15.54

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als quasi Doppelpunkt von der Regierungsbank aus auch ein paar Anmerkungen und Bemerkun­gen von meiner Seite. Ich bin jetzt beinahe schon seit einem Jahr bei diesen Debatten im Bundesrat dabei. Ich möchte mich bedanken, das waren größtenteils recht ambitio­nierte, vor allem engagierte Debatten, von allen Seiten engagiert geführt. Wir haben ja heute wahrscheinlich die letzte Sitzung in diesem Jahr – wer weiß! (Allgemeine Heiter­keit. – Bundesrat Steiner: Der war gut! – Bundesrat Schennach: Wahrscheinlich!) – Schau­en wir einmal.

Ich freue mich wirklich auf das nächste Jahr und die Debatten, die wir dann führen wer­den; in einem Jahr, in dem wir, wie ich hoffe, bei der Bekämpfung dessen, was unser wirklicher Gegner ist, noch erfolgreicher sein werden. Der sitzt nicht hier in der anderen Bank, der Gegner dieses Jahres ist ein Virus.

Es ist ein sehr ungewöhnliches Jahr, das Virus hat uns dieses Jahr hindurch extrem beschäftigt, es hat das Leben von uns allen extrem verändert. In Wirklichkeit ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Ich kenne Ihre Lebenssituation nicht, ich kann es nur von meiner sagen, und die hat sich in diesem Jahr wirklich sehr verändert, und ich weiß, dass es bei jedem und jeder Einzelnen so ist. Nichts ist so gelaufen, wie wir es geplant gehabt hätten. Erinnern Sie sich vielleicht eine Sekunde daran, wie das zu Silvester 1919 gewesen ist, wie wir gesessen sind und was wir uns betreffend dieses Jahr vorgestellt haben. (Bundesrat Steiner: 1919?!) – Entschuldigung, 2019! So lange ist es doch noch nicht her, aber das zeigt, wie intensiv dieses Jahr für mich gewesen ist. (Heiterkeit des Redners.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich hat es auch den einen oder anderen Redebei­trag gegeben, bei dem ich innerlich ein bisschen gekocht habe, um das auch ganz ehr­lich zu sagen, bei dem ich mir gedacht habe, da bin ich jetzt ein bisschen ungerecht behandelt worden oder wir sind ungerecht behandelt worden. So geht es uns aber ein­fach, das ist demokratische Kultur, das ist normale Auseinandersetzung im politischen Bereich. Nachher geben wir uns dann doch die Hand – nein, wir können es ja nicht, aber bildlich gesprochen – und sind wieder auf einer vernünftigen Art und Weise in dem Sinn unterwegs, was unsere Aufgabe ist, nämlich für die Bevölkerung in Österreich zu arbei­ten und das Bestmögliche daraus zu machen.

Da gibt es unterschiedliche Zugänge, manchmal haben wir unterschiedliche Prioritäten, manchmal findet man, die eine Geschichte ist eine Fehlentscheidung – und dass die andere Geschichte gut war, können wir nicht sagen, weil wir halt in unserer Partei tätig sind. In Wirklichkeit leben wir aber in einem Land, das es schon vergleichsweise sehr gut hat – auch in dieser Krise. Wir versuchen, in dieser Situation das Beste daraus zu machen.

Vielleicht noch ein kritischer Satz, denn es wäre ja sehr ungewöhnlich, wenn von der Regierungsbank, auch von meiner Seite her, überhaupt kein kritisches Wort käme: Ich habe vorhin eine Rede gehört, bei der ganz am Schluss die Aussage gekommen ist: „weg vom Glauben und hin zu den Fakten“ – das kam von Herrn Bundesrat Hübner. Dann habe ich von ihm gehört – und da frage ich mich wirklich, ob er das ernst gemeint hat –, wir machen einen Lockdown, nur „weil das jetzt Mode ist“. (Heiterkeit der Bundes­räte Seeber und Schennach.) Lieber Kollege Hübner, entweder Sie wissen nicht, was Mode ist, oder Sie wissen nicht, was ein Lockdown ist, oder Sie wissen nicht, was es heißt, sich Nächte hindurch den Kopf zu zermartern, was wir in einer solch ausweglosen Situation, in der wir manchmal bei dieser Pandemiebekämpfung sind, am besten tun können, und dabei die Grundrechte von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern zu be­einträchtigen. Und das ist es: Es ist ein schlimmer Schritt, einen Lockdown zu realisieren.

Das ist weder Mode noch lustig, noch sonst irgendetwas. Das ist eine Notbremsung in einer Situation, in der es keine Alternative mehr gibt. Auch wenn es vielleicht manchmal in dieser Diagonale (in Richtung FPÖ) ein bisschen wenig Fairness im Umgang gibt, ersuche ich zumindest um eines, nämlich die Arbeitssituation von Pflegerinnen und Pfle­gern, von Ärztinnen und Ärzten in den Intensivstationen ernst zu nehmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky. – Bundesrat Ofner: Die habt ihr am wenigsten geschützt!)

Ich habe jüngst mit einer Pflegerin gesprochen und darf sie übermorgen in Linz noch einmal treffen – ich sage wirklich darf, weil ich das ernst meine. Sie nimmt sich Zeit für mich, um mir ihre Arbeitssituation zu schildern. Die stehen 12 Stunden in der Schutzklei­dung. Wissen Sie, was das heißt, 12 Stunden schweißgebadet, alle zwei Stunden du­schen zu müssen, weil man über und über voller Schweiß ist? Viele von ihnen sind in einer Intensivstation nicht angelernt, haben nie gelernt, dass sie mit Tod umgehen müs­sen, haben nie gelernt, was es bedeutet, wenn in der entsprechenden intensivmedizini­schen Fachabteilung zig Menschen mit dem Tod ringen und um das Leben kämpfen. Das ist extrem schwierig.

Ich ersuche um zumindest so viel Wertschätzung diesen Menschen gegenüber, dass man korrekte Reden hält, und ich ersuche darum, zu schweigen, wenn man die Situation nicht kennt. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Als Vorletztes, weil mir das ein großes Anliegen ist, wieder zum Erfreulichen: Etwas, das ich mir auch wünsche – jetzt ist es schon fast, als ob Weihnachten vor der Tür stehen würde –, ist, dass wir das, was gestern an Großem passiert ist, nämlich die Zulassung des ersten Impfstoffes zur Bekämpfung dieser Pandemie, nicht zerreden.

Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht doch nicht um Impfpflicht, niemand will eine Impfpflicht. Es geht nicht um Impfzwang, niemand will einen Impfzwang. Es geht vielmehr darum, dass wir diese ganz große Chance, die es jetzt gibt, bestmöglich nützen, eine Chance, die die Wissenschaft erarbeitet hat. (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach.) – Ich kann nicht sagen, dass ich mit allen Redebeiträgen, die es zu diesem The­ma gegeben hat, geschätzter Kollege Schennach, einverstanden gewesen wäre.

Das meine ich ja damit: Nehmen wir doch diese Chance her und nützen wir Sie! Das ist die einzige Chance, die wir derzeit gegen die Pandemie haben. Das ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, um das Leben wirklich zu schützen. Verunsichern wir die Bevölkerung nicht, sondern treten wir doch gemeinsam auf, all jene, die pro Impfung eingestellt sind, die etwas Positives in diesem Land wollen (Zwischenrufe bei der SPÖ), und vertreten wir das gemeinsam! Bewerben wir es gemeinsam! Nützen wir diese Chan­ce gemeinsam! Das wäre meine Bitte.

Zum Schluss: Ich wünsche Ihnen und euch erholsame Feiertage und dass das Jahr 2021 ein besseres werde als das Jahr 2020. Alles Gute! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

16.01

Präsidentin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Chris­toph Steiner. – Bitte, Herr Fraktionsobmann, ich erteile es Ihnen.