9.25

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Hohes Haus! Werte Frau Minister! Es ist wirklich schade, dass der ORF seinen öffentlichen Auftrag nicht wahrnimmt und diese Sitzung heute hier nicht überträgt. Ich habe gehört, Oe24, ein privater Sender, macht es für den ORF, der es nicht der Mühe wert findet, die Debatten im Bundesrat, die zu ver­folgen für die Bevölkerung wichtig sind, um sich eine Meinung zu bilden – was sagt der eine, was sagt der andere –, um das Verkürzte nicht glauben zu müssen, zu übertragen.

Genau das, was wir heute von Herrn Hirczy und gestern von Frau Ringer, als sie über die Lehrstellen und die Lehrstellensuchenden gesprochen hat, gehört haben: Ich würde mir so sehr wünschen, dass das – heute und gestern – die Lehrstellensuchenden, die Lehrlinge der Zukunft – unsere Zukunft –, sehen könnten, weil das nicht zu überbieten ist: alles in einen Topf zu schmeißen, das Ganze aus einer privilegierten Sicht zu sehen – im Volksmund würde man sagen, das aus der Bobo-Sicht zu sehen –, eingebettet in eine Familie, in einen Betrieb, wo die Eltern vielleicht das eine oder andere lockermachen können, damit man eben eine gute Ausbildung hat, was sich jeder, alle Eltern für ihre Kinder wünschen würden!

Manchen aber geht es einfach nicht so gut, und die stehen dann an und schreiben wirk­lich Bewerbung um Bewerbung, suchen einen Ausbildungsplatz, kommen dann im End­effekt – Gott sei Dank, wenn sie im dualen System nicht ankommen können, weil sie keiner aufnimmt – irgendwo in Lehrwerkstätten unter, um doch noch eine Zukunft zu haben, um nicht diejenigen zu sein, die schon ganz am Anfang des Arbeitsmarktes abge­hängt sind. Wenn man das nicht sieht und das nicht auch spürt, dann hat man mit Lehr­stellensuchenden und mit richtigen Arbeitnehmern nichts zu tun. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich würde mir da wirklich mehr Seriosität, auch Aktivität aus dem Ministerium wünschen, weil – das muss ich ganz ehrlich sagen – ich nicht einmal etwas Schlechtes sagen kann: Es kommt ja nichts. Normalerweise sagt man: Wer schläft, sündigt nicht!, aber in dem Fall, wo man eine Verantwortung hat, ist Schlafen eine Sünde. Wir haben das in der Coronakrise schon gesehen, als mit falschen Zahlen gearbeitet wurde, als mit falschen Modellen gearbeitet wurde, als uns dann gesagt worden ist – ich will das mit den 100 000 Toten gar nicht mehr überstrapazieren –: Jeder wird einen Toten kennen! Wir müssen uns irgendwo dann scannen lassen, jeder muss überall verfolgbar sein! – Und, und, und, was da alles gekommen ist! Wir konnten Gott sei Dank das Schlimmste ab­wehren.

Niemand hat dann gesagt – Herr Dr. Kornhäusl hat das in der vorletzten Rede als Arzt Gott sei Dank gesagt –, und das möchte ich nur noch kurz erwähnen: Der Ärzteschaft, die auf die glorreiche Idee gekommen ist, die Nummer 1450 einzurichten, ist es zu ver­danken, dass nicht alle in die Krankenhäuser gegangen sind, dass nicht alle in die Ordi­nationen gegangen sind! Das ist die Nachtdienst- und Feiertagsnummer der Ärzte. Na­türlich war die am Anfang völlig überlastet, und viele haben sich geärgert, dass sie nicht durchgekommen sind und dass sie oft Stunden oder Tage versucht haben, dort durchzu­kommen, um dann einen Termin zur Prüfung zu bekommen. Es hat aber schließlich und endlich dann doch geklappt. Vor allen Dingen hat es so geklappt, dass wir an einer richtig bösen Pandemie in Österreich vorbeigeschrammt sind, und da hat die Regierung leider Gottes noch an Modellen gearbeitet, die völlig falsch waren – mit völlig falschen Zahlen. Und sie hat das bis heute nicht eingestanden, sondern macht immer nur eine Politshow, wie das hier jetzt auch wieder zu sehen war: alles schönreden, alles toll, alles paletti.

So ist das Leben nicht! Wir müssen, wenn es um Jugendliche geht, wenn es um Arbeit­nehmer geht, wenn es um Sorgen der Bevölkerung geht, ein bisschen ernster werden, und da müssen wir dann auch die Zahlen richtig deuten.

Auch wenn wir sagen, wir haben soundso viele Lehrstellensuchende und wir haben so­undso viele Lehrplätze, so ist das aber nicht gleichmäßig verteilt. Und wer sagt denn, dass, wenn einer Koch werden will und nebenan eine Maurerstelle frei ist, der jetzt unbe­dingt Maurer werden soll? Das ist doch ein DDR-System! Das gab es doch in einem System, in dem wir gar nicht leben wollen. (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.)

Wir müssen schauen, dass es für die Leute Angebote in jenen Berufen gibt, in denen sie auch ausgebildet werden wollen, und dann müssen wir natürlich auch schauen, wo es das gibt. Will ich einen 15-jährigen Unmündigen durch ganz Österreich schicken? Das ist vielleicht innerhalb gewisser Grenzen und Distanzen für Arbeiter und Angestellte möglich, aber wenn wir Kinder haben und einer macht vielleicht eine Koch-, eine Maurer‑, eine Tischlerlehre oder sonst etwas und der muss dann 200 Kilometer irgend­wohin fahren, würde ich dem zumuten, in einer eigenen Wohnung zu wohnen? – Da muss sich doch das Ministerium, das eigentlich die Verantwortung für diese Ausbildung hat, Gedanken machen! Da hätte ich doch gerne die besseren Lösungen von Ihnen, und nicht, dass immer wir hier heraußen stehen und Ihnen sagen müssen, was an und für sich angesagt ist und was Sie tun sollten. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Da wir schon so viele Arbeitslose und mehr Menschen in Kurzarbeit haben, möchte ich auch das AMS ansprechen. Es kann doch nicht sein, dass Sie wirklich glauben, dass das AMS mit dem gleichen Personalstand eine wesentlich höhere Anzahl von Klienten stemmen kann und dass das auch am Personal des AMS friktionsfrei vorbeigeht. Ich kann Ihnen sagen: Im AMS ist es oft schon so, dass eine richtig angespannte Atmosphä­re herrscht, weil die Leute, die Angestellten dort so etwas von überfordert sind, und sie kriegen die ganze Zeit immer nur mit, dass Sie sagen: Wir werden niemanden kündigen, wir werden vielleicht die Pensionierungen hinausschieben.

Diese Krise ist nicht vorbei, wie Sie in der Regierung das auch schon richtigerweise gesagt haben, und diese Krise wird uns noch begleiten. Wir werden leider Gottes mit Corona leben müssen, weil ein Erfolg, dass wir Corona irgendwie besiegen, nicht in Sicht ist. Da müssen Sie jetzt ganz einfach auch einmal in die Umsetzung kommen und irgend­etwas tun.

Wir haben unseren Tausender gefordert, und wir wollten das, weil wir schnell handeln wollten – wie die Schweiz oder Deutschland, die ja gesagt haben: Wer schnell hilft, hilft doppelt! Bei uns wird ein Mosaik von Almosen in einem Fleckerlteppich verwoben, in dem immer wieder Löcher sind. Ich kann Ihnen betreffend die Kurzarbeit sagen, es gibt Mitarbeiter in Kurzarbeit, die bekommen 20 Prozent ihres Lohnes, den anderen Teil aber nicht. Warum? – Weil die WKO – wir haben ja kritisiert, dass die WKO in Wirklichkeit eine Standesvertretung ist und das macht – genau jenen, von denen eben keine Beiträge bezahlt werden, weil das ausländische Firmen sind und sie vielleicht nur ein Büro unter­halten und hier nur Angestellte haben, praktisch die Beiträge verwehrt.

Genau solche Firmen kenne ich, und die dort Angestellten sind wirklich verzweifelt, weil sie nicht wissen, wie sie überleben sollen – und das AMS schickt sie zur WKO und die WKO schickt sie zum AMS. Das kann nicht sein!

Dasselbe gilt betreffend die 450 Euro. Warum verwehren Sie denen, die sich selber Ar­beit suchen, die dann Regale einschlichten oder irgendetwas anderes machen, weil sie in der Gastronomie und so weiter arbeitslos geworden sind, sie es sich aber nicht leisten können, arbeitslos zu sein, warum also verwehren Sie denen die 450 Euro? – Das kön­nen Sie keinem erklären.

Sie werden uns auch noch erklären müssen, welche Visionen Sie haben. Wir haben schon das letzte Mal darüber geredet, und da habe ich Sie aufgefordert: Kommen Sie das nächste Mal bitte und erzählen Sie uns, welche Visionen Sie für den Arbeitsmarkt haben. Der ist ja nicht erst seit der Krise angespannt, sondern es hat auch schon vor der Krise Bedarf gegeben, den Kolleginnen und Kollegen, die im Angestellten- und Arbeiter­verhältnis sind, eine Möglichkeit zu geben, in Arbeit zu kommen. (Bundesrat Schen­nach: Wo keine Visionen sind, gibt es auch keine Antwort!) – Ja!

Damit möchte ich noch einmal auf unsere Forderungen zurückkommen. Wir haben Ent­schließungsanträge eingebracht, die angenommen wurden, die dann von der Regierung aber wieder abgeschmettert wurden. Mag ja sein, dass die ÖVP sagt: So wollen wir das nicht!, aber es kamen keine Antworten. Ich sage sie Ihnen noch einmal: Den Aufzahlungs­modus für Notstandshilfebezieher, die Aufstockung des AMS-Personals, den 1 000-Eu­ro-Gutschein für alle Österreicher, den Blum-Bonus und vieles, was wir vorgeschlagen haben, was in dieser Situation wirklich helfen würde, haben Sie, obwohl es hier im Bun­desrat bestätigt wurde, dann in der Regierung wieder abgeschmettert – aber von Ihrer Seite ist nichts gekommen, kein Angebot. Also die Politshow, die da draußen abgeführt wird, ist zum Schämen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Und damit ich das noch loswerde: Ich würde auch den Koalitionspartner einmal hinter­fragen, wenn er sagt, Sie sind „voll nett“ oder „sehr zuvorkommend“, und er Ihnen das Attribut „lieb“ und so weiter zuschreibt, und mir überlegen, wie Sie das für sich werten. Ich würde mich politisch dagegen stemmen, wenn ich als Frau Minister dastehe und nur als „lieb“ und „nett“ wahrgenommen werde. (Beifall bei der FPÖ.)

9.36

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat, ich erteile es Ihnen. (Bundesrat Schennach: Na, schauen wir einmal, was er jetzt ...! – Bundesrätin Mühlwerth: Da kann er sich gleich verteidigen! – Bundesrat Schennach: Das macht er nie!)