nichts anderes passiert, als – und dazu kann jeder seine Meinung haben – Studien erstens einmal nur teilweise und nur einseitig zu interpretieren und zweitens nur die zu nehmen, die die Schlechtesten aus dem deutschen Umfeld ziehen, ob Berlin oder Ham­burg. Da könnte ich – und ich habe hier alles herausgesucht – Ihnen meterweise die anderen Studien vorlesen, weil ich gerade dabei bin, so etwas zusammenzustellen.

Dagegen habe ich auch noch nichts, aber ich finde diese Einseitigkeit sehr bedenklich, alle Mitglieder – die hier ja Mitglieder zahlender Gäste sind – so aufzuhetzen und dann am Schluss aus einem virtuellen Blog von einem Chefredakteur, der von mehreren Zeitun­gen Chefredakteur war, nämlich von Andreas Unterberger, Folgendes zu zitieren. (Bun­desrat Konecny: Einer der „fortschrittlichsten“ dieses Landes!) Da muss ich ehrlich sa­gen: Das geht in diesem Staate nicht so! Gegen so etwas muss ich mich verwahren. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Ich werde mir erlauben, das hier vorzubringen, weil ich glaube, dass es nicht unwichtig ist, gerade auch was unsere Regierungsmitglieder in der Koalition betrifft. Hier steht Folgendes geschrieben; ich habe nicht verifiziert, ob es im Blog wirklich so steht, aber hier steht es unter „Andreas Unterberger“ wortwörtlich so zitiert. Dem ist nämlich


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zuzustimmen, meinen hier die Vertreter, beziehungsweise Herr Quin meint das so, und es wird folgendermaßen zitiert:

„Sollte man nicht endlich“ – das sind, bitte, die Schlusszeilen dieses Beitrages – „einen Intelligenztest für Politiker einführen? Genügt es derzeit wirklich, in die richtige Länder-, Geschlechter-, Bünde-Quote zu fallen, um Minister zu werden? Der Fall Beatrix Karl macht die Antworten auf diese Fragen klar: zweimal Ja. Die ‚Wissenschafts‘-Ministerin fordert aus heiterem Himmel ein ‚Gymnasium für alle‘ ... Gesamtschule bleibt Gesamtschule, auch wenn künftig über allen Schultoren das Wort ‚Gymnasium‘ steht.“

Ich muss hier ganz ehrlich sagen: Die Art der Diskussion ist sicher nicht die, mit Vielfalt umzugehen. Dann kann ich nur raten, dass diese Gewerkschaftsgruppierung vielleicht einmal in ein uraltes Blatt hineinschaut, nämlich auch vom ÖGB, „Ausblick 1978“, in dem auf zwei Seiten ganz intelligent, möchte ich nur sagen, die verschiedenen Gesamtschul­formen, wie sie sich entwickelt haben, dargestellt werden. Es soll hier nämlich nicht so klingen, als wäre ich gegen Gewerkschaften. Nur: Gegen was ich bin, ist, wenn undiffe­renziert Dinge in die Welt gesetzt werden und noch dazu Leute beschüttet werden in ei­ner Art und Weise, dass ich meine, dass das nicht unser Weg sein kann. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Unser Weg, glaube ich, ist der – und damit schließe ich –, dass wir, wie hier in dieser Kammer, gemeinsam, so wie wir es heute auch wieder bewiesen haben, differenziert nachdenken und selbst diejenigen, die contra sind, sagen: In diesem Punkt bin ich con­tra aus diesen und diesen Gründen. Ich glaube, in dieser Art – auch so, wie es die Bur­gi angesprochen hat – werden wir zu einem wunderbaren Ergebnis kommen, zu einem Bildungskonzept, das wir alle fraktionsübergreifend tragen – nicht nur ertragen, sondern tragen – und verantworten können, im Sinne unserer Kinder, jungen Leute und derje­nigen, die sich auch später weiter- und fortbilden wollen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

18.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.13.35

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Gospod president! Frau Bun­desministerin! Gospa zvesna ministrica! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mein Kompliment, lieber Andreas! Es tut gut. Es tut gut, als Lehrerin Sätze formuliert zu be­kommen, die für die Entwicklung sehr viel weiterhelfen.

Vorhin hat der Herr Präsident zu mir gesagt, zu diesem Thema sprechen fast nur Leh­rerinnen und Lehrer. Ich bin eine Lehrerin, seit 32 Jahren mit Begeisterung, und ich spre­che hier nicht für die Lehrerinnen und Lehrer, sondern für die Schüler und Schülerin­nen, denn die sollen bei jeder Bildungsdebatte, bei jeder Bildungsdiskussion im Mittel­punkt stehen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich möchte auch hier als Lehrerin klar und deutlich etwas sagen: Ich verstehe einige Lehrer und Lehrerinnen nicht, die eine Bildungsentwicklung blockieren! Wenn Frau Kol­legin Mühlwerth gesagt hat: Na ja, dann geben wir den Schülerinnen und Schülern, bit­te, drei mündliche Fragen, dann helfen wir ihnen weiter, dann werden sie vielleicht po­sitiv, und dann wird es wieder weitergehen!, dann meine ich, liebe Kolleginnen und Kol­legen, dass dieses Fragestellen, dieses Abprüfen, dieses Auswendiglernen der Vergan­genheit angehören sollten. (Bundesrätin Mühlwerth: Abprüfen hat mit Auswendiglernen nichts zu tun!) Ich muss Ihnen sagen, da gibt es richtige Fragenkataloge: Frage 1 bis 200, dann schlagen wir auf und sagen, Frage 32 – ratatata, auswendig gelernt.

Für mich geht es darum: Die Schüler und Schülerinnen müssen es verstehen. Sie müs­sen es begreifen, dann brauche ich keine mündliche Fragestellung mehr. Wenn sie wis­


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sen, wovon sie reden, dann geht es, dann stehen sie ihren Mann und ihre Frau, und dann brauchen sie dieses Abfragen nicht mehr. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist jetzt das Gegenteilige!) – Nein, sicherlich nicht.

Ich glaube – und da sage ich das, was Bettina Rausch einmal gesagt hat –, die Schule lehrt fürs Leben, und das Leben fordert Selbstständigkeit, das Leben fordert Kompetenz. Das Ziel in der Bildung oder mein Ziel als Lehrerin ist ganz sicherlich, dass ich Schüler und Schülerinnen zur Selbstständigkeit, praxisorientiert und kompetenzvoll ausbilde – das ist die Zukunft –, und das in einer Schule ohne Angst und Zittern.

Bildung ist ein lebenslanger Prozess, und wir müssen all jene unterstützen, die bereit sind, den Begriff „Lebenslanges Lernen“ tatsächlich in die Tat umzusetzen. Lernen ist mit dem Erwachsenwerden noch längst nicht beendet. Es ist nie zu spät, sich weiterzu­bilden. Ich möchte deswegen sehr gerne zum Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige Stellung beziehen.

Ziel dieses Gesetzes ist die Möglichkeit, Bildungsabschlüsse nachzuholen, und zwar so, dass die Berufstätigen Familie, Beruf und – ich gehe noch weiter – Schule miteinander vereinbaren können. Es gibt sehr viele Menschen, die das machen wollen, ich bin eine davon. Ich bin eine, die das Gymnasium auf der siebenten Stufe abgebrochen und Ein­zelhandelskauffrau gelernt hat; erst nach ein paar Jahren bin ich draufgekommen, dass ich mich weiterbilden will, und ich habe einen zweiten Berufsweg eingeschlagen.

Ich kann Ihnen auch sagen, dass damals in dieser Abendschule 52 Schüler und Schü­lerinnen angefangen haben; maturiert haben wir zu acht. Warum? – Nicht, weil sie das da oben nicht geschafft haben, sondern ganz einfach deswegen, weil sie Familie, Beruf und Schule nicht vereinbaren können. Deswegen bin ich so froh darüber, dass dieses Gesetz in Kraft tritt, weil es einfach eine Verbesserung, eine Erleichterung darstellt.

Ich möchte bei diesem Gesetz etwas ansprechen, was heute schon sehr oft angespro­chen worden ist, und das ist für mich das Herz dieses Gesetzes: Es ist das die Modula­risierung.

Vorhin wurde vom Sitzenbleiben gesprochen, ich muss darauf eingehen. Wenn in mei­ner Klasse viele sitzen bleiben, dann ist das, muss ich euch ehrlich sagen, für mich ab­solut nicht positiv, sondern negativ. Es sind da, bitte – entschuldigt mir den Ausdruck, ich setze ihn unter Anführungszeichen –, nicht immer die „blöden“ Schülerinnen und Schüler schuld, sondern man muss es einmal hinterfragen. Man muss sich auch als Lehrer oder Lehrerin fragen: Was habe ich falsch gemacht? Habe ich die richtige Unter­richtsform gewählt oder nicht? Habe ich es nicht zustande gebracht, dass ich diese Schü­ler und Schülerinnen motiviert habe, dass sie sich zu interessierten Schülerinnen und Schülern entwickeln? – Es sind nicht immer die – unter Anführungszeichen – „blöden“ Schülerinnen und Schüler schuld.

Es gibt auch sehr viele Lehrerinnen und Lehrer, die sich das zu einfach machen, die Folien auflegen, abfragen und in die nächste Klasse gehen. Auch das ist Realität, lei­der. (Bundesrätin Mühlwerth: Und dann auch noch 20 Jahre lang die gleichen! – Bun­desrat Dönmez: Sie sind ja ohnehin pragmatisiert! – Bundesrat Dr. Kühnel: So generell stimmt das aber nicht!) – Ja, aber das ist dann so unbequem. Und seien wir, bitte, ehr­lich: Warum sollten sie etwas dazutun, wenn sie ohnehin pragmatisiert sind. Dieses Un­flexible soll verschwinden. Lehrer und Lehrerin sollten selber etwas verändern wollen und das nicht immer nur von den Schülerinnen und Schülern verlangen. Das soll es sein, denn nur Lehrer/Lehrerin und Schüler/Schülerin gemeinsam, im Team können et­was bewegen.

Zur Modularisierung: Es ist schon öfter angesprochen worden, dass mit dieser Modula­risierung ein fachbezogenes Kurssystem eingerichtet wird. Dadurch gibt es einen flexib­


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leren Unterricht. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für die Studierenden ein großer Vorteil. Es geht hier, bitte, um einzelne Personen, um jede Einzelne und jeden Einzelnen. Eine individuellere Studienplanung wird dadurch ermöglicht, und die Ver­einbarkeit von Beruf, Familie und Schule für jede Einzelne und jeden Einzelnen kann besser organisiert werden.

Ein absolutes Ja zur Sprachförderung – verbunden mit einer Bitte: Da ist noch sehr viel zu tun. Ich appelliere einfach, dass wir alle Eltern, auch die Eltern von Kindern mit Mi­grationshintergrund als Bildungspartner gewinnen.

Wir werden selbstverständlich mit Freude dieser Gesetzesvorlage zustimmen.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Rede in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesminister Schmied. – Bitte.

 


18.22.44

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsi­dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich habe ein kurzes State­ment vorbereitet, möchte jetzt aber mit etwas ganz anderem beginnen.

Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Bundesrat Schnider, für die klaren Worte bedanken. Bildungspolitik war immer ein Feld der politischen Auseinandersetzung, ist ein Feld der politischen Auseinandersetzung und wird es auch bleiben. Es wird Konflikte geben, es wird unterschiedliche Anschauungen, unterschiedliche Meinungen zu bestimmten The­men geben. Aber die entscheidende Frage ist: Wie besprechen wir das? Welche Diskus­sionskultur haben wir?

Zur Broschüre, aus der Sie zitiert haben: Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ja nicht irgendein Heft, sondern das ist ein Heft, das von Lehrerinnen und Lehrern, von Gewerkschaftsfunktionären hergestellt und an den Schulstandorten verteilt wird. Es werden Plakate hergestellt, auf denen mit Halbwahrheiten über die Neue Mittelschule „informiert“ wird – ich sage jetzt informiert unter Anführungszeichen. Es werden diese Plakate in den Lehrerzimmern affichiert. Und jetzt frage ich Sie: Wie gehen wir damit um? Wie ändern wir eine Diskussionskultur, in der der Wille zu mehr Kultur, zu Wert­schätzung, zu Respekt offensichtlich nur einseitig gegeben ist und offensichtlich auch gar nicht so viel mit Partei und Fraktion zu tun hat?

So hätte ich das im ersten Halbjahr 2009 noch interpretiert, als es um meine Person ge­gangen ist. Ich habe mir die Briefe und E-Mails gar nicht aufgehoben, die ich von Funk­tionären und anderen bekommen habe. Das war auf einem Niveau – also da muss man schon in der eigenen Persönlichkeit gefestigt sein.

Die Frage ist also: Wie gehen wir damit um? Ich bin sehr froh, dass dieses Thema heu­te hier einmal angesprochen wurde, weil ich glaube, dass schon das Bewusstmachen sehr viel bewirkt und vielleicht auch manche Kraft entkräftet, die von derartigen Medien ausgeht. Es hat wenig Sinn, sich hier im Sinne eines Downloading auf irgendwelche Ge­genmaßnahmen auf ähnlicher Ebene einzulassen, denn das hieße ja, diese Kultur zu akzeptieren. Wir müssen aber intensiv daran arbeiten, wie wir die Kommunikation und Information gestalten, denn frei nach Peter Turrini: Wie verdächtig ist der Mensch? – Man patzt die Leute einmal an, und irgendetwas wird schon hängenbleiben.

Also noch einmal: Danke für diese klaren Worte. Ich glaube, das ist wichtig, auch wenn wir in bildungspolitischen Fragen weiterkommen wollen.


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Ich möchte jetzt zu einzelnen Punkten der Gesetzesvorlagen Stellung beziehen. Ich be­danke mich sehr für das konstruktive Gesprächsklima und freue mich – also ich möch­te jetzt nichts verschreien – auf die erwartbare breite Zustimmung zu den Regierungs­vorlagen.

Einen Punkt möchte ich jetzt besonders herausgreifen, der auch von Frau Bundesrätin Astleitner erwähnt wurde, ein Hinweis darauf kam von Frau Bundesrätin Mühlwerth und auch Bundesrat Präsident Erlitz hat darauf Bezug genommen, nämlich das Thema Bil­dungsstandards. Ich stimme auch in vielen Punkten mit Herrn Bundesrat Dönmez über­ein, nur in der einen Aussage, dass die Bildungsstandards – also ich weiß nicht, ob ich das richtig mitgeschrieben habe – nur ein kleiner Schritt wären, nicht. Also das sehe ich ganz anders!

Die Bildungsstandards und die neue Matura, AHS und BHS, sind für mich die größten Systeminterventionen, die wir bisher im Bildungsbereich überhaupt beschlossen haben, beschließen werden. Ich richte meine volle Aufmerksamkeit auf diese Projekte, nicht nur weil sie technisch anspruchsvoll sind – also wir werden ab dem Jahr 2012 österreich­weit jährlich 90 000 Schüler und Schülerinnen entsprechend den Bildungsstandards testen. Dann brauchen wir in Wirklichkeit nicht mehr auf PISA zu warten, wir haben un­sere Qualitätstests dann selbst.

Ab dem Schuljahr 2014/15 werden an einem Tag in ganz Österreich – und ich ergänze, auch in den Auslandsschulen – 45 000 Schüler und Schülerinnen die teilstandardisierte Matura machen. Das sind Großprojekte, für die die technische Vorbereitung wichtig ist. Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Kultur, ist der Paradigmenwechsel, sind der Einsatz und der Umgang mit diesen Instrumenten. Es muss uns einfach gelingen, dass die Schule auch eine Kultur der Wertschätzung lebt, dass wir in eine Schule der Wahr­nehmung kommen und dass wir uns verabschieden von diesem wirklich zu nichts füh­renden Spiel: Wer hat Schuld?

Es gibt kaum einen Bereich, der sich so ideal dafür eignet – Täter/Retter/Opfer, Schü­ler/Eltern/Lehrer –, wir kommen jedoch mit Schuldzuweisungen nicht weiter. Es ist also entscheidend, dass uns mit der Einführung der Bildungsstandards auch eine Änderung in den Haltungen und Kulturen gelingt, dass Wertschätzung dominiert, dass Ergebnis­se genutzt werden, um sich damit auseinanderzusetzen, wie wir es in Zukunft besser machen können. Wie schaffen wir es, wenn wir Top-Ergebnisse haben, das Niveau zu halten? Was ist zu tun, um in Zukunft bessere Ergebnisse zu erreichen?

Ein Grundsatz ist fundamental: Wenn wir – und da gibt es große Übereinstimmung – sagen, wir müssen in der Schule besser auf jedes einzelne Kind eingehen, wir müssen es individuell betreuen, wir müssen es auch mögen und wertschätzen und es gehört auch Zuversicht dazu, dann ist das ein ganz wichtiger Grundsatz.

Auf der anderen Seite müssen wir bei bildungspolitischen Maßnahmen differenziert vor­gehen. Ich bringe jetzt zwei Extrembeispiele: Es macht eben einen großen Unterschied, ob ich bildungspolitische Maßnahmen – ich bringe nur ein Beispiel – in der Hauptschu­le in Wien am Reumannplatz setze oder in der Hauptschule in Reichenau an der Rax. Es gibt einfach auch je Schulstandort ganz unterschiedliche Herausforderungen und Anforderungen. Deshalb und nur deshalb ist es auch so wichtig, dass wir die Schu­len besser ausstatten, dass wir ihnen aber vor allem auch Verantwortung übertragen. Die Schulleitungen müssen Verantwortungsspielräume im pädagogischen Bereich ha­ben, ob sie jetzt Teamteaching machen, Nachmittag, Vormittag, Förderunterricht, Schwer­punktsetzungen, da brauchen die Schulen dringend mehr Gestaltungsspielraum und Freiraum.

Mit den Bildungsstandards – Präsident Erlitz hat das auch angesprochen – bekommen natürlich auch die Schulleiter ein klareres Rollenverständnis und brauchen auch ein ent­


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sprechendes Arbeitsplatzprofil, auch eine entsprechende Qualifikation. Selbstverständ­lich müssen wir auch die Schulaufsicht weiterentwickeln. Schon der Name Schulauf­sicht wird dem ja nicht gerecht, was geschehen soll, nämlich in Richtung Qualitätsbe­gleitung, Qualitätssicherung am Standort.

An diesem Beispiel wird klar, und Herr Bundesrat Schnider hat ja darauf hingewiesen: Wir brauchen in der Bildungspolitik nicht nur ein gewisses Maß an Hartnäckigkeit, son­dern wir brauchen in der Bildungspolitik den absoluten Mut zur Gleichzeitigkeit. Wenn wir uns auf eine Wenn-dann-Kette einlassen – also wir machen das, wenn das andere erledigt ist –, werden wir das nie schaffen. Wir brauchen die absolute Gleichzeitigkeit, weil jedes Instrument, weil jeder einzelne Bereich ineinandergreift, und darum ist auch das Gesamtpaket Bildung heute so wichtig.

Auf die einzelnen Aspekte wurde ja schon eingegangen. Ich möchte nur noch betonen: Im Bereich Bildungsstandards und Matura neu ist es ganz entscheidend, breit zu infor­mieren, die Betroffenen einzubinden. Ich freue mich zum Beispiel, dass – eine Zahl – von 352 AHS-Standorten etwa 250 schon in der Pilotphase integriert sind. Das ist wich­tig, und genau so müssen wir es machen. Wir starten eine Kommunikationsoffensive zu diesen Themen in jedem einzelnen Bundesland gemeinsam mit dem Landesschul­rat. Das ist einfach für die Umsetzung dieses Projekts wichtig.

Zum Thema Modularisierung der Abendschulen muss ich nichts mehr ausführen. Viel­leicht nur eine Information am Rande: Es geht um 80 Schulstandorte und etwa 18 000 Stu­dierende, für die wir die Bedingungen klar und eindeutig verbessern: ein fachbezoge­nes Kurssystem losgelöst von den einzelnen Klassenverbänden.

Die Sprachförderung halte ich für zentral und wichtig. Sie ist in Wirklichkeit auch eine Grundlage und ein Weg hin zur gemeinsamen Schule, denn klar ist: Nur die Kinder, und das hat Herr Abgeordneter Walser auch im Unterrichtsausschuss betont, die die deutsche Sprache gut beherrschen, können und werden auch Bildungserfolge erzielen. Das heißt, Sprachförderung im Kindergarten, Sprachförderung in der Schule ist einfach unverzicht­bar. Das ist ganz entscheidend. Und wir dürfen nicht vergessen – ich bringe eine Zahl aus Wien –: 50 Prozent der Volksschulkinder in Wien haben eine Zuwanderungsge­schichte. Was heißt das? – Bei 50 Prozent der Volksschulkinder wird zuhause eine an­dere Familiensprache als Deutsch gesprochen. Da wissen wir, warum Sprachförderung, aber auch ganztägige Schulangebote gerade für diese Kinder so wichtig sind.

Ich sage immer „Kinder mit Zuwanderungsgeschichte“. 50 Prozent! Das sind ja keine Gastkinder, das sind Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, die in 15, 20 Jahren den Wohlstand unseres Landes mitbestimmen werden. Das heißt, es ist sozial wichtig, sie in der Bildung weiterzubringen, sodass sie gut ausgebildet sind. Es ist aber auch öko­nomisch gar nicht groß zu diskutieren, warum es da einen besonderen Einsatz braucht. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen.

Herr Bundesrat Dönmez hat das Bildungsdokumentationsgesetz angesprochen. Im Zu­sammenhang mit dem Hinweis, den auch der Datenschutzrat gegeben hat, ein ande­res Kennzeichen als die Sozialversicherungsnummer zu verwenden, möchte ich Sie nur informieren, dass ich dieses Ziel mittelfristig ebenfalls anpeile. Kurzfristig geht es bei 3 000 Schulerhaltern nicht, aber die Empfehlung ist ernst zu nehmen.

Zum Abschluss noch, weil ich heute in der Früh mit großer Freude gelesen habe, dass es eine Enquete des Bundesrats zum Thema Bildung geben wird: Ich freue mich sehr, und ich möchte Sie einfach auch darüber informieren, dass es schon sehr, sehr inten­sive, konstruktive Gespräche im Unterausschuss des Verfassungsausschusses gege­ben hat, in denen die Position der Bundesregierung breit diskutiert wurde und auch auf breite Zustimmung gestoßen ist. Das Ziel, ein leistungsfähiges öffentliches Bildungssys­tem in ganz Österreich zu haben, ist eines, das uns Bildungspolitikern und Bildungsver­


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antwortlichen am Herzen liegen muss. Ich möchte hier auch sagen, dass ich klar für den Föderalismus bin. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte aber auch unterstreichen, dass das Subsidiaritätsprinzip zu beachten ist, also immer auch die Frage zu stellen ist, wer was im Interesse des Ganzen am besten leis­ten kann. Ich möchte ein österreichweit durchgängiges Bildungssystem auf höchstem Niveau. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

Für den Herbst stehen eine ganze Reihe von großen strategischen Projekten an. Ich möchte hier nur einzelne aufzählen: Das neue Dienst- und Besoldungsrecht, wo wir mehr in die Details kommen müssen. Die neue, auch ich betone, gemeinsame Ausbil­dung und erweitere es für alle im Lehrberuf Tätigen, aber auch das Thema Ausweitung der ganztägigen Schulangebote, Angebote unterstrichen, stehen auf meiner Tagesord­nung ganz oben. Bei den ganztägigen Schulangeboten möchte ich Sie insbesondere informieren, dass wir mit Städtebund, Gemeindebund und auch den Bundesländern in sehr intensiven Arbeitsgesprächen mit den Praktikern sind, um einen Masterplan aus­zuarbeiten.

Es ist natürlich wichtig, und das haben Sie, Herr Bundesrat Schnider, ja auch angespro­chen, Stellenwert, Positionierung, auch Selbstbewusstsein, Leistung, Qualität der Päda­gogischen Hochschulen zu heben. Das ist ganz zentral und wichtig, gerade weil wir in Zukunft so viele neue junge Lehrer brauchen. Da möchte ich im Herbst auch das neue Dienstrecht umsetzen. Ich halte das für wichtig, denn wir brauchen die Grundlage für Forschung und Lehre an den Pädagogischen Hochschulen, und ich hoffe sehr, dass Sie mich bei diesen wichtigen Themen auch unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei Bundesräten der FPÖ.)

18.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin
Mag. Rausch.– Bitte.

 


18.38.43

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Jetzt werden sich viel­leicht manche denken: Warum redet sie noch? Es ist eh schon spät genug. – Ich möch­te sagen: Ich bin das denen schuldig, die sehr oft auch hier zu uns ins Parlament kom­men, die ich da im Parlament treffe, in ihren Schulen, in ihrer Freizeit, nämlich den Schü­lerinnen und Schülern, weil ich meinen Job als Jugendvertreterin so sehe, dass ich die Anliegen dort aufnehme, wo sie entstehen, und dort einbringe, wo sie hingehören. Und wo sonst gehören die Anliegen der Schülerinnen und Schüler hin als hierher, wenn es eine Bildungsdiskussion gibt! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut, dass viel über Bildung diskutiert wird, dass wir über die Schule disku­tieren, dass man darüber viel liest und auch viel hört und dass sich viele – wir haben das heute auch schon gesehen und gehört – darüber Gedanken machen. Was mich an der aktuellen Diskussion, oder nennen wir es vielleicht eher Debatte, stört, ist, dass wir sehr isoliert über die Bezeichnung einer Schule reden, leider ohne zu wissen oder oft ohne zu wissen, was einzelne Diskutantinnen und Diskutanten unter dieser Bezeich­nung, unter dem verwendeten Begriff eigentlich verstehen.

Was mich stört – und damit bin ich sicherlich nicht alleine –, ist, dass wir offensichtlich nur sehr isoliert über einzelne Altersgruppen, nämlich über die 10- bis 14-Jährigen, re­den. Das ist zweifellos eine sehr wichtige Altersgruppe, aber wir alle wissen: Bildung fängt viel früher an und hört hoffentlich nie im Leben richtig auf. (Bundesrätin Mag. Duz­dar: Das eine schließt das andere nicht aus!) – Das glaube ich auch nicht, aber medial wird eben nur das eine wahrgenommen.


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Was mich – und im Übrigen auch viele andere – stört, ist, dass viel zu selten über die Sinnhaftigkeit und Praxistauglichkeit einzelner Vorschläge geredet wird und in der me­dialen Arena stattdessen ideologische Positionen einander gegenübergestellt werden, ferner prägen sehr oberflächliche Worthülsen und Sager die Diskussion. Diese bringen zweifellos jenen etwas, die dann in den Medien vorkommen – auch das gehört offen­sichtlich zum Geschäft –, den Schülerinnen und Schülern bringen sie jedoch leider am allerwenigsten.

Insofern freue ich mich, dass wir heute einige Beschlüsse fassen, an scheinbaren Ne­benschauplätzen, die aber für die Qualität der Bildung und des Bildungsangebotes in Österreich nicht weniger wichtig sind als die, die gerade öffentlich debattiert werden. Ich bin der festen Überzeugung und erlebe es in Gesprächen mit Betroffenen immer wie­der, dass sie meine Überzeugung teilen, dass wir jetzt mehr denn je eine Schule brau­chen, die auf das Leben vorbereitet.

So wie sich die Welt weiterentwickelt und weiterdreht, so braucht es auch in der Schule entsprechende Veränderungen. Anstatt über Namen und Bezeichnungen zu reden, al­so darüber, was außen, am Schuleingang draufstehen soll – das können wir uns auch nachher ausmachen –, sollten wir darüber reden, was in der Schule passiert.

Für eine Schule, die auf das Leben vorbereitet, brauchen wir definitiv zeitgemäße Lehr­inhalte. Das spüren wir immer wieder. Schülerinnen und Schüler müssen das lernen und können, was sie im Leben wirklich weiterbringt, was sie fit für die nächsten Jahr­zehnte macht – anstatt das zu lernen, was sich fachverliebte Expertinnen und Experten vielleicht schon seit Jahrzehnten einbilden.

In diesem Bereich, nämlich im Bereich „Was lernen wir?“ und „Woraus lernen wir es?“, setzen wir heute einen vermeintlich kleinen, aber doch ganz wesentlichen Schritt. Ab sofort kann zum Beispiel ein Schulbuch nur mehr als solches verwendet werden, wenn seine Inhalte den Bildungsstandards entsprechen, die wir hier schon beschlossen ha­ben und die heute auch schon mehrmals Thema waren – Bildungsstandards, die letzt­lich Auskunft darüber geben, wie viel meine persönliche Ausbildung wert war, wie viel Qualität in meiner Ausbildung gesteckt ist, Bildungsstandards, die eine echte Vergleich­barkeit möglich machen.

Da ich davon ausgehe, dass die Bildungsstandards letztlich auch mit der Zeit gehen wer­den, dass sie daran angepasst werden, was Schülerinnen und Schüler an Wissen und Kompetenzen brauchen, denke ich, dass auch die Schulbücher entsprechend ange­passt werden. Ich glaube, das ist eine sehr gute Sache, die direkt spürbar werden wird.

Im Bereich „Was lernen wir?“ ist aber noch einiges offen, und da die Frau Bundesminis­ter heute da ist, muss ich es ansprechen: zum Beispiel die Einführung des eigenen Un­terrichtsfaches Politische Bildung in allen Schulen ab der fünften Schulstufe. Nicht nur in persönlichen Gesprächen erfahren wir – alle, glaube ich –, dass junge Menschen politisch interessiert sind, ihr Wahlrecht ab 16 gerne ausüben wollen, aber – mir sagen sie das auch immer wieder – sich darauf nicht richtig vorbereitet fühlen, sich irgendwie allein gelassen fühlen, niemanden haben, mit dem sie wirklich darüber reden können.

Eine aktuelle, erst am Dienstag medial bekannt gewordene Studie hat uns das wieder vor Augen geführt: Österreichische Jugendliche wollen politisch mitgestalten, über Po­litik wissen sie aber leider viel weniger als Gleichaltrige in anderen Ländern der Welt. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Apropos Studien: Da gibt es ja noch eine, die Sie kennen, Frau Bundesministerin, Sie haben sie ja selbst in Auftrag gegeben. Ich meine die Studie der Donau-Universität Krems, laut welcher sich 75 Prozent, also drei Viertel aller befragten Schülerinnen und Schüler dafür aussprechen, dass es ein eigenes Unterrichtsfach Politische Bildung oder Demo­


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kratie-Lernen geben soll. Dieser Wunsch der Schülerinnen und Schüler ist wohl der trif­tigste Grund, so bald wie möglich zu handeln und dieses Unterrichtsfach ab der fünf­ten Schulstufe für alle Schülerinnen und Schüler einzuführen – und das gemäß dem heutigen Beschluss natürlich mit den entsprechenden Schulbüchern.

Neben dem „Was lernen wir?“ spielt natürlich auch das Wie eine große Rolle. Daher freut es mich, dass wir heute für die Berufstätigen eine Modularisierung und somit eine Individualisierung ihres Lernens beziehungsweise Studierens möglich machen. Ich glau­be, das ist ein ganz wichtiges und richtiges Signal, wenn wir wollen, dass lebenslanges und lebensbegleitendes Lernen für alle möglich ist, wenn wir also ernst nehmen, was wir in Sonntagsreden so gerne betonen.

Gleichzeitig hoffe ich, dass das auch ein Schritt ist, der uns hilft, die Modularisierung in andere Bereiche zu bringen. Eine Modularisierung, zweifellos unter etwas anderen Vor­zeichen, sollte aus meiner Sicht bald auch in der AHS-Oberstufe kommen. Es gibt da­zu einige Schulversuche, und wir sehen, dass diese Modularisierung Sinn hat. Denn dort gibt es neben einer soliden Allgemeinbildung für die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, zum einen das zu tun, was auch wir immer gerne betonen, nämlich ihre Stärken zu stärken, Schwerpunkte nach ihren Talenten setzen zu können, selbständig ihre Ausbildung planen zu können, sodass ihnen das Lernen auch wirklich Spaß ma­chen kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn uns das sehr bald gelingt.

So viel zu den Beschlüssen zum Was und Wie des Lernens. Lassen Sie mich abschlie­ßend auch zum Wer noch etwas sagen. Wenn wir beste Bildung anbieten wollen, dann braucht es die besten Lehrerinnen und Lehrer. Mit den Veränderungen im Hochschul­gesetz, die wir heute beschließen, können wir einen wichtigen Schritt setzen. Dass die vielzitierte Durchlässigkeit in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung jetzt tatsächlich kommt, dass junge Menschen einen Beruf wählen können, der ihnen mehr Perspek­tiven im Hinblick auf eine spätere Weiterqualifizierung gibt, halte ich für ganz wesent­lich – wenn wir die engagiertesten und motiviertesten Lehrerinnen und Lehrer für die­sen Beruf begeistern wollen, für einen Beruf, der dann keine Sackgasse mehr sein muss.

Dass natürlich auch im Bereich der Lehrerinnen und Lehrer viele Fragen offen sind, das wissen wir, das hat die Frau Bundesminister schon angesprochen: von der Auswahl geeigneter Berufsanwärterinnen und -anwärter bis hin zu einer strukturierten und zeit­gemäßen Weiterbildung quasi on the job. Ich freue mich, dass wir auch diese Themen sehr bald angehen wollen, und zwar im Interesse der Schülerinnen und Schüler.

Wir werden all diesen Vorschlägen heute zustimmen, weil sie die Betroffenen in den genannten Bereichen natürlich weiterbringen, und das ist wohl der entscheidende Punkt. Das gilt für mich und, ich hoffe, für uns alle in der weiteren Arbeit für Veränderungen im Bildungswesen in Österreich.

Ich habe anfangs gesagt, dass manche eben lieber Ideologien vertreten. Es geht in die­ser Zeit aber mehr denn je darum, die Interessen der Schülerinnen und Schüler zu vertreten. Das will und werde ich tun. Ich werde mich zumindest darum bemühen.

Gerade in diesen Tagen – und das möchte ich auch sagen anlässlich interessanter Er­eignisse, die sich heute abgespielt haben – sehen wir wieder, dass gerade in der Schü­lervertretung jene die größere Unterstützung haben, die nicht auf Ideologien setzen und nicht schon mit 15, 16 oder 17 Parteipolitik machen, sondern diejenigen, die gute In­halte und gescheite Ideen voranstellen. Bei den laufenden Wahlen zur Landesschüler­vertretung, die in sieben Bundesländern bereits abgeschlossen sind, konnte die Öster­reichische Schülerunion 19 von 21 Landesschulsprecherinnen und Landesschulspre­chern stellen. Das freut mich. Ich möchte von dieser Stelle sehr herzlich gratulieren. (Bei­fall bei der ÖVP.)


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Die Schülerunion wird zwar der ÖVP zugeordnet, ich kenne aber viele dieser Burschen und Mädels persönlich und weiß daher: Denen geht es nicht um die Partei, sondern um die Sache. Das sind junge Menschen, die Jahr und Tag unterwegs sind, mit Schülerin­nen und Schülern in Kontakt sind und gewillt sind, wirklich etwas auf die Beine zu stel­len und die Schülerinnen und Schüler ordentlich zu vertreten. Deshalb freut mich das sehr. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Duzdar.)

Schülerinnen und Schüler vertreten, das ist das Stichwort. Schülerinnen und Schüler haben berechtigte Anliegen, gescheite Ideen und ein gutes Gespür dafür, was für sie gut ist, finden aber leider – entgegen anderslautenden Beteuerungen – viel zu selten Gehör. Schließlich geht es aber um sie, und sie haben es sich verdient, dass wir sie in den Mittelpunkt stellen und für sie eine Schule anbieten, die sie wirklich auf das Leben vorbereitet. Da gibt es viel zu tun, und darauf freue ich mich. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Erlitz.)

18.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kö­berl. – Bitte.

 


18.47.55

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet – als Lehrer, der an der Polytechnischen Schule Bad Aussee unterrichtet –, weil mich vorige Woche ein Schüler gefragt hat: Herr Fachlehrer, sind wir – damit meint er die Schule und die Schü­ler – eigentlich wirklich so schlecht, wie immer geredet wird? Ich habe ihn dann gefragt: Wie schätzt du denn die Situation ein? Daraufhin hat er etwas gesagt, was mir wirklich imponiert hat: Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen, fragen Sie mich das in ein paar Jahren! – Das sind Worte eines 15-jährigen Schülers.

Auch ich war beeindruckt von der Debatte, nicht vom Niveau der Debatte, denn dieses ist – da gebe ich der Frau Minister und dem Kollegen Schnider recht – manchmal wirk­lich unter jeder Kritik, aber von der Breite und dem Zugang.

Es hat am vergangenen Wochenende nicht nur der „Standard“, sondern es haben auch viele andere Tageszeitungen dem Thema Bildung einen Schwerpunkt gewidmet. Da habe ich etwas gelesen, was mich an etwas erinnert hat. Wahrscheinlich wird es vielen von Ihnen gleich gehen. Aus dem „Standard“ vom 26. Juni 2010 unter dem Titel „Die beste Schule der Welt“ von Karl Heinz Gruber:

„Bei der Erwähnung von Pisa hörte sich für die Tischrunde der Spaß auf. Alle Anwesen­den wurden schlagartig Bildungsexperten, die sich in ein Pro-Pisa-Lager (das Output schulischen Lernens gehört objektiv gemessen) und ein Contra-Pisa-Lager (Bildung ist wie Blut ,ein besonderer Saft‘ und entzieht sich jeglicher Quantifizierung) gruppierten; man geriet sich ordentlich in die Haare, einigte sich aber schließlich ermüdet darauf, dass das österreichische Schulsystem sicher, wahrscheinlich, vielleicht oder hoffentlich besser ist, als die Pisa-Resultate signalisieren.“

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Wir haben kein schlechtes Schulsystem. Wir jammern zum Teil auf einem hohen Niveau, das dürfen wir nicht vergessen. Ich er­teile aber allen eine Absage, die die Diskussion um das Bildungssystem in Österreich – ich meine das nicht parteipolitisch – in Lager teilen, nach dem Motto: Hier sind die Gu­ten und hier sind die Bösen.

Schule war immer, ist immer und wird immer ein Entwicklungsprozess bleiben, der sehr vielseitig ist. Gerade auch die heutige Debatte hier im Bundesrat, die auf hohem Niveau geführt wird, ist ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Zugänge sind, wie groß die Bandbreite ist. Mit einer Schulreform werden wir nicht alles lösen können. Wenn wir


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glauben, dass uns das gelungen ist, dann haben wir falsch gehandelt. Ich habe es schon gesagt: Das alles muss sich entwickeln – und Entwicklungen müssen zugelassen wer­den. Also haben all jene unrecht, die sagen, es muss alles bewahrt werden, es soll al­les beim Alten bleiben – aber auch jene haben unrecht, die sagen: Festplatte aus, neu formatieren!

Sehr, sehr viele gute Ansätze gab es ja gerade in den letzten Jahren, und es sind Dis­kussionsprozesse in allen – ich betone: in allen – Parteien in Gang gekommen, die uns jetzt, hier und heute diese Diskussion ermöglichen. Eine solche Diskussion wäre wahr­scheinlich vor einigen Jahren, ja selbst vor einigen Monaten noch nicht möglich gewe­sen.

Ich bin in der Bildungsdebatte all jenen dankbar, die ein Stück aufeinander zugehen, auch wenn diese ersten Schritte manchmal schwer fallen, aber es ist ein Weg in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren, was ist denn heute eigentlich eine gute Schule, wie es in dem Artikel heißt? – „Als ‚gut‘ gilt eine Schule heutzutage, wenn ein engagiertes Leh­rerteam unter einer Leitung, die ‚leadership‘ ausstrahlt, für ein freundliches Schulklima sorgt, wenn den Kindern glaubwürdig und konsequent vermittelt wird, dass ihre Lern­fortschritte ernst genommen werden, wenn für individuelle Schwächen und für außer­ordentliche Begabungen professionelle Förderung eingesetzt wird und wenn ein reich­haltiger, kreativer, zielstrebiger Unterricht es den Schülern ermöglicht, in einer von Fair­ness und gegenseitigem Respekt geprägten Atmosphäre ihre Ich-, Sozial- und Sach­kompetenz zu entwickeln.“

Na bum!, habe ich mir gedacht: Wenn du da in der Klasse stehst und das alles berück­sichtigen sollst, dann ist die Stunde zu Ende, bevor du damit begonnen hast.

Oft ist es ja so – und da bin ich der Frau Ministerin auch sehr, sehr dankbar, die das gleichfalls gesagt hat, und das eint uns ja –, dass diese Diskussion regional sehr ver­schieden ist. Wir hören ja immer wieder – und das tut ganz besonders jenen weh, die in einer Hauptschule am Land unterrichten –, die Hauptschule sei kaputt. Dazu: ein kla­res Nein! Es gibt im Bereich Hauptschule lediglich Probleme – das wissen wir alle – im urbanen Bereich. Was sind die Gründe hiefür? – Dazu lese ich Ihnen auch noch etwas kurz vor. Es gibt aber sehr, sehr viele Beispiele, die positiv sind. Das ist doch ein Streit um des Kaisers Bart, also lediglich um den Namen.

Ich zitiere Direktor Enzenhofer aus einer Hauptschule im Mühlviertel, der sagt:

„Um den Status einer Neuen Mittelschule hat sich Leonfelden nicht beworben. ‚Wozu auch. Für uns wär’s nur mehr Bürokratie. Wir machen seit 20 Jahren das, was die Neue Mittelschule bietet. Und wir sind quasi eine geheime Gesamtschule. In unseren Klas­sen sitzen hochbegabte Kinder, aber auch Schüler mit speziellem Förderbedarf.‘ Ideal für diese ,Durchmischung‘ seien da die Leistungsgruppen: ‚Sie machen ein individu­elles Fördern möglich. Bei uns ist die erste Leistungsgruppe noch mit der AHS vergleich­bar.‘“

Das heißt, da gibt es Ansätze, die altbewährt sind, aber einen anderen Namen haben.

Mich persönlich stimmt aber immer wieder traurig, die Praxis vor Ort zu sehen: Dass eben aufgrund eines sehr geringen Stundenkontingents – Herr Präsident Erlitz weiß das sehr genau – alles sehr knapp bemessen ist, dass oft der Regelschulbetrieb und der nor­male Fächerkanon kaum mehr zu unterrichten möglich ist. Da ist dann auch kein Platz – auch wenn das gewollt ist – für autonome Entscheidungen, für Schwerpunktbildungen und so weiter.

All das – das ist jetzt die leichte Kritik, die ich anbringen möchte – ist dann nur unter dem Titel Neue Mittelschule möglich, denn dafür gibt es dann zusätzliche Stunden. Ich


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sage dazu ja, wenn es individuell und regional Entwicklungen gibt, die im Sinne unse­rer Kinder sind.

Am Ende einer langen Bildungsdebatte, die uns, wie ich meine, einen Schritt weiterge­bracht hat, werden Sie es sicherlich verschmerzen können, meine Damen und Herren, wenn ich nicht weiter auf einzelne Punkte eingehe. (Heiterkeit im Saal.) Aber wert wäre es eine solche Diskussion natürlich schon. Ja, man könnte es sich einfach machen, Frau Kollegin Mühlwerth, und sagen: Schöne Ferien!, aber das wäre zu einfach bei einer Diskussion zum Thema Schule.

Diskutieren wir das Thema Schule und Bildung weiter, aber belassen wir es nicht beim Diskutieren, sondern lassen wir dem auch klare Schritte folgen! Dazu sind wir alle auf­gefordert. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

18.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt. (Unruhe im Saal.)

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 – ich bitte noch um etwas Ruhe für den Wahlgang! – betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz für Berufstäti­ge geändert wird.

Ich ersuche all jene, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsreifeprüfungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche all jene, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stim­meneinhelligkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schülerbeihilfengesetz 1983 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.


BundesratStenographisches Protokoll786. Sitzung / Seite 167

Somit kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005 geändert wird.

Ich ersuche jene, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 17. Juni 2010 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bildungsdokumentationsge­setz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Der Antrag ist angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.58.16Einlauf

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten Sit­zung beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen, 2760/J-BR bis 2765/J-BR, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg er­folgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 22. Juli 2010, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Beschlüsse in Betracht, die der Na­tionalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchs- beziehungs­weise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 20. Juli 2010, ab 14 Uhr vorgese­hen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.58.57Schluss der Sitzung: 18.59 Uhr

 

 

 

 

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