13.50

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Herr Schererbauer, ich war schon ein bisschen überrascht, das gebe ich zu, als ich Ihnen so zugehört habe. Ich hätte da einen Ratschlag für Sie (Bundesrat Ofner: Na, bitte net!): Reden Sie bitte mit Ihrer Fraktion! Ich stimme Ihrer Einleitung und Ihrer Schlussfolgerung völlig zu, aber offenbar gibt es da große Differenzen innerhalb Ihrer eignen Partei. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das stimmt ja gar nicht! – Bundesrat Ofner: Nein!) Reden Sie mit Ihrer Fraktion einmal über die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen, reden Sie mit Ihrer Fraktion einmal über die Notwendigkeit von Transformationen in allen Bereichen! Und reden Sie mit Ihrer Fraktion auch darüber, dass man dann schon verstehen muss, dass man nicht genau in dem Moment damit aufhören kann, wenn es unangenehm wird; auch da muss man dann durch. (Bundesrat Schererbauer: Das war jetzt sehr allgemein!) Ich komme dann noch einmal auf Ihre Ausführungen zu sprechen.

Zunächst einmal zur eigentlichen Sache: Das ist zwar auch ein bisschen eine technische Geschichte, aber schon sehr relevant. Es geht um eine Änderung des sogenannten – ich kürze es ab – POP-Protokolls aus dem Jahre 1998. Das ist ein 22 Jahre altes inter­nationales Protokoll über persistente organische Schadstoffe. Ich komme dann gleich noch einmal dazu. Dieses Protokoll, das macht es jetzt ein bisschen kompliziert, ist selbst wiederum Teil eines sehr großen Übereinkommens aus dem Jahre 1979 über weiträumige, grenzüberschreitende Luftverunreinigungen. Diesem Übereinkommen haben sich neben der EU als Ganzer 50 weitere Staaten angeschlossen, darunter auch sämt­liche EU-Mitgliedstaaten.

Beim Lesen dieses Protokolls in der Vorbereitung habe ich mir gedacht, ich zitiere ein paar Sätze daraus, weil sie sehr schön erhellen, welche Beweggründe hinter diesem Protokoll stecken. Ganz untechnisch: Warum gibt es das Protokoll? – Da steht: „in der Erkenntnis, dass die Emissionen vieler persistenter organischer Schadstoffe über internationale Grenzen befördert werden und sich in Europa, Nordamerika und der Arktis, weit entfernt von ihrem Ursprungsort, ablagern [...];

in dem Bewusstsein, dass persistente organische Schadstoffe unter natürlichen Bedin­gungen biologisch nicht abbaubar sind“ – damit sind sie auch erklärt – „und mit nach­teiligen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt in Verbindung gebracht werden; [...]

in der Erkenntnis, dass die Ökosysteme und insbesondere die eingeborenen Völker der Arktis, die sich von Fischen und Säugern der Arktis ernähren, auf Grund der Biomagni­fikation“ – das bedeutet Anreicherung von Schadstoffen in Organismen über die Nah­rungskette – „persistenter“ – nicht abbaubarer – „organischer Schadstoffe besonders gefährdet sind“.

Anmerkung dazu: Ich finde, das ist ein sehr schöner Zugang, der ganz klar macht, wie wichtig Solidarität über die Grenzen hinweg ist, um entschlossen Maßnahmen zur Vor­beugung, Verhinderung oder Minimierung der Emissionen persistenter organischer Schadstoffe unter Berücksichtigung des Vorsorgegrundsatzes zu setzen. Das ist Ziel dieses Protokolls.

Herr Schererbauer, ich verstehe nicht, weshalb Ihre Fraktion dem nicht zustimmt. Das ist mir wirklich völlig unverständlich. Sie selber haben vorher Beispiele aus anderen Ländern genannt, und genau darum geht es ja. Sehr viele Umweltprobleme – das gilt auch für den Klimaschutz – kann man nur international lösen, das kann man nur gemein­sam lösen. Wenn bei uns Schadstoffe emittiert werden, tragen wir natürlich Verantwor­tung dafür, dass diese minimiert werden, damit sie nicht woanders zu Schäden führen. Das gilt auch für andere uns gegenüber. Es geht uns etwas an, wenn durch die Schad­stoffe, die wir emittieren, dann irgendwo Kinder – was weiß ich wo, also zum Beispiel in Namibia oder meinetwegen in Grönland – Krebs bekommen, weil ihre Ernährung, weil die Fische mit eben genau diesen Schadstoffen, um die es hier geht und die man vermeiden will, kontaminiert sind. Ich weiß nicht, warum Sie so abstimmen; das können Sie auf jeden Fall jemandem anderen erklären. (Beifall bei den Grünen und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

Die Änderung des Protokolls dient dazu, die Liste der Schadstoffe zu aktualisieren, Anpas­sungen vorzunehmen und auch Mechanismen vorzusehen, die es künftig erleichtern, das an den bestverfügbaren Stand der Technik anzupassen. Dazu zählen zum Beispiel so wohlklingende Stoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasser­stoffe, Dioxine, Furane, Hexachlorbenzol oder polychlorierte Biphenyle. Das klingt alles so grauslich, wie es ist. Dies alles sind Schadstoffe, die bereits in geringer Konzentration zu Schädigungen des Immunsystems oder des Fortpflanzungssystems führen und Krebs verursachen können. Darum ist das wirklich eine wichtige Sache. Geben Sie sich einmal einen Ruck und stim­men Sie da zu! Das ist mehr als Symbolik, das ist notwendige internationale Solidarität.

Obwohl das Protokoll in Österreich seit 22 Jahren gilt, haben wir, das muss man auch zugeben, noch Probleme mit Schadstoffen auf dieser Liste. Es kommt immer noch zu Überschreitungen von Grenzwerten, vor allem bei polyzyklischen aromatischen Kohlen­wasserstoffen wie Benzol zum Beispiel. Sie entstehen bei der Verbrennung von Benzin, Öl, Gas und Diesel, somit im Verkehr, im Hausbrand und diversen Industrieanlagen. Unser Job besteht also darin, jetzt an den Vermeidungsbemühungen dranzubleiben. Gleichzeitig ist das wieder ein sehr schönes Beispiel dafür, dass sich der Ausbau erneuerbarer Energieträger und damit die Abkehr von Kohlenwasserstoffen positiv auf ganz, ganz viele andere Bereiche auswirkt, zum Beispiel auf die Gesundheit, die gemein­hin als hohes Gut gilt.

Kurz noch zum zweiten Teil, der auch wichtig ist, auch wenn die diversen Geset­zes­änderungen, Chemikaliengesetz und so weiter, sperrig klingen. Es ist eine sehr span­nende Sammelgesetznovelle, die kein internationales Abkommen als Ursache hat. Immerhin ist das eine Anpassung an eine europäische Verordnung, die Verordnung über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe. Das mündet dann in eine Novellierung des Chemikaliengesetzes und des Bundeskriminalamt-Geset­zes; den Zusammenhang kann man irgendwie erahnen. Andere Dinge betreffen die Weitergabe von Daten – ganz wichtig – über Chemikalien von Lieferanten an Abnehmer, mehr Transparenz und Datenlieferung an die European Chemicals Agency, die an Aufklärung und Information über die Gefährlichkeit von Chemikalien arbeitet.

Ich möchte einen Aspekt herausgreifen, der wirklich wichtig ist. Er ist bereits vom Kollegen vor mir erwähnt worden, nämlich die Änderung des Fluorierte Treibhausgase-Gesetzes. Da geht es maßgeblich um HFKWs, um Kältemittel, ganz banale Kältemittel, die wir in Kühlschränken oder in Kühltruhen haben. Diese Kühlmittel sind extreme Klima­gifte und bis zu 4 000 Mal stärker als Kohlendioxid, wie wir gehört haben. Deshalb gibt es auch eine F-Gase-Verordnung der Europäischen Union, die bis 2030 eine Reduktion um 80 Prozent gegenüber 2015 vorsieht.

Eine negative Folge davon ist, dass ein intensiver illegaler Handel mit diesen Chemi­ka­lien eingesetzt hat, die im Grunde billig herzustellen sind. Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass bis zu einem Drittel des legalen Marktvolumens unzulässig in Verkehr gebracht wird. Abnehmer finden diese Kriminellen vor allem in Betrieben. Das sind mitunter ganz banale kleine Betriebe, die sich um die Wartung von Klimaanlagen kümmern und in Klimaanlagen von Autos und Gebäuden Kältemittel nachfüllen.

Der Kampf gegen genau diesen illegalen Handel mit diesen extremen Giften wird mit der vorliegenden Novelle unterstützt. Im Wesentlichen soll das durch die Einbindung der Zollbehörden und ein explizites Verbot des Verkaufs passieren, sofern nicht nachge­wiesen werden kann, dass die Menge bereits vor Inkrafttreten des Verbots legal am Markt gewesen ist. Ich bin auch traurig, dass vielen, wie man hieran sieht, leider immer noch jedweder Profit wichtiger als der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist. Darum ist es gut, dass diesen Typen mit dieser Novelle ihr mieses Geschäft hoffentlich etwas erschwert wird. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

13.59

Vizepräsidentin Mag. Elisabeth Grossmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Bitte, Herr Kollege.