19.45

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vor allem liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, die heute der Debatte beiwohnen! Nicht für die Schule, für unser Leben lernen wir. Wer von uns hat dieses Zitat nicht schon gehört oder selbst zitiert, sei es in der persönlichen Schulzeit, als Vater, als Mutter, als Pädagoge oder Pädagogin.

Gestehen wir uns ein: Die Bedeutung dieser Aussage wird oder wurde uns erst als rei­fende Persönlichkeit mehr und mehr bewusst. In seiner Lebenswirklichkeit wird der Mensch, werden wir – und das von Kindesbeinen an – täglich vor neue Herausforderun­gen gestellt. Wie der Mensch damit umgeht, hat Auswirkungen auf seine persönliche Entwicklung, auf sein Leben und in Summe auch auf das Zusammenleben in der Gesell­schaft, und das nicht nur lokal, sondern global gesehen. Entscheidend bei der Bewälti­gung von solchen Herausforderungen sind Fragen wie: Welches moralische Grundge­rüst, welche Erfahrungen und Prägungen helfen, gut und gestärkt aus persönlichen Kri­sen und Schicksalsschlägen herauszuwachsen?

Ganz wesentlich für ein gutes und gelingendes Leben sind für uns alle die Wertevorstel­lungen und Haltungen, nach denen wir unser Leben ausrichten. Wie handeln wir? Wie leben wir? Wie kommunizieren wir? Wie gehen wir miteinander um? Eine frühe Vermitt­lung von Grundwerten obliegt – ganz wichtig! – den Eltern in der frühkindlichen Erzie­hung. Sie ist von so wesentlicher Bedeutung und kann, wenn versäumt, kaum nachge­holt werden.

Die nächste wirklich wesentliche Prägungsphase neben der im Elternhaus findet in den Kinderbetreuungseinrichtungen und in den Schulen statt. Dabei kommt den Pädagogin­nen und Pädagogen eine sehr bedeutsame und wichtige Rolle zu. Kinder und Jugendli­che verbringen einen Großteil des Tages, der Woche in Bildungseinrichtungen, sie wer­den vor allem in der Sekundarstufe dort auch maßgeblich geprägt. Daher ist es ein wich­tiger Schritt für jene Schülerinnen und Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmel­den, dass ein verpflichtender Ethikunterricht im Umfang von zwei Wochenstunden im Schulorganisationsgesetz verankert wird.

Als Politikerin, als Bäuerin und nicht zuletzt als Mutter möchte ich heute eine Lanze bre­chen und das Thema Ethik in einen Zusammenhang mit Ernährung bringen. In einer Zeit, in der eine Klimakrise und eine Gesundheitskrise unseren politischen, aber auch gesellschaftlichen Diskurs dominieren, sehe ich es als besonders wichtig an, uns mit den Auswirkungen unseres Handelns in Bezug auf unsere Ernährung auseinanderzusetzen.

Gesellschaftliche Umbrüche, Veränderungen im Berufsalltag, neue Notwendigkeiten in der Bildung haben die Auswirkung, dass der Wert einer guten und richtigen Ernährung und ihr Einfluss auf die Umwelt und die Gesundheit von uns allen stark in den Hinter­grund gerückt werden.

Wir kennen viele extreme Auswüchse verschiedenster Ernährungsformen – Fast Food, Slow Food, Veganismus, Low Carb, Steinzeitkost, Paleo –, es gibt jede Menge, ich möchte sie von meiner Seite aus auch nicht bewerten. Von einer Geiz-ist-geil-Mentalität, Billig- und Wegwerfmentalität bis hin zur Ernährung als Religionsersatz, Essen als Aben­teuer ist in unserer Gesellschaft wirklich alles zu finden.

Tatsächlich ist zu beobachten, dass der Großteil der Gesellschaft kein fundamentales Wissen mehr rund um das Lebensmittel, seine Produktion und Verarbeitung vorweisen kann. Das hat meiner Meinung nach wirklich Auswirkungen auf die Wertschätzung, auf den Wert der Lebensmittel und auf die Ernährung selbst.

Ich bin der Überzeugung, dass in jeder Krise eine Chance steckt, aber nur dann, wenn man sie auch nutzt. Die Coronapandemie hat uns den Wert der regionalen Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln vor Augen geführt, gerade jetzt zeichnet sich eine Trendwende im Bewusstsein ab. Vielleicht erkennen wir auch den gesundheitlichen Wert der Ernährung in Bezug auf chronische Krankheiten und mögliche Pandemien noch zu wenig an. Darüber möchte ich jetzt auch nicht reden, das steht mir nicht zu, aber es gibt genügend wissenschaftliche Erkenntnisse dazu.

Doch was führt mich hier, an dieser Stelle, dazu, Ernährung und Lebensmittelwissen im Zusammenhang mit Ethik zu bringen? – Wir, die österreichischen BäuerInnen, sind der Auffassung, dass es bei Kindern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen, Lehrern und Eltern ein Grundwissen über Lebensmittel, deren Produktion, Herkunft und Verarbeitung braucht, damit die Konsumentinnen und Konsumenten von heute, aber auch von mor­gen, verantwortungsbewusste Ernährungs- und Kaufentscheidungen treffen können.

Es sind durchaus auch ethische Fragen, die wir uns als Verbraucher in diesem Zusam­menhang stellen sollten: Wie gehen wir mit den Lebensmitteln um? Müssen weiterhin so viele Lebensmittel im Müll landen? Da gibt es für mich nicht nur wirtschaftliche, son­dern auch ethische Komponenten. Was heißt für uns regionale Produktion? Wie stehen wir zur bäuerlich geprägten Landwirtschaft? Welche Auswirkungen hat der Griff ins Re­gal von jedem von uns? Welche Auswirkungen hat mein Ess- und Konsumverhalten in Bezug auf Klima, Gesundheit und Gesellschaft und so weiter? Stichwort Tierwohl und Ethik: Tierwohl verträgt sich nicht mit Schleuderaktionen im Handel. Da tragen die Kon­sumentinnen und Konsumenten gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern die Verant­wortung. Welche Lehren ziehen wir aus der Coronakrise in Bezug auf Lebensmittelpro­duktion und Ernährung? Wie nutzen wir diese Chance? Ist uns als Gesellschaft Eigen­versorgung wichtig?

Welche Maßnahmen leiten wir als Politiker davon ab? In einer repräsentativen Umfra­ge haben die österreichischen BäuerInnen die Wichtigkeit der Lebensmittel-, Ernäh­rungs- und Konsumbildung in der Schule abgefragt. Fast 99 Prozent, beinahe alle Be­fragten, unterstreichen die Wichtigkeit. 95 Prozent der Befragten sind für die Wiederein­führung beziehungsweise Ausweitung des Schulfaches Ernährung und Konsumbildung in der Pflichtschule. Fast 7 500 Befragte sind davon überzeugt, dass Ernährungs-, Ge­sundheits- und Verbraucherwissen wesentliche Kompetenzen sind, um ein verantwor­tungsvolles, reflektiertes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Dieses Fundament muss im Elternhaus und daneben aber auch bereits in der Pflichtschule aufgebaut werden.

Daher fordern wir, allen voran unsere Bundesbäuerin Andrea Schwarzmann, bestärkt durch diese Umfrage, den Ausbau und die Adaptierung des Pflichtschulfaches Ernäh­rung und Haushalt in der Sekundarstufe I. Mit dieser Forderung und dem heutigen Be­schluss zur Einführung des Ethikunterrichtes, geschätzter Herr Bundesminister, sind wir gemeinsam auf einem guten Weg. Davon bin ich als Bäuerin und auch als Mutter über­zeugt. Vielen herzlichen Dank. Bleiben wir gesund! – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.53

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann gemeldet. – Bitte, Herr Minister, Sie sind am Wort.