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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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846. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 29. Oktober 2015

 

 


Stenographisches Protokoll

846. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 29. Oktober 2015: 9.02 – 20.04 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die halbtägig kostenlose und ver­pflichtende frühe Förderung in institutionellen Kinderbildungs- und –betreuungs­einrichtungen in den Kindergartenjahren 2015/16, 2016/17 und 2017/18

2. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925, und das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien geändert werden

3. Punkt: 38. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2014)

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Forschungs­organisationsgesetz geändert werden

5. Punkt: Berichtskonvolut zu den Evaluierungsverpflichtungen nach § 143 Universi­täts­gesetz 2002 hinsichtlich zugangsgeregelter Studien

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG 1992) geändert wird

7. Punkt: Übereinkommen über die Beteiligung der Republik Kroatien am Euro­pä­ischen Wirtschaftsraum samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen

8. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung des Unions­rechts auf dem Gebiet der biologischen Produktion, geschützten Herkunftsangaben und traditionellen Spezialitäten erlassen (EU-Qualitätsregelungen-Durchführungs­gesetz – EU-QuaDG), das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz und das Markenschutzgesetz 1970 geändert sowie das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz aufge­hoben werden


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bundesgesetz aus Anlass des Generalvergleichs mit dem Freistaat Bayern, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanzmarktstabilitätsgesetz und das ABBAG-Gesetz geändert werden

11. Punkt: Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den Einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge

12. Punkt: Übereinkommen über die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank

13. Punkt: Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg zur Änderung des am 18. Oktober 1962 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

14. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Turkmenistans zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Klimaschutzgesetz und das Emissions­zertifika­tegesetz 2011 geändert werden

16. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltver­träg­lichkeitsprüfung in Österreich

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Landtages von Niederösterreich betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Ing. Bernhard Ebner, MSc sowie Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes in den Bundesrat ....................................................................................................................... 11

Schreiben des Landtagsdirektors des Landtages Oberösterreich betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in den Bundesrat ................................................................................ 15

Angelobung der Bundesräte Rosa Ecker, Mag. Klaus Fürlinger, Sandra Kern, Gottfried Kneifel, Ewald Lindinger, Mag. Michael Lindner, Peter Oberlehner, Mag. Michael Raml, Thomas Schererbauer, David Stögmüller und Ferdinand Tiefnig .............................................................................. 17

Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ................................................................................... 43

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz          ............................................................................................................................... 44

Antrag der Bundesräte Marco Schreuder, Mag. Nicole Schreyer, Dr. Heide­linde Reiter und David Stögmüller gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion – Annahme ...........................................................  47, 47


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 3

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 130

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung:

Marco Schreuder ........................................................................................................ 172

Schlussansprache des Vizepräsidenten Mag. Harald Himmer ............................. 192

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Aktuelle Stunde (36.)

Thema: „Familie und Jugend: Weichen für die Zukunft“ ....................................... 17

Redner/Rednerinnen:

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 18

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 20

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 23

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 25

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin ................................................  28, 41

Edgar Mayer ............................................................................................................ ..... 33

Mag. Daniela Gruber-Pruner ................................................................................. ..... 34

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ..... 36

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 38

Mag. Gerald Zelina .................................................................................................. ..... 40

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 42

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 47

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  47, 192

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „Österreich schafft sich ab“ (3091/J-BR/2015) ............................................................ 130

Begründung: Hans-Jörg Jenewein ............................................................................ 130

Staatssekretärin Mag. Sonja Steßl ........................................................................... 137

Debatte:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 140

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 145

Reinhard Todt ......................................................................................................... ... 148

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 151

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 155

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 158

Mario Lindner .......................................................................................................... ... 160

David Stögmüller .................................................................................................... ... 162

Mag. Michael Raml .................................................................................................. ... 164

Martin Weber ........................................................................................................... ... 167

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ... 169


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Bundesräte Peter Samt, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Bundesheer an die Grenze – Ablehnung .................................................................................  144, 171

Entschließungsantrag der Bundesräte Edgar Mayer, Reinhard Todt, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Parlaments-Liveübertragung – Annahme (E 247-BR/2015) ...............................  160, 172

Entschließungsantrag der Bundesräte Mag. Michael Raml, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bildungsauftrag des ORF – Parlaments-Liveübertragung – Ablehnung .............  167, 172

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG über die halbtägig kostenlose und verpflichtende frühe Förderung in institutionellen Kinderbildungs- und ‑betreuungseinrichtungen in den Kindergartenjahren 2015/16, 2016/17 und 2017/18 (799 d.B. und 801 d.B. sowie 9457/BR d.B.) ........................................................................................ 48

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 48

Redner/Rednerinnen:

Arnd Meißl ............................................................................................................... ..... 48

Angela Stöckl .......................................................................................................... ..... 51

Inge Posch-Gruska ................................................................................................. ..... 52

Mag. Nicole Schreyer ............................................................................................. ..... 53

Bundesministerin MMag. Dr. Sophie Karmasin .................................................. ..... 54

Marianne Hackl ........................................................................................................ ..... 56

Ana Blatnik .............................................................................................................. ..... 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 59

2. Punkt: Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fas­sung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925, und das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien geändert werden (215/A-BR/2015 sowie 9470/BR d.B.) ...................................... 59

Berichterstatter: Dr. Magnus Brunner, LL.M ............................................................... 59

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 60

Gottfried Kneifel ..................................................................................................... ..... 60

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 62

Marco Schreuder .................................................................................................... ..... 64

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den angeschlossenen Gesetzes­vorschlag gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat zur geschäftsordnungs­mäßigen Behandlung zu unterbreiten                        65

3. Punkt: 38. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2014) (III-553-BR/2015 d.B. sowie 9469/BR d.B.) ................................................................................................................. 65

Berichterstatter: Martin Weber ...................................................................................... 65


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 5

Redner/Rednerinnen:

Sonja Ledl-Rossmann ................................................................................................. 65

Rene Pfister ............................................................................................................. ..... 68

Werner Herbert ....................................................................................................... ..... 69

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ..... 71

Gregor Hammerl ..................................................................................................... ..... 73

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 75

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer ..................................................................... ..... 77

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter ......................................................................... ..... 79

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek ...................................................................... ..... 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-553-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 83

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Forschungs­orga­nisa­tionsgesetz geändert werden (797 d.B., 616/A und 808 d.B. sowie 9458/BR d.B.) ........................................................................................ 83

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 84

5. Punkt: Berichtskonvolut zu den Evaluierungsverpflichtungen nach § 143 Uni­versitätsgesetz 2002 hinsichtlich zugangsgeregelter Studien (III-559-BR/2015 d.B. sowie 9459/BR d.B.)                         84

Berichterstatter: Peter Oberlehner ............................................................................... 84

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA ....................................................................................... ..... 84

Josef Saller .............................................................................................................. ..... 87

David Stögmüller .................................................................................................... ..... 88

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 90

Anneliese Junker .................................................................................................... ..... 91

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................. ..... 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 95

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-559-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 95

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG 1992) geändert wird (806 d.B. und 832 d.B. sowie 9455/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 96

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 96

Redner/Rednerinnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M .................................................................................... ..... 96

Ilse Fetik ................................................................................................................... ..... 9


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 6

7

Peter Samt ............................................................................................................... ..... 97

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................. ..... 98

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 99

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Beteiligung der Republik Kroatien am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (784 d.B. sowie 9456/BR d.B.) ................................... 99

Berichterstatter: Christian Poglitsch ............................................................................ 99

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Junker .................................................................................................... ... 100

Ilse Fetik ................................................................................................................... ... 100

Peter Samt ............................................................................................................... ... 101

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 101

Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ................................................................. ... 102

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 103

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit (779 d.B. und 833 d.B. sowie 9463/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 103

Berichterstatter: Rene Pfister ...................................................................................... 103

Redner/Rednerinnen:

Edgar Mayer ............................................................................................................ ... 104

Marco Schreuder .................................................................................................... ... 104

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 104

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 105

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung des Unionsrechts auf dem Gebiet der biologischen Produktion, geschützten Herkunftsangaben und traditio­nellen Spezialitäten erlassen (EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsge­setz – EU-QuaDG), das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz und das Marken­schutzgesetz 1970 geändert sowie das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz aufge­hoben werden (777 d.B. und 811 d.B. sowie 9454/BR d.B. und 9460/BR d.B.) ................................................................................. 105

Berichterstatterin: Angela Stöckl ................................................................................ 105

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 106

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 107

Rene Pfister ............................................................................................................. ... 109

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 110

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................... ... 111

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 112

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz aus Anlass des Generalvergleichs mit dem Freistaat Bayern, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanzmarktstabilitätsgesetz und das ABBAG-Gesetz geändert werden (796 d.B. und 824 d.B. sowie 9464/BR d.B.) ............................................................................................................... 112


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 7

Berichterstatter: Peter Heger ...................................................................................... 113

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Über­einkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den Einheitlichen Abwick­lungs­fonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (727 d.B. und 825 d.B. sowie 9465/BR d.B.) ................................................. 113

Berichterstatter: Peter Heger ...................................................................................... 113

Redner/Rednerinnen:

Gerhard Dörfler ....................................................................................................... ... 113

Ing. Eduard Köck .................................................................................................... ... 117

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 119

Ingrid Winkler .......................................................................................................... ... 121

Gerd Krusche .......................................................................................................... ... 122

Ana Blatnik .............................................................................................................. ... 124

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ..................................................... ... 125

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 129

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 129

Gemeinsame Beratung über

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Über­einkommen über die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank (798 d.B. und 826 d.B. sowie 9466/BR d.B.)                    172

Berichterstatter: Peter Heger ...................................................................................... 173

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg zur Änderung des am 18. Oktober 1962 in Luxemburg unter­zeich­neten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (699 d.B. und 828 d.B. sowie 9467/BR d.B.)                     172

Berichterstatter: Peter Heger ...................................................................................... 173

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Turkmenistans zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (773 d.B. und 829 d.B. sowie 9468/BR d.B.) ............................................................... 172

Berichterstatter: Peter Heger ...................................................................................... 173

Redner/Rednerinnen:

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 173

Peter Oberlehner .................................................................................................... ... 175

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ... 176

Christoph Längle .................................................................................................... ... 177

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 178


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 8

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 13, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............. 179

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, 1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............. 179

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Klimaschutzgesetz und das Emissionszertifikate­gesetz 2011 geändert werden (800 d.B. und 804 d.B. sowie 9461/BR d.B.) ............................................................................................................... 179

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 179

Redner/Rednerinnen:

Hans-Jörg Jenewein ............................................................................................... ... 180

Mag. Ernst Gödl ...................................................................................................... ... 181

Dr. Heidelinde Reiter .............................................................................................. ... 184

Günther Novak ........................................................................................................ ... 185

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ... 187

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 188

16. Punkt: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich (6. UVP-Bericht) (III-564-BR/2015 d.B. sowie 9462/BR d.B.) ....................................................................... 189

Berichterstatterin: Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................... 189

Redner/Rednerinnen:

Peter Samt ............................................................................................................... ... 189

Martin Preineder ..................................................................................................... ... 190

Günther Novak ........................................................................................................ ... 190

Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter ................................................... ... 191

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-564-BR/2015 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 192

Eingebracht wurden

Anträge der Bundesräte

Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Übergangs­gesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des BGBI. Nr. 368 vom Jahre 1925, und das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien geändert werden (215/A-BR/2015)

Christoph Längle, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erhalt der Kompanien bei den Bataillonen (216/A(E)-BR/2015)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 9

Anfragen der Bundesräte

Arnd Meißl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Asylantenquartier „Haus Semmering“ (3088/J-BR/2015)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Vernichtung von Lebensmitteln (3089/J-BR/2015)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Raum Klieberpark (3090/J-BR/2015)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Österreich schafft sich ab“ (3091/J-BR/2015)

Edgar Mayer, Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen an die Bundeministerin für Gesundheit betreffend betriebliches Eingliederungsmanagement (3092/J-BR/2015)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Bundesräte Edgar Mayer, Christoph Längle, Kolleginnen und Kollegen betreffend betriebliches Eingliederungsmanagement (2862/AB-BR/2015 zu 3087/J-BR/2015)


 


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 10

09.00.58 Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich eröffne die 846. Sitzung des Bundesrates.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 845. Sitzung des Bundesrates vom 25. September 2015 sind aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gelten daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ing. Hans-Peter Bock, Adelheid Ebner, Hubert Koller, Ing. Andreas Pum, Stefan Schennach und Gerhard Schödinger.

09.02.53Einlauf

 


Präsident Gottfried Kneifel: Eingelangt ist ein Schreiben des Landtages von Nieder­österreich betreffend Wahl eines Mitglieds und Ersatzmitglieds sowie

ein Schreiben des oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlauts dieser Schreiben verweise ich auf die im Sitzungssaal ver­teilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 11

Schreiben des Landtages von Niederösterreich betreffend Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes samt Schreiben betreffend Mandatsverzicht Ing. Bernhard Ebner, MSc:


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 12


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 13


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 14

*****


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 15

Schreiben des Landtagsdirektors des Oberösterreichischen Landtages betreffend Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern:


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 16

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BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 17

09.03.24Angelobung

 


Präsident Gottfried Kneifel: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

9.04.06

 


Schriftführer Josef Saller:Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

Über Namensaufruf durch den Schriftführer leisten die Bundesräte Rosa Ecker (FPÖ, Oberösterreich), Mag. Klaus Fürlinger (ÖVP, Oberösterreich), Sandra Kern (ÖVP, Niederösterreich), Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich), Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich), Mag. Michael Lindner (SPÖ, Oberösterreich), Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich), Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich), Thomas Scherer­bauer (FPÖ, Oberösterreich), David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich) und Ferdi­nand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich) ihre Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.

*****

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich begrüße die neuen und die wiedergewählten Mit­glieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Die neuen und die wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates werden von ihren Kolle­ginnen und Kollegen beglückwünscht.)

09.08.16Aktuelle Stunde

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Familie und Jugend: Weichen für die Zukunft“

mit der Bundesministerin für Familien und Jugend Mag. Dr. Sophie Karmasin, die ich herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner oder eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen bezie­hungs­weise deren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner oder eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend die Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. Ich erteile es ihr und mache darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Präsidial­konferenz die Redezeit 10 Minuten beträgt. – Bitte.

 



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9.09.41

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Es liegt nun an uns, das JETZT so zu gestalten, dass das MORGEN wertvoll wird; für uns, und die, die wir lieben.“ – Das ist ein Zitat von Andreas Bargel, das wir alle, glaube ich, privat in einer Selbst­ver­ständlichkeit und automatisch leben. Wir machen uns Gedanken über die Zukunft, überlegen, welche Vorkehrungen wir treffen können, auch für jene, die uns nach­kommen, damit sie einen guten Start und eine gute Ausgangssituation in der Zukunft haben.

Es ist für mich aber auch ein Zitat, das in Wirklichkeit unser politischer Leitfaden für unsere Tätigkeiten sein soll, gerade dann, wenn es um den großen Themenbereich Familie, Kinder und Jugendliche geht. Dieser Bereich muss auch in Zukunft ein Herz­stück unserer Tätigkeit sein, ein Herzstück aller politischen Themen.

Die Wichtigkeit wurde vor zwei Jahren mit einem eigenen Ministerium und einer Familienministerin unterstrichen, der das Thema wirklich ein sehr großes Anliegen ist. Seither hat sich wirklich viel getan. Und damit man es nicht vergisst – es sind ja auch sehr viele Dinge, die wir hier im Bundesrat beschlossen haben – und weil immer wieder manche meinen, all das sei zu wenig, möchte ich ein paar Punkte in Erinnerung rufen.

Ein ganz großer Schritt war die Erhöhung der Familienbeihilfe in drei Schritten, mit 4 Prozent im Jahr 2014 und den Erhöhungen in den Jahren 2016 und 2018. Weiters: die Erhöhung des Zuschlags zur Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder – ich denke, ein ganz wichtiges Thema. Der Mehrkindzuschlag ab dem dritten Kind bleibt erhalten. Schon allein für dieses Paket gibt es in den Jahren 2014 bis 2018 einen Bud­get­aufwand von knapp 828 Millionen € – 828 Millionen €, die rein diesem Bereich zugutekommen, und das ist, finde ich, ein wirklich beachtlicher Betrag.

Die Einführung der antragslosen Familienbeihilfe war ein großer Schritt, und es zeigt sich schon jetzt, obwohl das erst seit Kurzem gilt, wie schnell die Abwicklung funk­tioniert. Die monatliche Auszahlung der Familienbeihilfe – von vielen lange gefordert – wird seit September 2014 umgesetzt. Die erhöhte Familienbeihilfe für erwerbsunfähige Personen wird bei einem Arbeitsversuch nicht sofort gestrichen.

Nicht zu vergessen ist die Beschleunigung des Ausbaus der Kinderbildungs- und -betreu­­ungsangebote, indem auch der Bund von 2014 bis 2017 305 Millionen € zur Verfügung stellt. Das ist eine Ausbauoffensive in einer Größenordnung, die es in Österreich bis dato noch nie gegeben hat.

Zum Schluss möchte ich noch die Verlängerung des verpflichtenden Kindergarten­jahres erwähnen – eine Artikel-15a-Vereinbarung, die wir nach der Aktuellen Stunde auf der Tagesordnung haben – und alle Verbesserungen für die Familien im Zuge der Steuerreform, zu der später noch mein Kollege Edgar Mayer Stellung beziehen wird.

Das Ganze ist ein wirklich großes Paket, das in einer Zeit geschnürt worden ist, in der die budgetäre Lage nicht gerade einfach ist, weshalb ich wirklich sehr dankbar dafür bin. Es geht um wichtige Rahmenbedingungen für die Familien, sowohl finanziell als auch strukturell. Aber dass das allein nicht genügt und dass wir damit noch nicht fertig sind, ist uns allen bewusst. Gerade wenn es um die strukturellen Voraussetzungen geht, ist es, finde ich, eine besondere Kunst, Rahmenbedingungen zu schaffen, die für alle passen.

So schön unser Land ist, so unterschiedlich ist es – unsere Bundesländer, die ein­zelnen Regionen und die Bezirke. Ich finde es daher umso wichtiger, dass sich das zuständige Regierungsmitglied immer wieder vor Ort ein Bild macht. Viel in den


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Bundesländern unterwegs, hat es mich besonders gefreut, dass wir unsere Familien­ministerin vergangene Woche in meinem Heimatbezirk begrüßen konnten.

Der Bezirk Reutte, ein Bezirk in Tirol, ist bevölkerungsmäßig der kleinste Bezirk, aber nicht flächenmäßig am kleinsten. Das heißt, wir haben sehr viele Gemeinden, Klein- und Kleinstgemeinden, die natürlich auch bei diesem Thema besondere Herausforde­rungen zu bewältigen haben. Und es ist unter Umständen oft ein bisschen schwieriger, diese zu meistern, als in einer Millionenstadt wie Wien, aber die Familien haben die gleichen Bedürfnisse.

Man konnte sich vor Ort davon überzeugen, wie engagiert dieses Thema angegangen worden ist, auch mit einem neu eröffneten Kinderhort, der in kürzester Zeit wirklich massiv gewachsen ist, an dem sich umliegende Gemeinden beteiligen, um auch für ihre Kinder diese Unterstützung zu gewähren.

Bei einem Besuch im Bezirkskrankenhaus, Bezirkspflegeheim – einer unserer größten Arbeitgeber; es arbeiten dort fast ausschließlich Frauen, daher ist das natürlich ein Schwerpunktthema – hat man gesehen, wie versucht wird, individuelle Lösungen zu finden, damit die Kinder während des Jahres in ihrem Heimatkindergarten sein können, aber in der Sommerzeit eine Sommerbetreuung in der Standortgemeinde gewährleistet ist.

Ein besonderer Punkt – ich glaube, das ist auch unserer Ministerin aufgefallen – war aber auch der Stolz der Bürgermeister, die ihre Projekte vorgestellt haben. Und das ist etwas, was mich besonders freut, weil ich selbst weiß, auch aus Zeiten des Landtages, dass das nicht so selbstverständlich war. Ich weiß, wie viele Diskussionen in den Gemeinden geführt wurden, in denen es um die Frage ging: Braucht es das schon, ist das wichtig, ist das unser Ziel? Ich erinnere mich an das ständige Arbeiten an der Bewusstseinsbildung in die Richtung, wie wichtig das für die Familien ist. In der Zwischenzeit haben aber, glaube ich, alle oder zumindest viele Gemeinden erkannt, dass das für die Gemeinden wirklich Zukunft bedeutet, da junge Familien, junge Frauen in ihre Entscheidung, wo sie sich niederlassen, wo sie sesshaft werden wollen, einbeziehen, wo sie die Infrastruktur haben, die sie haben wollen und brauchen.

Dass dies gewachsen ist, freut mich sehr; vor allem auch, dass es einen Bereich gibt, der dies besonders wertschätzt. Es hat nämlich am selben Tag eine Veranstaltung in Innsbruck gegeben, bei der österreichweit 90 Gemeinden ausgezeichnet worden sind für Familienfreundlichkeit und bessere Lebensqualität – ein Gütesiegel, das eingeführt worden ist mit unterschiedlichen Ansatzpunkten. Das ist meiner Überzeugung nach der richtige Weg: dass die Menschen vor Ort eingebunden werden, dass genau das umge­setzt wird, was gebraucht wird. Mit dem 2013 eingeführten Zusatzzertifikat „Kinder­freundliche Gemeinde“ ist meiner Meinung nach ein sehr großer Schritt gelungen.

In der Zwischenzeit haben sich an diesem Programm 360 Gemeinden in ganz Öster­reich beteiligt, haben daran teilgenommen. Es sind 17 Prozent unserer Gemeinden im Land, und das kommt in Wirklichkeit über zwei Millionen Bürgerinnen und Bürgern zugute. Ich hoffe, dass die Gemeinden, die diesen Weg eingeschlagen haben, ein Vor­bild für alle anderen sind.

Vorbild, Bewusstseinsbildung braucht es aus meiner Sicht aber auch in einem weiteren Bereich, nämlich dann, wenn es um unsere Betriebe geht. Auch diesbezüglich ist das Ministerium sehr aktiv gewesen und hat eine Initiative eingeführt, und zwar „Unter­nehmen für Familien“. Das ist ein freiwilliges Netzwerk, welches anhand von positiven Anreizen und Best-Practice-Modellen Wege aufzeigen möchte.

Ich glaube, das kann nur gemeinsam funktionieren, indem wir schauen, welche Struk­turen wir schaffen müssen, aber auch die Bereitschaft der Arbeitgeber gegeben ist. All


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jene, die das leben, haben auch festgestellt, wie wichtig das für ihren Betrieb, aber auch für ihre Mitarbeiter ist, dass es weniger Fluktuation und mehr Motivation gibt, wenn man bemüht ist, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern da entgegenzukommen, sei es durch flexiblere Arbeitszeitmodelle oder andere Dinge.

Ein wichtiges Thema auch für die Zukunft – die Frau Ministerin weiß, das ist mir ein großes Anliegen – ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und da insbesondere die Kinderbetreuung. Man merkt, dass das in vielen Betrieben schon sehr offen ge­hand­habt wird.

Aber ein Zukunftsthema wird für uns auch noch die Vereinbarkeit in Verbindung mit dem Thema Pflege sein, denn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu Hause jemanden betreuen, stehen in Wirklichkeit vor der gleichen Herausforderung wie jene, die Kinder betreuen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft weiter daran arbeiten können. Das muss nicht immer durch Gesetze sein, sondern ich glaube, dass die Betriebe, wenn diesbezüglich viel Bewusstseinsarbeit gemacht wird, feststellen, dass auch sie selbst dadurch einen Mehrwert haben.

2013 haben 31 Prozent das Land als familienfreundlich bezeichnet oder so empfun­den, aktuell sind es 63 Prozent – eine Verdoppelung, die anhand des Familienfreund­lichkeits-Monitors festgestellt worden ist. Ich bin dankbar dafür, dass man nicht nur Schritte setzt, sondern dass es auch ein Anliegen ist, jene, die es leben und die es betrifft, immer wieder zu fragen, wie zufrieden sie selbst mit der Situation sind.

Wir sind noch nicht fertig. „Es liegt nun an uns, das JETZT so zu gestalten, dass das MORGEN wertvoll wird“ – wenn wir das gemeinsam mit Nachdruck machen, können wir das Ziel, das unsere Familienministerin ausgesprochen hat, erreichen: bis 2025 das familienfreundlichste Land Europas zu werden.

Frau Ministerin, ich hoffe, Sie gehen genau diesen Weg mit diesem Nachdruck weiter. Auf unsere Unterstützung, vor allem auf meine Unterstützung können Sie dabei zählen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.19


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


9.20.01

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde „Familie und Jugend: Weichen für die Zukunft“ ist ein sehr schönes Thema, weil es zukunftsorientiert ist und darin sehr viel Wichtiges enthalten ist.

Es ist vor zwei oder drei Tagen die Bertelsmann-Studie präsentiert worden, bei welcher der Schwerpunkt das Thema Kinder und Armut war. Es ging dabei vor allem um die Frage: Welche Auswirkungen hat Armut auf Kinder, und wie gefährdet sind Kinder eigentlich durch Armut? Dass Armut für uns alle ein Risiko ist, ist keine Neuigkeit, aber dass die Auswirkungen von Armut auf Kinder so groß sind, hat mich dann eigentlich doch sehr überrascht.

Ein paar Zahlen dazu: In Österreich sind 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen armutsgefährdet. Das macht in Zahlen umgerechnet 408 000 Kinder und Jugendliche aus. Dagegen kann jedoch die Politik sehr viel tun, und zwar können wir hier mit ge­setzlichen Rahmenbedingungen sehr helfen.

Das Risiko, von Armut betroffen zu sein, ist wesentlich höher, als wir meinen, und vor allem – und das ist keine Neuigkeit – ist es wesentlich höher für Kinder, die bei Allein-


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erzieherinnen und Alleinerziehern aufwachsen, oder für Kinder, die einen Migrations­hintergrund haben. Bei Letzteren ist die Situation noch schwieriger, weil da auch die mangelnden Sprachkenntnisse noch hinzukommen. Wir alle wissen, wie not­wen­dig und wichtig die Beherrschung der deutschen Sprache ist. Sie ist für Kinder von Anfang an ein wichtiges Instrument, um Chancen wahrnehmen zu können. Angebote wie Eltern­bildung, Früherkennungsuntersuchungen, Sportangebote, Angebote von Ver­einen erreichen diese Kinder und ihre Familien oft nicht. Da stoßen wir mit unseren Möglichkeiten leider immer wieder an Grenzen.

Kinderbetreuung wirkt aber sehr positiv auf Kinder, vor allem ein früher Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen ist für diese Kinder sehr notwendig und wichtig. Da geht es um zwei Arten der Förderung, und zwar nicht nur um die Förderung in den Kinderbetreuungseinrichtungen, sondern auch um die finanzielle Förderung. Und dazu haben Sie, Frau Ministerin, wirklich schon sehr, sehr viel Positives beigetragen, womit wir mithelfen können, unseren Kindern einen guten Start ins Leben zu geben.

Der Kindergarten als erste Bildungseinrichtung in unserem Land ist vor einigen Jahren überhaupt nicht als solche wahrgenommen worden. Er ist jetzt als Kinderbetreuungs­einrichtung wirklich schon anerkannt und ist mittlerweile in sehr vielen Köpfen als solche verankert und nicht als Aufbewahrungs- oder als Abstellort oder sozusagen als Garderobe für unsere Kinder, sondern eben wirklich als Bildungseinrichtung. Und darüber, dass uns das gelungen ist, bin ich sehr, sehr froh.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Gestaltung der Elternbeiträge – ein Thema, das auch die Gemeinden immer wieder betrifft. Ich komme aus dem Burgenland, wo wir einen Gratiskindergarten haben, worüber ich als Bürgermeisterin sehr froh bin, aber natürlich gibt es manchmal auch schwierige Situationen – das gebe ich schon zu –, weil die Finanzierung nicht immer einfach ist. Ich muss sehr oft entscheiden und auch sehr viel diskutieren. Eine Straße zu sanieren oder eine neue Straße zu bauen, solch ein Vorhaben kostet wesentlich weniger Diskussionen als der Wunsch, in die Kin­derbildung und ‑betreuung zu investieren. Ich diskutiere sehr gerne darüber – die­jenigen, die mich kennen, wissen das –, aber ich glaube, dass die Bewusstseins­arbeit im Bereich Familien – die von Ihnen, Frau Bundesministerin, ja sehr, sehr gut gemacht wird – auf alle Fälle noch weiter forciert werden muss.

Die selektive Aufnahmefähigkeit von Kindern wird durch den Besuch der Kinder­betreuungseinrichtungen gefördert und auch verbessert, was sehr, sehr notwendig ist, aber auch da ist, wie ich es schon vorhin sagte, die Sprache ein notwendiges Grundmittel, damit das auch geschafft wird.

Sport, Soziales, Gesundheit, Kultur – all das sind Dinge, die in den Kinderbetreu­ungs­einrichtungen unseren Kindern vermittelt werden und die notwendig sind. Natürlich wäre es noch viel besser – und wir diskutieren das auch schon sehr lange, ich bin aber ein sehr positiver Mensch und glaube daher, dass wir es auch sehr bald schaffen werden –, wenn die ganztägigen Schulformen so kommen würden, dass wirklich jedes Kind die gleichen Möglichkeiten und auch die gleichen Rechte hat. Ich hoffe, dass wir das bald umsetzen können.

Das bundeseinheitliche Rahmengesetz für den Kindergarten ist auch ein wichtiges Ziel. Das ist eine Forderung, die seitens der Kinderfreunde schon sehr, sehr lange erhoben wird. Wir versuchen immer wieder, das anzusprechen, und ich bin zuversichtlich, dass uns das auch bald gelingen wird.

Die vielen guten Maßnahmen, die seitens des Ministeriums gesetzt worden sind, sind von meiner Kollegin vorhin schon genannt worden, ich möchte daher nur in Schlag­worten ein paar andere Dinge vorbringen, von denen ich überzeugt bin, dass sie sehr, sehr gute und auch sehr notwendige Maßnahmen sind.


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Zum Beispiel: Die Einführung der außerschulischen Jugendarbeit, die auch Inhalt Ihrer letzten Pressemeldung, Frau Ministerin, war, ist etwas, was sehr notwendig und wichtig ist, um die Kinder – und da spreche ich wieder einmal als Bürgermeisterin – in das Dorfleben zu integrieren. Es ist wichtig, den Kindern zu zeigen, wie notwendig es in kleinen Gemeinden ist, dass wir gemeinsam etwas umsetzen.

Ich mache als Bürgermeisterin in meiner Heimatgemeinde einmal im Monat einen pädagogischen Jour fixe – so nennen wir das –, wo ich mit der Kindergartenleiterin und der Volksschuldirektorin über verschiedene Maßnahmen diskutiere, wie etwa: Wie können wir gemeinsam mit den Bildungseinrichtungen und mit der Gemeinde für das ganze Gemeindeleben Akzente setzen? Das kommt nicht nur bei den PädagogInnen in meiner Heimatgemeinde sehr gut an – bei mir natürlich auch –, sondern auch bei der gesamten Bevölkerung, weil es ganz wichtig ist, gemeinsame Anliegen umzusetzen.

Die Bewusstseinsschärfung für Familienfreundlichkeit hat sich, wie es meine Kollegin auch schon gesagt hat, verdoppelt. Das ist sehr erfreulich und, wie gesagt, auch sehr notwendig. Antragslose Familienbeihilfe und auch die FamilienApp, die eingeführt wurde, sind sehr gute Errungenschaften für die Familien.

Ich möchte noch einmal bitten, die Gemeinden nicht im Regen stehen zu lassen, wenn es um die Finanzierung geht. Ich weiß, die Finanzierung seitens des Bundes ist eine sehr gute, aber es ist auch wichtig, bei den Konzepterstellungen und bei der Umset­zung von Ideen mit den Gemeinden zu kooperieren.

Ein Thema, das für mich sehr wichtig ist, sind die Kinderrechte. Das ist eines meiner Schwerpunktthemen. Meine Kollegin hat vorhin gesagt, dass das Familienmonitoring sehr dazu beigetragen hat, dass sich die Familienfreundlichkeit verdoppelt hat. Es gibt auch ein Kinderrechtemonitoring, über welches wir allerdings bis jetzt keine Infor­mationen erhalten haben. Nicht nur ich habe Interesse daran, sondern vor allem für diejenigen, die im Bereich Kinderrechte arbeiten, wäre es wichtig, dass sie Informatio­nen über das Monitoring erhalten würden, um eine Grundlage zu haben für Ihre Arbeit mit den Fragen: Wo können wir ansetzen? Wie können wir am besten weiterarbeiten? Wo gibt es Möglichkeiten, dass wir noch mehr helfen können? – Es wäre hilfreich, wenn wir von dieser Expertinnen- und Expertenkommission Informationen bekommen könnten.

Kinderrechte – ein Thema, das uns im Bundesrat schon länger beschäftigt, ein Thema, das für uns im Bundesrat kein neues ist. Der Bundesrat hat im Jahr 2012 eine Petition mit dem Titel „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ eingebracht. Ich möchte nicht sagen, nur aufgrund dieser Petition, aber sicherlich mit dieser Petition ist es uns gelungen, dass wir bis auf ein Bundesland in jedem Bundesland Kinderlärm nicht mehr als Klagsgrund haben. Ich glaube, dass das ein sehr wichtiger und ein sehr guter Schritt war, den wir da gesetzt haben. Und ich glaube, dass es wichtig war, dass wir als Länderver­treterinnen und Ländervertreter dieses Thema auch in unsere Bundesländer hinausge­tragen haben. Diese Petition hat ja auch hier im Bundesrat eine sehr breite Mehrheit erhalten.

Das, woran wir nach wie vor arbeiten müssen – und auch da werde ich nicht aufgeben, weil ich ein positiv denkender Mensch bin –, ist, dass wir auch im Bundesrat einen Kinderrechte-Ausschuss einrichten. Ich glaube, dass das notwendig und wichtig ist. Im Nationalrat ist man uns leider jetzt einen Schritt voraus, obwohl wir schon länger daran arbeiten. Im Nationalrat gibt es bereits einen Unterausschuss für Kinderrechte. Es wäre natürlich sehr schön, wenn wir die Ersten gewesen wären. Die Vorarbeit und auch die inhaltliche Arbeit hätten wir geleistet gehabt, nur ist leider dieses Vorhaben in der Umsetzung aufgrund mancher Strukturen – sagen wir es jetzt einmal so, um nicht noch mehr zu sagen – gescheitert. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Mayer: Wir


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brauchen dafür keinen Unterausschuss!) – Aber wir machen einen! Ich kann mich darauf verlassen. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, dass es wirklich notwendig ist, dass wir einen Kinderrechte-Ausschuss einrichten, und ich würde mich auch darüber freuen.

Frau Ministerin, ich möchte noch einmal die wirklich tolle Arbeit des Familienminis­te­riums unterstreichen, weil ich davon überzeugt bin, dass sie sehr, sehr gut ist, aber wenn wir zum Thema Kinderrechte auch auf der Homepage des Ministeriums ein bisschen mehr finden könnten, wäre das gut, weil ich glaube, dass dies notwendig wäre. Aber ich danke recht herzlich für die wirklich sehr tolle und wichtige Arbeit. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.28


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


9.28.46

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie uns vielleicht zu Hause am Computer via Livestream zuschauen! Es ist ja gerade beim Thema Familien wirklich eines interessant: Wenn die beiden Vertreter der Regierungsfraktionen vor mir sprechen, erklären sie uns immer, was nicht alles schon gemacht worden ist und wie gut das ist und was noch in Zukunft gemacht werden muss, was wir mit gemeinsamer Kraftanstrengung sicherlich schaffen wer­den. – Das höre ich jetzt wirklich schon seit Jahren, geschehen ist aber bis jetzt nicht wahnsinnig viel. (Bundesrat Mayer: Aber geh!)

Wenn Sie es bis 2020, wie es Frau Kollegin Ledl-Rossmann gesagt hat, schaffen wollen, dass Österreich das familienfreundlichste Land in Europa ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Da haben Sie aber wirklich noch viel zu tun, die Zeit wird wirklich knapp! Denn: Das, was Sie zu bieten haben, wird nicht ausreichen. Als Beispiel dafür bringe ich die von Frau Kollegin Ledl-Rossmann zitierte Erhöhung der Familienbeihilfe. Diese ist ja, wenn man es in Millionenbeträgen ausdrückt, durchaus beachtlich, aber wenn man sich anschaut, was jede einzelne Familie bekommen hat, dann sieht man, dass es nur 5,50 € im Monat sind, und das ist nun wirklich nicht die Welt! – Das ist jetzt keine „Erfindung“ der Freiheitlichen, sondern das hat Ihnen die Wirtschaftskammer vorgerechnet, die ja bekanntermaßen der ÖVP nicht ganz ferne steht. Dies sei klargestellt, damit man weiß, wovon hier die Rede ist.

Kollegin Posch-Gruska hat dasselbe gemacht wie ich auch. Auch ich habe mir die Armutszahlen angeschaut. Und da schaut es folgendermaßen aus: 23 Prozent der unter 20-Jährigen sind armutsbetroffen. Und 43 Prozent der Jugendlichen können nicht an einer Klassenfahrt oder an einem Schulskikurs teilnehmen – es sei denn, der Eltern­verein springt ein –, was sehr dramatisch ist. 25 Prozent der Familien leben in einer Situation, wo es in ihrem Haushalt keine Waschmaschine gibt und es mit dem Heizen Probleme gibt – trotzdem hat Wien vor Jahren den Heizkostenzuschuss gestrichen.

Oder: Viele Jugendliche können keine Freunde zu sich einladen – was schlecht ist, weil es als sozialer Aspekt wichtig wäre, seine Schulfreunde einzuladen. Das können viele Jugendliche aber nicht. Und diese Situation verbessert sich nicht, sondern sie verschlechtert sich eher noch.

Aber wir hören, gerade aus der ÖVP, die ja die selbsternannte Familienpartei ist, immer wieder Forderungen. Ich lese Ihnen diese gerne noch einmal vor, ich habe das ja schon einmal gemacht, aber ich tue es jetzt ein weiteres Mal, nur, um es Ihnen ins Gedächtnis zu rufen, damit es nicht in Vergessenheit gerät.


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Abgeordnete Durchschlag forderte 2014 ein steuerfreies Existenzminimum von 7 000 Euro pro Kind und die jährliche Inflationsanpassung der Familienbeihilfe.

Das fordern die Freiheitlichen wirklich schon seit Langem: die Inflationsanpassung der Familienbeihilfe. – Geschehen ist diesbezüglich bis jetzt nichts, obwohl die Frau Minister das ja durchaus in Zeitungsinterviews unterstützt hat, denn Sie sagen sich ja auch: Was wünsche ich mir bei einer Steuerreform für die Familie? – Natürlich eine deutliche Entlastung, vor allem der Mehrkindfamilien.

Was ist bei der Steuerreform herausgekommen? – Eine Belastung, denn die Steuer­reform muss ja gegenfinanziert werden. Bis jetzt ist sie ja nur zur Hälfte oder, wenn man sehr wohlmeinend ist, zu zwei Dritteln gegenfinanziert. (Bundesrat Mayer: Das stimmt einfach nicht!)

Oder: Der Familienbund, wo Kollegin Tamandl Rechnungsprüferin ist, sagt:

„Preise, Mieten, Gebühren und Löhne steigen regelmäßig, die Familienbeihilfe nicht. Sie wurde mit 1. Jänner 2000 zum letzten Mal erhöht (...). Im Jänner 2000 konnte man sich um eine Monatsrate Familienbeihilfe knapp 57 kg Brot kaufen. Im Oktober 2013, nahezu 14 Jahre später, sind es nur noch 36 Kilogramm.“

Das heißt, alles, was Sie an Zahlungen leisten, hat ja dadurch, dass es nicht ange­passt wurde, mittlerweile an Wert verloren. Und darunter leiden natürlich genau jene Familien, die nichts haben oder die zu wenig haben oder die, wie man es früher gesagt hat, zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig haben. Und das ist dramatisch! Aber da geschieht nichts.

Im Regierungsprogramm – das ist der nächste Punkt, und der betrifft vor allem die Frauen – haben Sie sich ja selbst verordnet, dass Sie die Anrechnung der Kinderer­ziehungszeiten verbessern wollen. Die Abstände von vier Jahren – ich glaube, da sind wir uns einig – sind einfach zu gering, denn wenn man mehr Kinder hat, drei oder vier, und man hat diese nicht im Abstand von vier Jahren bekommen, dann sinkt die Kindererziehungszeit natürlich dramatisch. Also haben Sie gesagt, das ist nicht gut. Und auch da darf ich eine ÖVP-Abgeordnete zitieren, nämlich Abgeordnete Schitten­helm aus dem Nationalrat, die gesagt hat – und da gebe ich ihr recht –, jedes Kind ist gleich viel wert, daher sollen auch für jedes Kind gleich viele Monate angerechnet werden.

Ja, heute haben wir den 29. Oktober 2015, und das hat sie, glaube ich, im Jahr 2011 gesagt. Und was ist seither passiert? – Nichts, obwohl in diesem Fall, selten genug, selbst Frauenministerin Heinisch-Hosek gesagt hat, dass die Kindererziehungszeiten zum Nachteil für die Frauen sind, vor allem, wenn es um die Pension geht. Und das wissen wir, da sind wir uns ja einig. Also warum geschieht da eigentlich nichts?

Und sagen Sie bitte nicht: Wir haben kein Geld!, denn wir erleben jetzt im Zuge der Zuwanderung und der Völkerwanderung, für was alles wir Geld haben. Nur für die eigenen Leute haben wir nie Geld, da ist es immer zu wenig und da geht sich das alles nicht aus. Aber das kann es nicht sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Es hat ja sogar Ihr ÖVP-Kollege Haslauer, Landeshauptmann von Salzburg, im „profil“-Interview von den „Todsünden der ÖVP“ gesprochen und Ihnen vorgeworfen, dass Sie „gegen Familien agieren“ – also nicht nur zu wenig tun, sondern auch gegen die Familie agieren!

Und da passt es ins Bild, Frau Minister – eine Familienministerin, die meiner Meinung nach keine ist –, wenn Sie mit folgender Aussage zitiert werden, und zwar in einem Interview mit der Zeitung „ÖSTERREICH“, Sonntagsausgabe vom 14. Juni 2015:


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„Wenn man sich ein neues Auto oder ein Handy oder sonst etwas kauft, gibt man auch Geld aus. Wenn es um die Familie geht und man dafür Geld investieren soll, dann wird schnell der Ruf nach dem Staat laut. Das kann es auch nicht sein.“

Das ist wirklich eine respektlose Aussage gegenüber den Familien, von denen viele heute schon nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen.

Weil auch heute wieder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen worden ist, wo es dann immer wieder auch eine Diskussion über die Teilzeitarbeit gibt, die angeblich viele Frauen wollen, möchte ich sagen: Es ist wichtig, dass, damit die Frauen in die Pensionsfalle nicht tappen, die Kindererziehungszeiten auch entsprechend ange­rechnet werden, dass sie vor allem von den Jahren, aber auch vom Betrag her ange­hoben werden.

Wir Freiheitlichen waren immer und sind auch jetzt noch für Wahlfreiheit. Wer eine Zeit lang zu Hause bleiben möchte und dann nur halbtags arbeiten gehen möchte, soll es auch tun können – und vor allem soll er es sich auch leisten können, denn der Grund für die Entscheidung ist ja nicht, dass die Eltern es nicht wollen, sondern der Grund dafür ist, dass sie es meistens aus pekuniären Gründen nicht tun können.

Laut einer Jugendmonitor-Studie Ihres Vorgängers als Familienminister, des Herrn Mitterlehner, wollen 60 Prozent der Jugendlichen zwei Kinder. Durchschnittlich haben die Österreicher aber 1,4 Kinder. – Also was passiert da in der Zwischenzeit?

Und: 77 Prozent der Eltern wollen bis zum dritten Lebensjahr ihres Kindes zu Hause bleiben. – Ich finde das auch gut so. Aber in den Debatten über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird der Eindruck erweckt, als ob die Familie der allerschlechteste Ort wäre, wo Kinder aufwachsen können, und wenn wir die Kinder nicht schon ab der Geburt in irgendeiner äußeren Institution fördern, dann kann aus ihnen nichts werden.

Das stimmt überhaupt nicht! (Bundesrat Mayer: Das ist nicht die ÖVP-Meinung!) – Dann höre bitte einmal deinen Kolleginnen zu! Es wird jedes Mal unterschwellig so gebracht, als ob nur eine außerhäusliche Institution gut für die Kinder wäre. Und das stimmt einfach nicht! (Bundesrat Mayer: Wer behauptet denn das?)

Sie selber reden die ganze Zeit davon! Lissabon-Strategie 2020: 33 Prozent Krippen­plätze müssen es sein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die müssen aber nicht sein! (Bundesministerin Karmasin: Die wollen aber alle!) – Das ist nicht wahr, das ist eine Behauptung, dass es alle wollen! (Bundesrat Mayer: Das ist auch eine Behauptung!)

11 Prozent wollen ihre Kinder in eine Kinderkrippe geben – und nicht 33 Prozent! Sie gehen, wie so oft, an der Realität vorbei. (Beifall bei der FPÖ.)

Es stimmt schon: Die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Familie ihr Modell so leben kann, wie sie es möchte, und ihre Vorstellungen auch verwirklichen kann. Das hat aber die Regierung von SPÖ und ÖVP bislang nicht getan. Sie gehen eher vor nach dem Motto: Wir spielen Regierungsmikado, und wer sich als Erster rührt, hat verloren! Und das finden wir falsch! (Beifall bei der FPÖ.)

9.39


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Schreyer. – Bitte.

 


9.39.17

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher hier und zu Hause! „Familie und Jugend: Weichen für die Zukunft“ ist ein sehr schöner Titel für die Aktuelle Stunde, und ich kann ihm inhaltlich auch nur voll zustimmen. Wir müssen jetzt für unsere Familien die Weichen stellen und Hürden beseitigen, damit


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unsere Familien – und darauf sind auch meine Vorrednerinnen schon eingegangen – Rahmenbedingungen vorfinden, in denen es toll ist, eine Familie und Kinder zu haben, und die Entscheidung, ob und wie viele Kinder man haben möchte, keine existenz­bedrohende Entscheidung ist.

Dass die Zahl der Kinder pro Frau in Österreich massiv zurückgegangen ist, ist ja hin­länglich bekannt. In den letzten 50 Jahren hat sie sich fast halbiert: von knapp drei Kindern pro Frau in den sechziger Jahren auf nur mehr 1,46 im Jahr 2014. Ich bin Zoologin, aber man muss sich in der Biologie nicht besonders auskennen, um zu sehen, dass 1,46 Kinder pro Frau die Population in Österreich nicht aufrechterhalten. Dafür wären ja mindestens zwei Kinder pro Frau notwendig – 2,1, rechnet die Wissen­schaft hoch. Das wird in ganz Europa nur von Frankreich erreicht, gefolgt von Irland mit zwei Kindern pro Frau, und skandinavische Länder pendeln zwischen 1,7 und 1,9 Kindern pro Frau.

Es ist vorher schon erwähnt worden, Sie haben sich vorgenommen, das familien­freundlichste Land Europas zu werden. – Das wünsche ich mir auch. Es ist schon sehr viel erreicht worden – das möchte ich auch hervorheben, ich möchte es hier nicht kleinreden –, aber es gibt schon noch enorm viel zu tun.

Von den sechziger Jahren bis jetzt hat sich nämlich auch die Familie generell sehr genändert. Das typische Familienbild von damals – mit dem Mann, der Familienver­sorger ist, und der Frau, die Hausfrau und Mutter ist – gibt es einfach so nicht mehr. Frauen machen Ausbildungen, Frauen machen Karriere und entscheiden sich immer später für das erste Kind. Traditionelle Rollenverteilungen werden aufgebrochen, und diesem veränderten Familienbild muss man einfach noch viel mehr entgegen­kom­men – also alle Bemühungen, die man jetzt gesetzt hat, einfach noch einmal verstär­ken.

Kinderkriegen ist auch nicht mehr nur ein Frauenthema, auch wenn man es vielleicht glauben könnte – bis jetzt sind am Rednerpult nur Frauen gestanden –, sondern Kinderkriegen ist ein Familienthema. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für alle Beteiligten ein großes Thema, und das fängt in den ersten Lebensjahren an. Es ist unbedingt notwendig – und das fordern wir schon so lange –, dass die extrem komplizierten Kindergeldvarianten vereinfacht werden und im Zuge dessen auch die Väter zu längeren Kinderbetreuungszeiten bewegt werden.

Es muss auch eine Änderung bei den Möglichkeiten von AlleinerzieherInnen geben, nämlich zum Beispiel, dass auch Eltern, Geschwister oder neue PartnerInnen von AlleinerzieherInnen die Möglichkeit haben, Kinder zu betreuen. Das sind einfach Lebensrealitäten, die zutreffen, und auf die müssen wir eingehen.

Derzeit ist das Kinderbetreuungsgeld noch so angelegt, dass langes Fernbleiben vom Beruf geradezu forciert wird. Und eine Reform muss so gesteuert sein, dass die Kinderbetreuungszeiten von beiden Elternteilen einander angeglichen werden, wie es ja gerade in den skandinavischen Ländern, die bei der Kinderbetreuung immer als Vorbild dienen, schon recht gut umgesetzt wird.

Den Papamonat gibt es ja im öffentlichen Dienst schon, allerdings unentgeltlich. Er sollte auch in der Privatwirtschaft endlich möglich sein, und es sollte ein bezahlter Papa­monat sein, damit die Männer auch in der Kindererziehung viel mehr miteinge­bunden werden.

Im Laufe der Kinderjahre setzen sich die Schwierigkeiten fort. Gerade im ländlichen Raum ist die Kinderbetreuung oft nicht gut ausgebaut, vor allem im öffentlichen Be­reich. Ohne das Engagement von privaten Kinderkrippenvereinen würde das Angebot richtig brach liegen. Und diese mangelnden Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind dann


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oft ein Grund für Teilzeitbeschäftigungen. Wir Grüne fordern hier einen Rechts­anspruch auf Kinderkrippenplätze ab dem ersten Lebensjahr.

Ja, Kollegin von der FPÖ, wir fordern einen Rechtsanspruch, aber keine Verpflichtung! Es muss die Möglichkeit gegeben sein, zu leben und sich das einzuteilen, wie man es möchte. Und dazu braucht es einen Rechtsanspruch, denn sonst passiert da nichts. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das ist nichts Neues, das gibt es auch woanders schon. Länder wie zum Beispiel Deutschland setzen das bereits so um. Ich räume jetzt natürlich ein, es läuft in Deutschland noch nicht so reibungslos, wie es laufen sollte, aber die mutigen Schritte sind gesetzt worden, und an der Umsetzung hapert es halt noch; aber da können wir sicher in Österreich noch mehr in diese Richtung gehen. Dass das noch nicht in diesem Ausmaß geschieht, wird in Österreich eben oft mit der Wahlfreiheit begründet; aber genau da ist eben die Freiheit, wählen zu können – und dann auch einen Platz garantiert zu bekommen –, angestrebt.

Ein weiterer Punkt, der extrem wichtig ist, sind flexible Öffnungszeiten. Nicht jede/jeder hat einen Nine-to-five-Job. Gerade im Gastgewerbe oder im Einzelhandel gibt es komplett andere Arbeitszeiten. Vor allem Supermärkte haben jetzt schon fast durch­gehend bis 20 Uhr geöffnet, und das entspricht überhaupt nicht den Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen. Gesundheits- und Pflegeberufe sind vorhin schon angesprochen worden; bei diesen herrscht ein 24-Stunden-Betrieb, das entspricht also überhaupt nicht den Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen.

Die Barcelona-Ziele haben bis 2010 – also bis vor fünf Jahren – eine Betreuungsquote von mindestens 33 Prozent der unter Dreijährigen festgelegt. Und jetzt, fünf Jahre später, haben wir diese Ziele immer noch nicht erreicht.

Gehen wir noch einmal einen Schritt weiter: Im Kindergarten setzt es sich fort. Wir be­schließen dann anschließend eine 16 bis 20 Stunden pro Woche verpflichtende kostenlose Kindergartenzeit für die Fünf- bis Sechsjährigen. Gerade die Nachmittags­betreuung ist aber auch im Kindergarten wieder viel zu wenig ausgebaut und auch wieder viel zu unflexibel. Kindergärten, die mittags schließen, sind keine Ausnahme, sondern eher die Norm, gerade je weiter man aufs Land und in die Peripherie hinaus­geht. Lange Schließzeiten im Sommer und zu allen Ferien sind gerade für Alleinerzie­herInnen oder Menschen, die sich eben nicht komplett auf die Oma verlassen können, immer noch eine riesige Hürde.

Und was es in diesem Zusammenhang auch noch braucht, ist einfach eine Aufwertung der Kindergartenpädagoginnen und ‑pädagogen. Die KindergartenpädagogInnen leisten Bildungsarbeit! Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung, und die dort tätigen PädagogInnen gehören anständig entlohnt. Ihre Entlohnung gehört angepasst und ihre Ausbildung aufgewertet. (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Bundesrätin Posch-Gruska: Dann gibt es dort auch mehr Männer!)

Es wird immer dafür geworben und gesagt, dass wir mehr Männer in diesen Berufs­zweig bringen möchten, und ich bin mir sicher: Mit einer angemessenen Entlohnung dürfte das um einiges leichter sein und ist dann keine Hexerei mehr.

Gehen wir noch einmal einen Schritt weiter: Kaum kommen die Kinder in die Schule, ist die Nachmittagsbetreuung noch einmal schlechter ausgebaut. Also je älter die Kinder werden, umso schlechter ist das Angebot an Kinderbetreuung in Österreich.

Ich weiß, dass das nicht von heute auf morgen geht. In Tirol zum Beispiel sind das Angebot und die Kapazität in den letzten zehn Jahren verfünffacht worden, aber es ist immer noch enorm viel Luft nach oben, es muss noch viel mehr an Anstrengung unternommen werden, und es geht mir einfach noch nicht schnell genug.


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Ich habe eingangs davon geredet, dass sich die Gesellschaft wandelt. Darum möchte ich, wenn wir von Familien reden, die Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen noch einmal ganz explizit hervorheben.

Im Frühjahr 2014, als Conchita den Song Contest gewonnen hat, als Gleichstellung gerade auch ganz besonders modern war und sich das irrsinnig viele an die Fahnen geheftet haben, haben die VertreterInnen der Bundesregierung versprochen, die einge­tra­gene Partnerschaft von all den Diskriminierungen zu befreien. Vor dem Som­mer 2014 ist versprochen worden, diese Ungleichbehandlungen zu beseitigen – jetzt haben wir den Herbst 2015, sind kurz vor 2016.

Der Verfassungsgerichtshof hat mittlerweile auch das sogenannte Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare als verfassungswidrig erkannt, aber auch das ist jetzt schon wieder lange her, und es ist nichts passiert. Auch im Frühjahr dieses Jahres hat es geheißen, die Gleichstellungsaktion würde vor dem Sommer 2015 passieren. Es hat hier also sehr, sehr viele Ankündigungen gegeben, aber keine Taten.

Österreich ist mittlerweile das einzige Land der Welt, in dem Lesben und Schwule in Familienfragen völlig gleichgestellt sind – beim Adoptionsrecht und bei der medizinisch unterstützten Fortpflanzung ist es ja noch nicht so lange her, dass wir das hier im Bundesrat beschlossen haben –, also legal Familien gründen dürfen, aber immer noch nicht heiraten dürfen.

Im Sinne einer wirklich vorwärts gerichteten Familienpolitik und einer wirklichen Gleich­behandlung für alle Familien fordern wir Grünen, dass endlich die Öffnung der Ehe für alle erfolgt. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

9.48


Präsident Gottfried Kneifel: Zu einer einleitenden Stellungnahme hat sich die Frau Bundesministerin für Familien und Jugend zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


9.48.21

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Werte Familien in Österreich! Ich möchte zu ein paar Punkten Stellung nehmen beziehungsweise noch Details liefern, aber allem voran noch einmal mein Ziel ausführen, Österreich zum familienfreundlichsten Land 2025 zu machen.

Warum habe ich mir dieses Ziel gesetzt? – Nicht nur, weil wir in Österreich wieder an die Spitze Europas müssen, und zwar nicht nur im Familienbereich, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich, gibt es, glaube ich, drei Überlegungen, die zu dieser Zielset­zung führen.

Zum einen: Ja, die Geburtenrate ist gesunken – sie steigt mittlerweile wieder –, und wir brauchen ein Land, in dem es immer und überall und in jeder Lebensphase für beiderlei Geschlechter schön und richtig ist, Kinder auf die Welt zu bringen. Es kann nicht sein, dass es Gegebenheiten und Situationen gibt, in denen das nicht möglich ist. Kinder sind also immer willkommen, in allen Lebenslagen und unter allen Umständen.

Zum Zweiten: die große Vereinbarkeitsfrage. Hier sind wir immer noch nicht dort, wo wir hinmüssen. Wir leben in einem Land, in dem es noch immer schwierig ist, komplex ist, belastend ist, Familie und Beruf – in dem Fall vor allem für Frauen – unter einen Hut zu bringen. Das wollen wir ändern. Das ist ein Anspruch, der auch zur Lebens­qualität beiträgt, so wie unter anderem eben auch die Zielsetzung, das familien­freundlichste Land Europas zu werden.

Und zum Dritten geht es natürlich auch um die Wettbewerbsfähigkeit und Standort­fähigkeit unseres Landes in Bezug auf die Familienfreundlichkeit. Wenn wir in einem


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Land der Familienfreundlichkeit leben, haben wir auch einen attraktiveren Standort für Unternehmen, denn unter anderem über Familienfreundlichkeit lassen sich die besten Mitarbeiter anziehen, es werden bessere Bewerber rekrutiert, die Fluktuation sinkt und die Behalterate in den Unternehmen steigt.

Familienfreundlichkeit ist also nicht nur als reines Familienthema, sondern auch als wirtschaftspolitischer Faktor zu sehen, deswegen diese drei Überlegungen, die mich zum Ziel des familienfreundlichsten Landes führen.

Lassen Sie mich auch in methodischer Hinsicht noch etwas ausführen: Wir setzen uns ja nicht nur dieses Ziel, das wir sehr beherzt verfolgen, sondern wir haben auch einen Familienfreundlichkeits-Monitor aufgesetzt, der mit der Universität Wien ausgearbeitet wurde; dieser beinhaltet zehn Indikatoren, die diese Familienfreundlichkeit belegen und messen, und gibt jedes Jahr über die Fortschritte und Entwicklungen Bescheid.

Wir konnten in diesem Jahr die erste Messung präsentieren, und es gab hier schon einige sehr, sehr positive Entwicklungen. Zum einen hat sich die Wahrnehmung in der Bevölkerung – über diese wurde ja schon berichtet – verbessert, im diesem Sinne auch verdoppelt: Wir liegen mit 63 Prozent in Österreich jetzt mittlerweile an zweiter Stelle in Europa, nach Dänemark mit 91 Prozent. Das ist ein Riesenerfolg innerhalb der letzten drei Jahre.

Auch an den sogenannten hard facts lassen sich aber schöne Entwicklungen messen: zum einen die Steigerung der Geburtenrate – das erste Mal seit Jahren, dass die Geburtenrate wieder nach oben geht. Ja, wir sind noch nicht bei den zwei Kindern, da gebe ich Ihnen vollkommen recht – wir wünschen uns zwei Kinder, wir bekommen nur 1,46, wie schrecklich das mit diesen Kommastellen auch immer klingt –, aber es ist zumindest ein Aufwärtstrend feststellbar.

Zum Zweiten: Die Zahl der Kinderbetreuungsplätze steigt, sie werden ausgebaut. Die Familien werden zusehends zufriedener, sind aber noch nicht optimal zufrieden. Ja, da hapert es noch immer an den Plätzen, an den Öffnungszeiten und vor allem auch an den Jahresöffnungszeiten.

Nur ein Wort zu dem Barcelona-Ziel von 33 Prozent: Da geht es ja um die Frage, wie viel Prozent der Kinder in den Betreuungseinrichtungen betreut werden. Das heißt, offensichtlich geben die Eltern ihre Kinder ja gerne in die Kinderbetreuung, und danach wird gemessen – nicht nach der Frage, was ich mir vorstelle und was ich mir wünsche, sondern wie viel Prozent der Kinder in Betreuungseinrichtungen betreut werden.

Das sehen wir ja auch an den Beispielen in den Gemeinden. Wenn es so hervor­ragende Beispiele wie in Tirol gibt, dass Krippen eröffnet werden, ist die Warteliste innerhalb von zwei Wochen länger als die Zahl der Plätze, die der Kindergarten, die Krippe in den nächsten zwei Monaten anbieten kann. Also offensichtlich schafft ja das Angebot auch die Nachfrage, weil die Eltern da einen Bedarf haben. – Die Zahl der Kinderbetreuungsplätze steigt also.

Dritter Punkt: Väterbeteiligung – ein Riesenthema in Österreich. Da liegen wir im Europaschnitt leider relativ weit unten, was die Partnerschaftlichkeit, die Aufteilung der Familien- und Erziehungsarbeit zwischen den Geschlechtern betrifft, was ja durchaus dramatische Konsequenzen für beide Geschlechter nach sich zieht – zum einen für die Frauen, die ja doch auch nur sehr eindimensional auf die Haus-, Familien- und Kinderarbeit fixiert werden, zum anderen für die Männer, die auf der anderen Seite genauso einschränkend nur auf die Erwerbsarbeit reduziert werden, möchte ich sagen.

Das heißt also: Wenn wir es schaffen, Partnerschaftlichkeit in Österreich besser zu ermöglichen und anzubieten, schaffen wir mehr Lebensmöglichkeiten, mehr Lebens­optionen für beide Geschlechter, was nicht nur den Erwachsenen, den Eltern zugute-


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kommt, sondern natürlich auch den Kindern. Väterbeteiligung steigt in Österreich, ja – wir sind noch immer nicht dort, wo wir hin möchten, aber wir gehen hier konsequente, gute Schritte nach oben.

Weiters geht es bei diesem Monitor um die Frage der Frauen in Führungspositionen. Ich erzähle kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir hier zwar ein Wachstum feststellen können, aber mit einer Schneckengeschwindigkeit. Da geht es um Einzel­personen, die sich in den Topebenen finden, die kennt man alle namentlich, die wer­den in den Medien herumgereicht. – Wunderbar, aber wir brauchen hier mehr weib­liche Führungskräfte! (Beifall bei Bundesräten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Das sollte ja auch für unsere Wirtschaft mehr als notwendig sein – abgesehen davon, dass wir in teure Ausbildung investieren und dann Frauen diese Möglichkeiten nicht schaffen und nicht bewerkstelligen.

Lassen Sie mich jetzt aber zu den konkreten Maßnahmen kommen, die ja schon viel zitiert wurden – ich will nicht alle wiederholen –:

Erhöhung der Familienbeihilfe: 830 Millionen € – nach 14 Jahren die erste Erhöhung. Ja, wir werden auf diesem Weg konsequent drauf bleiben. Es erfolgt jetzt eine stufenweise Erhöhung in drei Schritten, was sozusagen auch eine Einleitung sein könnte für eine grundsätzliche Valorisierung der Familienbeihilfe. Es ist dies das erste Mal, dass die Familienbeihilfe in Tranchen erhöht wird – und nicht einmalig und dann wieder 14 Jahre sozusagen die Bücher geschlossen werden. Damit können wir darauf hoffen, dass wir eine konsequente Erhöhung der Familienbeihilfe erreichen werden.

Ein Wort noch zum Thema Armutsreduzierung und Armutssituation in Österreich: Das möchte ich schon sagen, dass durch die Familienleistungen und alle staatlichen Leistungen, die zur Armutsreduzierung und ‑vermeidung aufgewendet werden, das Armutsrisiko in Österreich von 26 Prozent – wenn wir keine staatlichen Leistungen transferieren würden – auf 14 Prozent gesunken ist. Das heißt, die staatlichen Inves­titionen vermindern das Armutsrisiko fast um die Hälfte. Damit sind wir noch nicht dort, wo wir hinwollen – natürlich wäre 0 Prozent das Schönste –, aber ich sage, eine Reduktion auf 14 Prozent, das ist eine sehr schöne Zahl.

Die Familienbeihilfe wurde antragslos, und dazu möchte ich auch noch ein paar Zahlen nennen, weil sie interessant sind: Es konnten bisher seit Mai 32 000 Fälle abgewickelt werden, ohne dass irgendein Problem oder irgendeine Kritik oder irgendeine Fehl- oder Falschbuchung aufgetreten ist. Erinnern Sie sich an andere Vorfälle im digitalen, elektronischen Bereich in den letzten Jahren, wo Fehler, Datenlöcher, Falschüberwei­sungen et cetera aufgetreten sind! – Bei der antragslosen Familienbeihilfe ist das noch kein einziges Mal passiert. Das möchte ich schon erwähnen.

Die Durchlaufzeit im Finanzamt vom Geburtenfall bis zur Überweisung beträgt 2,5 Tage. Das ist schon eine erstaunliche Leistung unseres Staates, dass wir diese Geschwindigkeit, diese Treffsicherheit und diese Effizienz ermöglichen können, die ja unter anderem auch eine Einsparung in den Verwaltungskosten beinhalten.

Der nächste Punkt, die Steuerreform, wurde schon behandelt. Ja, hier haben wir 100 Millionen € für die Familien aufwenden können. Mir wäre es natürlich auch lieber gewesen, wir hätten für die Mehrkinderfamilien noch mehr erreicht. Wir haben auch einen sehr konzisen Plan vorgestellt, wie das möglich wäre. Wir werden hier dran­bleiben. Das Papier liegt im BMF, und sobald die budgetären Möglichkeiten wieder vorhanden sind, werden wir hier den nächsten Schritt setzen.

Zum Ausbau der Kinderbetreuung ist ja schon einiges gesagt worden. Noch ein paar Zahlen dazu: Im letzten Jahr konnten 8 500 neue Plätze geschaffen werden – 8 500 Plätze –, das ist gewaltig viel und hängt natürlich damit zusammen, dass im Zuge der


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größten Ausbauoffensive des Bundes, die es je gab, 305 Millionen € investiert werden konnten. 305 Millionen €!

Und nur noch einmal zur Wiederholung: 830 Millionen € zusätzlich an Familienbeihilfe, 305 Millionen € für die Kinderbetreuung. Es gibt kein Ressort – außer dem Sozial­ministerium, das über das Pensionssystem mehr Mittel lukrieren muss, aber nicht sozusagen weil neue Verbesserungen stattfinden, sondern weil einfach die Anzahl der Pensionszahlungen höher wird –, das mehr an zusätzlichen Mitteln erwirken konnte als das Familienministerium! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Beim Ausbau der Kinderbetreuung, und das ist mir schon auch sehr wichtig, geht es nicht nur um die Plätze, es geht auch um die Öffnungszeiten und die Ermöglichung von wirklich ganztägiger Berufstätigkeit – wohlgemerkt: für diejenigen, die das wollen; niemand sei gezwungen, sondern es geht uns um die Ermöglichung und die Erweiterung von Lebensoptionen. Da konnten 4 500 neue, zusätzliche VIF-Plätze – also mit Ganztagsöffnung und entsprechenden Jahresöffnungszeiten – geschaffen werden, was natürlich wiederum die Erwerbstätigkeit von Frauen – oder auch Män­nern – begünstigt.

Eines ist noch zu erwähnen: der Qualitätskompass. Wir arbeiten ja nicht nur an der Anzahl der Plätze, an der Quantität, sondern auch an der Qualität intensiv, und in diesem Zusammenhang arbeiten wir gerade an einem sogenannten Qualitätskompass.

Was sind denn die Parameter, an denen Qualität im Kindergarten tatsächlich fest­stellbar ist? Geht es hier um den Betreuungsschlüssel? Geht es um die Gruppen­größe? Geht es um Sport und Bewegung? Geht es um Ernährung? Geht es um Sprache? Geht es um Männer in den Kindergärten? Um welche Parameter geht es eigentlich wirklich? – Hier lassen wir uns wissenschaftlich begleiten und werden Anfang nächsten Jahres beziehungsweise im Frühling präsentieren, was die Indikato­ren, die die Qualität im Kindergarten ausmachen, sind, und dann entsprechend weiter­arbeiten.

Die Verlängerung des verpflichtenden Gratiskindergartenjahres werden wir dann anschließend noch besprechen.

Ich möchte auch noch ein paar digitale Angebote präsentieren, die in den letzten knapp zwei Jahren umgesetzt wurden.

Das ist einerseits die FamilienApp, die wirklich – und Sie sollten sich das alle runter­laden – interessante Hinweise und Tipps enthält, aber auch alle Möglichkeiten der Erinnerung im Sinne von: Wann steht die nächste Impfung oder der nächste Kinder­arztbesuch an?, der sofort in den Kalender übertragen wird, bietet. – Also sehr hilfreich und sehr sinnvoll. Andererseits gibt es auch sogenannte Webinare auf unserer Plattform „digi4family“, die ein Portal zur Stärkung der Medienkompetenz der Eltern darstellt, aber es gibt eben auch neue digitale Programme und Angebote wie die Webinare, damit wir Eltern in ganz Österreich erreichen können, um über Erziehungsfragen, Schulfragen oder medientechnische Fragen Bescheid zu wissen. – Schauen Sie sich das an, das ist sehr interessant!

Eine wichtige Maßnahme sind dann noch die E-Books, die digitalen Schulbücher, die wir mit nächstem Jahr anbieten können; wohlgemerkt ohne Mehrkosten für die Schulen. Kinder können ab Herbst 2016 in der Oberstufe digitale Schulbücher zusätz­lich zu den gedruckten Schulbüchern in Anspruch nehmen, also freiwillig zusätzlich die digitalen Schulbücher benutzen, um die Schulbücher immer zu Hause zu haben, wenn man sie braucht; man braucht keine Bücher von A nach B zu schleppen. Und es bietet auch einen enormen Vorteil in der Bildungsqualität im Klassenzimmer, wenn man über


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Videos, Animationen oder interaktive Übungen Kinder sofort besser begleiten und auch fördern kann.

Das Thema Unternehmen für Familien ist schon genannt worden – auch eine sehr wichtige Initiative, an die sich schon fast 200 große Unternehmen in Österreich ange­schlossen haben, um konkrete Best-Practice-Beispiele auszutauschen, sich daran anzulehnen, sich zu inspirieren und in dem Bereich auch weiterzubilden.

Das Audit wurde auch schon genannt.

Zum Schluss vielleicht noch ein, zwei Themen aus dem Jugendbereich: Die Beratungs­stelle Extremismus ist eine sehr gute Initiative, die im letzten Jahr innerhalb von sechs Wochen umgesetzt werden konnte, anlässlich von Entwicklungen in unserer Gesell­schaft, die das einfach notwendig gemacht haben. Mittlerweile haben wir 790 Anrufe zählen können. Das ist eine beachtliche Zahl, die, gemessen an der Bevölkerungs­dichte, um vieles höher als in Deutschland ist.

Dafür gibt es mehrere Gründe: weil wir die Beratungsstelle Beratungsstelle nennen und diese im Familienressort und nicht im Innenministerium angesiedelt ist, denn die Hemmschwelle, dort anzurufen, ist natürlich um vieles höher; weil unser Konzept ein viel weiteres ist, nämlich nicht nur eine Hotline, sondern auch Beratung vor Ort beinhaltet – mobile Beratungsteams kommen zu den Familien; es mussten schon 50 Familien persönlich betreut werden –; und weil natürlich der Präventionscharakter eine ganz besondere Rolle einnimmt. – Also ein dreistufiges Konzept, das sehr erfolgreich funktioniert!

Abschließend vielleicht noch zwei, drei Ausblicke, was wir dieses Jahr noch planen: Es steht das große Thema Kinderbetreuungsgeldkonto an. – Ja, ich muss der Kollegin recht geben, und wir arbeiten intensiv daran, dass die vier Pauschalvarianten, die jetzt unterschiedlich lange Dauern vorsehen, aber auch unterschiedliche Beträge lukrieren, insofern vereinheitlicht werden, als für jedes Kind, für jede Geburt sozusagen, die gleiche Summe vorgesehen ist und die Eltern einfacher und individueller entscheiden können, ob sie beispielsweise zwölf Monate, 15, 16, 17 oder 20 oder 30 Monate Betreu­ungsgeld in Anspruch nehmen. Der Betrag bleibt jedenfalls immer derselbe, weshalb es nicht notwendig ist, in der jetzt aktuellen Situation die Langvariante mit mehr Geld auszustatten, was ja eine Wertung und Lenkung wäre. Wir wollen jedes Kind gleich ausstatten und keine Rangordnung der Betreuungsformen vornehmen. Im Rahmen des Kinderbetreuungsgeldkontos soll das individueller, einfacher und flexibler werden.

Der Vateranteil, die Väterbeteiligung soll noch zusätzlich über den Partnerschafts­bonus, den sie sicher alle kennen und der sich um noch mehr Partnerschaftlichkeit bemüht beziehungsweise eigentlich das erste Mal Partnerschaftlichkeit in gesetzlicher Form niederschreibt, gestärkt werden. Das wäre für Österreich, für unsere Gesellschaft ein ganz, ganz großer Schritt, der langfristig auch viel bewirken wird. Ich hoffe oder ich bin eigentlich überzeugt davon, dass wir noch in diesem Jahr den Gesetzentwurf werden formulieren und in Begutachtung gehen können.

Zu guter Letzt sieht der Jahresplan auch noch vor, dass wir diverse diskriminierende Aspekte in Bezug auf gleichgeschlechtliche Paare aufheben können; Stichwort einge­tragene Partnerschaft, dass die eben auch am Standesamt begründet werden kann, und auch die Frage des Familien- oder Nachnamens ist mir immer noch ein großes Anliegen. (Bundesrat Schreuder: Wann?) – Auch das steht auf dem Programm für dieses Jahr; genaueres kann ich noch nicht sagen, aber es steht noch immer auf dem Programm. (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Ja, ich bin auch nicht mit allen Ge­schwindigkeiten einverstanden, aber Hauptsache es kommt.


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Alles in allem sind wir, glaube ich, auf einem sehr guten Weg. Die Entwicklungen zeigen nach oben, aber wir sind noch nicht an erster Stelle. Wir wollen Österreich zum familienfreundlichsten Land machen. Wir haben noch einige Jahre Zeit für diesen Weg, aber mit gemeinsamer Hilfe, gemeinsamer Kraftanstrengung und konstruktiven Inputs und gemeinsamen Projekten schaffen wir das, glaube ich. Ich freue mich auf die weiteren Berichte in den nächsten Jahren. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.06


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke der Frau Bundesministerin für diese Stellung­nahme.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit der weiteren Redner und Rednerin­nen in der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mayer. – Bitte.

 


10.06.23

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! „Familie und Jugend: Weichen für die Zukunft“ – die Weichen für die Zukunft sind tatsächlich gestellt, sowohl im Familienbe­reich als auch im Jugendbereich, weil es hier mit „Strategie für die Jugend“ und „Jahr der Jugendarbeit“ und so weiter auch noch einiges anzumerken gibt.

Es hat sich auch als zielführend erwiesen – und ich denke, da hat die Regierung auch hervorragende Arbeit geleistet –, das Familienministerium aus dem Bereich Wissen­schaft/Wirtschaft auszugliedern, damit auch im Bereich der Familie und Jugend ent­sprechende Projekte umgesetzt werden können. Wir sehen bereits, dass sich da sehr viel getan hat, Frau Minister, dass sich da, genau gegenläufig zu dem, was uns Frau Mühlwerth heute erzählt hat, sehr viel getan hat! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Die Frau Minister hat in ihrer Bescheidenheit zu erwähnen vergessen, was da in den Jahren 2014 bis 2018 auch an Finanzmittel hineinfließt. Es sind 827 Millionen €, also Peanuts sind das wirklich keine! (Bundesrätin Mühlwerth: 5,50 € pro Monat!) 827 Millionen €! Würde man diesen Betrag verdoppeln oder verdreifachen, käme dann wieder der Vorwurf der Freiheitlichen: Ihr werft das Geld beim Fenster hinaus, ihr bringt kein Budget zusammen! Defizit um Defizit! Deshalb muss man schauen, wie man es finanzieren, wie man es in einem vernünftigen Rahmen finanzieren und auch mit entsprechenden Projekten unterlegen kann. Also man kann durchaus in aller Form sagen: Danke für diese Initiativen, Frau Minister!

Wir haben auch im Rahmen der Steuerreform, wie die Frau Minister angedeutet hat, sehr viel dazu beigetragen – beziehungsweise das Familienministerium –, dass doch mit gewisser Standhaftigkeit und großem Engagement versucht wurde, die Familien zu entlasten. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Dazu vielleicht auch ein paar Zahlen, Frau Kollegin Mühlwerth, weil du uns das auch in Abrede gestellt hast; wie wir es überhaupt schaffen, eine der größten Steuerreformen der Zweiten Republik schlecht- und krankzureden! Das sind immerhin 5,2 Milliarden € (Bundesrätin Mühlwerth: Die noch gar nicht gegenfinanziert sind!), die man hier in die Hand nimmt. Die Bevöl­kerung braucht eine Entlastung.

Wir finanzieren das schon, Frau Kollegin Mühlwerth! Wir hätten es ja finanzieren können mit den Milliarden, die wir nach Kärnten schicken dürfen. Da wäre noch viel Potenzial übrig gewesen, viel Potenzial für die Familien! (Beifall bei der ÖVP.)

Im Speziellen ein paar Zahlen: die Verdoppelung des derzeitigen Kinderfreibetrages von 220 auf 440 € jährlich pro Kind. – Damit werden die Familien, wie schon erwähnt


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wurde, um insgesamt 100 Millionen € entlastet. Sind beide Elternteile steuerpflichtig und machen beide den Freibetrag geltend, erhöht sich dieser von derzeit 132 € auf künftig 300 €; ist auch nicht nichts!

Insgesamt werden die Familien durch die allgemeine Steuertarifreform, insbesondere was die Senkung des hohen Eingangssteuersatzes anlangt, um 1,6 Milliarden € ent­lastet. Davon profitieren insbesondere sehr viele Familien des Mittelstandes. Ein wirklich ganz essenzieller Wert!

Wenn man jetzt den Steuertarif und alles zusammenrechnet, dann sind das zirka 1 545 € jährlich, mit dem erhöhten Kinderfreibetrag sind es 1 630 € jährlich. Damit kann man schon einiges machen, Frau Kollegin Mühlwerth!

Wir reden über Weichen für die Zukunft, nicht nur für die Familien – darüber ist jetzt schon ausführlich referiert worden –, sondern im Speziellen auch für die Jugend, wo wir ebenso einiges vorhaben. Es gibt sehr gute Projekte gemeinsam mit den Ländern, und wenn ich schon mit vorgeschrittenem Alter jetzt auch über die Jugend reden darf – das ist ein sehr wichtiger Punkt in dieser Aktuellen Stunde –, so werde ich versuchen, das mit etwas väterlicher Freude zu präsentieren.

Es gibt das Projekt, wie gesagt, mit den Ländern, „Jahr der Jugendarbeit 2016“, worauf wir uns schon alle sehr freuen, denn das bietet einen großen Handlungsrahmen im Bereich Familie und Jugend für die Umsetzung jugendpolitischer Maßnahmen. Es gibt einige Rahmenziele, die zu erwähnen sind: Bildung und Beschäftigung, Beteiligung und Engagement zum Beispiel und Lebensqualität und Miteinander.

Ein wichtiges Anliegen ist auch die Stärkung der öffentlichen Präsenz beziehungsweise des Handlungsfeldes außerschulischer Jugendarbeit.

Es gibt also einige wirklich sehr, sehr gute Projekte, die einfach das Miteinander fördern sollen – Jugendbeteiligungsprojekte im Sinne von mit Jugendlichen und nicht Politik für Jugendliche!

Wie schon erwähnt, das „Jahr der Jugendarbeit“ ist durch das Mitwirken der Landes­jugendrätinnen und -räte, der Landesjugendreferenten, der Bundesjugendvertretung, des Bundesnetzwerks Österreichische Jugendinfos, des Bundesweiten Netzwerks Offene Jugendarbeit breit aufgestellt und wirklich gut vorbereitet, und Ziele bei den Projekten sind die Stärkung der Jugendpolitik in Österreich und die Stärkung der öffentlichen Präsenz außerschulischer Jugendarbeit.

Alles in allem ist zu sagen: etwas, worauf wir uns sehr freuen dürfen, und etwas, das mit den Bundesländern gut aufgestellt ist. Ich kann nur sagen, eine runde Geschichte, Frau Minister, sozusagen Jugend in die Mitte, Jugend vor den Vorhang! Die Jugend verdient auch unsere Aufmerksamkeit. Ich darf zu diesen Projekten im Namen meiner Fraktion herzlich gratulieren. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.12


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr.

 


10.12.21

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne heute mit einem Bereich und den Entwicklungen in diesem Bereich, die mich besonders freuen, nämlich mit dem Bereich Elementarbildung und Elementarpädagogik. Ich spüre und merke, dass dieser Bereich schön langsam endlich jenen Stellenwert bekommt, den er schon lange verdient. Das ist eine Weiche, die wir für die Zukunft stellen. Ich denke, man erkennt diesen erhöhten Stellenwert daran, dass keine seriöse Bildungsdebatte mehr


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 35

geführt werden kann, ohne den Bereich der Elementarpädagogik mitzudenken und einzubinden.

Das, denke ich, ist der Unterschied zwischen meinem Verständnis von einer fortschritt­lichen Politik und dem, was Kollegin Mühlwerth auszuführen versucht hat. Es geht nicht darum, Familie versus Elementarpädagogik versus Elementarbildung auszuspielen, sondern es geht darum, beides zu vereinen. Es muss im Interesse von Eltern und Erziehungsberechtigten sein, Kindern eine möglichst frühe förderliche Bildung zukommen zu lassen. Das erfolgt in der Elementarpädagogik, so wie wir sie heute verstehen und auch sehen.

Kollegin Mühlwerth hat auch die Armutsbekämpfung angesprochen. Wir wissen, dass eine frühe elementarpädagogische Eingliederung von Kindern ganz wesentlich dazu beiträgt, die Armut von Kindern zu beseitigen beziehungsweise ihr entgegenzuwirken. Insofern kann ich dem nichts abgewinnen, dass Kollegin Mühlwerth versucht hat, das gegeneinander auszuspielen.

Man erkennt den Stellenwert der Elementarpädagogik auch daran, dass bei den Bun­desländerverhandlungen zumindest die Bereitschaft, über ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr nachzudenken, vorhanden war. Schade, dass es diesmal noch nicht geklappt hat, aber ich denke, wir sind auf dem Weg dorthin, und das braucht wahr­scheinlich noch ein bisschen Geduld.

Wo wir allerdings den neuen Stellenwert der Elementarpädagogik aus meiner Sicht noch nicht spüren, ist dort, wo die Pädagogin/der Pädagoge vor Ort arbeitet. Die ElementarpädagogInnen spüren es weder in der Entlohnung ihrer Arbeit noch in der Ausbildung, die sie erhalten, noch in der Rangordnung unter den PädagogInnen. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich und kommt nicht von ungefähr – wie Kollegin Schreyer vorhin ausgeführt hat –, dass in diesem Berufsfeld Männer so stark fehlen. Es gibt Anstrengungen im Bereich der Väterbeteiligung, aber ich denke, wir müssen das Ganzheitliche sehen. Es geht um die Männerbeteiligung im Bereich der Bildung und Pädagogik. Ich denke, erst dann, wenn dieser Stellenwert auch in der Entlohnung, in der Ausbildung et cetera spürbar wird, werden sich auch Männer finden, die da tätig werden.

Es ist viel über die längeren Öffnungszeiten, über Schließtage gesprochen worden. All das möchte ich unterstreichen und auch die Vorreiterrolle des Bundeslandes Wien hervorheben, wo es verschiedenste Modelle gibt, sozusagen auch Öffnungszeiten von 24 Stunden et cetera. Da kann man weiter dranbleiben.

Was mich zusätzlich freut, Frau Ministerin, ist die Positionierung Ihres Ressorts im Bereich auch der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit, nämlich dass das formale Bildungssystem ganz viel von dem außerschulischen Bildungssystem profi­tieren kann. Eine Kooperation in diesem Bereich außerschulische Arbeit/schulische Bildungsarbeit hat viel Potenzial. Das haben Sie in letzter Zeit mehrfach betont, und ich denke, dass das sehr stark ausbaufähig ist. Es gibt da noch Berührungsängste, aber es steckt viel Potenzial im Interesse der Kinder drin, gerade was das Ganztags­schulsystem, aber auch viele andere Formen betrifft.

Was mir generell auffällt, wenn ich mir das Ressort und die vielen Bereiche anschaue – Kollege Mayer hat das vorhin ausgeführt –: Es gibt ganz viele Anstrengungen im Bereich der Jugend: Jugendstrategie, Jugendpolitik, Jugendbeteiligung. Ich vermisse den Terminus „Kinder“ oder die Altersgruppe der Kinder. Ich denke, all diese Bereiche können genauso auch Kinderstrategie, Kinderpolitik, Kinderbeteiligung genannt wer­den und sollten sozusagen auch lesbar und sichtbar werden. Man kann von unseren Nachbarländern einiges lernen, wie man sozusagen die Altersgruppe der Kinder mit­einbezieht.


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Insofern begrüße ich natürlich auch die Einsetzung eines Unterausschusses des Familienausschusses für den Bereich Kinder und Jugend im Nationalrat und wünsche mir wie Kollege Mayer auch im Bundesrat einen Kinderausschuss. Ich denke, das sollten wir schleunigst gemeinsam umsetzen.

Ich möchte ganz zum Schluss noch auf einige Kinderrechte-Missstände hinweisen, weil das auch in Ihr Ressort fällt, Frau Ministerin. Ich weiß, das sind alles Quer­schnittsmaterien, aber hier können Impulse aus Ihrem Ressort kommen. Es geht eben um die Bekämpfung der Kinderarmut, es geht um den weiteren Schutz von Kindern, was Gewalt betrifft, und es geht natürlich auch um den Schutz von flüchtenden Kindern. Es wird in nächster Zeit ressortübergreifend einiges an Kraftanstrengung not­wendig sein, um diese Kinder mit ihrem ganzen Potenzial gut in die Bildungsein­richtungen zu integrieren, die PädagogInnen dabei zu unterstützen und in diesem Sinne für alle Kinder, die in Österreich sind, die Weichen für die Zukunft positiv zu stellen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

10.18


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dörfler. Ich erteile es ihm.

 


10.18.47

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Zunächst einmal Gratulation zur zukunftsweisenden Regierungspartnerschaft in Oberösterreich! Ich denke, Oberösterreich ist auf dem besten Wege, ein neues Modell für Österreich zu werden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Ich gehe davon aus, dass der Präsident des Bundesrates da ja auch eine führende Rolle gespielt hat und spielen wird.

Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Sonntag hat Kardinal Schönborn in einem „Kurier“-Interview gemeint: ein „Großes Ja zur Familie“.

Ich zitiere: „Als ,ein großes Ja zur Familie‘ fasste Kardinal Christoph Schönborn die Essenz der dreiwöchigen Weltbischofssynode zusammen, die heute, Sonntag, im Vatikan zu Ende ging.“

Und jetzt kommt es: „Die Familie sei das sicherste Netz in Zeiten der Krisen und sie ist das Leben von Mann und Frau, die treu zusammenleben (…)“ – Das mit dem „treu“ lassen wir einmal ein bisschen weg.

Dann hat er auch noch gesagt: „Dabei seien auch erweiterte Familien nicht aus­geschlossen, aber der Kern blieben Mann und Frau.“  

Nachdem ich mir die erste Diskussionsrunde angehört habe, habe ich gewissermaßen das Gefühl, dass Familienfreundlichkeit ausschließlich ein Kinderbetreuungsthema ist und Familie in Wirklichkeit überhaupt nicht mehr stattfindet. Wer bewertet denn Familienfreundlichkeit? – Irgendwelche Technokraten, die – schlimmsten- oder bestenfalls – selbst keine Familie haben!

Ich frage mich: Was ist das für eine Gesellschaft? – Schauen Sie sich einmal in einem BILLA- oder SPAR-Markt um, wie viele Regalmeter es für Tierfutter und wie viele es für Babynahrung gibt! – In Anbetracht dessen muss man sich schon irgendwann die Frage stellen, ob wir Menschen in dieser Wohlstandsgesellschaft sozusagen die Fortpflan­zungsfähigkeit verloren haben! Diese Tatsache widerspiegelt sich tatsächlich im Angebot des Handels, und das ist doch ein dramatisches Zeichen!

Was ist für mich Familie? – Ich komme aus einer Acht-Kind-Familie. Meine Eltern waren in der Lage, eine Acht-Kind-Familie durchaus in Armut zu führen, wobei wir uns aber nie arm gefühlt haben! Wir hatten Liebe, Zuneigung und Teamgeist. Wir haben


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eine gute Ausbildung bekommen, aber es ist nie darum gegangen, acht Kinder irgendwohin abzuschieben.

Wir brauchen eine moderne, leistungsfähige Kinderbetreuung. Aber wenn VIF-Kriterien bedeuten, dass Kinder neun Stunden in der Kinderbetreuung sind, während viele halbtags arbeiten und die Pflichtschule im Regelfall eine Halbtagsschule ist, dann frage ich mich schon: Was mutet man Kindern überhaupt zu?

Ich war zwölf Jahre lang Kinderbetreuungsreferent und habe es gehen, Sie werden sich vorstellen können, wie viele Herzdramen sich abspielen, wenn die Kleinsten mit einem Jahr in eine außerfamiliäre Betreuung gebracht werden! Manchmal geht es gut – und betreffend Kleinkinderbetreuung gibt es ein sehr gutes Angebot –, aber vielfach sind das tränenreiche Wochen und Monate. Und das sollten wir auch im Zusammenhang mit dem Thema Familienfreundlichkeit einmal hinterfragen! Für mich bedeutet nämlich Familie das, was Kardinal Schönborn, der wohl, was ohne Zweifel außer Streit steht, eine Autorität ist, meint. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Kurz: Der Mann hat keine Ahnung!)

Die Kollegin von den Grünen aus Tirol hat gemeint: Wir brauchen längere Öffnungs­zeiten, weil Handel und Gastronomie Arbeitswelten haben, die sozusagen keine Alltagsarbeitswelten sind. Im Hinblick darauf würde ich mir doch erwarten, dass speziell die SPÖ als moderne Arbeitnehmerpartei, die sie einmal war, aber offenbar nicht mehr ist, wie die letzten Wahlen zeigen, dafür eintritt, dass es entsprechende Gesetze gibt, dass Frauen mit Kindern geschützt sind und Arbeitszeiten am Vormittag und Nachmittag haben, also zu Zeiten, zu denen es auch ausreichend Betreu­ungs­angebote gibt, damit die Kinderbetreuungseinrichtungen nicht 24 Stunden offen halten müssen. Aber in dieser Hinsicht gibt es überhaupt keinen Mutter-, Kinder- und Familienschutz. Das ist die Wahrheit!

Wenn die gierige Wirtschaft das fordert, dann soll sie es fordern! Ich erwarte mir aber von einer Familien- und Gesellschaftspartei, die eigentlich die Arbeitnehmer vertritt, dass sie nicht auch noch mit den Wünschen der Wirtschaft mithält, dass die Kinder sozusagen 24 Stunden am Arbeitsplatz sind. – Spielen ist die erste Arbeit der Kinder, und das will man heute, wie es früher in Ostdeutschland war, de facto alles an die Öffentlichkeit abschieben. Wir gehen auf diese Weise auf einen Generationenkonflikt zu! (Bundesrätin Grimling: Wo lebt der Mann? – Bundesrätin Posch-Gruska: In Kärnten! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

Da können Sie lachen, so viel Sie wollen, Frau Kollegin! Wenn wir heute schon Kindergärten in Altenbetreuungseinrichtungen anbieten müssen – wobei Kinder lernen, auch mit älteren Menschen umzugehen, was positiv ist –, dann zeigt das, dass es in der Gesellschaft immer weniger Familien- und Generationenstrukturen gibt, sodass wir sozusagen eine Art öffentliches Angebot schaffen müssen, damit es die Generationen­begegnung gibt.

Wissen Sie, was das aus meiner Sicht bedeutet? – Die Jungen von heute werden sich morgen nicht mehr für die verpflichtet fühlen, die morgen als Alte zu versorgen sind, wenn sie es nicht mehr lernen. Auch das ist für mich aber eine menschliche Facette und eine Familienkompetenz.

Ich höre die pädagogische Diskussion betreffend vorschulische Bildung gerne, und es gibt da auch sehr gute Angebote, aber wissen Sie, wer der beste Pädagoge und die beste Pädagogin für Kleinkinder sind? – Mama und Papa! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Es gibt auch viel Kritik vor allem innerhalb der ÖVP. So wirft Ihnen, Frau Minister, der Salzburger Landeshauptmann de facto vor, dass Sie gegen die Familienpolitik vor­gehen. Das steht wörtlich in einem „profil“-Interview. Ich kann es Ihnen vorlesen:

profil: Sie sagten im Frühjahr, der ‚erhobene Zeigefinger‘ gehöre zu den ‚sieben Todsünden der ÖVP‘. Welche sind die anderen?

Haslauer: Leistung beeinträchtigen, Eigentum beschränken, gegen Familien agieren.“

Das sagt Ihr Landeshauptmann! Sie sind Familienministerin! Ich zitiere nur, ich be­haupte das ja nicht. Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie in manchen Bereichen sehr modern denken, aber ich erwarte mir, dass wir eine Basisstruktur der Familie so verstehen, wie sie die Menschen benötigen, und nicht so, wie es Einzelinteressen entspricht, dass wir zum Beispiel den Menschen, das kleine Kind, sozusagen schon auslagern.

Natürlich benötigen wir auch öffentliche Angebote. (Bundesrätin Grimling: Das ist jetzt aber peinlich! Jetzt ist die Grenze erreicht! – Bundesrätin Blatnik: Die 5 Minuten sind um! – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Karmasin.) – Das ist nicht freiwillig. Wissen Sie, Frau Minister, was freiwillig ist?

 


Präsident Gottfried Kneifel: Bitte, die Redezeit einzuhalten!

 


Bundesrat Gerhard Dörfler (fortsetzend): Ob ich hier sozusagen Familienarbeit leisten kann oder nicht. Die Einkommensentwicklung funktioniert nicht. Sie wissen, dass die Arbeitnehmerschaft in zehn Jahren netto inflationsbereinigt weniger verdient. Das heißt, die Lebenshaltungskosten zwingen beide Partner an den Arbeitsplatz. Das ist nicht freiwillig! Ich würde mir oft wünschen, dass die Frau das Geld nach Hause bringt und der Mann eine Zeit lang Familienarbeit leisten kann. Das ist aber nicht finanzierbar, weil die Lebenshaltungskosten für Familien das nicht zulassen. Es ist nicht freiwillig, dass, wie viele glauben, in einer Berufswelt beim BILLA beim Regal­schlichten sozusagen ...

 


Präsident Gottfried Kneifel: Herr Bundesrat, kommen Sie bitte zum Schlusssatz!

 


Bundesrat Gerhard Dörfler (fortsetzend): Ich meine, eine positive Haltung zur Familie, wie sie Kardinal Schönborn propagiert, ist einmal zu hinterfragen, und ich wünsche mir, dass wir in Zukunft wieder doppelt so viele Regalmeter für Babynahrung wie für Tiernahrung haben. (Beifall bei der FPÖ.)

10.25


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. Ich bitte, die Redezeit einzuhalten. – Bitte.

 


10.26.09

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Als ich in der Präsidiale das Thema der heutigen Aktuellen Stunde gehört habe, hat es mich kurz gerissen: „Familien und Jugend: Weichen für die Zukunft.“ Gott sei Dank gibt es da einen Doppelpunkt und ein großes „W“, denn sonst hätte man das wirklich missverstehen können, dass nämlich Familien und Jugend für die Zukunft hätten weichen müssen! Aber zum Glück war es nicht so gemeint. Mich hat es aber zuerst wirklich gerissen, ich hatte es wirklich so verstanden.

Jetzt einmal ganz ernsthaft: Etwas muss man bei viel Kritik ganz ehrlich sagen: Sie tun mir sogar ein bisschen Leid, Frau Ministerin! Im Zuge der Regierungsbildung nach den letzten Wahlen sind die Ressorts neu verteilt worden, und dabei ist unter anderem für Sie ein maßgeschneidertes Ministerium für Familien erschaffen worden, das de facto in dieser Republik keine Kompetenz hat (Ruf: Das stimmt ja nicht!) oder wenig Kom­petenz hat.


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Warum? – Um die großen frauenpolitischen Fragen geht es im Frauenministerium, die bildungspolitischen Fragen werden im Bildungsministerium behandelt, und das Thema Kindergärten wird zumeist auf Länderebene geregelt. Das heißt, viele Möglichkeiten gibt es nicht! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Karmasin.)

Ich hätte Ihnen schon mehr Kompetenzen gegeben, allerdings habe ich Wortmel­dungen der Familienministerin zu vielen Fragen in den letzten Wochen und Monaten schmerzhaft vermisst, obwohl entsprechende Stellungnahmen aus meiner Sicht drin­gend notwendig gewesen wären. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Ich bin dabei, Herr Kollege Mayer!

Wenn Herr Außenminister Kurz zum Beispiel meint, man möge Arbeiterinnen und Arbeitern aus osteuropäischen Ländern die Familienbeihilfe kürzen – und hiermit eine Ungleichstellung auch innerhalb von EU-Bürgerinnen und -Bürgern in Österreich vollziehen –, dann hätte ich mir schon erwartet, dass eine Familienministerin sagt: Hallo, nein, das geht auf gar keinen Fall! (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler.)

Wenn eine Innenministerin im Zuge der Flüchtlingsdiskussion davon spricht, dass sie die Familienzusammenführung von Asylwerbern und Asylwerberinnen beziehungs­weise in diesem Fall von anerkannten Flüchtlingen erschweren möchte, dann würde ich mir von einer Familienministerin sehr wohl erwarten, dass sie ihre Regierungs­kolle­gin darauf aufmerksam macht, dass laut Artikel 16 der Menschenrechtskonvention die Familie unter staatlichem und gesellschaftlichem Schutz steht. So steht es in Punkt c des Artikels 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die bei uns im Verfas­sungsrang steht. – Diese Aussagen habe ich vermisst! Wenn nämlich ein Regie­rungskollege oder eine Regierungskollegin Ihrer Partei diese Menschenrechte aus­hebeln möchte und innerhalb der selbsternannten Familienpartei ÖVP de facto familienfeindliche Politik betreibt, dann ist die Familienministerin aus meiner Sicht dringend gefordert, sich diesbezüglich lautstark zu Wort zu melden.

Kollegin Schreyer hat in ihren Ausführungen gesagt, dass das auch für Fragen be­treffend gleichgeschlechtliche Partnerschaften gilt. Sie haben gerade gesagt, dass Sie das Tempo bedauern. – Sorry! Lesben und Schwule fühlen sich vielmehr gefrotzelt! Es hat geheißen, dass vor dem Sommer 2014 gleichgestellt wird. Eine Gleichstellung ist nicht eine Gleichstellung von eingetragener Partnerschaft zur Ehe, sondern die Öffnung der Ehe. Alles andere ist keine Gleichstellung, sondern dann bleibt es bei den rechtlich unterschiedlichen Schubladen, um ja nicht gleichzustellen, um zumindest symbolisch noch eine Ungleichstellung zu generieren, wie die ÖVP das gerne hätte. Aber das ist auch keine Familienpolitik!

Ich möchte trotzdem, auch wenn man in der zweiten Runde nur 5 Minuten Redezeit hat, noch zwei Gedanken mitgeben: Wenn wir tatsächlich zum familienfreundlichsten Land der Welt werden möchten, dann gehören natürlich die Familienzusam­menfüh­rungen auch dazu. Wenn man diese nicht ermöglicht, dann ist man kein familienfreund­liches Land. Das sei auch einmal ganz deutlich gesagt. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man das familienfreundlichste Land der Welt werden möchte, dann muss man auch eine Kulturfrage stellen. Ich nenne nur ein Beispiel, warum auch Kulturpolitik Familienpolitik ist: Wenn ich etwa in Skandinavien in ein Museum gehe, dann ist es selbstverständlich, dass es dort Kinderbetreuungsstellen gibt, und das ist etwas, was man in Österreich kaum oder selten sieht. Das ist eine Kulturfrage, die man vermehrt angehen sollte!

Einen Gedanken möchte ich noch erwähnen, obwohl meine Redezeit schon vorbei ist: Wenn wir über Familienpolitik sprechen, sprechen wir meist von Kinderbetreuung und darüber, wie man Familie und Beruf vereinen kann, und das ist auch völlig wichtig und richtig. Aber es gibt noch eine Betreuung, die meiner Meinung nach in dieser Dis-


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kussion viel zu kurz kommt. Ich komme jetzt langsam auch in das Alter, in dem das eine wirkliche Herausforderung auch für mich und mein Familienleben bedeutet: Ich meine die Betreuung unserer Eltern, unserer Großeltern und unserer Urgroßeltern, je nachdem, in welcher Generationslage man sich gerade befindet. Es ist nämlich sowohl monetär als auch beruflich verdammt schwierig, die Pflege seiner pflegebedürftigen Familienangehörigen zu schaffen, wenn man einen Job hat, wenn man zur Schule gehen will oder wenn man, wie Frau Kollegin Schreyer richtig gesagt hat, in Berufen unterwegs ist, die sozusagen nicht den üblichen Öffnungszeiten unterliegen, und dazu gehören übrigens auch die Pflegeberufe, um diesen Kreis zu schließen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.32


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Zelina. Ich erteile es ihm.

 


10.32.17

Bundesrat Mag. Gerald Zelina (Stronach, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Leider betreibt unsere Regierung eine unverant­wortliche Wirtschaftspolitik auf Kosten unserer Kinder. Jahr für Jahr macht unsere Regierung neue Schulden. Jahr für Jahr geben wir mehr Geld aus, als wir einnehmen. 2016 geben wir wieder 7 Milliarden € mehr aus, als wir einnehmen. (Bundesrat Mayer: Frau Kollegin Mühlwerth sagt, es ist zu wenig!)

Die Folge sind eine Rekordverschuldung unserer Republik – jedes neugeborene Kind kommt mit 36 000 € Schulden auf die Welt – und eine Staatsschuldenkrise, die immer höhere Arbeitslosigkeit nach sich zieht.

Wir haben derzeit die höchste Arbeitslosigkeit seit mehr als 60 Jahren, seit 1954: 500 000 Menschen werden im Dezember arbeitslos sein.

Unsere Jugend ist von dieser Misswirtschaft besonders betroffen. Und die derzeit von unserer Regierung zugelassene unkontrollierte, grenzenlose Masseneinwanderung wird die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt weiter verschärfen. (Vize­präsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Wirtschaftskrisen und steigende Arbeitslosigkeit verstärken den Trend zu weniger Kindern. Wir haben viel zu wenige Kinder in Österreich. Wir haben ein gewaltiges Problem mit dem Nachwuchs. Die österreichische Geburtenrate liegt nur mehr bei 1,4 Kindern pro Frau.

Eine alternde Bevölkerung mit zu geringer Geburtenrate und mit zu wenigen Kindern hat auch negative Effekte auf das Wirtschaftswachstum und auf unsere Pensions­finanzierung. Sinkende Bevölkerungszahlen führen zu Nachfragerückgängen. Grenzen zu öffnen und Migranten hereinkommen zu lassen kann nicht wirklich die Lösung sein. Die Zukunft Österreichs auf Flüchtlingen aufzubauen ist mit Sicherheit die falsche Politik!

Wenn wir Wirtschaftswachstum wollen, dann müssen wir unsere Geburtenrate erhöhen und verstärkt in Kinder und Familien investieren. Warum nicht zwei Kinder statt der Ein-Kind-Familie?

Investitionen in unsere Kinder und Familien müssen ganz klar Priorität Nummer eins jeder zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik sein. – An dieser Stelle kann ich nur sagen: Kinder, Kinder, Kinder; Bildung, Bildung, Bildung. Hier liegt die Investitionspriorität unseres Staates!

Und auch bei der Ausbildung der Kinder wird unserer Regierung ein weiterer Qualitätsabbau blühen, wenn sie weiterhin unbeschränkt Masseneinwanderung zulässt


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und hier keine Grenzen setzt. Es mangelt an Personal, dieses ist nicht finanzierbar, und deswegen wird die Unterrichtsqualität leiden und auch das Ausbildungsniveau sinken.

Kinder und Familien müssen leistbar sein. Es gibt viele Menschen beziehungsweise Familien in Österreich, die sich mehr Kinder wünschen, sich diese aber nicht mehr leisten können. Ein Kind kostet nach Schätzungen des Wirtschaftsförderungsinstituts zirka 500 € pro Monat. Das können sich viele Menschen bei diesen hohen Steuern und Abgaben nicht mehr leisten!

Ich höre, wenn ich durch Österreich reise, Sätze wie: Ein zweites Kind kann ich mir unmöglich leisten! Kinder sind der sicherste Weg in die Armut. Oder: Von Kindern profitiert derjenige, der keine Kinder hat. – Genau da muss die Politik ansetzen. Es darf nicht sein, dass jemand, der Kinder will, sich diese aus ökonomischen Zwängen nicht mehr leisten kann. Eine solche Gesellschaft wollen wir nicht!

Wir vom Team Stronach wollen eine jährliche automatische, wertgesicherte Inflations­anpassung für Familien- und Kinderbeihilfen, analog zu den jährlichen Valorisierungen der Pensionen.

Wir wollen auch ein günstigeres Familienbesteuerungsmodell für Familien ab zwei Kindern: Die Einkommen der Familienmitglieder sollten zusammengerechnet und gemeinsam geringer versteuert werden.

Grundsätzlich muss gelten: Runter mit den staatlichen Verwaltungskosten, runter mit den Steuern und mehr Geld in die Kassen der Familien!

Wer der Jugend vorangehen will und wer ein Vorbild für die Jugend sein will, der muss gerade Wege gehen und klare Entscheidungen treffen. Was aber tut unsere Regie­rung? – Sie trifft keine Entscheidungen, übernimmt keine Verantwortung, ist reform­unfähig und wirkt in Summe ziemlich ziel- und orientierungslos.

Wir vom Team Stronach fordern zur Sicherung der Jugend und der Zukunft unserer Kinder eine restriktivere Einwanderungspolitik und Einwanderungsobergrenzen auch für Asylwerber. – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesräten der FPÖ.)

10.37


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zur Abgabe einer abschließenden Stellung­nahme hat sich nochmals die Frau Bundesministerin für Familien und Jugend zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr und darf sie bitten, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten.

 


10.37.39

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Ge­schätzte Kollegen und Kolleginnen! Noch ein Wort zum Thema „Jahr der Jugend­arbeit“, zu dem noch ein bisschen wenig ausgeführt wurde.

Wir planen, 2016 zum „Jahr der Jugendarbeit“ zu machen, und das bedeutet – das wurde gemeinsam mit den LandesjugendrätInnen auf der Landesjugendrefe­rentIn­nen­konferenz dieses Jahres beschlossen –, dass wir 2016 zum „Jahr der Jugendarbeit“ ausrufen. Was heißt das konkret? – Dass wir mindestens einmal im Monat ein Bun­des­land besuchen und dort ausgezeichnete Jugendprojekte besuchen werden, präsen­tieren werden und den Medien vorstellen werden, um genau diese wertvolle Jugend­arbeit, die in den Bundesländern und Gemeinden geleistet wird, auch vor den Vorhang zu bringen und zu zeigen, dass es diesbezüglich sehr viel wertvolle Arbeit gibt.

Vorige Woche war ich schon sozusagen vorauseilend bei einem dieser Projekte vor Ort, nämlich in Obertrum in Salzburg, wo ich genau sehen konnte, wie diese außer­schu­lische Jugendarbeit in Vernetzung mit der schulischen Nachmittagsbetreuung


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 42

wirk­lich optimal funktioniert. Das sind Vorzeigeprojekte, die es in vieler Art in Österreich gibt. Wir müssen diese aber auch zeigen, um andere Länder und Gemeinden ein wenig zu inspirieren und auch medial zu zeigen, dass auf diesem Gebiet sehr viel geschieht.

Das wird also 2016 stattfinden, die Auftaktveranstaltung wird das Ganze im Forum Jugendstrategie am 5. November einleiten, und mit Anfang nächsten Jahres erhalten auch Sie eine Einladung zur Teilnahme an dieser Initiative, um dann eventuell auch Projekte in Ihren Heimatgemeinden zu besuchen. Jeder, der sich hier beteiligen will oder ein Projekt zum Vorzeigen hat, sei aufgerufen, dieses bitte auch zu melden und zu präsentieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.39


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke Ihnen recht herzlich.

Die Aktuelle Stunde ist somit beendet.

10.40.31Einlauf

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortung 2862/AB-BR (siehe S. 9) und

jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unterliegt, sowie

eines Schreibens des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfas­sungs­gesetz betreffend die Nominierung von Landtagspräsidenten Christian Illedits zum Mitglied und Landeshauptmann Hans Niessl zum stellvertretenden Mitglied des Aus­schusses der Regionen beziehungsweise

eines Schreibens des Bundesministers für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG betreffend Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kosovo zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und

eines Schreibens des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Gerald Klug am 28. und 29. Oktober 2015 im Kosovo bei gleichzeitiger Beauftragung der Bundes­ministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek mit dessen Vertretung sowie

eines weiteren Schreibens des Ministerratsdienstes und des Bundeskanzleramtes betreffend die Vertretung der Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser durch die Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz be­treffend Ermächtigung zur Veräußerung und Belastung von unbeweglichem Bun­desvermögen sowie Anhebungsverzicht (782 und 827/NR der Beilagen)


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Schreiben des Bundesministers für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

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Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:


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10.41.02Antrag gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 GO-BR

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Marco Schreuder, Mag. Nicole Schreyer, Dr. Heidelinde Reiter und David Stögmüller gemäß § 49 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates betreffend Zustimmung des Bundesrates zum Zusammenschluss als Fraktion vor.

Ich werde sogleich über diesen Antrag abstimmen lassen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag der Bundesräte Marco Schreuder, Mag. Nicole Schreyer, Dr. Heidelinde Reiter und David Stögmüller, sich gemäß § 14 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates zu einer Fraktion zusammenzuschließen, ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Den Bundesräten und Bundesrätinnen der Grünen ist somit weiterhin der Frak­tions­status zuerkannt. Ich gratuliere dazu recht herzlich.

10.41.58Einlauf und Zuweisungen

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt ist und dem Ausschuss für Verfas­sung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen wurde:

Antrag 215/A-BR/2015 der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bun­des-Verfassungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925 und das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grund­sätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierun­gen außer Wien geändert werden.

Weiters eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates und jener Antrag 215/A-BR/2015, die beziehungsweise der heute jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind beziehungsweise ist. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 und 5, 10 und 11 sowie 12 bis 14 jeweils unter einem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall. Daher werden wir so vor­gehen.


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Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage des Bundesrates Jenewein, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Österreich schafft sich ab“ an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

10.43.471. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die halbtägig kostenlose und verpflichtende frühe Förderung in institutionellen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen in den Kindergartenjahren 2015/16, 2016/17 und 2017/18 (799 d.B. und 801 d.B. sowie 9457/BR d.B.)

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gehen in die Tagesordnung ein und kom­men zum 1. Tagesordnungspunkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Oberlehner. Ich bitte um den Bericht.

 


10.44.23

Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend zum Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Verein­barung gemäß Artikel 15a B-VG über die halbtägig kostenlose und verpflichtende frühe Förderung in institutionellen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen in den Kin­der­gartenjahren 2015/16, 2016/17 und 2017/18 zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich stelle daher gleich den Antrag:

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt mehrheitlich den Antrag, keinen Ein­spruch gegen den Beschluss des Nationalrates zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meißl. – Bitte.

 


10.45.22

Bundesrat Arnd Meißl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab noch zwei Bemerkungen: Es fällt auf, dass ich der einzige männliche Redner zu diesem Tagesordnungspunkt bin. Da stellt sich mir die Frage, ob die Kollegen von SPÖ und ÖVP noch in alten Rollenbildern verhaftet sind. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Beifall bei der FPÖ.)

Zum Zweiten eine persönliche Anmerkung von mir, weil die Geburtenrate jetzt immer wieder Thema war: Ich habe das Meine dazu getan, denn meine Freundin und ich, wir erwarten in den kommenden Stunden und Tagen unser zweites gemeinsames Kind. Also vielleicht sind die Jungen oder auch Älteren unter euch dazu aufgerufen, meinem Beispiel auch zu folgen. Man ist nie zu alt dazu, wie mein Beispiel zeigt. (Heiterkeit.)

Frau Minister, Sie haben in Ihren Ausführungen davon gesprochen, dass Sie Öster­reich zum familienfreundlichsten Land machen wollen und Sie der Meinung seien, dass


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dieses Paket, also diese 15a-Vereinbarung, ein wesentlicher Punkt dazu sein und genau in diese Richtung zielen würde.

Nun, was das Gratiskindergartenjahr angeht beziehungsweise den Zuschuss zum Kin­dergartenjahr für Vierjährige, kann ich Ihnen attestieren, dass das ein richtiger Ansatz ist, aber das alleine reicht nicht aus, da müsste man noch viel weiter gehen. Was es braucht, sind Kinderbetreuungseinrichtungen – das haben wir auch schon gehört –, die den immer flexibler gestalteten Arbeitszeiten der Eltern, auch im Teilarbeitszeitbereich, entgegenkommen, und das nicht nur in der Stadt, sondern auch am Land. Ich glaube, der größte Nachholbedarf liegt in diesem Bereich.

Es reicht nämlich nicht mehr, einen Kindergarten von acht bis zwölf Uhr gratis anzubieten, da braucht es, vor allem auch auf dem Land, Maßnahmen wie längere Öffnungszeiten und die Möglichkeit, das Kind zu verschiedenen Tageszeiten in die Einrichtung zu bringen und es auch wieder abzuholen. Da wäre es schön, würde man mehr Geld in die Hand nehmen. Noch schöner wäre es aber, wenn man hergehen würde und für vernünftige familiengerechte Bedingungen in der Arbeitswelt sorgen würde – und die Eltern nicht immer mehr dazu zwingen würde, dass sie die Kinder in den Kindergarten oder gar schon in die Kinderkrippen geben müssen.

Wo ich Ihnen aber überhaupt nicht folgen kann, ist, wenn Sie meinen, dass die Pflicht zum Kindergartenbesuch und neuerdings dieses verpflichtende Elterngespräch, worum es ja auch hier geht, für die Eltern von vierjährigen Kindern familien- oder gar kinder­freundlich seien. Vielleicht können Sie mir das dann später erklären: Wie kann ein Zwang kinderfreundlich sein? Finden Sie es wirklich familienfreundlich, wenn Eltern, die ihr Kind bis zum Schuleintritt möglichst zu Hause betreuen wollen, dann auch noch dafür bestraft werden?

Also wir haben da eine ganz andere Vorstellung von Familienpolitik. Wir stehen für ein umfassendes, für die Eltern möglichst günstiges Betreuungsangebot, das den Bedürf­nissen der Familien angepasst ist, aber das auf Freiwilligkeit basiert und die Familie als Kern unserer Gesellschaft sieht.

Es muss den Eltern ganz einfach ermöglicht werden, möglichst viel Zeit in die Erzie­hung ihrer Kinder investieren zu können, um sie gerade in den ersten Jahren möglichst gut in ihrer Entwicklung begleiten zu können. Und Kinder müssen auch Kind sein dürfen. Sie brauchen auch einmal die Möglichkeit, sich zurückziehen zu können, und sie brauchen gerade in den ersten Jahren ihre Familie. Es geht einfach darum, die Kinder genau in dieser Zeit nicht zu überfordern.

Es ist nicht sinnvoll, die Kindergärten in erster Linie als Bildungseinrichtungen zu sehen. Das sind Betreuungseinrichtungen, und das sollen sie auch bleiben. Da braucht es nicht sozialistische Ansätze wie jenen, die Kinder schon möglichst früh den ganzen Tag über in die Obhut des Staates zu geben. Die Behauptung, dass mit der Bildung nicht früh genug angefangen werden kann, wird übrigens durch ein Beispiel ad absurdum geführt, und das ist die DDR. Auch da hat man gemeint, dass es gescheit wäre, die Kinder möglichst früh in die Fänge zu bekommen und zu versuchen, sie frühzeitig lenkbar zu machen. Das funktioniert aber nicht, wie man gesehen hat, und die Kinder machen später als Erwachsene ohnehin nicht das, was man versucht hat ihnen einzutrichtern, und das ist gut so. Das Einzige, was bei diesen Menschen hängen geblieben ist, sind der Zwang und das Lied vom Volkspolizisten.

Es ist nicht in Ordnung, wenn Kindergärten die Aufgabe zugeschrieben wird, die Kinder zu erziehen. Noch schlimmer ist es, wenn von Elementarpädagogik, gezielter sprach­licher Frühförderung, Kultur- und Sozialanthropologie, Traumatologie, Sozialpädagogik, Testung von psychomotorischen Fähigkeiten und Ähnlichem die Rede ist. Da wird ein bisschen übers Ziel hinaus geschossen. Warum begegnet man Kindern nicht einfach


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mit Menschlichkeit und Wärme? Warum muss man sie in dem Alter schon mit Gewalt überfordern oder zum Ziel überbordenden Einsatzes von älteren Menschen zu machen? Man darf Kinder auch nicht als kleine Erwachsene sehen. Das sind sie einfach nicht, und diese Sichtweise schadet ihnen mehr, als sie ihnen hilft.

Nochmals: Kinder sollen Kinder bleiben dürfen, und Kindergärten sollen Betreuungs­ein­richtungen bleiben, ein Ort, wo Kinder spielen können, sich im Umgang mit anderen Kindern versuchen können. Aber was ein Kindergarten nicht sein soll, ist eine Bil­dungs­einrichtung, die die Kinder intensivst auf die Schule vorbereitet. Als Nächstes kommt dann irgendwann jemand daher und meint, die verpflichtende Kinderkrippe als Vorbereitung auf den Kindergarten einführen zu müssen. Lassen Sie doch den Kindern und den Familien ihren Freiraum!

Als wichtiges Argument für die Einführung der Kindergartenpflicht für Fünfjährige wurde immer angeführt, dass diese so wichtig wäre, um Sprachdefizite bei Kindern auszu­merzen. Das dürfte aber anscheinend nicht so funktioniert haben, denn sonst würde man jetzt nicht das verpflichtende zweite Kindergartenjahr für Vierjährige fordern und dieses verpflichtende Elterngespräch einführen.

Im Hintergrund geht es dabei aber offenbar darum, Sprachdefizite von Kindern von Migranten auszumerzen. Als der frühere Bundeskanzler Gusenbauer – das ist der etwas rundlichere Herr, der jetzt halb demokratische Despoten berät und für eine angebliche Hypoberatung offenbar 84 000 € kassiert hat – einmal gemeint hat, er könne sich einen verpflichtenden Besuch des Kindergartens für Zuwandererkinder vorstellen, wurde er von Teilen der SPÖ sofort zurückgepfiffen. Es hieß damals: Diese Maßnahme würde MigrantInnen – mit Binnen-I; es fällt mir ein bissel schwer, das zu sagen – noch mehr Recht auf Selbstbestimmung entziehen. Eine Verpflichtung für den Besuch des Kindergartens müsse, wenn, für alle gelten.

Die Kindergartenpflicht ist also offenbar der Ausdruck gescheiterter Integration. Der Kindergarten kann und soll aber diese geforderte Leistung gar nicht erbringen, Ver­pflich­tung hin oder her.

Das BIFIE, das Bundesinstitut für Bildungsforschung, hat bereits vor einiger Zeit den Sprachstand von Kindergartenkindern und so deren Förderbedarf ermittelt. So wurde dabei festgestellt, dass in Kärnten 93 Prozent der türkischen Kinder im Kindergarten Förderbedarf haben, in der Steiermark waren es 92 Prozent der türkischen Kinder und in Wien trotz zusätzlicher Betreuer und Betreuungsmaßnahmen 80 Prozent. Bei Kindern aus Ex-Jugoslawien wurde übrigens ein Förderbedarf von rund 50 Prozent und bei Kindern mit deutscher Erstsprache von 10 Prozent ermittelt.

Das Ergebnis der Studie bei Kindergartenkindern zeigt, dass der einzig zielführende Weg zum rechtzeitigen Spracherwerb vor der Einschulung ein Vorschuljahr für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen ist. Wir sehen es als nicht zielführend an, gesell­schaftspolitische Fehlentwicklungen zur vermeintlichen Lösung in den Kindergarten abzuschieben, denn dafür ist er nicht da.

Besonders spannend finde ich auch die neue Regelung betreffend das verpflichtende Beratungsgespräch für Eltern von Vierjährigen, das eine typische Halblösung darstellt. Im Zuge dieses Beratungsgespräches ist eine Empfehlung zum Besuch des Kinder­gartens auszusprechen. Was ist aber, wenn das Kind in der Entwicklung so steht, dass eine Empfehlung für einen Besuch überhaupt der falsche Ansatz ist? Was ist, wenn ich auf die Empfehlung von Vornherein keinen Wert lege, weil ich mein Kind nicht in den Kindergarten schicken will? Wollen Sie mich dann bestrafen, wenn ich auf das Gespräch keinen Wert lege und darauf verzichte? Wollen Sie mein Kind dann zwingen, in den Kindergarten zu gehen?


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 51

Übrigens bin ich persönlich schon sehr gespannt darauf, weil nächstes Jahr meine kleine Tochter, die jetzt drei Jahre alt ist, in den Kindergarten kommen wird. Ich harre schon mit Spannung der Dinge, die da bei diesem Gespräch auf mich zukommen werden, wobei ja der Ablauf auch noch nicht geklärt ist. (Zwischenbemerkung von Bun­desministerin Karmasin.) Ich werde das auch so provozieren und mir dann anhören, was dort gesagt wird. Ich bin auch Ausschussvorsitzender für vorschulische Kinder­betreuung in meiner Heimatstadt. Das ist der zweite Grund, dass ich mir das gerne von der anderen Seite anschauen werde. (Bundesrat Edgar Mayer: Ja, aber vergiss das Kindeswohl nicht bei dem Gespräch! Das ist schon wichtig! – Heiterkeit.) Ja, meine Kinder sind mir eh am wichtigsten, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Herr Kollege!

Zusammenfassend: Ja zum Gratiskindergarten für möglichst alle Kinder, Ja zum Vor­schulunterricht für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen, aber Nein zum Zwang in Fragen der Kinderbetreuung. Wir sind daher auch weiterhin gegen die Verpflichtung zum Kindergartenbesuch. Wir sind daher logischerweise auch gegen Bestrafungen der Eltern bei Verletzung der Kindergartenpflicht, und wir sind gegen die Verpflichtung zu Beratungsgesprächen für Eltern von Vierjährigen. Deswegen werden wir der vorge­legten 15a-Vereinbarung nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.54


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Stöckl. – Bitte.

 


10.54.36

Bundesrätin Angela Stöckl (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Frau Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit dem Jahre 2013 bin ich hier im Bundesrat, und ich muss sagen, es hat sich seither in den letzten zweieinhalb Jahren sehr viel getan. Wir haben ein eigenes Ministerium für Familie und Jugend bekommen, und wir haben für unsere Kinder, für unsere Familien wirklich viel umgesetzt. Ich denke da an das verpflichtende Kindergartenjahr, an die Erhöhung der Familienbeihilfe, an die Verdoppelung des Kinderfreibetrages, an die tägliche Bewegungseinheit in den Schulen, an den Ausbau der qualitativen und quantitativen Kinderbetreuung mit 305 Mil­lio­nen €, an den „Schulstart NEU“, an die Sprachförderung von Kindern mit nicht­deutscher Muttersprache, an die Gratis-HPV-Impfung, an die Gratiszahnspange und, und, und.

Auch im kommenden Jahr werden für unsere Familien und Jugend 64,3 Millionen € veranschlagt, und das ist eine gewaltige Summe. Unser Ziel ist es, wie unsere Frau Bundesminister bereits öfter gemeint hat, Österreich bis 2025 zum familienfreund­lichsten Land Europas zu machen.

Heute beschließen wir die Sicherung des Gratiskindergartenjahres für Vorschulkinder. Für weitere drei Jahre werden dafür wieder 210 Millionen € zur Verfügung gestellt. Ich denke, gerade die Elementarpädagogik bietet wichtige Bildungschancen für unsere Kinder, denn die PISA-Studien haben ergeben, dass Schülerinnen und Schüler, die vor dem Schuleintritt schon eine Kinderbetreuungseinrichtung besucht haben, bei den Tests viel besser abgeschnitten haben als Kinder, die nur zu Hause waren. Und so sehe ich die Betreuung der Kinder in einer institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung vor dem Schuleintritt als wesentlichen Baustein für die weiteren Bildungsphasen von Kindern und Jugendlichen. (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Wir konnten auch die Betreuungsquote in dieser Altersgruppe auf mehr als 97 Prozent steigern. Erfreulicherweise wird ja bereits in fünf Bundesländern der Gratiskinder­garten­besuch angeboten.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 52

Neu ist, wie gesagt, ab dem Jahre 2016 ein verpflichtendes Beratungsgespräch für Eltern, deren Vierjährige den Kindergarten noch nicht besuchen, Herr Kollege. Also wenn die Tochter mit drei Jahren in den Kindergarten geht, dann fällt das Beratungs­gespräch sowieso weg. Damit soll eben der Anteil der Vierjährigen von bisher 94,2 Prozent auf annähernd 100 Prozent bis 2018 steigen. Die Eltern sollen von den Vorteilen eines zweiten Kindergartenjahres überzeugt werden. Wir wollen die Eltern nicht verpflichten, sondern bedarfsorientiert vorgehen. Wir sind auch immer wieder im Gespräch mit den Ländern, die dafür zu sorgen haben, dass diese Beratungs­gespräche von Fachleuten geführt werden. Und an dem Leitfaden wird auch bereits gearbeitet.

Das ist für mich eben ein Zeichen für die gute Partnerschaft vor Ort und für die gute Zusammenarbeit zwischen den Kinderbetreuungseinrichtungen und den Familien. Es geht einfach nur miteinander. Ein Parameter dafür ist in Niederösterreich zum Beispiel das bereits umgesetzte Kindergartenportfolio, das viel über die Entwicklung eines Kin­des aussagt. Bei uns in Niederösterreich hat bereits flächendeckend jedes Kind mit zweieinhalb Jahren einen Kindergartenplatz.

Ich möchte mich abschließend noch, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bei unserer Frau Bundesminister recht herzlich für diese 15a-Vereinbarung bedanken. Österreich ist und bleibt Familienland. Meine Fraktion stimmt heute sehr gerne zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

10.58


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Ich erteile es ihr.

 


10.58.30

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Artikel-15a-Vereinbarung mit den Ländern – wir als Länderkammer können nachvollziehen, dass die Verhandlungen über Artikel-15a-Vereinbarungen keine leichten Verhandlungen sind. Aber das letzte Kindergartenjahr weiterhin gratis für alle Kinder, für die Familien in Österreich zu haben, ist eine sehr wichtige Sache, und das wird es weiterhin geben. Die fünfjährigen Kinder können daher bei uns weiterhin gratis den Kindergarten besuchen. Sie bekommen einen kostenlosen Kindergarten­platz.

Vierjährige Kinder allerdings bekommen ihren Kindergartenplatz nicht gratis, zumindest in manchen Bundesländern nicht; es war und ist allerdings unser Wunsch, das zu ändern. In meinem Bundesland ist der Kindergartenbesuch entweder gratis, oder es gibt zumindest eine soziale Staffelung oder eine Beitragsermäßigung.

70 Millionen € pro Jahr in einer Zeit, in der es Budgetknappheit gibt – natürlich ist niemand damit zufrieden, natürlich hätte jeder gerne mehr, ich gehe davon aus, auch Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, aber wir haben zumindest dieses Geld, und ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Geld sehr sinnvoll für dieses Gratiskindergartenjahr eingesetzt wird.

Dass es bei den Vierjährigen keine Kindergartenbesuchspflicht gibt, zumindest 2016/2017 nicht, ist ein Wermutstropfen, und zwar deswegen – ich habe es in meiner vorigen Rede schon ausgeführt –, weil es gut, notwendig und wichtig ist, dass die Kinder diese sozialen Erfahrungen machen, dass die Kinder im Kindergarten Freunde finden, soziales Engagement lernen und ein Miteinander erleben. All das ist möglich.

Bundesrat Meißl hat vorhin angesprochen, welche Strafen es geben kann, wenn die Eltern ihrer Pflicht, das Kind in den Kindergarten zu schicken, nicht nachkommen. Im Vorjahr hat es 690 Verfehlungen gegeben, da sind die Kinder nicht in den Kindergarten


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 53

geschickt worden, wo es dann Verwaltungsstrafen gegeben hat. – Ja, das ist notwendig. Wir haben in Österreich eine Schulpflicht. Und vorhin haben wir gerade besprochen, dass der Kindergarten eigentlich die erste Bildungseinrichtung ist. Infolge­dessen ist es nur schön und gut, auch den Besuch des letzten und womöglich auch des vorletzten Kindergartenjahres verpflichtend zu machen, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, die sozialen Erfahrungen zu machen.

Das beratende Elterngespräch, das sehr oft und sehr viel diskutiert wird, es ist auch eine diesbezügliche Arbeitsgruppe eingerichtet worden, wird sehr skeptisch gesehen. Ich muss zugeben, dass es auch für mich noch sehr, sehr viele Fragezeichen bei diesem beratenden Elterngespräch gibt. Ich sehe aber in diesem beratenden Elterngespräch auch eine sehr große Chance, denn wie ich vorhin schon gesagt habe: Es ist leider so, dass es gerade dort, wo die Kinder nicht in den Kindergarten gehen, sehr schwierig ist, die Angebote, die es jetzt schon gibt, diesen Familien näherzu­brin­gen.

Diese Möglichkeit habe ich aber bei einem beratenden Elterngespräch. Genau dort habe ich die Möglichkeit, auf die Eltern einzuwirken, den Eltern auch zu sagen, welche Chancen es für die Kinder im Kindergarten gibt, aber auch, welche Möglichkeiten es noch zusätzlich für die Familien gibt, wie ihre Kinder gefördert werden können. Und genau da wird auch dieser erste wichtige Schritt gesetzt, allen Kindern die gleichen Chancen zu eröffnen, was wichtig ist für ihren Bildungsstart, wenn sie dann in die Schule kommen.

Es ist in Studien erwiesen, dass die Bildungschancen der Kinder nicht nur davon abhängen, wo sie aufwachsen, sondern auch davon, wie sie aufwachsen. Und es ist erwiesen, dass sie sich viel, viel leichter tun, dass der Start für die Kinder sehr viel leichter ist, wenn sie einen sozialen Umgang im Vorfeld haben, bevor sie in die Schule gehen. Und ich denke mir, gerade das müssen wir sehen und gerade das ist für uns sehr, sehr wichtig.

Dieser bundeseinheitliche Qualitätsrahmen, den ich auch schon angesprochen habe, ist natürlich auch eine weitere Forderung, hinter der ich nach wie vor stehe und wo ich mir denke, dass das für unsere Kinder und Jugendlichen sehr, sehr notwendig ist.

Herr Meißl! Die Aussage, dass Sie der einzige Mann in der Rednerliste zu diesem Punkt sind, stimmt. Ich freue mich sehr, dass Sie sich dieses Themas annehmen. Ich sage ganz ehrlich: Mir liegt dieses Thema so am Herzen, aber ich lasse mich des­wegen nicht umoperieren. Ich rede sehr gerne zum Thema Familie und bin sehr froh darüber, dass ich hier reden kann. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Und ich gehe auch davon aus, dass Sie nicht gemeint haben, dass alle anderen Männer mit Ihrer Freundin jetzt diese Kinder noch in die Welt setzen sollten, die viel­leicht noch fehlen, um die Quote, die Sie angesprochen haben, zu erreichen.

Und ernst gemeint ganz zum Schluss: Ich bitte Sie wirklich, nicht auf dem Rücken Ihres eigenen Kindes auszutragen, was es heißen könnte, wenn Sie Ihren Kopf irgendwo durchsetzen wollen. Das ist nicht Kinderrecht, das kann es nicht sein! Aber wir werden dem sehr gerne zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

11.03


Präsident Gottfried Kneifel: Frau Bundesrätin Mag. Schreyer hat sich zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihr.

 


11.03.27

Bundesrätin Mag. Nicole Schreyer (Grüne, Tirol): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es gleich vorweg:


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 54

Die grüne Fraktion wird dieser Artikel-15a-Vereinbarung zustimmen, weil damit im­merhin ein verpflichtendes kostenloses Kindergartenjahr abgesichert ist – wie bisher. Wir beschließen hier also nur eine Fortschreibung des Status quo und nicht das, was eigentlich das Ziel der Regierung war, nämlich das verpflichtende zweite Kindergar­ten­jahr, wie es auch im Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP drinsteht. (Vizepräsi­dentin Posch-Gruschka übernimmt wieder den Vorsitz.)

Das zweite verpflichtende Kindergartenjahr ist also gescheitert. Und woran ist es gescheitert? – Am lieben Geld. Die angebotenen 70 Millionen € haben den Ländern so nicht ausgereicht. Ja, es gibt berechtigte Hoffnung, dass sich das noch verbessert. Einige Bundesländer haben das verpflichtende zweite Gratiskindergartenjahr ja schon umgesetzt. Und es gibt auch eine Arbeitsgruppe, die während dieser Vertragslaufzeit bis 2017/2018 eine Lösung finden wird. Also es tut sich etwas. Wir hoffen, dass es dann zu einer Lösung kommt, die wirklich österreichweit gleich ist. Besser drei Jahre zu spät als nie!

Meine VorrednerInnen haben schon sehr viel zu den Vorteilen von einem beziehungs­weise zwei Gratiskindergartenjahren gesagt. Bildung braucht nämlich Zeit. Studien zeigen, dass mehrjähriger Kindergartenbesuch einfach viel mehr bringt. Die Kinder lernen im Kindergarten so viel: Sozialverhalten, die Sprache wird in der Gruppe mit anderen Kindern verbessert, Malen, Basteln, Stifthaltung und so weiter. Die Kinder lernen also im Kindergarten so viel mehr, vor allem, wenn es Einzelkinder sind, was sie zu Hause einfach nicht so lernen oder, sagen wir einmal, nicht unbedingt lernen. Wie engagiert die Eltern oder Elternteile zu Hause sind, kann ja nicht garantiert werden.

Wir haben in Österreich ohnehin einen sehr hohen Grad an Vier- bis Fünfjährigen, die schon im Kindergarten sind, nämlich knapp 95 Prozent. Wir sprechen hier also von den restlichen 5 Prozent, also von den etwa 4 000 Kindern, die noch nicht mit vier Jahren in den Kindergarten gehen. Und genau denen käme das zusätzliche verpflichtende Jahr, das die Grünen fordern, am meisten zugute, um eben genau diese Dinge zu lernen, etwa bessere Sozialkompetenz, um ihnen ein Jahr mehr Zeit zu geben, eine bessere Sprachkompetenz aufzubauen, um dann in der Schule die gleich guten Startvor­aussetzungen zu haben wie auch die anderen 95 Prozent.

Und wegen dieser ganzen Kompetenzen darf man nicht darauf vergessen, dass man den Kindergarten als Bildungseinrichtung sehen muss, auch wenn mein Vorredner von der FPÖ das nicht als Bildungseinrichtung, sondern als reine Betreuungseinrichtung sehen würde. Und gerade deswegen ist es auch so wichtig, den Zugang gratis zu ermöglichen, weil Bildung für alle Kinder gleich und für alle Kinder kostenlos zugänglich sein muss.

Die Kosten selbst scheinen nicht allzu hoch zu sein. Aber auch 70 € im Monat, wie das zum Beispiel in Innsbruck der Fall ist, belasten das Familienbudget doch sehr. Und da denke ich gerade an Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen.

Wir stimmen hier zu, fordern aber ein weiteres verpflichtendes Jahr. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

11.06


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desministerin MMag. Dr. Karmasin. – Bitte, Frau Ministerin.

 


11.06.57

Bundesministerin für Familien und Jugend MMag. Dr. Sophie Karmasin: Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Wir konnten erreichen, dass wir wieder drei Mal 70 Millionen € vom Finanzministerium bekommen. Das war am Anfang der Verhandlungen überhaupt nicht selbstverständlich, weil wir ja, wie gesagt, schon


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 55

830 Millionen für die Familienbeihilfe, für den Ausbau der Kinderbetreuung erwirken konnten und da jetzt in Diskussion stand, ob wir wirklich noch einmal diese eigentlich zwei Mal 70 Millionen für die Erfüllung der Artikel-15a-Vereinbarung benötigen.

Es wurden da Kürzungen diskutiert und überhaupt Streichungen dieses Projektes. Und wir konnten uns insofern durchsetzen, als wir zumindest einmal diese 70 Millionen sichern konnten – und nicht nur für zwei Jahre, sondern für drei Jahre. Wir können jetzt fix drei Mal 70 Millionen ausgeben für, und das ist wichtig, nicht nur das letzte Gratiskindergartenjahr für die Fünfjährigen. Es war mir ein besonderes Anliegen, dass wir nicht nur einfach fortschreiben, was wir schon umsetzen konnten, sondern noch zusätzliche Leistungen für die Vierjährigen erwirken.

Warum? – Vielleicht ein paar Zahlen zum Hintergrund. Es ist ja nicht so, dass durch das verpflichtende kostenlose Kindergartenjahr für die Fünfjährigen 100 Prozent Betreuungsquote erreicht wird. Wir haben bei den Fünfjährigen auch „nur“ – unter Anführungszeichen – 98 Prozent. Es gibt diverse Ausnahmeregelungen mit gutem Grund. Aus gesundheitlichen Gründen und aufgrund regionaler Gegebenheiten gibt es Ausnahmemöglichkeiten von dieser Kindergartenpflicht. Faktum ist, dass eben 98 Pro­zent der Kinder im Kindergarten sind.

Die Zahl der Vierjährigen konnte eine Steigerung erfahren. Wir sind bei über 95 Pro­zent der Kinder im Kindergarten. Also die große Mehrheit ist ja überzeugt davon, dass der Kindergarten für die Vierjährigen wertvoll, sinnvoll und gerade für den Schuleintritt ein ganz wichtiges Instrument ist. Aber es fehlen eben noch 4 000 Kinder, wie gesagt, Vierjährige, die noch nicht im Kindergarten sind.

Wir wollten im Rahmen der bestehenden Mittel – wir haben ja keinen Euro mehr erhalten – diese 4 000 Kinder stärker in den Kindergarten miteinbeziehen. Und hier war unsere Antwort, ein verpflichtendes Beratungsgespräch mit den Kindern und Eltern in den pädagogischen Einrichtungen zu bekommen, um dort möglicherweise erstmals mit geeignetem Fachpersonal in einen Dialog zu treten und kurz ein Screening, kurz ein­mal eine Situationsanalyse zu machen und dann im Frühling anhand eines struk­turierten Leitfadens eben diese Beratungsgespräche verpflichtend durchzuführen. Das ist also nicht einfach ein lustiges Familiengespräch, sondern das ist ein vom ÖIF von der Universität Wien aufgebauter standardisierter Beratungsleitfaden, der gerade in Ausarbeitung ist, der Anfang nächsten Jahres präsentiert werden wird.

Wir sind der Überzeugung, dass es wichtig ist, ein erstmaliges Gespräch mit den Eltern zu führen, dies unter Analyse der Gründe, warum man eigentlich noch nie überlegt hat, ein vierjähriges Kind – wie gesagt, 4 000 Kinder gehen überhaupt nicht in den Kinder­garten – in den Kindergarten zu schicken, was die Hintergründe dafür sind und warum man noch nie darüber nachgedacht hat, um so möglicherweise Argumente zu entkräf­ten und andererseits eben die Vorzüge des Kindergartens hervorzustreichen, auch eine eventuelle Sprachförderung anzusprechen und darüber zu diskutieren, wie wertvoll und wie wichtig es auch für Vierjährige ist, vor Schuleintritt den Kindergarten zu besuchen.

Also erster Schritt: verpflichtende Beratungsgespräche mit der Empfehlung, den Kin­der­garten zu besuchen – wie gesagt, das ist eine Empfehlung. Wir sind eigentlich davon überzeugt, dass eine Beratung, eine fachkundige Beratung mit anschließender Empfehlung möglicherweise mehr bringt als eine reine Verpflichtung, da in diesem Fall nie ein direkter Kontakt mit den Eltern stattfindet. Die Verpflichtung steht zwar im Gesetz, aber es wurde noch nie mit den Eltern gesprochen. Von dem her glauben wir, dass ein Beratungsgespräch möglicherweise mehr bringt als eine reine Verpflichtung.

Wir werden das in der angesprochenen Arbeitsgruppe ausführlich evaluieren, die ja auch in der 15a-Vereinbarung festgeschrieben ist, wo wir genau analysieren werden,


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 56

wie diese Beratungsgespräche verlaufen sind und wie viele Eltern und Kinder sich dann aufgrund dieses Gesprächs für den Kindergarten entschieden haben.

Wenn diese Beratungsgespräche nicht so funktionieren, also nicht den entsprechen­den Effekt bringen, wie das eine Verpflichtung bei den Fünfjährigen tut, dann werden wir andenken, das Gratiskindergartenjahr für die Vierjährigen ab 2018 verpflichtend umzusetzen. Aber wir wollen jetzt einmal diese Beratungsgespräche abwarten, um zu sehen, was eine Beratung bewirkt, um dann – möglicherweise noch in dieser Regie­rungs­periode – diesen nächsten Schritt zu setzen, wie er ja auch im Regierungspro­gramm festgeschrieben ist.

Also: Fünfjährige weiterhin gratis und verpflichtend, Vierjährige mit den verpflichtenden Beratungsgesprächen. Wir konnten den Gratiskindergarten für die Vierjährigen öster­reichweit jetzt aufgrund fehlender Budgetmittel noch nicht umsetzen, aber wir konnten zumindest einen ersten Schritt setzen. Wir konnten eine Sozialstaffel oder ermäßigte Beiträge österreichweit als Verbesserung umsetzen. Das ist noch nicht gratis für alle – in fünf Bundesländern ist der Kindergartenbesuch ja gratis, aber vier fehlen. Und diese vier Bundesländer haben zumindest ein weiteres Entgegenkommen, was die Beiträge der Eltern betrifft, jetzt im Gesetz festgeschrieben. Das ist ein Fortschritt, der anzuer­kennen ist, der den Ländern und den Gemeinden auch erhebliche Mehrkosten verur­sacht – herzlichen Dank dafür –, nämlich im Rahmen der Budgetmittel, der drei Mal 70 Millionen. Das ist schon ein sehr positiver Verhandlungserfolg.

Deshalb bin ich sehr froh über diese Artikel-15a-Vereinbarung, die einen großen Schritt im Sinne der Kindergartenpädagogik, der Einbeziehung der Vierjährigen macht. Und die Arbeitsgruppe wird ergeben, ob diese Herangehensweise ausreicht oder ob wir doch noch ein verpflichtendes Gratiskindergartenjahr für die Vierjährigen benötigen. –Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.13


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Hackl. – Bitte.

 


11.13.31

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Geschätztes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich ganz besonders, dass ich heute meine erste Rede zum Familienthema Gratiskindergarten halten darf. Wie Ihnen bekannt ist, hat der Nationalrat am 15. Oktober beschlossen, dass das ver­pflichtende Gratiskindergartenjahr für alle Fünfjährigen die nächsten drei Jahre weitergeführt wird und zusätzlich die Vierjährigen durch verschiedene Maßnahmen verstärkt in die elementare Bildung miteinbezogen werden. Dafür stellt der Bund für weitere drei Jahre einen Zweckzuschuss in der Höhe von 70 Millionen € pro Jahr zur Verfügung.

Diese Frühförderung vor Schulbeginn begrüße ich sehr, sehe ich doch in den Krippen und Kindergärten prägende Orte für eine angewandte Elementarpädagogik. Nach der Familie sind es vor allem Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen, an denen unsere Kinder wichtige soziale Kompetenzen lernen und sich spielerisch mit Bildung auseinandersetzen. Bereits da wird der Grundstein für die weitere Bildungskultur jedes einzelnen Kindes gelegt. Vor allem für junge, einkommensschwache Paare stellt diese Unterstützung seitens des Bundes eine große finanzielle Erleichterung dar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie die meisten von uns ja aus eigener Erfahrung wissen, bringen Kinder Freude, aber auch Verantwortung. Und das ist je nach Alter natürlich auch mit Kosten verbunden. Wie Sie sich vorstellen können, nimmt die Kinderbetreuung besonders in den ersten Lebensjahren viel Zeit in Anspruch. Daher


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 57

sind die Erwerbsmöglichkeiten des betreuenden Elternteiles oft stark eingeschränkt. Und auch später bedeutet das speziell für Frauen eine finanzielle Einbuße. Mit einem Gehalt, bestenfalls mit eineinhalb Gehältern sind die Verbrauchsausgaben für ein Kind nur selten voll gedeckt. Dadurch, dass der Bund weiterhin die Kosten für das verpflichtende Kindergartenjahr übernimmt, können auch einkommensschwache Paare ihren Kindern weiterhin eine optimale Vorbereitung für die Schule ermöglichen.

Ein weiterer Aspekt, der für mich dieses Kindergartenjahr vor Schulbeginn so sinnvoll macht, ist die Tatsache, dass Kinder durch Frühförderung schon sehr jung mit Bildung, Können und den eigenen Fähigkeiten konfrontiert werden. Bei manchen von ihnen kann dadurch der Wunsch nach Weiterbildung in sehr jungen Jahren vermehrt geweckt werden. Bereits in der Kinderkrippe oder im Kindergarten lernen die Kinder, durch ein gemeinsames Miteinander ihre sozialen Kompetenzen wertschätzend einzusetzen. Hier wird auch der Grundstein für eine sinnvolle Freizeitgestaltung gelegt. Ein Buch zu lesen anstatt Computer zu spielen, Bewegung in der Natur, anstatt vor dem Fernseher zu sitzen – das wünsche ich mir für unsere Jugend und die Kinder.

Weiters plädiere ich auch für einen regen Austausch zwischen den Elementar­pädago­gInnen und den Eltern. Denn je genauer diese über die Fähigkeiten, Begabungen und Talente ihrer Kinder informiert sind, desto gezielter und sinnvoller können sie sich mit Bildungsförderung auch zu Hause auseinandersetzen. Nicht umsonst bietet der Handel eine große Zahl an Lernspielen und -materialien an. Und aufgrund dieser finanziellen Unterstützung seitens des Bundes bleibt diesen Familien dafür auch mehr Geld im Börserl.

Dadurch, dass der Bund für weitere drei Jahre die Finanzierung für das verpflichtende Kindergartenjahr übernommen hat, ermöglicht er den jungen Bürgerinnen und Bürgern auch für die Zukunft gleiche Bildungschancen in allen Schichten. Der Zugang zu einer guten, spezifischen Frühförderung wird dadurch für alle möglich. Natürlich hängt der Wissens­grad auch von der persönlichen Begabung der Mädchen und Buben ab. Aber die Möglichkeit für einen chancengerechten Einstieg in die Schullaufbahn ist für alle gegeben.

Lassen Sie mich noch kurz auf die Situation der Frühförderung bei mir zu Hause im ländlichen Raum eingehen. Früher hatten wir im ländlichen Raum Großfamilien, in denen oft die Enkelkinder bei den Großeltern aufgewachsen sind. Die Zeiten haben sich allerdings geändert. Heutzutage weiß man, dass man die Betreuungsein­rich­tun­gen braucht, da die Großeltern noch selber arbeiten und die Eltern Wochenpendler, also teilweise in Wien oder Graz sind.

Es ist beruhigend, zu wissen, dass der Besuch eines Kindergartens auch für die kom­menden drei Jahre finanziell gesichert ist. Als Unternehmerin und Politikerin muss ich sagen, dass ich froh darüber war und bin, dass es Kinderkrippen und Kindergärten gibt, in denen unsere Kinder spielerisch gefördert und dazu ermutigt werden, ihre Per­sönlichkeit zu entfalten. Als Mutter von drei Kindern und Großmutter einer Enkeltochter weiß ich, wie wichtig es ist, dass es bereits im Kindergartenalter spezielle umfang­reiche Bildungsangebote gibt. Schließlich wünschen wir uns für unsere Kinder nur das Allerbeste.

Mit dem Gratis-Kindergartenjahr sind Bund, Länder und Gemeinden in einer Partnerschaft für unsere Familien unterwegs: ein familienfreundlicher Weg, der den Kindern Förderung, Bildung, Spiel und Spaß und den Eltern ein beruhigtes Arbeiten und finanzielle Unterstützung ermöglicht – ein Weg, den ich gerne mitgehe.

Mit dieser Entscheidung kommen wir dem Ziel unserer Familienministerin Sophie Karmasin, Österreich zum familienfreundlichsten Land in Europa zu machen, ein großes Stück näher.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 58

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Einsatz für unsere Familien. Unsere Fraktion wird dieser zukunftsweisenden Entschei­dung selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.20


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Blatnik zu Wort. – Bitte.

 


11.21.02

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Ja, es ist in der Familienpolitik vieles weitergegangen (Bundesrat Mayer: Bravo!), dieser Prozess muss aber weitergeführt werden. Ich möchte mich bei allen – bei (in Richtung Bundesministerin Karmasin) Ihnen, bei der Frauenministerin, aber auch beim Finanzminister, der dieses Geld zur Verfügung stellen muss, bei allen! – für diesen Fortschritt bedanken.

Dieser Artikel-15a-Vereinbarung – meine Kollegin, die Frau Vizepräsidentin, hat es ja schon gesagt – ging sicherlich eine schwierige Auseinandersetzung, eine schwierige Diskussion voraus. Und das, was herausgekommen ist, ist ein Kompromiss, eine Kompromisslösung: das, was machbar war.

Ja, ich hätte mir auch mehr gewünscht, selbstverständlich, aber positiv ist, dass mehr Geld in die Hand genommen worden ist. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass das verpflichtende Kindergartenjahr für die Fünfjährigen nicht nur für 16 bis 20 Stunden kostenlos ist, sondern ganztätig, und ich hätte mir auch gewünscht, dass dieses verpflichtende Kindergartenjahr für die Vierjährigen kostenlos organisiert und realisiert wird – aber Sie waren diejenige, die das für 2018 in Aussicht gestellt hat, und ich glaube und bin optimistisch, dass das auch Realität wird.

Jede Investition, liebe Kolleginnen und Kollegen, in unsere Kinder ist eine Investition in die Zukunft, und die beste Investition für unsere Kinder ist ganz sicherlich die Bildung und die Ausbildung.

Der Kindergarten oder die Betreuungseinrichtungen, das sind Bildungseinrichtungen, und da müssen wir investieren. Und bitte, das ist kein Abschieben, das ist kein Zwang, das ist ganz einfach eine Einrichtung – meine Vorrednerin hat es ja gesagt –, wo Kinder die Möglichkeit haben, sich spielerisch mit Bildung auseinanderzusetzen.

Und auch im Kindergarten kann ein Kind Kind sein, kann ein Kind spielen, darf und muss ein Kind Bücher lesen. Also ein Kind kann sich auch im Kindergarten zu einer Persönlichkeit entwickeln. Ein Kind im Kindergarten kann und wird auch soziale Interaktion erleben können, sich entwickeln können. Ein Kind im Kindergarten kann selbstverständlich auch das Miteinander erleben. Dieses wird gefördert, die Team­fähigkeit wird gefördert, das Selbstbewusstsein und die Selbständigkeit werden fördert. Es ist kein Abschieben, es ist kein Zwang, sondern es ist etwas Positives. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schreyer.)

Ich war vor Kurzem im zweisprachigen Kindergarten in meiner Heimatgemeinde, und ich habe erleben dürfen, wie Kinder Neugierde entwickeln, wie wissbegierig Kinder sind und wie sie Pädagoginnen Pädagogen, aber auch, bitte, wie die Kinder unter sich Fragen stellen und dadurch auch Antworten erarbeiten können – das ist ja etwas ganz Wichtiges –, und auch sie sind gute Pädagoginnen und Pädagogen.

Der zweite Punkt und ein weiterer Vorteil ist – und das ist mir sehr wichtig –, dass vor allem Kinder aus sozioökonomisch schwachen Familien oder Kinder mit Migrations­hintergrund davon profitieren. Gleiche Chancen für Kinder heißt für mich weniger Ar-


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mut. Gleiche Chancen für Kinder ist für mich sehr wichtig, weil Kinderrechte Men­schenrechte sind und diese unteilbar sind, das heißt, dieses Recht gilt für alle Kinder.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jedes Kind soll das Recht haben – jetzt definiere ich Kinder als Trägerinnen und Träger von Rechten – auf einen Kindergartenplatz, der ganzjährig sein sollte, der kostenlos sein sollte, der flexible Öffnungszeiten haben sollte, die sich am Bedarf der Eltern orientieren, mit einem bundeseinheitlichen Qua­litäts­rahmen.

Und was du, liebe Angela Stöckl, gesagt hast, kann ich nur unterstreichen. Du hast gesagt, ein Ministerium allein für Familie und Jugend ist etwas Positives, und doch war ich während meiner Präsidentschaft gemeinsam mit dir und gemeinsam mit der Bundesrätin Daniela auch bei (in Richtung Bundesministerin Karmasin) Ihnen, um unser wirkliches Anliegen, nämlich einen eigenen Kinderausschuss, vorzubringen. – Ja, der Antrag ist bereit, der Antrag ist fertig. Es geht nur noch um die Zustimmung, um Unterschriften. Wo ein Wille, da auch ein Weg; wo kein Wille, da Ausreden.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.)

Danke. Hvala lepa. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten der Grünen.)

11.26

11.26.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.26.532. Punkt

Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfas­sungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920, in der Fassung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925, und das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landes­regie­rungen außer Wien geändert werden (215/A-BR/2015 sowie 9470/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte um den Bericht.

 


11.27.27

Berichterstatter Dr. Magnus Brunner, LL.M: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Antrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Inge Posch-Gruska, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Übergangsgesetz vom 1. Oktober 1920 in der Fassung des BGBl. Nr. 368 vom Jahre 1925 und das Bundesverfassungsgesetz betreffend Grundsätze für die Ein­richtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 60

Als Ergebnis seiner Beratung stellt der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus somit den Antrag, der Bundesrat wolle gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG dem Nationalrat den angeschlossenen Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreiten.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


11.28.04

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzesantrag des Bundesrates beinhaltet ja durchaus einige Sachen, denen wir ohne Weiteres zustimmen könnten und auch würden. Wie im Ausschuss aber schon ausgeführt, ist für uns die Einteilung der politi­schen Sprengel, wo plötzlich die Bundesregierung gar nichts mehr mitzureden hat, eine unüberwindliche Hürde.

Ich weiß, dass im Ausschuss auch gesagt wurde, dass das nicht so oft der Fall gewe­sen ist, und deswegen könnte man jetzt sagen, na ja, gut, wenn es ohnehin nicht oft vorkommt, dann könnten wir dem ja durchaus zustimmen, aber man muss eben immer aufpassen, denn irgendwann ist es das erste Mal.

Wir sehen es so, dass bei der Einteilung der politischen Sprengel die Bundesregierung jetzt nichts mehr mitzureden hat – das ist eine Verordnung der Landesregierung –, aber wenn etwas ist, ist ja trotzdem der zuständige Minister letztverantwortlich. Dafür hat man sich dann offensichtlich im Gegenzug ausgemacht, dass bei der politischen Einteilung der Bezirksgerichte das Land nichts mehr mitzureden haben wird und das der Bund alleine entscheidet. Deshalb sage ich Ihnen eines: Bei aller Liebe zum und bei aller Sympathie für den Föderalismus ist das für uns etwas, wo wir nicht drüber­können. – Das ist der Grund, warum wir heute diesem Antrag leider nicht zustimmen können.

Wir haben ja immer schon gesagt – wir haben auch diesbezügliche Anträge gestellt –, dass es für uns wesentlich zielführender wäre, bei den Bezirkshauptmannschaften anzu­fangen, diese einmal zusammenzulegen oder auch aufzulösen dort, wo man sie gar nicht mehr braucht – was ja übrigens die neue Koalition in Oberösterreich, be­stehend aus ÖVP und Freiheitlichen, gerade im Begriff ist, in Angriff zu nehmen. (Bundesrat Gödl: ... Steiermark!)

Ich halte es wirklich für eine wichtige und richtige Sache, da einmal anzusetzen, aber nicht zu sagen, wir verteilen jetzt die politischen Sprengel, wie wir es für richtig halten – was ja durchaus auch eine Machtkomponente sein kann, wenn man das nützen möchte –, und der Bund redet da gar nicht mehr mit, wir machen das alleine.

Diesbezüglich muss ich Ihnen sagen, das halten wir im Sinne von mittelbarer und unmittelbarer Verwaltung nicht für zielführend, nicht für geeignet, und daher werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.30


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Kneifel zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.30.44

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Sie sehen, es ist kein Vertreter der Bun­desregierung hier – und das zu Recht. Das ist nicht zu kritisieren, weil es sich bei


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 61

diesem Gesetzesantrag um eine Initiative der Bundesrätinnen und Bundesräte handelt, der Mitglieder dieses Hauses, und nicht um eine Regierungsvorlage.

Daher empfinden wir das gar nicht als Problem, sondern es entspricht eher der Nor­malität, dass auch Gesetzesvorlagen der Mitglieder dieses Hauses dem Nationalrat unterbreitet werden können. Wir kennen uns ja in der Verfassung einigermaßen aus, meistens ist es umgekehrt: Meistens schicken uns Nationalratsabgeordnete Beschlüs­se, die wir dann entsprechend bewerten und meistens goutieren, manchmal auch entsprechend kommentieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Mühlwerth, ich habe wirklich ganz genau zugehört, was Sie jetzt gesagt haben, aber ich weiß immer noch nicht, warum Sie über diese Hürde nicht drüberkönnen. Ich sehe nämlich keine Hürde, ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass es Ausfluss und Konsequenz eines gelebten Föderalismus ist, dass die kleinere Einheit sagt: Wohin fährt der Bürger zum nächsten Amt? Welchen Sprengel teilen wir so ein, dass er eine Behörde möglichst bequem und angenehm erreichen kann? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Das kann doch die kleinere Einheit, die Gemeinden und die Länder viel eher machen als ein Ministerium in Wien – und da nehme ich überhaupt keines aus, das geht quer durch. Ich glaube, dass das sehr sinnvoll ist!

Ich darf Ihnen eines wirklich mitteilen: Ich glaube, dass diese Rechte, diese gegen­seitigen Zustimmungsrechte tatsächlich aus der verfassungsmäßigen Steinzeit stam­men, nämlich aus der Zeit, als einer dem anderen misstraut hat und gesagt hat: Ich weiß nicht, wird der das ordentlich machen? – Wir kennen all die Probleme, die es gegeben hat, wie den Zusammenbruch der Monarchie, damals, 1920, das Verfas­sungs-Überleitungsgesetz et cetera. – Wie wird das laufen? Wie wird denn das gehen? Funktioniert das überhaupt? Da müssen wir überall drüberschauen und eventuell Korrekturen machen, wenn die das nicht ordentlich machen.

Ich denke, in der Zwischenzeit haben wir eine gewisse Probezeit hinter uns und wir haben Erfahrungen gesammelt. Wir haben auch die Meinung entsprechender Experten eingeholt, zuletzt beim Österreich-Konvent im Jahr 2005, den Herr Präsident Fiedler dankenswerterweise geleitet hat und bei dem dieser Vorschlag bereits gekommen ist. Es hat dann am 11. Mai 2008 eine Expertenkommission gegeben, die ebenfalls diesen Vorschlag geäußert hat – im vollkommenen Einvernehmen mit der damaligen Bundes­regie­rung –, und es gibt den ganz aktuellen Abschlussbericht der Aufgabenreform- und Deregulierungskommission, die die Bundesregierung eingesetzt hat – mit keinem Geringeren als dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Thienel und dem anerkannten Verfassungsjuristen Dr. Jabloner.

Sie alle haben uns gesagt: Das ist sinnvoll! Hört doch auf mit diesen Zustimmungs­rechten, wo einer den anderen blockieren kann, so quasi: Wenn du meine Gerichts­bezirkssprengel nicht richtig goutierst, dann genehmige ich dir deinen Landesamts­direktor nicht, und so weiter. Das ist doch wirklich ein Nonsens, und über diese Zeiten sollen wir endlich hinwegkommen. Jeder soll für seine Aufgaben klare Kompetenzen, die klare Verantwortung haben und auch entsprechend zur Rechenschaft gezogen wer­den können. – Wir sollten das wirklich entflechten, das ist der Sinn dieser Initiative!

Ich gebe zu, dieses Gesetz ist nicht die große Sensation, darüber sind wir uns im Ausschuss einig gewesen, aber es ist ein kleiner Schritt. Dieser Vorschlag ist Punkt 21 der Aufgabenreform- und Deregulierungskommission. Es sind da (ein Exemplar des Abschlussberichtes in die Höhe haltend) 200 drinnen, wir setzen jetzt einen um. Ich würde mir wünschen, dass das Schule macht und dass wir ähnliche Anträge auch für andere Themen stellen, die sowohl die Länder als auch den Bund berühren, denn wenn es um Länderkompetenzen geht, steht uns ohnedies ein Zustimmungsrecht zu.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 62

Daher sollten wir, so glaube ich, nicht erlahmen, den einen oder anderen Antrag im Sinne einer Deregulierung, für die es wirklich höchste Zeit ist, entsprechend umzu­setzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, meine sehr geschätzten Damen und Herren, wenn Länder und Bund auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandeln, dann kommt etwas dabei heraus. Das ist ein Beispiel dafür.

Wir haben es ja auch schon vorher gemerkt: Wir haben in der letzten Fragestunde mit Herrn Minister Ostermayer sehr konstruktiv diskutiert, wie es denn mit den Landes­verwaltungsgerichten läuft. – Das ist ein tolles Ergebnis, das wir hier zustande gebracht haben. Wir haben die Polizeireform im Einvernehmen gemacht, wir haben auch die Gesundheitsreform auf gleicher Augenhöhe miteinander ausverhandelt, also es kommt etwas heraus, wenn Bund und Länder das ordentlich aufbereiten. – Ich sage Ihnen, dieser Weg ist der richtige!

Es steht jetzt die Behandlung des Informationsfreiheitsgesetzes – Klammer auf: Amts­verschwiegenheit, Klammer geschlossen – bevor. Auch ich bin ein überzeugter Föde­ralist, aber ich halte es nicht für sinnvoll, dass jedes Bundesland ein eigenes Gesetz zur Wahrung der Informationsfreiheit macht! Da werden auch wir einen entsprechen­den Schritt zurück gehen und sagen: Ein Informationsfreiheitsgesetz für ganz Österreich, das ist auch im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte allen danken, die viel Energie, Geduld und Hirnschmalz in diese Produkte (den Bericht der Aufgabenreform- und Deregulierungskommission in die Höhe haltend) gesteckt haben. Ich empfehle wirklich jedem Abgeordneten, das zu lesen, genauso wie die Ergebnisse des Österreich-Kon­vents – der liegt ja schon zehn Jahre zurück; 2005 ist da der erste Bericht heraus­gegeben worden. Da sind ganz tolle Vorschläge drinnen, und das ist noch nicht Makulatur, das ist nicht Altpapier!

Deshalb ein herzliches Dankeschön an alle, die sich hier engagiert haben, auch allen Mitgliedern des Verfassungsausschusses, wo wir eine sehr konstruktive Diskussion in diesem Sinne gehabt haben. Ich möchte mich auch bei allen bedanken, die diesen Ge­setzesantrag des Bundesrates unterstützen, und ich wünsche mir, dass es nicht mehr so lange dauert, bis wir den nächsten Gesetzesantrag des Bundesrates in diesem Hause haben, sondern dass wir auf diesem Weg erfolgreich weiterschreiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder.)

11.38


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Todt zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.39.04

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gottfried Kneifel hat ja schon sehr engagiert zu diesem Entwurf und zu dieser Vorlage gesprochen und er hat sich auch sehr engagiert damit auseinan­dergesetzt, wie die Entwicklung der österreichischen Bundesverfassung zustande gekommen ist, wie es weitergegangen ist und vieles andere mehr.

Als Fraktionsvorsitzender der sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte bin ich stolz darauf, dass der Bundesrat heute den vorliegenden Gesetzesantrag be­schließen und in der Folge dem Nationalrat vorlegen wird. Mit diesem Gesetzesantrag wird der österreichische Bundesstaat in einem modernen Sinn weiterentwickelt. Das ist eigentlich das Wesentliche dabei: dass wir auch angetreten sind, diesen Staat weiter­zuentwickeln.


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Gottfried Kneifel hat auf den Österreich-Konvent hingewiesen, auf die Aufgabenreform- und Deregulierungskommission, wo es viele Vorschläge gibt. Wenn wir diese Vor­schläge Zug um Zug aufgreifen und verwirklichen, dann kommen wir dem Ziel näher, dass Bund und Länder im kooperativen Miteinander wirken können.

Vor wenigen Jahren hat der Bundesrat den ersten Teil dieses Pakets initiiert, nunmehr ist es in umfangreichen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gelungen – Gott­fried Kneifel hat darauf hingewiesen –, den zweiten Teil zu finalisieren. Damit agieren Bund und Länder auf der gleichen Augenhöhe und ohne gegenseitiges Misstrauen.

Lassen Sie mich ganz kurz auf die Beratungen in der Ausschusssitzung am Dienstag eingehen. Die geschätzte Kollegin Monika Mühlwerth hat dabei ihre Bedenken formuliert – sie hat diese auch heute wieder geäußert – und Folgendes gesagt: Bei mir haben sofort die Alarmglocken geläutet, oder zu läuten begonnen, als ich gesehen habe, dass der Bund bei gewissen Angelegenheiten der Länder und die Länder bei gewissen Angelegenheiten des Bundes nicht mehr mitreden können.

Aber genau so soll es auch sein – genau so soll es auch sein! –, und, liebe Monika, die Zeiten des gegenseitigen Misstrauens zwischen Bund und Ländern sind vorbei. (Bundesrätin Mühlwerth: So hätte ich das auch gar nicht gesehen, als Ausdruck des Misstrauens!) – So war das eben konstruiert, und daher beseitigen wir das jetzt auch richtigerweise, denn es geht darum, auf Augenhöhe zu verhandeln.

Die Regierungsfraktionen bekennen sich dazu, das Misstrauen zu überwinden, und dazu, dass Bund und Länder gemeinsam, aber auch jeder für sich dafür Sorge zu tragen haben, dass die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher bestmöglich wahrgenommen werden. Dazu gehört auch, dass verschiedene Formen von Koope­rationen gewählt werden sollen, von der Gemeinde beginnend, um gemeinsame Auf­gaben besser und billiger erfüllen zu können. Die Nähe zur Bürgerin und zum Bürger soll der Grundpfeiler dieser modernen Politik sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle einen Bogen spannen: Bürgernahes politisches Handeln bedeutet auch transparentes politisches Handeln. Warum erwähne ich diesen Umstand an dieser Stelle? – Im Vorfeld der Beratungen dieser Gesetzesinitiative ist es zu weiteren Beratungen zum Thema Informationsfreiheit gekommen. Ich bin meinem Kollegen Marco Schreuder auch sehr dankbar dafür, dass er diese Frage im Ausschuss entsprechend angesprochen hat, sodass genau dieses Gesetz dazu beiträgt, den Anstoß dazu zu geben, dass diese Informationsfreiheit umgesetzt wird.

Der Informationsfreiheit soll nicht nur der Bund, sondern auch die Länder, Gemeinden und – der Vollständigkeit halber erwähnt – auch die öffentlichen Unternehmungen unterliegen. Die alte österreichische Antwort wäre gewesen, dafür ein Bundesgesetz und neun Landesgesetze zu entwickeln – Gottfried Kneifel hat darauf hingewiesen –, eben das Gegenteil von Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit.

Wir sind bei den Verhandlungen mit den Ländern zu einem Konsens gekommen, nämlich dahin gehend, dass es nur ein einziges Gesetz geben soll, welches für alle Informationen, gleichgültig ob bei einer Gemeinde oder im Bundeskanzleramt, bei den ÖBB oder beim Land Vorarlberg, gelten soll. Das ist der moderne Weg, wie die österreichische Politik gestaltet werden soll.

Ab Inkrafttreten der Informationsfreiheit ist die antiquierte Amtsverschwiegenheit über­wunden, alle öffentlichen Einrichtungen müssen die für die Bürgerinnen und Bürger interessanten Informationen veröffentlichen. Sollte diese Veröffentlichung einer Bürge­rin oder einem Bürger nicht genügen, kann er oder sie in Zukunft an diese öffentlichen Einrichtungen herantreten und ein Informationsbegehren stellen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 64

Ich betone noch einmal: Es gelten die gleichen Regeln für Informationen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der öffentlichen Unternehmungen.

Ich glaube, und ich bin überzeugt davon, dass es eine grundlegende Aufgabe des öster­reichischen Bundesrates ist, alles daranzusetzen, den österreichischen Bundes­staat modern, bürgernah und transparent zu gestalten. Zur Information: Der Nationalrat hat vereinbart, im Verfassungsausschuss diese Vorlage gemeinsam mit der Vorlage zur Informationsfreiheit zu behandeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir gehen heute einen großen Schritt in Richtung Modernisierung und Entbürokratisierung, Stärkung der Bürgernähe und der Transparenz. Ich ersuche Sie daher – und vielleicht können auch Sie sich überwinden, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion –, diese Initiative des Bundesrates möglichst breit zu unterstützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.46


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Herr Bundesrat Schreuder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


11.46.14

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Wir feiern jetzt natürlich ein bisschen, dass im Bundesrat ein Gesetz entsteht, in diesem Fall sogar ein Verfassungsgesetz. Das ist etwas ganz Besonderes.

Eigentlich sollten wir darauf hinarbeiten, dass das etwas Selbstverständliches ist, dass der Bundesrat als legislative Kammer Gesetze entwickelt – so soll es ja eigentlich sein. Wir sollten weniger Durchwinkorgan von Regierungsvorlagen, sondern eben Legis­lative sein. Vielleicht ist das ein Anlass, dass wir das in Zukunft verstärkt tun. Ich bedanke mich deswegen auch für die Initiative.

Als ich vor vier Jahren neu in dieser Kammer war, dachte ich, das würde eigentlich unsere Hauptaufgabe sein, dass wir Gesetze entwickeln. Dann bin ich aber drauf­gekommen, so ist es gar nicht – wir stimmen anderen Gesetzen, die zu uns kommen, zu oder nicht. Das ist eine unbefriedigende Situation, wir alle wissen das.

Herr Kollege Kneifel hat ja immer wieder gesagt, auch in seiner Antrittsrede (Bundesrat Kneifel: Du hast ein gutes Gedächtnis!) – ich weiß nicht mehr genau, in welchem Zusammenhang du das gesagt hast –, wenn andere stets den Bundesrat reformieren wollen, wäre es ganz interessant und gut, dass sich der Bundesrat einmal selbst reformiert.

Das sehe ich schon als einen Schritt in die Richtung, dass wir uns selbst an der eigenen Nase nehmen und sagen: Wir sind eine legislative Kammer, tun wir etwas! – Das halte ich wirklich für wichtig.

Wir aufseiten unserer Fraktion stimmen der heutigen Vorlage zur Änderung der Verfas­sung zu. Wir stimmen nicht in dem Sinn zu, dass wir mit dieser Vorlage auf Punkt und Beistrich einverstanden wären, aber wir stimmen zu, weil es eine sehr, sehr gute Vorlage ist, und weil wir, die Bundesratsfraktion der Grünen, wollen, dass das so in den Nationalrat geht.

Wir wollen, dass das im Verfassungsausschuss verhandelt wird, und zwar gemeinsam mit dem aus unserer Sicht unbedingt notwendigen Informationsfreiheitsgesetz. Dieses muss – so sehen wir das ebenfalls – für Bundesebene und für die neun Bundesländer in gleicher Art und Weise durchgesetzt werden, denn aus unserer Sicht hat jede Bürgerin und jeder Bürger, egal in welchem Bundesland, das gleiche Recht auf Information. Dazu sind neun unterschiedliche Zugänge nicht g’scheit, sage ich einmal.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 65

Im Sinne einer Modernisierung, wie es auch mein Kollege Todt gesagt hat, im Sinne einer Transparenz, die vor allem beim Informationsfreiheitsgesetz gewährleistet sein sollte: Vielleicht sind wir jetzt mit diesem Gesetz die Ersten, die auch dafür sorgen, dass der Nationalrat endlich die Amtsverschwiegenheit abschafft. Es wird ja auch Zeit. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.49

11.49.01

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem gegenständlichen Antrag, der Bundesrat wolle gemäß Art. 41 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz dem Nationalrat den angeschlossenen Gesetzesvorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreiten, ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmen­mehr­heit. Der gegenständliche Antrag 215/A-BR/2015 ist somit angenommen.

11.49.20 3. Punkt

38. Bericht der Volksanwaltschaft (1. Jänner bis 31. Dezember 2014) (III-553-BR/2015 d.B. sowie 9469/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Weber. – Bitte.

 


11.50.07

Berichterstatter Martin Weber: Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich berichte aus dem Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen des Bundesrates. Der uns vorliegende 38. Bericht der Volksanwaltschaft gibt über die Tätig­keit der Volksanwaltschaft in der Zeit von 1. Jänner bis 31. Dezember 2014 Auf­schluss und wird erstmals in zwei getrennten Bänden vorgelegt.

Der Ausschuss stellt daher den Antrag, diesen uns vorliegenden 38. Bericht der Volks­anwaltschaft zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.

11.50

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke recht herzlich für den Bericht. Ich habe gehört, dass die Volksanwälte schon da sind; wir warten noch, bis sie hereinkommen, bevor wir mit der Debatte beginnen. (Die Volksanwälte betreten den Sitzungssaal und nehmen auf der Regierungsbank Platz.)

Wir begrüßen die Volksanwälte recht herzlich bei uns im Bundesrat!

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann. – Bitte.

 


11.51.26

Bundesrätin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Volksanwältin und Herren Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war mir wichtig, auch heuer zu diesem Bericht eine Rede zu halten, weil mir der Bericht der Volksanwaltschaft immer ein sehr besonderes Anliegen ist.

Zum ersten Mal ist dieser Bericht in zwei Teile geteilt: Im ersten Teil geht es um die Kon­trolle der öffentlichen Verwaltung und im zweiten um die präventive Menschen­rechtskontrolle. All jene hier, die sich mit diesem Bericht genauer auseinandergesetzt haben, haben sicher festgestellt, wie umfangreich dieser ist: der erste Band mit 200 Seiten, der zweite mit knapp 160 Seiten – ein umfangreiches Werk, das für mich


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 66

ganz klar das breite Aufgabengebiet und das Spektrum der Volksanwaltschaft wider­spiegelt.

Im Jahre 2014 verzeichnete die Volksanwaltschaft den höchsten Stand der Anfragen oder Beschwerden. Es waren 19 648 Personen, die sich mit ihrem Anliegen an die Volksanwaltschaft gewendet haben. Das unterstreicht einmal mehr die Wichtigkeit der Volksanwaltschaft, aber auch, welches Vertrauen die Menschen in diese Einrichtung haben.

Aufgrund der knappen Zeit ist es leider nur möglich, punktuell auf Themen einzugehen, denn es würde sonst den Zeitrahmen sprengen, aber es gibt einen Teil, der mir immer besonders wichtig ist und den ich auch immer als Erstes lese – ich glaube, es geht all jenen, die auch in ähnlichen Bereichen beruflich tätig waren oder sind, ebenso –, nämlich jenen, wo es um die Kontrollen der Einrichtungen geht, seien es Altenpflege­einrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Jugendwohlfahrtsein­richtungen oder Justizanstalten.

Wenn ich den Bericht über die Kontrollen lese, tue ich das oft mit sehr gemischten Gefühlen. Meistens, wenn ich anfange, habe ich das Gefühl, dass ich sofort viele Einrichtungen verteidigen und klarstellen muss, dass es ja ganz viele in Österreich gibt, die hervorragende Arbeit leisten und ihr ganzes Engagement in ihren Bereich legen, aber es ist auch klar – und dafür ist die Volksanwaltschaft auch da –, dass es noch Einrichtungen gibt, in denen Missstände aufgezeigt werden.

Diese gibt es leider, und es ist für mich dann oft schwierig, diese Punkte auch durch­zulesen, weil es für mich schwer ist, mir diese Bilder dann immer wieder vorzustellen, so etwa, dass es kleine private Heime gibt, in denen ältere Menschen bereits um 16 Uhr im Bett liegen müssen, keine Aktivitäten haben, mehr oder weniger nicht mehr vor die Türe kommen.

Es fällt mir ganz schwer, mir vorzustellen, dass einer älteren Frau die Hände einfach eingebunden werden, da sie ständigen Juckreiz hat, damit sie sich beim permanenten Kratzen nicht selbst verletzt. Ich will mir eigentlich nicht vorstellen, wie es aussieht, wenn es nach wie vor Einrichtungen gibt, in denen der Gebrauch von Medikamenten leider nicht so gestaltet ist, wie er wichtig wäre, und die Medikamente zu einem Teil als Mittel zur Sedierung hergenommen werden, um einzelne Personen ruhig zu stellen.

Ich stelle mir auch nicht gerne vor, dass es auch noch Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen gibt, in denen hohe Gitterbetten Verwendung finden; Gitterbetten, die ich zu meiner Zeit in der Krankenpflegeschule gesehen und immer geglaubt habe, das sei ein Relikt längst vergangener Tage. Da ist es doch erschütternd, in einem Bericht von 2014 zu lesen, dass genau jene auch noch in Gebrauch waren.

Gott sei Dank ist aber dann auch immer wieder nachzulesen, dass diese Probleme und Missstände auf Initiative der Volksanwaltschaft wirklich gelöst worden sind, dass solche kleinen Heime, die nicht ordnungsgemäß geführt worden sind, in der Zwischen­zeit geschlossen wurden, dass man einer Frau Medikamente gegen den Juckreiz gibt und nicht die Hände verbinden muss, dass Gitterbetten aus solchen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen wirklich verschwunden sind.

Das ist für mich der Beweis: Es braucht diese Kontrolle. Es ist auch wichtig, diese Missstände aufzuzeigen und ständig daran zu arbeiten, sie wirklich zu beheben.

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, weil er mir unglaublich wichtig ist und ich ihn auch aus meiner beruflichen Tätigkeit sehr gut kenne. Er findet sich im ersten Teil des Berichts wieder, und es geht dabei um die Kritik an Sachwalterschaften. Sach-walterschaften beschäftigen ja wirklich viele, die auch gerade mit älteren Menschen,


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 67

die nicht mehr geschäftsfähig sind, zu tun haben. Der Bericht zeigt auf, dass es auch da noch große Fehler im System gibt.

Im Jahre 2014 gab es 233 Beschwerden, die diesbezüglich eingebracht wurden. Es gibt die unterschiedlichsten Ausprägungen: dass Sachwalter ihren Mandanten kaum ein Taschengeld ausgezahlt haben, dass sie begonnen haben, Liegenschaften zu veräußern, dass sie ihnen bestehende Krankenversicherungen gekündigt haben. Das sind Dinge, die in Zukunft einfach nicht stattfinden dürfen.

Die Sachwalterschaft ist ein schwieriges Thema, und natürlich ist es immer wünschenswert, dass es eine funktionierende Familie gibt, in der auch ein Kind oder Verwandter bereit ist, die Sachwalterschaft zu übernehmen. Es gibt auch die Vereins­sachwalter, die wirklich sehr gut arbeiten, und es wird ja auch im Bericht der Volks-anwaltschaft erwähnt, dass es da kaum Beschwerden gibt.

Ich glaube jedoch, es ist ganz schwierig, wenn einfach Sachwalter eingestellt werden, die zu der zu betreuenden Person überhaupt kein Naheverhältnis haben und anschei-nend, wie es in manchen Fällen ausgeführt wurde, kein Interesse haben, dass genau jene, für die sie die Verantwortung haben, bestmöglich versorgt und betreut werden. Ich bin daher froh, dass das Bundesministerium für Justiz derzeit an einer Reform des Sachwalterschaftsrechts arbeitet, und bin auch dankbar, dass auch da die Volksan-waltschaft miteingebunden ist, die mit diesem Thema viel zu tun hat.

Betonen möchte ich dabei eine Sache – im Zuge der Sachwalterschaftsdiskussion taucht gerade dieser Punkt immer wieder auf –: wie wichtig für jene Menschen eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung ist. Das ist das Mittel, das wir alle haben, mit dem wir zu diesem Zeitpunkt noch festlegen können: Wer ist der Mensch, dem ich vertraue? Wer soll meine Geschäfte erledigen, wer soll für mich eintreten, wenn es mir nicht gut geht?

Es hat die Enquete-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ gegeben, bei der ich dabei sein durfte. Auch Frau Volksanwältin Gertrude Brinek war mit dabei, als es um dieses Thema gegangen ist. Ich bin sehr froh, dass eine der Maßnahmen dieser Enquete-Kommission schon umgesetzt worden ist, nämlich dass es seit heuer in Zusammenarbeit mit der österreichischen Anwaltskammer und Notariatskammer eine massive Informationskampagne zum Thema Vorsorgevollmacht und Patientenver-fügung gibt. Schon das erste Halbjahr hat gezeigt, wie wichtig diese ist, sodass diese Informationskampagne in Verlängerung gegangen ist.

Wenn wir schon beim Thema Enquete-Kommission sind, darf ich noch einen Punkt erwähnen, der leider im Bundesrat nicht auf der Tagesordnung steht. Dieses Thema ist im Zusammenhang mit dem Bericht der Volksanwaltschaft im Nationalrat diskutiert worden und auch ein Antrag wurde eingebracht, nämlich ein Antrag, in dem es um den massiven Ausbau von Kinder- und Jugendhospizen geht – ein unglaublich wichtiges Thema, das auch der Volksanwaltschaft schon seit Jahren ein großes Anliegen ist. Daher ist es mir auch wichtig, hier im Bundesrat zu erwähnen, dass ich mich wirklich sehr freue, dass dieser Schritt auch als Zeichen der Enquete-Kommission gesetzt wurde.

Das war nur ein kurzer Überblick über ein paar Themen aus diesem sehr, sehr umfangreichen Bericht.

Ich möchte mich auch im Namen unserer Fraktion bei der Frau Volksanwältin, bei den Herren Volksanwälten und ihrem gesamten Team für die wertvolle und wichtige Arbeit bedanken. Wir brauchen Sie, die Menschen in Österreich brauchen Sie, und ich hoffe, dass Sie genau diesen Weg so weitergehen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.00



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 68

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nächster Redner: Herr Bundesrat Pfister. – Bitte.

 


12.00.16

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werte Frau Präsidentin! Werte Frau Volksanwältin! Liebe Volksanwälte! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Kollegin Sonja Ledl-Rossmann hat schon gesagt, dass das Beschwerdeaufkommen gegenüber dem Vorjahr wieder um 2,1 Prozent gestiegen ist. Die Volksanwaltschaft kontrolliert seit über 38 Jahren gemäß dem Auftrag der Bundesverfassung die öffentliche Ver­waltung in Österreich.

Im Unterschied zu den vergangenen Jahren ist es sehr, sehr bemerkenswert, dass der Sozialbereich nicht an erster Stelle stand, sondern der Bereich innere Sicherheit das Ranking anführt. Dabei ist aber nicht zu vernachlässigen, wie meine Kollegin das auch schon ausgeführt hat, dass auch im Sozialbereich die Beschwerden auf rund 39 Prozent angestiegen sind. Dabei geht es vor allem um Mängel im Bereich des Arbeitsmarktservice, der Pflegegeldeinstufung sowie um Probleme rund um das Pensionsversicherungsrecht.

Im Jahr 2014 waren rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Volksanwaltschaft tätig, und – ganz beachtlich – durchschnittlich 84 Eingaben pro Arbeitstag sind an die Volksanwaltschaft ergangen. Bei rund 4 000 Fällen war die Volksanwaltschaft nicht zuständig, hat aber in diesen Fällen informiert und Auskunft über weitere Beratungs­angebote gegeben. Kurz gesagt: Eine tolle Servicestelle für die Bürgerinnen und Bür-ger!

Wie gesagt, ist im Bereich der Justizverwaltung die Zahl der Beschwerden stark ange-stiegen. Hauptgrund dafür ist die Zunahme an Individualbeschwerden, vor allem auch im Strafvollzug. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass für die Volksanwaltschaft die Aufgabe als nationaler Präventionsmechanismus neu dazugekommen ist. Sie ist in dem Rahmen vor allem für die Bereiche Justizverwaltung, Strafvollzug und Prüfung von gerichtlichen Verfahrensverzögerungen zuständig.

Über 3 000 Prüfverfahren im Jahre 2014 betrafen die Landes- und Gemeindever­wal­tungen. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2013 um rund 7 Prozent. Die meisten Beschwerden auf Landes- und Gemeindeebene entfallen auf die Bereiche Raumordnung und Baurecht.

Ungebrochen hoch ist auch die Zahl der Prüffälle betreffend Jugendwohlfahrt, Mindest­sicherung, Angelegenheiten von Menschen mit Behinderungen, die alle in die Landes- oder Gemeindezuständigkeit fallen.

Die erfreuliche Bilanz: 2014 konnten mehr als 8 800 Fälle, die die Volksanwaltschaft aufgegriffen hat, auch abgeschlossen werden, und die Volksanwaltschaft informiert die Betroffenen im Schnitt nach 45 Tagen über das Ergebnis ihrer Prüfung. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der Erfolg der Volksanwaltschaft lässt sich nicht nur daran messen, wie hoch ihre Akzeptanz in der Bevölkerung ist, sondern auch die bereits erwähnten Zahlen belegen eindrucksvoll, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich an die Volksanwaltschaft wen­den, wenn sie sich von der Verwaltung nicht fair behandelt fühlen.

Beschwerden können persönlich, telefonisch oder schriftlich eingebracht werden. Die­se Bilanz zeigt auch ganz eindrucksvoll: 232 Sprechtage mit 1 600 Vorsprachen wur­den durchgeführt, 9 100 Personen kontaktierten den Auskunftsdienst persönlich oder auch telefonisch.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 69

Zu erwähnen ist noch die Breitenwirkung, die die Volksanwaltschaft durch die ORF-Sendung „BürgerAnwalt“ mit über 440 000 Zuseherinnen und Zusehern pro Sendung entfaltet, die eine sehr, sehr breit öffentlichkeitswirksame Plattform bietet. In dieser Sendung kommen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, Behördenvertreter sowie die Volksanwälte zu Wort, um aus dem Leben gegriffene Problemfälle lösungs­orientiert zu diskutieren.

Ebenso erwähnenswert ist auch die internationale Aktivität, welche die Volksanwalt­schaft entfaltet. Das internationale Ombudsmanninstitut unter Generalsekretär Volks­anwalt Kräuter konnte wieder neue Mitglieder aufnehmen. Österreich ist seit 2009 auch Sitz des internationalen Ombudsmanninstituts. Mit bereits über 170 Ombudsmann­einrichtungen aus über 90 Ländern in Afrika, Asien, Australien, in der Pazifikregion, Europa, Karibik, Lateinamerika sowie Nordamerika konnte ein Netzwerk aufgebaut wer­den, das auch im letzten Jahr wieder erweitert werden konnte. Es freut uns sehr, dass ein international anerkanntes Institut von Österreich aus tätig ist, an dem wir maßgeblich beteiligt sind und dessen Einrichtung wir unterstützt haben.

Ich habe den Newsletter leider erst heute bekommen. Ich bekomme ihn leider nur sehr, sehr unregelmäßig oder leider in zu großen Abständen. Sie versenden einen hervor­ragenden Newsletter, in dem wirklich kurz und prägnant alle Informationen zusam­mengefasst werden. Ich habe ihn heute bekommen. Der Bericht ist sehr umfangreich, wenn man das alles im Detail liest, hat über 400 Seiten.

Ich würde mir wünschen, dass diese Newsletter in halbwegs regelmäßigen Abständen herauskommen, um kurz und prägnant zu informieren, denn ich glaube, dass die Österreicherinnen und Österreicher diese Information sonst nicht so einfach bekom­men. Ich freue mich wirklich über diese Möglichkeit. Um diese zu nutzen, würde ich mich angesichts der Digitalisierung und natürlich auch der schnelllebigen Welt freuen, wenn die Newsletter regelmäßiger oder in kürzeren Abständen zur Verfügung gestellt werden könnten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es würde uns allen sehr gut tun, den Bericht der Volksanwaltschaft genau zu lesen und zu studieren. Viele Punkte in diesem Bericht aus dem Jahr 2014 beziehen sich auf aktu­elle Probleme, die wir derzeit haben und mit denen wir uns auseinandersetzen müs­sen. Daher nehmen wir diesen Bericht sehr, sehr gerne zur Kenntnis. Ich darf mich auch bei den Kolleginnen und Kollegen in der Volksanwaltschaft recht, recht herzlich für diesen umfangreichen Bericht bedanken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.06


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Herbert. – Bitte.

 


12.06.24

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Frau Volksanwältin! Meine Herren Volksanwälte! Herr Vorsitzender! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf Ihnen zuerst den Dank und die Anerkennung meiner Fraktion zu diesem hervorragenden Bericht oder den beiden Bänden des Berichtes übermitteln. Es ist einmal mehr eine eindrucksvolle Aufarbeitung jener umfangreichen Tätigkeit, die die Volksanwaltschaft im Rahmen ihrer Aufgabenstellung und zum Wohle der österreichi­schen Bevölkerung leistet. Das zeigt nicht nur den Bedarf, sondern auch die Notwen­digkeit dieser Volksanwaltschaft aufgrund der Vielzahl der Fälle. Man muss besonders festhalten, dass es trotz der gegenüber dem Vorjahr verringerten finanziellen Mög­lichkeiten zu einer weiteren Steigerung der Anbringen an die Volksanwaltschaft gekom­men ist, nämlich um 1,2 Prozent.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 70

Das zeigt schon den Trend, dass sich die Bürger aktiv mit dem Staat, der Verwaltung, mit den Vorkommnissen, wenn sie mit Behörden in Kontakt treten oder mit ihnen zu tun haben, auseinandersetzen. Man hat also vor Jahren zu Recht eine Ombudsstelle ge-schaffen, die sich mit den Wünschen, mit den Beschwerden, mit den Problemen der Bürger im Umgang mit den Behörden aktiv auseinandersetzt und Hilfestellung leistet.

Da Kollege Pfister einen sehr umfangreichen Überblick fast über den gesamten Bericht geliefert hat, darf ich nicht mehr näher darauf eingehen, denn ich würde das sonst nur wiederholen. Ich darf aber zwei Fälle herausgreifen, die mich besonders betreffen, weil sie mein berufliches oder mein fraktionelles Umfeld betreffen. Diese möchte ich hier noch explizit ansprechen.

Der eine ist der seinerzeit medial stark beachtete Skandal rund um die Unterbringung eines verwahrlosten Häftlings in Stein. Wir haben das auch im Ausschuss behandelt. Da wurde einmal mehr festgestellt, dass es sich um ein Systemversagen, um einen Strukturmangel gehandelt hat, dass es zu diesem Umstand gekommen ist. Ich möchte aber an dieser Stelle einmal mehr festhalten, wie die Vorgangsweise des zuständigen Justizministeriums gegenüber dem betroffenen Bediensteten war. Demjenigen Bediensteten, der schlussendlich den Stein ins Rollen gebracht hat, der schlussendlich mit seiner Berichtlegung an die Strafvollzugsdirektion endlich das Tätigwerden der Justizbehörden ermöglicht hat, hat man sicherheitshalber gleich einmal gesagt, dass er der Schuldige ist, und hat ihn suspendiert.

Ich möchte nicht unterstellen, dass es da irgendeinen Zusammenhang gibt damit, dass das zufällig ein freiheitlicher Personalvertreter war, aber ich wollte das nur erwähnt haben.

Schlussendlich ist man draufgekommen, dass es weder ein gesetzlich, strafrechtlich zu verfolgendes Versagen des betreffenden Kollegen gegeben hat noch ein disziplinäres. Im Gegenteil! Man hat überhaupt kein Verfahren eröffnet. Man hat zwar eines in Aussicht gestellt, einen Vorhabensbericht in Aussicht genommen, aber schlussendlich wurde keinerlei Verfahren eingeleitet.

Das zeigt einmal mehr – und daher schätze ich auch die Erwähnung in diesem Bericht so sehr, da es auch von unabhängiger Stelle festgestellt wurde –, dass es ein Systemmangel war, der zu diesem Vorfall geführt hat, und dass es nicht an den betrof­fenen Justizwachebeamten und schon gar nicht an dem, den man damals medial zur Schau gestellt hat, im Besonderen gelegen ist, dass es zu diesem bedauerlichen Vorfall gekommen ist. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass man im Bereich der Justiz mit vermehrten ärztlichen Unterstützungsmaßnahmen wie auch mit erhöhten personellen Ressourcenzuteilungen verhindert, dass es zu weiteren solchen Vorfällen kommt. Auch das wurde im Bericht eindrucksvoll dargelegt: Es war in erster Linie ein Mangel an personellen Ressourcen, aber auch der organisatorischen Abläufe, der in diesem Fall zum Tragen gekommen ist, und das sollte in einem Rechtsstaat wie Österreich jedenfalls keinen Platz haben.

Die zweite Geschichte, die ich explizit ansprechen möchte und die mir auch sehr am Herzen liegt, weil es meinen unmittelbaren Berufsbereich betrifft, ist die Feststellung, dass es bei vielen Polizeiinspektionen sehr große Mängel gibt. Wir wissen oder ich weiß es aus meiner alltäglichen dienstlichen Arbeit, dass von den knapp 1 000 Polizei­dienststellen, die wir in Österreich haben, immer dann, wenn es darum geht, die Polizei und die Dienststellen der Polizei ins mediale Rampenlicht zu rücken, die üblichen 15 bis 20 neuen Bauten oder neuen Dienststellen hergezeigt werden und der Rest teilweise schwerste bauliche, schwerste soziale, schwerste hygienische Mängel auf­weist. Seitens des zuständigen Innenministeriums ist man seit Jahren säumig, und das


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immer mit dem Hinweis, es gäbe zu wenig finanzielle Ressourcen, es gäbe zu wenig Personal, um die Bedingungen entsprechend zu verbessern.

Da darf ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Volksanwaltschaft, ganz beson­ders danken, dass auch das im Bericht seinen Niederschlag gefunden hat, weil es end­lich einmal aufgezeigt gehört, wie unsere Polizistinnen und Polizisten ihren dienstlichen Alltag – abgesehen von Außeneinsätzen – sehr nachteilig verbringen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Schluss möchte ich noch zwei Dinge erwähnen, die wir aus der Vergangenheit mitgenommen haben oder die in der Vergangenheit vorgefallen sind, die ich aber hier noch einmal ansprechen möchte. Es ist zum einen die schon längere Zeit zurücklie­gende, damals sehr intensiv diskutierte, aber mittlerweile wieder etwas eingeschlafene Erweiterung der Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft auf die ausgelagerten Bereiche der öffentlichen Hand. Wir haben zu Recht die Forderung unterstützt, dass man analog zu den Kompetenzen des Rechnungshofes auch der Volksanwaltschaft die Möglichkeit gibt, bei Beschwerden über Verwaltungsabläufe in diesen Bereichen tätig zu werden. Das ist mittlerweile kein großes politisches Thema mehr, aber ich möchte es dennoch nicht einschlafen lassen und an dieser Stelle noch einmal erwäh­nen. Ich denke, auch in diesem Bereich sollten wir innovativ sein und der Volksanwalt­schaft diese Möglichkeit zugestehen, und würde mich sehr freuen, wenn das eine zeitnahe Umsetzung finden könnte.

Eine andere Sache, die ich noch erwähnen möchte, die jetzt offensichtlich auch kein Thema mehr, aber umso mehr erwähnenswert ist, ist die Initiative, die Dr. Fichtenbauer chronisch kranke Kinder betreffend, die gerade im schulischen Bereich oft nicht die notwendige Betreuung erfahren, ins Leben gerufen hat. Dazu gab es ja eine Enquete oder ein Symposium im Palais Epstein, allerdings schon etliche Zeit zurückliegend, und seitdem konnte man nicht mehr allzu viel davon hören. Auch das ist eine Sache, von der ich mir wünschen würde, dass sie weiterverfolgt wird, weil es einerseits gerade Kinder sind, die unserer besonderen Unterstützung bedürfen, und zum anderen gerade chronisch kranke Kinder, die ohnedies schon einen erschwerten Zugang zu vielem im Leben haben und meines Erachtens besonderer Unterstützung bedürfen.

In diesem Sinne sage ich noch einmal recht herzlichen Dank für diesen aufschluss­reichen, umfassenden Bericht. Ich wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeitern in der Volks­anwaltschaft zukünftig alles Gute und freue mich schon auf die Behandlung des nächsten Berichts. Unabhängig davon, dass er immer eine sehr eindrucksvolle Leis­tungs­schau der Volksanwaltschaft darstellt, gibt es auch immer wieder sehr interes­sante Einzelaufschlüsse daraus, die ich nicht missen möchte und die zu Recht aufzeigen, was alles wir in diesem Land noch vor uns haben. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

12.15


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


12.15.17

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Werte Volksanwälte! Herr Präsident! Werte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuhörer oder Zuseher! Dank ist schon geäußert worden, was den Bericht betrifft. Dem kann ich mich nur anschließen. Zu sagen, es ist ein Vergnügen, diesen Bericht zu lesen, ist natürlich nicht angebracht, was den Inhalt betrifft. Was mich jedoch sehr erstaunt, ist, dass das alles angesichts dieser Steigerungsziffern, die vom Kollegen bereits sehr gut dargestellt wurden, der absoluten Steigerung der Zahl der Beschwerden, der eingeleiteten Verfahren und der Aktivitäten insgesamt, unter diesen Rahmenbedingungen, also bei gleichem Personal-


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 72

stand wirklich zu bewältigen ist. Das ist bewundernswert, und vielen Dank für diesen Einsatz und dieses Engagement. Vielleicht gibt es ja dazu auch einen Kommentar, wie man sich da die weitere Entwicklung vorstellt.

Bemerkenswert ist, dass es ein Drittel weniger Beschwerden von Frauen bei der Volksanwaltschaft gibt als von Männern. Weil das so ist, hat ja Frau Volksanwältin Brinek schon 2014 die Frauendialoge gestartet. Das halte ich für eine sehr wichtige Initiative, um eben die Frauen darin zu bestärken, bei Gewalt, Diskriminierung und jeg­licher Verletzung ihrer Rechte sich an Rechtsschutzeinrichtungen wie die Volksan­waltschaft zu wenden. Die erste Veranstaltung war, was die Beteiligung betrifft, sehr erfolgreich, geht aus dem Bericht hervor. Ich hoffe sehr, dass das weitergeführt wird, nicht nur im Sinne der Frauen, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken, sondern auch deshalb, weil es eine wichtige präventive Maßnahme in diesem Bereich ist.

Ein großer und immer wiederkehrender Bereich ist das Thema Asyl, und da insbe­sondere die Verhinderung oder Verzögerung der Einreise von Angehörigen, also des Familiennachzuges. Dazu möchten wir in Übereinstimmung mit der Volksanwaltschaft ausdrücklich festhalten, dass dadurch in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen wird und das zudem einen Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt.

Im Lichte der heutigen Aktuellen Stunde und dieses breiten Bekenntnisses zur Familie gibt es schon einen seltsamen Kontrast, wenn man sich anschaut, wie schwierig das anscheinend ist beziehungsweise wie schwer es diesen Menschen, die so schwere Schicksale haben und denen Asyl zuerkannt wird, gemacht wird, ihre Familien nach­zuholen, sodass Kinder über Jahre praktisch ohne ihre Eltern, ohne ihre Väter leben müssen. Familien sind auch für diese Menschen ein sozial stabilisierender Faktor, ein wichtiger Faktor der Eingliederung dieser Menschen in unsere Gesellschaft. In diesem Sinne gibt es da Handlungsbedarf, und wir sprechen uns auch ganz klar dagegen aus, dass in diesem Bereich an weitere Verschärfungen und Schwierigkeiten gedacht wird. (Beifall bei den Grünen.)

Bei den anderen Problemen in diesem Bereich wie Grundversorgung, Quartiere, Zu­gang zum Arbeitsmarkt hat sich die Lage mittlerweile derartig dramatisch entwickelt, dass es wie ein irgendwie seltsamer Rückblick in die Geschichte anmutet, wenn man den Bericht liest. Dieser Rückblick gibt ja nicht groß zu Optimismus bezüglich der Bewältigung der derzeitigen Situation Anlass, allerdings lässt er erkennen, welche gewaltigen Leistungen auch die Behörden in den letzten Wochen und Monaten im Umgang mit dem Flüchtlingsproblem erbracht haben.

Wenn man sieht, welche Probleme es schon 2014 – mit so viel geringeren Zahlen –gegeben hat und wie man dennoch in vielen Bereichen imstande war, zu reagieren, man sich auch vonseiten der Behörden massiv eingebracht und engagiert hat, dann, glaube ich, sollte man auch von dieser Seite Dank dafür sagen, was in den letzten Wochen und Monaten von den Behörden geleistet wurde. (Beifall bei den Grünen.)

Eine ganz persönliche Anmerkung dazu von meiner Seite: Als Mitglied des Bundes­rates schäme ich mich etwas für das Durchgriffsrecht, denn gerade wir als Länder­vertreter sollten eigentlich andere Wege finden, die Kommunikation und das Miteinan­der der Gebietskörperschaften in einer solchen Ausnahmesituation, die wir derzeit haben, zu verbessern und sicherzustellen, damit eben eine faire Lastenverteilung und so weiter ohne legistische Maßnahmen möglich ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Es war mit euch gar nicht möglich, das zu machen! Ihr wart da voll dabei!)

Ich würde mir wünschen, dass alle von uns auf ihren politischen Ebenen tätig werden, um die Kommunikation zu verbessern und sozusagen zu ermöglichen, dass ent­sprechende Quartiere geschaffen werden, dass die Lasten fair verteilt werden, ohne


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 73

dass es diesen Eingriff auf legistischer Ebene gibt. Das betrifft auch die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, wo die Unterschiede zwischen den Bundes­ländern so gravierend sind. Auch diesbezüglich, denke ich, sollte jeder von uns in sich gehen, um zu sehen, was möglich wäre, da sozusagen politisch auch zu leisten.

Der Bereich Sachwalterschaft, wo die Beschwerdezahlen dramatisch steigen, wurde von Kollegin Ledl-Rossmann schon angeschnitten. Es ist eine Tatsache, dass soziale Fehlleistungen auf dieser Ebene so gelöst werden, dass Betroffene und Angehörige von den Entscheidungsprozessen leider oft weitgehend ausgeschlossen sind. Wir hoffen wirklich, dass die Reform des Sachwalterschaftsrechtes, an der ja angeblich zügig gearbeitet wird, bald zu einem positiven Abschluss kommt.

Die entsprechenden Informationskampagnen sind, glaube ich, dringend notwendig und tragen hoffentlich auch da entsprechende Früchte, dass auch die Hürden zu diesen Patientenverfügungen möglichst niedrig sind, damit möglichst viele Menschen das auch tatsächlich wahrnehmen und ihre Angelegenheiten zeitgerecht regeln.

Der zweite Band, „Präventive Menschenrechtskontrolle“, beleuchtet das Menschen­rechtsmonitoring. Dieses Monitoring erweist sich wirklich als sehr wichtiges und groß­artiges Projekt. Es liefert wichtige Grundlagen und Denkanstöße oder, besser gesagt, auch Arbeitsaufträge an die Politik und damit auch an uns alle, insbesondere eben im Bereich der Pflege – das war der Bereich Übermedikation, auch von Hochbetagten, der schon angesprochen wurde, Dementenbetreuung. Hier kommt es eben aufgrund von Personalmangel, fehlendem Datenaustausch mit sensiblen Daten und so weiter doch zu gravierenden Problemen. Aber gerade auch in diesem Bereich ist es schön zu sehen, dass es aufgrund der Tätigkeit der Volksanwaltschaft wirklich zu ganz konkre­ten Verbesserungen kommt, zum Beispiel auch im Bereich der Unterbringung von Substanzbeeinträchtigten, von psychisch Auffälligen und selbstgefährdeten Personen, für die es inzwischen eine Mustereinrichtung wie Asten und für Jugendliche den Aus­bau von Gerasdorf gibt.

Auch in diesen Bereichen braucht es insbesondere dringend eine positive Zusammen­arbeit von Ländern und Bund, also von den verschiedenen Ebenen. Und damit ist das, denke ich, auch ein wichtiger politischer Auftrag an uns, um eben zum Beispiel Menschen möglichst früh aus dem Maßnahmenvollzug zu bekommen, um damit ihre soziale Eingliederung zu verbessern und ihnen mehr Chancen zu eröffnen.

Leider fallen viel zu viele Maßnahmen und Projekte – gerade in den Bereichen Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene – dem Sparstift und den schwierigen finan­ziellen Verhältnissen zum Opfer. Es fehlt gerade in diesen Bereichen immer wieder an Plätzen, an entsprechend ausgebildetem Personal, und das Dramatische ist, dass Kinder und Jugendliche da nicht warten können, dass in diesem Bereich natürlich jeder Monat ein verlorener Monat ist, was die Situation massiv verschlechtert.

Also es tut weh, dass gerade in diesem Bereich auch immer wieder gespart wird und so gute Projekte, die aus solchen Berichten heraus entstehen, dann dem Sparstift zum Opfer fallen.

Noch einmal vielen Dank für diesen Bericht! Ich denke, er ist Auftrag für uns alle. – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

12.25


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Hammerl. – Bitte.

 


12.25.47

Bundesrat Gregor Hammerl (ÖVP, Steiermark): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Volksanwältin! Meine Herren Volksanwälte! Geschätzte Damen und Herren! Ich


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 74

möchte zu diesem umfangreichen Bericht kurz Stellung nehmen, viele Kolleginnen und Kollegen haben hier bereits Stellung genommen und Wichtiges eingebracht.

Meine Damen und Herren, die Volksanwaltschaft legt ihren Bericht auch in allen Bun­desländern auf. Das ist sehr wichtig. Ich kann mich erinnern, als ich im Landtag war, wurden diese Berichte auch diskutiert, da ist auch durch die Tätigkeit im Landtag im Pflegebereich viel, viel weitergegangen, überhaupt bei der Kontrolle im Bereich der Pflegeheime.

Erstmals wird dieser Bericht in zwei Teilen aufgelegt: Das ist unter anderem auch die präventive Menschenrechtskontrolle; darüber ist viel gesagt worden. Im Vergleich zu 2013 hat sich der Bericht großartig verbreitert, von fast 20 000 Beschwerden hat die Volksanwaltschaft bei 48 Prozent ein Prüfungsverfahren eingeleitet.

Meine Damen und Herren, es ist gut, dass wir in Österreich eine Volksanwaltschaft haben, darauf können wir stolz sein. Von allen 28 EU-Ländern haben in nur sieben EU-Ländern Institutionen eine ähnliche Aufgabe wie bei uns die Volksanwaltschaft. Es ist Aufgabe der Volksanwaltschaft, behauptete oder vermutete Missstände in der Verwal­tung zu prüfen, sie übt öffentlich Kontrolle im Dienste des Rechtsstaates und der Demokratie aus.

Da meines Erachtens, meine Damen und Herren, der Zweck der Volksanwaltschaft darin besteht, Mängel in der Verwaltung und Rechtspflege nicht nur im Beschwerdefall, sondern auch zukünftig in ähnlich gelagerten Fällen zu beheben, ist es bedeutsam, dass für die Volksanwaltschaft eine Pflicht zur Berichterstattung über ihre Tätigkeit besteht.

Zum heutigen Bericht: Als ehrenamtlicher Präsident des Hilfswerks Steiermark darf ich auf zwei Schwerpunkte im Bericht eingehen: Jede vierte Beschwerde betrifft den Sozialbereich, knapp 2 000 Prüfungsverfahren werden auf Bundesebene zum Bereich soziale Sicherungssysteme eingeleitet, rund ein Viertel aller Verfahren betraf sozial­versicherungsrechtliche oder arbeitsmarktbezogene Problemstellungen. Ganz ent­schei­dend ist es, dass das alles um 39 Prozent gestiegen ist, auch aufgrund der Altersstruktur in Österreich. Wenn das jetzt um 39 Prozent gestiegen ist, möchte ich aufmerksam machen, dass es in den nächsten Jahren wahrscheinlich weiter steigen wird.

Der Bereich Pflegevorsorge erfuhr in den vergangen Jahren wesentliche gesetzliche Veränderungen. Da ist es wichtig, dass es auch eine finanzielle Unterstützung für die Zeiten der Ersatzpflege und seit 2014 die Möglichkeit der Pflegekarenz und der Pflegeteilzeit gibt.

Zahlreiche Beschwerden bezogen sich jedoch auch im Berichtsjahr 2014 wieder auf die mangelnde Information: Die Betroffenen beklagen einerseits, keine Kenntnis von den Unterstützungsmöglichkeiten oder ihren Ansprüchen zu haben, und andererseits den Mangel einer zentralen Anlaufstelle, die sie umfassend informieren könnte.

Hier ist in Zukunft nicht nur die Bundesregierung gefordert, sondern – keine Frage! – auch die Gemeinden, vor allem die Bürgermeister sind gefordert, Information verfügbar zu machen. Es zeigt auch, meine Damen und Herren, dass Pflegekarenz und Pflege­teilzeit noch zu wenig in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme ist außerdem erschwerend durch die notwendige Zustimmung des Dienstgebers.

Der Zugang zum Pflegegeld – das ist ganz wichtig, meine Damen und Herren – ist gesetzlich erschwert worden. Die Volksanwaltschaft kritisiert zu Recht, dass der Zugang zu den ersten beiden Pflegestufen mit Wirkung von 1. Jänner 2015 gesetzlich erschwert wurde. Gerade in den Pflegegeldeingangsstufen finden sich überproportional


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 75

viele pflegebedürftige Frauen sowie Personen mit Beeinträchtigungen und pflegebe­dürf­tige Kleinkinder, die vielfach ohnehin in finanziell prekären Verhältnissen leben.

Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass die Regierung den Zugang zu den Pflegestufen erschwert. Wir im Hilfswerk Steiermark sehen die Probleme bereits österreichweit. Wir haben auch Eingaben an Herrn Minister Hundstorfer gemacht. Wenn Sie sehen, bei der Pflegestufe 1 und 2 gibt es Probleme, da möchte ich fest­halten, dass dies auch auf die Patienten, die Pflegebedürftigen in der Pflegestufe 3 oder erst in der Pflegestufe 4 zutrifft, und hier kostet es dem Staat, keine Frage, viel mehr Geld.

Noch etwas dazu: 2016 wird das Pflegegeld in Österreich um 2 Prozent erhöht, und im Bericht heißt es auch, dass es mit der Kostendämpfung, diesen 2 Prozent, der Valorisierung des Pflegegeldes für 2016, finanziert werden kann. Meine Damen und Herren, das kann nicht sein!

Wir wissen, dass wir knapp 500 000 Frauen und Männer in Österreich haben, die Pflegegeld beziehen. Wir wissen auch – und es ist auch wichtig, dass wir das sagen; ich habe es vor Kurzem einmal zu Herrn Hundstorfer im Parlament gesagt, da war eine Pflege-Enquete –: Wir haben das höchste Pflegegeld in Europa, von der Stufe 1, 154 €, bis zur Stufe 7, 1 655,80 €. Herr Minister Hundstorfer hat mich zu Recht ausge­bessert, er hat gesagt: Lieber Gregor Hammerl, wir haben nicht das höchste Pflege­geld in ganz Europa, wir haben das höchste Pflegegeld auf der ganzen Welt! – Das muss uns bewusst sein. Das macht derzeit knapp 4 Milliarden € aus.

Es ist wichtig, auch in Zukunft, zu fragen, wie wir finanzieren können, dass das Pflegegeld sichergestellt ist, auch die Kosten für die sieben Stufen bis zum Jahr 2018. Was passiert 2018 beim Pflegegeld? – Wir diskutieren immer: Pflegeversicherung da und dort!, aber das alles ist noch nicht durchdacht, meine Damen und Herren. Und da müssen wir festhalten: Da müssen wir aufpassen! Das heißt, da ist die Bundes­regie­rung gefordert.

Meine Damen und Herren, ich möchte der Volksanwaltschaft als Institution für die Bevölkerung – sie hat einen sehr, sehr hohen Stellenwert, und dahinter stehen die geschätzten Volksanwälte und ihre Mitarbeiter, die mit hoher Qualität und Kompetenz arbeiten – Dank und Anerkennung aussprechen. Aber ich möchte heute auch eine Frage an die Volksanwaltschaft richten. Es ist dies ein umfangreicher Bericht. Wer diesen Bericht gelesen hat, wird wissen, dass da sehr viel drinnensteht, dass man da sehr viel herausholen kann.

Meine Frage an die Frau Volksanwältin und die Herren Volksanwälte: Diesen Bericht – mit diesen Problemen, auch mit den Problemen der Pflegestufen, mit dem Pflegegeld, mit der Sachwalterschaft – haben Sie sicher an die Ministerien weitergegeben, was machen die zuständigen Minister mit diesem Bericht, bekommen Sie eine Antwort? Was wichtig wäre, ist, dass auch wir eine Antwort bekommen, dass die Minister beziehungsweise die Bundesregierung das aufnimmt.

Ich danke noch einmal herzlich für Ihren Einsatz! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Lindinger. – Bitte.

 


12.32.34

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Volksan­wältin! Geschätzte Herren Volksanwälte! Zu den Ausführungen des Kollegen Hammerl eine kurze Bemerkung: Er hat in seinem Bericht erwähnt, dass die Bürger­meister


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 76

gefordert sind. (Zwischenruf des Bundesrates Hammerl.) Ich werde näher darauf eingehen, weil es ja gerade auch mich als Bürgermeister und als Regionsvertreter immer betrifft.

Wenn man sich die bekannten Fernsehsendungen anschaut und sieht, da sind wieder die Volksanwälte, die Frau Volksanwältin, geladen, um über die Gemeinden oder über Missstände in der Verwaltung zu sprechen und auch vielleicht Kompromisse oder Lösungen zu finden!, dann ist das immer sehr interessant für uns.

Ich möchte mich vorweg einmal bei Ihren Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und bei Ihnen für den umfangreichen Bericht bedanken. Er ist wirklich sehr, sehr interessant und umfangreich.

Ich habe mir den Teil betreffend die Landesverwaltung und die Gemeindeverwaltung näher angeschaut, und zwar gerade deshalb, weil auch ich als Bürgermeister im vorigen Jahr mit dem Postverkehr betroffen war. Deshalb gehe ich auf die Zahlen ein: Gerade in den Bundesländern hat es Zunahmen gegeben, aber auch Verringerungen bei der Zahl der Beschwerden. Mich freut es, dass Landeshauptmann Peter Kaiser eine Verringerung von 5,9 Prozent im Bundesland Kärnten erreichen konnte. Das freut mich, das war wahrscheinlich früher nicht so.

Es gibt auch Bundesländer, in denen es Zunahmen gibt, aber wir sprechen hier nicht von Zahlen, die ins Unendliche gehen. Wir sprechen von einer Zunahme von 19 oder 21 Beschwerden in der Steiermark. Das ist ja nicht viel, wenn man die Zahl der Kommunen und den gesamten Bereich der Landesverwaltung betrachtet. Das ist ja sehr, sehr gering.

Die meisten Beschwerden, die die Bürger betreffen – das sind allein schon 60 Prozent der gesamten Beschwerden im Gemeinde- und Landesverwaltungsbereich –, betreffen die Raumordnung, die Mindestsicherung, Jugendwohlfahrt und Gemeindeangelegen­heiten. Wenn bei 40 Prozent kein Missstand in der Verwaltung vorliegt und die Volks­an­waltschaft in 44 Prozent nicht zuständig ist, dann bleiben 16 Prozent der Fälle übrig, wo Kommunen oder die Landesverwaltungen Missstände zu verzeichnen haben und aufgefordert werden, diese Missstände zu beseitigen.

Aber was mich besonders freut – für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lan­des­verwaltung, in den Kommunen –, das ist, dass so viel Arbeit geschieht ohne Missstände. Das ist schon beachtlich, das ist sehr gut. Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kommunen, bei allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die, wenn sie dazu aufgefordert werden, Handlungen setzen und Missstände beseitigen, gemeinsam mit der Verwaltung.

Ich glaube, das ist sehr wichtig, denn es wird, wenn man von der Volksanwaltschaft hört, immer nur von Missständen gesprochen. Der Großteil der Verwaltung, der Großteil des Betriebes des öffentlichen Dienstes funktioniert ohne Missstand, ohne Beschwerden, geht klaglos über die Bühne. Dort funktioniert das Leben.

Kollege Oberlehner, du weißt es auch, dass die Gemeinden sehr gefordert sind, denn die Vielfalt an Tätigkeiten, die die Gemeinden heutzutage zu bewältigen haben, ist enorm. Gerade in den kleinen Gemeinden, in denen es nicht sehr viele Mitarbeiter gibt, muss das Wissen von den Amtsleiterinnen und Amtsleitern sehr umfangreich sein, dort sind die Bauabteilungen gefordert.

Ich weiß auch, was es bedeutet, wenn es um Raumordnungsverfahren geht und wenn Stellungnahmen bei den Gemeinden vom Land Oberösterreich eingehen. Die reichen von der Gesamtverkehrsplanung über den Umweltschutz, die Bau- und Anlagentech­nik, die Trinkwasserwirtschaft, die Forstinspektion, das Bezirksbauamt bis zur Wild-


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bach- und Lawinenverbauung – all diese Stellungnahmen müssen dann im Raumord­nungsverfahren berücksichtigt werden.

Da es kann schon sein, dass Bürgerinnen und Bürger sich benachteiligt fühlen, wenn Anträge auf Umwidmung nicht genehmigt werden, weil vielleicht einem Kind ein Grundstück aus der Erbschaft heraus gewidmet werden soll, aber nicht gewidmet wird, weil es im Überschwemmungsbereich oder im Lawinenbereich liegt oder weil es die Trinkwasserwirtschaft beeinflusst. Wenn die Bürger dann nicht die Widmung bekom­men und die Tochter vielleicht nicht ein Grundstück vom Hof bekommt, dann kommen vielleicht auch Beschwerden oder führt das oft auch zu einem Nachbarstreit. Das sind ja auch die wichtigsten Punkte. Wir als Bürgermeister fühlen uns ja schon oft als Mediatoren, wenn wir Streit schlichten, wenn der Streit unter Nachbarn schon bei Baubeginn, wenn sie an einer Siedlung zu bauen anfangen, beginnt.

Aber es liegt immer an den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und auch an der Verwaltung, dass hier eingewirkt wird. Und nur jene, die sich wirklich betroffen fühlen, gehen dann zur Volksanwaltschaft, die reagieren dann. Und der Zugang zur Volks­anwaltschaft ist auch leichter geworden. Man kann auch um 2 Uhr in der Früh eine Beschwerde schreiben, die ist sofort auf dem Postweg, die ist um 2.02 Uhr schon bei der Volksanwaltschaft. (Bundesrat Mayer: Unbearbeitet!)

Aber ich muss auch bemerken, dass es bei mir im vergangenen Jahr so war, dass die Entscheidung der Volksanwaltschaft binnen ein paar Wochen da war, wo es hieß: Wir sind nicht zuständig, und es hat keinen Missstand gegeben. Ich war froh, dass so rasch eine Entscheidung gefällt wurde, denn für uns in den Kommunen gibt das auch Sicherheit.

Ich glaube, wir in Österreich können froh sein, eine Einrichtung wie die Volksan­walt­schaft zu haben. Ich bedanke mich nochmals herzlich bei Ihnen und bei Ihren Mitar­beiterinnen und Mitarbeitern, wünsche Ihnen alles Gute und keine Zuwächse bei der Arbeit. Lassen wir sie stagnieren! Ich glaube, die Verwaltung funktioniert, nur in ein paar Fällen können Fehler passieren. Und daher werden wir den Bericht auch gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.39


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Volksanwalt Dr. Fichtenbauer gelangt nun zu Wort. – Bitte, Herr Volksanwalt.

 


12.40.14

Volksanwalt Dr. Peter Fichtenbauer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Namens des Kollegiums der Volksanwaltschaft bedanke ich mich natürlich sehr, sehr herzlich für die engagierte Teilhabe und für die engagierte Ebene der Aufnahme dessen, was die Volksanwaltschaft in ihren Berichten zu sagen hat, und die sorgfältige Analyse.

Es ist natürlich so, dass wir die Beschwerden uns nicht bestellen; wir können also nicht garantieren, dass wir die 20 000-er-Marke der Individualbeschwerden nicht nach oben hin durchschlagen. Aber das hängt mit der breiten Akzeptanz der Volksanwaltschaft als Hilfsorganisation und als Partnerinstitution des Parlamentes zusammen und doch auch mit einer erhöhten Ebene einer medialen Präsenz, die uns natürlich ein Anliegen ist.

Faktum ist, wir stehen eigentlich immer an der Seite eines Menschen, einer Familie, einer Gruppierung, die sich durch ein Massenverfahren apostrophiert oder belangt fühlt. Und wir sind typischerweise kein Freundschaftsinstitut für die von uns zu apostro­phierende Verwaltungsebene. Aber dafür sind wir auch nicht eingerichtet. Wir sind dafür eingerichtet, im Rahmen des Rechtsstaates Möglichen Missständen in der Ver-


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 78

wal­tung nachzugehen und im Rahmen der Prävention gegen mögliche Formen des Misshandelns und der Folter vorzugehen.

Natürlich ist auch die Tätigkeit der Volksanwaltschaft mit dem Epitheton „das Bohren harter Bretter“ zu vergleichen. Das ist aber so. Das ist aber auch ein Retourappell an die parlamentarischen Institutionen, weil ich dankenswerterweise aufgreifen darf, dass Herr Kollege Herbert erwähnt hat, dass das Thema Erweiterung der Prüfkompetenz gemäß dem Vorbild des Rechnungshofes mit großer Emphase diskutiert worden ist – aber dann sind die Bremsmechanismen eingezogen worden.

Ich habe einen guten Satz des Bundeskanzlers Kreisky in ewiger Erinnerung, der einmal – aus anderem Anlass – gesagt hat, das Karnickel ist immer gegen die Vivi­sektion. Das ist eine absolute Wahrheit. Möglicherweise einer Prüfung unterliegende Institutionen haben mit einer neu geschaffenen Prüfkompetenz typischerweise keine Freude und strahlen natürlich im Wege der ihnen zugewendeten Vertreter, die natürlich auch im Parlament sitzen, dann Bremsfallschirme ein.

Ich hoffe aber doch, dass wir in dieser Legislaturperiode eine Änderung in diesem Bereich erfahren dürfen, nämlich das auch vom Parlament selber als richtig empfun­dene Vorgehen, die Prüfkompetenz gemäß dem Vorbild des Rechnungshofes zu er­weitern.

Ich darf noch ganz kurz zur Frage Stellung nehmen: Die Berichte bekommt jedes Ministerium. Wir bekommen dazu auch Stellungnahmen, wobei diese von der Volks­anwaltschaft natürlich analysiert werden und weitere Bearbeitungen initiiert werden. Aber die typische Antwort ist: Es ist schon wahr, was die Volksanwaltschaft vorschlägt, aber leider haben wir keine budgetären Mittel, um diesen Anliegen entgegenzugehen. So ist es.

Ich darf auch zur Sache, die der Herr Abgeordnete Pfister erwähnt hat, kurz Stellung nehmen. Die Newsletter – dankenswerterweise entfalten sie eine Aufmerksamkeit – werden monatlich versendet und gehen an circa 1 700 Personen, darunter an alle Mitglieder des Nationalrates und Bundesrates, Journalisten, NGOs und so weiter, und haben natürlich je nach Arbeitsanfall einen unterschiedlichen Grad der Aufmerk­sam­keit. Aber man sieht an Ihrer sehr wertvollen Stellungnahme, dass die Arbeit bei Gott nicht umsonst ist, sondern eine Verbreitung der Information, die laufend gegeben werden kann, weil der Bericht natürlich nur jahresbezogen ist, einen jährlichen Geschäftsfall ausweist.

Ich möchte noch kurz zur Tätigkeit betreffend den NPM, den Nationalen Präven­tions­mechanismus der Volksanwaltschaft, Stellung nehmen und vielleicht ein paar statis­tische Informationen geben.

Es geht um den präventiven Schutz der Menschenrechte, seit 2012 wirksam. Bis jetzt, also sagen wir, bis gestern, gab es 1 422 Kontrollen durch die Kommissionen. Das ist eigentlich eine sehr beachtliche Zahl. Seit Juli 2012 nimmt also die Volksanwaltschaft diesen verfassungsgesetzlichen Auftrag wahr. Zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte erfolgen Kommissionsbesuche bei Institutionen, bei denen es um Freiheitsentzug oder jedenfalls unfreiwilligen Aufenthalt geht.

Diese Besuche erfolgen natürlich meistens unangekündigt, weil das Systemimmanente diese Vorgangsweise gebietet. 238 Mal ging man in Polizeieinrichtungen, 131 Mal in Justizanstalten, 196 Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sind kontrolliert worden, 216 Mal wurden Einrichtungen für Menschen mit Behinderung besucht, 284 Mal wur­den Alters- und Pflegeheime besucht, 120 Mal ging man in psychiatrische und Kran­kenanstalten, 11 Mal wurden Kasernen besucht, denn auch dort gibt es Haftmöglich-


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keiten. Weiters haben die Kommissionen 78 Abschiebungen und 131 Demonstrationen beziehungsweise Polizeieinsätze beobachtet.

Es wurden teilweise beachtliche menschenrechtliche Verstöße festgestellt, von denen auch schon die Rede war: diese medikamentöse Sedierungen von Leuten, die ab 16 Uhr gefälligst Ruhe geben sollen. Also auch hier: hartes Bohren harter Bretter, aber da sind wir schon auf einem sehr, sehr guten Weg – Kollege Kräuter ist da spezifisch informiert.

Die Geschichte, die natürlich gerechtfertigtermaßen apostrophiert ist: Die Familienzu­sammenführungen sind unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungen bezie­hungs­weise geplanten Gesetzesänderungen als Menschenrechtsproblem zu erfassen. Sie dauern als Verfahren de facto viel zu lange, das ist so, was im Hinblick auf das Recht auf Privat- und Familienleben allerdings problematisch ist, da es sich im Wesent­lichen um die Kernfamilie handelt, also Ehegatten und Kinder. Im Lichte der obwal­tenden Umstände kann keiner von uns sagen, ob sich nicht verfassungsrecht­liche Änderungen ergeben werden; aber wir haben keinen Anlass, uns dazu zu äußern.

Schließlich darf ich noch sagen, dass wir den von Ihnen ausgesprochenen Dank auch namens unserer sehr engagierten Mitarbeiter entgegennehmen dürfen. Wir haben von allen, sage ich jetzt einmal, behördenartigen Einrichtungen als oberste Organe mit Sicherheit die schnellste Erledigungsdauer, die im Schnitt sechs Wochen nicht übersteigt. Es gibt aber natürlich auch Monsterakten, die meterhoch sind. Da geht es um Umwelt, um Forst, um Wasser, es kann sich da alles verknüpfen.

Natürlich ist es so, dass jeder von uns in einer Gemeinde lebt. Daher sind die Ge­meinden auch typische, sagen wir, Partner des Beschwerdeaufkommens. Aber alles in allem haben wir in Österreich natürlich eine großartige und rechtlich durchwirkte Struktur unseres geordneten Zusammenlebens. Also ich möchte nirgendwo anders leben. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.49


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Herr Volksanwalt Dr. Kräuter gelangt nun zu Wort. – Bitte, Herr Volksanwalt.

 


12.49.30

Volksanwalt Dr. Günther Kräuter: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit den Ausführungen von Frau Bundesrätin Ledl-Rossmann im Zusammenhang mit den Alten- und Pflegeheimen beginnen. Ich bin sofort bei Ihnen. Die Kritik richtet sich nicht gegen das Pflegepersonal in Einrichtungen. Ganz, ganz selten kommt es natürlich schon vor, dass jemand für diesen schwierigen Beruf nicht geeignet ist, aber im Großen und Ganzen bemühen sich die Damen und Herren ja sehr in den Einrichtungen. Nein, es geht um Strukturprobleme, die ja eine vernünftige Arbeit oft unmöglich machen.

Sie haben recht mit Ihrem Beispiel, dass in Einrichtungen hochbetagten Menschen das Abendessen teilweise um 15 Uhr gereicht wird, das haben wir auch schon erlebt. Bei den Besuchen unserer Kommissionen stoßen wir teilweise auf wirklich erschütternde Erkenntnisse.

Wir haben insgesamt schon nahezu 300 Besuche in Alten- und Pflegeeinrichtungen absolviert und wissen jetzt doch schon recht genau, wo die Missstände letztendlich zu Hause sind: Da geht es beispielsweise um mangelhafte Dokumentation, aber auch um Einzelfälle, wo eine einzige Pflegekraft für 43 hochbetagte Menschen zuständig ist. Natürlich stoßen wir dann darauf, dass mit sedierenden Medikamenten – das heißt mit Schlafmitteln und anderen verschiedenen Medikationen – die Leute gewissermaßen in


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einen Dämmerzustand versetzt werden, was natürlich katastrophal ist und als wirklich tiefgreifende Menschenrechtsverletzung qualifiziert werden muss.

Wissen Sie, wer als Erster protestiert hat, als wir unseren Bericht veröffentlicht haben? Die Wirtschaft. Ich habe großes Verständnis für wirtschaftliches Denken und Handeln, aber auf der anderen Seite, wenn es auf Kosten der Menschenwürde geht, dann, glaube ich, muss hier unbedingt ein Riegel vorgeschoben werden.

Es gibt auch positive Beispiele. Man hat in Bad Hofgastein in einer Einrichtung, gemeinsam mit den zuständigen Verantwortlichen dort, mit Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekern, ein Projekt gemacht. Und siehe da, man hat die Anwendung sedierender Medikamente sofort um 30 Prozent senken können. Wir hoffen sehr, dass dieses Modell Schule macht und die Präventivwirkung in diesem Bereich voll zum Tragen kommt.

Wir brauchen aber auch die Unterstützung vonseiten des Gesetzgebers. Denn bei­spielsweise ist es möglich, dass Ärzte, die Menschen, die in Einrichtungen sind, medizinisch betreuen, nicht verpflichtet sind, der Einrichtung mitzuteilen, welche Medikamente verschrieben werden. Das ist bei hochbetagten Menschen in einem Extremfall brandgefährlich. Daher muss in diesem Bereich die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden. Es muss eine Verpflichtung geben, dass beispielsweise Hausärzte, die hochbetagte Menschen betreuen, die in einem Heim leben, das der dortigen Heimführung mitteilen müssen. Das Gesundheitsministerium unterstützt dieses Vorha­ben. Widerstände werden wir gemeinsam überwinden müssen, nämlich vonseiten der Ärztekammer in diesem Fall.

Zur Website möchte ich noch etwas sagen. Kollege Pfister hat es angesprochen: Uns ist jede Bewerbung unserer Homepage natürlich sehr, sehr recht und wirklich willkom­men. Das Kollegium hat gleich nach Beginn unseres Amtsantrittes entschieden, dass wir die Erscheinung modernisieren. Wir haben einen Relaunch der Website gemacht. Wir berichten auf der Homepage nicht nur über unsere traditionelle Aufgabe, nämlich über Individualbeschwerden und die gesetzlichen Hintergründe, sondern auch über unser Menschenrechtsmandat, über die Besuche unserer Kommissionen in den Ein­rich­tungen.

Da gibt es, natürlich in anonymisierter Form – wir wollen ja keine Einrichtung und schon gar nicht Einzelpersonen an den Pranger stellen –, Storys, wie wir sie nennen, Geschichten über Besuche in Einrichtungen und was dort vorgefunden wurde, natürlich mit dem Ziel, dass das auch eine Breitenwirkung entfaltet. Beispiele dafür, was richtig und gut gemacht wird, sollen letztendlich Schule machen.

Man kann sich auch über das Prüfschema informieren, man kann Musterprotokolle anschauen, beispielsweise Expertisen vom Menschenrechtsbeirat und auch die Emp­fehlungen, die die Volksanwaltschaft dann aus den Besuchen bei Expertinnen und Experten ableitet.

Die Frau Bundesrätin Reiter hat über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ge­sprochen. Wir haben zurzeit rund 6 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Österreich. Viele dieser Jugendlichen und Kinder haben schreckliche Erlebnisse hinter sich, zunächst am Ausgangsort der Flucht, dann auch auf der Flucht selbst, und viele sind natürlich traumatisiert.

Die Gesetzeslage ist ganz eindeutig: Nach der UN-Kinderrechtskonvention, aber auch nach österreichischer Gesetzes- und Verfassungslage sind Kinder und Jugendliche, egal, welcher Herkunft, ganz gleich zu behandeln wie österreichische Kinder und Jugendliche. Und ehrlich gesagt mit Bestürzung sehen wir auch, dass es aufgrund des Problemdrucks Tendenzen gibt, das Alter auf 17 Jahre zu senken und unbegleitete


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minderjährige Flüchtlinge mit 17 Jahren für erwachsen zu erklären. Ich glaube, das ist eine ganz schlechte Idee. Ich hoffe sehr, dass man davon abkommt.

Es ist notwendig, die Obsorge zu übernehmen – dafür sind die Bezirkshauptmann­schaften zuständig. Massenlager wie Traiskirchen sind natürlich auch ungeeignet für Kinder und Jugendliche, die ja Betreuung, oft Therapie, aber jedenfalls Schulaus­bildung und sinnvolle Freizeitgestaltung brauchen. Jenseits aller menschenrechtlichen Überlegungen, die natürlich im Vordergrund stehen: Das ist eine Investition in die Zukunft. Denn wenn man da nichts unternimmt und die Jugendlichen und Kinder sich selbst überlässt, dann werden das Sozialhilfeempfänger werden und nicht junge Menschen, die sich am Arbeitsmarkt entsprechend bewähren können und zu Steuer­zahlern werden.

Abschließend zu Herrn Bundesrat Hammerl noch, zum Bereich Soziales, von dem er gesprochen hat, und zum Pflegegeld: Ja, das stimmt, Österreich hat ein im weltweiten Vergleich vorbildliches, großzügiges System. Das gibt es tatsächlich nirgends in dieser Form. Das heißt nicht, dass es keine Mängel hat. Trotzdem müssen sich politisch Verant­wortliche Verbesserungen als Ziel setzen. Wir haben viele Beschwerden, die sich auch mit dem Pflegegeld befassen.

Wie Sie alle wissen, meine Damen und Herren, fordern wir für die Betroffenen seit Langem eine Valorisierung des Pflegegeldes. Alles wird teurer, und der Pflegegeld­betrag kann nicht eingefroren stehenbleiben, wie es leider schon viele Jahre der Fall ist.

Wir haben auch aufs Schärfste protestiert gegen den erschwerten Zugang. Das heißt, dass man die Pflegestufen hinaufgesetzt hat und sehr, sehr viele Menschen jetzt nicht die Möglichkeit haben, Pflegegeld zu empfangen. Auch das ist wirtschaftlich eine kurzsichtige Überlegung, denn je länger die Menschen mobil sind, sich selbst versor­gen können – mit ein bisschen Hilfe, was das Einkaufen betrifft, was einfache Körper­pflegeangelegenheiten betrifft, und so weiter –, desto länger sind sie nicht abhängig, müssen nicht in höhere Pflegestufen, müssen nicht in Einrichtungen, wo sie gar nicht hinwollen. Wir müssen schauen, die Mobilität zu fördern, den Menschen ein selbstbe­stimm­tes Leben zu ermöglichen, Inklusion und Teilhabe – viele, viele Lippenbekennt­nisse, die wir von vielen Seiten immer wieder hören –, aber die Erschwerung im Zu­sam­menhang mit den Pflegestufen ist leider ein Weg in genau die falsche Richtung.

Hoffen wir, dass wir gemeinsam jedenfalls einmal weitere Verschlechterungen im System des Pflegegeldes verhindern können beziehungsweise vielleicht sogar Verbes­serungen erreichen! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.57


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nun gelangt Frau Volksanwältin Dr. Brinek zu Wort. – Bitte.

 


12.57.46

Volksanwältin Dr. Gertrude Brinek: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Bundesrätinnen, Herren Bundesräte! Liebe Kollegen! Zusammenfassend zu einigen Wortmeldungen aus Ihrem Kreis: Ich bedanke mich grundsätzlich sehr für die Aufmerk­samkeit. Wir wissen es zu schätzen, wie sehr sich die Damen und Herren Bundesrätin­nen und Bundesräte mit unserer Arbeit beschäftigen und dann auch an der gedeih­lichen Umsetzung mitwirken.

Ein paar thematische Momente herausgegriffen: Ja, die Arbeit im Ministerium an der Novelle des Sachwalterrechtes hat auch damit zu tun, dass mit Beharrlichkeit und Unterstützung durch den Gesetzgeber, durch die Gesetzgebungskörperschaften dort die Einsicht und die Bereitschaft gereift ist, an einer Novelle zu arbeiten.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 82

Was steht im Zentrum der Novelle des Sachwalterrechtes aus der Erkenntnis der Arbeitsgruppe? – Die Stärkung der Angehörigenrechte. Vergegenwärtigen Sie sich: Wenn jemand einen Sachwalter hat in vollem Umfang und zeitlich unbegrenzt, hat er kein Verfügungsrecht über sein Konto, über seine Wohnung, über seinen Hausrat. Er kann nicht mehr disponieren, was er oder sie am nächsten Tag macht.

Die Erschütterung tritt meistens dann ein, wenn die Sachwalterschaft voll zur Wirkung kommt und das Taschengeld – oft unabhängig davon, was sonst an Einkommen und Vermögen da ist – einige wenige Euro ausmacht beziehungsweise im Schnitt etwa 150 € im Monat. Es kommt zur sozialen Vereinsamung, weil man nicht mehr in der Lage ist, mit Freunden vielleicht auf ein Bier zu gehen, überhaupt zu disponieren und das Leben selbständig zu gestalten. Daher zweite Forderung: zeitlich befristen und umfänglich genau limitieren.

Wir hoffen, dass es aus dem Ministerium einen Vorschlag noch 2016 gibt, also Mitte 2016 wäre schön; und das optimale Ziel wäre, mit Hilfe auch Ihrer Unterstützung und vielleicht noch Ihres Feintunings Ende 2016 eine Novelle zu haben. Verbunden wird sie sein mit einem weiteren Ausbau des fundierten und erweiterten Clearings. Es geht darum, abzuklären, ob es die Sachwalterschaft überhaupt geben soll. Das heißt, auch Alternativen werden überlegt. Ich will da jetzt nicht in die Tiefe gehen, sondern dazu nur sagen: Ich hoffe, wir kommen sehr bald zusammen und können feststellen, dass sich die Arbeit gelohnt hat und die Novelle eine Weiterentwicklung ist.

Angesprochen wurde die Verwaltung: Ja, wir werden in der Volksanwaltschaft, wo wir einen Überhang an weiblichen Mitarbeitern haben, damit vorbildlich sind und keine inter­nen Frauenförderpläne umsetzen müssen, an der guten und schnellen Verwaltung weiterarbeiten, an dem, was der Lissabon-Vertrag seit 1. Dezember 2009 das Grundrecht auf gute Verwaltung nennt. Wir werden auch daran arbeiten, den Frauen­dialog fortzusetzen. Wir haben heuer auch schon zwei Veranstaltungen mit bestimmten Zielgruppen gehabt, unter anderem mit den Bildungsarchitektinnen, die im Wesent­lichen im Wissenschaftsministerium und im Unterrichtsministerium angesiedelt sind, also aus diesem Kreis kommen, um da auch Multiplikatorinnen zu finden.

Ein Teil des Unterschiedes davon, wie viele Männer und wie viele Frauen sich be­schweren, ergibt sich bereits aus den Fällen beziehungsweise Problemen. Ich möchte nicht daran arbeiten, dass wir ähnlich viele Frauenbeschwerden über Frauen im Strafvollzug haben. Da müssen wir nicht nachholen. Beschwerden über Abschiebun­gen und fremdenrechtliche Agenden kommen meistens von Männern. Wir wissen zum Beispiel auch, dass mehr Männer als Frauen zu Gericht gehen. Die Vizepräsidentin der Richtervereinigung hat gesagt: Auch unter den Querulanten sind die Männer mehrheitlich ganz stark vertreten. Die Justiz-Ombudsstelle hat nicht geschlechtermäßig sondiert, man denkt aber auch dort daran. Aber beim VKI – Verein für Konsumen­teninformation – beschweren oder melden sich mehrheitlich Frauen. Na klar, wenn die Waschmaschine kaputt ist, muss die Frau anrufen. Wir beobachten da ein sehr eindeutiges soziologisches Phänomen.

Zum Thema Strafvollzug: Ja, seit Beginn, seit der Einrichtung der Volksanwaltschaft – nicht erst seit der Erweiterung auf das OPCAT-Mandat – kümmert sich die Volks­anwaltschaft um die Rechte und die Zustände derer, die sozusagen im Schatten stehen. Denen ist zu helfen, damit sie wieder ins Licht, in die Welt und die Gesellschaft zurückkommen. Bei aller herausfordernden Arbeit, die in den Justizanstalten gesche­hen muss, ist das Ziel nämlich die Resozialisierung. Dafür bedarf es auch der Weiter­bildungsangebote und der Supervisionsangebote für das dortige Personal. Es melden sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Beispiel gerne Supervision und Weiter­bildung annehmen, sie sagen aber, sie gelten als „Weichei“, wenn sie sich zur Weiterbildung melden. Also da muss es auch zu einer Klima- und Kulturveränderung


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 83

kommen, damit man Angebote zur Bewältigung berufsspezifischer Herausforderungen annimmt und nicht negativ bewertet.

Auch Systemfehler sind Fehler. Wir haben nicht die Absicht, hinterherzuarbeiten, um zu sagen, warum das keine straf- oder disziplinarrechtlichen Konsequenzen hatte, sondern wir, auch das Ministerium und die neue Organisation – das Generalsekretariat im Ministerium –, drängen darauf, dass die Justizwache sorgfältig bearbeitet wird und dass Systemfehler nicht den Mitarbeitern angelastet werden. Wenn Einzelne zur Verantwortung zu ziehen sind, ja, wie beispielsweise auch der Arzt in Stein, aber Systemfehler müssen auch entsprechend bearbeitet werden.

Ich denke zum Abschluss noch an Herrn Bürgermeister Lindinger: Wir haben ja das schriftliche Vergnügen. Wir haben es gemeinsam manchmal nicht leicht, weil gerade Raumordnung, Flächenwidmung, Bauwünsche sehr von individuellen Wünschen und Motiven geleitet sind. So wünscht man sich, dass die Kinder oder die Geschwister gleich nebenan, wo aber keine Möglichkeit der Bautätigkeit gegeben ist, zu einem Bauplatz kommen. Da sind wir beide meistens diejenigen, die Enttäuschung schaffen, denn dort, wo nicht gewidmet werden kann, kann eben nicht gewidmet werden.

Zur Unterstützung der Bürgermeister sage ich Ihnen: Ich lade Sie ein, kommen Sie in die Sendungen, und stellen Sie Ihre Fälle dar! So, wie wir es aus den Rückmeldungen kennen, wirkt es immer negativ, wenn sich die Behörde dem Dialog verweigert. Es hilft manchmal den Gemeinden und Bürgermeistern, wenn die Volksanwaltschaft geprüft und festgestellt hat, es gibt keine Möglichkeit. Dann können Sie mit diesem Dokument den Bürgerinnen und Bürgern sagen: Schließen wir das ab! – In manchen Ländern ist „geprüft durch die Volksanwaltschaft“ so etwas wie ein Gütesiegel. Zu diesem Status wollen wir noch kommen.

Ich schließe damit. Das meiste wurde von uns repliziert. Ich freue mich auf die weitere Tätigkeit. Wir harren Ihrer Unterstützung! Wenn Sie sonst noch Anregungen zu Newsletter oder sonstigen Auftrittsformen haben, nehmen wir sie gerne an und berücksichtigen sie gerne. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

13.05

13.05.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Ich darf sehr herzlich eine Besuchergruppe aus der Nationalparkgemeinde Mallnitz bei uns willkommen heißen! (Allgemeiner Beifall.) Das ist bekanntlich jene Gemeinde, der unser Kollege Günther Novak als Bürgermeister vorsteht.

13.06.004. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Forschungsorganisationsgesetz geändert werden (797 d.B., 616/A und 808 d.B. sowie 9458/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 84

5. Punkt

Berichtskonvolut zu den Evaluierungsverpflichtungen nach § 143 Universitäts­gesetz 2002 hinsichtlich zugangsgeregelter Studien (III-559-BR/2015 d.B. sowie 9459/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zur Debatte über diese beiden Tagesordnungspunkte darf ich sehr herzlich Herrn Vizekanzler Mitterlehner bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Oberlehner. Ich bitte um die Berichte.

 


13.06.42

Berichterstatter Peter Oberlehner: Sehr geehrter Herr Präsident! Wertes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung zum Tagesord­nungspunkt Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Forschungsorganisa­tionsgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, weshalb ich sogleich zur Antragstellung komme.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates zu erheben.

Des Weiteren darf ich den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über das Berichtskonvolut zu den Evaluierungsverpflichtungen nach § 143 Univer­sitäts­gesetz 2002 hinsichtlich zugangsgeregelter Studien hier zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor, weshalb ich sogleich zur Antrag­stellung komme.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung stellt den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Herr Präsident, ich darf um Beratung darüber ersuchen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


13.07.58

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die beiden Tagesordnungspunkte zusammenfassen und darauf in einer aus vier Punkten bestehenden Analyse eingehen: erstens die Problematik von Studierenden bei einem ausgewählten Curriculum, zweitens der sogenannte Tenure Track, das ist der Karrierepfad eines Wissenschaftlers und der Weg zur Professur, drittens ein Vergleich mit den USA, der angebracht ist, weil der Tenure Track von dort kommt, und viertens ein Museum.

Dieser Evaluierungsbericht ist wahrlich ein Konvolut: Das ist ein vierbändiges Kom­pendium – meinen Respekt vor dieser empirischen Forschung! Es ist sicherlich nicht wenig Arbeit gewesen, aber auch kostenintensiv. Es ist ein empirischer Ansatz, basisorientiert, und basisorientierte Ansätze sind immer gut.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 85

Sehr geehrter Herr Vizekanzler, Sie sind ja auch Wirtschaftsminister. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich der Wirtschaft auch so annähern und auch von der Wirtschaft eine Evaluierung vornehmen würden und nicht immer Wirtschaft von oben überstülpen. Das wollen wir nämlich nicht, und das sind wir auch nicht. Wirtschaft sollte basis­orientiert von unten evaluiert werden, das würde ich mir wünschen. Ich bitte, dies beim nächsten Wirtschaftsbericht vielleicht zu berücksichtigen. Ein Beispiel dafür ist dieses wirklich nicht schlecht zusammengefasste Evaluierungskonvolut.

Ich möchte bei der empirischen Forschung oder bei der empirischen Erfahrung bleiben und auch meine eigene Erfahrung einbringen. Ob das jetzt, um beim Bericht zu bleiben, STEP-Phase – bis 2010 –, STEOP-Phase – wie es jetzt heißt –, also die Eingangs- und Orientierungsphase oder Einführungsphase im Masterstudium, Modulgruppen oder Pflichtmodulgruppen heißt, es ist immer das gleiche System und es geht immer um das Gleiche – das geht aber bei dieser Evaluierungskonzeption nicht ganz hervor –: Es geht um das Anmeldesystem. Der Studierende ist heutzutage – das wird oft vergessen – von einem computergesteuerten Anmeldesystem geleitet. Genau das bringt die Problematik.

Man muss bei einem Studium eigentlich unterscheiden zwischen einem Lernpfad eines Studierenden und einem Lehrpfad, der sogenannten forschungsgebundenen Lehre, der Lehrveranstaltung. Das sind zwei komplett unterschiedliche Dinge, und das korreliert nicht mehr miteinander. Das sind verschiedene Wege, die müssten zusammenpassen, tun sie aber nicht.

In der Praxis schaut das dann so aus: Sie haben zehn Lehrveranstaltungen vor sich, können sich aber zum Beispiel nur für eine anmelden. Bei dieser einen, für die eine Anmeldung möglich ist, sitzen die Studierenden übereinander oder dreifach über­einander, bei den anderen neun sind die Hörsäle fast leer! Fast leer! Das weiß aber nicht einmal die Universität selber, denn den Autonomiestatus hätte sie ja, das zu regulieren. Offensichtlich ist sie sich dessen aber auch nicht bewusst, denn in riesengroßen Hörsälen mit einem Fassungsvermögen von 200 bis 300 Studierenden sitzen zehn bis 15 Leute. Warum? – Weil man sich nicht anmelden kann!

Das ist die Hauptproblematik. Das kostet Zeit, das kostet Bürokratie, und das über­fordert auch die Studienprogrammleitung, denn das muss man sich ja umschreiben und anerkennen lassen. Jetzt haben sie dort eine riesige Schlange von Studierenden stehen, die darum ersuchen. Die Studierenden wollen ja im Studium weiterkommen, können aber nicht, weil man sich nicht anmelden kann – und das ist das Haupt­problem.

Wie gesagt, diese STEP, STEOP, Einführungsphase, das ist alles eine bürokratische Geschichte. Es geht um dieses Anmeldesystem, und da würde ich Sie ersuchen, sich doch einmal des Themas anzunehmen, warum eine Universität so ist, wie sie ist: manche Hörsäle voll, manche komplett leer, obwohl alles gleichzeitig angeboten wird. Da stimmt einiges nicht.

Zusammengefasst: Das Korsett ist viel zu eng, es ist verschult auf der Lernseite, es ist aber nicht verschult auf der Lehrseite. Auf der Lehrseite wird es auch nie verschult sein, denn sonst wären wir ja alle in der Schule und nicht auf einer Universität. Schließ­lich wollen Professoren – die Professur – ihr Forschungskonzept anbieten, die sind Spezialisten in ihrer Forschung, da bieten sie Lehrveranstaltungen an – und die Studierenden können sich, wenn sie Interesse für diese Lehrveranstaltungen zeigen, dafür nicht anmelden, und das ist das Hauptproblem.

Deswegen sind wirklich exzellente Forschungsmodule von exzellenten Professoren buch­stäblich leer, weil das Anmeldesystem nicht freigeschalten ist. Das gehört zusam­mengeführt und ist ein Hauptproblem für die nächste Zeit. Ich habe das hier schon vor


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 86

drei, vier Jahren erzählt. Es hat sich aber jetzt noch einmal verschärft, das Ärgernis ist größer geworden, weil ja auch die Lernveranstaltungen – offensichtlich wegen Budget­problemen oder Budgetrestriktionen – immer mehr gekürzt werden.

Punkt zwei: Der Tenure Track – das kommt aus den USA, ist aber keine schlechte Sache – ist der Weg eines Wissenschaftlers an einer Universität, wenn er Wissen­schaftler bleiben möchte. Also vom Assistenzprofessor, assoziierten Professor oder Professur und den Dozentinnen und Dozenten – um das einmal so auszudrücken, das alte System –, alle die werden jetzt, und die Idee ist gar nicht so schlecht, in eine wissenschaftliche Community eingebunden. Wissenschaftliches Denken bedingt einan­der, prosperiert und befruchtet einander sicherlich. Das kommt aus den USA, und das ist sicherlich nicht so schlecht. Interessant ist, dass das ... (Vizekanzler Mitterlehner: ... ist sogar ganz gut!) – Ist ganz gut, ja, aber woher kommt das?

Interessant ist, dass bereits 1917 Max Weber in einem viel beachteten Vortrag, der natürlich auch schriftlich vorliegt, „Wissenschaft als Beruf“ heißt er, gemeint hat, dass es in Europa – er hat damit in erster Linie Deutschland gemeint, aber Österreich ist ja ähnlich systematisiert – zum Problem werden wird, dass sich die Wissenschaftler in Europa nicht so entfalten können wie in den USA.

Das war vor hundert Jahren, aber es freut mich ganz besonders, Herr Vizekanzler, dass Sie sich nach hundert Jahren diesem Konzept angenähert haben und den Tenure Track à la USA hierzulande auch so irgendwie einführen. Das hat aber Max Weber schon vor hundert Jahren gesagt. Das ist recht interessant, aber das ist vielleicht der Ideenspender schlechthin, das war der Universalgelehrte, auf den man sich oftmals beruft.

Was war noch in den zwanziger Jahren? – Stichwort Erste Republik; das war heute schon einmal Thema: der Exodus (Ruf bei der SPÖ: Exodus heißt das!) – Sie sind ja auch biblisch bewandert, Herr Vizekanzler, wie ich weiß – der österreichischen Wis­senschaftler in den zwanziger Jahren, von dem sich die Universität Wien bis heute noch nicht erholt hat; der Exodus, das Abwerben auf das amerikanische System hin, weil dort auch die Gehälter besser sind, weil der Professurpfad damals schon ange­boten worden ist und nicht jetzt vielleicht, aber so ganz ist es ja auch noch nicht ausgefeilt.

Wer ist damals ausgewandert? – Ein Ludwig von Mises, ein Oskar Morgenstern, ein Fritz Machlup, ein Gottfried Haberler, ein Schumpeter, Friedrich August von Hayek, unser letzter Nobelpreisträger in den Wirtschaftswissenschaften. Die haben es alle zu hohem Ansehen gebracht, sind aber in Österreich komplett in Vergessenheit geraten. Wenn diese Österreicher heute noch eine Repräsentanz an der Universität hätten, dann hätte ein Keynesianismus, wie Sie ihn auch oft propagieren, nicht den Funken einer Chance und würde unser Wirtschaftssystem wieder auf die Beine kommen, sicherlich anders strukturiert, als es jetzt der Fall ist.

Interessant ist diesbezüglich auch, dass der derzeitige gewählte Sprecher des ameri­kanischen Repräsentantenhauses – Paul Ryan – ein großer Verfechter dieser großen, in Österreich vollkommen in Vergessenheit geratenen Österreicher ist und genau weiß, welches Konzept die USA für ihr Wirtschaftssystem brauchen. Und das Konzept – Sie sind ja letztlich auch Wirtschaftsminister –, das Sie uns Unternehmern und Unterneh­merinnen da umhängen wollen – nein, das sind komplett verschiedene Schuhe, hat aber den Beginn in den zwanziger Jahren in dem Exodus der Österreicher in die USA; Hayek ist nach London gegangen.

Um kurz bei den Erinnerungsorten zu bleiben: Erinnerungsorte spielen sich auch ab in einem Museum, es gibt eine museale Erinnerung, zum Beispiel das österreichische Wirtschaftsmuseum. Es ist kaum zu glauben, die meisten werden es nicht kennen, es


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 87

gibt in Österreich ein Wirtschaftsmuseum. Wer dort hingeht, wird sich wundern. Finde ich dort Geldgeschichte, vielleicht vom Gulden zur Krone zum Schilling zum Euro? – Nein! Finde ich dort Industriegeschichte, wie Österreich entstanden ist, die Gründer­zeit? – Nein! Finde ich dort vielleicht die Bankengeschichte, die große Depression, die Weltwirtschaftskrise, Gründerzeiten? – Nein, nein, das finde ich dort alles nicht!

Was finde ich aber dort im Wirtschaftsmuseum – das gehört ja den Sozialpartnern, und ein Teil der Sozialpartner ist bekanntlich auch die Wirtschaftskammer –: Die Ge­schichte des chinesischen Spielzeugs und seine Materialien finde ich dort. Wenn ich mir im Wirtschaftsmuseum den Ölpreis anschaue, dann steht er bei 110  Dollar – far away von der Wirklichkeit. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 4,6 Prozent 2015 – jeder weiß, dass sie bei 6 Prozent liegt und steigend ist; dort ist sie abnehmend. Meiner Meinung nach ist das ein Museum der Gehirnwäsche, das hat mit der Realität nichts zu tun.

Als Wirtschaftsminister sollte man sich einmal darum kümmern, was da angeboten und von uns Unternehmern, Zwangsmitgliedern, finanziert wird. Nein, das wollen wir nicht. Ich würde empfehlen, dieses Museum komplett neu aufzustellen – aber komplett! – oder es einfach zu schließen, das wäre vielleicht der beste Weg. (Bundesrat Mayer: Ein Museum hat mit der aktuellen Situation selten etwas zu tun!) – Hat sehr wohl etwas damit zu tun, und jetzt komme ich zu einem anderen Thema (Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Bundesrätin Zwazl: Nein, aber er muss immer etwas ...!), das in der heutigen Tagesordnung sehr wohl genannt wird, nämlich die Auslagerung des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung aus dem Wirtschaftsministerium. Es hat nämlich jetzt einen neuen Platz gefunden.

Man könnte auch sagen, man will sich vielleicht mit dem Haus der Geschichte nicht dafür interessieren, weil Forschung ein anderes Thema ist, also lagert man am besten eine 30-köpfige Professorenschaft einfach aus und lagert sie in die Universität Wien ein – nicht in die Akademie der Wissenschaften, wie es vielleicht angebracht wäre. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Haben Sie nicht, Sie haben das Archäolo­gische Institut dort eingegliedert, aber nicht das Institut für Österreichische Geschichts­forschung, wo es angebracht wäre, weil dort bereits österreichische Geschichtsfor­schung par excellence stattfindet.

Jetzt haben Sie wieder zwei Bereiche geschaffen, wieder unterschiedlich. Wenn Sie sie zusammenlegen wollen, dann bitte in die Akademie der Wissenschaften, oder belassen Sie es lieber im Ministerium, denn dort ist es seit 1857 angesiedelt. Warum lagern Sie es aus? – Vielleicht liegt Ihnen die Geschichte Österreichs nicht so am Herzen, wie man vielleicht annehmen wollte. Das möchte ich zu bedenken geben.

Zusammengefasst am Schluss: Der Tenure Track ist nicht schlecht, das Anmelde­sys­tem gehört verbessert, und Erinnerungsorte – populärwissenschaftliche Erinne­rungs­orte – müssen geschaffen werden. Das ist wichtig für die Identifikation eines Landes, für die Identifikation der Bevölkerung selber. So nicht, und das Wirtschafts­museum, sehr geehrter Herr Minister, schließen Sie am besten! – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesräte Schmittner und Zelina. – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

13.18


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


13.18.53

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister und Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Wissenschaft und Forschung dürfen nicht enden wollend sein. Die Anforderungen der heutigen Zeit, die es zu bewältigen gilt, werden immer größer, und das macht natürlich auch vor Wis­senschaft und Forschung nicht halt.


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Was wir brauchen, sind also moderne Rahmenbedingungen und damit auch eine klare Verbesserung der Qualität. Der Entwicklungsplan wird durch dieses Gesetz genauer definiert. Planungssicherheit hat natürlich eine besondere Bedeutung und ist entschei­dend. Wichtig ist: keine Ideologie, sondern Autonomie für die Universitäten.

Es geht ja um die drei Bereiche: Zugangsregelung, Öffnung der Karrieremöglichkeiten für junge Menschen und – nicht zuletzt – auch die Änderung des Organisations­systems. Das Gesetz gibt den Universitäten die organisatorischen Voraussetzungen für ein Modell für Universitätslehrerinnen und Universitätslehrer, womit durchgängige Karriereperspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geschaffen werden sollen. So wird also die Möglichkeit eröffnet, Dozentinnen und Dozenten, Assistenz- und assoziierte Professorinnen und Professoren künftig im Rahmen eines vereinfachten Berufungsverfahrens nach internationalen Standards in die Profes­sorenkurie überzuleiten.

Diese erhöhte Durchlässigkeit trägt zur Attraktivierung des heimischen Wissenschafts- und Forschungsstandorts sowie zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten bei. Wichtig ist, die Möglichkeit im eigenen Haus einmal zu eröffnen. Natürlich ist Leistung vorrangig, dafür beneiden uns auch andere Länder. Ebenso wichtig ist es natürlich auch, Professorinnen und Professoren nicht nur aus dem eigenen Land zu bekommen, sondern aus der ganzen Welt. Die Besten müssen sich gegenüber anderen durchsetzen, und das natürlich nach internationalen Ausschreibun­gen. Unterschiedliche Begabungen sind natürlich, diese Unterschiedlichkeit ist beson­ders zu fördern.

Ich bin also der Überzeugung, dass damit ein sinnvolles und gutes Gesamtpaket vorliegt, das unsere Universitäten wieder einen Schritt nach vorne bringt. Herzlichen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.22


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Stögmüller. – Bitte.

 


13.22.15

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Dies ist heute meine erste Rede hier im Bundesrat, und es freut mich ganz besonders, heute hier zu stehen. Ein herzliches Danke für den netten Empfang vorhin!

Es geht heute um das Universitätsgesetz. Dieses Thema habe ich mir gleich für meine erste Rede ausgesucht, weil ich selbst an einer Fachhochschule in Oberösterreich Student bin, insofern betrifft es mich auch persönlich ein bisschen. Ich bin der Mei­nung, dass diese Novelle schon in die richtige Richtung geht, doch gleichzeitig ist sie auch deswegen notwendig, weil die Bundesregierung weiterhin nicht bereit ist, den Universitäten und Fachhochschulen ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, damit auch wirklich alle Studierenden studieren können, die das gerne wollen. Der Hochschulsektor braucht nämlich eines: einen breiten Sektor an Studierenden, viele Studierende aus verschiedenen Bevölkerungsschichten – und das bedingt, dass viele Leute aus allen Bevölkerungsschichten auch wirklich studieren können.

Ganz deutlich zu sehen ist das bei Studien wie zum Beispiel der Humanmedizin. Im Medizinstudium gibt es viele Studierende aus höheren Schichten, das ist seit der Einführung der Zugangsbeschränkungen massiv angestiegen. Wir haben auch das Problem, dass immer mehr Leute aus der Stadt Medizin studieren und weniger aus dem ländlichen Raum. Man sieht gerade bei uns – ich komme aus dem Innviertel –


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 89

ganz besonders, dass immer weniger Leute zurückkommen, um auf dem Land zu ordinieren. Meiner Meinung nach wird das draußen, auf dem Land, ganz besonders sichtbar.

Eine derart beschämend niedrige AkademikerInnen-Quote, wie wir sie gerade haben, muss eigentlich ein Antrieb sein, dass man jetzt noch mehr in die Zukunft investiert. Wir müssen mehr in diese Zukunftsinitiativen investieren, in die Studien, in die Universität, um den bildungsferneren Schichten den Zugang zu den Universitäten zu erleichtern.

Wir sind uns sicher, dass die Aufnahmetests, die eine etwas größere Treffsicherheit haben als eine Losentscheidung, Studienwillige vom weiteren Studium abhalten. Daher wird diese Novelle heute keine Zustimmung von den Grünen bekommen, wir stimmen dem Ganzen nicht zu. Es wäre viel sinnvoller, in umfassende und frühe Studien­beratungen an Universitäten und an der FH zu investieren, dadurch könnte man bereits die viel zu hohe Drop-out-Rate senken.

Die Treffsicherheit der Studienwahl muss erhöht werden. Da gäbe es zum Beispiel Schnupperwochen an den Unis und an den FHs. Zwar wird das, wie ich weiß, schon teilweise angeboten, aber gerade wenn man mit jungen Menschen redet, mit Acht­zehn- und Neunzehnjährigen – fragen Sie irgendwen! –: Die wissen nicht, was sie studieren möchten! Sie machen zuerst den Zivildienst oder das Bundesheer, und dann entscheiden sie sich spontan. Da ist eindeutig noch Potenzial da, um diesbezüglich etwas zu ändern, da müssen wir noch viel investieren. Wichtig wäre eine intensivere Betreuung speziell zu Studienbeginn, wir sollten darauf achten, dass Feedback-Gespräche geführt werden: Ist das Studium, das du machst, das richtige? Taugt dir das? Was könnte man sonst machen?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der zweite Bildungsweg, dieser muss noch leichter zugänglich werden. Das Selbsterhalterstipendium gehört meiner Meinung nach stärker angepasst – wir verharren dort schon seit Jahren auf der gleichen Ebene, was die finanziellen Mittel betrifft –, je nach der Situation: Wenn ein Student daheim wohnt, dann braucht er vielleicht nicht so viel Geld, aber wenn vorher schon Wohnung oder Haus und alles Mögliche vorhanden war, dann ist meistens eine zusätzliche Berufs­tätigkeit notwendig.

Ebenfalls ganz wichtig sind die Studienplätze an den FHs, und da müssen wir meiner Meinung nach noch viel mehr investieren. Gerade in Bezug auf den zweiten Bildungs­weg ist die FH wichtig, das muss noch vorangetrieben werden. Studienbeihilfe und Stipendium müssen erhöht und angepasst werden, damit wir zumindest den EU-Schnitt erreichen.

Aber es gibt auch andere Dinge, die in der Novelle enthalten sind, unter anderem ein Punkt, dem die Grünen nachgegangen sind; Sigi Maurer hat das gefragt: Was tun eigentlich Universitätsräte, was machen sie? – Sie halten vier bis fünf Sitzungen im Jahr ab und beziehen teilweise Vergütungen von bis zu 36 000 €. Das ist meiner Meinung nach für vier bis fünf Sitzungen eindeutig zu viel Geld, daher ist es wirklich gut, dass diesbezüglich reagiert wurde und in der vorliegenden Universitätsgesetz-Novelle eine Obergrenze vorgesehen ist. Wünschen würden wir uns jedoch, dass Sie als Minister einen konkreten Betrag als Obergrenze für Universitätsräte nennen. Schließlich muss Transparenz bei den Universitäten – egal, ob es um Rektoren- oder Uniratsbezüge geht – einen großen Stellenwert haben.

Es muss endlich etwas getan werden, damit das seit Jahren stagnierende Hochschul­budget aufgestockt und dem nicht mit einer Reduktion der Studierendenzahlen begeg-


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 90

net wird. Das würde ich mir wünschen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie der Bundesrätin Kurz.)

13.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Grimling. – Bitte.

13.27.27

 


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Unter den österreichischen Bildungseinrichtungen sind die Universitäten immer noch dieje­ni­gen mit dem größten Prestige und der längsten Entwicklungsgeschichte. Ein Wesens­zug einer Universität ist die große Vielfalt an Studieneinrichtungen und Fächern.

Eine andere Besonderheit der Universität ist es, dass sie auf zwei Säulen aufgebaut ist: Forschung und Lehre. Universitäten beschränken sich nicht darauf, nur Wissen zu vermitteln, sondern schaffen durch Forschung auch neues Wissen. Ein derart umfang­reiches Programm an Bildungsvorhaben ergibt immer wieder gesetzgeberischen Hand­lungsbedarf hinsichtlich Errichtung, Organisation und Zielsetzung, um den gesell­schafts- und wirtschaftspolitischen Anforderungen durch Anpassungen Rechnung zu tragen.

Die letzte umfassende Regelung aus dem Jahr 2002 in der derzeit geltenden, mehr­fach geänderten Fassung enthielt Maßnahmen wie: die Angleichung an den dreiglied­rigen Studienaufbau des Bologna-Prozesses in mehreren Fachrichtungen; besondere Aufnahmeverfahren  – sprich: Zugangsbeschränkungen – bis zum Jahr 2016; die per­so­nal­rechtliche Ausgliederung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des wissenschaft­lichen und allgemeinen Personals – alle Bediensteten, deren Dienstverhältnisse mit 2004 begonnen haben, unterlagen dem Angestelltengesetz, bis am 1. Oktober 2009 ein Kollektivvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Universitäten in Kraft trat, was mich als Gewerkschafterin und Personalvertreterin im Bildungsbereich besonders schmerzte.

Das nun im Nationalrat mehrheitlich verabschiedete Universitätsgesetz 2015 behält diese Regelungen im Wesentlichen bei. Darüber hinaus werden die Zugangsregeln bei einzelnen Studien bis 2021 verlängert und die Studieneingangs- und Orientierungs­phasen vereinheitlicht.

Als positive Maßnahme ist aber die übersichtliche Neufassung des Regelungsbereichs mit auszugsweise folgenden Neuerungen anzusehen: verbesserte Karrieremöglich­keiten für Universitätsdozentinnen und ‑dozenten sowie – wie bereits von meinen Vorrednern ausgeführt – assoziierte Professorinnen und Professoren; Erweiterung der Nachweise für die allgemeine Universitätsreife bei der Zulassung zum Studium; Schaffung von Erleichterungen für Studierende durch Änderung von studienrechtlichen Bestimmungen; Anpassung von organisationsrechtlichen Regelungen, zum Beispiel Befangenheitsregelungen für die Mitgliedschaft im Universitätsrat oder Regelungen betreffend die Wiederbestellung von Rektorinnen oder Rektoren.

Durch die Änderung des Forschungsorganisationsgesetzes werden auch das Öster­reichische Ärchäologische Institut in die Österreichische Akademie der Wissenschaften und das Institut für Österreichische Geschichtsforschung in die Universität eingeglie­dert. Beide Gesetze sollen 2021 evaluiert werden.

Meine Fraktion wird den vorliegenden Novellierungen ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.32



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 91

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Junker. – Bitte.

 


13.32.06

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Über die Novelle des Univer­sitätsgesetzes ist heute schon sehr viel gesprochen worden, und die Änderungen wurden gerade von Kollegin Grimling ziemlich genau Punkt für Punkt durchge­sprochen, also werde ich nicht alles wiederholen. (Präsident Kneifel übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich gehe im Zuge der Diskussion doch davon aus, dass wir alle den österreichischen Universitäten bei der Profilbildung und der qualifizierten Weiterentwicklung von For­schung und Lehre eine bestmögliche Unterstützung bieten wollen. Wenn wir das wollen, dann müssen wir für die Universitäten aber auch die dafür notwendigen opti­malen Rahmenbedingungen bieten. Mit der vorliegenden Änderung des Universitäts­gesetzes und des Forschungsorganisationsgesetzes geschieht genau das, werden doch alle wesentlichen Merkmale und Rahmenbedingungen des österreichischen Hoch­schulwesens und Forschungsprogramms weiterentwickelt und neu geregelt.

Unserem neuen Kollegen Stögmüller möchte ich sagen: Ich heiße ihn zwar sehr herzlich willkommen, aber dass die Ärzte durch das Studium in der Stadt verpatzt werden, das stimmt nicht. Dass die Ärzte nicht aufs Land gehen, hängt einfach auch mit dem Verdienst zusammen. Wenn ich als Arzt in eine kleine Gemeinde gehe, in der ich nicht einmal 5 000 Einwohner im Einzugsgebiet habe, dann ist es so: Pro Krankenschein bekomme ich 3,50 €. Wenn ich ganz toll und gut dokumentiere, sind das höchste Ausmaß im Quartal 45 €; das erreiche ich aber nicht mit einer Behand­lung, sondern da muss die Patientin oder der Patient des Öfteren zu mir kommen. Wenn einfach zu wenig Leute in einer Region wohnen, dann ist es schlicht nicht lukrativ, denn es ist Miete zu zahlen, ich brauche Personal, und unterm Strich bleibt nichts übrig. (Bundesrat Stögmüller: Ja ...!)

Dann interessiert es halt auch einen jungen Arzt, eine junge Ärztin nicht wirklich, auf dem Land zu arbeiten, wenn ihnen nichts übrig bleibt. Da brauchen Sie mir nichts zu erzählen! Ich kenne Ärzte, die auf dem Land arbeiten, und die fretten ganz schiach dahin, nehmen meistens dann noch andere Stellen an, haben dann nicht eine 35/40-Stunden-Woche, sondern meistens eine 80/90-Stunden-Woche, und dann reden wir alle von Familie und Beruf, und alles soll so neckisch sein: Das geht einfach schlicht­weg nicht, da muss auch mit der Ärztekammer, mit den Sozialver­siche­rungsträgern verhandelt werden, damit es attraktiv ist, als junger Mediziner auf dem Land zu arbei­ten. Das ist, so glaube ich, ganz wichtig. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Stögmüller und Winkler.)

Ich erspare Ihnen jetzt den Rest dessen, was ich mir sonst noch aufgeschrieben habe, und darf jetzt zum Schluss – (in den Unterlagen blätternd:) wenn ich das jetzt noch umdrehen kann – mit den Worten unseres Vizekanzlers enden, der in einer Presseaus­sendung wie folgt zitiert wurde:

„Insgesamt bringt die Novelle weiterführende Regelungen, die einerseits Steuerung im Universitätsbereich ermöglichen, die Qualität der Lehre verbessern, die Relation zwischen Betreuenden und Betreuern in bessere Bahnen bringen und neue Karriere­möglichkeiten schaffen.“

Stimmen wir alle zu! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.36



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 92

Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


13.36.10

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir besprechen heute zwei Tagesordnungspunkte, die inhaltlich miteinander zusam­men­hängen; im chronologischen Ablauf ist eigentlich sogar Tagesordnungspunkt 5 der vorgelagerte und die Grundlage dafür, dass wir dann die Zugangsregelungen gemein­sam mit dem Koalitionspartner verhandelt und im Nationalrat auch neu beschlossen haben.

Ich möchte ein paar Vorbemerkungen machen, die ich unmittelbar an die Aus­führungen des jungen Kollegen Stögmüller anknüpfen darf. Zunächst: Gratuliere zur Rede! Sie war rhetorisch und auch sonst wunderbar, aber das befreit Sie nicht davon, dass auch die Inhalte den Fakten entsprechen sollten. Da muss ich Ihnen schon sagen: Wir haben in Österreich eigentlich ein recht großzügiges System, wir haben im Wesentlichen keine Studienbeiträge – mit Ausnahme einiger Fachhochschulen, da gibt es die –, aber im Großen und Ganzen ist das ein Angebot, das der Staat mit den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern den entsprechenden Bürgern macht. In anderen Ländern gibt es andere Steuerungsinstrumente wie Studienbeiträge und Ähnliches mehr. Österreich hat auch – das haben Sie, glaube ich, sogar erwähnt – ein sehr großzügig ausgerichtetes Angebot, was die einzelnen Fächer anbelangt.

Auch die Aufteilung – auf der einen Seite die eher praktisch orientierte Fachhoch­schulausrichtung und auf der anderen Seite die Lehre und Forschung an den Universitäten – ist eigentlich eine gute Grundlage. Das hat auch dazu geführt – und jetzt dazu, was Sie gesagt haben –, dass sich die Fakten so entwickelt haben: Wir hatten beispielsweise im Jahr 2004 195 763 Studenten, im Wintersemester 2014 277 678 Studenten; das sind rund 80 000 Studenten in dem Zeitraum mehr. Daher ist es nicht richtig, dass wir in der Vergangenheit oder in den letzten Jahren eine abnehmende Anzahl von Studenten und Studentinnen gehabt haben, vielmehr ist die Anzahl gestiegen.

Was wir aber erreicht haben, und das vor allem durch die Zugangsregelungen, ist eine bessere Qualität, weil wir eine sorgsamere Auswahl der jeweiligen Studien durch die Interessierten gehabt haben. Weil Sie gesagt haben, es gebe da nichts, das Wichtigste wären nicht die Zugangsregelung und die Studieneingangs- und Orientierungsphase, sondern die entsprechende Information, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Wenn ich das mit früher vergleiche, dann haben wir da eine ganz breite Palette, angefangen mit der Berufsinformationsmesse, wo wir auch das Angebot der Universitäten und Fachhochschulen darstellen. Es gibt Informationsveranstaltungen der Universitäten und der Fachhochschulen bei jedem Standort, das haben Sie, so glaube ich, auch erwähnt. Es gibt gemeinsame Programme mit der Hochschülerschaft wie „Studieren Probieren“ oder Maturaberatung, es gibt den „Berufs- und Studienchecker“ von unserem Ministerium, eine umfangreiche, individuelle Beratung, und noch vieles mehr, womit ich Sie jetzt nicht in aller Breite und Tiefe langweilen möchte. Im Endeffekt haben wir ein gutes Angebot, was die Berufsinformation anbelangt.

Es gibt – und das ist jetzt auch die Grundlage für die Neuregelung durch das Gesetz – eine positive Auswirkung der Zugangsregelung. Wir haben ja in verschiedenen Fächern Zugangsregelungen, und unter anderem wird im Tagesordnungspunkt 5 angesprochen: Was haben die Zugangsregelungen bewirkt?

Im Endeffekt haben die Zugangsregelungen in allen Fächern bewirkt, dass die Ver­bindlichkeit, ein Studium gewählt zu haben und dann auch in dem Studium zu bleiben,


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 93

deutlich zugenommen hat. Das hat sich, wenn man sich das anschaut – wir haben diese Vorgangsweise und alles evaluiert, Herr Pisec hat es angesprochen –, insbe­sondere auch im Bereich des Medizinstudiums gezeigt; es hat sich also im Endeffekt beispielsweise die Studiendauer um zwei Semester verkürzt und die Drop-out-Quote wurde beträchtlich gesenkt. (Zwischenruf bei den Grünen.) – Ja, ist das nichts?

Das Argument ist von Kollegin Junker schon angesprochen worden: Der Grund, dass jemand das Erlernte nicht ausübt, liegt nicht darin, ob Leute vom Land oder aus der Stadt Medizin studieren, sondern der Grund, warum jemand das dann nicht ausübt, sind einfach die größere Attraktivität, die bessere Bezahlung und die bessere Lebens­qualität im Stadtbereich. Daher muss man dann, um den Wünschen der Regionen auch zu entsprechen, dort seitens der Gemeinden und anderer Benefits schaffen, um das attraktiver zu machen. Teilweise tun wir das auch, und das alles ist im Prinzip unterwegs, soweit es auch mit EU-Bestimmungen vereinbar ist.

Wir haben eine einzige negative Tendenz gehabt, was die ganze Evaluierung anbe­langt, und die möchte ich nicht verschweigen – Sie haben es hier angesprochen –: Im Medizinbereich haben wir einen Anstieg des Studierendenanteils mit Akademikerinnen und Akademikern als Eltern gehabt, und damit eben einen unerfreulichen Trend, was die soziale Dimension anbelangt. In allen anderen Bereichen – wir haben fünf Fächer laut § 14h und noch andere gehabt – hat sich diese soziale Auswirkung nicht ergeben. Da muss ich allerdings dazusagen, dass wir die einzelnen Zugangsregelungen im Medizinbereich schon zehn Jahre haben; daher ist das vielleicht etwas aussage­kräftiger. Es hat aber auch schon jemand von Ihnen angesprochen, dass im Jahr 2021 auch für die anderen Fächer mit Zugangsregelungen die nächste Evaluierung vorliegen soll.

Aus all dem Gesagten ergeben sich die drei Komponenten der jetzt vorliegenden Novelle. Im Wesentlichen hat die Novelle zum Inhalt, dass wir die Zugangsregelungen nur im Bereich der §-14h-Fächer – also Architektur, Informatik und so weiter; Sie wissen es im Detail aus der Vorlage – neu geregelt und fortgesetzt haben. Diese fünf Fächer sind also geblieben. Die Frage war, ob man noch andere Fächer wie Rechts­wissenschaften hinzunimmt. Das haben wir nicht getan. Das war ein Kompromiss, aber ein Kompromiss im Rahmen des Bestehenden ist für uns schon eine sehr positive Lösung.

Was Medizin anbelangt, werden wir 2016 die Notwendigkeit haben, das neu zu regeln. Ich glaube aber, insgesamt ist das ein vertretbarer Kompromiss. Es sind auch die Auswirkungen geregelt worden, es wurde für die Studieneingangs- und Orientierungs­phase geklärt, was den Stoffumfang, das Vorziehen von Prüfungen und anderes anbelangt. Das bedeutet mehr Klarheit und bessere Transparenz für die Studierenden, aber auch bessere Betreuungsrelationen.

In Wirklichkeit gibt es also ein Steuerungsinstrument, ohne dass jemand hinausgeprüft werden musste, und eine bessere und sorgfältigere Auswahl, sodass man nicht mit etwas anfängt, dann etwas anderes weitermacht und somit Ressourcen in Anspruch nimmt, sondern das, was man gewählt hat, beendet, weil man es sich sorgfältig über­legt hat. In vielen Fällen – das haben wir eben durch die Studie auch nachgewiesen – erhöht sich die Verbindlichkeit, das Studium auch entsprechend zu absolvieren.

Eine zweite Komponente und Inhalt der Novelle ist das sogenannte Tenure-Track-System. In diesem Zusammenhang war die Rede – ich muss jetzt in Ihrer Diktion bleiben, Herr Pisec – von Herrn Bundesrat Pisec – man kann nicht sagen, recht gut – gar nicht so schlecht. (Bundesrat Mayer: Überraschend gut! – Ironische Heiterkeit der Bundesräte Mayer und Schreuder.) Sagen wir also so: Sie hat mir recht gut gefallen, weil Sie das sehr richtig angesprochen haben. Es ist eine Idee, die schon länger da ist.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 94

Die Umsetzung hat natürlich nichts damit zu tun, ob das Max Weber schon gesagt oder nicht gesagt hat, sondern die Umsetzung hängt mit der Auseinandersetzung zusam­men, dass natürlich die Kurie der jetzt schon existenten und im System befindlichen Professoren nicht unbedingte begeistert ist, wenn alle anderen, die Jüngeren, schon bestimmte Stellen zugewiesen bekommen. Das muss eben nach der Gesetzesnovelle der Rektor auch in Übereinstimmung mit den anderen definieren.

Wie auch immer: Das ist natürlich eine Riesenchance für die Jüngeren, im Univer­sitätsbereich zu verbleiben und auch eine schon gesicherte Karrieremöglichkeit, einen Karrierepfad mit entsprechend definierten Stellen zu sehen. Daher ist das ein wirklich großer Fortschritt, den in dem Zusammenhang auch die Hochschülerschaft beispiels­weise so bezeichnet hat.

Eine dritte Komponente in diesem Zusammenhang ist – da es auch immer größere Universitäten mit managementmäßigen Anforderungen gibt –, dass es jetzt auch dort eine Neuregelung, die sozusagen den Rahmen anbelangt, gibt. Da ist gerade unter anderem von Herrn Stögmüller angesprochen worden, dass wir bei den Räten bei­spiels­weise die Bandbreite regeln, wie hoch denn jetzt die entsprechende Honorierung sein sollte. Manche wie die Wirtschaftsuniversität honorieren die Räte mit 0 €, manche kriegen noch mehr, als Sie angesprochen haben – lassen wir es als Ratespiel offen, wer das ist. In dem Zusammenhang ist die Frage interessant, ob man das regeln sollte. Wir werden das im Rahmen einer Verordnung regeln. Wenn es eine Verordnung gibt, dann wird es natürlich eine Obergrenze geben müssen.

Eine offene Frage, die Sigi Maurer dann auch mehrmals releviert hat, war, ob wir auch die Rektoren regeln sollen. Da haben wir uns entschlossen, dass wir das nicht wollen und dass das im Rahmen der universitären Autonomie zu klären ist. Die haben ohnehin Transparenznotwendigkeit und müssen das darstellen, die sollen das auch selbst verantworten. Sie haften ja auch dafür, dass die Universität einigermaßen ausgeglichen bilanzieren kann.

Herr Bundesrat, jetzt komme ich wiederum zu den Fakten: Es ist unrichtig, dass die Budgets der Universitäten gekürzt werden oder diese verminderte Möglichkeiten haben, sondern die Universitäten sind einige der ganz wenigen Einrichtungen – auch der Staat ist gescheiter geworden –, bei denen man im Zusammenhang mit Spar­notwendigkeiten nicht kürzt oder nicht entsprechend weniger erhöht. Wir haben für die nächste Leistungsvereinbarung für drei Jahre Erhöhungen um 615 Millionen €. Da Sie beispielsweise sehen, dass die Inflationsrate bei 1,2 Prozent liegt, erkennen Sie, dass das weit über der Inflationsrate liegt.

Natürlich muss ich auch bei lieb gewordene Tätigkeiten im Rahmen dieser Neuaus­richtung hinterfragen, fragen, ob sie noch notwendig sind. Damit kann ich aber gestal­ten, damit muss ich niemandem kündigen oder etwas anderes tun – auch das ist natürlich ein Hintergrund. Wir haben die Forschung gestärkt und die Aufwendungen dort erhöht, dass man sagen kann – wir könnten noch besser sein –, wir sind eigentlich auf einem recht guten Weg, und Kürzungen sind in dem Zusammenhang wirklich das falsche Wort.

Herr Bundesrat Pisec, was Ihre Kritik an der Zuordnung des Instituts für Öster­reichische Geschichtsforschung zur Uni Wien anbelangt: Das schaut dann irgendwie so willkürlich aus, wenn man das eine Institut an die Akademie, das andere Institut an die Universität angliedert; aber das entspricht einer Anregung – von wem? – vom Rechnungshof, den Sie immer ganz gern zitieren. Dieser hat das im Jahr 2012 gefor­dert, und das hat auch einen sachlichen Hintergrund, nämlich dass dort ein inhaltlich stimmiger Zusammenhang mit den dort vorhandenen Instituten besteht, denn das Institut bietet auch einen eigenen Lehrgang an – Geschichtsforschung, Historische


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 95

Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft. Im Endeffekt ist daher die Integration des IÖG in die Uni Wien ein logischer Schritt zur Optimierung der Lehre, und damit wird auch eine kritische Masse geschaffen: Einerseits wird damit an der Uni die Grund­lagenforschung eingegliedert, andererseits schafft dann die Uni Wien thematische Spezialprojekte. Es wird also eine kritische Masse in der Forschung, wie ange­sprochen, geschaffen, und das ist vernünftig. Falls Sie das für nicht vernünftig halten, dann müssen Sie dem Rechnungshof schreiben. (Bundesrat Pisec: Das ist in der Akademie auch vorhanden! Das gibt es schon alles!)

In der Akademie der Wissenschaften sind die anderen Institute eben nicht in dem Ausmaß enthalten, wie es an der Uni Wien der Fall ist. Wenn ich dort sozusagen einen Zusammenhang habe zwischen Grundlagenforschung und Spezialprojekten, dann ist das an sich ein sinnvoller Vorgang.

Für nicht sinnvoll erachte ich die Kritik am Wirtschaftsmuseum. Das hat jetzt mit der Novelle nichts zu tun, das Museum wird damit auch nicht gefördert, und auch sonst besteht kein Zusammenhang. Es sind private Träger von im Prinzip institutionellen Einrichtungen, und im Endeffekt muss sich dort der Kurator oder wer auch immer mit den Inhalten auseinandersetzen, aber nicht der Bundesrat – Sie können es als Be­sucher anregen – und auch ich nicht. Ich kenne jetzt die Kritikpunkte nicht. Wenn Sie das sagen, dann gehen wir dem gerne nach, um das auszumerzen, falls es offensicht­liche statistische Fehler gibt. Es ist aber nicht unsere Angelegenheit, es ist nicht unser Thema, und daher soll es auch damit beendet sein.

Ich komme noch einmal zurück zu den beiden Punkten: Ich bin der Ansicht, dass die Novelle einerseits die Autonomie der Universitäten in einem relativ großen Ausmaß unberührt und damit auch den Gestaltungsspielraum offen lässt, auf der anderen Seite aber sehr vernünftig ist, was die öffentliche Hand, was Karrieremöglichkeiten, Manage­mentsystem und Rahmenbedingungen anbelangt. So haben es auch die meisten gesehen. In dem Sinn hoffe ich auch, dass die meisten heute zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

13.49

 

13.49.31

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Forschungsorganisationsgesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Berichtskonvolut zu den Evaluierungsverpflichtungen nach § 143 Universitätsgesetz 2002 hinsichtlich zugangsgeregelter Studien.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 96

13.50.476. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG 1992) geändert wird (806 d.B. und 832 d.B. sowie 9455/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Ich bitte um den Bericht.

 


13.51.03

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Ich berichte aus dem Wirtschaftsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Elektrotechnikgesetz 1992 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Oktober 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


13.51.51

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man ehrlich ist, besteht zu dieser Novelle eigentlich nicht wirklich intensiver und erhöhter Diskussionsbedarf. Bei der Durchsicht der Protokolle des Nationalrates ist mir nur etwas aufgefallen: Ich musste etwas schmunzeln, weil ein Abgeordneter der Opposition wohl Elektro mit Energie verwechselt hat und dann eine Rede zur Energiepolitik in Österreich gehalten hat. Ja, das kann er beim nächsten Mal bei einem anderen Anlass sicher auch gerne tun. (Bundesrat Schreuder: Manche verwechseln auch Klima mit Wetter!) Hier geht es aber um etwas anderes. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Genau, Herr Schellhorn. Ich wollte jetzt den Namen aus Höflichkeit nicht sagen. (Bundesrat Mayer: Er stand wohl unter Strom!) Genau.

Also gut, ich komme zu dieser Novelle: Wir setzen mit dieser Novelle eine europäische Richtlinie um, die anstrebt, dass europaweit gleiche, einheitliche Marktbedingungen herrschen, dass also vom Toaster bis zur Waschmaschine einheitliche Bedingungen herrschen und dadurch auch der europäische Binnenmarkt in diesem Bereich besser funktionieren kann. Es wird also sichergestellt, dass dieser Toaster, diese Wasch­maschine, also Elektroerzeugnisse, die nicht EU-konform sind, auf dem ganzen EU-Markt gleich behandelt werden. Wenn also ein Produkt in einem Mitgliedstaat nicht zugelassen wird, dann gilt das auch gleich für alle anderen Mitgliedstaaten.

Übrigens hat auch unser Nachbarland Schweiz als Nicht-EU-Mitglied diese Richtlinie ins nationale Recht übernommen. Ich stelle mir das dann so vor: Wenn ich bei meinen Eltern sitze, die in die Schweiz hinüberschauen, und es explodiert ein Toaster in der Schweiz, dann kann ich mir sicher sein, dass der dann aus dem Handel genommen wird. Das ist doch sehr beruhigend – auch für mich.

Der Importeur ist in Zukunft dafür verantwortlich, dass der Hersteller seine Produkte überprüfen lässt. Das macht durchaus Sinn, weil der Hersteller natürlich genauer darüber Bescheid weiß, wie die technischen Spezifikationen und Besonderheiten aus-


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 97

sehen – also besser als der Handel –, und dadurch können in weiterer Folge auch etwaige Fragen der Kontrollbehörden wesentlich zügiger und besser beantwortet werden. Das ist also ein Zeitgewinn, aber auch ein großer Qualitätsgewinn sowohl für den Handel als auch für die Industrie, aber schlussendlich auch für uns als Konsu­menten.

Mit diesem Zeit- und Qualitätsgewinn kann vielleicht auch gleich von vornherein ein etwaiges Stereotyp entkräftet werden – also: Nein, es kommt zu keiner Bürokratisie­rung trotz der Umsetzung dieser EU-Richtlinie. Ganz im Gegenteil: Durch eben den erwähnten Qualitätsgewinn, den Zeitgewinn, der hier entsteht, aber auch den Aufbau einer EU-weiten Datenbank – das habe ich im Ausschuss auch sehr interessant gefunden – kommt es sogar zu einer Vereinfachung.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch beim Leiter der Abteilung Elektrotechnik, Herrn Dipl.-Ing. Dittler, bedanken, der uns im Ausschuss wirklich sehr kompetent zur Verfü­gung gestanden ist, und daher konnte eine entsprechend anregende Diskussion stattfinden. Wir stimmen dieser Novelle selbstverständlich zu. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Längle und Zelina.)

13.55


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


13.55.18

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Wie mein Vorredner schon gesagt hat, gibt es in dieser Thematik wenig unterschiedliche Sichtweisen und daher auch nicht sehr viele inhaltliche Debattenbeiträge. Ich möchte nur noch einmal auch unterstreichen, dass die Harmoni­sie­rung technischer Normen sicher im Interesse vieler ist – der Hersteller, der Impor­teure, der Händler, aber auch der Konsumenten –, weil letztendlich alle davon profitie­ren, wenn nicht EU-konforme Erzeugnisse im ganzen EU-Raum auch gleich behandelt werden. Das sichert einheitliche Marktbedingungen und ist somit letztendlich auch ein Beitrag gegen unlauteren Wettbewerb. Das kann auch positive Impulse für eine Ver­bes­serung der Energieeffizienz bringen, was letztendlich gleichfalls uns allen nützen würde. Eine erhöhte Transparenz bei der Normengestaltung ist sicherlich im Interesse der Konsumenten, und da haben wir sicherlich noch Luft nach oben.

In diesem Sinn gab es eine jahrelange Diskussion zu diesem Thema und gibt es eine Beschlussfassung, die wir nun auch auf nationaler Ebene nachvollziehen sollen und müssen. Meine Fraktion wird daher natürlich zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.56


Präsident Gottfried Kneifel: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Samt. – Bitte.

 


13.56.55

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Als Techniker und auch in diesem Markt Tätiger kann ich nicht sagen, dass man gar nichts oder fast nichts dazu sagen kann. Wenn man sich allerdings die Textgegenüberstellung des bestehenden und des jetzt neuen Gesetzestextes, den wir hier heute beschließen, anschaut, weiß man, dass hier Hand­lungsbedarf gewesen ist. Man kann also, wenn man sich das jetzt wirklich aufmerksam anschaut, feststellen, dass das Elektrotechnikgesetz auch mit dieser Novellierung in Europa angekommen ist.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 98

Die rasende Entwicklung in der Elektronik und damit auch in der Elektrotechnik gibt natürlich vor, dass hier Handlungen gesetzt werden, vor allem im Hinblick auf die Tat­sache, dass wir auch seit dem österreichischen Beitritt zur EU damit konfrontiert waren, dass Elektrogeräte, die bei uns in Österreich in Betrieb gesetzt werden sollen oder können oder auch in den Verkauf gelangen, grundsätzlich Bedingungen ent­sprechen müssen – so, wie es vor unserem Beitritt war. Es wird sich nämlich jeder daran erinnern: ÖVE, ÖNORM und sonstige Kennzeichen waren Voraussetzung, damit das Ding hier bei uns betrieben werden kann. Voraussetzung war damals natürlich, dass das ein österreichisches Institut begutachtet, und zwar jedes Gerät, das hier in Verkehr gebracht worden ist.

Das ist natürlich in einem europäischen und in einem Unionswirtschaftraum praktisch nicht mehr durchführbar – entweder wegen Wettbewerbsverzerrungen oder einfach vor dem Hintergrund, dass nicht jedes Gerät, das in Europa erzeugt wird oder auch in Übersee erzeugt wird, hier einer Einzel- oder Typenprüfung unterzogen werden kann. Diese Dinge sind aufwendig, kostenintensiv, langwierig und natürlich auch für den Hersteller nicht wirklich eine gute Geschichte. Die CE-Konformitätserklärung der Hersteller und der Inverkehrbringer auf dem Unionsmarkt verlangt natürlich trotzdem eine Überwachung oder eine Überprüfung dieser Geräte, weil das Elektrotechnikgesetz auch als Gesetzestext existiert und gefährliche Dingen passieren können.

Wir wissen natürlich auch, dass durch die CE-Kennzeichnung, mit der der Hersteller feststellt oder bekannt gibt, dass sein Gerät den Unionsbestimmungen entspricht, der Markt in den letzten Jahren größer geworden ist, die Geräte zum großen Teil billiger geworden sind, aber die Qualität nicht wirklich nach oben gegangen ist.

Unsere Meinung ist, dass eine qualitativ hochwertige Bewertungsstelle ganz wichtig ist. Die im Gesetz verankerten Voraussetzungen dafür, die sehr detailliert angeführt sind – was diese akkreditierte Bewertungsstelle können muss und wie sie aufgebaut sein muss –, sind ein Garant dafür, dass wirklich auf Qualität geachtet wird. Es ist für die Konsumenten wichtig, dass wir sicher sein können, dass die Dinge, die in Verkehr gebracht werden, auch tatsächlich funktionieren und nicht gefährlich oder einfach nur billig sind und nicht so funktionieren, wie sich der Konsument das vorstellt.

Wir haben es im Ausschuss besprochen: Was interessant sein wird, ist die Reaktions­zeit der Akkreditierungsstellen beziehungsweise dieser Normierungsstellen. Wir müs­sen gewährleisten können, dass ein Gerät, das den Bedingungen und Bestimmungen oder den Gesetzen tatsächlich nicht entspricht, schnellstens vom Markt genommen wird. Wir haben versucht, das über die Lichtgeschwindigkeit zu definieren. Das wird es nicht ganz spielen, vor allem nicht in dem Bereich, wo geprüft wird. Da wird es einfach dauern, bis ein Gerät ordnungsgemäß geprüft worden ist. Danach wird es im Zeitalter des Internets und der weltweiten Vernetzung sicher schnell gehen.

Zusammengefasst: Aus unserer Sicht ist das eine sehr gute Novellierung des Elektro­technikgesetzes. Es ist eine ganz wichtige Änderung, die von uns auch Zustimmung erfährt. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Kurz.)

14.01


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


14.01.38

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Besser als Herr Bundesrat Samt das gerade dargestellt hat, kann ich es nicht sagen. Da merkt man: Sachverstand schadet nirgends, in keinem Gremium. Ich danke Ihnen für diese


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 99

Darstellung! Sie war einfach interessant und aufschlussreich und hat, meine ich, alle überzeugt. (Beifall bei Bundesräten der FPÖ.)

Es ist scheinbar eine kleine Novelle, aber in Wirklichkeit ist es, was die Auswirkungen anbelangt, eine sehr vernünftige Angelegenheit, weil da vereinheitlicht wird. Dadurch kann man sich auf eine bestimmte Qualität verlassen.

Etwas war interessant an der ganzen Diskussion: Viele beginnen jede Diskussion damit, dass es die Umsetzung einer EU-Richtlinie ist, und daher muss das automatisch mit einem Eingriff der EU verbunden und bürokratisch, kostenaufwendig und unsinnig sein.

Irgendwie hat sich dann in der Diskussion herausgestellt, dass es genau das Gegenteil davon ist. Diese Novelle bringt eigentlich sogar eine Entlastung der Händler und keine neue Belastung. Sie bringt vor allem auch mehr Sicherheit für den Konsumenten, aber keine höheren Kosten.

Im Endeffekt, wenn man das zusammenfasst, könnte man sagen: Wären alle unsere Vorlagen so, dass man sagen kann, damit sind hauptsächlich Vorteile verbunden, dann könnten wir das nur begrüßen. In diesem Sinn hoffe ich auch auf breite Zustimmung. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

14.02

 

14.02.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.03.307. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Beteiligung der Republik Kroatien am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen (784 d.B. sowie 9456/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Poglitsch. Ich bitte um den Bericht.

 


14.03.55

Berichterstatter Christian Poglitsch: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe Ihnen den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Beteiligung der Republik Kroatien am Europäischen Wirtschaftsraum samt Schluss­akte einschließlich der dieser beigefügten Erklärungen.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Oktober 2015 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 100

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


14.05.00

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Überein­kommen über die Beteiligung der Republik Kroatien am Europäischen Wirtschaftsraum ist festgelegt, welche Änderungen im Zusammenhang mit der EWR-Erweiterung am EWR-Abkommen vorgenommen werden.

Der Großteil der Änderungen stammt aus dem Vertrag über den Beitritt der Republik Kroatien zur EU laut Beitrittsakte vom 9. Dezember 2011 – ergänzt und im Sinne des EWR-Abkommens definiert. Die Verhandlungen zur Erweiterung des EWR wurden bereits am 15. März 2013 eröffnet. An ihnen nahmen die EWR/EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen sowie Kroatien teil. Auf EU-Seite wurden sie von der Europäischen Kommission im Namen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten auf Basis eines Rates der EU verabschiedet, der das Verhandlungsmandat für die EU geführt hat. Das Überreinkommen über die Beteiligung Kroatiens am Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt gemäß Art. 6 Abs. 1 der Ratifikation durch die EU-Mitglied­staaten. Betreffend alle anderen Verhandlungen haben die Mitgliedstaaten kein Be­schluss­recht.

Die vollständige Integration Kroatiens in die Wirtschaftsgemeinschaft der europäischen Staaten ist zu begrüßen und kommt vor allem auch Österreich zugute. Österreich ist der größte Auslandsinvestor in Kroatien, und es ist ja auch in unserem Interesse, wenn Kroatien gleichberechtigter Partner wird. Im ersten Halbjahr hat Österreich bereits im Wert von 320 Millionen € exportiert und im Wert von 115 Millionen € importiert. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kroatien lässt sich mit Sicherheit noch weiter ausbauen und schafft beziehungsweise sichert auch Arbeitsplätze.

Der Vollbeitritt Kroatiens ist darüber hinaus ein wichtiges Signal. Mögen es auch die restlichen Balkanländer als Signal auffassen und darauf eingehen, dass bei ent­sprechen­dem Reformwillen und einer Annäherung an europäische Grundwerte die vollständige Integration in die EU erfolgen kann.

Heißen wir Kroatien willkommen! Wir wünschen uns, dass dem auch die anderen Balkanstaaten folgen! – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.07


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Fetik. – Bitte.

 


14.07.47

Bundesrätin Ilse Fetik (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Auch da kann ich mich den Ausführungen meiner Vorrednerin nur anschließen.

Ich möchte sie vielleicht mit wenigen Sätzen ergänzen: Aus meiner Sicht geht es mit dem Beitritt Kroatiens um ein Stück mehr gemeinsamen Markt. Österreich erwartet sich davon auch weitere Vorteile in verschiedenen Gesprächen und Verhandlungen, wenn es um österreichisch-kroatische Themen geht. Ich nenne als Beispiel auch das Atom­kraftwerk.

Ich meine, auf Österreich kommen dadurch keine Kosten zu, und daher sollten wir diesen Antrag gemeinsam entsprechend unterstützen. Meine Fraktion tut das jedenfalls. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.08


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Samt. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 101

14.08.46

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Wirtschaftsbeitritt – sozusagen Kroatien am Unions­markt – ist eine logische Folge. Dadurch kann sich Kroatien als neues EU-Land wirt­schaftlich auch gleich wie alle anderen Mitgliedstaaten bewegen.

Dem gibt es unsererseits nicht sehr viel hinzuzufügen – nichts, das heute nicht schon gesagt worden ist, allerdings mit Ausnahme einer Tatsache. Das Stichwort hat die Kollegin gerade genannt: Unsere südlichen lieben EU-Nachbarn Kroatien und Slowe­nien betreiben gemeinsam ein Kraftwerk in Krško mit jeweils 50 Prozent Beteiligung. Aufgrund der dort verwendeten Technologie und den doch stattgefundenen Störfällen in der Vergangenheit kann man es nicht wirklich als sehr modernes Kraftwerk sehen.

Das Kraftwerk ist 1983 in Betrieb gegangen und hat eine Kernlaufzeit von 40 Jahren. Es läuft also noch acht Jahre.

Ganz wichtig ist, dass Österreich zusammen mit der Europäischen Union dafür sorgt, dass uns nicht spätestens 2023 ein neues Atomkraftwerk dort sozusagen vor die Haustüre gestellt wird. Es ist immerhin nur 130 Kilometer von Graz entfernt.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Aktuelle Stunde im steirischen Landtag. Die Kolleginnen und Kollegen der Grünen haben das damals eingebracht. Seitens des damaligen SPÖ-Landeshauptmannes Voves hat es geheißen, dass er als Vertreter der steirischen Landesregierung – aber auch gemeinsam mit der Bundesre­gie­rung – nichts unversucht lassen wird, um auf EU-Ebene einen Meinungsbildungs­prozess – das hat er wortwörtlich gesagt – herbeizuführen und auf beide Länder einzu­wirken.

Ich frage Sie: Was ist in den letzten fünf Jahren geschehen? Vielleicht können Sie uns etwas dazu sagen. Gibt es jetzt im Rahmen dieser wirtschaftlichen Beziehungen Gespräche dazu? Der ehemalige Außenminister und damalige Vizekanzler Dr. Spin­del­egger hat anlässlich einer Besprechung im steirischen EU-Ausschuss gesagt, dass er damals bei den Beitrittsverhandlungen dieses Thema nicht aufgreifen konnte. Man könne sozusagen einem neu hinzugekommenen Mitgliedsland nicht gleich mit der Keule drohen. Ich denke, dass er das auch missverstanden hat. Das sollte keine Drohung sein.

Gerade Österreich sieht sich vor allem im Bereich der alternativen Energien sehr gerne als Vorreiter und ist wahrscheinlich in keiner schlechten Position, um Angebote zu machen, wie diese beiden neuen EU-Länder aus dem Dunstkreis der Atomstromer­zeugung herauskommen können. Ich glaube, wir hätten sehr gute Voraussetzungen dafür.

Wir sind eine EU-kritische Fraktion, aber trotzdem oder auch gerade deswegen für die Aufnahme von Kroatien in diesen Wirtschaftsraum, weil es ja auch eine logische Schlussfolgerung zur EU-Mitgliedschaft ist. Wir werden zustimmen.

Ich bitte Sie aber trotzdem, das Thema Krško für die Österreicher, aber natürlich auch für die Bevölkerung von Slowenien und Kroatien, nicht aus den Augen zu verlieren. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

14.12

 


Präsident Gottfried Kneifel: Nächster Redner: Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


14.12.31

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen und nur Folgendes sagen: Wir müssen uns schon historisch gesehen freuen, wenn eines der Balkanländer weiter


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 102

in die europäische Familie integriert und aufgenommen wird, wenn man bedenkt, dass dort vor 20 Jahren ein Krieg beendet wurde. Daher halte ich es tatsächlich für einen ganz besonderen Anlass, Freude auszudrücken.

Eines haben schon die alten holländischen Kaufleute gewusst: Menschen, die mit­einander Geschäfte machen, führen keinen Krieg gegeneinander. Man kann es auch so sehen, dass dieser Freihandelsraum gleichzeitig Prävention ist.

Von Churchill gibt es ja wunderbare Balkanzitate. Unter anderem hat er auch einmal gesagt: „Der Balkan produziert mehr Geschichte, als er verbrauchen kann.“ Ich finde, das ist ein schöner Satz.

Churchill hat auch gesagt, dass der Balkan der Bauch Europas ist, im Sinne von: Dort sind wir am meisten angreifbar, dort ist sozusagen die Schwachstelle Europas. Das hat er immer so gesehen. Natürlich ist das aus seiner Zeit heraus betrachtet logisch, wenn man an den Ersten Weltkrieg denkt und daran, wie das so entstanden ist.

Umso wichtiger ist es, dass wir nach Kroatien natürlich auch die weiteren Länder am Balkan in die europäische Familie integrieren: Serbien, Albanien, den Kosovo, Maze­donien, Montenegro. Diese Staaten gibt es natürlich aufgrund dieser vielen Konflikte. Diese Staaten sind aus dem ehemaligen Jugoslawien entstanden, sozusagen ausei­nan­dergefallen.

Da ist es schon eine große europäische Aufgabe, auch integrativ zu arbeiten. Man kann sich wirtschaftlich freuen, wie das die Vorrednerin ja gemacht hat, aber man sollte das eben auch als Friedensprojekt betrachten. So betrachte ich das. In diesem Sinne freuen wir uns heute. Herzlich willkommen Kroatien!

Mich wundert ehrlich gesagt nur Folgendes: Der EWR ist ja ein Vertrag zwischen den EFTA-Staaten ohne die Schweiz und der Europäischen Union. Mich wundert, dass ein Land, wenn es Mitglied der Europäischen Union wird, nicht sozusagen zwangsläufig und automatisch auch Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes wird. Es wäre ja eigentlich logisch, wenn das ohnehin ein Vertrag zwischen der EU und den EFTA-Ländern ist, dass das einen gewissen Automatismus hätte.

Aber seis drum, wir stimmen natürlich gerne zu. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

14.15


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


14.15.23

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Schreuder, genau darum geht es eigentlich. Die Freudenausbrüche sind zwar nett, aber an sich nicht angebracht, denn es geht nicht darum, jetzt den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union zu begründen, zu feiern, oder daraus irgendwelche sonstigen Ableitungen zu treffen. Sie haben es ja selbst gesagt: Es geht um den Beitritt zum EWR. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Sie haben es am Schluss richtig gesagt.

Der Beitritt zum EWR ist eine Formalangelegenheit, die im Vertrag an sich auch schon vorgesehen ist. Das heißt, das ist nichts anderes als ein Formalakt. Im Unterschied dazu, was in den anderen Reden angeklungen ist, hat das im Wesentlichen nichts mit einer Erweiterung der Möglichkeiten für Österreich zu tun, sondern betrifft aus­schließlich die Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein, die mit ihren Finanz­beiträgen da und dort auch bessere Möglichkeiten für Projektfinanzierung in Kroatien


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 103

schaffen. Aber ansonsten wird dadurch nichts und null geändert, außer dass man viel­leicht die Ableitung treffen kann, dass, wenn der EWR jetzt insgesamt stärker ist, auch Österreich von dieser Gesamtstärke indirekt profitieren könnte.

Daher bitte ich Sie auch, alle Ableitungen betreffend Kraftwerke oder anderes bei anderer Gelegenheit abzuhandeln. Das hat mit diesem reinen Formalakt an sich nichts zu tun.

Dennoch hoffe ich, dass Sie diesem Formalakt jetzt auch Ihre Zustimmung geben. Im Großen und Ganzen ist keine inhaltliche Diskussion, sondern eine reine formale Anerkennung notwendig. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.16


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.17.258. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit (779 d.B. und 833 d.B. sowie 9463/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Pfister. Ich bitte um den Bericht.

 


14.17.40

Berichterstatter Rene Pfister: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und Australien im Bereich der sozialen Sicherheit.

Das dem gegenständlichen Beschluss zugrunde liegende Abkommen baut auf dem alten Abkommen auf und enthält mit Ausnahme der neuen Pensionsberechnung keine grundsätzlichen Änderungen im Vergleich zur derzeit geltenden Rechtslage.

Ich komme zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Oktober den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

14.18

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meißl. – Bitte. (Bundesrat Meißl: Nein!) – Herr Bundesrat Meißl verzichtet.

Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Pfister zu Wort gemeldet. (Bundesrat Pfister: Hat er zurückgezogen?!) – Ja, du hättest gleich da bleiben können! (Bundesrat Pfister: Gut, dann ziehen wir auch zurück! Das war ein Contra …!) – Gut. (Bundesrat Schreuder – in Richtung FPÖ –: Sind Sie jetzt dafür?)

Nächster Redner ist dann Herr Bundesrat Mayer. – Bitte. (Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ. – Ruf: Der braucht ja auch nicht zu reden! – Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Schreuder: Die schämen sich so sehr bei der FPÖ, dass ...!)

 



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 104

14.19.05

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Grüß Gott, Herr Minister! Ich stehe jetzt hier und sage, dass es bei einer derartigen Materie an und für sich keines Redebeitrages bedarf. Aber im Ausschuss hat es uns doch etwas erschreckt, als Kollege Meißl von dem armen Menschen aus Syrien gesprochen hat, der jetzt in Österreich arbeitet und hier auch Pensionsjahre beziehungsweise Sozialversiche­rungs­jahre erwirbt. Dann wandert er nach Australien aus, arbeitet dort weiter und beantragt eine Alterspension. Er erlaubt sich dann sozusagen, in Österreich seine wohl erworbenen Sozialversicherungsjahre zu subsumieren und das zur australischen Pension dazuzurechnen.

Da haben wir uns dann gesagt, es ist im Prinzip absurd, wenn man da dagegen stimmt, weil auch viele Österreicherinnen und Österreicher dort drüben ihre Pension verbringen und dieses Abkommen natürlich auch viele Erleichterungen bringt – administrative Erleichterungen, Vereinfachungen –, keine zusätzlichen finanziellen Auswirkungen hat und die sozialen Kontakte, die sozialen Beziehungen zu Australien stärkt.

Deshalb werden wir und all jene Fraktionen, die dieses Abkommen gelesen und es auch verstanden haben, heute hier zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

14.20


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


14.20.58

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich verstehe jetzt wirklich nicht, warum die Freiheitliche Partei nicht dazu spricht. Oder schämt ihr euch wirklich so, dagegen zu stimmen?!

Es war wirklich unfassbar, was im Ausschuss passiert ist, dass ihr wirklich argu­mentiert, gegen dieses Abkommen mit Australien zu sein, weil ein syrischer Flüchtling ein paar Monate in Österreich leben könnte, dann nach Australien geht, und wir diese Beiträge, die er in den paar Monaten in Österreich eingezahlt hat, dann weiterüber­weisen müssen.

Erstens einmal: Ja, klar hat er dieses Recht auf seine Pension, wenn er ein paar Monate in Österreich gearbeitet hat und danach in Australien lebt. Außerdem, liebe Freiheitliche Partei, ihr diskriminiert Österreicher und Österreicherinnen. Ihr macht Inländerdiskriminierung. Ihr diskriminiert Österreicher und Österreicherinnen, die in Australien gearbeitet haben, dort lange gearbeitet haben, sich eine Pension erarbeitet haben, dann wieder nach Österreich kommen, entweder hier weiterarbeiten oder hier ihre Pension verbringen. Und dann wollt ihr, dass die keine Pension aus Australien erhalten. Das wollt ihr, wenn ihr es ablehnt. Schämt euch! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

14.22


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer. Ich erteile es ihm.

 


14.22.16

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich schon für drei Minuten komme, muss ich wenigstens zwei Minuten reden. (Allgemeine Heiterkeit.)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 105

Ich habe nicht das Vergnügen gehabt, bei der Ausschusssitzung dabei sein zu können, aber ich möchte nur klarstellen: Es gibt zur Stunde 879 Menschen, die in diesem Land leben und eine Pensionsleistung beziehen, die sie sich in Australien erworben haben. Es gibt aber umgekehrt 7 736 Österreicherinnen und Österreicher, die in Australien leben, dort ihren Lebensabend verbringen und von uns eine Pension bekommen. Und ich glaube, mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Das sind Menschen, die sich hier ordnungsgemäß eine Pensionsleistung erworben haben, irgendwann in Pension gegangen sind und halt gemeint haben, sie bleiben in Australien oder sie ziehen nach Australien.

Wir leben in einer bunten Welt. Wir leben nicht in der Welt der Eindimensionalität. Wir leben in dieser bunten Welt. Und demzufolge überweisen wir das monatlich an diese Menschen, die sich das erworben haben.

Darum geht es und um nichts anderes. Ich würde wirklich dringlich bitten, bei aller Emotionalität, die rund um Flüchtlingsfragen da ist, sich einmal nur zwei Sekunden zu überlegen, wie es möglich ist, mit einem europäischen Flüchtlingsstatus nach Aus­tralien einreisen zu dürfen, bei Kenntnis der australischen Einwanderungsgesetze. Ich glaube, das alleine beantwortet schon all das, was Sie im Ausschuss diskutiert haben. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

14.23

14.23.10

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.24.329. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung des Unionsrechts auf dem Gebiet der biologischen Produktion, geschützten Herkunftsangaben und traditionellen Spezialitäten erlassen (EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz – EU-QuaDG), das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz und das Marken­schutzgesetz 1970 geändert sowie das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz aufgeho­ben werden (777 d.B. und 811 d.B. sowie 9454/BR d.B. und 9460/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Stöckl. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


14.25.04

Berichterstatterin Angela Stöckl: Hohes Haus! Ich erstatte den Bericht des Gesund­heitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Durchführung des Unions­rechts auf dem Gebiet der biologischen Produktion, geschützten Herkunftsan­gaben und traditionellen Spezialitäten erlassen, das Gesundheits- und Ernährungs­sicher­heitsgesetz und das Markenschutzgesetz 1970 geändert sowie das Rindfleisch-Etiket­tie­rungsgesetz aufgehoben werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antragstellung.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 106

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Oktober 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. Ich erteile es ihm.

 


14.26.01

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier primär um die Änderungen im Kontroll­system bei den bestehenden Gütesiegeln im Bereich Bio und die Herkunftsangaben betreffend. Dadurch soll angeblich mehr Effizienz bei den Kontrollen gewährleistet werden.

Es sind insgesamt, soferne ich es richtig gezählt habe, fünf Verordnungen, Euro­päische Verordnungen, die da zutreffend sind. Die Materie ist also eigentlich sehr komplex. Und ich zweifle an, dass es mit dieser Gesetzesänderung, die jetzt aufgrund von EU-Vorgaben notwendig geworden ist, wirklich zu mehr Effizienz kommen wird, denn der Kern des Problems ist ja das Vertrauen der Konsumenten, und zwar das Vertrauen, dass diese Gütesiegel auf einen Blick erkennen lassen, welche Qualität in einem Produkt drinnen steckt. Nur so ist beim Konsumenten auch die Bereitschaft gegeben und hervorzurufen, für ein Produkt entsprechend mehr zu bezahlen, und das kommt schlussendlich dann den Bauern zugute.

Dieses Problem wird aber nicht gelöst. Wir haben nach wie vor einen Wildwuchs an diversen Gütesiegeln. Ich weiß schon, dass es viele quasi nicht offizielle gibt, aber hier gehört meiner Meinung nach einmal rigoros aufgeräumt.

Man braucht nur zu googeln, gibt man Gütesiegel und Bio ein und sucht nach Bildern, kommen Hunderte verschiedene Gütesiegel im deutschsprachigen Raum, die irgend­wie mit Bio zu tun haben. Ich frage mich, wie sich da der Konsument auskennen soll, woher er wissen soll, was jetzt wirklich ein Gütesiegel ist, bei dem man sich auf die Qualität verlassen kann, oder was im Großen und Ganzen nur als Marketinggag angeführt ist.

Auch bei diesen quasi offiziellen Siegeln – das sind ja gar nicht so viele – ist die Trans­parenz nicht in dem gewünschten Umfang gegeben. Das wahrscheinlich bekannteste ist das AMA-Gütesiegel in Österreich. Hier wird immer behauptet – und das wurde vorgestern auch vom Ausschussvorsitzenden behauptet –, dass da ausschließlich immer 100 Prozent Österreich drinnen ist, wo AMA-Gütesiegel draufpickt. Aber das stimmt natürlich auch nur bedingt, denn bei Verarbeitungsprodukten mit verschiedenen Rohstoffen dürfen bis zu einem Drittel der Zutaten aus anderen Ländern sein. Es ist schon klar, wenn diese Zutaten bei uns nicht verfügbar sind, weil sie nicht wachsen, dann muss man sie woanders hernehmen.

Allerdings ist dieses Drittel bei Weitem zu hoch gegriffen. Es wird da auch das Beispiel Pfeffer auf der Pfeffersalami angeführt. Jetzt frage ich mich, was Sie sagen würden, wenn Sie eine Pfeffersalami mit einem Drittel Pfefferanteil essen müssten.

Gänzlich undurchsichtig wird das Ganze dann bei den geografischen Herkunfts­an­gaben. Da gibt es im Wesentlichen zwei Siegel, die sich auf den ersten Blick durch die Farbe unterscheiden – das eine ist rot, das andere ist blau. Da gibt es die „gU“, die geschützte Ursprungsbezeichnung. Diese ist damit definiert, dass der Ursprung des Produkts in einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Gegend liegt, dessen Pro-


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 107

duktionsschritte alle in dem abgegrenzten Gebiet erfolgen und das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich diesem Gebiet verdankt.

Dann gibt es noch den feinen Unterschied mit den geschützten geografischen An­gaben, kurz „ggA“. Dazu heißt es: „… dessen Ursprung in einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Gegend liegt, bei dem wenigstens einer der Produktionsschritte in dem abgegrenzten Gebiet erfolgt, und dessen Qualität, Ansehen oder eine andere Eigenschaft wesentlich auf diesen Ursprung zurückzuführen ist. Bei der geografischen Angabe reicht es daher etwa aus, dass das Erzeugnis in dem Gebiet nur verarbeitet worden ist, das Grunderzeugnis aber aus einem anderen Gebiet stammt.“

Will man sich näher damit befassen und als Steirer natürlich ein Beispiel bringen, muss man dann auf der Homepage des Österreichischen Patentamtes recherchieren, wenn man etwa wissen möchte, wie es mit dem steirischen Kernöl aussieht, das eine geschützte geografische Angabe ist. Und da steht dann drinnen, woher die Rohstoffe kommen dürfen. Das ist beschränkt auf die Bezirke Deutschlandsberg, Feldbach und so weiter, Jennersdorf, Güssing, Oberwart, Hollabrunn, Horn, Mistelbach, Melk, Gän­serndorf – eingeschränkt auf den Gerichtsbezirk Zistersdorf –, Korneuburg, Stocke­rau – eingeschränkt auf den Gerichtsbezirk Stockerau. – Das ist wirklich alles sehr klar.

Die zweite Einschränkung ist die Abgrenzung des geografischen Gebietes für die Pressung des steirischen Kernöls. Diese ist definiert mit der südlichen Steiermark – diverse Bezirke – und das südliche Burgenland mit Jennersdorf, Güssing, Oberwart. Was folgt also daraus? – Dass eine burgenländische Ölmühle – das ist jetzt nichts gegen die Burgenländer, ich will nicht anzweifeln, dass die auch gutes Kernöl produ­zieren – aus Oberwart mit Kürbissen aus Mistelbach beispielsweise steirisches Kürbiskernöl herstellen kann.

Unter Transparenz, unter Nachvollziehbarkeit für die Konsumenten stellen wir uns etwas anderes vor. Solange da nicht angesetzt wird, solange es da zu keinen Verbesserungen kommt, werden auch Änderungen des Kontrollmechanismus nichts bringen. Deshalb sind wir nicht für diese Gesetzesnovelle. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.33


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Preineder. Ich erteile es ihm.

 


14.33.32

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die noch aufmerksam zuhören! Gesunde Lebensmittel sind zurzeit in aller Munde. Wir kennen eine WHO-Studie, die sich eigentlich aus anderen Studien zusammengesetzt hat, die eine Diskussion um den Konsum von Fleisch entfacht hat.

Bei aller Bereitschaft, Studien zu glauben oder auch nicht: Wir wissen alle, dass eine vielseitige und eine frische Ernährung das Beste ist, alles, was lange haltbar gemacht wurde, kann weniger gesund sein.

Was man auf jeden Fall auf diesem Sektor braucht, ist das Vertrauen der Konsu­menten. Diese EU-Qualitätsregelung und das Durchführungsgesetz dazu sind ein Schritt zu mehr Konsumentenvertrauen, da die Bezeichnungen „Bio“ – und das rührt aus der Bio-Verordnung 2009 heraus – beziehungsweise „geschützte regionale Herkunft“ klarer kontrolliert werden. Diese Kontrolle vom Feld oder vom Stall bis zum Teller ist auch eine, die entsprechend zu unterstützen ist, die zum Teil von privaten Kontrollfirmen durchgeführt wird, zum Teil aber auch von öffentlichen Instituten.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 108

Kollege Krusche hat gemeint, das AMA-Gütesiegel garantiert auch nicht, dass alles österreichisch ist. Wo AMA drauf steht, ist Österreich drin – sofern es in Österreich produzierbar ist. Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand bei einem Bananenjoghurt erwartet – auch oder gerade wenn das AMA-Gütesiegel darauf ist –, dass die Bananen in Österreich gewachsen sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein bisschen ein merkwürdiger Vergleich!) Und für andere ist ganz klar, dass eine Wiener Kaffee­mischung keinen Wiener Kaffee beinhaltet. Aber ich glaube, soweit sollte auch die Fantasie der Konsumenten nicht gehen, dass man in einem Wiener Kaffee eine Wiener Kaffeebohne vermutet, sondern wissen, dass das die Kunst der Röstung ist. (Bun­desrätin Mühlwerth: Kaffeebohnen auch nicht!) – Eh nicht, aber trotzdem heißt es Wiener Kaffee. Und auch bei einem ein österreichisches Bananenjoghurt gibt es keinen Grund, da eine Falschdekoration zu erwarten, weil wir wissen, dass die Bananen nicht in Österreich gewachsen sind.

Wie hoch der Prozentsatz ist, ob das 5 Prozent, 10 Prozent oder 30 Prozent sind, wird je nach Produkt verschieden sein. Das werden wir nicht hier generell lösen können, da werden wir die Nahrungsproduzenten und die Experten in der Branche mitreden lassen müssen.

Geschützte geografische Herkunft ist etwas, was dem Konsumenten immer wichtiger wird, weil die Regionalität und der Bezug zur Region da ist. Ich verweise nur auf die Erfolgsgeschichte des Grünen Veltliner DAC aus dem Weinviertel, der sich aufgrund dieser geographischen Herkunft auch sehr gut entwickelt hat.

Was wichtig ist, und da sollten wir auch immer wieder kritisch sein, ist, dass ein Kontrolltourismus – und da erwarte ich mir schon eine Verbesserung von dieser Durchführungsbestimmung – hintangehalten wird. Treffendes Beispiel: Ein Kollege von mir hat seinen landwirtschaftlichen Betrieb von Milchviehhaltung auf Bio-Legehennen­haltung umgestellt. Seit August läuft die Produktion, und nun er hat seit August acht Kontrollen hinter sich, und viele davon waren mehrgleisig. Ich glaube, diese Mehr­gleisig­keit sollten wir vermeiden und trotzdem entsprechende Sicherheit gewähren.

Ich habe erwartet, dass heute die Frau Gesundheitsministerin da ist, und darf (in Richtung Bundesministerin Heinisch-Hosek) Sie bitten, an sie einen Wunsch weiter­zuleiten: Ich orte nämlich gerade im Gesundheitsministerium, dass etwas an Bürokratie aufgebaut wird, das vielleicht in dieser Dichte nicht notwendig ist. Will man heute als Landwirt oder sonst jemand ein Tier transportieren, dann braucht man eine Tiertrans­portbefähigung. Die schaut so aus (eine kleine Karte in die Höhe haltend): „Befähi­gungs­nachweis für Fahrer und Betreuer gemäß Artikel 17 Absatz 2 VO“.

Das kann man als Normalbürger nicht einmal lesen, was man da in der Hand hat. Diesen Befähigungsnachweis braucht man, wenn man ein Tier transportieren will. Möchte ich jetzt ein Pflanzenschutzmittel erwerben, kriege ich demnächst dieselbe Karte, dass ich einen Sachkundenachweis für Pflanzenschutzmittel habe. Und möchte man ein Tier schlachten, kommt das das dritte Mal. – Vielleicht schaffen wir es, dass wir das wenigstens auf eine Karte draufbringen, das wäre ein Wunsch von mir.

Um das Thema abzuschließen: Heimische Lebensmittel sind etwas, das gut kontrolliert ist und das auch eine entsprechende Sicherheit darstellt.

Wir werden dieser Vorlage zustimmen und hoffen, dass in aller Munde gesunde Nahrungsmittel sind. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.38


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfister. Ich erteile es ihm.

 



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 109

14.38.42

Bundesrat Rene Pfister (SPÖ, Niederösterreich): Werter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Bundesgesetz sollen auch die EU-Vorgaben hinsichtlich der Kontrolle der biologischen Landwirtschaft sowie die Vor­haben und Vorgaben hinsichtlich der geschützten Herkunftsangaben und traditioneller Spezialitäten umgesetzt werden.

Die Anstrengungen, die zugrunde liegenden europäischen Vorgaben in einem Geset­zes­werk umzusetzen, laufen ja doch schon seit Jahren. Jetzt, unter Aufnahme weiterer Regelungen für die Zulassung und Kontrolle der geschützten Herkunftsangaben, ist dies nun auch mit diesem Gesetz gelungen.

Dies bedeutet auch – wie mein Vorredner schon gesagt hat – eine Aufwertung der Bio-Landwirtschaft, die natürlich eine zusätzliche gesetzliche Basis erhält. Werden Lebens­mittel und bestimmte Agrarerzeugnisse mit bestimmten Angaben wie „biologisch“ oder mit geschützten Herkunftsangaben oder mit sonstigen, durch EU-Verordnung ge­schützten Angaben in Verkehr gebracht, so müssen jeweils die Anforderungen dieser EU-Verordnung und des Nationalgesetzes erfüllt werden.

Wir haben im Ausschuss in diesem Fall doch sehr ausführlich beraten und sehr viele Informationen bekommen. Wenn ich mich schon nicht im Detail – und das gebe ich auch zu – in Bezug auf den Ablauf der Häufigkeit der Prüfungen, die hier sehr, sehr umfangreich und sehr, sehr ausführlich von den Kolleginnen und Kollegen behandelt wurden, auskenne, so kann ich sagen, dass auch auf die Probleme hingewiesen wur­de, die damit einhergehen, wenn Kontrollen, die durchgeführt werden, zeitlich viel­leicht doch sehr nahe beieinanderliegen. Vielleicht kann es da im Prüfungstermin­bereich auch noch die eine oder andere Abstimmungsfeinheit geben.

Aber ich glaube, wir sind uns alle im Ausschuss einig gewesen, dass es in die richtige Richtung geht und dass es eine Verbesserung für uns in Österreich, vor allem auch für die Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet.

Kollege Preineder hat es schon angesprochen, und ich habe mich im Zuge der Recher­chen in der Vorbereitung natürlich auch kurz damit befasst. Wir haben im Ausschuss auch über das Thema Glyphosat gesprochen, wo wir noch nicht genau wissen, wie gefährlich das wirklich ist und welche Auswirkungen es hat. Wenn ich nur an die ÖBB oder auch an die ASFINAG denke, so kann ich sagen: Da gibt es auch  schon erste entscheidende Schritte, wo durch den Einsatz spezieller Sensoriken, die auf dem Wagen montiert sind, man dann auch erkennt, wo dieses Unkraut oder Gras im Schienenbereich wächst, damit das wirklich auch nur mehr punktuell und nicht mehr großflächig bekämpft wird.

Aber ich glaube auch, dass es für uns wichtig ist – vor allem für die Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitsausschuss –, dass wir uns sehr, sehr genau anschauen, welche Auswirkungen das hat und natürlich auch welche Gefahren es mit sich bringt.

Auf EU-Ebene gibt es die Bio-Verordnung, die ja auch in Österreich schon seit geraumer Zeit gelebt wird. Nun geht es aber schlussendlich darum, dass wir das auch in nationales Recht gießen und auch umsetzen.

Die biologische Landwirtschaft spielt in Österreich ja traditionell schon eine sehr, sehr große Rolle, worüber wir auch sehr, sehr glücklich sind. Durch dieses Gesetz wird aus meiner Sicht genau dieser Bereich der Landwirtschaft und somit auch das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten in Bioprodukte insgesamt gestärkt, die da­durch nun verbesserten Kontrollen unterliegen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 110

Neben der Regelung der Zuständigkeiten werden auch das Kontrollverfahren und die zu verhängenden Sanktionen festgelegt. Auch das war Thema bei uns im Ausschuss. Das heißt in letzter Konsequenz: Wo Bio draufsteht, sollte auch Bio drinnen sein.

Insgesamt geht es in diesem Gesetzentwurf nicht nur um eine verbesserte Kontrolle, sondern auch um die geschützten Herkunftsangaben unserer traditionellen Produkte. Auch damit sichern wir die bereits jetzt schon sehr, sehr hohe Qualität in Österreich für den Standort Österreich – auch zum Stichwort Regionalität, was schon ausgeführt wurde. Die Produkte können dadurch schneller unter geschützten Herkunftskenn­zeich­nungen vermarktet werden, indem wir in diesem Fall für die zukünftigen Antragsteller nur mehr das Patentamt heranziehen müssen.

Und es freut mich auch, dass wir dann von A wie Apfel oder Apfelmost bis Z wie Zwetschke, die natürlich auch im hochprozentigen Bereich verarbeitet wird, das für die Landwirte erleichtern können und in diesem Fall auch für die Konsumenten klar kenn­zeichnen können.

Zum EU-Qualitätsregelungen-Durchführungsgesetz möchte ich nur zwei Daten nennen: Die erste Begutachtung für dieses Gesetz war am 14. April 2005. Ich hoffe, dass wir heute am 29. Oktober 2015 dieses Gesetz hier auch einstimmig beschließen.

An dieser Stelle, Frau Ministerin, gilt mein Dank auch der Frau Bundesministerin Ober­hauser, der es nun nach jahrelangen zähen Verhandlungen endlich gelungen ist, dieses Gesetz für alle Betroffenen umzusetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.43


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


14.43.33

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Es handelt sich hiebei ja um ein EU-Qualitäts­regelungen-Durchführungsgesetz, das heißt, um eine notwendige Anpassung an eine EU-Regelung. Und alles, was drumherum sozusagen hier diskutiert wurde und wird, hat eigentlich nicht unmittelbar mit dieser Bestimmung etwas zu tun. Diese Bestim­mung bietet, nachdem es auch gelungen ist, das noch etwas nachzujustieren, unserer Meinung nach einen durchaus akzeptablen Rahmen für die Kontrollstellen, ohne dass es zwingend einen Bürokratieaufbau nach sich ziehen muss. Es bietet also durchaus die Chance, diese Kontrollstellen zu vereinheitlichen, besser miteinander zu vernetzen und es damit auch praktikabler zu machen als derzeit.

Diese Regelung kann ja nichts dafür, dass derartige viele Marken mit dem Bio davor entstanden sind, und dass Handelsketten wieder ihre eigenen Kontrollen und ihre eigenen Marken mit dem Bio davor aufbauen, es dadurch zu einem Wildwuchs gekom­men ist, und dass eben auch die Koordination bestehender Kontrollstellen und auch der Datenaustausch offensichtlich nicht immer wirklich funktioniert. Dafür kann, denke ich, diese gesetzliche Regelung nichts, und hoffen wir, dass es hier zu Verbesse­rungen kommt.

Desgleichen sind ja um diese Regelung herum im Bereich Tierschutz Debatten entstanden; das Glyphosat ist schon erwähnt worden. Ein Wunsch der Grünen war es auch, einen Maßnahmenkatalog für den Bereich Biolandbau zu entwickeln, um sozu­sagen das Konzept des Biolandbaus wirklich flächendeckend als Zielvorstellung zu verwirklichen und auf ganz Österreich auszudehnen. Ich bin nämlich nicht der Mei­nung, dass das zwangsläufig dazu führt, dass es dadurch zu einem Dumping der


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 111

Preise im Biobereich kommt, und somit der Vorteil von Bio durch die Produzenten nicht mehr lukriert werden kann.

Ich glaube, dass dieser Effekt durchaus durch die Tatsache ausgeglichen wird, dass Biolandbau einfach der effektivste Schutz unserer Böden für die Zukunft ist, dass es in der Tierhaltung einfach einen Standard setzt, der wünschenswert ist und eben auch flächendeckend erreicht werden soll, und dass hier ein Standard für gesunde Lebens­mittel gesetzt werden soll, der ebenfalls flächendeckend erreicht werden sollte.

Beim Klimaschutz ist Biolandbau eindeutig besser als konventionelle Landwirtschaft. Es sollte die Zielvorstellung sein, dorthin zu kommen, und ich hoffe, dass das auch gelingt. Aber für all diese Dinge ist das Landwirtschaftsministerium der Ansprech­partner und nicht das Gesundheitsministerium.

Es laufen ja derzeit Verhandlungen auf europäischer Ebene, die Bioverordnung auch noch weiterzuentwickeln. Aber, wie gesagt, wir glauben, dass hier wirklich jetzt die Möglichkeit besteht, einheitliche Kontrollen, auch was die Herkunftsbezeichnungen betrifft, zu implementieren.

Diese Herkunftsbezeichnungen und der Schutz der Herkunftsbezeichnungen wird schon teilweise etwas absurd und nicht mehr wirklich nachvollziehbar. Ich denke mir das auch oft in Salzburg, wo wir wenige Kilometer an der bayerischen Grenze sind und wo ich den bayerischen Landwirten durchaus zutraue, auch mit sehr guter und ausge­zeichneter Qualität Milch zu produzieren und entsprechende Produkte auf den Markt zu bringen. Es werden natürlich viele Dinge auch importiert. Da wäre es mir wichtiger, dass auf Qualitätssiegel wie FAIRTRADE und Ähnliches oder eben auf internationale Qualitätssiegeln wie Bio vertrauensvoll zurückgegriffen werden kann.

Aber diese ganz strengen Herkunftsbezeichnungen in dieser Art und Weise – na ja! Mir wäre schon recht, dass steirisches Kernöl nicht mit chinesischen Kernen produziert wird, aber ob in Oberwart – also ich denke, da erreichen diese Herkunftsdebatten ihre Grenzen.

Wichtig war uns auch noch, zu präzisieren, dass es nur bei offensichtlichen und groben Verstößen zu einer Meldepflicht und dann zur Anwendung eines ja noch zu definie­renden Maßnahmenkatalogs kommt, also dass diese Kontrollen auch weiterhin ein Werkzeug bleiben, um die Situation zu verbessern, um zu beraten und sozusagen die Produktion auf einen höheren Standard zu heben und erst ganz am Schluss ein Strafinstrument sind. Das war uns wichtig, und ich glaube, das ist auch gelungen, und deshalb werden wir diesem Gesetz auch gerne zustimmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

14.49


Präsident Gottfried Kneifel: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek, die ich ebenso herzlich im Bundesrat begrüße wie Herrn Finanz­minister Schelling. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

 


14.49.31

Bundesministerin für Bildung und Frauen Gabriele Heinisch-Hosek: Herr Präsi­dent! Herr Kollege Schelling! Hoher Bundesrat! Zunächst einmal: Da unsere Kollegin Sabine Oberhauser erst vorgestern aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich den Auftrag von ihr sehr gerne entgegengenommen, Sie ganz herzlich grüßen zu lassen und sich zu bedanken, dass Sie im Ausschuss die Vorbereitungen recht positiv durchgeführt haben. So hoffe ich, dass gleich im Anschluss an meine ganz kurze


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 112

Wortmeldung, da mir natürlich auch die Expertise zu diesem Gesetz fehlt, dieser Gesetzentwurf auch zu einem positiven Abschluss hier im Hohen Bundesrat kommt.

Die Frau Bundesministerin Oberhauser lässt sich für die gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat sehr, sehr herzlich bedanken und – noch einmal gesagt – alle recht herzlich grüßen. Ich werde ihr gerne das, was der Herr Kollege mir vorher mitgegeben hat, weitergeben und ausrichten, aber zu Tiertransporten und zu Richtlinien und Verschär­fungen ist halt auch schon genug passiert. Also diese Geschichten muss man schon auch von beiden Seiten betrachten, dass nämlich der Befähigungsnachweis in erster Linie natürlich dem Schutz der Tiere zu dienen hat, aber ich glaube, da sind wir uns ja sowieso einig.

Es wurde auch heute schon gesagt, die dritte Gesetzgebungsperiode hat es jetzt ge­braucht, damit wir zu diesem Gesetz kommen können. Ich finde es eigentlich wirklich großartig und gut, dass das, was die Europäische Kommission in den Neunzigern begonnen hat, nämlich zu sagen: Hebt doch bei der Vermarktung bestimmte Angaben zur Belebung des ländlichen Raums hervor!, jetzt verwirklicht wird.

Wir wollen ja alle nicht nur unsere biologischen Produkte beleben, sondern das, was jetzt dazukommt. Das Nur-Bio ist ja schon in der letzten Gesetzgebungsperiode gescheitert, es ist nicht gelungen, ein Biogesetz alleine zu verabschieden. Jetzt haben wir geschützte Herkunftsbezeichnung, traditionelle Spezialitäten und, wie schon er­wähnt, Produkte aus biologischer Landwirtschaft zusammengefasst, und ich bin sehr froh, dass jetzt das steirische Kürbiskernöl und – als Niederösterreicherin sage ich das natürlich – der Marchfeldspargel und andere Produkte guten Kontrollen unterliegen werden. Es wird aber auch die verbesserte Durchführung und Umsetzung nicht nur von EU-Recht in Bezug auf diese drei Angaben bringen, sondern auch innerhalb Öster­reichs einen guten Rahmen für die amtliche Kontrolle bei der Verwendung von Bio- oder Herkunftsangaben bilden.

Und darüber hinaus ist es ja auch eine Verwaltungsvereinfachung. Es muss nicht mehr das Gesundheitsministerium herangezogen werden, sondern es reicht, das zuständige Patentamt zur Einvernehmensherstellung heranzuziehen. Ich glaube, das ist auch im Sinne der Produzentinnen und Produzenten, der Vermarkterinnen und Vermarkter, wenn es zu dieser Vereinfachung kommt und wenn wir mit unseren Produkten und den Angaben über diese Produkte noch besser werben können. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

14.52

14.52.20

 


Präsident Gottfried Kneifel: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit ge­schlos­sen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.52.5810. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz aus Anlass des Generalvergleichs mit dem Freistaat Bayern, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanzmarktstabilitätsgesetz und das ABBAG-Gesetz geändert werden (796 d.B. und 824 d.B. sowie 9464/BR d.B.)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 113

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den Einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (727 d.B. und 825 d.B. sowie 9465/BR d.B.)

 


Präsident Gottfried Kneifel: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Heger. Ich bitte um die Berichte.

 


14.53.36

Berichterstatter Peter Heger: Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu Tagesordnungspunkt 10 bringe ich den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz aus Anlass des Generalvergleichs mit dem Freistaat Bayern, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanzmarktstabilitätsgesetz und das ABBAG-Gesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates wurde in der Sitzung des Finanz­ausschusses am 27. Oktober 2015 in Verhandlung genommen, und nach Beratung der Vorlage stellt der Finanzausschuss mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 11 bringe ich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den Einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Oktober 2015 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Gottfried Kneifel: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


14.55.32

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Herr Finanz­minister! Geschätzte Damen und Herren! Zuerst möchte ich die Möglichkeit dafür nützen, für Kollegen Fürlinger, der mir bei einer Hypo-Diskussion einmal vorgehalten hat, ich hätte damals als Landeshauptmann Herrn Finanzminister Pröll quasi hände­ringend um eine Notverstaatlichung oder Verstaatlichung gebeten, aus dem Buch „AKTE HYPO ALPE ADRIA“ zu zitieren.

In diesem Buch heißt es unter der Überschrift „Wie man Banken nicht verstaatlicht“ – für Kollegen Fürlinger, der jetzt nicht im Saal ist, ist es sehr wichtig, dass er das auch weiß und dass das auch entsprechend protokolliert ist –:

„Während Grazer Wechselseitige und Kleinaktionär Maps keine tragende Rolle spielen und der Grawe-Chef Ederer stundenlang schweigt, zeigt sich Landeshauptmann Ger­hard Dörfler hartnäckig. Neben der Weigerung, die Beteiligungen der Bank ohne vorherige Detailprüfung zu übernehmen, stemmt sich die Delegation aus Klagenfurt vehement gegen einen substanziellen Beitrag.“


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 114

Und jetzt kommt die spezielle Rolle des damaligen Finanzministers:

„Bei den Querelen mit den Kärntnern soll vor allem Staatssekretär Schieder … die Nerven verloren haben. Nach einem hitzigen Wortgefecht mit den Landespolitikern  … verlässt er mit hochrotem Kopf den Raum, schildern Augenzeugen. Darauf steht auch Pröll auf, geht zu Dörfler, legt ihm die Hand auf die Schulter,“ – es war fast wie bei einer Firmung – „fordert ihn auf: ‚Komm, Gerhard, komm.‘

Im folgenden Vieraugengespräch lassen sich die Differenzen nicht verkleinern, worauf­hin der Finanzminister seinen Pressesprecher kommen lässt. Der erhält den Auftrag, die wartenden Journalisten zusammenzutrommeln und sie darüber zu informieren, dass die Verhandlungen wegen der sturen Haltung Dörflers geplatzt seien. Das zeigt Wirkung: In den Morgenstunden gibt der Landeshauptmann seinen Abwehrkampf auf und wirft 200 Millionen Euro in den Rettungstopf.“

Ich möchte damit nur klarstellen, dass Herr Kollege Fürlinger und damit die ÖVP und auch Sie, Herr Finanzminister, jetzt endlich wissen, dass es seinerzeit eine Notver­staat­lichung ohne Not war. Das hat ja auch der Griss-Bericht gezeigt, das hat der Rechnungshofbericht gezeigt, das wird der Untersuchungsausschuss nach diesem monatelangen Vorgeplänkel in seiner jetzt entscheidenden Phase auch massiv aufzei­gen, wie diese ganze Causa gelaufen ist.

Dazu noch: Wie kam es zu diesen 200 Millionen €? – Kärnten hatte damals über die Landesholding eine Beteiligung an der Hypo von 12,4 Prozent. Es war von Pröll ein Sanierungs-Cash-Beitrag von 1,2 Milliarden € eingefordert. Den Großteil haben die Bayern geliefert, und wir haben aufgrund der 12,4-prozentigen Beteiligung über die Landesholding dann in schwierigen Verhandlungen 150 Millionen € Beitragsleistung zugesagt. Pröll wollte aber für die Außendarstellung, wie er es nannte, unbedingt 200 Millionen € haben. Und damit ist eindeutig und klar ausgeräumt, dass irgendje­mand in Kärnten eine Notverstaatlichung – ohne Not noch dazu – gefordert hat.

Ich zitiere jetzt noch aus einem Interview vom 19. Oktober. Der ehemalige CA-Chef und Bundeskanzler Franz Vranitzky, der wohl als Kanzler und als Banker immer noch eine unumstrittene Fachinstanz in Österreich ist, meinte in diesem Interview:

„Zuerst mussten die Banken unterstützt werden, dazu kam die Katastrophe rund um die Kärntner Hypo – bei der mehrere Finanzminister der ÖVP zugelassen haben, dass sich ihre Lage noch wesentlich verschlimmert.“ – Soweit der ehemalige Bundeskanzler und CA-Chef Vranitzky, dem man ja nicht nachsagen kann, dass er in diesem Bereich nicht tatsächlich ein Fachexperte ist.

Nun zu Vranitzky und seinen Meinungen über die betroffenen Finanzminister, ich würde es so zitieren:

Pröll: der Verstaatlicher ohne Not – Griss-Bericht, Rechnungshofbericht, auch der Unter­suchungsausschuss wird das wohl eindeutig und klar belegen.

Fekter: die Ignorantin bis zum Durchgriff aus Brüssel. Denn solange Brüssel nicht eingegriffen hat, hat ja Frau Fekter immer gemeint: Es ist eh alles kein Problem! – Es wäre schön gewesen, wenn es so gewesen wäre.

Spindelegger: der verzweifelte Griss-Erfinder. – Man muss dem damaligen Vizekanzler und Finanzminister dankbar sein, dass er mit Frau Professor Griss und dieser Kom­mission tatsächlich erstmals ein qualitätvolles Untersuchungsergebnis geliefert hat. Zu diesem Bericht sind in Wirklichkeit nur mehr die Gesichter im U-Ausschuss dingfest zu machen, dann wird die ganze Geschichte nicht nur eine Anonymitätsverkettung un­glück­licher Entscheidungen und Fehlentscheidungen sein, sondern man wird wirklich wissen, wer tatsächlich welche Verantwortung hatte.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 115

Schelling: der Unbeteiligte als Aufräumer. – Herr Finanzminister, Sie haben sicher eine Erbschaft angetreten, die keine einfache ist, das ist mir klar. Ich möchte aber als Kärntner festhalten, dass dieses Konstrukt Heta und jetzt diese Abwicklungs­gesell­schaft zu einem Downgrading Kärntens und einem fragwürdigen Umgang mit der Kärntner Landesregierung geführt haben. Mein Nachfolger Peter Kaiser und die ge­samte Landesregierung mussten quasi wochenlang als Bittsteller in Österreich an­klop­fen, bis Sie erfreulicherweise eingegriffen haben und die Finanzierung, die das Land gebraucht hat, über die OeBFA letztendlich dann doch bewilligt wurde. Dafür danke ich Ihnen, aber ich würde dringend darum ersuchen, dass Kärnten nicht jedes Mal einen Kniefall machen muss. Das kann man den Menschen, der Wirtschaft, dem ganzen Gesundheits- und Sozialbereich nicht zumuten.

Es muss auch mein Nachfolger nicht Konkursverwalter sein, wie es eine Zeitung zu­letzt geschrieben hat, sondern er muss auch die Verantwortung tragen können, trotz dieser Fehler, die passiert sind. Ja, Kaiser, SPÖ, Prettner, SPÖ, Holub, die Grünen, Ragger, BZÖ, und Köfer, damals noch SPÖ, danach Team Stronach, haben alle diese Haftungen beschlossen, aber dafür kann man ein Bundesland nicht in Dauergeiselhaft nehmen.

Es gibt Kärntner Unternehmen, zwei bekannte Baufirmen, die jetzt in Kärnten die Zelte abbrechen werden und nach Wien gehen werden, weil sie in Kärnten keine Auftrags­lage mehr haben. Wir haben ein Straßenbaubudget von 18 Millionen €, wir hatten aber ein dreifaches Baubudget. Kärnten hat, wie wir wissen, eine große Bauwirtschaft, nicht nur die STRABAG ist ein Kärntner Unternehmen, sondern auch viele andere. Das ist ein Riesenproblem.

Es wurden Entscheidungen gefällt, Herr Bundesminister, mit der Folge, dass über 300 Millionen € Beraterhonorare unter der Verantwortung Ihrer Vorgänger verbraten wurden. Reden Sie einmal mit Leuten aus der Hypo! Da hat man irgendwelche Herr­schaften der dritten Garnitur aus anderen Banken mit unglaublichen Verträgen nach Klagenfurt als sogenannte Aufklärer geholt. Man hat – das wird auch noch zu klären sein – über 300 Millionen € ausgegeben. Haben die alle die Vorstände ausge­geben oder wurden da im Finanzministerium, wie wir auch hören, nicht rechtmäßige Gelder an sogenannte Berater vergeben?

Die Rolle des ehemaligen Hypo-Vorstandsvorsitzenden Kranebitter ist aus meiner Sicht zu hinterfragen, ich sage nur: Stichwort: ALPINE, und Stichwort: Verschleudern vieler Assets der Hypo weit unter dem Wert in seiner Ära, das ist auch zu verant­worten.

Die Nachfolgebesetzung im Hypo-Aufsichtsrat war natürlich auch ein Politspiel. Man musste ja nach der Notverstaatlichung ohne Not dieses Gremium natürlich wieder paritätisch besetzen, und zwar mit Johannes Ditz, ÖVP, Alois Steinbichler, ÖVP, Rudolf Scholten, SPÖ, und Helmut Draxler, SPÖ. Es wäre viel besser gewesen – und ich glaube, bei Ihnen, Herr Finanzminister, wäre es auch so gewesen, wie ich Sie kenne und auch schätze –, wenn man Experten eingesetzt hätte und nicht Parteien­vertreter nach dem Paritätsprinzip. Ditz war verzweifelt und hat auch relativ bald das Handtuch geworfen.

Verkauf der Anadi Bank: Auch da hat das Land wieder Haftungen übernehmen müs­sen. Peter Kaiser sagt, er wurde nicht informiert, er als Landeshauptmann hat nicht einmal die Möglichkeit gehabt, eine Stellungnahme abzugeben, aber das Land musste eine Haftung von 680 Millionen € übernehmen, und bis Ende 2015 sind immer noch 482 Millionen € notwendig.

Herr Finanzminister, unsere Situation ist schwer verdaulich. Diese Einigung mit den Bayern: Sie, und das gestehe ich Ihnen noch einmal zu, sind bemüht um Lösungen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 116

Ob alle die richtigen sind? Hoffen wir, dass manche zum Vorteil des Steuerzahlers in Österreich und auch in Kärnten tatsächlich so durchgehen werden. Wir wissen aber auch, dass es international mit sozusagen höchster rechtlicher Bewaffnung Angriffe auf diese Lösungen geben wird.

Im Zusammenhang damit, dass man sich mit den Bayern einigt und ein Kleiner-Gutachten de facto ignoriert – Frau Fekter hatte dieses Kleiner-Gutachten, das fest­gehalten hat, dass Milliarden, die die Bayern in der Hypo hatten, de facto als Eigen­kapital anzusehen sind –: Da wird zu klären sein, wer damals bei den Verhandlungen die Idee hatte, den Bayern per Garantieschein zu garantieren, dass die Republik Österreich quasi dafür haftet, dass man dieses Eigenkapital den Bayern zurückgibt.

Da ist noch so viel aufzuklären, und deshalb, Herr Finanzminister, können wir als Fraktion dieser Lösung nicht die Zustimmung erteilen, denn ich kann denen keinen Freifahrschein geben. Die Bayern wollten diese Bank. Die Bayern haben bewusst Risiko genommen, und dann hat man sich sozusagen in eine Klagswelt in Milliar­denhöhe eingelassen. Hoffen wir, obwohl wir nicht zustimmen, dass diese Lösung gut geht. Aber dazu, dass dann die Abwicklung auf dem Rücken Kärntens stattfindet, dass der Bund eine Bank verstaatlicht ohne Not und jetzt über diese Abwicklungs­gesell­schaft das Gesamtrisiko wieder bei Kärnten landet, muss ich sagen: Sie wissen selbst, dass es durchaus auch Gutachter gibt, die meinen, dass diese Haftungen überhaupt nicht rechtskräftig sein sollen. Was tun wir dann? (Vizepräsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie sich bemühen, dass Sie keine … (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Der beste Weg wäre, das haben die Freiheitlichen auch vorgeschlagen – Herr Kollege Mayer, wir sind ja fast nie einer Meinung … (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Und an die Adresse der ÖVP, Herr Kollege (Bundesrat Mayer: Wer hat es verursacht? Die ÖVP hat das nicht verursacht!): Die ÖVP war politischer Eigentümer der Hypo. Ihr Parteikollege Dr. Josef Martinz war als Landesrat Holdingvorsitzender und quasi politischer Eigentümer der Hypo. Herr Kollege Mayer, es gibt viele Experten, ich meine nur, wir haben keine Expertise für eine Insolvenz eines Bundeslandes.

Abgesehen davon muss ich schon festhalten: Was hätte Wien gemacht, als seinerzeit eine 120-Milliarden-Haftung für die Bank Austria übernommen wurde, wenn die globale Finanzkrise schon zu dieser Zeit ausgebrochen wäre? Übrigens sind davon laut Medienberichten noch zirka 7 Milliarden € Haftungen aktuell! Und, Herr Kollege, die Haftungen Vorarlbergs sind ja auch nicht ganz ohne. (Bundesrat Mayer: Das schnup­fen wir, weil wir haben keine Schulden und gar nichts! Wir verkaufen ein paar Anteile von einem Kraftwerk und dann …!) Herr Kollege, beruhige dich ein bisschen! (Bun­desrat Mayer: … 110 Millionen € auf der Kante!) – Gratuliere euch, wenn ihr das habt, die Vorarlberger sind sparsam!

Faktum ist, dass Ihr Parteikollege Pröll dafür verantwortlich ist, dass dieses Risiko, das mit dem Verkauf durch diese Ausfallsbürgschaft weg war, reimportiert wurde, eben: Verstaatlichung ohne Not.

Das Spannende und das, was mich so quält, ist, dass in der Phase, in welcher der Untersuchungsausschuss unter Umständen ziemlich viel aufdecken wird – das manchem nicht gefallen wird, aber das muss so sein –, jetzt Lösungen kommen sollen und irgendwelche Kompromisse geschlossen werden, die vor allem auf dem Rücken des Bundeslandes Kärnten erfolgen. Das haben sich die Menschen in Kärnten nicht verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

15.07



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 117

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köck. – Bitte.

 


15.07.21

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wir haben wieder einmal ein Referat von Kollegen Dörfler zu hören bekommen, das unter dem Synonym steht: nichts gehört, nichts gesehen, nichts gewusst, aber ein bisschen Landeshauptmann gespielt all die Jahre.

Es werden hier immer wieder Medienberichte zitiert – das ist so, als würde ich sagen, in der Bibel steht geschrieben: Kain erschlug seinen Bruder Abel. Geht hin und macht es ihm gleich! – Das steht in der Bibel, aber nicht in diesem Zusammenhang. (Ruf: Das steht im Alten Testament!)

Da Sie immer wieder die Griss-Kommission zitieren, zitiere ich auch zur Griss-Kom­mission:

„Den Anfang macht die Griss-Kommission in den frühen Nullerjahren, als die Hypo noch im Eigentum Kärntens stand und eine wilde Expansion auf dem Balkan startete. Möglich war dies durch eine Haftung des Landes Kärnten die ‚zwischen 2004 und 2011 in jedem Jahr das Bruttoinlandsprodukt Kärntens überstieg‘. Obwohl die Kontroll­sys­teme den Anforderungen nicht gerecht wurden, hielt die Hypo an der Politik des ungebremsten Wachstums fest. (…)

Die Landesregierung unter Jörg Haider unternahm ebenfalls nichts, so der Bericht. ‚Das Land rechnete offenbar damit, dass der Bund einspringen würde, sollte die Haf­tung schlagend werden, sodass es keinen Grund sah, das Risiko zu drosseln und damit auf mögliche Einnahmen zu verzichten.‘ Schlimmer noch: Da beschlossen wurde, die Hypo an die Börse zu bringen, holte sich Kärnten ‚im Vorgriff‘ mittels Umtauschanleihe 500 Millionen Euro. Als der Börsengang dann floppte, wurde ein Ersatzinvestor gesucht und in Form der BayernLB gefunden.“

Ich habe auch noch einige andere Medienberichte, die dir vielleicht auch nicht so gefallen. Es kommt ja immer wieder vor, dass du nicht weißt, welche Briefe du schreibst. Unter anderem hat der  ORF einen im „Report“ zitiert. Dieser Brief ist mit 11. März 2009 datiert und unterzeichnet von Landeshauptmann Gerhard Dörfler und Finanzlandesrat Harald Dobernig: An die Bayerische Landesbank. Und in diesem Brief stand sinngemäß: Das Land Kärnten ist gerne bereit, weitere Landeshaftungen zu gewähren.

Was ist das denn, wenn das Land Kärnten Landeshaftungen gewährt? Die gibt es dann nirgends, oder sind die dann automatisch bei den Bayern? – Das ist ja ein ganz wildes Konstrukt, würde ich einmal sagen.

Der ORF berichtet weiter: „Als Begründung wurde im Brief an den damaligen bayrischen Finanzminister Georg Fahrenschon angeführt, es sei das Ziel Arbeitsplätze in Kärnten zu erhalten.“

Diese Meldungen gibt es auch, nicht nur jene, die du gerne hättest. Und ich denke, heute ist jedem klar, dass die Haftungen in Kärnten waren und immer in Kärnten sein werden, auch wenn man versucht, es manchmal so darzustellen, als gäbe es keine Haftungen. Das haben schon die verschiedensten Leute probiert.

Aber eines muss man auch sagen: Wenn die Haftungen jemals woanders waren und im Zuge der Notverstaatlichung wieder zurück nach Kärnten gekommen sind, dann kannst nur du sie zurückgenommen haben, und dann bist du der naivste Kärntner, den


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es jemals gegeben hat – um kein anderes Wort zu gebrauchen. Das allein zeigt schon, wie die Lage in Kärnten ist.

Nun zum gegenständlichen Bundesgesetz zur Änderung des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes sowie des Finanzmarktstabilitätsgesetzes. Mit diesem Gesetz stehen wir möglicherweise vor einem Durchbruch bei der Aufarbeitung dieses FPÖ-Hypo-Desasters. Ich weiß schon, früher hat die FPÖ immer versucht, das BZÖ von sich wegzuschieben, aber indem ihr den ehemaligen Landeshauptmann hierher ge­setzt habt, ist diese Verbindung zustande gekommen, und jetzt ist es euer Desaster, dieses Hypo-Desaster. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Die kolportierten Kosten dieses Desasters schwanken je nach Gemütslage der Medien zwischen 17 Milliarden und 22 Milliarden €. Jetzt geht es darum, die verbleibenden 10 Milliarden bis 11 Milliarden € vielleicht noch um 55 Prozent kürzen zu können.

Es ist uns ja immer vorgeworfen worden, nicht schnell genug zu handeln, aber in Wirklichkeit hat sich die Rechtslage auf europäischer Ebene und dann auf öster­reichischer Ebene erst einmal ändern müssen. Mit dem Bankenabwicklungs- und Sanierungsgesetz, das geschaffen wurde, ist letzten Endes auch ein Schuldenschnitt möglich geworden. Auf der anderen Seite mussten auch erst harte Geschütze aufge­fahren werden, um die Gläubiger für eine Abarbeitung dieses Skandals aufnahmefähig zu machen.

Die erste Maßnahme war sicherlich im Vorjahr das Heta-Moratorium, mit welchem dem Staat schon 800 Millionen € erspart wurden, worüber natürlich die betroffenen Nachranggläubiger nicht besonders glücklich waren. Aber ich denke, sie haben lange genug sehr gute Zinsen für ihr Kapital bekommen, die sie auf dem normalen Kapital­markt sicher nicht bekommen hätten.

Dann musste man den Kärntnern auch erst klarmachen, dass es ihr Problem ist. Ich erinnere mich auch noch sehr gut an das Interview mit Landeshauptmann Kaiser im Fernsehen – ich glaube, das ist jetzt zwei Jahre her –, in dem er gesagt hat, er glaube gar nicht, dass die Kärntner etwas mit den Haftungen zu tun haben. Ich denke, da war es doch gut, im Mai dieses Jahres allen – auch den Kärntnern – klarzumachen, dass es sehr wohl ihr Problem ist und dass es in Kärnten aufgearbeitet werden muss.

Mit diesem Gesetz hilft der Bund dem Land Kärnten, aus dieser Situation heraus­zukommen. Kärnten kann den Gläubigern ein Angebot machen und kann damit die Haftungslast vermindern. Natürlich muss auch Kärnten etwas geben. Ich erinnere mich auch noch, wie Kärntner Politiker allen Ernstes gemeint haben, sie müssten diese 500 Millionen € aus dem Zukunftsfonds nicht angreifen. An dieser Stelle kann ich nur sagen: Wenn wir Niederösterreicher einige Hundert Millionen Euro beisteuern, dann muss doch auch klar sein, dass diese 500 Millionen € in Kärnten angegriffen werden müssen!

Die Aufarbeitung des Skandals bringt sehr viel Arbeit und Stress mit sich und erfordert Entscheidungskraft. Da hast du, Herr Bundesminister, in den letzten Monaten sicher sehr viel Arbeit geleistet. Da war es sicher leichter, Kollege Dörfler, auf den Stiegen des Kärntner Landhauses die Hundert-Euro-Scheine unter den Leuten zu verteilen – was im Übrigen ein Akt der Volkserniedrigung ist, der seinesgleichen sucht – oder einen Teuerungsausgleich in Höhe von 3 Millionen € zu beschließen oder auf Vereins­festen mit Tausendern um sich zu werfen, goldene Uhren unter das Volk zu werfen, sich Fluglinien und Stadien zu leisten, die nie im Leben wirtschaftlich geführt hätten werden können, oder ein Schlosshotel zu sanieren, um es anschließend um 30 Pro­zent der Sanierungskosten zu verkaufen.


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Es war sicher um einiges leichter, diesen Skandal zu verursachen, als diesen Skandal jetzt aufzuarbeiten. Aber dieses Gesetz bietet den Kärntnern einen Blick in eine Zukunft, die nicht mehr ungewiss ist.

Mit der vorliegenden Holding-out-Regelung hilft der Bund Kärnten, aber Kärnten muss sich auch selbst helfen. Es muss Beschlüsse fassen, dass sein verfügbares Vermögen ebenfalls zur Verfügung gestellt wird, und dann kann der Bund vorfinanzieren und die Heta, inklusive Haftung, in Kärnten entsprechend abwickeln.

Die landesbehafteten Gläubiger werden gleichmäßig bedient, wir brauchen aber auch eine Zustimmung von 66 Prozent, damit das dann auch zustande kommen kann. Wir hoffen, dass die Beschlüsse hier und dann in Kärnten gefasst werden und danach die Zustimmung von 66 Prozent der Gläubiger finden. So können wir auf der einen Seite mit diesem Thema vernünftig weiterarbeiten und Kärnten auf der anderen Seite mit einem Neustart beginnen. Damit könnte in absehbarer Zeit unter das Thema Hypo – die größte wirtschaftliche und politische Katastrophe in der Nachkriegszeit, größer als alle anderen Skandale auf Landes- und Bundesebene zusammengezählt – endlich einmal ein Schlussstrich gezogen werden. Die Kärntner könnten wieder in eine Zukunft schauen, die sie auch gestalten können.

Sehr geehrter Herr Minister Schelling, du hast gute Arbeit geleistet! Dieses Gesetz zeigt die richtige Richtung, in die wir gehen müssen, vor allem im Sinne der Steuer­zahler. Wir müssen aber auch aufpassen, dass die Rechnung nicht die Gemeinden und Länder bezahlen; als Bürgermeister und Ländervertreter muss ich das einbringen. Es sollten daher alle Konsultationsmechanismen zugelassen werden, um zu klären, dass dieses Gesetz keine Vorbildwirkung bei künftigen Kreditvergaben für andere Gebietskörperschaften hat und uns damit auf einer anderen Seite trifft.

Auch beim Vergleich mit den Bayern wurde gute Arbeit geleistet. Es war von vorn­herein klar, dass man nicht die gesamten strittigen 2,5 Milliarden retten kann. Eigent­lich war vor ein paar Jahren allen klar, dass diese 2,5 Milliarden € an die Bayern zu zahlen sind. Im Grunde genommen ist daher diese Regelung eine gute: Beide Seiten ersparen sich immense Gerichtskosten, ein langwieriger Streit wird verhindert und letzten Endes kann wieder Frieden mit unseren Verwandten, den Bayern, einkehren.

Ich wünsche dir, Herr Minister, viel Kraft für die Zukunft, und grundsätzlich stimmen wir diesem Gesetz natürlich zu. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.16


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


15.16.54

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Minister! Frau Präsidentin! Hier die Hypo-Geschichte aufzuarbeiten mit verschiedensten Schuldzuweisungen, das erlaubt, glaube ich, die Redezeit in keiner Weise. Deshalb möchte ich davon auch Abstand nehmen und das hier nicht tun. Es geht jetzt hier um den versuchten Heta-Vergleich und die Zukunft Kärntens.

Ich beneide Sie nicht, Herr Finanzminister, Entscheidungen fällen zu müssen, ange­sichts so vieler Unwägbarkeiten, Unklarheiten, den Versuch zu unternehmen, diese derart trübe Suppe, die Sie nicht eingebrockt haben, auszulöffeln und Klarheit zu schaffen, zumindest in einem Bereich, was eben den Rechtsfrieden und damit die Verbesserung der Beziehungen zu Bayern betrifft. Das ist sicher erstrebenswert, auch wenn sich unsere Beziehungen zu Bayern momentan aus ganz anderen Gründen ziemlich eintrüben.


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Für uns Grüne sind die Unwägbarkeiten natürlich noch größer als für Sie, weil so wichtige Unterlagen wie das Metagutachten von Frau Dr. Griss uns ja nicht zur Ver­fügung stehen, also nicht öffentlich sein werden. Die Ergebnisse werden erst nach dem Abschluss bekannt gegeben. Es gab aber auch kein Begutachtungsverfahren.

Hoffen wir, dass dieser Vergleich auf die Reihe kommt, aber, wie gesagt, wir lehnen den Entwurf ab, weil uns einfach die Grundlagen für eine seriöse Einschätzung der Situation fehlen.

Weiters soll Kärnten eine Zukunftschance erhalten, auch diese erscheint uns leider fraglich und sehr ungewiss. Kärnten muss ja einige Vorbedingungen erfüllen, bevor Sie da tätig werden, das betrifft das Einbringen des Zukunftsfonds, Privatisierungen, wie den Verkauf der KELAG, wobei aber 51 Prozent in öffentlicher Hand bleiben müssen, das betrifft eine Offenlegung des gesamten Kärntner Vermögens. Kärnten wird nicht in der Lage sein, selbst mit den Gläubigern zu verhandeln, das soll über eine eigene Gesellschaft vonseiten des Bundes geschehen. Alle Aktivitäten sollen auch vom Bund sozusagen vorfinanziert werden beziehungsweise stellt der Bund die Liquidität sicher. 

Dadurch wird sich die Schuldenlast Kärntens – das ist ja zurückzubezahlen – selbst bei optimistischer Rechnung dramatisch erhöhen. Wie hoch der Finanzbedarf ist, kann ja derzeit nicht eingeschätzt oder nicht berechnet werden. Also entweder ist Kärnten auf Jahrzehnte hinaus, auch noch die nächste Generation, massivst verschuldet, damit geknebelt und gegängelt, also trotz allem praktisch insolvent. Wir fordern auch nach wie vor ein Insolvenzrecht für Länder und Gebietskörperschaften; so etwas muss es, glaube ich, überhaupt als Grundlage geben. Aber wir sehen die Finanzkraft von Kärnten langfristig wirklich überfordert.

Oder – und das ist die andere Seite –: Was passiert, wenn die Zweidrittelmehrheit der Gläubiger zwar erzielt wird, aber das andere Drittel oder Teile davon den Weg zum Verfassungsgerichtshof antreten, was möglich ist, also was passiert dann? – Dann stehen wir auch wieder vor der Situation der Insolvenz des Bundeslandes.

Eine Anmerkung noch dazu: Alle Bundesländer, außer Wien und Kärnten, haben im Zuge dieses Gesetzes den Konsultationsmechanismus in Gang gesetzt, ebenso wie der Gemeindebund, weil sie befürchten, dass es durch diesen Schuldenschnitt zu einer erheblichen Verteuerung der Finanzierung für die Landesbanken und die Gemeinden und Länder kommt. Es gibt ja von Tirol ein entsprechendes Informationsschreiben vom 7. Oktober an alle Parlamentsklubs mit der Aufforderung, von einer Zustimmung zu diesem Gesetz Abstand zu nehmen. Ich hätte gerne gewusst, wie Tiroler Abgeordnete oder Abgeordnete aus anderen Bundesländern dazu stehen.

Es ist natürlich auch so, dass damit die Sache keineswegs vom Tisch ist und dass das sozusagen nur einen kleinen Teil des Problems betrifft, weil die Hauptverfahren, wo es um Bruttosummen plus Zinsen von 8 Milliarden € geht, davon unberührt bleiben.

Die Situation ist dramatisch. Sie wird vielleicht mit Fortschreiten des Untersuchungs­ausschusses etwas klarer, was die Debattenbeiträge meiner Vorredner betrifft, denn der Bereich Notverstaatlichung kommt ja im Untersuchungsausschuss erst später. Da wird es vielleicht etwas klarer werden, was gewisse Schuldzuschreibungen und Verant­wortungen betrifft.

Ich sehe ein, dass es für Sie schwierig oder vielleicht auch unmöglich ist, auf die Ergebnisse zu warten. Hoffentlich funktioniert jetzt zumindest dieser Teil, Rechtsfrieden mit Bayern herzustellen. Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass das von Erfolg gekrönt sein wird. Aber, wie gesagt, aufgrund der noch viel schlechteren Lage, in der wir uns


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befinden, was die Beurteilung dieser Situation betrifft, stimmen wir diesen Bestim­mun­gen nicht zu. (Beifall bei den Grünen.)

15.23


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Winkler. – Bitte.

 


15.23.24

Bundesrätin Ingrid Winkler (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Spricht man als vierter Redner zu einem TOP, ist natürlich schon viel gesagt. Aber gestatten Sie mir trotzdem, ein paar Dinge, selbst wenn ich etwas wiederhole, wiederzugeben.

Ziel dieser Vorlage ist es, mit der gegenständlichen Generalbereinigungsvereinbarung alle Rechtsstreitigkeiten zu beenden. Das lese ich jetzt vor, um mir selbst vor Augen zu führen, wie viele Parteien da verbunden sind: Bund, Land Kärnten, Kärntner Landes­holding, HETA, Bayerische Landesbank.

Ich denke, allein die Vielzahl der Beteiligten zeigt schon die Komplexität dieser Sach­lage und lässt erahnen, wie schwierig sich ein Rechtsstreit darstellen würde. Des­wegen kann ich die Meinung unseres Finanzministers nur teilen, wenn er sagt, dass mit dieser Lösung jahrelange und teure Gerichtsverhandlungen mit einem ungewissen Ausgang abgewandt werden können. Auch Frau Dr. Griss meint, dass bei solch komplizierten Causen ein Vergleich der einzig gangbare Weg ist.

Ich glaube, ich brauche nicht mehr darzustellen, wie der Sachverhalt dieses General­vergleichs ist, weil das meine Kollegen und Vorredner schon gemacht haben. Aber ich denke doch, dass es notwendig ist, auch wenn die Sachlage klar ist, aus dem Griss-Bericht beziehungsweise aus dem Bericht der Untersuchungskommission ein paar Passagen zitieren zu dürfen, um zu sehen, wie dramatisch sich diese Lage entwickelt hat. Ein Beispiel lautet:

„Die mit der Landeshaftung verbundenen, für Kärnten letztlich nicht tragbaren Risiken aus der Expansion der HGAA waren unübersehbar.“

Oder:

„Das Risiko für das Land Kärnten war nicht kalkulierbar, weil die Haftung für alle künftigen Verbindlichkeiten von HBInt und HBA galt. Ihren Höchststand erreichte die Landeshaftung 2007 mit 23 Mrd EUR. Eine Inanspruchnahme als Ausfallsbürge hätte die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Landes schnell in außerordentlicher Weise über­stiegen. Zwischen 2004 und 2011 überstieg die Landeshaftung in jedem Jahr das Bruttoinlandsprodukt Kärntens.“

Oder: Die Untersuchungskommission meinte auch, dass sich durch das „rasante Wachstum ... die chronische Eigenmittelknappheit der HBInt“ „verschärfte“. Dass, „um dringend benötigtes Kapital zu beschaffen, aber auch ebenso dringend benötigtes Knowhow zu gewinnen“, „eine strategische Partnerschaft mit anderen Banken“ angestrebt wurde, kann dadurch auch nicht wieder rückgängig gemacht werden. – Das ist aus dem Kontext genommen.

Auch wenn die angestrebte Lösung vielleicht keinen Grund zum Jubeln gibt, wäre trotzdem ein weiteres Kapitel im größten Finanzskandal der Geschichte Österreichs abgearbeitet. Meine Kollegin Ana Blatnik wird sozusagen als Betroffene die Sicht des Landes Kärnten einbringen. Ich glaube, keiner in diesem Saal außer den Kärntner Kollegen kann sich vorstellen, was das für dieses Land bedeutet.

Wenn man hier den Wunsch nach einem Insolvenzrecht für ein Land hegt: Ich bin bei Gott keine Expertin auf diesem Gebiet, aber ich gehe davon aus, dass es in einem


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Insolvenzverfahren unbedingt notwendig wäre, sofort alle freiwilligen Leistungen einzustellen. Liebe Frau Kollegin Dr. Reiter, ich schätze dich sehr, du hast einen sehr scharfen und klugen Verstand – aber das würde in meinen Augen bedeuten, das Land zu devastieren! Dafür kann ich nicht sein.

Ich bin in erster Linie Niederösterreicherin, aber dann bin ich sofort Österreicherin, und wenn es einem Land wie Kärnten schlecht geht, dann werde ich die Interessen meines Bundeslandes – und ich schaue die Präsidentin Zwazl an, wir Niederösterreicher haben hier auch die eine oder andere kritische Bemerkung gemacht –, die werde ich hintanstellen, weil ich nicht möchte, dass ein Bundesland vor der Frage steht: Welche der freiwilligen Leistungen kann ich noch erbringen oder bedeutet es einen Kahlschlag für mein Land?

Auch wenn du, Gerhard Dörfler, hier in sehr staatsmännischer Form diese Rede gemacht hast – das muss man dir zugestehen –, glaube ich trotzdem nicht, dass es möglich ist, die Schuld vonseiten der FPÖ abzuwenden. (Bundesrat Dörfler: Alle haben Schuld! Alle!) Es ist in dieser Zeit passiert, und deswegen kann man diese Schuld nicht von ... (Bundesrat Todt: „Alle“ sicher nicht! Ganz sicher nicht! – Bundesrat Dörfler: Sagt Griss aber auch! – Weitere Zwischenrufe.) Deswegen sollte man hier in dieser Frage auch durchaus selbstkritisch sein.

Ich habe mich jetzt – auch wissend, dass der Herr Finanzminister zum Wohle der Republik Österreich zum nächsten Termin muss – sehr kurz gefasst. Ich habe mich auf die wesentlichen Dinge konzentriert, die durch die Kollegen nicht gesagt wurden, und möchte die Sicht des Landes Kärnten natürlich meiner Kollegin Ana Blatnik überlassen. Wenn ich mich also auf den zweiten Punkt, der hier abgehandelt wird, nicht konzentriert habe, dann verzeihen Sie mir das, wiewohl meine Fraktion beiden Tagesordnungspunkten die Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.29


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Krusche. – Bitte.

 


15.29.57

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kurz zusammengefasst: Beim ersten Gesetzestext geht es ja um zwei wesentliche Teile. Das eine ist der Vergleich mit der Bayerischen Landesbank, das Zweite ist dieser sogenannte Hold-out-Bereich.

Das Erste erinnert in dem Verhandlungsergebnis ein bisschen an eine Basar-Men-talität. Wenn zwei sich ums Geld streiten, dann einigt man sich halt symbolisch: Machen wir halbe-halbe! Das ist dabei herausgekommen, wobei es in dem Gesetz ja nur um die Ermächtigung geht – um konkret zu bleiben – und nicht direkt um die Summe. Die „Süddeutsche Zeitung“ titelt dazu:

„Bayern und Österreich teilen sich die Hypo-Zeche“.

Also: 1,23 Milliarden sollen an die Bayern gehen, und damit wird auch die Beendigung zahlreicher Rechtsstreitigkeiten festgeschrieben. Der wesentliche Teil davon betrifft diesen Streit um die 2,3 Milliarden: ob das Eigenkapital war oder ob es ein Kredit war.

Die Argumente, die dafür gebracht werden, sind erstens auch das Sparen von Prozesskosten, die explodieren würden. Im Ausschuss habe ich die Frage gestellt: Was hat denn das Ganze bisher eigentlich gekostet? – Da hat es geheißen: Eigentlich gar nichts, weil das ohnehin die HETA gezahlt hat. – Ich weiß natürlich schon, dass dieses Argument nicht ganz greift, weil das schlussendlich dann auch wieder der Steuerzahler zu berappen haben wird.


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Ein zweites Argument ist die gute Freundschaft mit den Bayern. Hier hat auch die „Süddeutsche“ geschrieben:

„Der österreichische Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bezeichnet den geplan­ten Vergleich als ‚ausgesprochen positiv‘, nicht zuletzt ‚im Sinne auch der guten nach­barschaftlichen Beziehungen‘. Österreichische Politiker werden künftig in Bayern wohl wieder freundlich begrüßt.“

Diese Freude hat leider nur etwas kurz gedauert, jetzt haben wir den nächsten Streit mit den Bayern. Aber das geht Sie jetzt unmittelbar nichts an. Darüber werden wir uns ja heute in einer halben Stunde noch ausführlich unterhalten können.

Das Zweite ist eben der Versuch, Kärnten aus den Haftungen möglichst heraus­zubringen beziehungsweise diese zu minimieren. Bei einem Schuldenschnitt, der eine Zwei-Drittel-Zustimmung erfordert, gibt es sehr, sehr viele Unwägbarkeiten, etwa die Frage: Wird das vor dem Verfassungsgerichtshof halten? – Man gibt sich natürlich optimistisch, übt sich in Zweckoptimismus. Das kennen wir schon, diesen Zweckopti­mis­mus haben wir auch beim letzten Hypo-Gesetz gehabt. Ein solcher hat uns leider nichts genützt: Es wurde auch aufgehoben!

Man hat es mit dem ganzen Gesetz auch ziemlich eilig. Ich verstehe natürlich schon, dass Sie diese ungeliebte Erbschaft eigentlich gar nicht antreten möchten, sie mög­lichst schnell wieder los sein wollen, Herr Bundesminister, und dieses leidige Thema vom Tisch haben wollen. Es ist jetzt natürlich eine gute Gelegenheit dazu – in einer Zeit, in der keine Wahlen unmittelbar bevorstehen –, das möglichst zu bereinigen und nicht das Ergebnis des Untersuchungsausschusses abzuwarten. Man versucht hier offensichtlich auch, dem Ergebnis des Untersuchungsausschusses ein bisschen die Zähne zu ziehen.

Dankbar bin ich aus einer politischen Position heraus eigentlich dem Kollegen Köck, da er in seinem Redebeitrag nach wie vor an diesem fast schon zwanghaften Schema festhält: Schlagt die Kärntner! Und treffen wollen wir damit eigentlich die FPÖ. – Dass das nicht funktioniert hat, solltet ihr mittlerweile eigentlich schon gemerkt haben. Aber diese mangelnde Lernfähigkeit der ÖVP beschert euch wahrscheinlich auch diese berauschenden Wahlergebnisse, die ihr in letzter Zeit so eingefahren habt. (Bundesrat Kneifel: Bei der Kärntner Wahl? – Weitere Zwischenrufe.)

Dass es hier nicht so einfach ist, jetzt nur den Kärntnern und vor allem der FPÖ die Schuld zu geben, auch das hat die „Süddeutsche“, sogar als bayerische Zeitung, zugegeben. Sie schreibt wörtlich:

„Alles geschuldet dem Größenwahn der damaligen Regierung von Edmund Stoiber, die aus der weiß-blauen, per Gesetz vor allem der heimischen Wirtschaft verpflichteten Landesbank unbedingt ein international bedeutendes Geldinstitut, eine Bank von Welt hatte machen wollen.“

Wenn wir nun bei den Haftungen sind – das wird sich hoffentlich beim Untersuchungs­ausschuss herausstellen –: Wie man weiß, war man oder war das Land Kärnten diese eigentlich schon mehr oder weniger los. Aber die Republik hat sie mit dieser Notver­staatlichung ohne Not quasi um 1 € wieder zurückgekauft! Jetzt haben wir den Scher­benhaufen, wobei versucht wird, diesen mit teilweise rechtlich bedenklichen Gesetzen aus dem Weg zu räumen.

Ich wünsche Ihnen sogar, dass es funktioniert. Aber wir haben größte Zweifel, dass das so funktionieren wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.36



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 124

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Blatnik. – Bitte.

 


15.36.33

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Gospa president! Herr Bundesminister! Gospod zvezni minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Herr Kollege Krusche, ich glaube, es geht einem Finanzminister nicht darum, dieses Thema so rasch wie möglich wegzubringen, sondern Kärnten braucht eine Lösung. Kärnten braucht eine Lösung, um handlungsfähig zu sein. Kärnten braucht eine Lösung, damit es der Jugend eine Perspektive gibt. Die Kärntner und Kärntnerinnen haben das ganz einfach verdient, und darum geht es! (Beifall bei der SPÖ.)

Selbstverständlich kann man an Gesetzen und Lösungsansätzen zweifeln, weil jeder Lösungsansatz auch Risiken hat oder Risiken mit sich bringt. Ja, auch bei diesem Gesetz gibt es Risiken. Aber worum geht es? – Wichtig dabei ist, dass das Pro­zessrisiko minimiert wird, dass nicht Kosten entstehen, die nicht abschätzbar sind, und dass Kärnten handlungsfähig ist. Darum geht es bei diesem Gesetz. Jammern kann man, aber weiterbringen tut das nicht.

Deswegen ist eine Lösung wichtig. Es ist ja ein mutiger Ansatz, ein mutiger Versuch, Kärnten wieder eine planbare Zukunft zu ermöglichen und der Jugend eine Perspektive zu geben. Deswegen anerkenne ich das Bemühen des Herrn Finanzministers, einen Weg, eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie Kärnten aus den Haftungen kommt, aber nicht nur Kärnten, sondern auch Österreich.

Ich glaube, wir alle haben die Aufgabe, dass man aus der Vergangenheit lernt, dass man alles unternimmt, dass so eine Katastrophe – und ich bezeichne es als Katastro­phe – nicht mehr vorkommt und wir einen Weg beschreiten, dass wir aus dieser Katastrophe herauskommen. Unser Landeshauptmann Dr. Peter Kaiser und auch unsere Finanzreferentin Dr. Gaby Schaunig kämpfen seit dem Amtsantritt unermüdlich und konsequent und versuchen wirklich mit allen Mitteln, Kärnten eine Zukunft zu geben, damit die Kärntner und Kärntnerinnen in diesem Kärntnerland wieder fit gemacht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kärnten hat in den letzten Jahren, seit 2013, zahl­reiche Reformen eingeleitet und auch harte Sparmaßnahmen gesetzt, und das in einer Zeit, in der es wirtschaftlich sicherlich nicht einfach, sondern sehr schwierig ist. Seit 2013 hat Kärnten bei den Ausgaben jährlich 128 Millionen € eingespart; nächstes Jahr werden es zusätzlich 50 Millionen € sein. Kärnten hat einen Beitrag geleistet, und Kärnten wird selbstverständlich auch weiterhin einen Beitrag leisten – aber im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dessen, was rechtlich zulässig ist.

Es gibt Dinge, die Kärnten nicht verkaufen kann, zum Beispiel Spitäler. Spitäler kann Kärnten deswegen nicht verkaufen, weil es Teil eines verfassungsmäßigen Auftrags ist, die Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Auch die KELAG kann nicht verkauft werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, was auch klar sein muss, ist, dass die öffentlichen Aufgaben des Landes Kärnten jedenfalls finanziert bleiben müssen und so Kärnten seinen Aufgaben nachkommen kann. Ich spreche von Sozialinstitutionen, ich spreche vom Gesundheitssystem, ich spreche von Infrastruktur, ich spreche von Kinderbetreuungseinrichtungen, ich spreche von Schulen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, nein, es stimmt nicht: Es sind nicht alle Kärntnerinnen und Kärntner schuld an diesem Chaos! Ich verstehe das nicht, dass man sich, lieber


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Herr Landeshauptmann ... (Bundesrat Dörfler: a.D.!) – a.D., ja, außer Dienst. Es kann ja nicht sein, dass du dich hier ans Rednerpult stellst und sagst, alle sind schuld!

Es stimmt, die FPÖ in Kärnten hat den Schaden angerichtet (Zwischenruf des Bun­desrates Jenewein), die FPÖ in Kärnten ist die Haftungen eingegangen, und ich stim­me dir da in einem Punkt zu: Es hat 2004 einen einstimmigen Beschluss gegeben. Es gab einen einstimmigen Beschluss, aber da ist es praktisch um die Auslaufdauer, um die Auslauffrist der Haftung gegangen – die Höhe war da nicht im Spiel! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Herr Bundesrat Köck hat schon gesagt, wenn man von Haftungen spricht, muss man sich die Haftungen einmal ansehen (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein): 2004 waren es über 8 Milliarden, und drei Jahre danach waren es 24,7 Milliarden. Da muss man sich ja auch fragen: Wie entsteht denn so etwas? (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Du hast diese Prestigeobjekte aufgezählt, ich werde sie nicht noch einmal aufzählen. Haider hat angeschafft, Kulterer hat das unterstützt, die Hypo-Bank war Bankomat für die Prestigeprojekte, und das hat sogar so weit geführt, dass es praktisch zu einer Bilanzfälschung gekommen ist und Herr Kulterer dafür ja auch rechtskräftig verurteilt wurde. (Bundesrätin Mühlwerth: Martinz, Birnbacher …!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer war in der Aufsicht? Wer hat denn beim Land Kärnten kontrolliert? – Normalerweise die Landesfinanzreferenten. Wer war das? – Die Freiheitlichen. Wer war denn praktisch bei der Finanzmarktaufsicht? (Bundesrätin Mühlwerth: Nur die Freiheitlichen!) – Das war Herr Minister Karl-Heinz Grasser. (Zwischenruf bei der FPÖ: Ein Schwarzer!)

Na ja, vorher war er ein schöner ... (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Darf ich? Lieber Herr Landeshauptmann außer Dienst, du weißt, der Karl-Heinz Grasser war sicherlich auch einer deiner Freunde (Zwischenruf des Bundesrates Dörfler) und auch ein Freund von Landeshauptmann Haider. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube – und das stimmt mich traurig, das stimmt mich echt traurig, lieber Gerhard! –, es geht darum, aufzuräumen, es geht um Soli­darität mit den Kärntnern und Kärntnerinnen, und du bist dagegen! (Bundesrat Dörfler: Nein!)

Du bist nicht ein Teil der Lösung, sondern leider ein Teil des Problems. Wir brauchen eine Lösung für dieses Problem. Ich will gestalten. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Ich will gestalten, ich will den Kärntnern und Kärntnerinnen eine Perspektive geben, und ich möchte nicht, dass, wenn es zu keiner Lösung kommt, das unkalkulierbare Folgen für Kärnten haben könnte. Deswegen werde ich dem zustimmen.

(Die Rednerin setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort. – Ruf bei der FPÖ: Ich verstehe das nicht!)

Hvala. Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.44


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­des­minister Dr. Schelling. – Bitte, Herr Minister.

 


15.45.00

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen machen, um ein paar Missver­ständnisse zu beseitigen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 126

Erstens: Wir können uns darauf verständigen, dass das Problem in Kärnten entstanden ist. (Bundesrat Dörfler: Ohne Zweifel!) Wir können uns auch darauf verständigen, dass der Bund nie eine Haftung für die Haftungen Kärntens übernommen oder eine Garantie dafür übernommen hat.

Wir können uns auch darauf verständigen, dass wir einen relativ hohen Informations­stand haben durch einen Untersuchungsausschuss in Kärnten (Bundesrat Dörfler: Zwei!) – zwei –, durch einen Griss-Bericht, durch einen sehr, sehr umfassenden Bericht des Rechnungshofes, leider auch durch ein in erster Instanz verlorenes Urteil in München, sodass der Wissensstand eigentlich ein sehr hoher ist.

Natürlich wird argumentiert: Warum wartet man nicht das Ergebnis des Unter­suchungsausschusses ab? – Ganz ehrlich gesagt, der erste Abschnitt des Untersuchungsausschusses ist quasi beendet, aber der Wert dessen, was uns da weiterhelfen würde, ist ein sehr beschränkter.

Ich habe mich daher entschlossen, zu handeln. Würde ich nicht handeln, würden Sie sich alle hier ans Rednerpult stellen und sagen: Tun Sie endlich etwas! – Handle ich, kommt das Argument, das hat ein Risiko – nun, ich weiß, jedes Handeln hat ein Risiko, aber irgendwann müssen wir abwägen: Wo sind die Risken größer, wo kleiner? Wir haben daher mehrere Dinge versucht.

Erstens: das Moratorium. Das Moratorium hat dazu geführt, dass wir imstande sind, Zeit zu gewinnen, und dass das nicht ganz unrichtig gewesen sein kann, zeigt ja auch, dass die erste Klage gegen das Moratorium abgewiesen wurde.

Diese Zeit müssen wir aber jetzt nützen, und diese Zeit läuft viel schneller, als wir glauben, denn der Mai nächsten Jahres ist ziemlich schnell da. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Schaffen wir es bis dorthin nicht, dann können wir über Alternativen nach­denken. Wenn Sie das wollen, dann schicken wir die HETA in Konkurs, die Finanz­markt­aufsicht hat das zu entscheiden. Die Folge: Am nächsten Tag ist Kärnten in Konkurs. Was das für Auswirkungen hat, ist unbestritten unabsehbar.

Zweiter Punkt, das wird immer wieder gefordert: Machen wir doch ein Länderinsol­venzrecht! – Da bin ich sofort dabei, das 2017 zu machen. (Zwischenruf des Bun­desrates Dörfler.)

Ich sage Ihnen auch, warum 2017, und jetzt komme ich wieder auf die Ursache von Kärnten zurück: 2017 reifen fast alle Landeshaftungen für die Landesbanken ab. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden jetzt ein solches Gesetz machen: Der Kapital­markt würde uns dermaßen strafen, dass nicht einmal mehr die Republik zu vernünf­tigen Bedingungen zu finanzieren ist, da rede ich noch nicht von einem Bundesland wie Kärnten.

Daher: Ja, machen wir das, bereiten wir das vor! Jetzt komme ich zurück auf dieses Problem 2017, das ist nämlich 2004 entstanden. 2004 hat man festgelegt, dass die Länder keine Haftungen mehr für die Landesbanken übernehmen, und damit diese am Kapitalmarkt handlungsfähig bleiben, hat man eine Übergangsfrist bis 2007 gemacht. (Ruf bei der SPÖ: Wer war denn Finanzminister?!)

Viele der Länder haben während dieser Übergangsfrist 2004 bis 2007 keine weiteren Haftungen übernommen, das Land Kärnten aber fast 10 Milliarden € – mit der Wirkung, dass diese Haftungen 2017 abreifen. Das bedeutet, dass alle Lösungsversuche, die wir bisher gemacht haben, in die richtige Richtung gehen, und jetzt beschließen Sie hier mit, dass wir zwei Elemente neu aufbauen.

Das erste Element ist der Generalvergleich mit Bayern. Dazu möchte ich schon einen Punkt anmerken, der einfach gar nicht mehr diskutiert wird: Es war die Bank, die den


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Bayern dieses Geld zurückbezahlt hat, denn die Summe war ja nicht 2,3 oder 2,4 Milliarden €, sondern die war ja fast doppelt so hoch. (Ruf bei der FPÖ: Fünf!)

Wie wollen Sie jetzt einem Gericht gegenüber argumentieren, es sei Eigen­kapital­ersatz, wenn die Bank jahrelang diesen Kredit quasi zurückbezahlt hat? Und als dann nur noch 2,4 Milliarden € übrig waren, haben wir gesagt, es sei Eigenkapitalersatz. (Bundesrat Dörfler: Weil es der Herr Wolf vereinbart hat!) – Herr Landeshauptmann außer Dienst, ich war von den Schuldzuweisungen schon weg, aber wenn Sie es wollen, mache ich diese.

Das Gericht in Bayern hat daher vorerst gegen uns entschieden. Jetzt machen wir einen Vergleich, der Folgendes sagt: Wir übernehmen eine akontierte Garantie für den Freistaat Bayern – nicht für die Landesbank in Bayern, für den Freistaat Bayern – in Höhe von 1,23 Milliarden €, und wenn der Asset-Erlös aus dem Verkauf der HETA mindestens so viel erbringt, bekommen wir das Geld zurück.

Das ist eine Vorabgarantie, die wir abgeben. Wenn der Asset-Erlös weniger ist, geht es zulasten der Republik Österreich. Ist der Asset-Erlös mehr, muss er zwingend auf alle Gläubiger aufgeteilt werden, dann würden wir das Geld von Bayern wieder zurückbe­kommen. Das ist der Vergleich mit Bayern.

Ich möchte ich Sie noch einmal darauf aufmerksam machen: Dieser Vergleich wird jetzt auf Basis dessen organisiert, dass es Klagsüberlegungen von insgesamt kumuliert 16 Milliarden € gibt – mit Klagen, Widerklagen, Gegenklagen.

Ich darf Ihnen ein Beispiel geben: Wenn die Bayern uns in Österreich auf die Haftung der Republik klagen – 2,3 Milliarden € –, dann kostet das, bevor der Richter den Akt überhaupt in die Hand nimmt, 30 Millionen € Gerichtsgebühr. (Zwischenruf des Bun­desrates Dörfler.)

Da sind keine Anwaltskosten oder irgendetwas dabei – nur Gerichtsgebühr. Jetzt kann man sagen, als Finanzminister freust du dich darüber, du musst nur schauen, wie du es dem Justizminister wieder wegnimmst. (Heiterkeit des Bundesrates Dörfler.) Aber ich freue mich nicht darüber, denn wir haben ja 16 Milliarden € an Volumen laufen und nicht 2,3 Milliarden €.

Der zweite Punkt, der da sehr wichtig ist: Mit diesem Vergleich fahren wir noch eine zweite Schiene. Wir lassen die jetzt in München laufenden Prozesse weiterlaufen, und wo manche aggressiven Rechtsanwaltskanzleien aus London oder aus New York versuchen, einen Keil hineinzutreiben, bauen wir damit im Sinne der Rechtssicherheit eine Firewall auf und sagen, wenn wir das Verfahren auch zweitinstanzlich verlieren, dann haben wir damit Rechtssicherheit.

Also stellen Sie sich einmal vor, wir würden das gewinnen – dann kriegen wir alles zurück! (Bundesrat Dörfler: Das wünsche ich mir!) – Ja, das wünsche ich mir auch, Herr Dörfler, das wünsche ich mir auch. Die Wahrscheinlichkeit ist jetzt nicht allzu hoch, aber da haben wir mit dem Freistaat Bayern eine Lösung gefunden, sodass für uns der Schaden keinesfalls höher als diese bisherigen 2,4 Milliarden € sein kann.

Ich glaube daher, das ist eine gute Möglichkeit, diesbezüglich Rechtsfrieden herzu­stellen. Natürlich weiß niemand, ob am Schluss nicht irgendein Gläubiger irgendeine Möglichkeit findet, den Klagsweg zu beschreiten, das ist jedem unbenommen.

Der zweite Teil des Gesetzes, der sogenannte Hold-out-Bereich, ist in Wahrheit eine Vorausleistung des Bundes, damit überhaupt ein möglicher Anleihen-Rückkauf in Kärnten organisiert werden kann. Beim zweiten Teil würde ich mir jetzt vorerst einmal noch gar keine Sorgen machen, denn der kann überhaupt nur zum Tragen kommen, wenn die Kärntner in ihrem Landtag die notwendigen Beschlüsse fassen.


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Fasst Kärnten diese Beschlüsse nicht, dann eben nicht. Das ist jetzt Aufgabe der Kärntner Landesregierung und des Kärntner Landtages. Wir haben nur die Voraus­setzungen geschaffen, dass, wenn Kärnten dem zustimmt, wir diese Organisation und diese Operation überhaupt beginnen können.

Da immer wieder über die zwei Drittel diskutiert wird: Was bedeutet das? – Das ist eine absolut normale Klausel in den Verträgen. Es gibt genug österreichische, deutsche, internationale Beispiele, übrigens sieht auch das Insolvenzrecht eine Gläubiger­mehr­heit und keine Einstimmigkeit vor. Also haben wir gesagt, wenn 66 Prozent der Gläubi­ger dem zustimmen, dann können wir die anderen beim Haircut mitnehmen.

Diese Vorgangsweise bedeutet nun Folgendes: Erstens: Will Kärnten das? Zweitens: Wie organisieren wir das? Drittens: Wie finanzieren wir das? Viertens: Was ist zu tun, damit am Schluss möglichst kein Schaden übrig bleibt? Die Angebotsstruktur für den Rückkauf basiert auf verschiedenen Faktoren: Das ist die sogenannte Recovery Rate der HETA, das ist der mögliche Beitrag Kärntens und das ist die Bewertung dessen, was derzeit am Markt passiert. Das tun wir.

Jetzt kann es durchaus sein, dass am Schluss wieder jemand klagt, nur: dass das passiert, das kann ich leider in keiner Lösung, die wir hätten, ausschließen. Daher glaube ich, dass das ein guter, ein richtiger Weg ist, den wir da jetzt beschreiten.

Wenn Sie sich die Reaktion des Kapitalmarktes auf unsere Maßnahmen ansehen, so war die erste Reaktion, dass die ein Chart gezeichnet haben: Wie geht es, wenn man zustimmt, und wie geht es, wenn man nicht zustimmt. Das ist ja verblüffend, dass die Berater des Kapitalmarkts – internationale Kapitalmärkte – so etwas überhaupt auf den Markt bringen. Warum tun sie das? – Weil sie wissen, es ist eine potenzielle Lösung, wie man sich aus dem Dilemma herausbringt.

Was sind die Bedingungen? – Die Bedingungen für den Anleihenrückkauf sind das Erreichen der Quote von 66 Prozent, die Bedingung ist, Kärnten muss aus den Haftungen entlassen werden, und die Bedingung ist, es wird auf Klagen verzichtet. – Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, machen wir das, sonst machen wir das nicht.

Ich möchte noch darauf hinweisen: So lustig, wie manche glauben, ist das nicht, wenn ich aus der OeBFA mehrere Milliarden Euro an Liquidität zur Verfügung stelle, von denen ich nicht weiß, ob sie zu 100 Prozent bedeckt zurückkommen. Also da über­nimmt schon der Bund eine Verantwortung, und ich bin auch gerne bereit, diese zu tragen.

Ich meine daher, dass das der richtige Weg ist, den wir hier beschreiten, und dass es ein Weg ist, wie wir hoffentlich so bald wie möglich dieses Problem wegbekommen. Da geht es nicht darum, Herr Kollege Krusche, dass da irgendwelche Wahlen bevor­stehen.

Darf ich Ihnen eine Zahl nennen, die Sie vielleicht nachdenklich stimmen wird – ich komme gerade aus dem Budgetausschuss, wir haben gerade den Rechnungsab­schluss 2014 behandelt: Wir haben ein Defizit, ein Maastricht-Defizit von 2,7 Prozent. Ohne HETA, Hypo hätten wir nur ein bisschen über 1 Prozent. Das ist das, was den Staatshaushalt belastet.

Sie können doch nicht glauben, dass es als Finanzminister nicht richtig ist, diese Dinge wegzubekommen und ein für alle Mal wieder eine gesunde Struktur herzustellen. Wenn Sie sich die Entwicklung der Staatsschulden ansehen, kommen bei der Steigerung auf 86 Prozent 8,5 Prozentpunkte – nicht Prozent! – aus diesen Problemen mit der Bank. (Bundesrat Dörfler: Mit den Banken!) – Hauptsächlich schon mit dieser einen, aber wir können über das andere auch gerne diskutieren. Direkt verloren haben


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wir dort sicher am meisten, und das, was wir statistisch noch mitschleppen, ist im Wesentlichen jetzt die HETA.

Daher sage ich: Wenn wir diesen Weg nicht wollen, dann gibt es den Weg in Richtung Insolvenz – samt Bundesland –, wenn wir diesen Weg beschreiten, haben wir eine realistische Chance, das Problem zu lösen, mit allen Restrisiken, die da sind. Aber da gilt halt bei mir auch der Grundsatz, zu Tode gefürchtet ist auch gestorben, und daher werde ich mich nicht zu Tode fürchten. Wir werden diesen Weg beschreiten.

Allen, die das unterstützen, ein herzliches Danke. Es ist quasi ein Manöver, bei dem wir am offenen Herzen operieren. Jedes dieser Manöver ist klarerweise mit einem Risiko verbunden, wir glauben aber, dass dieser Weg der richtige ist, um da zu Lösun­gen zu kommen.

Ein letzter Satz, der mir sehr wichtig ist: Wir tun das in voller Verantwortung für die Republik Österreich, und wir tun das in voller Verantwortung, um Kärnten in eine hoffentlich gute Zukunft zu bringen. Der schlimmste Fall – und das sage ich ganz offen – wäre so ein Insolvenzfall, denn dann passiert genau das, was hier ange­sprochen wurde: Man muss ein Vermögen offenlegen – na, was glauben Sie, was im Insolvenzfall passiert?!

Ein letzter Satz: Ich bitte um Verständnis – nachdem wir jetzt über die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur die Finanzierung des Landes Kärnten weitestgehend übernommen haben –, eines geht natürlich auch nicht: Wenn man in einer Situation wie Kärnten ist und zur Bank geht und dem Bankdirektor die Konditionen diktiert, wird das nicht gut funktionieren.

Wenn man Geld will, sollte man sich auf vernünftige Bedingungen einigen, das haben wir gemacht. Auch da übernehmen wir die Verantwortung, um sicherzustellen, dass wir Kärnten aus dem Problem herausbekommen und dass wir am Schluss sowohl für die Republik als auch für Kärnten eine Lösung haben, die das Kapitel endgültig abschließt, in der Hoffnung, dass so etwas nie mehr auftritt. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall bei Bundesräten der Grünen.)

15.57

 

15.57.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz aus Anlass des Generalvergleichs mit dem Freistaat Bayern, mit dem das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das Finanz­marktstabilitätsgesetz und ein weiteres Gesetz geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den Einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Ein­spruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 130

Es ist jetzt 2 Minuten vor 16 Uhr, ich könnte jetzt nur noch sehr langsam vorlesen oder die Sitzung für diese 2 Minuten unterbrechen. (Bundesrat Mayer – mit Heiterkeit –: Langsam vorlesen!) – Ich lese nicht langsam vor; ich lese dafür am Abend eine Ge­schichte vor.

Ich unterbreche die Sitzung.

*****

(Die Sitzung wird um 15.59 Uhr unterbrochen und um 16.01 Uhr wieder aufge­nom-men.)

*****

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Die Verhandlungen zur Tagesordnung sind unterbrochen.

16.01.25Dringliche Anfrage

der Bundesräte Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes-kanzler betreffend „Österreich schafft sich ab“ (3091/J-BR/2015)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Jenewein, Kolleginnen und Kollegen.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Jenewein als erstem Antragsteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

 


16.01.53

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Vorweg lassen Sie mich nur ganz kurz darauf reagieren, dass wir heute keine ORF-Über-tragung haben. Es ist eine eigenwillige Form der Informationspolitik des ORF, dass man zum jetzigen Sendetermin gerade eine Dokumentation darüber sendet, wie die Philharmoniker-Münze in der Republik entstanden ist – durchaus interessant und durchaus ein wesentlicher Beitrag zur Numismatik in dieser Republik.

Ich denke aber doch, dass die Informationspflicht des ORF es durchaus bedingen würde, diese nicht ganz unwesentliche Debatte zu übertragen. Ich darf gleich in der Begründung einen Entschließungsantrag einbringen.

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, beim Vollzug und allenfalls dazu erforderlichen Vorschlägen für Novellierungen des ORF-Gesetzes sicherzustellen, dass die Beratun­gen aller gesetzgebenden Körperschaften im Rahmen des Bildungsauftrages des ORF – je nach regionaler Zuständigkeit bundes- oder landesweit – live und vollständig übertragen werden.“

*****

Ich darf Ihnen das zur weiteren Behandlung gleich einmal übergeben. (Der Redner überreicht Vizepräsidentin Posch-Gruska ein Schriftstück.)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 131

Und damit gehen wir schon in medias res: Was wir derzeit, zur Stunde, zur Minute – und ich habe heute eigentlich den ganzen Vormittag, obwohl ich die meiste Zeit herin­nen gesessen bin, trotzdem mit einem Auge auch die Agenturmeldungen verfolgt – erleben, ist eine Ausnahmesituation, wie sie Europa in dieser Form bislang noch nicht erlebt hat.

Wir erleben seit Ende August, wahrscheinlich schon etwas früher beginnend, aber seit Ende August für alle Personen wahrnehmbar eine Völkerwanderung. Und man könnte jetzt natürlich sagen: Na ja, das ist alles sehr überraschend gekommen, und davon war auch unsere Bundesregierung überrascht, und selbstverständlich, wenn es zu so einer Überraschung kommt, dann ist es auch nicht unbedingt so, dass man immer richtig und entsprechend darauf reagieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen nur sagen: Es kam nicht überraschend! Es kam nicht überraschend, was auf uns zugekommen ist. Bereits im Jahr 2004 hat der damalige deutsche Bundesinnenminister, Otto Schily, Aufnahme­lager an den EU-Außengrenzen gefordert, Otto Schily, der nicht nur als RAF-Rechtsa­nwalt bekannt geworden ist, sondern auch dafür, dass er seinerzeit durchaus klare Worte zur Migrationspolitik nach Europa gefunden hat.

Und was besonders bemerkenswert ist: Im Jahr 2010 – und hören Sie gut zu, das gilt gerade für jene Fraktion, die derzeit den Verteidigungsminister stellt –, genauer gesagt am 10. März 2010 hat der Schweizer Armeechef André Blattmann in einem Interview mit der schweizerischen Presse gesagt, und ich zitiere hier wörtlich:

Auch in Europa können Situationen entstehen, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Große Migrationsströme können einen Einsatz der Armee notwendig machen. – Zitatende.

Im heurigen März berichtet das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ darüber, dass Griechenland Deutschland zu erpressen versucht. Rufen wir uns ganz kurz in Erinnerung, wie die Situation heuer im Frühjahr war, als Griechenland wieder einmal in Europa angeklopft hat für eine weitere finanzielle Stützung. Schon damals hat der griechische Vize-Innenminister Panousis gesagt, er könne sich vorstellen, 300 000 Flüchtlinge, die derzeit in Griechenland in Flüchtlingslagern sind, mit Papieren auszu­statten und Richtung Deutschland zu schicken. Schon damals hat man also gesehen, dass in diesem Punkt von gewissen Seiten in Europa ein gewisser Druck ausgeübt wurde.

So weit braucht man jedoch gar nicht zu gehen, man braucht gar keinen Theorien anzuhängen. Es hat die Bundesrepublik Deutschland selbst durch ihre obersten Re­präsentanten, namentlich durch Bundespräsident Joachim Gauck im Jahr 2014 bei einem Staatsbesuch in Indien gesagt:

„Wir haben Platz in Deutschland. Deshalb warten wir auch auf Menschen aus anderen Teilen der Welt, die bei uns leben und arbeiten wollen. Darauf freuen wir uns schon.“

Spätestens seit den Aussagen der deutschen Bundeskanzlerin Merkel, die bei einer Pressekonferenz Ende August gemeint hat: „Wir schaffen das!“, war natürlich der Dammbruch da, und das war natürlich geradezu als Aufforderung für all jene zu verstehen, die aus welchen Gründen auch immer – und ich werte das ganz bewusst nicht – nach Europa kommen wollen, speziell nach Deutschland kommen wollen, weil damit natürlich auch eine Form der Einladung ausgesprochen wurde, zumindest wurde dies so interpretiert und auch in den örtlichen Medien, in jenen Medien vor Ort, wo diese Menschen zu einem Gutteil herkommen, so präsentiert.

Warum wir heute diese Dringliche Anfrage genau an den Bundeskanzler richten, der leider nicht die Zeit gefunden hat, hier heute in die Länderkammer zu kommen, was ich


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natürlich sehr schade finde – nichtsdestotrotz freue ich mich, dass Frau Staats­sekretärin Steßl heute da ist –, hat natürlich auch eine rechtliche Komponente, denn schon Cicero hat gewusst: res publica res populi.

Und diese staatstheoretischen Grundsätze definieren territoriale Souveränität auf der einen Seite und das Staatsvolk auf der anderen Seite als für die Staatsbildung zwin­gend notwendig. Und erst darauf gründet die Möglichkeit, Steuern einzuheben. Unter dem Gesichtspunkt, dass man, wie die österreichische Bundesregierung, die obersten Organe der Republik heute, freiwillig auf die Vollziehung von Gesetzen verzichtet, muss man sich schon auch den Vorwurf gefallen lassen, dass hier bewusst das Recht außer Kraft gesetzt wird.

Ich möchte da gar nicht mehr näher darauf eingehen. Dazu wird ein Kollege von mir, der wesentlich berufener ist, zu diesem Thema zu sprechen, nachfolgend als Redner ans Rednerpult treten.

Der Hund liegt natürlich schon im Detail begraben, denn wir haben verschiedenste gesetzliche Bestimmungen, die auch die territoriale Souveränität der Republik Öster­reich expressis verbis im Gesetz niederschreiben: im Jahr 1955 beim österreichischen Staatsvertrag, zuletzt 1995 beim Beitritt zur Europäischen Union. Wir haben uns im Jahr 1955 nicht nur dazu verpflichtet, die territoriale Unversehrtheit zu garantieren, sondern wir haben uns damals auch selbst zu einer umfassenden Landesverteidigung verpflichtet. Und diese umfassende Landesverteidigung setzt sich aus mehreren Teil­bereichen zusammen, da gibt es die militärische, die wirtschaftliche und die geistige.

Ich will jetzt gar nicht so sehr die militärische bemühen, denn wie unser Bundesheer mittlerweile aufgestellt ist, das wissen wir ohnehin. Es gab ja durchaus Kritik – teils berechtigt, teils unberechtigt –, dass Teile des Bundesheeres am 26. Oktober nicht die Grenze gesichert, sondern am Wiener Heldenplatz eine Leistungsschau abgehalten haben.

Ich persönlich bin der Meinung, dass es gar nicht möglich gewesen wäre, viel mehr als das, was am 26. Oktober am Heldenplatz gestanden ist, an die Grenze zu schicken, denn viel mehr gibt es ohnedies nicht mehr.

Worauf ich eigentlich abziele, ist der Aspekt der geistigen Landesverteidigung. Geistige Landesverteidigung heißt nichts anderes, als Vorsorge dafür zu treffen, dass die Bevöl­kerung den psychischen und physischen Belastungen in Krisen- und Konfliktfällen standhält. Und das ist keineswegs mehr der Fall.

Der deutsche BKA-Chef Holger Münch zum Beispiel hat heute am Vormittag laut Agence France-Presse in einer Pressekonferenz gesagt: Der anhaltende Flüchtlings­strom bedroht zunehmend die innere Sicherheit Deutschlands. Er bezieht sich auch darauf, dass Islamisten versuchen, junge Asylwerber zu rekrutieren.

Bereits im Juni dieses Jahres – also noch bevor diese Welle, wie wir sie heute erleben, eingesetzt hat – hat die deutsche Zeitung „Die Welt“ vom nächsten großen Schlacht­feld in Europa gesprochen, das dadurch entstehen wird, dass wir Menschen impor­tieren in dieses Land, dass wir Menschen auf diesen Kontinent importieren, die nicht immer nur das Beste vorhaben.

Ich sage nicht, damit Sie mich nicht falsch verstehen – ich lege Wert auf diese Fest­stellung –, ich sage also nicht, dass alle Verbrecher sind, die zu uns kommen. Ich behaupte aber – und das ist des Pudels Kern, und darum geht es mir eigentlich –, dass wir dadurch, dass wir die eigenen Gesetze nicht mehr vollziehen, überhaupt nicht mehr wissen, wer nach Europa kommt, überhaupt nicht mehr nachvollziehen können, ob denn die alle da wirklich Gutes im Schilde führen.


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Dabei geht es mir nicht um die Frauen mit den Kindern, die bei diesen Temperaturen frieren müssen. Und ich sage auch – und das ganz im Bewusstsein dessen, dass ich selbst Kinder habe –: Es ist eine Schande, dass man bei diesen Temperaturen Kinder im Freien schlafen lassen muss! Das ist eine Schande!

Das ist auch eine Schande, da zumindest der Schweizer Armeechef schon im Jahre 2010 vor diesen Dingen gewarnt hat. Es möge mir keiner einzureden versuchen, dass wir über unsere Institutionen, die wir in Österreich, aber auch in Deutschland haben, nicht wussten, was da auf den Weg gebracht wird, dass wir nicht wussten, welcher humanitären Katastrophe wir nicht nur die eigene Bevölkerung ausliefern, sondern auch jene Leute ausliefern, die jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, vor den Grenzen Europas stehen und Einlass begehren.

All diese Sozialromantiker, die im Vorfeld gemeint haben: wir werden das schon schaffen, das ist ja alles kein Problem!, bekommen jetzt auf einmal kalte Füße. David Cameron hat im Juni vor IS-Anschlägen in Großbritannien gewarnt. Es gibt einen Fachmann, einen ausgewiesenen Fachmann, von dem man in vielen Zeitungen, Zeit­schriften der Welt immer wieder Beiträge lesen kann, das ist ein Mitarbeiter des griechischen Instituts für Sicherheits- und Verteidigungsanalysen, Ioannis Michaletos, und dieser berichtete bereits am 29. Juni 2015 davon, dass in Griechenland, also auf europäischem Staatsgebiet, immer wieder illegale Waffenlieferungen – von denen man durchaus der Meinung sein kann, dass das IS-Waffen sind – in Containern festgestellt werden. Er berichtet davon, dass Flüchtlinge mit hohen Geldbeträgen aufgegriffen werden, namentlich nennt er eine Frau, die vermeintlich aus Syrien kommt, zumindest hatte sie einen syrischen Pass, die mit 300 000 € aufgegriffen wurde.

Und da stellt man sich dann schon die Frage: Wie kann so etwas vorkommen?! Führen die wirklich alle nur Gutes im Schilde? Oder ist das alles nur böse Panikmache? – Und das ist keine böse Panikmache der Freiheitlichen, und das ist keine böse Panikmache von Boulevard-Medien, sondern das sind Leute, die sich durchaus ernsthaft damit beschäftigen.

Man braucht ja nur Zeitungen zu lesen. Ich empfehle durchaus, nicht nur die öster­reichischen Zeitungen zu lesen, sondern auch Zeitungen aus der Bundesrepublik Deutschland oder aus der Schweiz. Man wird sich wundern, wie sich da auf einmal der Horizont erweitern kann, wenn man nicht nur die eindimensionale und stromlinien­förmige Berichterstattung der gleichgestalteten österreichischen Medien und des ORF konsumieren muss.

Da schreibt am 23. September 2015 „Die Welt“ zur Frage: Wer sind denn eigentlich die Hintermänner? Wer sind denn eigentlich jene, die mit Megaphonen vor der unga­rischen Grenze stehen und Flüchtlingsströme mit Megaphonen dirigieren? Die Frage muss schon zulässig sein: Wenn ich auf der Flucht bin vor einer syrischen Fassbombe vom Herrn Assad oder vor dem IS, der mir den Kopf abschneiden will, ist es dann wirklich das Gebot der Stunde, ein Megaphon mit auf die Flucht zu nehmen? Diese Bilder gibt es, und diese Vorkommnisse gibt es. Und dann stellt man fest, da sind Männer mit Megaphonen, die die Menge zu lenken versuchen.

Bei einem vermeintlichen Flüchtling fand die Polizei sieben Pässe mit Schengen-Visa. Zuvor lebte der Mann als Flüchtling in Zypern, er stammt selbst aus Syrien. Im Zuge der Vernehmungen ist man draufgekommen, dass er Mitglied der Tablighi Jamaat ist, einer 1927 in Indien gegründeten islamistischen Vereinigung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Menschen der arabischen Welt wieder zum Ur-Islam zurückzuführen. Ich behaupte nicht, dass diese Vereinigung eine Terror-Organisation ist, aber es ist bemer­kenswert, dass sehr viele Terroristen immer wieder Kontakte mit dieser Vereini­gung gehabt haben.


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Natürlich gibt es auch Profiteure dieser ganzen Situation; da braucht man sich auch nichts vorzumachen. Wir haben auf der einen Seite Schlepper, die das schnelle Geld verdienen mit dem Leid dieser Menschen. Und wir haben natürlich auch NGOs, die nicht das schnelle Geld, sondern das langfristige Geld mit diesen Menschen ver­dienen, denn man darf ja nicht vergessen: Jeder Asylwerber, jeder Asylant, jeder Flücht­ling, jeder Asylforderer, der in dieses Land kommt, ist natürlich auch mittelfristig oder kurzfristig einmal in einer Grundversorgung drinnen; wir lassen ja niemanden verhungern, wir lassen auch niemanden erfrieren. Und selbstverständlich bringt natür­lich auch jeder Einzelne diesen Organisationen Geld. Es ist ja nicht so, dass die alle um Gottes Lohn arbeiten, auch wenn uns das durchaus manches Mal von diversen Meinungsträgern zu vermitteln versucht wird. Selbstverständlich leben diese Organi­sationen davon. Und selbstverständlich finanzieren sich diese Organisationen gar nicht einmal so schlecht, denn da gibt es Sozialarbeiter, da gibt es Rechtsanwälte, da gibt es Krankenschwestern, da gibt es Pädagogen, da gibt es Soziologen, da gibt es die schwer vermittelbaren akademischen Personen, die natürlich alle versorgt werden müs­sen, und die leben alle gar nicht so schlecht davon. Das darf man natürlich auch nicht übersehen. Und dieser Rattenschwanz, der da miterzeugt wird, dieser Ratten­schwanz … (Bundesrat Schreuder: Das ist ja unfassbar!) – Das ist nicht „unfassbar“, das ist Tatsache, Herr Kollege! (Bundesrat Schreuder: Sollen die alle unbezahlt arbeiten?)

Nein, die sollen nicht unbezahlt arbeiten, aber sie sollen nicht in der Öffentlichkeit das Bild davon erzeugen, dass sie eigentlich alles nur aus Menschenfreundlichkeit ge­macht haben. (Bundesrat Schreuder: Was ist mit den Freiwilligen?) Ja, ja, die Frei­willigen am Westbahnhof, die kennen wir schon, Herr Kollege. Das sind die, die für 10 € in der Stunde am Westbahnhof gestanden sind und vermeintliche Flüchtlinge mit der „Welle“ begrüßt haben. Wir haben doch alle diese Rechnungen bekommen, die da durchgegangen sind. Selbstverständlich! Die ÖBB hat sich über eine Personalleasing-Agentur Menschen organisiert, die für 10 € in der Stunde am Westbahnhof gestanden sind und dort diese vermeintliche Willkommenskultur implementiert haben.

Ich sage Ihnen etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir brauchen nicht nur eine Willkommenskultur in dem Land, sondern wir brauchen auch eine Verabschie­dungskultur in diesem Land, nämlich für all jene, die mit falschen Pässen herkom­men, für all jene, die keine Berechtigung haben, in Europa zu sein, weil es keinen Asylgrund gibt. (Bundesrätin Grimling: Wer entscheidet das?) Ja, für diese brauchen wir auch eine Verabschiedungskultur. (Beifall bei der FPÖ.)

Und was wir auch brauchen, sind nachhaltige Lösungen, wie wir Menschen davon abhalten können, dass sie in das vermeintliche „Paradies Westen“ gelangen, und zwar nicht, weil ich das diesen Menschen nicht gönnen würde; darum geht es überhaupt nicht! Ich habe auch nicht Angst, dass mir jemand etwas wegnimmt, aber es ist einfach klar, dass eine Volkswirtschaft nur eine bestimmte Leistungsfähigkeit hat. Und diese Leistungsfähigkeit zur Hilfe und diese Leistungsfähigkeit zum Schutz kann man nur all jenen angedeihen lassen, die diesen Schutz auch wirklich benötigen. Man kann nicht Krethi und Plethi und Gott und die Welt nach Europa einladen; das wird auf Dauer nicht funktionieren. Wenn Sie das machen wollen, dann steht Ihnen das offen. Wir wollen das nicht.

Natürlich hat keiner das Patentrezept, wie wir diese humanitären Probleme vor Ort lösen. Dieses Patentrezept hat niemand, aber wir haben Beispiele in Europa, wie es durchaus funktioniert. Und wenn wir heute daran denken, wie Ungarn noch vor einem Monat gescholten wurde – wenn Sie heute nach Ungarn fahren, da ist Ruhe, da ist nichts mehr. Die Ungarn haben einen Zaun gebaut. Ich weiß schon, Herr Bundes­kanz-


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ler Faymann hat gesagt, heute erst hat er das gesagt: Zäune haben keinen Platz in Europa.

Gestern hat die Frau Innenministerin – und ich stehe nicht an, ihr dafür auch durchaus meinen Respekt zu zollen, weil das ein guter und richtiger Ansatz ist – gesagt: Wir werden an bestimmten Stellen auch Zäune brauchen!

Zaun heißt ja nicht, dass man mit einer Berliner Mauer das Staatsgebiet abriegelt, sondern Zaun heißt einfach, zu schauen, wer hereinkommt, und dass man auch – und damit wird es eben auch nicht beim reinen Zaun bleiben – mit Schnellverfahren einmal schaut: Haben diese Leute, die hierher kommen, die auch registriert werden müssen, überhaupt eine Chance, in Europa bleiben zu können?

Es ist ja ganz interessant – aber das sind eben die Rechenkünste der SPÖ, wir haben das ja in der vorangegangenen Debatte auch gehört –: Herr SPÖ-Bundesgeschäfts­führer Schmid hat sich am Sonntag – das ist in der Videothek des ORF ja noch zu sehen – nicht entblödet, im Fernsehen zu sagen: Ja, die SPÖ hat das ausgerechnet, und wenn man rund um Österreich in der Länge von 2 700 Kilometern einen Zaun bauen würde, dann würde das 13 Milliarden € kosten. – Nach Adam Riese hieße das nämlich: Ein Kilometer kostete 4,9 Millionen €.

Das ist natürlich eine interessante Rechnung, vor allem, wenn man sie mit anderen Staaten vergleicht. Israel hat zum Beispiel einen Zaun, der ist 759 Kilometer lang, dabei sind 25 Kilometer über acht Meter hoch, aus Stahlbeton. Dieser Zaun kostete 180 Millionen €. Das heißt, der Kilometer kostet da auf einmal nur 240 000 €.

Ungarn hat vor Kurzem einen Zaun in einer Länge von 175 Kilometern gebaut. Er ist vier Meter hoch und, ganz interessant und vor allem für die SPÖ wichtig, mit „rosen­ähnlichem Metallbeiwerk“. Früher hat man „Stacheldraht“ dazu gesagt, jetzt heißt es „rosenähnliches Metallbeiwerk“. Dieser Zaun hat 30,6 Millionen € gekostet. Das heißt, der Kilometer kostet 174 000 €.

Die USA – und das ist in der Länge durchaus vergleichbar, nicht in der Topographie, aber in der Länge – haben einen zirka 3 000 Kilometer langen Zaun. Der ist sieben Meter hoch, mit dicken Stahlröhren. Dieser Zaun hat 4 Milliarden US-Dollar gekostet. Das heißt, der Kilometer kostet dort nur 75 000 Dollar. – Laut SPÖ aber kostet ein Kilometer Zaun 4,9 Millionen €.

Jetzt könnte man natürlich bösartig sagen: Na ja, wer den Skylink um 1 Milliarde € baut und wer das Krankenhaus Nord baut, das wir dann wieder abreißen müssen – das ist eben der „SPÖ-Bonus“. – Ich sage Ihnen: Es ist völlig egal, wie Sie das bezeichnen, ob Sie das als „Containergitter“ oder „bauliche Maßnahme“ bezeichnen, ob Sie „tech­nische Sicherung“ dazu sagen oder, wie der Herr Vizekanzler gemeint hat, „eine Tür mit Seitenteilen“; sehr kreativ … (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Kommen Sie heraus, melden Sie sich zu Wort!

Ich würde Ihnen aber vorschlagen und mit auf den Weg geben: Wir könnten es Um­friedung nennen. Da haben Sie das Wort „Frieden“ drinnen. Vielleicht gefällt Ihnen das besser. Das ist vielleicht friedlicher und würde das Ganze nicht ganz so stark zum Ausdruck bringen.

Vor allem bei der Exekutive ist die Stimmung am Siedepunkt, meine sehr geehrten Damen und Herren. „Die Presse“ schreibt am 27. Oktober, es gibt einen Aufstand bei der Polizei. Wir haben seit 1. September dieses Jahres 320 000 Einreisen in die Re­publik gehabt. Die wenigsten dieser 320 000 Einreisen wurden registriert! Das heißt, wir wissen bei den meisten Leuten nicht, ob sie in die Bundesrepublik Deutschland weitergezogen oder da geblieben sind.


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Wir haben derzeit, also im Jahr 2015, 62 000 Asylanträge. Diese Zahl ist aktuell. Ich stelle mir schon die Frage bei diesen 320 000 Einreisen, die hier registriert sind: Wie will man eigentlich garantieren, dass die ganzen 320 000 irgendwann wieder in der Legalität auftauchen?

Damit stellt sich für mich schon die nächste Frage: Wir haben in dieser Republik ja angeblich einen Flüchtlingskoordinator. Das ist ja eigentlich eine falsche Bezeich­nung. Der müsste eigentlich Durchschleusungskoordinator heißen, denn das Ein­zige, was derzeit passiert, ist, dass man versucht, die in Österreich ankommenden Menschen auf Busse und die Bahn zu verfrachten und möglichst schnell zur bundes­deutschen Grenze zu verbringen.

Ob das die vielgepriesene europäische Solidarität ist, von der wir allenthalben hören, weiß ich nicht. Ich weiß nur, wenn ich die Zeitungen lese, dass sowohl der bayrische Ministerpräsident als auch der bayrische Innenminister als auch der Bundesin­nen­minister de Maizière mittlerweile – ich nenne es einmal freundlich – einigermaßen verschnupft reagieren. Dabei weiß man nicht, was passiert, wenn ihnen irgendwann der Kragen platzt und sie sagen: So, jetzt machen wir wirklich einmal dicht, jetzt lassen wir wirklich einmal die Rollbalken runter!

Im Unterschied zu Österreich haben die zumindest noch die Mannstärken der deut­schen Bundeswehr, um die Grenze abzuriegeln. Ich weiß nicht, ob das das ist, was wir uns wünschen oder wünschen sollten.

Das Einzige, was ich weiß, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir stehen hier heute, und ein Beteiligter der Rettungsmannschaft in Oberösterreich hat das vor ein paar Tagen im Fernsehen so schön gesagt: Wir erleben hier gerade aktuell Ge­schichte.

Das ist aktuell definitiv Geschichte. Die Frage ist nur, in welche Richtung das gehen wird. Geht es in die Richtung, dass wir sozialromantisch einfach der Meinung sind, das ist alles gut, das ist alles schön, kommt alle her, wir werden das schon schaukeln, wir werden schon fertig werden?

Das ist sehr naiv. Jeder von Ihnen kennt wahrscheinlich das Prinzip der ausgleichen­den Gefäße. Sie wissen selbstverständlich, dass das Prinzip der ausgleichenden Gefäße auch in diesem Bereich wirkt, und irgendwann werden die Mittel nicht mehr da sein. Das ist etwas, das wir alle uns eigentlich nicht wünschen sollten.

Da bin ich durchaus der Meinung der Frau Innenministerin, die vor ein paar Tagen von einer „Festung Europa“ gesprochen hat. Auch ich halte es für notwendig, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen und auch die entsprechenden Handlungen daraus abzuleiten. Denn Gedanken haben wir uns ja, wie ich eingangs erwähnt habe, schon im Jahr 2004 gemacht, als der Ihnen sicher näher als mir stehende Otto Schily gemeint hat, wir brauchen Aufnahmelager an den EU-Außengrenzen.

Man hätte elf Jahre lang Zeit gehabt, diese Aufnahmelager aufzubauen, die natürlich vom UNHCR kontrolliert werden sollten, denn es soll ja dort nicht die nächste humani­täre Katastrophe geben. Man hätte in den letzten elf Jahren durchaus die Möglichkeit gehabt, diese Auffanglager zu errichten, aber geschehen ist nichts! Die selbsternannte europäische „Elite“ hat diese Situation verschlafen! (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Ja, ja, ich weiß schon. Wenn man Geld von der Hypo und so weiter …!; ich kenne das alles. Ich frage mich nur, warum wir heute die höchste Staatsverschuldung aller Zeiten haben und SPÖ und ÖVP so tun, als hätten sie mit dieser ganzen Situation nichts zu tun.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 137

Nicht unspannend, wenn man sich anschaut: Die ÖVP stellt den Finanzminister. Seit wann? Seit 1986. Und in dieser Zeit ist die Staatsverschuldung explodiert. Aber ich weiß schon, das ist wahrscheinlich „alles in Kärnten entstanden“; ist mir schon klar. (Zwi­schenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Ich verstehe euch nicht. Erstens einmal verstehe ich euch gerade akustisch nicht, weil es hier herinnen zu sehr hallt; daher kann ich auf die Zwischenrufe nicht eingehen. Zweitens verstehe ich euch aus folgendem Grund nicht: Ihr trommelt das seit mittler­weile vier oder fünf Jahren und verliert jede Landtagswahl. Ihr werdet nicht gescheiter.

Macht nichts, macht so weiter! Ich wünsche euch noch viele solche „Siege“ wie in Wien, in Oberösterreich, in der Steiermark und im Burgenland. Macht nur weiter so! (Beifall bei der FPÖ.) Wir wissen alle, in welche Richtung das gehen wird. Macht nur so weiter!

Aber das Problem an der ganzen Sache ist leider Gottes: In der Zwischenzeit geht das Land vor die Hunde, in der Zwischenzeit geht Europa vor die Hunde, in der Zwischen­zeit geht Österreich vor die Hunde! Und ihr könnt dann, wenn ihr in Pension seid, vielleicht die Gartentüre schließen – denn jeder, der irgendwo die Möglichkeit hat, ein freies Grundstück zu haben, stellt meistens einen Gartenzaun auf; ich weiß nicht, warum es da notwendig ist; und bei der Grenze brauchen wird das vielleicht nicht?! –, ihr könnt dann die Gartentür schließen und darüber sinnieren und nachdenken, warum es denn so gekommen ist, wie es gekommen ist. (Bundesrat Mayer: Wegen der Hunde?) – Wahrscheinlich wegen Kärnten, ja, ich weiß. Das mag zwar lustig klingen, in Wahrheit ist die Situation aber viel zu ernst, um darüber zu spaßen. Es ist wirklich ernst. Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern es ist fünf nach zwölf.

Wenn nicht bald nicht nur darüber debattiert wird, sondern auch entsprechende Ent­scheidungen getroffen werden, auch in der Bundesregierung, dann muss ich Ihnen sagen, Frau Staatssekretärin in Stellvertretung des Herrn Bundeskanzlers: Diese Regie­rung ist rücktrittsreif, diese Regierung hat keine Lösungskompetenz mehr, diese Regierung sollte den Weg für Neuwahlen frei machen!

Ich denke, es kann in diesem Land nicht mehr schlechter werden als mit einem Kanzler-Darsteller, der den Kopf in den Sand steckt, keine eigene Meinung hat, immer nur das nachhoppelt, was ihm irgendwer in Europa vorhoppelt – und eigentlich eine Schande für den Parlamentarismus und für diese Republik ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

16.25


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Frau Staatssekretärin Mag. Steßl zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


16.26.06

Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl: Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren des Bundesrates! Ich wurde von Herrn Bundeskanzler Werner Faymann ersucht, die Beantwortung der Dringlichen Anfrage hier im Bundesrat zu übernehmen. Das nehme ich natürlich sehr gerne wahr und diskutiere dieses wichtige Thema selbstverständlich gerne auch mit Ihnen.

Bevor ich jetzt aber auf die Fragen der Dringlichen Anfrage eingehe, erlauben Sie mir auch einige Anmerkungen prinzipieller Natur. Da möchte ich anschließen, wo Herr Bundesrat Jenewein aufgehört hat:

Man kann verschiedener politischer Meinung sein, man kann auch verschiedener ideo­logischer Meinung sein, aber was man auch in derart schwierigen Themen­set­zungen in der Debatte einhalten sollte, ist ein gewisser Respekt. Dieser Respekt drückt sich unter anderem in der Wortwahl politischen Mitbewerbern gegenüber aus, und diesen


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 138

Respekt möchte ich im Namen des Herrn Bundeskanzlers hier auch einfordern. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Unbestritten ist, dass weder Zäune, noch Schuldzuweisungen, noch Polemiken die Situation verbessern, es kommt dadurch auch kein einziger Flüchtling weniger an. In diesen Situationen sind Zusammenhalt und gemeinsames Vorgehen wichtig. Man sollte nicht die Angst schüren, man sollte Menschen nicht verunsichern oder staatliche Einrichtungen schlechtreden.

In aller Deutlichkeit will ich auch den Vorwurf der Rechtswidrigkeit zurückweisen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Krusche.) Die Bundesregierung handelt in Übereinstim­mung mit dem europäischen und dem österreichischen Recht. Wir sind auch politisch auf allen Ebenen um Lösungen bemüht, tagtäglich aufs Neue.

Der Bundeskanzler steht seit Wochen in engstem Kontakt mit der deutschen Bundes­kanzlerin, mit dem Kommissionspräsidenten Juncker und anderen Staats- und Regierungschefs. Er leistet vorbildliche Arbeit. Das wird nicht nur im Vergleich mit Handlungen und Aussagen anderer Staats- und Regierungschefs klar.

Wir handeln jedenfalls als gefestigte Demokratie, den gemeinsamen europäischen Werten verpflichtet. Wir handeln in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Humani­tät einerseits und Einhaltung der Ordnung und Sicherheit andererseits. Wir schätzen auch die Hilfe aus der Bevölkerung, die in Zusammenarbeit mit unseren Behörden, mit den Hilfsorganisationen und den NGOs viel beiträgt. Ihnen allen möchte ich daher auch hier in diesem Rahmen einen besonderen Dank aussprechen.

Wir nehmen auch Sorgen und Ängste, die in der Bevölkerung entstehen, sehr ernst. Darauf reagieren wir aber verantwortungsbewusst, mit Sachlichkeit, zielorientiert, mit konkreten Lösungen und nicht mit Polemik, Schuldzuweisungen oder falschen Behaup­tungen. Wir werden auch in Zukunft in der Flüchtlingssituation geordnet, verhältnis­mäßig auf Basis unserer Verfassung und unserer Gesetze vorgehen. Unsere Grund­werte und die Menschenrechte gelten.

Selbstverständlich ist das Thema Flüchtlingssituation nur gesamteuropäisch zu lösen. Dazu bedarf es einer gemeinsamen Sicherung der EU-Außengrenzen samt Einrichtung von Hotspots in Griechenland und Italien. Österreich wird dazu 100 Experten und Expertinnen nach Griechenland entsenden. Dadurch kann die Anzahl derer, die zu uns kommen, verringert werden, und das nicht durch Zäune oder andere technische Maß­nahmen. (Vizepräsident Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Es bedarf auch einer EU-weiten Quote, damit Menschen, die in den Hotspots zu Asylverfahren zugelassen werden, auf alle Mitgliedstaaten gerecht und fair verteilt werden. Diejenigen, bei denen an der Außengrenze schon festgestellt wird, dass sie nicht zugelassen werden, müssen in ihre Herkunftsländer zurück.

Wir brauchen diese gesamteuropäischen Maßnahmen und wir müssen auch die Fluchtursachen bekämpfen und den Flüchtlingen in der Region rund um Syrien ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Dazu wird Österreich Mittel zur Verfügung stellen. Das alles sind sinnvolle Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Situation führen können.

Aber, meine geschätzten Damen und Herren, lassen Sie mich zuletzt in meiner Funk­tion als Staatssekretärin für Verwaltung und öffentlichen Dienst eines deutlich sagen: Die Kolleginnen und Kollegen der Polizei, des Bundesheeres, in den Schulen, in den Verwaltungseinheiten, die mit dieser Situation befasst sind, leisten derzeit großartige Arbeit.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 139

Jeden Tag stehen sie vor einer neuen Herausforderung. Die Kolleginnen und Kollegen spüren das, auch ihre Familien spüren das. Dafür möchte ich mich auch bei Ihnen hier im Bundesrat bei dieser Debatte in aller Offenheit herzlich bedanken, weil es keine Selbstverständlichkeit ist, mit wie viel Einsatz und Sachverstand, mit wie viel Gespür für die richtige Verhältnismäßigkeit auch sie ihre Aufgaben meistern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Reiter.)

Daher darf ich noch einmal betonen, was im Ministerrat beschlossen wurde: Für die laufende Legislaturperiode sind 1 000 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten zugesagt und im Finanzrahmen berücksichtig. Für das kommende Jahr können die geplanten Neuaufnahmen innerhalb dieses Rahmens erhöht werden, sprich: Die Kontingente für 2017 und 2018 können vorgezogen werden.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekommt für 2016 fix zusätzliche 125 Planstellen. Weitere 150 Personen können bereits jetzt in Ausbildung eingestellt werden, und zwar mit Aussicht auf eine Übernahme in den Personalplan ab dem kom­menden Jahr.

Zur konkreten Umsetzung dieser Personalmaßnahmen laufen seit einigen Tagen Ge­spräche der Experten und Expertinnen zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Inneres. Sollte noch ein weiterer Bedarf an Personalauf­stockung und personellen Kapazitäten bestehen, sind in Abstimmung mit dem BKA, dem BMI und dem BMF weitere Neuaufnahmen möglich.

Nun zur Beantwortung der einzelnen Fragen.

Zur Frage 1:

Der Gipfel war ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer Verbesserung der bisherigen Situation, was sich auf Österreich als wichtiges Transit- und Zielland positiv auswirkt. Beschlossen wurde unter anderem: Jedes Land hat eine Kontaktperson nominiert, um die Koordination unter den Ländern entlang der Balkanroute zu verbessern.

Zusätzlich 50 000 Versorgungsplätze werden in Griechenland geschaffen. Zusätzlich 50 000 Plätze entlang der Balkanroute werden geschaffen. Die Kontrolle an den Außengrenzen wird verstärkt. Personen, die keinen internationalen Schutz genießen, müssen schneller rückgeführt werden. Schlepper sind effizienter zu bekämpfen.

Zu den Fragen 2 bis 6:

Mit dem gestrigen Beschluss des Ministerrates wurde der Auftrag erteilt, unter ande­rem technische Sicherungsmaßnahmen für den Grenzbereich, der eine geordnete Ein­reise sicherstellen soll, durch die Bundesministerin für Inneres und den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport in enger Abstimmung mit Deutschland und den weiteren betroffenen Nachbarstaaten zu prüfen.

Es ist daher vor Abschluss der Prüfungen zum momentanen Zeitpunkt nicht sinnvoll, über die konkrete Ausgestaltung dieser Maßnahmen und damit im Zusammenhang stehenden Begrifflichkeiten zu spekulieren. Was aber auf keinen Fall zur Diskussion steht, ist ein durchgängiger Grenzzaun. Österreich wird nicht eingezäunt.

Zu den Fragen 7 bis 11:

Die Zusammenarbeit mit Deutschland funktioniert. Bundeskanzler Werner Faymann ist in ständigem Austausch mit Bundeskanzlerin Merkel, ebenso Regierungskoordinator Josef Ostermayer mit seinem deutschen Visavis, dem Kanzleramtsminister Peter Altmaier.

Die Ernennung von Kontaktpersonen seitens der beteiligten Länder soll dazu dienen, die Koordination noch zu verbessern. Beispielsweise stimmen sich die Kontaktper­so-


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 140

nen Österreichs und Deutschlands mehrmals täglich ab. Die deutsche Bundeskanzlerin hat mehrmals betont, dass die Grenze zwischen Deutschland und Österreich nicht dichtgemacht wird.

Zur Frage 12:

Es liegt nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes, Interpretationen von Aussagen des Herrn Bundespräsidenten zu kommentieren. Grundsätzlich darf ich Ihnen aber mitteilen, dass der Bundeskanzler auch mit dem Bundespräsidenten bes-tens abgestimmt und einer Meinung ist, sowohl was das Vorgehen im Inland betrifft, als auch bei Lösungen auf europäischer und internationaler Ebene.

Zu den Fragen 13 und 14:

Der Flüchtlingskoordinator nimmt an den Sitzungen der Task Force teil, ebenso wie Kanzler, Vizekanzler, Innenministerin, Verteidigungsminister, Kanzleramtsminister, Außenminister sowie Experten und Expertinnen aus Verfassungsdienst und BMI.

Gemeinsam konnte unter anderem erreicht werden, dass a) keine Asylsuchenden im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen mehr im Freien sind sowie b) dass ausreichend Transitquartiere entsprechend dem Bedarf geschaffen werden konnten.

In der Frage der Grundversorgungsplätze unter Anwendung des Durchgriffsrechts verweise ich auf die Zuständigkeit der Frau Bundesministerin für Inneres.

Zu den Fragen 15 und 16:

Erneut weise ich zurück, dass Handlungen der Republik Österreich rechtswidrig wären. Alle Handlungen der Sicherheitsbehörden finden ihre Deckung sowohl im Schengener Grenzkodex als auch im Sicherheitspolizeigesetz. Gemäß Schengener Grenzkodex kann ein Mitgliedstaat Drittstaatsangehörigen die Einreise in sein Hoheitsgebiet aus humanitären Gründen gestatten.

Was Flüchtlingstransporte betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass den Sicherheits­behörden die Aufrechterhaltung der Ordnung an öffentlichen Orten obliegt. Ohne ent­sprechendes Eingreifen der Sicherheitsbehörden, auch was den Transport von Flücht­lingen betrifft, wäre in vielen Fällen ein geordneter Ablauf nicht aufrechtzu­erhalten, etwa auf Bahnhöfen, Autobahnen oder im Zugsverkehr.

Insgesamt ist zu beachten – und das möchte ich auch noch einmal in aller Deutlichkeit wiederholen –, dass bei sämtlichen von den Behörden im Zusammenhang mit der Notsituation ergriffenen Maßnahmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist, der bekanntlich zu den elementaren Prinzipien unseres Rechtsstaats ge­hört.

Diese rechtlichen Positionen sind wohlgemerkt durch Gutachten des Verfassungs­dienstes im Bundeskanzleramt sowie der Sektion Recht im Bundesministerium für Inneres erarbeitet und vom Ministerrat zur Kenntnis genommen worden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Reiter.)

16.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten beschränkt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


16.38.52

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Frau Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nach Ihren Worten, Frau Staatssekretär, müsste man sich


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 141

eigentlich jetzt die Frage stellen: Wozu debattieren wir da überhaupt? Es ist ja alles in Ordnung, es ist alles super, es wird rechtskonform gehandelt, es gibt überhaupt keine Probleme, es gibt genügend Transitquartiere, alles ist eitel Wonne!

Dann frage ich mich, warum beispielsweise der Landeshauptmann der Steiermark Schützenhöfer zum Thema Zaun gesagt hat, das komme ein halbes Jahr zu spät, und vor einer Woche in sehr dramatischen Worten die Republik kritisiert hat, nämlich dass die Aufgaben der Grenzsicherung nicht wahrgenommen werden, dies aber eine selbstverständliche Verpflichtung sei.

Ich muss schon sagen, Herr Landeshauptmann Schützenhöfer hat etwas länger gebraucht, um zu dieser Erkenntnis und zu dieser Einsicht zu gelangen, denn Anfang September heurigen Jahres hat er in einer von uns einberufenen Sondersitzung des Steirischen Landtages noch von offenen Grenzen gesprochen: Wir schaffen das, wir werden keine Großquartiere in der Steiermark benötigen, das Durchgriffsrecht wird nicht in Anspruch genommen werden müssen, weil wir die Quote erfüllen werden.

Natürlich wurden alle FPÖ-Anträge zu diesem Thema – beispielsweise zum Thema Grenzsicherung – abgeschmettert. Begleitet war das Ganze von der üblichen Konzert-musik: Menschenkette vor dem Landhaus und Vorwürfe der Verhetzung, die von uns betrieben werde.

Nun, mittlerweile scheint der Herr Landeshauptmann seine Meinung geändert zu haben. Dass er nicht zugibt, dass wir vor einem Monat oder eineinhalb Monaten recht gehabt haben, nehme ich ihm nicht übel, das verlange ich gar nicht. Ich empfinde eigentlich nicht einmal Genugtuung darüber, jetzt sagen zu können, dass wir recht gehabt haben, denn angesichts dieser dramatischen Situation an unserer Grenze in Spielfeld ist es keine Genugtuung, recht gehabt zu haben.

Aber wirklich dramatisch ist das Versagen und das Chaos der Bundesregierung, ganz entgegen Ihren Worten (in Richtung von Staatssekretärin Steßl); der Herr Bundes­kanzler hat gestern zwölf Minuten lang dafür gebraucht, um in einem „ZiB 2“-Interview zu erklären, dass das rechts und links von Spielfeld, was die Frau Innenministerin angedacht hat, kein Zaun sei.

Das ist zu wenig. Sie agieren, Frau Staatssekretär – Sie sind ja Steirerin, Sie sollten das eigentlich besser wissen –, unter einem Glassturz der totalen Realitätsver-wei-gerung! (Beifall bei der FPÖ.)

Was Sie hier heute von sich gegeben haben, war an Gemeinplätzen und an Belang­losigkeit nicht mehr zu überbieten. Sie haben dieselben Phrasen gedroschen, die wir schon seit Wochen hören: von einer Beruhigungskultur in diesem Land, die vonseiten der Bundesregierung ausgeht. Leider Gottes für Sie: Die Menschen glauben Ihnen das nicht mehr!

Diese Völkerwanderung der letzten Wochen, der Ansturm und das Versagen, das ist Thema, meine Damen und Herren! Das ist nicht nur bei Stammtischen Thema, sondern das ist überall so. Wenn mehr als drei Leute zusammenstehen – egal, wo, ob das ein Kongress ist, der mit diesem Thema überhaupt nichts zu tun hat, ob man auf der Straße mit Leuten spricht, ob man Bekannte trifft, ja sogar in Geschäften, dauert es maximal fünf Minuten, bis man auf das Thema Asylchaos, auf das Thema Völkerwanderung kommt (Zwischenruf des Bundesrates Mayer), und zwar geht das quer durch alle Bevölkerungs- und Bildungsschichten. (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von ÖVP und FPÖ.) Das macht nicht vor Akademikern halt. Das sind nicht nur einfache Menschen, die Existenzängste haben, weil sie irgendwelche „Wohlstandsverlierer“ wären. Nein, das zieht sich quer durch alle Bereiche. Der Tenor, den man in all diesen Gesprächen hört, ist: So kann es nicht weitergehen!


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 142

Von dieser Willkommenskultur ist nichts mehr zu hören. Diese Refugees-welcome-Parolen beschränken sich offensichtlich mittlerweile nur mehr auf die Hardliner unter den Gutmenschen. Beispielsweise hat Herr Patzelt gestern in der „ZiB 24“ von sich gegeben, dass das mit den Zäunen innerhalb der EU ja gar nicht geht. Er hat Schengen und die EU überhaupt ein bisschen vermischt, aber man kann ja von einem Menschenrechtler nicht verlangen, alles zu wissen. Meine Damen und Herren, auch Herr Juncker hat gesagt, dass Zäune innerhalb Europas nicht gehen.

Nun gut, ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal in einer südamerikanischen Groß­stadt durch ein bürgerliches Viertel gegangen ist – nicht durch die Slums, sondern Mittelschicht und Einfamilienhäuser. Wenn Sie das getan haben, dann werden Sie festgestellt haben, dass jedes Haus einen mindestens drei Meter hohen Zaun oder, besser gesagt, eine Mauer hat, die mit Videoanlagen, Stacheldraht oder Glasscherben auf der Mauerkrone ausgerüstet ist. Dort sind private Sicherheitsdienste tätig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Warum ist das so? (Bundesrat Schreuder: Das hättet ihr wohl gerne! – Zwischenruf des Bundesrates Novak.) – Da die Polizei in diesen Ländern, in diesen Städten nicht in der Lage ist, ihre Bürger zu schützen, müssen sie sich selber schützen. (Bundesrätin Kurz: Das sind reine Angstparolen, sonst nichts! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Leider Gottes scheinen wir auch in diese Lage zu kommen, nämlich wir als Österreich, denn die EU ist nicht in der Lage – sie hat das bis jetzt auch eindrucksvoll bewiesen –, uns zu schützen, indem sie die EU-Außengrenzen schützt.

Nur Lippenbekenntnisse und was Sie von diesem Gipfel gesagt haben: Ja, wir werden müssen, es muss so sein und es wird kommen. – Bis wann und in welcher Form wird das wirken? (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Die Realität sieht anders aus. In einer solchen Situation können wir uns auch nicht darauf berufen, dass es im Sinne des EU-Rechts nicht rechtskonform ist, einen Zaun zu bauen, sondern wir müssen zur Selbsthilfe greifen und das Problem selber lösen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich will aber eigentlich nicht, dass es so weit kommt, dass der einzelne Bürger auch zu diesen Maßnahmen greifen muss. Leider Gottes ist gerade auch in der Steiermark schon zu beobachten, dass es zu einem signifikanten Anstieg von Waffenkäufen kommt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wollen wir das? Ich will es nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Deshalb sollte der Staat in der Lage sein, seine Bürger zu schützen – und sollte nicht den Ohnmächtigen und Unfähigen spielen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Wenn Sie sagen, das sei Angstmacherei, dann ist es genau das, was diese Bun­desregierung in Übereinstimmung mit den Medien (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von SPÖ, Grünen und FPÖ), die von Ihnen in Form von Inseraten bezahlt werden, und allen voran mit dem ORF machen. Es wird nicht die Wahrheit gesagt. Das ist das Fatale. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Die Bilder im ORF – man kann das systematisch verfolgen –: Alle Nahaufnahmen zeigen Familien, Frauen mit Kindern, und weiter entfernt sieht man Gruppen, wo nur Männer sind. (Zwischenrufe der Bundesräte Schreuder und Grimling.) Es ist so – das haben auch deutsche Studien bestätigt –: 80 Prozent sind junge Männer. Und da man bei uns nicht in der Lage ist, sie zu registrieren, weiß niemand, woher die überhaupt kommen!

Das sind nicht alles die schutzbedürftigen Syrer (Ruf bei der SPÖ: Jetzt geht das wieder los!), da sind zahlreiche Pakistani, Iraker, Afghanen et cetera, Leute aus aller Herren Länder dabei, die sich natürlich … (Ruf bei den Grünen: Reine Vermutung!) –


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 143

Das ist nicht „reine Vermutung“, Herr Kollege, Sie betreiben genau diese Politik, Sie unterstützen sie.

Und wenn man berichtet, wird ein Mantel des Schweigens darüber gebreitet. Ab und zu heißt es: Na ja, es herrscht Enttäuschung, dass so viele warme Winterjacken am Bahndamm weggeworfen werden. – Von Aggressionen gegen Frauen, Sachbeschädi­gungen bei den ÖBB und all diesen Dingen wird nicht berichtet. (Bundesrätin Kurz: Das ist alles nicht wahr! – Weitere Zwischenrufe.)

Der Fall Biró von der „Kronen Zeitung“ belegt das ja in eindrucksvoller Weise. Das ist immerhin ein Chefredakteur, der etwas zu diesem Thema geschrieben und jetzt wieder zurückgezogen hat. (Bundesrat Schreuder: Das stimmt alles nicht! – Anhaltende Zwischenrufe.) – Jawohl, aber das Problem ist, dass, meine Damen und Herren … (Bundesrat Schreuder – in Richtung der Bundesrätin Mühlwerth –: Ich war beim Bahnhof, du nicht!)

Das Problem hat mittlerweile bereits eine sehr große Breitenwirkung. Das habe ich selber festgestellt. Man trifft ständig Leute, die aus erster Hand von Polizisten, von Rot-Kreuz-Mitarbeitern, von ÖBB-Bediensteten, von Bundesheer-Angehörigen und so weiter wissen, dass nicht alles eitel Wonne ist, wie es so gerne darzustellen versucht wird. Und die Bundesregierung tut so, als hätte man eine Informationstechnologie aus dem vorvorigen Jahrhundert.

Gerade im Verschweigen der wirklichen Wahrheit liegt die Gefahr, denn da entstehen und blühen natürlich die Gerüchte. Auf Facebook sind dann viele Dinge, die sicherlich auch nicht stimmen (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schreuder), aber durch diese Politik des Schweigens werden diese Gerüchte noch verstärkt.

Es wäre wesentlich dienlicher, den Menschen die Wahrheit zu sagen und zumindest das Vertrauen dahin gehend zu erwecken (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), dass die Bundesregierung einmal sagt: Ja, wir haben ein Asylchaos, wir haben es bisher nicht in den Griff bekommen, aber wir werden diese und jene konkrete Maß-nahme setzen!

Das wäre der Sache wesentlich dienlicher. Das Chaos herrscht ja auf allen Ebenen. Das herrscht nicht nur beim Zustrom an die Grenzen und beim Durchschleusen nach Bayern. Das gibt es auch, wie gesagt, bei den Quartieren, beispielsweise bei bauMax Leoben: 450 Leute sollen nach dem Durchgriffsrecht angeblich ab nächster Woche dieses Großquartier beziehen. Was weiß man darüber? – Gar nichts!

Die Herren vom Innenministerium machen eine Besichtigung und geben Auskunft, nämlich, dass sie eigentlich nicht wissen, wie das ausschauen soll. Da sollen Zelte hineingestellt werden. Die Bezirkshauptmannschaft sieht sich außerstande aufgrund dieser Basis ihre nach dem neuen, wunderbaren Verfassungsgesetz notwendige Stellungnahme abzugeben, weil einfach keine Informationen vorliegen, wie das Ganze ausschauen soll. Es kann nichts zum Thema Hygiene gesagt werden, nichts zu den Themen Belüftung oder zum Brandschutz, was ja auch nicht ganz unwesentlich ist.

Also Chaos auf allen Ebenen, und natürlich verursacht dieses Chaos bei den Men­schen Sorge und auch Angst: Angst vor einer momentanen Bedrohung. Der Bürger­meister von Spielfeld hat das eigentlich in sehr beeindruckenden Worten gesagt: Es sind die Massen, die den Menschen – den Einheimischen – Angst machen!

Wenn plötzlich ein Gasthaus überrannt wird und sich der Gastwirt nur mehr mit Pfeffer-spray zu helfen weiß, so ist das zwar traurig, aber leider Faktum. Dieser Angst muss Rechnung getragen werden. (Bundesrat Schreuder: Ich habe Angst vor eurer Ideo-logie!)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 144

Da denken die Menschen noch gar nicht weiter, daran, welche Folge das für die Kosten, für Bildung oder Integration hat. Das kommt ja alles erst. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wir rechnen mit 85 000 Asylanträgen allein im heurigen Jahr. Wie viele werden bleiben: 40 000, 50 000? Wir wissen es nicht – immerhin ungefähr zweimal eine Stadt wie Leoben. Das ist ja nicht nichts, das muss erst einmal bewältigt werden, meine Damen und Herren.

Nur die unmittelbar Betroffenen haben bereits jetzt schon Angst, zum Beispiel wirt­schaftliche Angst. Buschenschanken an der Weinstraße klagen über 80 Prozent Umsatzeinbußen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich möchte nicht wissen, Herr Kollege aus Salzburg – wenn die Wintersaison beginnt, wenn am Wochenende die Tagesgäste aus Bayern ausbleiben, weil sie den Stau bei der Heimreise nicht mehr in Kauf nehmen wollen, weil die Grenzkontrollen nach wie vor aufrecht sind. (Ruf bei der FPÖ – nachdem Bundesrat Schreuder den Saal verlassen hat –: Ich möchte vermerken, dass der Kollege beim Rausgehen Faschist gesagt hat! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben Kontrollen an unseren Grenzen gefordert, da die EU dazu nicht in der Lage ist – und wir fordern nach wie vor Kontrollen. Jetzt machen sich die Deut­schen … (Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten von ÖVP und FPÖ.) Wir wissen nicht, wie das weitergehen wird. Bayern hat ja bereits angedroht, die Situation weiter zu verschärfen. Die gute Freundschaft mit den Bayern ist, wenn man die Wortmel­dungen hört, trotz Hypo-Vergleichs – wie wir ja heute schon besprochen haben – mittlerweile wieder vorbei.

Dieses ganze Chaos, das von Ihnen einfach nicht gesehen wird, denn ich kann mir nicht vorstellen, Frau Staatssekretär, dass im Bundeskanzleramt niemand die Situation wirklich richtig erkennt. Aber es scheint so zu sein, dass Sie das – aus welchen Gründen auch immer – einfach nicht zugeben wollen. Diese Situation geht nicht zuletzt auch zulasten der wirklich Schutzbedürftigen, denn wir können nicht mehr unter­scheiden, wer schutzbedürftig ist und wer nur im Strome dieser Völkerwanderung mitschwimmt.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Samt und weiterer Bundesräte betreffend mehr Bundesheer an die Grenze

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Durchführung konsequenter und strenger Grenzkontrollen den Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze zu Slowenien aufzustocken, die notwendige Ausstattung der eingesetzten Soldaten vor allem auch mit weitreichenden Kompetenzen und eine Sonderfinanzierung des Assistenzeinsatzes sicherzustellen.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Der von den Bundesräten Samt, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend mehr Bundesheer an die Grenze ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 145

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Mayer zu Wort. – Bitte.

 


16.58.50

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inzwischen haben wir, glaube ich, was Sondersitzungen, Dringliche Anfragen und Ähnliches in diesem Parlament anlangt, eigentlich schon den zehnten Durchgang … (Bundesrat Krusche: Aber es geschieht nichts!)

Ich habe essenziell nichts Neues gehört, Herr Kollege Krusche, wirklich nichts Neues, außer, dass jeden Tag neue Flüchtlinge kommen – ja, da hast du recht –, und das in großer Zahl. Das macht uns nicht nur in Österreich Probleme, das macht auf der ganzen Balkanroute Probleme, das macht in Griechenland Probleme, das macht in Deutschland Probleme, in Schweden Probleme, überall Probleme.

Wenn es nach euch ginge, müsste man halt um ganz Österreich Zäune machen, alles einfrieden über die ganzen Entfernungen. Über die Möglichkeiten der Topografie unserer bergigen Region habt Ihr euch aber nicht wirklich Gedanken gemacht. Die Innenministerin hat das, was Zäune anbelangt, klar definiert. Dazu komme ich dann vielleicht noch später. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn man den Titel eurer Dringlichen Anfrage hernimmt: „Österreich schafft sich ab.“ – Das ist ein glänzender Titel, wirklich ein glänzender Titel, da muss man euch gratulieren. Das ist bald schon so, wie ich das irgendwann einmal von euch gehört habe, und zwar geht das in Richtung „ideologische Missgeburt“. Österreich schafft sich ab, weil es eine ideologische Missgeburt ist? Das kommt auch von euch, oder? Warum sollen wir uns abschaffen? (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Jenewein: Weil wir die Gesetze nicht befolgt sehen!)

Wir schaffen uns gar nicht ab, weil wir uns im Rahmen der Gesetze halten. Wir halten uns an das Völkerrecht, an EU-Gesetze und an nationales Gesetz. Diese Gesetze sind nun einmal – auch bei Flüchtlingsströmen, bei Völkerwanderungen – einzuhalten. (Bun­desrat Herbert: Auch für die Flüchtlinge!) Da kommen wir nicht darüber hinweg. Das ist keine Rechtsbeugung, da entsteht Rechtssicherheit, weil Österreich einfach ein Rechtsstaat ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das wollt ihr nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist einfach das Problem an dieser ganzen Sache. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Da geht es nicht um die Papiere, Kollege Krusche! Deine Rede heute war, als ob du Kreide gegessen hättest. Der 13. Apostel ist geboren: Gerd Krusche! Das war heute eine sensationelle Rede, unglaublich. Was ich alles von dir gehört habe, was ihr richtig macht und wir als Regierungsparteien schlecht machen. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Weit gefehlt, wirklich! Die Regierung versucht, mit all den ihr gegebenen Möglichkeiten, auch im europäischen Konnex etwas zustande zu bringen. Aber natürlich, wenn 6 000/7 000 Menschen irgendwo an der Grenze stehen – das möchte ich einmal von euch gehört haben, wie ihr die alle herleitet, registriert und aufnehmt. Ihr nehmt einen auf, ein Beamter und 6 000 Leute, zwei Beamte und 6 000 Leute, und die schieben von hinten. Wir haben schon erlebt, dass die Leute das Ganze dann halt einfach weg­schieben. (Bundesrat Krusche: Vielleicht haben wir zu wenig Beamte dort!) – Wo nehmen wir die Beamten her, aus Leoben vielleicht? Habt ihr genügend Beamte übrig? (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Unsere Beamten, unsere Bundespolizei, wie Kollege Werner Herbert sagen wird, ist in höchstem Maße gefordert. Die machen Stunden und Überstunden. Wir haben zuge­gebenermaßen für eine derartige Situation zu wenig ausgebildetes Personal. Aber so


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schnell ein paar Tausend Polizisten mehr aus dem Ärmel schütteln, ist ja denkunmög-lich. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kollege Krusche, ein Polizeibeamter hat eine sehr gediegene Ausbildung, die dauert zwei Jahre lang. Die haben wirklich eine Ausbildung, die sich sehen lassen kann. (Bun­desrat Jenewein: Aber wir wissen es seit zehn Jahren!) Das unterschätzt man. Ich habe selbst die Polizeischule gemacht, mir muss man überhaupt nichts erzählen, was das anbelangt. (Bundesrat Krusche: … in der Steiermark schon seit fünf Jahren versprochen worden sind!)

Kollege Krusche, was träumst du in der Nacht? Das frage ich mich wirklich! (Neuer­licher Zwischenruf bei der FPÖ.) – Also das träumst du in der Nacht, das ist unglaublich.

Wenn man jetzt sagt, dass wir einige Hundert Grenzpolizisten brauchen, die eine verkürzte Ausbildung im Rahmen von sechs Monaten machen – Kollege Herbert, ich glaube, das wird stimmen – und dass sie danach die Möglichkeit haben, ihren Polizei­dienst weiter und die Polizeiausbildung fertig zu machen, dann dauert das trotzdem sechs Monate. Es dauert einfach sechs Monate, wenn wir diese Menschen ausbilden wollen.

Wir können nicht aus ganz Österreich Personal herziehen und dann irgendwo an die Grenze stellen, das ist doch eine Illusion! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Bundesrat Krusche: Das habe ich schon von Schützenhöfer gehört!) – Das ist eine Illusion, Kollege Krusche! Man muss zu dem Ganzen auch einen vernünftigen Zugang haben. Manchmal muss man auch das eigene Hirn dazu verwenden, zu denken, genau auch in dieser Rechtslage. Man muss es einfach machen. Fertig! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen. – Bundesrat Krusche: Da kann ich ja vorausdenken!) – Ja, vorausdenken ist auch nicht deine Stärke. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Das, was die Frau Staatssekretärin gesagt und die EU ausgehandelt hat, ist im Ge­samten gesehen ein Weg, wie es funktionieren könnte: Hotspots einrichten, dort die Leute registrieren. Jetzt haben wir die Wintermonate, da wird es vielleicht besser und weniger werden. Dann muss man bis zum nächsten Frühjahr eine entsprechende Struktur aufbauen, auch mit den Ländern, die unmittelbar betroffen sind. Das ist jetzt einmal eine EU-Vorgangsweise, wo endlich einmal etwas Essenzielles herausgekom­men ist.

Dann muss man auch schauen, wie wir zu Registrierungen kommen. Wir kommen für solche Leute, die keine Kriegsflüchtlinge, keine Syrer sind, vielleicht Afghanen oder Iraker – wie kommen wir mit den anderen zurande, wie können wir Rückführungen machen? Der, der Kriegsflüchtling ist, soll in Österreich und in angrenzenden Ländern entsprechendes Asyl bekommen. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt.

Zäune – ja, da gibt es verschiedene Formulierungen, die auch nicht unbedingt die meinen sind. Die Frau Innenministerin hat es klargelegt: Da gibt es mehrere Interviews in letzter Zeit. Ich darf vielleicht aus der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ – kein Käseblatt, sondern schon etwas Gediegenes … (Bundesrat Jenewein: Nun gut, aber „Die Welt“ ist jetzt kein Käseblatt!) – Bitte? (Bundesrat Jenewein: „Die Welt“ ist kein Käseblatt!) – Das habe ich nicht gesagt, das war kein Seitenhieb! „Die Welt“ ist genauso in dieser Liga des Journalismus, möchte ich ... (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Ja, komm jetzt! „Die Welt“ ist eine gut recherchierende Zeitung, wir haben in Österreich nicht viele derartige, würde ich sagen.

Laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sagt die Innenministerin: „Natürlich geht es auch um Zäune, aber nicht nur, sondern auch um befestigte Anlagen im Bereich der Grenz­übergänge.“


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Wie man gesehen hat, braucht es in Spielfeld auch Möglichkeiten, diese Menschen koordiniert in Richtung Grenze vorzubringen. Das ist, glaube ich, unbestritten.

Und die Innenministerin weiter: „Wir alle kennen die Situation vor Ort: Dort gibt es Rangeleien, dort gibt es Menschengruppen, die von hinten nach vorne drücken, und dazwischen sind Frauen und Kinder. Deshalb brauchen wir massive und stabile Vorkehrungen, um den Andrang der Flüchtlinge dauerhaft kanalisieren zu können. (…) Die Planungen sind gerade in vollem Gange. Sicher ist, dass es links und rechts vom Grenzübertritt jeweils einige Kilometer feste Sperren geben wird.“

Zäune, sage ich bewusst.

Mikl-Leitner weiters: „Eine Expertengruppe wird jetzt alle technischen Möglichkeiten prüfen (…).“

Deshalb auch ganz klar in diese Richtung, was die Innenministerin und die Regierung insbesondere – ich sage das noch einmal –: Die Regierung ist so wie andere Regie­rungen sehr darum bemüht, dass es in einem koordinierten Rahmen abläuft, damit die Flüchtlingsströme entsprechend kanalisiert werden können.

Ich habe von euch – ich habe mir die ganzen Sitzungen ausdrucken lassen – nicht wirklich einen konkreten Vorschlag gehört, wie wir das Problem lösen können. Ja, Grenzkontrollen: Grenzkontrollen haben wir! Grenzkontrollen haben wir an allen Außengrenzen, auch Richtung Deutschland.

Wir haben massive Probleme, was die Wirtschaft anbelangt, die Menschen sind frustriert. Wir haben trotz dieser Grenzkontrollen, die wir gefordert haben, keine Lösung. Grenzkontrollen sind per se keine Lösung, weil wir die Menschen nicht auf­halten können. Das ist die Problematik. (Bundesrätin Mühlwerth: Wir wollen gar nicht wissen, wer kommt?! Es mag kommen, wer mag!) – Das ist die Problematik, nichts anderes. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt noch zu euch, weil ihr immer gern die sehr gut recherchierenden Zeitungen zitieren möchtet. Es gibt auch die Expertise der „FAZ“ über Völkerrecht und Flücht­lingsrecht. Das würde ich euch am liebsten gerne – weil ich es nicht vorlesen möchte – zur Kenntnis bringen. Die kommen nämlich schon wirklich klar zu der Expertise, dass, wenn die Flüchtlingskonvention anzuwenden ist – die haben wir alle unterschrieben, als wir beigetreten sind –, da auch die Völkerrechte der Länder ineinandergreifen. Die sind höherwertigeres Gut, was nationale Rechte anbelangt. (Bundesrat Jenewein: Aber nur, wenn der Bedarf da ist!)

Völkerrecht ist auch ein Asylrecht. Das haben wir als Staatsbürger entsprechend anzuerkennen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, aber mit Grenzen dicht wie bei Orbán, ist das nicht zu machen. Orbán hat das Völkerrecht massiv verletzt (neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ), denn er hat immer noch 1 300 Flüchtlinge, die er quasi inhaftiert hat, weil die einmal einen illegalen Grenzübertritt gemacht haben, und er droht ihnen Prozesse an. Es wird eine Weile dauern, und dann wird er sie halt in Richtung Österreich schieben. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.) Da ist der Rechtsstaat nicht zur Anwendung gekommen! Eine „Orbánisierung“ wollen wir in Österreich nicht haben, das muss man in aller Deutlichkeit sagen: Das wollen wir nicht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was die Dienstleistungsfunktion beim humanitären Völkerrecht anlangt, zeigt sich in der Hilfe für die Kriegsflüchtlinge, bei Maßnahmen zur Kontrolle von Waffen­still­ständen, in der Mitwirkung der friedlichen Streitbeilegung, als Sitz internationaler Orga­ni­sationen, als Schutz von Kulturgütern (…). – Zitatende


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Da geht es auch um das Neutralitätsgesetz, denn es wirkt mit hinein. Wenn wir uns schon zur Neutralität bekennen, dann muss man nicht nur Gesetze im Völkerrecht, von der UNO anerkennen, sondern wir müssen auch im Bereich des Neutralitätsgesetzes entsprechend mit diesem Thema umgehen. Das ist schon ein wesentlicher Punkt.

Jetzt noch zu eurem Entschließungsantrag, Kollege Jenewein. Ich habe das vorher schon kurz angedeutet: Es geht darum, dass die Bundesregierung aufgefordert wird „zur Durchführung konsequenter und strenger Grenzkontrollen“ – also noch strengere Grenzkontrollen – „den Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze zu Slo­wenien aufzustocken, die notwendige Ausstattung der eingesetzten Soldaten vor allem auch mit weitreichenden Kompetenzen und eine Sonderfinanzierung des Assistenz­einsatzes sicherzustellen“.

Jetzt waren wir schon dort, jetzt wollen wir unsere jungen Soldatinnen und Soldaten mit entsprechend weitreichenden Kompetenzen ausstatten, also mit Polizei- und Zwangsgewalt. (Bundesrat Jenewein: Anhalterecht!) Das können Sie aber nicht, Sie können das nicht! Wenn wir diesen Menschen weit- und ausreichende Kompetenzen geben, müssen sie die Möglichkeiten haben, Befehls- und Zwangsgewalt als unmittel­bare Gewalt anzuwenden, und das geht nun einmal nicht. (Zwischenruf des Bundes­rates Jenewein.)

Also müssen wir die Verfassung und die Rahmengesetze ändern. Wir müssen diesen jungen Menschen eine zusätzliche polizeiliche Ausbildung zukommen lassen. Das ist doch einfach nicht die Realität! Das können wir unseren Soldatinnen und Soldaten niemals aufbürden, denn die sind (Zwischenruf des Bundesrates Krusche) im Rahmen ihres Präsenzdienstes wirklich nicht dazu aufgerufen, mit Waffengewalt Menschen vor einem Grenzübertritt zurückzuhalten. Deshalb werden wir auch diesem Ent­schließungsantrag nicht zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Todt zu Wort. – Bitte.

 


17.11.27

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wir haben uns in Österreich diese Situation nicht ausgesucht. Die Syrer beziehungsweise die Flüchtlinge, die zu uns kommen, haben sich ihre Situation ebenfalls nicht ausgesucht.

Sie kommen zu uns, denn wir – in Österreich und die europäischen Länder alle gemeinsam – haben die Menschenrechtskonvention unterschrieben. In dieser Men­schen­rechtskonvention sind alle diese Dinge mit drinnen. Sie ist auch einzuhalten. Das ist einzuhalten, und es ist nicht nur eine Frage der Konvention und von Verträgen und solchen Dingen, das ist auch eine Frage der Haltung, wie man mit Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, umgeht! Das ist Faktum! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich bin dem Herrn Bundeskanzler sehr dankbar. Der Herr Bundeskanzler hat in einer Situation, in der dieser Flüchtlingsstrom begonnen hat, gehandelt. Er hat gehandelt, weil er es war, der die Europäische Kommission und die europäischen Länder auf­merk­sam gemacht hat. Wenn ich mir die Töne von anderen europäischen Ländern – auch von sozialdemokratisch regierten Ländern – anhöre, dann denke ich mir: Das alles kann doch nicht wahr sein!

Ich möchte nur ganz kurz an 1956 erinnern und daran, was dieser Herr Orbán hier macht: 1956 haben die Österreicherinnen und Österreicher in einer viel schwierige­ren Situation Tausende von Ungarn aufgenommen … (Bundesrätin Mühlwerth: Die


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Tschechen 1968!) – Und auch die Tschechen sind aufgenommen worden. Alle sind aufgenommen worden, alle waren uns willkommen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist nicht mehr vergleichbar!) – Das ist nicht vergleichbar? Na, selbstverständlich ist das vergleichbar! (Bundesrätin Mühlwerth: Nein!) – Wovor sind denn die Ungarn geflüchtet (Bundesrat Jenewein: Durch wie viele Länder sind sie geflüchtet?): vor Verfolgung! Sie sind vor Verfolgung und vor Krieg geflüchtet. (Bundesrat Jenewein: 7 000 Straßen­kilometer? Ins erste sichere Land?!)

Und wovor sind die Tschechen geflüchtet: vor dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, weil das Nachbarn sind!) – Natürlich sind das Nachbarn und das sind andere, die sind alle brav, denn die waren alle in Ordnung, selbstverständlich! Nur die jetzt sind böse. Wenn ich mir Herrn Jenewein anhöre, dann erweckt das, was er sagt, in mir den Eindruck, dass zwei Drittel derer, die da kommen, irgendwelche Terroristen sind, nur die Frauen und Kinder sind keine. (Bundesrat Jenewein: Da hast du nicht richtig zugehört! Das habe ich definitiv …!)

Herr Jenewein, ich habe sehr genau zugehört! (Bundesrat Jenewein: Ich habe sicher nicht gesagt, dass zwei Drittel Terroristen sind!) – Ich habe ganz genau zugehört, was Sie gesagt haben. Sie haben in manchen Fragen Dinge angesprochen, die selbst­verständlich auch unsere Verpflichtung sind.

Nur: In Anbetracht dieses Flüchtlingsstroms, den es gibt, und der fehlenden Hotspots, die ja auf Initiative unseres Bundeskanzlers dann in den europäischen Ländern an den europäischen Außengrenzen errichtet werden … (Zwischenruf bei der FPÖ.) – Was ist ein Blödsinn? (Bundesrat Jenewein: Kein Mensch nimmt den ernst auf europäischer Ebene! Kein Mensch! …! Das ist so!) – Sie behaupten, Herr Jenewein, dass der öster­reichische Bundeskanzler nicht ernst genommen wird? (Bundesrat Jenewein: Ja, das behaupte ich!) – Ja, Sie behaupten das! (Bundesrat Jenewein: Das ist so!) – Ja, Sie sind Opposition, Sie behaupten das. Sie können es behaupten, denn Sie sind ja Opposition. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie Opposition sind. (Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ.)

Der österreichische Bundeskanzler hat sich in unzähligen Konferenzen sehr bemüht (Ruf bei der FPÖ: Bemüht?!), in unzähligen Gesprächen mit europäischen Ministerprä­sidenten, mit der Europäischen Kommission diese Situation auch in Europa zu einem stärkeren Thema zu machen, als es bisher war. Das Problem ist nicht in Österreich oder in Deutschland alleine zu lösen, sondern dieses Problem ist ein europäisches Problem. Das europäische Problem muss auch europäisch gelöst werden, dafür brauchen wir auch die Unterstützung und die Solidarität von ganz Europa und nicht nur die Solidarität der Menschen in Österreich, die mithelfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstverständlich gibt es auch Ängste in der Bevölkerung, die auch wir sehr ernst nehmen und über die man reden muss. Nur: Reden heißt, in aller Sachlichkeit auch Maßnahmen zu erklären. Frau Staatssekretärin, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie sachlich, klar und deutlich erklärt haben, wie die sogenannte Roadmap in Zukunft funktionieren wird und was geschehen wird.

Was Sie machen, liebe FPÖ, ist Verunsicherung. Verunsicherung! Sie verunsichern die Bevölkerung und schüren Ängste. Ich habe heute in Ihren Reden … (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) – Ich habe heute in ihren Reden nur das Schüren von Ängsten … (Bundesrat Jenewein: Na, spuck’s aus!) – Ja, Sie schüren die Angst in der Bevölkerung, das sind schlicht und einfach die Fakten, und Sie nützen alles aus, um die Dinge zu verstärken.


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Sie haben schon die Mediensituation angesprochen: Ich habe mir in dieser Zeitschrift „Nagelprobe für den Journalismus“ den Artikel über die Berichterstattung der Flüchtlingsfrage sehr genau durchgelesen. Da gibt es natürlich die unterschiedlichsten Meinungen, auch der Chefredakteure, aber ich lese Ihnen einmal eine Meinung vor, die auch ein bisschen die Mediensituation hierzulande in Österreich beschreibt. Es ist Herbert Lackner vom „profil“:

Und zu Ihrer Frage – die Frage war die: Ist die Medienberichterstattung objektiv? –: Wurde in österreichischen Medien bewusst einseitig, nämlich nur Positives gebracht? – da geht es um die Flüchtlingssituation –, eindeutig: nein. Es wurde keineswegs nur Positives gebracht, wie jeder Leser der „Kronen Zeitung“ unschwer erkennen und feststellen konnte. Es wurde in manchen Medien auch über drohende Seuchen, über drohende Hungerstreiks von Flüchtlingen, die nicht stattgefunden haben, über Laden­diebstähle, die nicht stattgefunden haben von Asylbewerbern und die es nach Auskunft der angeblichen betroffenen Supermarktketten nicht gab, berichtet. – Zitatende.

Und wenn die Berichterstattung manchmal vielleicht tatsächlich zu positiv war, dann war es immerhin der Solidarität oder der christlichen Nächstenliebe und der Mensch­lichkeit und nicht der Angstmache geschuldet. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Bevöl­kerung hat Angst!) Und das, was Sie von der FPÖ machen, ist Angstmache in der Bevölkerung. Und Angstmache ist zu verurteilen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Die Antworten und die Fragen bei Diskussionen, die ich jetzt zur Genüge geführt habe – auch im Wiener Wahlkampf –, sind bei den Menschen immer dieselben. Sie werden einfach von Ihnen ausgenutzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ergibt sich aus der Anerkennung der Bundesregierung!) Das ergibt sich nicht nur aus der Aner­kennung, sondern die Frage ist die: Wie beantwortet man eine Frage? Beantwortet man eine Frage sachlich oder beantwortet man eine Frage, indem man sagt, dass die Menschen recht haben, dass es so sein wird und dass sie künftig von den Asylwerbern bestohlen werden? – Das ist der Punkt dabei. Der Unterschied liegt darin, ob ich etwas sachlich oder unsachlich beantworte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir die „Pressestunde“ letzten Sonntag mit dem Bundesrettungskommandanten des Roten Kreuzes Foitik sehr genau angeschaut, und er hat in einer äußerst sachlichen Art und Weise über die Situation informiert und natürlich auch die Zusammenarbeit mit den Behörden gelobt. Er hat aber nicht nur über diese Fragen offen geredet, sondern er hat natürlich auch darüber geredet, dass es Versäumnisse gegeben hat; und ich stehe hier nicht an, zu sagen, dass es selbstverständlich Versäumnisse gegeben hat.

Es gab Versäumnisse in Österreich, die wir dann in der letzten Bundesratssitzung repariert haben, indem wir dieses Verfassungsgesetz gemacht haben, damit es in Zukunft ein Durchgriffsrecht in den Ländern gibt, was die Quartiersuche betrifft, und vieles andere mehr. Diese Versäumnisse sind aber da, das können wir auch nicht bestreiten, und ich glaube, dass wir auch in der Situation noch viel stärker in die Zu­kunft schauen müssen.

Trotz alledem ist das Krisenmanagement der Bundesregierung bei der Flüchtlingsfrage ein sehr gutes Krisenmanagement. (Bundesrätin Mühlwerth: Darum habt ihr auch einen Koordinator gebraucht!) – Natürlich braucht man einen Koordinator, denn vielleicht kann ein Koordinator ab und zu leichter mit Ländern und Gemeinden reden als keiner. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Zumindest ist die Situation besser bewältigt worden als vorher, und wenn sich Menschen bereiterklären, mitzuhelfen wie der Flüchtlingskoordinator, dann ist das eine gute Angelegenheit und dann freue ich mich ganz einfach darüber, dass das so funktioniert.


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Ich hoffe, dass diese Megaaufgabe, die vor uns steht, von unserer Bundesregierung weiterhin gut gehandelt und gemanagt wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

17.23


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


17.23.38

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Es ist bekannt, dass in dieser Frage die weltanschaulichen oder, ich würde sagen, humanen Zugänge der FPÖ und der Grünen sehr unterschiedlich sind. (Bundesrätin Mühlwerth: Eure humanen Zugänge kennen wir schon!) Genau diese humanistischen und humanen Zugänge meine ich – ja.

Ich möchte allerdings am Anfang – nicht aus dem Grund der Versöhnung, sondern weil ich das tatsächlich so sehe – Herrn Jenewein in zwei Punkten recht geben. (Zwi­schenruf des Bundesrates Mayer.) Dass der Bundeskanzler nicht da ist, halte ich auch für bedauerlich und nicht richtig. Das Thema Flüchtlinge beschäftigt die gesamte Republik, das heißt, wenn eine Anfrage einer parlamentarischen Partei – egal, welcher – zu diesem Thema an den Bundeskanzler gerichtet wird, dann sollte er meiner Meinung hier herkommen und dem parlamentarischen Prozedere gegenüber auch den dementsprechenden Respekt zollen. Der Regierungschef sollte sich dem Thema hier auch stellen, weil das viele Österreicherinnen und Österreicher beschäftigt.

Ich bin auch der Meinung, dass der ORF diese Debatte übertragen sollte. Ich kann allerdings eurem Antrag nicht zustimmen, weil in eurem Antrag die Forderung steht, die Bundesregierung möge auf den ORF einwirken, damit das übertragen wird. Das kenne ich nur aus autoritären Staaten, dass eine Bundesregierung einer öffentlich-rechtlichen, unabhängigen Redaktion vorschreibt, was sie zu berichten hat. Das ist medienpolitisch nicht in Ordnung. (Zwischenrufe der Bundesräte Köck und Mühlwerth.) Das kann man gerne im Stiftungsbeirat oder sonst wo einbringen. Man kann es möglicherweise auch ins ORF-Gesetz hineinbringen – darüber lasse ich gerne mit mir diskutieren. Bevor wir aber das jetzt mit diesem Antrag in dieser Form beschließen, dass wir das sozusagen dem ORF vorschreiben, möchte ich gern noch andere Wege versuchen. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Jetzt komme ich allerdings zum eigentlichen Thema, weswegen wir hier sind. Herr Kollege Todt hat seine Rede damit angefangen, dass sich Österreich das nicht ausge­sucht hat. Das ist richtig. Es passiert gerade etwas, das nicht überraschend ist, das man schon seit einiger Zeit hätte wissen können, worauf auch offensichtlich viele Stellen nicht vorbereitet waren.

Es herrschen Kriege, und zwar nicht wenige, unter anderem der Krieg in Syrien, der uns am nächsten ist. Der geht im Übrigen jetzt schon ins fünfte Jahr und ist auch in der österreichischen Medienberichterstattung und in der österreichischen Politik jahrelang gerne verschwiegen worden. Niemand hat darüber gesprochen; das muss man auch in dieser Deutlichkeit sagen.

Es gibt aber noch weitere Kriege, die herrschen, wobei wir noch gar nicht wissen, was in Zukunft passiert und auf uns zukommt. Gerade gestern habe ich in „The Guardian“ einen Artikel gelesen. Ich habe das leider in keiner einzigen österreichischen Tages-zeitung gelesen – also, Herr Kollege Jenewein, Sie haben recht, dass man internatio-nale Zeitungen lesen muss, um den Horizont zu erweitern. (Ein Klubmitarbeiter verteilt die Abendausgaben der „Kronen Zeitung“ und des „Kurier“ an die Bundesräte der


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SPÖ.) – Es wird gerade die „Kronen Zeitung“ an den SPÖ-Klub verteilt. Wie passend! (Allgemeine Heiterkeit.)

Ich habe also gestern in „The Guardian“ einen Artikel gelesen. (Zwischenruf des Bun­desrates Beer.) Sie wissen gar nicht, worüber ich jetzt reden will, Herr Kollege Beer. In dem Bericht ging es um den Bürgerkrieg im Südsudan. Es ist unglaublich, was dort passiert, und das wird hier in keinem Medium erwähnt. Dort gibt es über eine Million Binnenflüchtlinge, und die werden zum Teil zum Kannibalismus gezwungen und solche Sachen. Es ist unfassbar, was dort gerade passiert. Diesen Bericht zu lesen, ist wirklich Horror. Da kann Hollywood einpacken. Diese Menschen haben sich noch nicht auf den Weg gemacht.

Im Jemen herrscht ein Krieg. Die Saudis bombardieren gerade das Weltkulturerbe kaputt. Dort gibt es mittlerweile auch Tausende und Abertausende, die nicht mehr wissen, wohin sie gehen sollen, die keine Perspektive mehr sehen und die im Krieg leben; und wir müssen darauf gefasst sein, aber – und das unterscheidet uns wahr-scheinlich dramatisch von der Freiheitlichen Partei – wir packen an, wenn Menschen Hilfe brauchen.

Sie sind da, sie stehen hier, sie kommen hier rein, sie wollen nach Deutschland. Natürlich kann man die Grenzen dichtmachen, man kann große, hohe Mauern bauen, und sie werden trotzdem kommen, sie werden nur auf anderen Wegen kommen. Dann sind wir wieder dort, wo niemand sein will. Ich glaube, nicht einmal dann, wenn die Freiheitlichen in der Regierung wären, würden Sie das aushalten, wenn noch mehr Kühltransporter auf der Autobahn stehen mit unzähligen Leichen drinnen, wenn noch mehrere Tausend und Abertausende Menschen im Mittelmeer sterben, weil wir eine Festung bauen, wie es leider auch unsere Innenministerin sagt.

Das ist übrigens Jargon aus der Nazizeit. Da würde ich vonseiten der ÖVP auch ein bisschen vorsichtig sein. „Festung Europa“ ist ein Begriff, der in der Nazizeit entstan-den ist.

Wenn wir das wollen, nämlich Zäune, Mauern bauen, dichtmachen, dann sind wir wirklich dort, Herr Kollege Jenewein, wo Orban ist, dann sind wir beim Tränengas auf Flüchtlinge, dann sind wir bei der Bewaffnung des Militärs, dann sind wir bei der Traumatisierung von Traumatisierten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand, irgendeine politische Kraft das will. Wenn Sie das wollen, dann haben wir Bilder, die wirklich kein Mensch haben will. Der Unterschied ist, dass das Rote Kreuz, der Samariterbund, unzählige Freiwillige – unzählige Freiwillige! –, die Polizei, das Bun-desheer und so weiter anpacken, weil Menschen Hilfe brauchen, und nicht herum­matschkern wie die Freiheitliche Partei. Das ist der große Unterschied. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Herr Kollege Jenewein, Sie haben zu Recht gesagt, dass dieser Holocaust-Vergleich von Herrn Faymann gegenüber Orbán falsch war. Ich stimme dem zu. Ich halte auch nichts von solchen Vergleichen. Das war ein singuläres historisches Ereignis, das man nicht vergleichen sollte; aber das, was ich schon glaube, ist, dass man aus Geschichte lernen kann, um es in der Zukunft anders zu machen.

Wie relativ manches ist, nämlich dann, wenn man rückwärts schaut, das möchte ich an einem Beispiel festmachen, nämlich an dem Beispiel des amerikanischen Journalisten Varian Fry. Varian Fry lebte Mitte der dreißiger Jahre in Berlin, und zwar erlebte er die ersten Pogrome gegen Juden. Später war er für die amerikanische Hilfsorganisation Emergency Rescue Committee in Marseille. Er war dort auch 1938 und 1939 und 1940 und 1941, und so weiter. Und was hat Fry gemacht? – Er hat Pässe gefälscht. Er war ein illegaler Fluchthelfer. Er hat rund 2 000 Juden zur Flucht verholfen; darunter waren Marc Chagall, Hannah Arendt, Franz Werfel, Lion Feuchtwanger und Heinrich Mann.


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Fry hat diesen Menschen geholfen, hat Pässe gefälscht, hat sie illegal auf Schiffe gebracht und hat sie geschleust. Heute nennen wir diese Leute Schlepper und wollen ihnen den Kampf ansagen. (Bundesrat Dörfler: Aber er hat kein Geld verlangt dafür! Er hat kein Geschäft gemacht damit! ... Unterschied!) – Das ist richtig.

Man muss immer aufpassen, was wer macht; und ich will nur diese Graustufen klarmachen. (Bundesrat Schödinger: Das ist ein untauglicher Vergleich!) Ich will auch die Geschichte der MS St. Louis erzählen, weil die auch mit diesem Herrn Fry zu tun hat. Das ist ein deutsches Schiff gewesen, das 1939 eben im Hafen von Marseille lag, und Fry hat über 900 Juden die Möglichkeit gegeben, auf diesem Schiff zu entkom­men, weil schon das Vichy-Regime regierte, die Nazis vormarschierten und er die Juden retten wollte. Das Schiff ist ausgelaufen und nach Kuba gefahren. Als dieses Schiff in Kuba lag, hat Kuba gesagt, dass es keine Flüchtlinge im Land will. Das Schiff ist weiter und hat eine Odyssee hinter sich gebracht. Die USA wollte keine Flüchtlinge ins Land lassen, andere Staaten wollten keine Flüchtlinge ins Land lassen. Da ist dieses Schiff gezwungen gewesen, nach Europa zurückzukehren. Es ist in den Hafen von Antwerpen eingelaufen – Ende 1939 oder Anfang 1940. Im Mai 1940 sind Belgien und die Niederlande von den Nazis überfallen worden, und ein Großteil dieser Flücht-linge ist in den Konzentrationslagern und Vernichtungslagern der Nazis umgekommen. Hätte ein Land Refugees Welcome gesagt, wären diese Menschen nicht gestorben.

Nein, die Situation ist nicht vergleichbar – das habe ich auch gesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Schödinger.) Ich habe aber gesagt, man kann daraus lernen. Ich habe gesagt, man kann aus der Geschichte lernen; und genau das versuche ich jetzt klarzumachen: dass es nicht in Ordnung ist, wenn man Flüchtlinge ablehnt, wenn man sagt, man will sie nicht haben, und wenn man sie ins Elend zurückschickt. (Zwi­schen­ruf des Bundesrates Schödinger.) Ja, Sie haben es eh gesagt. (Neuerlicher Zwi­schen­ruf des Bundesrates Schödinger.)

Ich will nur die Graustufen benennen, nämlich dass es manchmal Hilfe gibt, die nicht monetär ist, vor allem dann, wenn man Menschen in Not hilft. Das ist genau das, was viele Freiwillige derzeit tun: Menschen zu helfen, die in Not sind. Darum ging es mir! (Weitere Zwischenrufe des Bundesrates Schödinger.)

Sie haben auch Wörter gesagt, Herr Kollege Jenewein und auch Herr Kollege Krusche, die man sich auf der Zunge zergehen lassen kann. Was ich mich immer gerne frage, wenn man diese Wörter hört, die einem quasi vorgeworfen werden, ist, was denn das Gegenteil davon ist. Also das Gegenteil von sozial ist asozial. Das Gegenteil von romantisch ist unromantisch. (Bundesrat Jenewein: Richtig!) Das Gegenteil von Gutmensch ist Schlechtmensch. (Bundesrat Jenewein: Nein, das ist Realist!) Und das Gegenteil von Willkommenskultur ist Schleichts-euch-Kultur. (Bundesrat Jenewein: Verabschiedungskultur!)

Lieber Herr Kollege Jenewein, als meine Eltern 1975 nach Österreich gekommen sind, waren wir willkommen. Ich war auch kein syrischer Muslim, das gebe ich schon zu. Ich war nur ein holländischer Kaskopf. (Bundesrat Mayer: Was?) Ein holländischer Kaskopf. Kennst du den Ausdruck nicht? (Heiterkeit des Bundesrates Mayer. – Bun­desrat Jenewein: Edamer!) Aber wenn Sie dann in der Begründung „Österreich schafft sich ab“ schreiben, dann denke ich mir, dieses Österreich, in das meine Eltern gerne gegangen sind, war dieses gastfreundliche, dieses hilfsbereite, dieses freundliche Österreich, das schon damals bekannt war für seine humanitäre Hilfe, das damals bekannt dafür war, ganz viele ungarische und tschechische Flüchtlinge aufgenommen zu haben – 1968 war gerade erst ein paar Jahre her –, und das wussten auch die Holländer und Holländerinnen, was Österreich geleistet hatte. Wir haben dieses Österreich geliebt. Wir haben gerne in diesem Österreich gelebt – bis heute –, und die einzige, die dieses Österreich abschafft, ist die Freiheitliche Partei – nämlich dieses


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hilfsbereite und herzliche Österreich. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie des Bun­desrates Mayer. – Ruf bei der FPÖ: Ah geh!)

So viel zu „Österreich schafft sich ab“: Seid ein bisschen vorsichtiger, was ihr for­muliert, wirklich wahr. (Bundesrat Meißl: Das würde ich dir raten, Herr Kollege!) Es gab in puncto Zäune sehr visionäre Österreicher und Österreicherinnen, die genau wussten, was mit Zäunen zu tun ist in einem gemeinsamen Europa, nämlich diese Zäune durchzuschneiden und ein für alle Mal auf die Müllhalde der europäischen Geschichte zu schmeißen, weil Zäune nicht europäisch sind. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Zäune und Mauern sind genau das, was ich vorhin gesagt habe: Sie sind die Todesbringer. Sie halten keinen Flüchtling auf, denn diese finden immer Wege. Das kann man bedauern, aber wir müssen da natürlich auch mit der Bevölkerung Klartext reden. Das fehlt mir übrigens auch von der Bundesregierung, das muss ich auch deutlich sagen: Ich finde, man muss noch viel offener und ehrlicher mit dieser Situation umgehen. Man muss viel klarer darüber sprechen, aber man muss auch sagen, welche Konsequenzen was hat; und Zäune bedeuten noch mehr als die 71 Toten in Parndorf, dann haben wir Tausende davon. Europa hat die Toten im Mittelmeer lange ignoriert. Wir Grüne haben das jahrelang gesagt, und das ist ignoriert worden. Es ist verdrängt worden. Es ist wirklich verdrängt worden; und das darf auch nicht mehr und auch nie wieder passieren.

Wir sind hier im Bundesrat, in einer Länderkammer. Der Bürgermeister von Wien hat im Wahlkampf einen ganz schönen Sager getätigt. Er hat gesagt, dass er nur Bürger­meister von Wien ist, dass er sich nur fragen kann, ob er will, dass irgendjemand erfriert und verhungert in seiner Stadt, oder nicht. Da hat er recht; und das ist das, was wir in Österreich momentan leisten können. Es sind Menschen in Not; und wir können entscheiden, ob sie verhungern und erfrieren oder nicht. Darum geht es in Wirklichkeit und um sonst nichts, weil gelöst muss das natürlich von der österreichischen Bundes­regierung, auch auf globaler Ebene und auf europäischer Ebene werden.

Natürlich ist die Außenpolitik das wichtigste Thema in dieser Frage. Da ist es natürlich momentan schwierig geworden, vor allem seit Russland eingegriffen hat und den unterstützt, wegen dem die meisten Menschen fliehen, Stichwort Fassbomben. – Man darf nicht vergessen, dass noch immer über 94 Prozent der Toten in Syrien auf das Konto von Assad gehen. (Bundesrat Beer: Ah, geh!) Das ist so; da kannst du den Kopf schütteln, Kollege Beer. Andere Kollegen deiner eigenen Fraktion nicken gerade. Da habt ihr also offensichtlich keine gemeinsame Haltung. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.) Herr Kollege Beer, die Fassbomben sind verantwortlich für 94 Prozent der syrischen Toten, für die Zerstörung der meisten Städte und der Infrastruktur und dafür, dass es dort keine Schulen, keine Spitäler und gar nichts mehr gibt. Das ist so.

Ein anderer Grund ist auch, dass man diese Flüchtlingscamps vor Ort natürlich nicht ausreichend dotiert. Wenn es in den UNHCR-Camps in der Türkei, im Libanon und in Jordanien nicht genug Essen und keine Schulen gibt, dann würde ich, wenn ich ein Vater eines Kindes wäre und mein Kind schon zwei oder drei Jahre nicht mehr in die Schule gehen könnte, klarerweise in ein Land gehen, in dem es Schulen gibt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Da gibt es sonst keine Zukunft mehr. Das ist doch ein ganz wesentlicher Punkt.

Das ist übrigens auch der Grund für folgende Tatsache: Es stimmt, am Anfang waren es vorwiegend junge Männer, die geflohen sind, aber das stimmt längst nicht mehr. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das sagen alle NGOs. Ihr seid halt nie vor Ort, das ist das Problem.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 155

Ihr habt noch nie mit den Leuten geredet. Das sind lauter Familien. Gerade jetzt kommt eine 105-jährige afghanische Frau über die Grenze. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die fliehen nicht aus Jux und Tollerei und aus Abenteuerlust.

Das ist immer so gewesen. Auch bei den Flüchtlingen aus Tschechien und Ungarn waren es zuerst die jungen Männer, und dann sind die anderen gekommen. Das war immer schon so, denn wer geht das Erstrisiko ein? – Das ist doch völlig logisch.

Im Übrigen ist der Prozentanteil von Männern in den parlamentarischen FPÖ-Klubs in diesem Land immer noch höher als unter den Flüchtlingen, nur habt ihr mehr Schmisse im Gesicht. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ein anderer Punkt ist schon ... (Bundesrat Herbert: Wenn ich da rüber schaue zu den Grünen, habt ihr auch nicht ...!) – Na ja, schaut euch an! Zwei Frauen!

Ein Punkt ist auch, dass ihr der Regierung vorwerft, sie würde die Rechte nicht einhalten. Es gibt ein Grundprinzip jeglicher staatlicher Ordnung, und das ist die Ver­hältnismäßigkeit. Wer die Verhältnismäßigkeit aus den Augen verliert, hat eben keine Verhältnismäßigkeit mehr. So einfach ist das. Auf Flüchtlinge zu schießen, sie einzu­sperren – so wie es übrigens die Ungarn machen –, sie mit Tränengas zu verjagen, sie zu behandeln wie Tiere in einem Zoo, wenn man Essen verteilt, ist keine Verhältnis­mäßigkeit.

Bei aller Auseinandersetzung bin ich froh, in diesem Land zu leben. Auch ich könnte Mikl-Leitner und Faymann jetzt wirklich kritisieren wegen der Flüchtlingspolitik. (Zwi­schenruf des Bundesrates Krusche.) Aber am Ende bin ich froh, in einem Land zu leben, wo eine Mehrheit immer noch hilft und nicht die Menschen gegeneinander ausspielt. Wir sollten zusammenhalten! Die Einzigen, die nicht zusammenhalten, sind die Freiheitlichen, und das ist die eigentliche Schande in diesem Land. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

17.42


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Herbert zu Wort. – Bitte.

 


17.42.28

Bundesrat Werner Herbert (FPÖ, Niederösterreich)|: Herr Präsident! Frau Staats­sekre­tärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei so viel Realitätsverweigerung weiß ich eigentlich gar nicht, wo man am besten wieder anfängt, nämlich bei der Sache selbst. (Bundesrätin Kurz: Am besten gar nicht!)

Kollege Schreuder, nur zur Klarstellung: Die FPÖ matschkert nicht herum (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder), sondern wir zeigen dramatische Entwicklungen in der Zukunft Österreichs auf. Wir bringen Probleme, die der Bevölkerung tagtäglich unter den Nägeln brennen, in dieser Dringlichen Anfrage auf den Punkt.

Es ist schön, dass Sie uns von der Welt erzählen, wie sie sein soll. Fakt ist aber, dass die Welt ganz anders ist als in den sozialromantischen Vorstellungen mancher Parteien und mancher Abgeordneter oder Bundesräte.

Sie haben vorhin den Vergleich mit dem Herrn Fry, der die vielen Juden gerettet hat, angeführt. – Schön, dass er das gemacht hat, aber es ist kein Grund, dass man deswegen jeden Schlepper legalisieren kann. Der Zwischenruf aus meiner Fraktion hat das ja schon aufgezeigt: Dieser Herr hat wahrscheinlich kein Geld genommen, während die Schlepper derzeit das Geschäft ihres Lebens machen. Mittlerweile ist das Schleppereigeschäft schon so groß, dass die organisierte Kriminalität darin mehr Lukrationsmöglichkeiten findet als bei Wohnungseinbrüchen und Taschendiebstählen. So sieht die sicherheitspolizeiliche Realität in diesem Land momentan aus.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 156

Sie sagen, Zäune und Mauern halten keine Flüchtlinge ab. – Na, warum sagen wir nicht gleich: Jeder, der ein Haus hat, braucht keinen Zaun zu bauen, er soll einfach seine Türen öffnen und die Büsche, die sein Anwesen schützen, niederreißen, weil es ohnedies egal ist. Alles ist klass’, weil alle so sozial und brav sind, und vor allem, weil alles so sicher ist in diesem Land. Genau das Gegenteil ist ja der Fall!

Gerade dieser Wunsch nach mehr Schutz und mehr Sicherheit zeichnet sich in der Bevölkerung ab. Gerade in grenznahen Gebieten sperrt man im Gegensatz zu früher eben schon zu. Da ist die Haustür nicht mehr offen. Da macht man das Gartentürl wieder zu und schaut, dass die Hecke möglichst dicht wird. Das geschieht nicht, weil man den Nachbarn nicht mehr traut, sondern ganz einfach, weil die Situation so ist, dass sich pausenlos irgendwelche fremden Leute im Garten herumbewegen oder versuchen, sonstige böse Dinge im Sinne von Eigentumskriminalität zu machen. Das ist ja der Schlüssel, und das ist der Punkt, auf den unsere Dringliche Anfrage abzielen soll.

Kollege Todt sagte: Der Bundeskanzler bemüht sich oder hat sich bemüht, und das Krisenmanagement der Bundesregierung ist ein sehr gutes. Ja, das ist fast eine gefährliche Drohung! Das ist eigentlich unglaublich. (Bundesrat Todt: Also gefährlich ist ...!)

Tagtäglich gibt es Rechtsbrüche an der Grenze, da werden Tausende Menschen durch Österreich durchgeschleust, in der Hoffnung, dass Deutschland sie ja irgendwann einmal aufnimmt. Und da sagt man: Das ist unsere Krisenstrategie – einfach alle hereinzulassen in der Hoffnung, dass sie sich irgendwann wieder auflösen oder irgend­wo anders aufgenommen werden!? Wenn die Exitstrategie in einer schwierigen Situation, in der man fragt, wie man einen Flüchtlingsstrom unter Kontrolle bringen kann, ist, zu sagen: Irgendjemand wird sie vielleicht nehmen, hoffen wir das und wollen wir gar nicht darüber nachdenken, was wäre, wenn das anders wäre!, na dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Österreich! Das ist aber momentan die Krisenstrategie dieser Bundesregierung, und das ist ganz schlimm.

Ich will mir gar nicht ausmalen, was geschieht, wenn die Deutschen tatsächlich das machen, wovon sie schon seit Wochen reden, nämlich irgendwann einmal zu sagen, die Grenze ist dicht. Ich bin gespannt, wie wir das dann weiter handhaben. Sagen wir dann auch: Österreich ist ein tolles Land! Welcome refugees! Kommt nur alle zu uns!

Ich bin schon gespannt, wie wir das händeln wollen, wenn binnen kürzester Zeit 100 000 oder 200 000 Flüchtlinge in Österreich sind, die uns niemand mehr abnimmt. Was passiert dann? (Bundesrat Beer: Zu eurem Freund Orbán können wir sie ja nicht schicken!) – Na, das ist gut. Schicken wir sie dem Orbán! Kollege Beer, das ist eine Weltklasse-Idee! (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein. – Bundesrat Beer: Ihr sagt, Ungarn ist super!) Also das ist der nächste dienliche Vorschlag. Sie sollten sich mit Kanzler Faymann zusammensetzen! Ich glaube, ihr zwei würdet euch gut vertragen. Ihr hättet vor allem die richtige Strategie, kommt mir vor. (Bundesrat Beer: ... und wir haben das Problem!) Also nein, das kann es nicht sein.

Kollege Mayer sagte: Ja, die Flüchtlinge sind überall in Europa ein Problem. Das hin­dert uns aber nicht daran, endlich einmal einen Lösungsansatz zu entwickeln. Das kann es ja nicht sein, dass wir sagen: Naja, das Problem haben eigentlich alle, und wir schauen eben auch zu und erklären uns solidarisch! (Zwischenruf des Bundesrates Mayer. – Bundesrätin Zwazl: ... sind dann die Lösungsansätze?!)

Unseren Lösungsansatz haben wir schon vorgestellt: Grenzzäune und strengere Grenzkontrollen. Das ist unser Lösungsansatz. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist wahrscheinlich der Lösungsansatz, den 80 Prozent der Bevölkerung in der derzeitigen Situation auch befürworten. In Hinblick auf die kommende Situation, falls


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 157

Deutschland die Grenzen wirklich dichtmacht, ist das auch die einzig mögliche Lösungsoption. So schaut’s aus.

Wenn Sie da in Ihrer EU-Hörigkeit Realitätsverweigerung betreiben, dann darf ich Ihnen schon vor Augen führen, dass die EU, auf die Sie bis jetzt so große Stücke gehalten haben, Österreich in der Flüchtlingsfrage brutal im Stich gelassen hat. Die Hotspots zum Beispiel sind eine Weltklasse-Idee, kommen aber leider zehn Jahre zu spät. Wenn wir darauf bauen, dass sie das irgendwann einmal vielleicht doch auf den Weg bringen oder umsetzen, dann wird es wahrscheinlich keine Flüchtlinge mehr geben, denn in den nächsten 20 Jahren wird sich das Problem wahrscheinlich von selbst lösen. So sieht die Problematik aus.

Kollege Mayer hat die Situation der Polizei angesprochen. Ich teile Ihr Lob für die Polizei. Die leisten wirklich hervorragende Arbeit, genauso wie das Bundesheer und auch die NGOs. Die NGOs darf man auch nicht außer Acht lassen.

Aber gerade bei der Polizei ergeben sich derzeit extremste Probleme. Wenn das mit der derzeitigen Einsatzlage so weitergeführt wird, wird die Polizei aufgrund dieser Probleme am Ende des Jahres wahrscheinlich einfach sagen müssen: Aus, wir können das eine oder andere sicherheitspolizeilich nicht mehr servicieren.

Da gibt es das personelle Problem, das ja mittlerweile von der Bundesregierung, von der Frau Innenminister, schon erkannt wurde. Da hören wir aber: 200 Grenzpolizisten. Ich kann nur sagen: Das ist eine ordentliche, starke Mannschaft. Damit kommen wir wahrscheinlich nicht einmal in Spielfeld aus, geschweige denn, dass eine Grenz­sicherung im weitesten Sinne möglich wäre.

Ich lese da: 2 000 Polizisten mehr. Da darf ich die Frage gleich an die Frau Staats­sekretärin weiterleiten: Wie schaut das mit den Planstellen aus? Gibt es 2 000 Plan­stellen mehr? Oder ist das einfach wieder so eine Schimäre wie die 1 000 Polizisten mehr für Wien? Wie sich jetzt herausgestellt hat, war das eigentlich nur die Egali­sierung des natürlichen Abganges, der Versetzungen, der Pensionierungen und der sonstigen Abgänge wie Dienstzuteilungen oder Dienstverwendungen in anderen Bereichen. Es hat keinen Mehrwert für die Einsatzkräfte bei der Polizei in Wien durch diese 1 000 Beamten gegeben.

Also wenn das mit den 2 000 Beamten die gleiche Geschichte ist, dann können wir das schon wieder abhaken. Dann ist das wieder eine jener rhetorischen Ansagen dieser Bundesregierung zum Thema Sicherheit, die wohl das Gemüt der Österreicherinnen und Österreicher emotional beruhigen sollen, aber faktisch die Probleme der Zukunft nicht lösen werden – insbesondere in Hinblick auf diese nicht enden wollenden Flüchtlingsströme nach oder durch Österreich.

Wir haben ein finanzielles Problem. Ich darf Ihnen sagen, dass die Landes­polizei­direktion Wien Ende August mit ihrem Regelbudget am Ende war. Sie arbeitet momentan mit Sonderzuweisungen durch das BMI. Sie haben einmal Geld bekommen bis Ende September. Ich bin gespannt, wie es am Montag weitergeht. Ich weiß nicht, vielleicht bekommen sie wieder Geld, vielleicht aber auch nicht. Das ist ja nicht so leicht.

Derzeit haben wir eine große Überstundenbelastung nicht nur bei der Landespolizei­direktion Wien, sondern generell bei der Polizei, bei den Landespolizeidirektionen. Die finanziellen Mehraufwendungen durch die Überstunden und die zusätzlichen Auf­wendungen wie Transportkosten, Übernächtigungskosten und dergleichen haben mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das jeden Budgetansatz, der nur irgendwie in diese Richtung angedacht wurde, zwischenzeitlich bei Weitem übertroffen hat. Da bin ich auch schon gespannt.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 158

Ich weiß, dass wir bei der Polizei 230 Millionen € Budget gehabt haben. Für nächstes Jahr, höre ich, sind 1,2 Milliarden € angedacht, das ergibt ein Manko von grob 1 Mil­liarde €, die alleine heuer als Mehraufwand in finanzieller Hinsicht schlagend geworden sind. Ich bin gespannt, wie man die egalisiert, wie sich das dann in den Rech­nungsabschlüssen niederschlägt.

Wir haben ein großes Problem mit dem normalen Regeldienst dadurch, dass wir fast alle Polizeiressourcen dem Flüchtlings- und Asylwesen zuordnen. Wenn Sie heute in die Situation kommen, einen Polizisten zu brauchen, dann hoffe ich, dass sich schnell einer finden wird, denn so leicht ist das heutzutage gar nicht mehr. Wir stehen am Rande der Kapazitäten, und es kommt zu Wartezeiten, die es früher nie gegeben hat.

Ich habe es schon gesagt: Man kann nur froh sein, dass die organisierte Kriminalität mittlerweile ihre Haupteinnahmequelle in der Schlepperei sieht und daher die organi­sierten Einbrüche, Bandendiebstähle, aber auch Eigentumskriminalität wie Taschen­diebstähle momentan eher in den Hintergrund geraten sind. Sollte das aber wieder schlagend werden, sollte die Kriminalstatistik entsprechend explodieren, dann möchte ich gar nicht wissen, was Sie sich alles von der Bevölkerung anhören können. Alles in allem ist das ein fahrlässiger Umgang dieser Bundesregierung mit der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung.

Es ist so, wie es eingangs von meinen Vorrednern schon erwähnt wurde: Es gibt kein Lösungskonzept. Oder ist mir da irgendetwas verborgen geblieben, Frau Staatssekre­tärin? Zuerst ist die Bundesregierung untätig geblieben. Dann hat man gesagt: Jetzt werden wir tätig. Das, was die Bundesregierung gemacht hat, hat aber zu keinerlei Lösungen in positiver Hinsicht geführt. Das ist also Unfähigkeit in Reinkultur.

Meine Stimme gibt auf, darum komme ich schön langsam zum Schluss. (Ruf bei der SPÖ: Ist eh besser! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Mein Wunsch ist: Richten Sie dem Herrn Bundeskanzler aus, wenn er nicht willens ist, die richtigen Lösungen zu finden oder auch in der EU durchzusetzen, oder es nicht kann, dann möge er den Weg für Neuwahlen freimachen. Was man bis jetzt hört, ist ja eher, dass man Wünsche an die EU richtet, die dort weitgehend ungehört bleiben. Ich denke, es findet sich sicherlich einer, der das besser, gescheiter und effizienter macht und der vor allem mit der Sicherheit der Bevölkerung nicht so fahrlässig umgeht wie dieser Bundeskanzler, wie diese Bundesregierung. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

17.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster ist Herr Bundesrat Preineder zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


17.54.31

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln eine Dringliche Anfrage, und ich hoffe, dass das Thema nicht wirklich so gemeint ist: „Österreich schafft sich ab“.

Geschätzte Damen und Herren, ja, wir haben eine Krise, wir haben ein Flücht­lingsproblem. (Bundesrätin Mühlwerth: Ein Zuwanderungsproblem!) Ja, wir suchen nach einer Lösung. Ich möchte auch sagen, dass die Frau Innenminister sehr bemüht ist.

In einer Krisensituation werden sicher auch Fehler passieren, aber man muss zumin­dest sehen, dass nach Lösungen gesucht wird. Das ist nicht immer einfach, und Kritik ist einfacher zu üben. Manchmal habe ich das Gefühl, Sie suchen nicht nach einer Lösung, weil Sie von dem Problem politisch profitieren. (Zwischenruf der Bundesrätin


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 159

Mühlwerth.) Geben Sie doch einfach zu, dass Sie von dem Problem politisch profitie­ren und daher das Problem auch noch etwas verstärken!

Werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Hören Sie sich bitte selbst reden. Sie sagen:

Die Unfähigkeit der Bundesregierung in Reinkultur. Das Land geht vor die Hunde. Die Stimmung am Siedepunkt. Wir importieren Menschen. (Bundesrat Jenewein: Das stimmt ja! Das steht in der Zeitung!)

Herr Jenewein, Sie sagen: Wir importieren Menschen. Aber nicht alle sind Verbrecher. Aber was führen die im Schilde?

Wir müssen aufpassen. Ich bitte Sie, auf Ihre Sprache zu achten. (Bundesrat Jene­wein: Es ist Ihnen schon aufgefallen, dass ich aus Zeitungen zitiert habe?! Ich habe jedes Mal die Quelle dazu genannt und das Datum und den Erscheinungsort!)

Wir importieren Menschen. – Das ist, glaube ich, von Ihnen gekommen. (Bundesrat Jenewein:  ... sicher! „Die Welt“ vom Juni!) Was führen die im Schilde? – Das haben Sie selbst formuliert. Nicht alle sind Verbrecher. – Das haben Sie nicht zitiert.

Ich würde nur bitten, dass wir einmal auf die eigene Sprache achten, um vielleicht, wenn wir eine Krise haben, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, die weder vom einen noch vom anderen Extrem ist. Es ist weder so, dass wir für alle Platz haben, wie sich manche erträumen, noch so, dass das Boot sofort voll ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wir müssen versuchen, mit denen, die zu uns kommen, wenn sie Hilfe brauchen und in Not sind, ordentlich umzugehen. Dabei werden uns Polarisierung und Emotionalisierung nicht viel helfen.

Geschätzte Damen und Herren! Ich habe das in der eigenen Gemeinde erlebt. Das ist ein Thema, das polarisiert und emotionalisiert. Das ist uns allen, die wir politisch tätig sind, bewusst. Ich habe das in der eigenen Gemeinde erlebt. Wir haben gemeinsam mit einer Initiative von 60 Freiwilligen ein leerstehendes Haus der Bundesforste in 1 200 Arbeitsstunden so weit renoviert, dass zwei Familien einziehen konnten. Ich denke, in einer Gemeinde wie meiner Heimatgemeinde mit etwa 4 000 Einwohnern sind 15 Hilfesuchende durchaus keine Überbelastung. Viele Menschen in der Gemeinde kümmern sich um diese Familien.

Wir brauchen Maßnahmen. Wir brauchen Maßnahmen, um dieser Krise entgegen­zuwirken. Ich erwarte mir von der Europäischen Union einen Schutz ihrer Außen­grenzen, damit Europa nicht zu einem Europa der Zäune wird. Wir brauchen diese Hotspots, um die Menschen, die zu uns kommen, entsprechend zu registrieren.

Kollege Schreuder – ist leider nicht anwesend –, wenn jemand nach Österreich kommt, dann braucht er dazu keinen gefälschten Pass. Das wird mit seinem regulären Pass möglich sein, weil Österreich ein Rechtsstaat ist.

Ich möchte auch eine klare Registrierung haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das passiert aber nicht!) Nur dann ist es möglich, zu prüfen, ob das Menschen sind, die laut Menschenrechtskonvention ein Recht auf Asyl haben, oder ob sie wieder in ihr Land zurückgeführt werden. Ich glaube auch, dass wir über ein befristetes Bleiberecht diskutieren dürfen.

Versuchen wir, das Problem gemeinsam zu lösen! Versuchen wir, Emotionen aus der Diskussion zu nehmen und die Menschen nicht zu verunsichern, damit wir Hilfebe­dürftigen wirklich Hilfe geben können! Wir brauchen letztlich kein Europa der Träume, aber auch kein Europa der Zäune. (Bundesrat Jenewein: Also doch ein Zaun?!)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 160

Geschätzte Damen und Herren, ich darf im Zuge dieser Diskussion folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Mayer, Todt, Kolleginnen und Kollegen betreffend Parlaments-Live­übertragung, eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage in der 846. Sitzung des Bundesrates

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte sehen es als im Bildungsauftrag des ORF mitumfasst, dass die Beratungen der gesetzgebenden Körperschaften live und vollständig übertragen werden.

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird ersucht, bei der nächsten Regierungsvorlage betreffend Novellierung des ORF-Gesetzes sicherzustellen, dass die Plenarberatungen der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes im Rahmen des Bildungsauftrages des ORF live und vollständig jedenfalls im Informations- und Kultur-Spartenprogramm (ORF III) übertragen werden.

*****

Der Antrag steht damit zur Verhandlung. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ob der Antrag in Verhandlung steht, bestimmt schon noch der Präsident. Aber ich sehe, dass fünf Unterschriften vorliegen, dass der Entschließungsantrag genügend unterstützt ist und daher mit in Verhandlung steht.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Lindner. – Bitte.

 


18.00.43

Bundesrat Mario Lindner (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, es ist schon ein bisschen mühsam mit euch. Das muss man sagen. Mittlerweile ist es schon fast zur Tradition geworden, dass, wenn der Kollege Krusche redet, sich auch Kollege Lindner zu Wort meldet.

Wir haben das im steirischen Landtag gehört, wir haben das im Nationalrat gehört, dann haben wir es im Bundesrat gehört. Jetzt waren wir im Nationalrat und sind jetzt wieder im Bundesrat, und wir haben noch keinen einzigen Lösungsansatz von euch gehört, mit Ausnahme von dem, dass wir die Grenzen und die Zäune dicht machen. (Vize­präsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, die Steiermark übernimmt im zweiten Halb­jahr 2016 den Vorsitz in der Länderkammer, und seit Tagen und Wochen diskutieren wir über ein mögliches Thema, was wir denn in der Präsidentschaft machen können.

Und mir wird in den letzten Tagen immer bewusster, und speziell bei so einer Dring­lichen Anfrage der Freiheitlichen, wie sie heute zur Debatte steht, dass die Themen politische Bildung und Zivilcourage wichtiger denn je werden – ab dem Kindergarten, bei allen Schulformen in Österreich, in der Berufsausbildung beziehungsweise in der Berufsschule.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 161

Politische Bildung und Zivilcourage, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man lernen. Tausende Österreicherinnen und Österreicher beweisen uns momentan tagtäglich, dass sie Zivilcourage ausüben. Ich denke, politische Bildung und Zivilcourage sind das Gebot der Stunde. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich gehe davon aus, dass jeder/jede in diesem Haus den Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen kennt.

Interessant wird es aber, wenn man sich die anderen Artikel anschaut – ich zitiere –:

Artikel 3: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“

Artikel 6: „Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden.“

Artikel 13.1: „Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.“

Artikel 13.2: „Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“

Artikel 14.1: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, die Allgemeine Erklärung der Men­schenrechte der Vereinten Nationen sagt zu diesem Thema alles aus. (Bundesrat Krusche: Das glaube ich nicht!) Sie sagt alles aus.

Syrien und das Kriegsgebiet: Ich kann es mir persönlich nicht vorstellen, jetzt in Syrien zu leben. Aber eines ist mir relativ klar, nämlich was ich tun würde, wenn ich vor der Entscheidung stünde: Bleibe ich in Syrien in diesem Kriegsgebiet und habe eine Überlebenschance von 1 Prozent – oder nütze ich die Möglichkeit zur Flucht und habe dann zumindest eine Überlebenschance von 50 Prozent?

Diese jungen Männer: Der Herr Volksanwalt hat es im Ausschuss am Dienstag gesagt, liebe KollegInnen der FPÖ, wir reden in Österreich momentan von 6 000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Und ich habe immer den Eindruck, wenn wir die Grenzen dicht machen, ihr wollt den Kindern nicht helfen. Wir reden von 6 000 Kindern – unbe­gleiteten –, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen.)

Man hat sowieso den Eindruck, wenn ihr keinen Gegner und keinen Feind habt, dann geht es der FPÖ und den Mandataren der FPÖ einfach nicht gut. Ganz egal, um welches Thema es geht: Die jungen gegen die älteren Menschen. Die Frauen gegen die Männer. Die ArbeitnehmerInnen gegen die PensionistInnen. Die SchülerInnen gegen die LehrerInnen. Die Arbeitslosen gegen die MindestsicherungsbezieherInnen. Die Heterosexuellen gegen die Homosexuellen. Und jetzt sind wir halt gerade beim Thema AsylwerberInnen gegen die ÖsterreicherInnen. – Wenn Ihr keinen Feind habt, dann fühlt ihr euch anscheinend nicht wohl. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ich komme zum Bundesland Steiermark, denn von dort komme ich ja her. (Bundesrat Herbert: Die FPÖ hat keine Feinde – nur zur Richtigstellung!) Bei eurer Forderung, die österreichischen Grenzen dicht zu machen, wird immer eines vergessen: Es könnte ein anderes Land die Grenzen auch dicht machen.

Und jetzt bitte ich, dass man mich wirklich nicht falsch versteht. Ich war vor circa eineinhalb Monaten sogar fast froh, dass die Bundesrepublik Deutschland kurzfristig die Grenzen dicht gemacht hat – da nämlich die Österreicherinnen und Österreicher, Europäerinnen und Europäer ja das mittlerweile schon gewohnt waren, einfach ohne


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 162

Grenzkontrollen in ein anderes Land zu fahren. Wir haben ja gar nicht mehr gewusst, was es heißt, wenn die Grenzen dicht sind.

Und dann ist etwas ganz Interessantes passiert: Nachdem die Grenzen zu Deutsch­land dicht waren, hatten wir 25 Kilometer Autostau. Die Menschen sind vier bis sechs Stunden in diesem Stau gestanden. Das ist genau das Problem, das wir damit auch haben, wenn man das Bundesland Steiermark oder von mir aus Österreich zumacht.

Jetzt komme ich aus der Gewerkschaftsbewegung und bin nicht unbedingt so der Wirtschaftsfreund, aber man muss schon auf die Wirtschaft schauen. (Bundesrätin Zwazl: Da schau her! – Allgemeine Heiterkeit.) – Frau Präsidentin, ich komme dazu. Es geht mir schon um den Wirtschaftsstandort Steiermark und den Wirtschaftsstandort Österreich. Und eines war ganz interessant, speziell wenn ich in die Steiermark schaue, im Bereich der Industrie, im Bereich des Autoclusters und im Bereich der Exportwirtschaft: Die Grenzen waren dicht und bei unserem Landesrat für Verkehr, Jörg Leichtfried, sind die Telefone heiß gelaufen. Ist ja ganz klar, die Firmen müssen liefern.

Und das größte Problem, das wir haben, wenn wir die Grenzen dicht machen – und da spreche ich nur von der Steiermark: Wir reden von 150 000 Arbeitsplätzen. Ihre Politik gefährdet 150 000 Arbeitsplätze in der Steiermark! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, heute Vormittag hat der Bundesvorstand des Öster­reichischen Gewerkschaftsbundes getagt und eine Resolution von allen vertre­tenen Fraktionen im Bundesvorstand einstimmig beschlossen, auch von Ihrer Fraktion.

Ich nehme drei Punkte heraus. Punkt eins: „Menschenrechte sind unteilbar“. Punkt zwei: „Europa darf nicht zu einer Festung gemacht werden!“ Punkt drei: „Helfen ist unsere moralische Verpflichtung“.

Ich glaube, die Resolution des ÖGB sagt alles aus.

Abschließend, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, darf ich ein Zitat des Landeshaupt­man­nes und Bürgermeisters von Wien bringen: Flüchtlinge sind keine Feinde, sondern Menschen, die um ihr Leben rennen. Wir helfen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

18.08


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Stögmüller. – Bitte.

 


18.08.53

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Das ist heute schon meine zweite Rede, super! Zunächst möchte ich einmal allen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Danke sagen, nämlich beim Roten Kreuz oder bei den Organi­sationen, egal, welche Organisation es ist, der Feuerwehr, dem Bundesheer und auch der Exekutive. Ich glaube, das muss auch einmal gesagt werden, weil das ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Liebe FPÖ, ich gehöre auch zu den Hardliner-Gutmenschen, den ich bin auch dort gestanden, egal ob in Wien oder sonst wo. Ich komme aus Braunau, ich komme aus dem Innviertel, und wir sind eine Grenzregion, die betroffen ist. Ich bin dort an der Brücke gestanden und ich sehe das tagtäglich, worum es da geht. Es ist schön, wenn da Leute reden, die das vielleicht im Fernsehen sehen oder die das in der Zeitung gelesen haben. (Bundesrat Herbert: Ich war auch dort!) – Ich habe Sie nicht gesehen und ich bin fast jeden Tag dort. Es gibt dort einen Zusammenhalt zwischen den Fraktionen – egal, welche Fraktion es ist. Und ich habe da auch großen Respekt – Ferdi Tiefnig, du weißt es, du warst auch dort –, unser Bürgermeister von der ÖVP-


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 163

Fraktion hat da mitgeholfen, es war einfach ein Zusammenspiel. Wenn die Menschen zusammenhelfen, egal welche Fraktionen, und den Gedanken wegkriegen, dann funk­tioniert das auch.

Ich möchte aber trotzdem ganz kurz an die Bundesregierung eine Bitte richten. Wir brauchen unbedingt Unterstützung, in personeller Hinsicht, in finanzieller Hinsicht. Ich, als Hardliner-Gutmensch, habe nämlich kein Geld bekommen, nichts. Ich habe dort geholfen, und auch die Organisationen sind am Limit, wenn es um Kräfte geht, wenn es um Plätze geht, genauso wie die Polizei und die Feuerwehr, alle. Da brauchen wir wirklich personelle und finanzielle Unterstützung. Da gibt es private Personen, die Camps errichten, weil die Organisation, sprich die Bundesregierung nicht mehr zusam­menkommt, und dieser unter die Arme greifen. – Also unbedingt personelle und finan­zielle Ressourcen vor Ort.

Ich war selbst am Montag noch auf der Grenzbrücke Braunach-Simbach und habe mir das angeschaut. In dem Bericht ist etwas von Chaos und dergleichen gestanden. Es ist interessant, heute gibt es in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ ein Zitat von Herrn Landesrat Podgorschek, dem neuen Landesrat der FPÖ: „Das läuft geordnet und ruhig ab, sicherheitspolitisch sehe ich da kein Problem“. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

Da frage ich mich also schon, woher die FPÖ das jetzt auf einmal aufgreift. Es läuft alles gesittet ab.

Es ist eine menschenunwürdige Situation, dass Menschen dort am Boden liegen, schlafen, Kinder, auch Männer. Es sind natürlich auch Männer dabei, das brauchen wir nicht abzustreiten – na klar –, aber es sind auch Frauen und schwangere Personen dort, die tagelang auf der Innbrücke schlafen und stehen und warten, bis die Deut­schen wieder 50, 60 Leute hinüberlassen.

Wenn man das einmal sieht, wenn man dann den Kindern in die Augen schaut, dann denke ich mir schon, wie kann man dann dasitzen und gegen diese Menschen – ich sage es jetzt so – hetzen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist schon so abgedroschen!) – Ich weiß schon, das gefällt Ihnen nicht, aber das ist mir egal.

Ich appelliere hier wirklich auch noch einmal an die Bundesregierung für eine bessere Absprache, gerade wenn es um die Übergänge geht. Es kann nicht sein, dass auf einmal massiv viele Busse in die Städte in den Grenzregionen kommen und wir überlastet sind, weil wir, wie ich gesagt habe, einfach zu wenig personelle Ressourcen haben. Ich glaube, da muss noch eine viel bessere Koordination geschehen, das wäre einmal das Allerwichtigste, jetzt akut.

Wenn wir jetzt gerade dabei sind: Wir schreiben Geschichte. Ich bin der Meinung, wir schreiben jetzt Geschichte. Zu einer Zeit, als ich noch nicht einmal auf der Welt war, gab es noch Grenzregionen. Ich kann es mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich auf dem Weg von Braunau nach Simbach einen Pass hätte herzeigen müssen. Das kann ich mir schon gar nicht mehr vorstellen.

Ich bin der Meinung, wir sollen in Europa gemeinsam einen humanitären, solidarischen Weg gehen, dieser muss im Vordergrund stehen. Ich fühle mich als Oberösterreicher, als Österreicher und als Europäer. Da gehören keine Barrieren dazwischen, das ist einfach im Kopf drinnen.

Ich bin stolz auf Österreich, auf die Leute, die helfen und nicht einfach nur alles schlechtreden. Ich wünsche mir auch, dass wir alle zusammen gemeinsam diese Situation meistern. – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

18.13



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 164

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Raml. –Bitte.

 


18.13.00

Bundesrat Mag. Michael Raml (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf mich in meiner ersten Rede in diesem Hohen Haus zuerst einmal bei Ihnen allen für die freundliche Aufnahme bedanken, die uns heute Früh zuteil geworden ist. Ich freue mich auf eine gute, aber vor allem auch auf eine konstruktive Zusammenarbeit. Ich bin auch überzeugt, dass wir die auch haben werden, auch wenn es bei manchen Themen – und das erleben wir jetzt gerade – manchmal etwas hitzig zugeht. Auch das gehört dazu.

Damit wir aber eine solche Debatte auch führen können und damit wir wissen, wovon wir sprechen, sollten wir uns auch für ganz wesentliche Grundsätze unseres Rechts­staates interessieren. Das ist auch ein Teil unserer heutigen Anfrage.

Als Jurist interessieren mich in dieser Anfrage ganz speziell, neben all den Fragen, die wir zusammengestellt haben, natürlich vor allem die rechtlichen Grundlagen.

Sie müssen wissen, ich forsche beruflich im Bereich des Sicherheitsrechts und des Polizeirechts, aber es ist mir wirklich trotz einer sehr aufwendigen Recherche nicht gelungen, die richtige und vor allem die konkrete rechtliche Grundlage für das der­zeitige Handeln der Innenministerin und der Polizei an unserer Grenze zu finden.

Ich muss Ihnen schon sagen, Frau Staatssekretärin, bei allem Respekt, aber das ist eine Allgemeinheit, die Sie hier heute vorgetragen haben, nämlich sinngemäß: Die Bundesregierung handelt selbstverständlich im Einklang mit dem europäischen und mit dem österreichischen Recht. Und weil Sie es gar so großzügig gemeint haben, haben Sie auch noch die Stichworte „Fremdenpolizeigesetz“ und „Sicherheitspolizeigesetz“ genannt. Sie haben auch gesagt, es gibt ein Rechtsgutachten vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes, auch von der sehr guten – das muss ich sagen – Sektion im Innenministerium. Das ist nett, aber das ist bei Weitem nicht vollständig.

Bei allem Respekt, ich arbeite an der Universität Linz, ich lehre dort, ich stelle auch Prüfungsaufgaben zusammen, und wenn ein Student bei uns eine so allgemeine Antwort geben würde, Frau Staatssekretärin, das wäre ein glattes „Nicht genügend“. Denn wenn wir eine konkrete Frage stellen, dann erwarten wir uns, auch hier in diesem Hohen Haus und gerade hier – das ist ein verfassungsgesetzlich, im B-VG, gewährleis­tetes Recht –, dass wir auch eine ordentliche Antwort bekommen. Und diese fordern wir heute und hier ein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich darf Sie heute zumindest teilweise aufklären, wo denn die Probleme liegen, denn ich bin davon überzeugt, wir bekommen noch eine detaillierte Aufstellung, auf welche Rechtsgrundlagen Sie sich stützen.

Nun, Sie haben richtig gesagt, es gibt das Fremdenpolizeigesetz, dieses regelt insbe­sondere die Voraussetzungen für die rechtmäßige Ein- und die Ausreise von Fremden. In diesem Fremdenpolizeigesetz, nämlich genau in § 15 Abs. 1 und 2 ist geregelt, dass Fremde zur rechtmäßigen Einreise in unser Bundesgebiet grundsätzlich ein gültiges Reisedokument, also einen Reisepass, und auch ein Visum benötigen. Wir haben also eine Reisepasspflicht und eine Visapflicht – das wird Ihnen wahrscheinlich bekannt sein. Von Letzterer gibt es freilich gewisse Ausnahmen, etwa für Unionsbürger.

Aber eines halte ich an dieser Stelle auch ganz klar fest: Soweit es keine anderen gesetzlichen und keine staatsvertraglichen oder sonst normierten Ausnahmen gibt, bleibt es bei diesen Grundsätzen. Dann haben wir eine Passpflicht und dann haben wir auch eine Visumspflicht, und das betrifft insbesondere den Grenzübertritt.


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Wir haben seit ein paar Wochen eine Verordnung – Gott sei Dank, sage ich, und auch da stehe ich nicht an, der Frau Innenministerin zu danken, dass sie einmal einen Schritt nach vorne gegangen ist und eine Verordnung erlassen hat –, die nämlich die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen ermög­licht.

Diese Grundlage ist rechtlich längst absolut überfällig, und diese Rechtsgrundlage ist auch die Voraussetzung dafür, dass die Pass- und die Visumspflicht endlich wieder effizient durchgesetzt werden könnte. Denn da gibt es auch ein Grenzkontrollgesetz, genauer gesagt den § 11 Abs. 1 und 2, und dieses Gesetz verpflichtet jedermann, sich im Falle einer solchen Verordnung der Grenzkontrolle zu stellen. – Das ist eigentlich ganz einfach, oder? (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.)

Ich werde Ihnen das Asylgesetz auch noch kurz erklären, Herr Kollege, denn was ich da heute an Unsinn an Stichworten gehört habe, das kann ich so einfach nicht stehen lassen. Ich glaube, es ist auch für Sie ganz interessant und sollte Ihnen ein Beispiel sein, dass man in diesem Hohen Haus nicht nur Allgemeinplätze von sich geben kann, sondern dass man schon auch rechtlich fundiert arbeiten könnte, und das trifft vor allem auch auf den Herrn von der Gewerkschaft zu. Auch darauf möchte ich noch ganz kurz zu sprechen kommen, denn das hat mich schon etwas erstaunt.

Ich muss Ihnen sagen, ich komme aus einem verhältnismäßig kleinen Gemeinderat in der Landeshauptstadt Linz, aber selbst da wurde gründlicher gearbeitet von den anderen Fraktionen – das muss ich schon auch in Richtung Rot und Schwarz sagen, von den Grünen ist man ja viel gewohnt –, gerade Rot und Schwarz haben da schon auch immer sehr darauf gepocht, gerade auch Bürgermeister Luger, dass die Gesetze eingehalten werden und dass man nicht einfach so wischiwaschi drüberfährt. (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht von ungefähr ist der § 41 Fremdenpolizeigesetz, der verpflichtet nämlich die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Er verpflichtet sie nämlich dazu – da haben wir keine Ermessensentscheidung –, dass Fremde, die versuchen, nicht recht­mäßig in das Bundesgebiet einzureisen, an der Einreise auch gehindert werden.

Wir erleben gerade die Situation, dass eben – und das wissen Sie, das brauche ich, glaube ich, nicht näher auszuführen, das haben wir heute auch schon mehrmals er­wähnt, das wissen wir aus Medien, die der FPÖ wirklich alles andere als positiv zuge­tan sind, Medien, die wirklich alles andere als quasi hier uns zuspielen wollen – täglich zu Hunderten, ja zu Tausenden Menschen in unser Land kommen, wo einfach nicht kontrolliert wird.

Und ich sage es auch ganz klar, meine sehr geehrten Damen und Herren – das ist hart, aber das ist österreichische Rechtslage –: Diese Befugnis zur Zurückweisung, die wir gesetzlich normiert haben, ist erforderlichenfalls – nicht kann, sondern ist – auch mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Das ist kein Ermessen, das ist österreichisches Recht, und auf das bestehen wir hier auch. (Beifall bei der FPÖ.)

Was erleben wir? – Wir haben Staatsangehörige, wie man hört, aus Afghanistan, aus dem Irak, aus Pakistan und auch aus Syrien, die täglich nach Österreich einreisen. Nur, woher kommen die? Die kommen aus sicheren Drittstaaten, und ich setze jetzt schon voraus, dass Sie wissen, was das ist. Die kommen aus Ungarn, aus Slowenien oder auch teilweise aus Italien. Und es wird nicht überprüft, ob diese einen gültigen Reisepass haben. Gültig, sage ich auch, denn wir wissen ja mittlerweile schon, es wird ein reges Geschäft mit gefälschten Dokumenten betrieben.


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Dieser Umstand ist offenkundig, es gibt de facto keine Kontrollen. Das hat zum Beispiel auch ganz klar ein ORF-Bericht in der Spät-„ZIB“ vom 19. September dieses Jahres gezeigt – der eine oder die andere werden ihn vielleicht gesehen haben. Da ist eine Menge von Fremden, die stehen bei der Grenze, und dann haben wir ganze vier Polizisten – die haben mir wirklich leidgetan –, die versucht haben, die Fremden aufzuhalten. Das Ganze hat genau ein paar Sekunden gedauert, und dann konnten sie nur noch hilflos neben und vor den illegal Einreisenden einhergehen. Diese Situation war peinlich, und – ich weise noch einmal darauf hin – diese Situation war rechtswidrig.

Wenn es heute so oft heißt, ja, das ist alles überraschend, wir stehen vor einer über­raschenden Situation, dann muss ich schon sagen – der Kollege von den Grünen hat es schon richtig gesagt, das muss man auch den Grünen einmal zugestehen –, in Syrien gibt es diese Situation bereits seit fünf Jahren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht überraschend! Seien wir doch bitte ehrlich, fast alle in diesem Haus fordern seit Jahren und Jahrzehnten mehr Planstellen für die Polizei, also hätten wir zumindest in diesem Fall fünf Jahre Zeit gehabt, dass wir uns darauf vorbereiten und sagen: Irgendwann wird das dort wahrscheinlich zu keinem guten Ende führen, irgendwann werden diese Menschen auf die Flucht gehen, und daher brauchen wir rechtzeitig das notwendige Personal in der Exekutive. Das hat man aber nicht gemacht. Daher kann man aber auch den Einwand, dass das Ganze eine Über­raschung wäre, einfach nicht gelten lassen.

Ich frage mich daher noch einmal, und ich frage vor allem Sie Frau Staatssekretärin in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers. – Sie können einem auch irgendwie leidtun, dass er Sie hergeschickt hat, anscheinend schlecht vorbereitet, denn etwas Konkretes konnten Sie uns leider nicht sagen. (Staatssekretärin Steßl: Jetzt hören Sie einmal auf! Ein bisschen Respekt! Das ist ja unglaublich!)

Frau Staatssekretärin, haben Sie einen einzige Paragraphen genannt? – Nein, haben Sie nicht, und vor allem keinen einschlägigen. Das erwarte ich mir aber schon. (Bundesrat Mayer: Das ist ja jetzt eine Paragraphenreiterei!) – Herr Kollege, das ist keine Paragraphenreiterei – ich bin da der Letzte, das sage ich Ihnen. (Bundesrat Mayer: Sie halten da Vorlesungen!) – Nein, ich halte auch keine Vorlesungen. Herr Kollege, ich sage Ihnen eines: Ich erwarte mir schon eines, erstens dass ich ausreden kann ... (Unruhe im Saal. – Bundesrat Mayer: Sie können da nicht die Staatssekretärin beleidigen! – Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Womit habe ich sie denn beleidigt? Sagen Sie mir das bitte! Herr Kollege, lassen Sie mich doch ausreden! Kommen Sie heraus und reden Sie auch – ich habe Sie auch immer ausreden lassen. Das gehört sich. Und es ist doch wohl ein gutes Recht eines jeden Abgeordneten, auch in einem Volksparlament, dass man, wenn man eine kon­krete Frage stellt, auch eine konkrete Antwort bekommt. Sie würden sich das Ganze auch von uns erwarten, und ich habe das sonst auch immer so erlebt.

Aber ich möchte auch nicht anstehen, zu sagen: Vielleicht erhalten wir das Ganze auch noch schriftlich, und dann bin ich selbstverständlich voll zufrieden. (Staatssekretärin Steßl: Sie sind noch nicht so lange hier!)

Der Herr Kollege wünscht hier keine Vorlesung, und es ist auch keine, aber anschei­nend interessiert ihn die Rechtslage nicht. (Bundesrat Lindinger: Zum Schämen, für einen Oberösterreicher!) Das ist anscheinend so üblich, dass man in diesem Land einfach so hineinregiert, wie es einem gerade gefällt. Unsere Linie ist das nicht! Ich nehme mir trotzdem das Recht heraus, konkrete Antworten zu fordern, ich bin auch gespannt darauf. Und seien Sie sich in einem sicher: Wenn wir keine konkrete Antwort bekommen, dann ist es damit nicht getan und dann werden wir das nächste Mal oder


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das übernächste Mal wieder darüber diskutieren, so lange, bis wir unser verfassungs­gesetzlich gewährleistetes Recht auch bekommen.

Ich weise zuletzt auch noch darauf hin, dass sich – und das möchte ich wirklich nicht – die verantwortlichen Politiker auch nach dem Strafgesetzbuch verantwortlich machen, wenn sie sich hier wissentlich in einem rechtsfreien Raum bewegen und wenn, wie es hier passiert, systematisch und massiv auch rechtswidrig gehandelt wird. Das wäre eine Schande! Ich will das nicht, und daher würde ich mir wirklich wünschen, dass endlich einmal Klarheit herrscht, wie diese Situation zu handeln ist.

Ich kann Ihnen schon noch eines sagen: Menschenrechte sind ein sehr, sehr wichtiges Instrument, aber in einem Punkt sind wir uns, glaube ich, schon einig, nämlich dass es kein Menschenrecht auf dieser Welt gibt, das sichert und gewährleistet, dass sich Menschen, die sich – leider, muss ich sagen – auf der Flucht befinden, ein Land aus­suchen können, wo sie denn bitte Schutz haben möchten, wo es die besten Sozialleis­tungen gibt.

Wir erleben ja jetzt gerade die Situation in Schweden, wo die Flüchtlinge zuerst unbe­dingt hinwollten und dann – aus meiner Sicht illegalerweise, durch zig sichere Drittstaaten – auch angekommen sind. Jetzt sind sie in Schweden und sagen: Hier ist es uns zu finster, hier ist es uns auch zu kalt, das nächste Geschäft ist ein Stück weit weg, also jetzt wollen wir bitte wieder zurück nach Deutschland. Eines kann ich Ihnen schon sagen: Dafür gibt es kein Menschenrecht! Und ich halte es auch für eine Sauerei, wenn man das Wort „Menschenrechte“ und „Grundrechte“ dermaßen strapaziert. (Bundesrat Novak: 20 Minuten sind schon vorbei, Frau Präsidentin!)

Also, meine sehr geehrten Kollegen, ich komme zum Schluss und darf von dieser Stelle noch formell unseren Entschließungsantrag einbringen, den Herr Kollege Jene­wein im Vorfeld schon angekündigt hat, nämlich betreffend den Bildungsauftrag des ORF in Bezug auf die Parlaments-Liveübertragung.

Wir bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, beim Vollzug und allenfalls dazu erforder­lichen Vorschlägen für Novellierungen des ORF-Gesetzes sicherzustellen, dass die Beratungen aller gesetzgebenden Körperschaften im Rahmen des Bildungsauftrages des ORF – je nach regionaler Zuständigkeit bundes- oder landesweit – live und vollständig übertragen werden.“

*****

Ich ersuche auch hier um Annahme. – Danke sehr. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Lindinger: So ein Niveau! – Bundesrat Novak: Den haben wir noch gebraucht! – Bun­desrat Dörfler: Vorsichtig sein!)

18.26

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Der von den Bundesräten Raml, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Bildungsauftrag des ORF – Parlaments-Liveübertragung, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Weber. – Bitte.

 


18.27.14

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werte Frau Präsidentin! Liebe Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier heute schon ein bisschen länger und zugegeben auch sehr emotional in Wirklichkeit die größte


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menschliche Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Da können dem einen oder anderen die Nerven oder die Emotionen schon ein bisschen durchrutschen, aber letztlich geht es darum, dass wir dieses Thema menschlich betrachten, dabei mensch­lich handeln. Wenn wir alle gemeinsam hier in zehn oder 15 Jahren auf diese heutige Debatte und auf dieses Thema zurückblicken, sollten wir in den Spiegel schauen können, ohne dass wir uns dabei schämen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich selber, aus der Südsteiermark kommend, gleich wie unsere Staatssekretärin, war zwei Tage in Spielfeld, einen Tag in Bad Radkersburg, und zugegeben in den ersten Anfangstagen war die Betreuung und die Handhabung der Einsatzorganisationen dort und da vielleicht verbesserungswürdig und vielleicht auch suboptimal. Mittlerweile wurde die Polizei aufgestockt, das Bundesheer personell aufgestockt, es wurde quantitativ angepasst, sodass es jetzt in Spielfeld wie in Bad Radkersburg kontrolliert und koordiniert über die Bühne geht.

Wenn der Kollege der grünen Fraktion die Einsatzorganisationen gelobt hat, sich dabei auch bedankt hat, möchte ich hier vor allem die vielen freiwilligen und ehrenamtlichen Kräfte würdigen und ihnen danken, die hier mit den Einsatzorganisationen Hand ange­legt und geholfen haben.

Heute am Nachmittag gab es ein Treffen aller neun Flüchtlingsreferenten von ganz Österreich mit der zuständigen Ministerin, und wir haben es schon von der Frau Staatssekretärin gehört, dass in den kommenden Jahren Polizeiposten aufgestockt werden und auch das Bundesamt für Asyl und Fremdenrecht aufgestockt wird.

Wenn der Vorredner geklagt hat, das haben wir ja schon immer gefordert, mehr Polizei, mehr Einsatzkräfte, erinnere ich diesen daran, wie viele Polizeiposten und wie viele Stellen in eurer bundespolitischen Verantwortung – die hat es ja leider auch gegeben – zugesperrt wurden. (Bundesrat Samt: Wer hat denn die Polizeiposten geschlossen?) Also ich möchte euch daran erinnern, wie viele Polizeiposten die Frei­heitliche Partei zugesperrt hat, als sie bundespolitisch Verantwortung getragen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit der baulichen Maßnahme an der Grenze, beauftragt durch die zuständige Bundes­ministerin, wird es auch qualitativ eine Verbesserung geben, sodass der Zugang auf österreichisches Staatsgebiet noch besser koordiniert und kontrolliert werden kann.

Abschließend möchte ich noch sagen: Die Unterstellung an meinen Gewerkschafts­kollegen und Bundesratskollegen Mario Lindner, er hätte Gesetze hintergangen oder nicht beachtet, möchte ich auf das Allerschärfste zurückweisen.

Ob jede einzelne Wortmeldung aus meiner steirischen Heimat glücklich war, möchte ich auch bezweifeln, ein bisschen ist mir dabei das Burgenland Vorbild. Hier gibt es einen Koordinator, den Polizeidirektor, den Herrn Doskozil, er hat die Lage sehr im Griff, er wirkt sehr koordiniert, stimmt sich mit allen zuständigen Kollegen ab, und so kommt es auch in der Öffentlichkeit an. In meiner steirischen Heimat sagt der eine etwas, der andere etwas, der widerspricht wieder. Natürlich entsteht dann in der Bevöl­kerung das Bild, die haben sich miteinander keine gemeinsame Sprachregelung und Vorgangsweise ausgemacht. Das ist auch verbesserungswürdig.

Aber abschließend noch einmal: Ich bitte wirklich alle Kolleginnen und Kollegen, wenn wir in 10 Jahren auf dieses Thema zurückblicken, so sollte es so sein, dass wir uns nicht schämen müssen, wenn wir in den Spiegel schauen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten von ÖVP und Grünen.)


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18.32


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


18.32.37

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Es ist heute schon sehr viel von respektvollem Umgang miteinander gesprochen worden, aber das scheint offensichtlich jeder nur für sich selbst in Anspruch zu nehmen, vor allem wenn ich hier in die Reihen schaue, und weniger, wenn es um den anderen geht.

Mein Kollege Raml hat zur Frau Staatssekretärin gesagt, dass sie den Eindruck erweckt hat, desinteressiert zu sein. Und, Frau Staatssekretärin, damit wollte er Sie nicht beleidigen, ehrlich gesagt, diesen Eindruck hatte ich auch. (Staatssekretärin Steßl: Waren Sie immer da?) Ich war die ganze Zeit da, ich war einmal kurz draußen. Sie werden mir gestatten, dass ich auch einmal kurz hinausgehen muss, ich bin die ganze Zeit hier gesessen. (Bundesrat Krusche: Ich kann das bestätigen!) Und Sie sind wirklich mit einem Gesicht dagesessen, als ob Sie lieber woanders wären und als ob Ihnen das wirklich sonst wo vorbei ginge. (Bundesrätin Kurz: Das steht dir nicht zu, dass du ihr sagst, wie sie schauen soll!) – Natürlich kann sie schauen, wie sie will, aber da muss man, wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist, auch damit rechnen, dass das kommentiert wird. Und ich habe das bis jetzt auch noch von keinem Regie­rungsmitglied in der Art gesehen.

Wenn wir schon von Respekt reden, dann darf ich Sie bitten, Frau Staatssekretärin, Ihrem Bundeskanzler, der es heute vorgezogen hat, nicht zu uns zu kommen, auszu­richten, dass ein Vergleich mit dem Holocaust einem anderen Regierungschef, namentlich dem Viktor Orbán gegenüber schon gar nicht die feine Art ist und von überhaupt keinem respektvollen Umgang zeugt. Also hier wäre eine Abrüstung der Worte auch beim Herrn Bundeskanzler durchaus angebracht. (Beifall bei der FPÖ.)

Und zum Kollegen Mayer, der zu meinem Kollegen „Paragraphenreiterei“ rausgerufen hat: Wissen Sie eigentlich, wofür Sie hier sind, was Sie hier tun? Wir beschließen hier Gesetze. Diese Gesetze bestehen aber aus Paragraphen. Und daher ist es natürlich ganz wichtig, dass man einzelne Paragraphen kennt und, weil wir ja auch alle für die Vollziehung zuständig sind, sich auch daran hält. Nichts anderes hat der Kollege Raml verlangt, als dass man bestehende Gesetze umsetzt. (Bundesrat Lindinger: Exekutive und Legislative sind was anderes!) – Die Länder sind auch in der Vollziehung, nicht jetzt wir als Bundesräte, aber die Länder, die wir vertreten. (Bundesrat Mayer: Tun Sie nicht schulmeistern!)

Dem Kollegen Schreuder, der ja auch gern so eine i-Tüpferl-Reiterei macht, darf ich heute auch einmal etwas mitgeben. (Bundesrat Schreuder: Bitte!) Herr Kollege Schreuder, wenn Sie sich über etwas ärgern oder empört sind, dann haben Sie sich nicht unter Kontrolle. Das hat Ihnen meine Kollegin Michalke, die Vorgängerin von meinem Kollegen Längle, aus Vorarlberg ja schon einmal gesagt. Ich nenne das wirklich feig, und das sage ich ganz bewusst und nehme auch gerne einen Ord­nungsruf dafür in Kauf: Beim ersten Mal, als die Conny Michalke hier war, haben wir auch eine etwas emotionale Debatte hier gehabt. Was tun Sie? Sie sagen es ja nicht hier am Rednerpult, denn da könnte man Sie ja anhand des Protokolls zu einem Ordnungsruf verdonnern. Der ist Ihnen dann vielleicht wurscht, das kann schon sein. Aber Sie gehen raus, bei uns vorbei und haben zu Conny Michalke gesagt: Keller-Nazi!

Heute Gleiches: Sie gehen bei unserer Fraktion vorbei und sagen: Faschisten! (Zwi­schenruf des Bundesrates Schreuder.) – Das nenne ich feige! Wenn Sie finden, dass wir Faschisten sind, stellen Sie sich da her, und sagen Sie es hier am Rednerpult! Aber nicht beim Rausgehen so eine drüberreiben! (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ, FPÖ und Grünen.) – Also, Herr Kollege Schreuder, da hört sich wirklich jede Sym­pathie auf, zumindest für diese Zeit.


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Es funktioniert ja an manchen Stellen, das bestreiten wir ja gar nicht, es ist ja schon viel von Ihnen und auch von uns gesagt worden. Aber wenn man sich die Grenze zu Slowenien anschaut, wo ein paar Polizisten und ein paar vom Bundesheer stehen, und dann kommen Tausende Flüchtlinge, die die einfach beiseiteschieben und einfach durchgehen, können Sie nicht sagen, es geht eh geordnet zu. Und Sie wissen auch, dass Sie keine Ahnung haben, wer da aller durchgegangen ist. Und die Bundesregie­rung war total froh, dass Deutschland gesagt hat, wir schaffen das, denn wir haben ja die meisten nur durchgereicht. Die sind ja Gott sei Dank, offensichtlich auch nach Ihrem Dafürhalten, gar nicht hiergeblieben.

Und da möchte ich noch eines anmerken: Wir reden ja immer von Syrern, obwohl da Afghani, Pakistani, Iraki genauso dabei sind. Die meisten wirklichen syrischen Flücht­linge flüchten innerhalb des eigenen Landes, da ja nicht in ganz Syrien Krieg ist. Das sind Binnenflüchtlinge. Das sind 40 Prozent der Bevölkerung, das wollen wir auch nicht vergessen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.)

Die Kunde höre ich wohl, dass wir jetzt so viele Polizisten bekommen, allein mir fehlt der Glaube, denn auch das hören wir seit 10 Jahren. Dann rechnet uns die Innenministerin vor, wie viele Posten es nicht gäbe. Dann fragt man bei den Polizisten nach und hört, ja, am Papier gibt es die, tatsächlich gibt es die nicht. Und das Bundes­heer ist ja auch kaputtgespart worden. Wo wollen Sie die Leute alle hernehmen, die Sie seit Jahrzehnten kaputtsparen, weil insbesondere die SPÖ der Meinung ist, das Bundesheer braucht eh keiner, und nachdem Sie es nicht geschafft haben, es abzu­schaffen, auch im Zuge einer Volksabstimmung nicht, wird es halt kaputtgespart. (Bundesrätin Kurz: Wer hat denn den Eurofighter-Deal gemacht?)

Und dann gehen Sie her und sagen: Okay, wir müssen auch die Außengrenzen sichern. – Na no na! Aber der Viktor Orbán war Ihr Feindbild Nummer 1, als er genau das versucht hat, nämlich die Außengrenze der EU zu sichern. (Bundesrat Schreuder hält ein Foto in die Höhe, auf dem österreichische und ungarische Politiker beim Durchtrennen des Eisernen Vorhangs zu sehen sind.)

Das ist aber wirklich vergangene Zeit, das kann man nicht vergleichen. Wissen Sie, Kollege Schreuder, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich! Und der Vergleich mit den ungarischen und tschechischen Flüchtlingen geht auch nicht. Das waren ad eins unsere Nachbarn, ad zwei ist es eine Lebensweise in diesem mitteleuropäischen Raum, die ziemlich gleich ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) – Die Prob­leme werden noch kommen! Sie sagen, nein, die kommen nicht. Und natürlich kommt das von der FPÖ. So, wie wir vor zehn Jahren gesagt haben: Wir brauchen mehr Polizei! (Bundesrat Todt: Vor zehn Jahren waren Sie in der Regierung! Da hat man die Polizeiposten geschlossen!) So, wie wir vor zehn Jahren und länger gesagt haben: Spart das Bundesheer nicht kaputt! Und wir haben leider recht behalten. (Bundesrätin Kurz: Woher will sie das wissen? – Bundesrat Jenewein: Aber ihr wisst es!) 

So wird es auch diesmal sein, weil diese Hochgebildeten ja gar nicht kommen. Wenn Sie es uns nicht glauben, glauben Sie es vielleicht dem „Focus“, der schreibt sinn­gemäß, die „Flüchtlinge mit Studium“, also diese vielgepriesenen Akademiker, haben Realschulniveau. Keine Rede davon, dass die Hochgebildeten zu uns kommen, die unser Leben so bereichern werden! (Zwischenrufe bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Sie in Ihrer Naivität glauben oder wollen glauben, dass es so ist. Die Realität schaut aber anders aus. Es haben sich ja Ihrer naiven Meinung nach auch alle hier in Öster­reich lebenden Ausländer bestens integriert. Das wird in einigen Gemeinden schon so sein, es gibt auch in Wien Leute, die sich integriert haben, das bestreite ich keines­falls – aber schauen Sie sich die Ghettobildung an, die speziell in Wien stattfindet! Das ist sogar schon Martina Salomon – immerhin stellvertretende Chefredakteurin des


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„Kurier“ –aufgefallen, die gesagt hat: Wir haben hier Jugendliche, die nicht bereit sind, sich zu integrieren. Wir haben hier Ghettos, die ein eigener Kosmos sind und die mit den Österreichern überhaupt nichts mehr zu tun haben wollen. – Das sind ja alles Dinge, die es jetzt schon gibt.

Sie glauben, da kommen Hunderttausende daher und sagen: Ja, natürlich, wir integrie­ren uns sofort. Das kann man nur glauben, wenn man es glauben will. Die Re­alität, sage ich Ihnen, schaut anders aus. Es wird welche geben, die sich integrieren – keine Frage, die gibt es immer. Aber der Großteil wird es nicht tun, und Sie werden weitere Parallelgesellschaften haben. Dann werden wir wieder hier stehen und uns darüber unterhalten, und Sie werden die Welt wieder nicht verstehen und fragen: Wie konnte das passieren? Und wir werden Ihnen einmal mehr sagen: Das haben wir euch immer schon gesagt.

Darum finde ich es so schade, dass Sie überhaupt nicht bereit sind, sich dieser Prob­lematik zu stellen. Sie igeln sich ein und meinen, die Freiheitlichen haben unrecht, das ist alles wieder nur Panikmache und Hetze – Ihre üblichen Keulen, mit denen Sie arbeiten, die schon so abgedroschen sind wie ein abgekauter Zahn. Das werfen Sie in die Runde und hoffen, dass die Debatte damit beendet ist. Wenn Sie sie mit uns nicht führen wollen, Sie werden sie irgendwann führen müssen, mit sich selber, mit einem Koalitionspartner, weil die Realität so sein wird, wie ich es Ihnen jetzt schildere. Sie werden Probleme haben, wo Sie einbekennen werden: Wir wissen nicht, wie wir sie lösen sollen. Daher ist es wichtig und daher sehen wir es auch als unsere Pflicht an, das aufzuzeigen und zu warnen – und dann wird von Ihnen sofort die berühmte Nazi-Keule geschwungen. Das nennt man Realitäts- und Diskussionsverweigerung, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Dieses Thema werden wir nicht zum letzten Mal behandeln, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen. (Ruf: Eh klar!) Es muss nicht immer im Rahmen einer Dringlichen von uns sein, das wird sich von alleine aufdrängen. Aber ich wünsche mir, dass wir hier zu einer Lösung kommen und nicht nur sagen, wir müssen alle nehmen. Nein, man muss schauen: Wer kommt, wen nehmen wir, wer darf überhaupt kommen, wer wird zurück­geschickt?

Übrigens: Den Deal mit der Türkei finde ich richtig unappetitlich, zuerst die Beitritts­verhandlungen auf Eis zu legen und jetzt zu versuchen, einen Deal mit der Türkei zu machen, und zu sagen: Ihr seid zwar kein europäisches, aber ein sicheres Drittland. Wir können jetzt schon ein paar Kapitel wieder aufmachen, wenn ihr genügend Flücht­linge daran hindert, weiter nach Europa zu kommen. – Also das, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, ist nicht nur politisch, sondern auch in moralischem Maße höchst unanständig! (Beifall bei der FPÖ.)

18.43

18.43.10

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Bevor wir nun zur Abstimmung über drei mir vorliegende Anträge kommen, verab­schiede ich Frau Staatssekretärin Steßl. Ich danke Ihnen recht herzlich, dass Sie hier bei uns im Bundesrat waren. Auf Wiedersehen!

Gleichzeitig begrüße ich Herrn Bundesminister Rupprechter bei uns im Bundesrat recht herzlich. Herzlich willkommen!

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Samt, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend mehr Bundesheer an die Grenze vor.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 172

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Mayer, Todt, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Parlaments-Liveübertragung vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist daher angenommen. (E 247-BR/2015.)

Zuletzt liegt ein Antrag der Bundesräte Raml, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Bildungsauftrag des ORF – Parlaments-Liveübertra­gung vor.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt. (Bundesrat Schreuder: Zur Ge­schäfts­ord­nung!)

Bitte, Herr Bundesrat Schreuder.

 


18.45.11

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich bitte die Klubs der ÖVP und der SPÖ, das nächste Mal, wenn sie einen Antrag einbringen, uns diesen zur Verfügung zu stellen. Ich kannte ihn nicht.

18.45

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesord­nung wieder auf.

18.45.4512. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank (798 d.B. und 826 d.B. sowie 9466/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg zur Änderung des am 18. Oktober 1962 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (699 d.B. und 828 d.B. sowie 9467/BR d.B.)

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Turkmenistans zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Ein­kommen und vom Vermögen samt Protokoll (773 d.B. und 829 d.B. sowie 9468/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 173

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 bis 14, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu allen drei Punkten ist Herr Bundesrat Heger. Ich bitte um die Be­richte.

 


18.46.01

Berichterstatter Peter Heger: Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe die Berichte des Finanzausschusses zu den Tagesordnungs­punk­ten 12, 13 und 14.

Zu TOP 12: Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zu TOP 13: Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg zur Änderung des am 18. Oktober 1962 in Luxem­burg unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Auch dieser Bericht liegt schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 27. Oktober 2015 in Verhandlung genommen und stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu TOP 14: Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Turkmenistans zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Nach Beratung der Vorlage stellt der Finanzausschuss mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


18.49.36

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Herr Minister! Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Zuerst zur Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank.


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Das ist eigentlich eine sehr spannende Angelegenheit, denn es handelt sich doch eigentlich um die erste Gründung einer internationalen Finanzorganisation seit 1944. China versucht, seiner Rolle in der Weltwirtschaft gestaltend zum Durchbruch zu ver­helfen, indem es diese Gründung angestrebt hat und auch der größte Kapitalgeber ist. Es ist gelungen, wichtige Player – europäische Staaten, Russland, Indien – mit an Bord zu holen.

Kritisch muss es aber trotzdem betrachtet werden, denn gerade Entwicklungsbanken haben sich in puncto Nachhaltigkeit sowohl auf ökologischem Gebiet als auch sozial nicht immer mit Ruhm bekleckert. In den achtziger Jahren hat es um diese Angele­gen­heiten massive Diskussionen und Auseinandersetzungen gegeben. Diese Kontro­ver­sen haben zu einem teilweisen Paradigmenwechsel geführt, und wichtige entwick­lungspolitische Trends wie Lokalisierung, Empowerment, Frauenförderung und nach­haltiges Investment haben vor der Weltbank nicht Halt gemacht. Im Gegenteil: Sie wur­den sogar im Rahmen der Weltbank teilweise weiterentwickelt und auch entsprechend verbreitert.

Die Finanzierungen laufen vor allem über PPP-Finanzierungen – Public Private Part­nership –, und immer wieder erleben wir es, dass im Rahmen von Großprojekten über die ansässige Bevölkerung brutal drübergefahren wird und nur im Interesse von Großinvestoren agiert wird.

In den Erläuterungen steht nun zwar, dass durch die Teilnahme westlicher Staaten „wichtige Eckpunkte der europäischen Position betreffend Governance und Umwelt- und Sozialstandards durchgesetzt werden“. Es wird sehr stark auf die Zukunft verwie­sen. Das betrifft vor allem die Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips und eine adäquate Ausgestaltung der Rechte des Direktoriums.

Uns ist das zu vage. Es bleibt eben bei Absichtserklärungen für die Zukunft und einer unserer Meinung nach viel zu starken Anlehnung an die geltenden Bestimmungen bestehender Entwicklungsbanken und derzeit in der Region tätigen internationalen Finanzinstitutionen, anstatt mit der Neugründung einer solchen Institution tatsächlich neue, bessere innovative Impulse zu setzen für eine gedeihliche nachhaltige und soziale Entwicklung. Deshalb lehnen wir den Entwurf ab. Aber vielleicht erleben wir alle hier noch eine Überraschung, was China und seine Interessen betrifft, das gerade im Sektor Umwelt einen gewaltigen Nachholbedarf hat und auch unter einem großen internationalen Druck steht.

Eine Frage hätte ich noch. In den Erläuterungen steht: „Da durch das Übereinkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates (…)“ Also ich weiß nicht, ob wir hier eine Fleißaufgabe machen oder ob die Erläuterungen falsch sind.

Kurz noch zu den Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg und Turkmenistan. Solche Abkommen gibt es ja sehr viele, und sie werden jetzt, Gott sei Dank, laufend verbessert und OECD-Standards angepasst, allerdings in einer äußerst ineffizienten Weise. Sinnvoller wäre es sicher, wenn auf europäischer Ebene multilaterale Abkom­men geschlossen werden könnten. Unsere Bitte an die Regierung – vor allem geht das an den Finanzminister – ist, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, diese Abkom­men zu verbessern, dann würden sich nämlich auch Extrawürste aufhören, die immer wieder zu beobachten sind.

Aus diesem Grund lehnen wir übrigens das Abkommen mit Turkmenistan ab, weil es im Anhang eine Nullregelung für Lizenzgebühren vorsieht. Die können zwar in Österreich nachversteuert werden, und dadurch soll Waffengleichheit österreichischer Investoren mit belgischen, deutschen, zypriotischen und einigen anderen hergestellt werden, die hier Sonderklauseln haben. Aber gerade in Anbetracht der Probleme im


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Bereich Versteuerung von Lizenzen sollte hier ein klarer, eindeutiger und gemeinsamer Weg, und zwar von Beginn an, wenn wir das schon ändern, gegangen werden.

Im Zusammenhang mit Luxemburg geht es ja nur um eine formale Anpassung des automatischen Informationsaustausches. Das war der entscheidende Qualitätsfort­schritt. Österreich und Luxemburg haben hier einiges Unrühmliches gemeinsam. Sie haben die Zustimmung zum automatischen Informationsaustausch am allerlängsten verweigert, obwohl das wirklich ein wichtiger und notwendiger Schritt ist in Richtung einer ehrlicheren und faireren Besteuerung.

In diesem Zusammenhang möchte ich nur auch erwähnen, dass die Leaks-Affäre, das heißt die Aufdeckung der Steuervorbescheide zur Minimierung der Steuern von Groß­konzernen, eine Entwicklung zeigt, die zu hinterfragen ist. Juncker hüllt sich diesbe­züglich in beredtes Schweigen, und er scheint damit durchzukommen. Aber auch unser Finanzminister zeigt sich hier leider sehr wortkarg. Eine Anfrage wurde erst mit monatelanger Verspätung nicht beantwortet, sondern es wurde das Steuergeheimnis vorgeschoben.

Wir sind der Überzeugung, dass es auch in diesem Bereich darum geht, Steuerdum­ping und die damit verbundene Wettbewerbsverzerrung hintanzuhalten und dagegen anzukämpfen. Dazu braucht es mehr Transparenz auch und gerade für die kleinen Unternehmen, die brav ihre Steuern zahlen, während es sich die Großkonzerne richten. Ich erwarte mir von unserer Regierung hier wirklich einen massiven Einsatz auf europäischer Ebene, dem einen Riegel vorzuschieben, für öffentliche Melderegister und Ähnliches in diesem Bereich einzutreten und sich nicht in ähnlich vornehmer Weise zurückzuhalten, wie dies im Bereich des automatischen Informationsaus­tau­sches der Fall war.

Wir werden, wie gesagt, dem Luxemburger Abkommen zustimmen, dem mit Turk­menistan aber nicht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.56


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Oberlehner. – Bitte.

 


18.56.35

Bundesrat Peter Oberlehner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Bei den zu diskutierenden Beschlüssen des Nationalrates geht es – wie wir bereits gehört haben – um zwei Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung betreffend Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Sowohl mit Luxemburg als auch mit Turkmenistan gibt es bereits solche Verträge, die jetzt an die neuesten OECD-Standards angepasst werden müssen und werden sollen.

Multilaterale Abkommen – das hat meine Vorrednerin richtigerweise angesprochen –wären sicher der wünschenswerte Weg, dieser ist aber derzeit leider nicht möglich. Es gibt Bemühungen, das in diese Richtung zu verändern. Wichtig sind diese Abkommen aber vor allem für unsere Betriebe, die dort investieren, weil sie damit eine gewisse Rechtssicherheit bekommen. Diese wird dadurch garantiert. Es geht hier primär um die formale Anpassung des automatischen Informationsaustausches zwischen den Staa­ten, der durch diese Abkommen verbessert wird – auch das wurde bereits ange­sprochen.

Österreich exportiert derzeit Waren im Wert von zirka 164 Millionen € nach Luxemburg und im Wert von 124 Millionen € nach Turkmenistan. Das sind beträchtliche Summen, die im Export umgesetzt werden. Gerade in den letzten Jahren sind diese Summen auch entsprechend angestiegen und werden, das kann man erwarten, weiter anstei-


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gen. Daher ist es besonders wichtig, da auch Rechtssicherheit für unsere Betriebe zu garantieren.

Des Weiteren liegt ein Beschluss des Nationalrates betreffend das Übereinkommen über die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank zur Beratung vor. Dabei geht es – auch das wurde bereits angesprochen – darum, beim Aufbau des Zukunftsmarktes in China und Asien dabei zu sein und dort in Infrastrukturprojekte entsprechend mitin­vestieren zu können. Diese Bank ist derzeit mit zirka 100 Milliarden € bestückt. Öster­reich trägt einen Prozentsatz von 0,5 Prozent des Gesamtvolumens. Es sind also zirka 500 Millionen €, die Österreich in fünf Tranchen in diese Investitionsbank einzahlen wird. Ich persönlich denke – und Fachleute bestätigen uns das –, dass dies gut investiertes Geld ist, weil die asiatischen Märkte und der Markt von China für unsere zukünftigen Exporte von ganz großer Bedeutung sind, und es sehr wichtig ist, in diesen Märkten entsprechend dabei zu sein.

Ganz bestimmt ist es auch ein wichtiges Thema, wenn es darum geht, unsere Arbeits­plätze zu sichern, weil dorthin wieder Exporte möglich werden, was die heimischen Arbeitsplätze entsprechend unterstützen und dafür sorgen wird, dass wir unseren Arbeitsmarkt weiter gut entwickeln können.

Für meine Fraktion kann ich daher festhalten, dass wir allen drei Beschlüssen des Nationalrates unsere Zustimmung erteilen werden, weil alle drei Beschlüsse wichtig sind für unsere heimische Wirtschaft und vor allem für unsere Betriebe. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

18.59


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Lindinger. – Bitte. 

 


19.00.01

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich)|: Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Reiter, wenn ich das richtig verfolgt habe – und mein Gedächtnis reicht tatsächlich drei Tage zurück –, erinnere ich mich gut daran, dass Sie im Ausschuss zugestimmt haben; es ist auch im Bericht des Finanzausschusses so vermerkt. Ich weiß, dass die Grünen im Nationalrat dagegen waren. Dann war ich als Vorsitzender überrascht, dass Sie zugestimmt haben: Stim­meneinhelligkeit wurde festgestellt. Heute sehe ich, dass Sie wieder entschieden haben, bei dem Abkommen mit Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung doch nicht zuzustimmen, sondern dagegen zu stimmen. Ich möchte als Ausschuss­vorsitzender nur feststellen, dass mir das aufgefallen ist. Vielleicht war es ein Irrtum, aber das kann vorkommen.

Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon alles gesagt worden über die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank, die gegründet wird durch 37 regionale Mitgliedstaaten, 14 EU-Staaten und sechs weitere. In Peking ist die Hauptgeschäftsstelle. Österreich wird bei einem Gesamtkapital von 91 Millionen € mit einem Anteil von 0,5 Prozent vertreten sein; nehmen wir doch den Euro- und nicht den Dollarbetrag, wir sind ja in Europa. Es wird für Kernprojekte dienen: Diese Gelder wer­den für Energie, Transport, Telekommunikation, städtische und ländliche Entwicklung sowie Umweltschutz im asiatischen Raum verwendet werden. Das ist gut so, und wir werden dem auch zustimmen.

Bezüglich des Abkommens mit dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wissen wir, dass es um Änderungen betreffend die Vollständigkeit geht, dass die Vollständigkeit mit dem OECD-Wortlaut übereinstimmt, dass sich das in


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der Überprüfung 2009 und 2011 als revisionsbedürftig ergeben hat und dass wir auch dem die Zustimmung erteilen.

Bei Turkmenistan gibt es ein Doppelbesteuerungsabkommen, das noch aus UdSSR-Zeiten fortgeführt wurde. Hier ist es wichtig, dass ein eigenständiges Übereinkommen mit Turkmenistan getroffen wird und nicht dasjenige aus UdSSR-Zeiten übernommen oder immer fortgeführt wird. Das wird größtmöglich mit dem OECD-Musterabkommen übereinstimmen. Hier geht es hauptsächlich um Lizenzeinkünfte und Quellenbesteue­rungsrecht.

Geschätzte Damen und Herren! Wir werden auch diesen drei Tagesordnungspunkten die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

19.03


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Längle. – Bitte.

 


19.03.28

Bundesrat Christoph Längle (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister! Ge-schätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Abgeordnete beziehungsweise auch werte Zuseher an den Internetgeräten via Livestream! Ja, in Verhandlung stehen drei Tages­ordnungspunkte: Wir haben hier das Übereinkommen bezüglich der Asiatischen Infrastruktur Investitionsbank und dann die zwei Abkommen mit dem Großherzogtum Luxemburg beziehungsweise der Regierung von Turkmenistan. Grundsätzlich sehen wir Freiheitliche das natürlich auch sehr positiv, weil wir denken, dass gerade die Übereinkommen im Bereich der Sicherheit und Stabilität Vorteile bringen. Sicherheit ist ja auch einer der Grundparameter von uns Freiheitlichen, und dem sehen wir eben sehr positiv entgegen.

Bezüglich der Wirtschaft und der Gesellschaft denken wir auch, dass sich hier etwas Erfreuliches entwickelt. Betreffend die Doppelbesteuerung meinen wir, dass das bisher selbstverständlich nicht unbedingt gut war, weil es ja doch eine Form der Ungerechtig­keit darstellte. Meine drei Vorredner haben diesbezüglich schon einiges gesagt. Ich möchte dennoch kurz auf die drei Themen eingehen.

Bezüglich der Asiatischen Infrastruktur Investitionsbank haben wir hier ein Regelwerk vorliegen, das rund 60 Artikel umfasst. Ich denke auch, dass es positiv ist, dass Öster­reich eines der Gründungsmitglieder ist. Bezüglich der Bedenken, die Frau Kollegin Reiter erwähnt hat, kann ich sagen, dass ich das teilweise schon auch so sehe. Ich muss hier aber sagen, dass ich natürlich nicht hoffe, dass einfach drübergefahren wird, und gehe einmal davon aus, dass hier alles ordnungsgemäß funktioniert.

Gesagt wurde auch, dass Asien ein guter und großer Wirtschaftspartner ist, gerade für Europa, aber insbesondere auch für die Europäische Union sowie für Österreich. Wir haben ja hier im Bundesrat schon des Öfteren darüber debattiert. In Bezug auf die Exporte darf man das sicherlich auch nicht unterschätzen.

Erfreulich ist, dass im Mittelpunkt die Punkte Energie, Transport, Kommunikation, Um­welt und urbane und ländliche Entwicklung stehen. Hoffen wir, dass alle diese Bereiche nicht zu kurz kommen! Ich denke auch, dass gerade diese Punkte beziehungsweise diese Parameter zum Wohle einer gut funktionierenden Gesellschaft dienlich sind.

Eine kleine Kritik möchte ich hier aber auch anbringen. Man darf nicht immer nur in die Ferne schauen, sondern sollte auch das eher Naheliegende nicht vergessen. Wir selbst haben in Europa und in der EU auch Gebiete, die eine Verbesserung der Infrastruktur dringend benötigen. Gerade betreffend Regionen auf dem Balkan, aber auch bezüglich Osteuropas denke ich, dass man das nicht vergessen darf. Man sollte


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 178

in diese Richtung tätig werden beziehungsweise die Bemühungen, die es ja durchaus gibt, nicht vergessen.

Zum Abkommen mit dem Großherzogtum Luxemburg wurde schon gesagt, dass das Vertragswerk, das ursprünglich in den 1960er Jahren entworfen wurde, modernisiert wird. OECD-Standards sind meiner Meinung nach generell positiv zu bewerten. Gerade der Art. 24, wo es ja um den Informationsaustausch geht, wird sicherlich auch hilfreich sein, insbesondere in Bezug auf Amtshilfebereitschaft und Transparenz.

Auch das Abkommen mit der Regierung von Turkmenistan geht prinzipiell wieder in die gleiche Richtung. Da haben wir auch Vertragswerke, die aus den 1980er Jahren resultieren. Wenn man bedenkt, dass diese Verträge eigentlich noch zwischen Öster­reich und der Sowjetunion abgeschlossen wurden, ist es hier sicherlich höchste Zeit geworden, dass etwas Neues kommt. Vor allem dann, wenn man auch bedenkt, dass der Kommunismus zu Grabe getragen wurde und hoffentlich nicht mehr zurückkommt, kann man diesem neuen Vertragswerk sicherlich sehr positiv gegenüberstehen.

Bezüglich Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen – wie auch Kollege Lindinger gesagt hat –: Auf jeden Fall findet dies auch unsere Zustimmung. Leider wird das von der Statistik her nicht direkt erfasst. Das ist etwas schade, aber vielleicht erleben wir hier ja in Zukunft noch eine positivere Entwicklung.

Bezüglich dieser Abkommen möchte ich noch allgemein etwas Kritik anbringen. Leider ist es ja so – und da wird mir der Herr Minister sicherlich recht geben –, dass Groß­konzerne beziehungsweise international operierende Konzerne doch den einen oder anderen Steuer-Euro irgendwo an den Finanzämtern vorbeibringen. Das geschieht auf diversen Kanälen und Wegen. Es gibt ja Berichte, dass man da bis zu 1 000 Milliarden wegschleust. Ich denke, dass das nicht in Ordnung ist. Im Rahmen der Gleichberech­tigung – was ohnedies einer der größten Grundsätze sein sollte, da ja alle Bürger gleich sein sollten – sollte man schon darauf schauen, dass das nicht vergessen wird und diese Form des Betruges hintangehalten und diese Wettbewerbsverzerrung auf jeden Fall, wo immer auch möglich, bekämpft wird.

Abschließend: Wir Freiheitliche werden gerne allen drei Abkommen unsere Zustim­mung erteilen und hoffen aufgrund der von mir genannten Argumente, dass hier in den unterschiedlichsten Bereichen eine positive Entwicklung zu erwarten ist. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.09

 

19.09.30

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmungen erfolgen getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Übereinkommen über die Asiatische Infrastruktur Investitionsbank.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Notenwechsel zwischen der Republik Österreich und dem Großherzogtum Luxemburg zur Änderung des am 18. Oktober 1962 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 179

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wirkungs­bereiche der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit ange­nommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Oktober 2015 betreffend Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung Turkmenistans zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da auch dieser gegenständliche Beschluss Angelegenheiten der selbständigen Wir­kungs­bereiche der Länder regelt, bedarf er ebenfalls der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit an­ge­nommen.

19.12.3015. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Klimaschutzgesetz und das Emissionszertifikategesetz 2011 geän­dert werden (800 d.B. und 804 d.B. sowie 9461/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Nun gelangen wir zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin zu diesem Punkt ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber. Ich bitte um den Bericht.

 


19.12.49

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Umweltaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Oktober 2015 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Klimaschutzgesetz und das Emissionszertifikategesetz 2011 ge­ändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 180

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Oktober 2015 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht. – Ich darf jetzt offiziell Herrn Bundesminister Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter recht herzlich bei uns im Bundesrat willkommen heißen! (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte.

 


19.13.52

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Es wird Sie wahrscheinlich nicht ver­wundern, dass wir gegen diese Gesetzesvorlage stimmen werden.

Es gibt dafür mehrere Gründe. Wir halten per se die Angelegenheit des Klimaschutz­handels, also des Zertifikathandels, für relativ fragwürdig. Ich habe das hier schon öfter ausgeführt und mache es auch heute sehr gerne. Die Absurdität dieser Idee zeigt sich zum Beispiel allein an einem Beschluss, den das australische Parlament im Jahr 2011 gefasst hat, wo man damals beschlossen hat, 1,2 Millionen wild lebende Kamele, die in Australien leben, zum Abschuss freizugeben, für diese Abschüsse Zertifikate aufzu­legen und diese dann auf dem internationalen Markt zu verkaufen, weil diese Kamele nämlich 4,5 Tonnen Methan rülpsen. Damit macht man dann Geschäfte.

Genauso absurd ist natürlich die Tatsache – wir haben das am Donnerstag auch im Ausschuss gehört –, dass man sich so sehr darüber freut, dass jetzt auch China endlich beim Zertifikathandel dabei ist. Ja, ja, es ist natürlich unbestritten – und das wird auch kein Mensch bestreiten –, dass gerade in China durch das exorbitante Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte eine ganz massive Umweltbelastung geschehen ist. Nur, was passiert jetzt? – China legt natürlich auch Zertifikate für vermeintlich saubere Energie auf: Da ist die Atomkraft dabei, da ist auch das Drei-Schluchten-Staudammprogramm dabei. Dafür werden Zertifikate aufgelegt, diese werden dann auf dem internationalen Markt gehandelt.

Wir finden diese Vorgehensweise einigermaßen absurd. Darum lehnen wir den Zertifi­kathandel als solchen ab.

Nicht zuletzt möchte ich Ihnen noch die heutige Ausgabe der Tageszeitung „Die Presse“ ans Herz legen. Da ist ein wunderschöner Artikel drinnen unter dem Titel „Klima­katastrophe abgesagt – aber niemand will es wahrhaben“, worin Herr Björn Stevens vom Max-Planck-Institut in Hamburg zu Wort kommt. Er hat einen stark rezensierten Artikel im „Journal of Climate“ darüber veröffentlicht, dass er mit seiner Forschergruppe errechnet hat, dass die Erhöhung der mittleren Temperatur um 2 Grad bis zum Jahr 2100 nicht zu befürchten sein wird. Es besteht also kein Handlungsbedarf der CO2-Senkung.

Ich persönlich – weil Sie da lächeln – streite den Klimawandel nicht ab. Der Klima­wandel ist Realität, selbstverständlich, den gibt es seit 4,2 Milliarden Jahren, solange es die Erde gibt. (Bundesrat Schreuder: Aber die Winter!) Ja, Gott sei Dank gibt es den Klimawandel! Wenn es den nämlich nicht gäbe, würden wir wahrscheinlich auf einem Planeten leben, der nicht bewohnbar ist. Selbstverständlich gibt es einen Klima­wandel.


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Ich kenne auch die vielen Argumente, die mir jetzt wahrscheinlich um die Ohren geworfen werden, indem man sagt: Das ist ein Wahnsinn, dass man in der Zeit der größten Gletscherschmelze überhaupt so eine Argumentation findet! – Wenn man nur ein bisschen an der Oberfläche kratzt, kommt man drauf, dass gerade heuer auf der Pasterze die Reste eines Baumes, einer Kiefer, durch die Gletscherschmelze freigelegt wurden. Die Frage, die sich mir vielmehr stellt, ist: Wie kommt eine Kiefer auf die Pasterze? (Bundesrat Dörfler: Der Yeti hat sie hingebracht!) – Diese muss dort ursprünglich einmal gewachsen sein.

Natürlich hat das mit Klimawandel zu tun. Selbstverständlich, Klimawandel hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Das Einzige, was ich in Abrede stelle, und ich weiß, dass es da sehr viele Leute gibt ... (Bundesrat Schreuder: Aber der war nicht vom Menschen gemacht!) Ich sage nicht einmal, dass der Mensch keinen Ein­fluss hat; selbstverständlich hat auch der Mensch einen Einfluss. Was aber bei all diesen Publikationen und all diesen Debatten ... (Bundesrat Schreuder: ... Klima der Pasterze!) Ja, ich weiß schon, Sie zeigen mir da, ich soll den Mund halten. Macht aber nichts, es ist kein Problem. Ich stehe trotzdem hier, Sie werden das aushalten müssen. Ich muss ja auch das aushalten, was ihr da von euch gebt. Das ist ja kein Problem.

Ich sage Ihnen, natürlich hat der Mensch einen Einfluss darauf. Nur, der wirkliche Einfluss – wie zum Beispiel Sonnenstürme, Sonnenwinde – wird da überhaupt nicht mit einberechnet. Der wird da überhaupt nicht wahrgenommen und ist überhaupt nicht Thema in dieser Debatte. Darum sage ich Ihnen: In spätestens zehn Jahren wird der Klimawandel genau denselben Stellenwert in unserer politischen Debatte haben wie der saure Regen und das Ozonloch! Es ist einfach so, dass jedes Jahrzehnt seine menschbezogenen Katastrophen hat, die sich dann irgendwann einmal als das herausstellen, was sie sind: als riesengroße Geschäftemacherei.

Das ist auch der Zertifikathandel! Er ist nichts anderes als riesengroße Geschäfte­macherei, wo auch viel Schindluder getrieben wird. Ich darf Sie nur daran erinnern, wie die Zertifikatbörse gehackt worden ist, wie dann auf einmal herausgekommen ist, wie da wirklich gehandelt wird, wo es Insiderhandel gegeben hat et cetera. Ich möchte das jetzt gar nicht alles wiederholen.

Wir werden dem nicht zustimmen. Ich freue mich jetzt schon auf Ihre Gegenargumente und danke für das erteilte Wort. (Beifall bei der FPÖ.)

19.18


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mag. Gödl. – Bitte.

 


19.18.39

Bundesrat Mag. Ernst Gödl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine werten Damen und Herren! Aufgrund der vorgeschrittenen Stunde und auch angesichts der heftigen Debatte, die wir zum Thema Flüchtlingskrise schon geführt haben, ist dies ja in der Tat derzeit gefühltermaßen ein Thema von untergeordneter Bedeutung. Es ist, glaube ich – auch ich habe den Kommentar gelesen; es war ja nur ein Kommentar, keine, ich sage einmal, alleinige Expertise in der „Presse“ –, es trotzdem wert, über Klimaschutz zu reden, weil er natürlich viele Aspekte auch in unserem Land hervorbringt.

Prinzipiell ist es ja der größte Qualitätsbeweis für eine Regierungsvorlage, für eine Gesetzesnovelle, wenn wir sie im Parlament einstimmig gutheißen. Das ist sicher der größte Qualitätsbeweis. Aber der Qualitätsbeweis ist für Regierungsparteien, glaube ich, auch dann gelungen, wenn gerade jene Kräfte im politischen Spektrum, im demo­kratischen Spektrum, die sehr gegensätzliche Positionen einnehmen, einerseits die


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Freiheitliche Partei und dann die grüne Fraktion, nicht zustimmen. Dann sind wir also gut in der Mitte. Ich glaube, auch beim Klimaschutzgesetz sind wir gut in der Mitte, in einem Realismus unterwegs, weil ich Ihre Argumente zwar noch hören werde, aber sie natürlich auch schon aus der Debatte vom Nationalrat gelesen habe.

Ich meine, mich freut es ja sehr, dass du dich nicht der Meinung der Frau Winter anschließt, die da quasi eine Weltverschwörung vermutet, glaube ich. Man kann das Ganze aber auch leicht in Abrede stellen – was die Grünen dann hier wahrscheinlich auch noch vorbringen werden –, dass sich nichts tut, und dass das alles schlecht ist.

Ich meine, dass wir insgesamt auf einem Mittelweg, auf einem guten Weg sind. Es ist natürlich ein Privileg der Oppositionsparteien, eine etwas eindimensionale Sicht auf ein Problem, auf eine Aufgabe zu haben. Die Grünen betrachten sehr stark die ökolo­gische Perspektive, was aufgrund ihrer Herkunft auch klar ist, und die FPÖ hebt eben die ökonomische Komponente hervor, wie du jetzt auch den Zertifikatehandel kritisch beurteilt hast.

Um einen sehr strapazierten Begriff einmal mehr zu verwenden: Die Nachhaltigkeit basiert ja bekanntermaßen auf drei Säulen, nämlich auf den ökonomischen, ökologi­schen und den sozialpolitischen Aspekten. Gerade was diesen Weg angeht, den wir beim Klimaschutz gehen, bei dem wir nämlich sehr wohl ökonomische und sozial­politische Aspekte mitbeachten, meine ich, sind wir mit unserer bisher eingeschla­genen Richtung sehr gut unterwegs. Das werde ich auch noch untermauern können.

Die österreichische Treibhausgas-Inventur ist ja absolut positiv, das Jahr 2013 haben wir ja zur Gänze abgerechnet. Da zeigt sich, dass die Emissionen knapp 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent unter den erlaubten Höchstmengen liegen. Ich denke schon, dass man das als eine erfolgreiche Bemühung werten kann.

Auch den vereinbarten Kurs bis 2020, nämlich 16 Prozent weniger CO2 auszustoßen als im Ausgangsjahr 2005, werden wir einhalten. Ich denke, auch was die Verpflich­tungen für 2030 angeht, werden wir die Bemühungen und Anstrengungen tätigen, um auch diese Verpflichtungen schlussendlich zu erfüllen.

Österreichs Ambitionen beim Klimaschutz liegen im europäischen Vergleich tatsächlich auf Höchstniveau, auch das würden wir gerne von den Grünen positiv angemerkt haben. Europa selbst liegt ja im weltweiten Vergleich auch auf einem sehr hohen Niveau beziehungsweise gar an der Spitze im Kontinentenvergleich.

Im Sinne des schon erwähnten Nachhaltigkeitsdreiecks geht es bei jedem Gesetz auch um die richtige Balance zwischen den ökonomischen, ökologischen und eben sozialen Aspekten. Da bin ich eben nicht deiner Meinung, Herr Kollege Jenewein: Es ist sehr wohl eines der richtigen Mittel, bei ökologischen Vorhaben auch ökonomische Instru­mente einzusetzen.

Der Emissionszertifikatehandel ist so ein ökonomisches Instrument, das sehr wohl auch seine Berechtigung hat und auch Erfolge zeigt, wiewohl ich das Beispiel, das du angeführt hast, wirklich skurril finde, wenn es denn so ist. (Zwischenruf des Bundes­rates Jenewein.)

Ich kann es natürlich nicht überprüfen. Aber ich sage einmal, es mag in einem so großen Komplex auch die eine oder andere Skurrilität geben, das ist durchaus möglich. Aber damit gleich das gesamte System infrage zu stellen, ich glaube, das geht wirklich zu weit, denn Klimaschutz ist nun einmal multidimensional. Es braucht internationale Programme genauso wie lokale Maßnahmen.

Diesbezüglich erwarten wir, was die internationalen Programme betrifft, schon mit Spannung den Klimagipfel in Paris Anfang Dezember. Wir alle, meine ich, sollten uns


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ein klares und verbindliches Abkommen für einen Weltklimaschutz wünschen. Auf dieser Grundlage muss ja dann auch die Strategie für 2030 für Österreich aufgesetzt werden: eine integrierte Klima-, Energie- und Mobilitätsstrategie des Bundes, in der Umsetzung dann natürlich immer in Einklang mit Ländern und Gemeinden.

Wobei, wir brauchen ja nichts schönzureden: Man kann große Pläne haben, die kon­kreten Taten müssen auf lokaler Ebene meist folgen. So lokale Aktivitäten sind nicht immer ganz einfach, da kann ich als Kommunalpolitiker auch aus Erfahrung sprechen.

Ich habe zum Beispiel vor einigen Wochen – allerdings nicht als Kommunalpolitiker, sondern in meiner anwaltlichen Tätigkeit – einen Biomasseheizwerkbetreiber in Kärnten betreut, der mitten in einem Ort ein Biomasseheizwerk für einen Betrieb und für mehrere Wohnhäuser errichten wollte. Er ist vor Ort auf extrem viel Widerstand gestoßen, denn die Folgen sind Staub und mehr Transporte, denn das Holz muss angekarrt werden und dergleichen.

Also die Umsetzung ist dann nicht immer ganz so einfach, weil es eben sehr schnell auch Einwände vor Ort gibt. Ein anderes Beispiel, an die Grünen adressiert: In der Südsteiermark geht es um den Kraftwerksbau an der Sulm. Wasserkraft ist ja an und für sich eine gute Maßnahme, um Strom zu erzeugen, aber bei diesem Beispiel gibt es massive Proteste – in diesem Fall auch von den Grünen. Es ist dann in der Realität nicht immer ganz so einfach, den Plänen auch Taten folgen zu lassen.

Mit unseren Voraussetzungen, mit unseren Ressourcen in Österreich haben wir jedoch sicher alle Möglichkeiten, die bereits eingeschlagene Energiewende voranzutreiben, und auch etwa den Anteil der Stromversorgung aus erneuerbaren Energieträgern von derzeit 78 Prozent auf 100 Prozent bis 2030 zu steigern. Ich meine, so hast auch du, Herr Minister, das formuliert.

Österreich ist mit hundertprozentiger Sicherheit ein Umweltmusterland, das kann uns niemand absprechen. Der Beweis dafür wird ja auch damit erbracht, dass wir gerade im Bereich der Umwelttechnologie weltweit sehr gefragt sind. Als ich im Landtag als Umweltsprecher tätig war, durfte ich selbst sogar einmal in Japan bei einer Tagung die besonderen Verdienste die Mülltrennung vorstellen, nur als Beispiel. Das haben sich die Japaner auch bei uns abschauen wollen beziehungsweise haben es sich hoffent­lich auch abgeschaut.

Im Schlepptau dieser damaligen Delegation waren auch große Unternehmer aus der Steiermark, zum Beispiel die Firma Komptech. Diese baut große industrielle Kom­postiermaschinen, die sie in sehr großer Zahl zum Beispiel nach China und vor allem nach Japan, aber auch nach Amerika exportiert.

Diese Umwelttechnologie – und das ist schon eine Auszeichnung für unsere Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte – gedeiht ja nur in einem umweltfreundlichen Umfeld. Wir können daher, meine ich, mit Fug und Recht behaupten, dass die Um­weltpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte uns zu einem Musterland gemacht hat, wiewohl das ein Weg ist, der nie zu Ende ist. Da gibt es immer weitere Schritte und Luft nach oben.

Diesen Weg, meine ich, sollten wir weitergehen, und den werden wir mit dem Klima­schutzgesetz, das jetzt leicht adaptiert wird, auch weitergehen. Es ist ein richtiger Weg in die Zukunft.

Herr Minister, ich darf dir auch noch alles Gute für die Klimakonferenz in Paris wünschen, ich hoffe, dass wir Ergebnisse haben werden, auf die wir in Zukunft auf-bauen können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten von SPÖ und Grünen.)

19.27



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 184

Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Dr. Reiter. – Bitte.

 


19.27.20

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ich werde jetzt keine lange Debatte über Wasserkraft et cetera vom Zaun brechen, eben in Anbetracht der vorgeschrittenen Stunde.

In einem Monat findet die Klimakonferenz in Paris statt. Dort treffen sich sehr viele verführte, uninformierte Menschen, die überzeugt sind, dass es einen Klimawandel gibt, dass da Maßnahmen gesetzt werden müssen. (Ironische Heiterkeit der Red­nerin. – Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Dass man da tätig werden soll und dass da nach Lösungen gerungen wird, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen – von dem übrigens viele Wissenschafter bereits sagen, dass das ohnehin nicht mehr gehen wird.

Mit diesem Klimaschutzgesetz leistet unserer Meinung nach Österreich nicht jenen Beitrag, den es leisten könnte – leisten könnte aufgrund der vielen engagierten Firmen, Techniker, NGOs, die es in Österreich gibt, und die in vielen Bereichen auch Vorbild­liches leisten und geleistet haben.

Bei der Novelle des Emissionszertifikategesetzes macht die Republik jetzt davon Ge­brauch, nicht verbrauchte Emissionseinheiten aus Programmen der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode 2008 bis 2012 in die nächste Periode mitzunehmen. Dieses Carry-over ist eine Kann-Bestimmung im Kyoto-Protokoll. Es hätte natürlich auch die Möglichkeit bestanden, die nicht verbrauchten Einheiten verfallen zu lassen. Ange-sichts der ohnehin fehlenden Anreize für Klimaschutz wäre das unserer Meinung nach die angemessenere Vorgangsweise gewesen.

Der Anlass zu dieser Novelle ist eine Umstellung bei der Treibhausgas-Inventur des IPCC, des Intergovernmental Panel on Climate Change. Vielleicht lesen Sie, Herr Jenewein, sich einmal durch, was dieses Panel zum Klimawandel et cetera zu sagen hat. (Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

Diese Änderungen wurden hier übernommen und implementiert, was ja durchaus legitim ist. Aber dadurch verringern sich die 2020-Ziele für Österreich nochmals um circa 1 Million Tonnen CO2. Dieser Erfolg, mit dem das verbrämt wird, fällt uns da also sozusagen ziemlich in den Schoß.

Wir kritisieren jedoch massiv, dass es verabsäumt wurde, die Chance zu ergreifen und die Richtung zur Erreichung der österreichischen Klimaziele bis 2030 sicherzustellen. Man ruht sich mehr oder weniger auf diesen jetzt wieder reduzierten – Gott sei Dank durch die Umstände reduzierten – Zielen für 2020 aus und lässt fünf wertvolle Jahre verstreichen, um sozusagen diesen Schwenk, der notwendig ist, sanfter zu machen.

Die Kyoto-Ziele, bei denen sich ja Österreich ursprünglich zu einer Verminderung der Treibhausgasemissionen von 13 Prozent im Vergleich zu 1990 verpflichtet hatte, sind bekanntlich von Österreich massiv verfehlt worden. Die Folgeziele von 16 Prozent Treib­hausgasreduktion bis 2020 im Rahmen des EU-Klima- und Energiepakets wurden dann in der EU nicht mehr in Bezug auf 1990 berechnet, sondern in Bezug auf 2005.

2005 war für Österreich das Jahr mit den allerhöchsten Treibhausgasemissionen, also ein All-Time High. Das heißt, die 16 Prozent, die einzusparen sind, beziehen sich auf den höchsten Treibhausgasausstoß, den Österreich jemals hatte. Daher sind diese Einsparungsziele von Österreich das schwächste Ziel von allen Ländern. (Vize-prä­sident Himmer übernimmt den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 185

Auch da fällt uns sozusagen wieder etwas in den Schoß, das für die tatsächlich not­wendigen Maßnahmen kontraproduktiv ist: Die 2020-Ziele sind EU-weit schon so schwach, dass sie bereits 2017 innerhalb der EU erreicht werden, und bis 2020 wird dann EU-weit business as usual betrieben.

Das Bizarrste an der ganzen Sache ist aber, dass die Europäische Umweltagentur letzte Woche im Fortschrittsbericht Österreich gerügt hat, dass es als eines von nur vier Ländern sein eh schon sehr schwaches CO2-Ziel für 2020 nicht erreichen wird. Wir haben also ein sehr schwaches Ziel, es gibt den Optimismus, dass das auch erreicht wird, die Europäische Umweltagentur ist da offensichtlich anderer Ansicht.

Was ist zwischen dem Beschluss der hier vorliegenden Novelle im Nationalrat und dem heutigen Beschluss im Bundesrat geschehen? – Die drei wichtigsten Instrumente im Klimaschutz sind die thermische Sanierung, der Klimafonds und die Umweltförderung, all diese Instrumente sind am Tag nach Beschluss des Klimaschutzgesetzes im Nationalrat im Budget massiv gekürzt worden.

Es werden also unserer Meinung nach jetzt weitere fünf Jahre verschenkt, anstatt die tiefgreifenden Systemumstellungen von Wirtschaft und Gesellschaft einzuleiten, derer es bedarf, um dieser Herausforderung tatsächlich gerecht zu werden. Man nimmt bewusst in Kauf, dass die Republik Österreich nach 2020, also ab 1. Jänner 2021 eine ganz abrupte und sehr radikale CO2-Reduktion einleiten wird müssen, um diese verlorenen Jahre aufzuholen.

Für den darauffolgenden Zielhorizont 2030 haben die europäischen Regierungschefs eine CO2-Einsparung von mindestens 40 Prozent beschlossen, Österreich wird dabei einen Reduktionsbeitrag von 32 bis 38 Prozent leisten müssen. Das behaupten nicht nur wir Grüne, sondern auch das Umweltbundesamt im Ausblick 2050.

Eine solch radikale und kurzfristige CO2-Reduktion wird massive Härten in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen nach sich ziehen. Das wird sehr viel schwieriger sein, als wenn wir hier heute und jetzt damit starten und die Zeit bis 2020 auch schon entsprechend nutzen würden.

Je früher Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden, je früher umgesteuert wird, desto wirksamer und billiger sind diese Maßnahmen, aber umso besser ist auch die innovative Wirtschaft in diesem Bereich dann aufgestellt und kann das sozusagen als Angebot für die weitere Entwicklung nutzen.

Ich gebe dem Kollegen Jenewein recht, dass der Zertifikatehandel wirklich teilweise bizarre Blüten treibt. Ich weise aber darauf hin, dass auch Österreich das genutzt hat, um seine Klimaschutzziele zu erreichen, dass da Geld ins Ausland geflossen ist, um solche Zertifikate zu erwerben. Geld, das unserer Meinung nach viel besser im Inland in unsere Wirtschaft investiert werden sollte.

Da sollten lieber tatsächlich die Weichen in Richtung weniger CO2 und in Richtung Klimaschutz gestellt werden, als dieses Geld ins Ausland zu transferieren. Also auch in dieser Hinsicht hat der Zertifikatehandel unserer Meinung nach negative Einflüsse. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

19.35


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Novak. – Bitte.

 


19.35.42

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich befürchte, dass Herr Mag. Gödl und Frau Mag. Reiter (Zwischenruf der Bundesrätin Reiter) jetzt alles so zusammengefasst


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 186

haben, dass ich im Grunde genommen nicht mehr viel dazu zu sagen habe; ich habe zwar zehn Zettel vor mir liegen. (Heiterkeit des Redners. – Zwischenruf des Bundes­rates Mayer.)

Mir scheint aber doch, dass die Begrifflichkeiten manchmal unterschiedlich sind. Da vom Kollegen Jenewein gesagt wurde, dass es irgendeine Abhandlung in einer Zeitung gibt, wo das für die Zukunft sehr positiv dargestellt wird – da schenke ich den OECD-Richtlinien in dieser Hinsicht ein bisschen mehr Glauben. Den Berechnungen dieser Organisation nach werden diese zwei Grad nicht nach unten revidiert, sondern eher nach oben. Da wird es in Zukunft also doch eher Probleme geben.

Frau Mag. Reiter, es ist ja wirklich alles sehr detailliert ausgeführt worden. Was mir ein bisschen auffällt – das habe ich im Vorfeld gelesen, als Bürgermeister einer kleinen Nationalparkgemeinde schaut man sich solche Dinge auch an –, ist die Finanzierung, Sie haben das ganz kurz erwähnt.

Da würde ich mir schon wünschen, wenn ihr jetzt im Dezember nach Paris reist, dass es da von Österreich eine einheitliche Meinung gibt, was diese Zertifizierungen der Emissionen anbelangt. Wenn ich dann lese, dass immer wieder Geld gefordert wird – der Bundesminister stellt zuerst 25 Millionen zur Verfügung, dann werden von Ihnen 50 Millionen gefordert. Dann setzt er das auf 50 Millionen hoch, und schlussendlich werden dann 100 Millionen gefordert. Dann liegt man eh bei 70 Millionen – also irgendwann muss dieses Spiel, bei dem man sagt, man treibt das Ganze nach oben, auch aufhören.

Zu diesem Handel von Zertifikaten: Das ist auch von Ihnen genannt worden, das werden wir im Grunde genommen nicht für die ganze Welt lösen können. Ich habe ja immer diese Befürchtungen, wenn ich Kyoto gehört habe, und wenn man jetzt nach Paris fährt: Jeder fährt dort voller Zuversicht hin, im Grunde genommen ringt man dann um irgendwelche Maßnahmen, die man umsetzen will, oder sollte, die dann teilweise nicht eingehalten werden.

Was mich halt ein bisschen stört – und das sage ich jetzt wirklich als einer, der im Nationalpark zu Hause ist –, ist die große Bodenversiegelung. Das geht für mich zu drastisch vonstatten, dass täglich Boden in der Fläche von bis zu zehn Fußballfeldern versiegelt wird. Das sind schon Ressourcen, die wir versuchen sollten, mit Flächen­widmungsplänen in diesem Bereich … (Ruf bei der ÖVP: … Bürgermeister zustän­dig!) – Ja, ja, hast eh recht, tun wir auch. Wir versuchen auch, bestehende Gebäude zu nützen und aufzufüllen und alte nicht wegzureißen, dass es also in diese Richtung geht.

Im Grunde genommen ist alles gesagt. Die gegenständliche Novelle zu diesem Klimaschutzgesetz und zum Emissionszertifikategesetz 2011 ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Ich denke, dass diese Werte, die vom Herrn Bundesminister angeführt worden sind, auch zu erfüllen sind und auch erfüllt werden, nicht mehr und nicht weniger.

Es sind sicher große Anstrengungen notwendig, um diese angepeilten Ziele zu er­reichen. Es ist wirklich nur zu hoffen – ich habe das schon gesagt –, dass die Einsicht der teilnehmenden Länder bei dieser UN-Klimakonferenz in Paris steigt, und endlich substanzielle Ergebnisse erreicht werden.

Das heißt, dass alle Staaten sich zu – ja, das ist ein Traum – verbindlichen Klimazielen verpflichten werden, und das dann auch eine regelmäßige Überprüfung der verein­barten Klimaziele ermöglicht. Wir von der SPÖ werden diesem Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.40



BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 187

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. – Bitte, Herr Minister.

 


19.40.28

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Überrascht bin ich jetzt nicht mehr über den Beitrag des Herrn Bundesrates Jenewein, nachdem die Frau Umweltsprecherin Ihrer Fraktion im Nationalrat im Plenum den Klimawandel offiziell angezweifelt hat. Immerhin ist bemerkenswert, dass Sie nicht 1 : 1 diese Argumentation übernommen haben. Dass heute noch von Politikern der Klimawandel ernsthaft in Frage gestellt werden kann, ist, wie gesagt, zumindest bemerkenswert.

Ich möchte Ihnen im Wesentlichen ein Dokument zur Lektüre nahelegen, und zwar den nationalen Sachstandsbericht vom September letzten Jahres über den Klimawandel nach dem IPCC-Panel-Modell, übernational umgelegt, von 240 österreichischen Wis­sen­schaftern angefertigt, der klar zum Ausdruck bringt: Klimawandel findet statt, und Österreich ist sogar in besonderem Maße betroffen.

Und die Menschen sind deshalb besorgt, und ich glaube, wir müssen diese Sorgen wirklich auch ernst nehmen und adressieren. Der vom Menschen verursachte Treib­haus­gasausstoß ist der Hauptverursacher des Klimawandels. Das ist in der Zwischen­zeit wissenschaftlich eindeutig belegt, und da gibt es also auch in der internationalen wissenschaftlichen Community wirklich keine anderslautenden, ernstzunehmenden Aussagen. Ich denke, das ist schon bemerkenswert.

Ich darf Ihnen im Übrigen noch zwei Dokumente zur Lektüre empfehlen. Alle Staats- und Regierungschefs haben in der UNO-Generalversammlung in New York erst vor Kurzem, im September die Sustainable Development Goals – die Nachhaltigkeits­zie­le – bis 2030 verabschiedet. Und da ist eines dieser 17 sehr konkreten Ziele ein Welt­klima­vertrag, der von der COP 21 in Paris in diesem Jahr beschlossen werden soll, um das Zwei-Grad-Ziel bis 2050 einzuhalten.

Das ist ein maßgeblicher Tatbestand, den man hier nicht einfach leugnen kann. Wie gesagt, auf UN-Ebene ist völlig unbestritten, dass Klimawandel stattfindet und dass man die Hauptursache, eben Treibhausgasemissionen reduzieren muss.

Ich darf Ihnen überdies noch zwei durchaus bemerkenswerte Dokumente empfehlen. Zum Beispiel das Schlussdokument der G7, die zum Ausdruck gebracht haben, dass die Führungsmächte, die sieben großen wirtschaftlichen Führungsmächte der Welt, einschließlich China übrigens, die Sie angesprochen haben, sich verpflichtet haben, die Dekarbonisierung unserer Energie- und Mobilitätssysteme bis Ende dieses Jahrhunderts umzusetzen, eben auch, um den Klimawandel hintanzuhalten, um das Zwei-Grad-Ziel bis 2050 zu erreichen.

Vielleicht hilft ja auch ein anderes Dokument, nämlich die Enzyklika von Papst Fran­ziskus „Laudato si“, in der auf einer sehr wissenschaftsbasierten Analyse, einer sehr kritischen Analyse der Potsdam-Gruppe in der Klimaforschung, eben auch die dring­liche Empfehlung abgeben wird, im Sinne der Schöpfungsverantwortung diese Verant­wortung wahrzunehmen, um eben Treibhausgasemissionen entsprechend zu redu­zieren.

Nun die Änderung des Klimaschutzgesetzes, die Ihnen hier jetzt zur Debatte vorliegt, ist erforderlich geworden, weil mit 2015 ein neues internationales Berichtsformat nach IPCC in Kraft getreten ist, das wir in Österreich eben auch umsetzen. Das bewirkt im Wesentlichen, wie das im Gesetz ausgeführt ist, eine Niveauverschiebung der jährlich zulässigen Höchstmenge an Treibhausgasemissionen um rund eine Million Tonnen nach oben, aber – und das ist wichtig zu betonen – dadurch wird nicht die Zielambition


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 188

reduziert oder geändert, weil in der methodischen Anpassung eben auch das Basisjahr miteinbezogen wird, ist das eine neutrale Anpassung. Es wird also hiemit quasi nur das Berichtsformat entsprechend umgesetzt.

Bei der Aufteilung der Emissionshöchstmengen auf die einzelnen Sektoren – Sie haben das ja in der Debatte im Ausschuss auch zugrunde gelegt gehabt – sind zudem die Ergebnisse der aktuellen Treibhausgasemissionsprojektion des Umweltbun­des­amtes mitberücksichtigt worden sowie die mit den Bundesländern vereinbarten Maßnahmen im Maßnahmenprogramm 2015 bis 2018.

Frau Bundesrätin Reiter, es ist richtig: Im Bericht der Umweltagentur, den Sie zitiert haben, wird festgestellt, dass Österreich die Ziele bis 2020 nicht erreichen wird. Dazu ist klar darauf hinzuweisen, dass eben dieses mit den Bundesländern abgestimmte Maßnahmenprogramm diesem Bericht der Umweltagentur noch nicht zugrunde gelegen ist. Und es ist tatsächlich so, dass wir bei Umsetzung dieses Maßnahmen­programms und bei entsprechender Projektion tatsächlich auf Zielpfad sind. Es ist also kein Grund zu Alarmismus gegeben. Im Gegenteil! Wir sind auf gutem Weg. Das zeigt etwa die österreichische Treibhausgas-Inventur für das Jahr 2013. Sie ist schon zitiert worden. Die Emissionen lagen außerhalb des Emissionshandels um knapp 3 Millio­nen Tonnen CO2-Äquivalente unter der erlaubten Höchstmenge. Und wir erwarten auch für 2014 – die entsprechenden Daten werden ja Anfang 2016 vorliegen –, dass wir auch deutlich unter den Obergrenzen liegen werden.

Es ist sicherlich richtig, dass wir bis 2030 nach einem Abkommen bei der Klimakon­ferenz in Paris deutlich ambitioniertere Maßnahmenprogramme umsetzen werden müssen. Wie genau das Ergebnis in Paris lauten wird, das wissen wir erst nach Abschluss der COP 21. Aber wir sind guten Mutes, dass es tatsächlich möglich sein wird, zu einem ambitionierten Abkommen, zu einem rechtlich verbindlichen Abkommen in Paris zu kommen.

Wir werden dann vor allem in der Umsetzung auf die Energiewende setzen müssen hin zu den erneuerbaren Energieträgern. Wir sind in Österreich sehr gut unterwegs. Wir haben derzeit einen Anteil im gesamten Energieaufkommen von 32 Prozent. Wir wer­den bis 2020 die angestrebten 34 Prozent erreichen. Und die Projektionen bis 2040 lassen sogar sehr optimistisch zwischen 40 und 50 Prozent als möglich, als realisierbar einschätzen.

Bei der Stromerzeugung haben wir derzeit einen Anteil von 78 Prozent an erneuer­baren Energiequellen, insbesondere Wasserkraft. Und es ist durchaus möglich und ambitioniert, bis 2030 100 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energie­trägern zu erreichen.

Was das vorliegende Emissionszertifikategesetz anbelangt, wird einfach Rechtssicher­heit für jene Anlagenbetreiber hergestellt, die Emissionszertifikate für externe Projekte der letzten Periode auf ihren Konten haben. Diese können nunmehr bis zum 18. No­vember 2015 in die nächste Periode transferiert und damit weiterhin verwendet werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.48

19.48.10

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 189

ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit ange­nommen.

19.48.5916. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltver­träg­lichkeitsprüfung in Österreich (6. UVP-Bericht) (III-564-BR/2015 d.B. sowie 9462/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag. Gruber-Pruner. Ich bitte um die Berichter­stattung.

 


19.49.07

Berichterstatterin Mag. Daniela Gruber-Pruner: Hohes Präsidium! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­wirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträglich­keitsprüfung in Österreich zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 27. Oktober 2015 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gemäß § 44 UVP-G 2000 über die Vollziehung der Umweltverträg­lichkeitsprüfung in Österreich zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Samt. – Bitte.

 


19.50.06

Bundesrat Peter Samt (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende UVP-Bericht umfasst im Wesentlichen die Legistik und Vollziehung durch die UVP-Behörden. Wenn man das genau betrachtet, waren die Hauptanwendungsfälle im Betrachtungszeitraum von 2009 bis 2014 durchwegs Projekte der Energiewirtschaft, Windparks in Niederösterreich und Burgenland und dergleichen, und natürlich auch Infrastrukturprojekte.

Bei Betrachtung der Jahre 2009 bis 2014 betreffend die Verfahrensdauer fällt mir im Vorwort des Berichts grundsätzlich auf, dass dort von relativ geringer Verfahrensdauer gesprochen wird. Wenn man sich allerdings dann die nachfolgenden Zahlen anschaut, dann sieht man, dass die eindeutig eine andere Sprache sprechen. Auch die Dar­stellung der Behörden, dass Behörden, die viele Projekte abgewickelt haben, geringere Verfahrensdauern haben, stimmt nur bedingt, was man sieht, wenn man sich die Bundesländerbehörden anschaut,.

Auch wenn jetzt im Durchrechnungszeitraum von 2009 bis 2014 die Bearbeitungs­zeiten vom Einreichen bis zur Genehmigung kürzer werden, ist es aber trotzdem so, dass zum Beispiel Oberösterreich im Vergleichszeitraum sehr viele Verfahren abge­wickelt hat und die im Durchschnitt 21 Monate dauerten, während sie in Vorarlberg mit offensichtlich weniger Verfahren im Schnitt nur 10,7 Monate durchschnittlich benö­tigten. Die aufgestellte Behauptung ist also nicht ganz richtig.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 190

BMVIT-Straße, das hier angeführt ist, das 2014er-Megaprojekt, ich würde fast sagen von der Verfahrensdauer her Monsterprojekt mit einer Abwicklungsdauer von 79 Mo­naten innerhalb von sechs Jahren, wird auch begründet.

Grundsätzlich wird diese lange Dauer von Verfahren begründet, und zwar fast immer in der gleichen Art: umfangreiche und mehrmalige Ergänzungen durch Projektwerber oder umfangreiche Projektänderungen nach Einreichung, steht da, oder, wie das beim Projekt Golfplatz Axams-Grinzens dargestellt wird, dass Vorlagen unvollständig gewe­sen sind und die vollständigen Unterlagen erst zweieinhalb Jahre nach der ursprüng­lichen Einreichung bei der Behörde vorgelegen sind.

Damit stellt sich heraus, dass offensichtlich nicht jedes Projekt, auch nicht größere Projekte in Bezug auf die örtlichen Umweltbedingungen so professionell vorbereitet werden, wie es nötig wäre.

Daraus resultierende Auswirkungen, wie etwa massive Verteuerungen von Projekten in der Planungsphase wie auch in der nachfolgenden Ausführung, gehen oftmals zulas­ten der Wirtschaft bei privaten Projektbetreibern, vor allem aber zulasten der Steuer­zahler, die schlussendlich diese Dinge dann bezahlen müssen.

Da muss unserer Meinung nach nachgebessert werden im Bereich der Behörden, aber auch bei den Projektwerbern eine effizientere Abwicklung eingefordert werden, und das ist auch der Grund, warum wir diesen Bericht so nicht positiv zur Kenntnis neh­men. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.53


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Preineder. – Bitte.

 


19.53.53

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Hoher Bundesrat! Es gibt mittlerweile die gute Tradition in Österreich, dass größere Bauverfahren auf ihre Umweltrelevanz hin geprüft werden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung führt das durch; wir haben hier den sechsten Bericht. Ein herzliches Dankeschön für den Bericht.

Ich durfte an einer Sitzung des Umweltrates teilnehmen. Da gab es ein Thema, das sich herauskristallisierte, das war der Feststellungsbescheid, ob jetzt ein UVP-Verfahren eingeleitet werden muss oder nicht, und dass es dabei einer höheren Rechtssicherheit bedarf.

Ansonsten danke ich für den Bericht, und wir nehmen ihn gerne zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP.)

19.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Nächster Redner: Herr Bundesrat Novak. – Bitte.

 


19.54.39

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viel kürzer können wir jetzt nicht mehr sein wie der Herr Kollege, aber ich werde mich zusammenreißen.

Eines muss ich dem Herrn Bundesminister schon auch sagen und vor allem seinen Mit­arbeitern, die diesen sechsten UVP-Bericht gemacht haben: Wenn man Interesse hat und sich mit dem Thema ein wenig beschäftigt, dann schaut man sich das natürlich an. Dieses Konvolut an Zahlen und Diagrammen, die dargestellt sind, sind wirklich erster Klasse. Man kann Positives und Negatives daraus lesen, das ist ganz normal.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 191

Man sollte jedenfalls den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einmal ein herzliches Dankeschön dafür sagen.

Wie gesagt, alle drei Jahre gibt es einen solchen Bericht. Geschrieben in der Vorbe­reitung habe ich viel, aber nur einiges werde ich herauspicken: Diese 96 Verfahren, die da abgewickelt worden sind, das habe ich nicht so gelesen, wie der Kollege von vorhin, dass das jetzt länger gedauert hätte.

Wir wissen ja, bei UVP-Verfahren ist das ja auch nicht immer hundertprozentig alles so, wie es die Behörde will. Das können wir als Bürgermeister am besten sagen. Dass die Verfahrenskosten beziehungsweise die Kosten, wenn etwas nachgebracht werden muss, dann zu zahlen sind, wird den einen oder anderen dann schon auch dazu bewegen, dass er das alles besser vorbereitet.

Und das möchte ich bei dieser Gelegenheit auch sagen: Bei dieser UVP-Prüfung, die absolut notwendig ist, gibt es auch die Möglichkeit, auszusteigen. Wenn man sieht, dass das Ganze schlussendlich nicht ans Ziel führt, zu dem man hin will, dann hat man die Möglichkeit, zu sagen: Hauen wir den Hut drauf, das kostet viel zu viel! Und das ist damit im Grunde genommen erledigt.

Jetzt habe ich noch einen Punkt, und ich meine, der ist auch wichtig: Diese grenz­überschreitende Geschichte, die habe ich mir schon noch ein bisschen genauer angeschaut. Da glaube ich, dass da auch bei Ihnen im Ministerium noch das eine oder andere zu machen sein wird. Mir kommt vor, ich habe das irgendwo in einer Presse­meldung gelesen, dass es eine gewisse Rechtsunsicherheit gibt, wenn man die Nach­barn sozusagen mit einbinden muss, und dass es dafür im Umweltministerium eine unionsrechtskonforme Lösung zu finden gilt. Da wünsche ich Ihnen auch ein gutes Gelingen. Das ist anscheinend noch nicht so auf dem Weg, wie es sein sollte, aber ich denke, auch das wird in Zukunft zu schaffen sein.

Zu den Verfahrenszeiten: Ich habe gelesen, dass die Verfahrenszeiten erheblich ver­kürzt worden sind. Vielleicht habe ich mir das schlecht angeschaut. (Bundesrat Samt: Es gibt verkürzte Verfahren!) Genau! Verkürzte Verfahren. Ich denke, dass das auch gut so ist. Ich sehe das auch bei uns. Da gibt es Projekte, wie zum Beispiel bei uns von Eisenbahn und Wasserkraft, die Kraftwerke bauen. Ja, die Partner sind in Ordnung. Es ist aber auch notwendig, dass es diese Verfahren gibt, denn da gibt es so viele Grund­besitzer und Wasserrechte und alles, was dazu gehört, dass das einfach notwendig ist. Und für uns als Gemeinde ist auch wichtig, dass das gut abgearbeitet wird.

Also der Umfang und die Vielseitigkeit der in diesem Bericht dargelegten Aspekte und berührten Bereiche zeigt, dass das Instrument UVP/Umweltverträglichkeitsprüfung auch in über 20 Jahren der Anwendung in Österreich nichts an Aktualität und an Bedeutsamkeit – unterstrichen – verloren hat. Es ist mit dem Instrument der UVP eine hohe Umweltvorsorge gewährleistet.

Wir werden diesem Bericht natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Rupprechter. – Bitte.

 


19.58.41

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Andrä Rupprechter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Auch von meiner Seite in aller Kürze: Es ist richtig, was festgestellt wurde. Dieser Bericht zeigt, dass wir trotz größerer Verfahrensanzahl eine deutlich kürzere Verfahrensdauer haben. Ich darf darauf hinweisen, dass 2014 Feststellungsverfahren im Durchschnitt 4,6 Monate gedauert haben, und ab Vollständigkeit der Unterlagen dann nur mehr


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 192

2,9 Monate – hiezu verweise ich auf den Bericht, Seite 121 –, UVP-Genehmigungs­verfahren im Durchschnitt 13 Monate beziehungsweise nach Vollständigkeit der Unter­lagen nur mehr 6,8 Monate, was tatsächlich einer deutlichen Verkürzung seit 2009 entspricht.

Wir haben jetzt die neue Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit und eben auch Beschwer­derechte für Umweltorganisationen. Der Bericht zeigt, dass sich das gut entwickelt hat und trotz steigender Verfahrenszahl, wie gesagt, die Verfahrensdauer kürzer gemacht werden konnte, was einerseits einer Verbesserung der Beteiligtenrechte entspricht und auf der anderen Seite einer effizienteren Entscheidungsfindung geschuldet ist. Ich denke, dass das durchaus positiv ist.

Zu dem, was Sie angesprochen haben, Herr Bundesrat Novak: Es ist tatsächlich so, dass jüngste EuGH-Urteile im Zusammenhang mit der UVP jetzt gerade einer legis­tischen Überprüfung unterzogen werden. Dabei wird überprüft, inwiefern die Gesetz­gebung da angepasst werden muss. Falls es notwendig ist, wird das entsprechend hier in Vorlage kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.00

20.00.20

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.00.57Einlauf und Zuweisung

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung fünf Anfragen, 3088/J-BR bis 3092/J-BR, eingebracht wurden.

Ich ergänze noch: Eingelangt ist der Antrag 216/A der Bundesräte Längle, Kolleginnen und Kollegen, der dem Landesverteidigungsausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist der 19. November 2015, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Die Ausschussvorberatungen sind für 17. November 2015, 14 Uhr, vorgesehen.

20.01.55Schlussansprache des Vizepräsidenten Mag. Harald Himmer

 


20.02.01

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Meine Damen und Herren, da ich mir selber nicht sicher bin, ob ich an diesen Beratungen noch teilnehmen werde, darf ich mich bei Ihnen und bei euch allen dafür bedanken, dass ihr mich über viele Jahre immer wieder zum Vizepräsidenten gewählt habt. Ich hätte diese Funktion auch weiterhin ausgeübt, es ist mir nur ein kleines notwendiges Detail dafür abhandengekommen: das Mandat. (Allgemeine Heiterkeit.) Daher muss ich das zum Anlass nehmen, mich hier zu ver­abschieden.


BundesratStenographisches Protokoll846. Sitzung / Seite 193

Ich möchte mich in diesem Zusammenhang bei allen entschuldigen, die ich vielleicht irgendwann einmal beleidigt habe; hoffe aber doch, dass es mir im Wesentlichen gelungen ist, meine ehrliche Wertschätzung euch allen entgegenzubringen.

Bei allen Fraktionen, bei der Sozialdemokratischen Fraktion, bei euch, bei dir – bei dir, liebe Inge Posch-Gruska, auch bei dir, liebe Monika Mühlwerth, bei dir, Hans-Jörg Jenewein. Es war mir immer wieder ein Genuss, mit euch zu diskutieren. (Allgemeine Heiterkeit.) Mit Monika bin ich ja schon in den 1990er-Jahren hier gesessen, und wir haben weitreichende Dinge beschlossen.

Ich bedanke mich auch bei euch Grünen, bei dir, lieber Marco Schreuder, und bei deinen Kolleginnen und Kollegen. Herzlichen Dank für die vielen Diskussionen! Es ist mir nicht immer leicht gefallen, zuzuhören, aber es war zumindest nie langweilig (allgemeine Heiterkeit); das kann ich sagen.

Ich bedanke mich auch bei meiner eigenen Fraktion, die meine politische Heimat war, ist und immer bleiben wird, allen voran beim Vorsitzenden Edgar Mayer, aber natürlich auch bei allen ehemaligen und zukünftigen Präsidentenkolleginnen und -kollegen. Es hat mir immer Spaß gemacht.

Ich möchte mich herzlich für das Vertrauen bedanken, das ihr mir entgegengebracht habt mit den vielen Nominierungen, und auch für die wirklich immer angenehme Zusammenarbeit.

Das heißt, ihr könnt euch vorstellen, in den letzten 20 Jahren war nicht immer alles ausschließlich lustig; aber wenn ich einen großen Summenstrich mache, kann ich guten Gewissens sagen: Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut. (Allgemeiner stehend dargebrachter Beifall.)

Die Sitzung ist geschlossen.

20.04.28Schluss der Sitzung: 20.04 Uhr

 

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