15.27

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geschätzte Damen und Herren! Oppositions­politik ist mehr, als immer nur Nein zu sagen. Gerade dann, wenn es um die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung geht – und wir befinden uns noch immer mitten in einer weltweiten Pandemie, wie der Herr Bundesminister vorhin festgestellt hat –, haben politische Sandkastenspiele hier keinen Platz.

Daher ist sich die SPÖ auch in der größten Gesundheitskrise der Zweiten Republik ihrer Verantwortung als Oppositionspartei sehr wohl bewusst, hat konstruktiv an der Verbes­serung des Coronagesetzes mitgearbeitet und konnte dabei auch wichtige Punkte durchsetzen. (Bundesrat Steiner: Ja, brutal wichtige!) – Hör ein bissl zu, dann kannst du vielleicht deinen geistigen Horizont ein bisschen erhellen! (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Nur nochmals zur Erinnerung: Kurz angeführt sind dies klare zeitliche Befristungen des Gesetzes, stärkere Einbindung des Parlaments, deutliche Einschränkungen der behörd­lichen Kontrollbefugnisse, zeitliche Maximalbegrenzung für freiheitsbeschränkende Ver­ordnungen, Verordnungen von Landeshauptmännern und Bezirkshauptmännern zu strengeren Maßnahmen können nur mit Zustimmung der übergeordneten Behörden erfolgen. Für die Ampel gibt es jetzt auch eine gesetzliche Grundlage, und Privaträume sind besser vor behördlichen Eingriffen geschützt. So konnte die SPÖ dazu beitragen, dass das nunmehr vorliegende Gesetz mehr Klarheit und Kontrolle beinhaltet – und daher können wir diesem auch zustimmen. (Vizepräsidentin Grossmann übernimmt den Vorsitz.)

Wie hat es schon der WHO-General in seiner Initiative zur gemeinsamen Entwicklung und Finanzierung eines Covid-Impfstoffes tituliert? – „We sink or we swim together.“ Wenn wir das zu reparierende Gesetz hier nur kritisiert und zerpflückt hätten, ohne konstruktive Vorschläge einzubringen, hätte dies niemandem genützt. Wie eben zitiert: Wir sinken oder wir schwimmen gemeinsam. – Dies sollte auch auf die Länderebene transportiert werden. Da geht es um keinen Wettbewerb um die ersten oder letzten Plätze in einer Coronastatistik. Es geht nicht um ein Selektieren von Jung und Alt oder von Gut und Böse. (Bundesrat Steiner: Das passiert aber gerade!)

Wünschenswert wäre ein nationaler Schulterschluss unter Bündelung aller parlamenta­rischen Kräfte mit allen Institutionen und auch – und dies gilt besonders – mit der Wertschätzung des Bundesrates – im Bewusstsein der Bundesregierung –, denn dann wären diese häufigen Sondersitzungen unseres Gremiums obsolet. (Beifall bei der SPÖ.)

Es muss beiden Seiten der Koalition, aber auch der Opposition klar sein: Nicht alle Ideen und Vorschläge der jeweils anderen Seite sind schlecht. Ziel in einer Situation wie dieser sollte es sein, das Beste von jedem zu bündeln. Beim Kampf gegen eine Pandemie hilft es nicht, den Schuldigen im Gesundheitsministerium oder in einem Rathaus zu suchen, sondern es sollte darum gehen, für eine bestimmte Region unter bestimmten Bedin­gungen das Beste im gesundheitspolitischen Bereich herauszufinden. Es darf nicht darum gehen, andere schlecht aussehen zu lassen, nur weil gerade Wahlkampf in Wien ist. Schließlich geht es um die Gesundheit und um Menschenleben (Zwischenruf des Bundesrates Bader – Zwischenruf bei der SPÖ), und da hat politisches Hickhack normalerweise keinen Platz. (Beifall bei der SPÖ.)

Unter diesem Aspekt sind die Coronaapp und die Coronaampel bereits zum Opfer des gegenseitigen Misstrauens der Parteien sowie zwischen Politik und Bevölkerung ge­worden. Beide hätten sinnvolle Instrumente zur Eindämmung der Pandemie werden können. Keine Erfolgsgeschichte wurde die Coronaapp. Sie hat 2 Millionen Euro gekos­tet, hat aber bis heute nur zehn Treffer hervorgebracht.

Auf den ersten Blick war die Ampel ein geniales Instrument. Sie sollte vermeiden, dass beim Auftreten eines lokalen Clusters nicht ganz Österreich unter eine Käseglocke gestellt wird; es sollte ein regionales Vorgehen ermöglicht werden. Unser Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser war der Erste, der dies schon vor Längerem gefordert hatte. Eine breite Allianz von Politikern hat dann aber doch der Ampel „ein Begräbnis erster Klasse“ beschert, wie es Michael Jungwirth in der „Kleinen Zeitung“ zum Ausdruck brachte. Im Laufe der Woche wurde die Hälfte der Städte und Bezirke umgefärbt, aber keine einzige Verschärfung zog Konsequenzen nach sich – nochmals Michael Jungwirth. Dass dann am Donnerstag eine Stunde vor Sitzungsbeginn der Coronakommission das virologische Quartett der Bundesregierung ein neues Maßnahmenbündel verkündet hat, ist eine beispiellose Desavouierung der Kommission. (Beifall bei der SPÖ.)

In Kärnten hatten wir am Dienstag dieser Woche im Landtag eine Enquete zum Thema Coronakrise. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen, sehr geehrter Herr Bundes­minister, und dem Bundesrat einige Punkte daraus, die Lehren aus der Krise aus Sicht der Fachexperten dieser Enquete, zur Kenntnis bringen:

Es ist unabdingbar, eine Absicherung unseres ausgezeichneten Gesundheitssystems zu gewährleisten. Dies sollte ja kein Problem sein, bewältigen wir doch die Krise unter dem Motto „Koste es, was es wolle“; das wird uns unsere Gesundheit ja wert sein.

Vorsorge für eine ausreichende Grippeschutzimpfung;

ausreichendes Personal für Contacttracing;

klare Kommunikation – Beispiel Grenzkontrolle: ein nochmaliges Fiasko mit Wartezeiten bis zu 12 Stunden darf es nicht mehr geben! –;

Verbesserung der Gesundheitspolitik im Bereich der Gemeinden – es fehlen Gemeinde- und Sprengelärzte –;

Fehlen einer kompetenten Fachsektion im Gesundheitsministerium – diese wurde ja in der Vergangenheit aus parteipolitischen Gründen liquidiert –;

Fehlen eines pandemischen Rahmenplans;

Vorbereitung für der Lage angepasstes Agieren;

Vereinbarkeit von Regelbetrieb und Covid-19-Management im Krankenhausbereich – andere Erkrankte dürfen nicht auf der Strecke bleiben! –;

Umgang mit Zahlen und Begriffen – zum Beispiel ist die Aussage: Jeder positiv Getes­tete ist ein Erkrankter!, falsch –;

wissensbasierte Kommunikation;

multidisziplinäre Kompetenzen nutzen;

begründetes Abwägen, Entscheidungsfindung der Verhältnismäßigkeit und des rationa­len Diskurses;

der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist mehr als Infektionsschutz;

Wahrung der menschlichen Würde;

kein Wettbewerb zwischen Bezirken und Ländern;

Angst kann auch krank machen;

keine Abhängigkeit von Medikamentenimporten aus China.

Ein spezielles Problem ergibt sich in den Pflegeheimen, da ist Folgendes dringend erforderlich: das Einsetzen eines Heimarztes; die Schaffung klarer Regeln für eine Be­suchserlaubnis; das Abschiednehmen muss unbedingt möglich sein; und die Schaffung von Isolierzimmern für Verdachtsfälle und Infektionen im Heim.

Wichtig ist auch ein ehrlicher Umgang mit der Bevölkerung. Zum Beispiel ist die momen­tane Aussage – das wurde heute schon mehrmals angeführt –: Der nächste Sommer wird wieder normal!, irreal und unverantwortlich, denn das wissen wir heute noch nicht.

Ebenso ist es irreal, dass es in Kürze eine Therapie gegen Covid-19 geben wird. Es gibt bis heute noch keine Therapie gegen Influenza A und B, sondern nur Schutzimpfungen. Abschließend die Aussage des Primarius der Kabeg im Zuge dieser Enquete: Covid-19 ist keine Strafe Gottes, sondern eine virale Erkrankung! – Vielen Dank für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.35

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Danke, Herr Kollege.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Robert Seeber. – Bitte, Herr Kollege.