Titel: Logo des Parlaments der Republik Österreich

Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

921. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 28. Jänner 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

921. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 28. Jänner 2021

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 28. Jänner 2021: 9.01 – 20.34 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministeriengesetz-Novelle 2021)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Einkommen­steuergesetz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert werden

3. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die verbesserte strafrechtliche Sanktionierung einer vor­sätzlichen Schädigung des geschützten Tier- oder Pflanzenbestandes (§ 181f StGB) (284/A(E)-BR/2020)

4. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Verbot des betäubungslosen Schächtens (285/A(E)-BR/2020)

5. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Ver­fassungsgesetzes 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Mag. Christian Buchmann ........................         7

Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark Hermann Schützenhöfer ge­mäß § 38 Abs. 3 GO-BR zum Thema „Zuversicht und Zusammenhalt“ – Bekannt­gabe ..........................................................................................................................      10

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 38 Abs. 4 GO-BR ................      10

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer .......................................................      10

Debatte:

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................      15

Horst Schachner .....................................................................................................      18


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 2

Markus Leinfellner ..................................................................................................      20

Andreas Lackner .....................................................................................................      23

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      24

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................      26

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................      28

Andreas Arthur Spanring (tatsächliche Berichtigung) ..........................................      30

Ersuchen der Bundesrätin Korinna Schumann um kürzere Beantwortung der Fragen .......................................................................................................................      47

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA .....................................    177

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ............................    178

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................         7

Ruf zur Sache ...........................................................................................................    146

Fragestunde (172.)

Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ....................................      31

Claudia Hauschildt-Buschberger (1913/M-BR/2021); Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA, Elisabeth Grimling, Marlies Steiner-Wieser

Bernhard Hirczy (1914/M-BR/2021); Günter Kovacs, Andrea Michaela Schartel, Claudia Hauschildt-Buschberger

Ingo Appé (1920/M-BR/2021); Sonja Zwazl, Dr. Johannes Hübner, Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky

Christoph Steiner (1919/M-BR/2021); Dr. Karlheinz Kornhäusl, Andrea Kahofer, Andreas Lackner

Johanna Miesenberger (1915/M-BR/2021); Günther Novak, Thomas Schererbau­er, MMag. Elisabeth Kittl, BA

Eva Prischl (1921/M-BR/2021); Ernest Schwindsackl, Thomas Dim, MMag. Elisa­beth Kittl, BA

Andrea Michaela Schartel (1918/M-BR/2021); Ing. Judith Ringer, Mag. Bettina An­na Lancaster, Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross

Heike Eder, BSc MBA (1916/M-BR/2021); Stefan Zaggl, Andreas Arthur Spanring, Marco Schreuder

Stefan Schennach (1922/M-BR/2021); Elisabeth Mattersberger, Josef Ofner, An­dreas Lackner

Martin Preineder (1917/M-BR/2021); Horst Schachner, Markus Leinfellner, Marco Schreuder

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      67

Nationalrat


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 3

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      66

Wahlen in Institutionen

5. Punkt: Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsa­men Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 ..........................................................................    176

Ausschüsse

Zuweisungen ...............................................................................................  66, 177

Dringliche Anfragen

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend „Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu?“ (3825/J-BR/2021) .....................................................................................................    114

Begründung: Christoph Steiner ..............................................................................    114

Bundeskanzler Sebastian Kurz .............................................................................    118

Debatte:

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    122

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................    125

Doris Hahn, MEd MA ..............................................................................................    126

Andreas Lackner .....................................................................................................    131

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    132

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    134

Bundesminister Dr. Heinz Faßmann .....................................................................    136

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................    138

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    142

David Egger .............................................................................................................    147

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................    151

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Sicherstellung eines regulären Unterrichts nach den Semesterferien“ – Ablehnung ...................................................................  124, 153

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Berufsschulen nicht vergessen“ – Annahme (335/E-BR/2021) ....................................................................................................  130, 153

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Priorisierung der Impfung von PädagogInnen“ – Ablehnung .................................................................................................  141, 153

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend „Das Video des Außenministeriums über einen Atomwaffenangriff auf Wien als trauriger Höhepunkt einer zunehmend orientierungslosen österreichischen Außenpolitik“ (3826/J-BR/2021) .....................................................................................................    154

Begründung: Korinna Schumann ...........................................................................    154

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. .......................................    157

Debatte:

Stefan Schennach ...................................................................................................    165


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 4

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................    168

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    171

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................    173

Wolfgang Beer .........................................................................................................    175

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesmi­nisteriengesetz-Novelle 2021) (1205/A und 633 d.B. sowie 10537/BR d.B.) ..........      68

Berichterstatterin: Heike Eder, BSc MBA ...............................................................      68

RednerInnen:

Mag. Sandra Gerdenitsch ......................................................................................      68

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ..........................................................................      71

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................      73

Markus Leinfellner ..................................................................................................      76

Marco Schreuder ....................................................................................................      78

Bundesministerin MMag. Dr. Susanne Raab .......................................................      80

Ingo Appé ................................................................................................................      81

Elisabeth Wolff, BA .................................................................................................      82

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Sandra Gerdenitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Soforthilfepaket für Alleinerzieherinnen“ – Annahme (333/E-BR/2021) ............................................................................................  70, 83

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umge­hende Umsetzung eines Zukunftspaketes für Kinder- und Jugendliche“ – Annahme (334/E-BR/2021) ............................................................................................  75, 83

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      83

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Einkommensteuer­gesetz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert werden (630 d.B. und 634 d.B. sowie 10538/BR d.B.) ................................................................................      84

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................      84

RednerInnen:

Dominik Reisinger ..................................................................................................      84

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................      86

Josef Ofner .................................................................................................  89, 100

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................      91

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .........................................................      93

Günther Novak ........................................................................................................      95

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................      98

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finanzierungs-Zweckzuschuss für Städte und Gemein­den in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn“ – Ablehnung ..................  86, 100

Antrag der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kol­legen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben – Annahme ....................................  88, 100


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 5

3. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend die verbesserte strafrechtliche Sanktionierung einer vorsätzlichen Schädigung des geschützten Tier- oder Pflanzenbestandes (§ 181f StGB) (284/A(E)-BR/2020 sowie 10540/BR d.B.) .......................................    101

Berichterstatter: Andreas Arthur Spanring ............................................................    101

RednerInnen:

MMag. Dr. Michael Schilchegger ...........................................................  101, 106

Otto Auer .................................................................................................................    104

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................    105

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    106

Entschließungsantrag der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „abschreckende Sanktionen in schweren Fäl­len absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter“ – Ablehnung .......................  104, 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Antrag 284/A(E)-BR/2020 kei­ne Zustimmung zu erteilen .......................................................................................    108

4. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Verbot des betäubungslosen Schächtens (285/A(E)-BR/2020 sowie 10539/BR d.B.) ...............................................................    108

Berichterstatterin: Andrea Michaela Schartel ........................................................    109

RednerInnen:

Marlies Steiner-Wieser ............................................................................  109, 113

Martin Preineder .....................................................................................................    111

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    112

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, dem Antrag 285/A(E)-BR/2020 keine Zustimmung zu erteilen ...................................................................................    114

Eingebracht wurden

Anträge der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (286/A(E)-BR/2021)

Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung der Länder und Gemeinden bei Entscheidungen über das humanitäre Bleiberecht (287/A(E)-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forderungen des Tierschutz­volksbegehrens (288/A(E)-BR/2021)

Anfragen der BundesrätInnen

Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Demorichtlinie des Innenministeriums (3823/J-BR-2021)

Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Klima­schutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie betreffend Mülldeponie Herzograd (3824/J-BR-2021)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 6

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu? (3825/J-BR-2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Das Video des Außenministeriums über einen Atomwaffenangriff auf Wien als trauriger Höhepunkt einer zunehmend orientie­rungslosen österreichischen Außenpolitik (3826/J-BR-2021)

Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Soziales, Ge­sundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend multiples Versagen um den Impf­stoff von Astrazeneca (3827/J-BR-2021)

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aktualisierung der ACI-Liste (3828/J-BR-2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Das Video des Außenministeriums über einen Atomwaffenangriff auf Wien als trauriger Höhepunkt einer zunehmend orientie­rungslosen österreichischen Außenpolitik (3829/J-BR-2021)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mar­lies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend aktive Luftraumüberwachung (3535/AB-BR/2021 zu 3814/J-BR/2020)


 


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 7

09.01.44Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Christian Buchmann, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA, Vizepräsident Dr. Peter Raggl.

09.01.45*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich eröffne die 921. Sitzung des Bundesrates und begrüße den Landeshauptmann der Steiermark Hermann Schützenhöfer sehr herz­lich bei uns im Bundesrat. Willkommen, Herr Landeshauptmann! (Allgemeiner Beifall.)

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 920. Sitzung des Bundesrates vom 22. Jänner dieses Jahres sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Mag.a Elisabeth Gross­mann und Sebastian Kolland.

09.02.25Antrittsansprache des Präsidenten


Präsident Mag. Christian Buchmann: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sie via ORF III heute mit dabei sind oder uns via Livestream zugeschaltet sind! Als sichtbares Zeichen dafür, dass die Steiermark in diesem Halbjahr den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und im österreichischen Bundesrat innehat, weht auf dem Josefsplatz die steiermärkische Landesfahne in den Farben weiß-grün, mit dem feuerspeienden Panther im Schild, bekrönt vom Herzogshut.

Ich freue mich sehr, dass ich in diesem Halbjahr den Vorsitz im Bundesrat führen darf; ich werde das gemeinsam mit meinen KollegInnen im Präsidium, der niederösterrei­chischen Bundesrätin Doris Hahn und dem Tiroler Bundesrat Dr. Peter Raggl, sehr ger­ne tun.

Ich möchte einleitend dem Herrn Landeshauptmann der Steiermark, dem Landtag Stei­ermark und meiner Gesinnungsgemeinschaft für die Ehre, in diesem Halbjahr den Vor­sitz im Bundesrat führen zu dürfen, sehr herzlich Danke sagen. Dies ist eine Ehre, die in Zeiten einer Pandemie gleichzeitig auch eine besondere Herausforderung darstellt.

Ich möchte eingangs auch meiner Vorgängerin im Amt, der Salzburger Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, sehr herzlich danken. Sie ist ihrem Motto, die Kultur des Miteinanders zu pflegen, mehr als nur gerecht geworden. Liebe Andrea, du hast dem Hohen Haus alle Ehre gemacht, danke für deinen Einsatz und deine Leistungen! (Allge­meiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat ist ein zentraler Grundpfeiler des föderalen politischen Systems in Österreich – wenn man so sagen möchte, der fö­deralen politischen Verfasstheit unseres Landes. Seit 100 Jahren wirken die österreichi­schen Bundesländer an der Gesetzgebung und Gesetzwerdung mit und sind damit das Sprachrohr der österreichischen Bundesländer.

Gestern war aus Anlass der Ratspräsidentschaft der portugiesische Botschafter de Al­meida-Ribeiro bei uns im Europaausschuss. Er hat gemeint, dass wir ein Pillar of De­mocracy in Austria sind, also auch ein Grundpfeiler der Demokratie in der österreichi­schen Politik und Gesetzgebung.

Die Parlamentsdirektion hat zum Anlass 100 Jahre Bundesrat ein sehr lesenswertes Buch herausgegeben (das genannte Buch in die Höhe haltend): „100 Jahre Bundesrat –


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 8

Eine starke Säule der Republik“. Darin hat Bundeskanzler Sebastian Kurz in seinem Vorwort beispielsweise gemeint, dass der österreichische Bundesrat das Ländergewis­sen in der Bundesgesetzgebung darstellt.

Ja, wir sind in der Tat ein Sprachrohr der österreichischen Bundesländer, und unser Bundesrat hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Europa- und Zukunftskam­mer weiterentwickelt, zu einer Zukunftskammer, weil es immer wieder gelungen ist, ak­tuelle Themenstellungen anzusprechen. Ich denke dabei beispielsweise an die Initiative von Ingo Appé, der dem Trinkwasser einen besonderen Stellenwert eingeräumt hat. Ich denke an die Initiativen meiner unmittelbaren Vorgänger Karl Bader, Robert Seeber und Andrea Eder-Gitschthaler, die die Stärkung des ländlichen Raums ganz besonders in den Vordergrund gestellt haben, aber es hat auch Initiativen in Richtung Digitalisierung und Pflege gegeben.

Ja, unser Bundesrat hat sich auch zu einer Europakammer weiterentwickelt. Sie wissen, dass Österreich seit 1995 Mitglied der Europäischen Union ist. Damals mussten Sou­veränitätsrechte des österreichischen Parlaments abgegeben werden, im Vertrag von Lissabon sind allerdings auch den nationalen Parlamenten Mitwirkungsrechte und Kon­trollrechte eingeräumt worden. Unser Bundesrat übt diese Mitwirkungs- und Kontroll­rechte im Rahmen der Spielregeln sehr, sehr intensiv aus – mit Stellungnahmen, mit Mitteilungen bis hin zu Subsidiaritätsrügen sind wir europaauffällig geworden –, und ich darf insbesondere den Mitgliedern des Europaausschusses in diesen Jahrzehnten, aber auch dem Hohen Haus insgesamt für diese Initiativen sehr herzlich Danke sagen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Der österreichische Bundesrat war und ist sich immer auch der Bedeutung von Erinne­rungskultur für die Gegenwart bewusst. Sie wissen, gestern vor 76 Jahren wurde das KZ Auschwitz-Birkenau befreit. Wir haben daher die weltweite We-Remember-Gedenk­kampagne mit einem gemeinsamen Zeichen unterstützt, weil wir es den Opfern des Na­tionalsozialismus schuldig sind, niemals zu vergessen und konsequent gegen Hass, Ge­walt und jede Form des Antisemitismus vorzugehen. Ich bedanke mich für dieses ge­meinsame Zeichen im Namen aller, denen dieses Thema ein besonderes Anliegen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist sehr bewusst, dass die Vorsitzführung im Bundesrat in Zeiten einer Pandemie eine Herausforderung darstellt und dass viele Menschen – wir eingeschlossen – Sehnsucht nach Normalität haben, Sehnsucht, sich wieder mit der Familie und mit Freunden treffen zu können, Sehnsucht, den beliebten Besuch beim Wirten durchzuführen, Sehnsucht, beim Lieblingsfußballverein auf der Tri­büne zu sitzen oder einen Konzert- oder Museumsbesuch durchführen zu können, oder wir in der Politik Sehnsucht danach haben, den direkten Bürgerkontakt wahrzunehmen, weil es uns wichtig ist, dass wir von Angesicht zu Angesicht erfahren und spüren, wie die Menschen in diesem Lande denken und wie wir gemeinsam Problemstellungen meis­tern können.

Diese Sehnsucht eint uns. Manchmal gibt es auf dem Weg, diese Sehnsucht zu stillen, unterschiedliche Zugänge. Ich glaube, dass wir das Sowohl-als-auch und nicht das Ent­weder-oder pflegen sollten – das Sowohl-als-auch, weil es wichtig ist, auf der einen Seite die besonders verletzlichen Gruppen in unserer Gesellschaft, ich meine damit die älteren Generationen, ich meine damit jene Menschen, die Vorerkrankungen haben, besonders zu schützen, und auf der anderen Seite, und ich weiß, das ist auch ein Thema des Vor­sitzenden der Landeshauptleutekonferenz, die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen und das Comeback der Wirtschaft zu unterstützen. Wir brauchen das Sowohl-als-auch und nicht das Entweder-oder. Und wenn wir das Sowohl-als-auch gemeinsam pflegen wollen, dann sind Kampfrhetorik, der Umgang mit Halbwahrheiten oder das be­wusste Leugnen der Pandemie vor allem keine soziale Tat. Es ist damit nicht möglich, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen. Es wird mir ein besonderes Anliegen sein,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 9

gemeinsam mit Ihnen an dieser solidarischen Gesellschaft zu arbeiten. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Das Gute liegt so nah – Regionen sind die Fundamente Europas“, das ist das Motto meiner Präsidentschaft. Ich habe dieses Motto sehr bewusst gewählt, weil ich glaube – und das zeigen auch alle Untersuchungen –, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes das größte Vertrauen in jene Gebiets­körperschaften haben, die nahe am Menschen sind. Das sind unsere Kommunen, unse­re Gemeinden, das sind unsere Städte und die Regionen, in denen sie leben – das sind in Österreich die Bundesländer.

Wenn das so ist, dann ist es doch eine schöne Verbindung, wenn wir an die österreichi­schen Bundesländer und das, was uns auf europäischer Ebene eint, nämlich die Grund­freiheiten der Europäischen Union – die momentan durch die Pandemie stark einge­schränkt sind, wenn Sie beispielsweise nur an die Reisefreiheit denken –, denken. Das gilt aber insbesondere auch, wenn es um die Werte in der Europäischen Union geht: Denken Sie an die Menschenwürde, denken Sie an die Freiheit, denken Sie an die De­mokratie, denken Sie an Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit, die es in diesen Regionen gemeinsam zu pflegen gilt.

Ich möchte daher gemeinsam mit den jungen Menschen in diesem Lande – wenn es Corona zulässt – und in einer virtuellen Form an der Zukunft Europas arbeiten und ge­meinsam über die Zukunft Europas nachdenken. Ich möchte gemeinsam mit ihnen hier im Hohen Haus ein Jugendmeeting veranstalten, um deutlich herauszuhören, wohin die jungen Menschen unseres Landes gehen wollen. Ich möchte die neun Europaausschüs­se der österreichischen Landtage nach Graz einladen, um gemeinsam mit dem österrei­chischen Bundesrat über Subsidiaritätsfragen, über Verhältnismäßigkeitsfragen zu dis­kutieren und damit einen Mehrwert für die Menschen in unseren Regionen zu schaffen.

Kunst ist ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft und damit auch des politischen Lebens. Wenn Sie hier im Redoutensaal der Hofburg an die Wände blicken, spüren Sie, dass uns Kunst und Kultur begleiten. Ich möchte das auch in meine Präsidentschaft einbinden. Ich habe daher den renommierten Medienkünstler Richard Kriesche eingela­den, eine besondere Kunstinstallation in den Amtsräumlichkeiten des Bundesrates zu errichten, um im Kontext von Europa, Politik und Demokratie, aber auch von Kunst und Kultur darauf hinzuweisen, dass das Ganze – ich habe einen ganzheitlichen Denkan­satz – jedenfalls mehr als die Summe seiner Teile ist. Wenn wir es gemeinsam richtig anlegen, können wir einen ganz besonderen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen, das ist aber gerade in Zeiten einer Pandemie eine besondere Herausforderung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur das Medienkunstwerk von Richard Kriesche wird Kunst und Kultur zeigen. Ich bin dem steirischen Kulturlandesrat Christopher Drex­ler sehr dankbar für seine Initiative zur Steiermarkschau. Im April wird die Steiermark­schau in Wien zu Gast sein und damit das deutliche Bekenntnis zu Kunst und Kultur dokumentieren. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie dann die Einladung annehmen und sich die Steiermarkschau, die voraussichtlich am Heldenplatz zu sehen sein wird, ansehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe in meinem politischen Leben mehrere Sta­tionen durchlaufen. Ich habe die Ehre gehabt, in meiner Heimatstadt Graz als Gemein­derat und als Stadtrat zu wirken. Ich habe in der steiermärkischen Landesregierung und im steiermärkischen Landtag mitarbeiten können. Ich war auf europäischer Ebene Mit­glied des Ausschusses der Regionen, hatte in der Cosac, der parlamentarischen Dimen­sion der Ratspräsidentschaft, die Möglichkeit, meine Stimme zu erheben. Ich habe nun die Möglichkeit, für die nächsten fünf Monate gemeinsam mit Ihnen im österreichischen Bundesrat ganz besonders zu wirken.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 10

Ich habe ein Credo, und dieses möchte ich Ihnen gerne mitteilen: Die Rolle des öster­reichischen Bundesrates, unsere gemeinsame Rolle ist es, Dinge möglich zu machen – natürlich kritisch reflektiert – und damit in Zeiten einer Pandemie eine Trendwende mit­einzuleiten und auch das Comeback der österreichischen Wirtschaft zu ermöglichen.

Ich glaube, dass wir gemeinsam das Notwendige tun sollen und sogar das Notwendige tun müssen, im Wissen, dass es nicht zwangsläufig hinreichend sein muss, wenn wir das Notwendige tun. Das spüren wir jeden Tag: Wir sind mit geänderten Rahmenbedin­gungen konfrontiert, wir haben einen starken Wandel auch in unserer Gesellschaft, wir haben ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Es sollte unser gemeinsames Anlie­gen sein, dieses Auseinanderdriften zu verhindern und eine solidarische Gesellschaft zu erreichen – und das in Wort und Tat, denn das Gemeinsame vor das Trennende zu stel­len ist mir ein besonderes Anliegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mein Motto: „Das Gute liegt so nah“, erwähnt. Ein Teil dieses Mottos ist dem Werk eines gro­ßen Schöpfers deutscher Dicht- und Sprachkunst entnommen, nämlich Johann Wolf­gang von Goethe, der in seinen Erinnerungen über das Glücklichwerden gemeint hat – ich zitiere –: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da.“ – Ich danke Ihnen für die Aufmerk­samkeit. Ein steirisches Glückauf! (Allgemeiner Beifall.)

9.16

09.16.08Erklärung des Landeshauptmannes der Steiermark zum Thema „Zuversicht und Zusammenhalt“


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich begrüße noch einmal den Landeshaupt­mann der Steiermark Hermann Schützenhöfer sehr herzlich bei uns im Haus und gebe bekannt, dass er seine Absicht bekundet hat, eine Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates zum Thema „Zuversicht und Zusammenhalt“ abzu­geben.

Es liegt mir hierzu ein schriftliches Verlangen im Sinne des § 38 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung vor, im Anschluss an die Erklärung des Herrn Landeshauptmannes eine De­batte durchzuführen. Da das Verlangen ausreichend unterstützt ist, werde ich diesem ohne Weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Landeshauptmann zur Abgabe seiner Erklärung das Wort. – Bitte, Herr Landeshauptmann.


9.16.56

Landeshauptmann der Steiermark Hermann Schützenhöfer: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich wieder im Bundesrat sein darf. Es ist das zweite Mal, dass ich als Landeshauptmann hier eine Erklärung abgeben darf. Wie Sie ja alle wissen, hat das damit zu tun, dass die Steiermark nach Salzburg – ich bedanke mich bei der Frau Präsidentin für die mustergültige Vor­sitzführung, mir ist immer wieder davon berichtet worden – nunmehr für das erste Halb­jahr 2021 den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz und auch im Bundesrat über­nommen hat.

Sechs Monate sind nicht viel, aber sechs Monate sind genug, um einiges in Bewegung zu bringen, um einiges anzustoßen. Ich habe von Wilfried Haslauer am 8. Jänner virtuell übernommen. Wir wollten das in Trautenfels machen, aber aus den bekannten Gründen war dies nicht möglich. Ich möchte mich bei Wilfried, dem Landeshauptmann von Salz­burg, für die exzellente Vorsitzführung in einer Zeit ganz gewaltiger Herausforderungen bedanken. Er hat das mit großer Sachlichkeit und Kompetenz gemacht. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 11

Heute führt Christian Buchmann zum ersten Mal in diesem Jahr im Rahmen einer regu­lären Sitzung den Vorsitz des Bundesrates. Ich möchte dir gratulieren und wünsche dir und deinem Team für die Vorsitzführung viel Erfolg. Ich bedanke mich bei Ihnen allen für die Arbeit, die Sie im Bundesrat für unser Land leisten.

Ich bin noch nicht so lange Landeshauptmann – fünfeinhalb Jahre –, aber ich bin seit mehr als 50 Jahren in der Politik. Ich habe in diesen Jahrzehnten alle Höhen und Tiefen eines politischen Lebens miterlebt. Ich war ganz unten, ich war auch schon oben, mir ist deshalb jede Art von Schadenfreude abhandengekommen.

Damit hängt auch zusammen, dass ich nicht nur wie Sie oder die meisten von Ihnen ein glühender Europäer, ein begeisterter Österreicher und Steirer bin, sondern dass ich auch ein glühender Anhänger der Zusammenarbeit bin. Das habe ich in der Arbeiterkammer gelernt – da waren wir ganz wenige –, im Gewerkschaftsbund. Wenn ich heute mit Ge­werkschaftern rede und wir in der Debatte nicht weiterkommen, sage ich: Du bist jünger, als ich schon Jahre bei der Gewerkschaft bin, man darf den Verhandlungstisch nicht zu früh verlassen. Die Demokratie lebt vom Kompromiss.

Und jetzt komme ich zu meinen eigentlichen Ausführungen, sonst rede ich Stunden – mir sind ja 20 Minuten aufgetragen worden –; ich bitte jetzt schon um Vergebung, ich wollte das aber eingangs sagen.

Wir alle, die wir hier sitzen, erleben – wie das so schön heißt, wenn man eine Ehe schließt – gute und weniger gute Tage im Alltag. Wir haben in der Steiermark Naturka­tastrophen miterleben müssen, die uns immer wieder heimgesucht haben, fast jährlich, aber auch Tragödien wie das Unglück von Lassing oder die Amokfahrt in Graz. Und es war die Flüchtlingswelle 2015 – ich sehe mich heute noch mit schlotternden Knien da unten in Spielfeld stehen –, die uns ganz besonders auch menschlich gefordert hat. So etwas wie Corona aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist für uns alle völlig neu, dafür gibt es keine Beispiele, an denen man sich orientieren kann.

Was ich aber mit meiner Erfahrung sagen kann – wenn man Erfahrung hat, ist man des­wegen nicht gescheiter, aber man weiß mehr; die jüngeren Menschen sprechen ja viel mehr Sprachen als ich, können alles besser, aber ich weiß mehr, das ist kein Verdienst, aber es ist so, wenn man älter geworden ist –, ist: Wir haben eine absolute Krise, eine nie dagewesene Herausforderung, die wir jetzt erleben, aber – ich habe es oft gesagt, und ich sage es auch heute hier – es gibt keine Not, es geht den Menschen alles in allem eigentlich gut. Not haben unsere Eltern und Großeltern erlebt, weil sie nicht gewusst haben, ob die Männer vom Krieg heimkommen, weil die Mütter die Kinder allein haben erziehen müssen und sich nach dem Krieg auch sehr viel vom Mund haben absparen müssen.

Es gibt auch heute eine wachsende Minderheit, die mit dem Einkommen nicht auskom­men kann, aber verwechseln wir das, was wirklich Not, Hungersnot, Krieg bedeutet hat, nicht mit dem, was wir heute erleben, sosehr wir in einer Krise sind, die, wenn wir sie nicht bewältigen, zu all diesen Phänomenen führen kann. Wir können diese Krise nur gemeinsam überwinden, davon bin ich überzeugt.

Ich habe mir für die paar Monate des Vorsitzes ein paar Schwerpunkte zurechtgelegt, von denen ich glaube, dass sie für uns alle wichtig sind. Das Allererste und Entschei­dende ist der Zusammenhalt, dann das Comeback der Wirtschaft mit der Sicherung von Arbeitsplätzen, und für uns in der Steiermark zumindest ein ganz wichtiges Thema ist die volle Digitalisierung, damit wir auch im ländlichen Raum und nicht nur in den Städten gut dastehen.

Die wichtigste Erkenntnis, die wir aus der Coronaepidemie mitnehmen müssen, ist jene, dass wir nur stark sind, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Deshalb werde ich als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz meine absolute Priorität auf den


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 12

Zusammenhalt setzen. Ich werde meine ganze Kraft dafür einsetzen, unterschiedliche Interessen, die es gibt und die es geben muss, wieder mehr zusammenzuführen und zusammenzubringen, und ich hoffe, dass wir im Mai, wenn wir dann hoffentlich physisch im Ausseerland, dem geografischen Mittelpunkt Österreichs, die Landeshauptleutekon­ferenz abhalten werden, schon sagen können, wir sind in diesem Zusammenhang ein paar gute Schritte weitergekommen, denn, meine Damen und Herren – das sage ich in Ergänzung zu dem, was ich eingangs schon formuliert habe –, es geht mir schon im Kopf herum, dass es so etwas wie einen Spalt in der Gesellschaft und in der Politik gibt.

Ich möchte die Monate als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz dazu nutzen, mit demokratischen Mitteln gegen diese Spaltung anzukämpfen, denn Gewalt beginnt mit der Sprache. Es hat sich in politischen Debatten mittlerweile eine Tonalität eingebür­gert, die mir Sorge bereitet, denn wir Politikerinnen und Politiker sollten mit gutem Bei­spiel vorangehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich habe harte, äußerst harte Debatten im Steirischen Landtag erlebt und geführt, mit 30 formuliert man anders, aber die Primitivität und die Niveaulosigkeit, die es heute in be­stimmten Reden gibt, hat es nicht gegeben, weil wir zur Kritik immer auch einen be­stimmten Inhalt mitliefern konnten. (Bundesrat Spanring: Und das spricht man den an­deren ab! – Bundesrat Steiner: Moralapostel!) – Wenn Sie sich angesprochen fühlen (Beifall und Heiterkeit bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ) – ich verrate es Ihnen nicht, aber Sie dürften recht haben. (Bundesrat Steiner: Haha!)

Diese Auseinandersetzungen beobachte ich sehr genau. Wissen Sie, wenn man in man­chen Reden nicht mehr schärfer und abwertender agieren kann, was bleibt dann noch, um große Probleme gemeinsam zu lösen? Jedes Wort, das verletzt, ist letztlich ein ver­lorenes Wort. Kritik, auch scharfe Kritik – das ist klar, muss man hinzufügen, damit man nicht falsch verstanden wird –, ist ein Lebenselement der Demokratie, aber es zeugt von Charakter, wenn man versucht – das gelingt niemandem von uns immer, das weiß ich –, Konflikte zivilisiert auszutragen, denn für uns alle muss doch gelten: Das Land ist wich­tiger als die Partei. Deshalb müssen wir nach Wegen suchen, die uns alle gemeinsam weiterbringen, über Parteigrenzen hinaus, über Ländergrenzen hinweg, die Länder un­tereinander und die neun Bundesländer und Landesregierungen gemeinsam mit der Bundesregierung, dem Nationalrat und dem Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich glaube, dass Zusammenarbeit das Um und Auf ist, gerade in Zeiten von Corona, aber auch danach und vielleicht gerade danach, weil ja die großen Probleme in der Wirt­schaft und am Arbeitsmarkt dann kommen werden. Da geht es dann darum, dass wir zusammenhalten und das Richtige tun. Das muss nicht immer populär sein. Ich sage immer, ein Politiker sollte das Richtige populär machen (Beifall bei der ÖVP), aber wenn das nicht gelingt, muss man noch immer das Richtige machen, auch bei Gegenwind. (Bundesrat Spanring: Wer entscheidet das? – Bundesrat Steiner: Die ÖVP!) – Das ent­scheiden Parteien, die zusammenarbeiten.

Die Gemeindestrukturreform, die heute überall anerkannt ist, hätten wir nicht zusammen­gebracht, wenn nicht ein Franz Voves und ein Hermann Schützenhöfer gesagt hätten: Du schaust nicht auf deine Sektionen, ich nicht auf meine Bünde, wir machen das! – Heute sind die Gegner von damals unsere besten Verbündeten, weil sie sehen, wie ge­scheit das war. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wenn wir die Gesundheitskrise überwunden haben, werden wir nämlich vor gewaltigen Anstrengungen stehen, damit das Comeback unserer Wirtschaft gelingt – für den Auf­schwung unserer Betriebe, für die Sicherung von Arbeitsplätzen, für die Zukunft unserer Betriebe.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 13

Wir müssen den Wirtschaftsmotor so rasch wie möglich auf Touren bringen und schließ­lich alles dafür tun, dass möglichst alle Österreicherinnen und Österreicher schnellst­möglich wieder einen Arbeitsplatz bekommen – denn wir haben eine Million Menschen, die nicht regulär in Arbeit stehen, wie Sie wissen –, und wenn uns das nicht gelingt, dann ist der soziale Friede gefährdet. Wenn wir nicht nur 530 000 Arbeitslose, sondern die Menschen aus der Kurzarbeit dazu und damit eine Million Arbeitslose haben, dann wird es mehr als kritisch, weil der Staat, wenn die Wirtschaft nicht anspringt, das auf Dauer nicht finanzieren kann.

Daher meine ich, dass jede Anstrengung wichtig ist, dass neben den enormen Hilfsleis­tungen in Höhe von vielen Milliarden Euro, die die Bundesregierung anbietet, auch die Länder, und zwar alle Bundesländer, zusätzliche Maßnahmen gesetzt haben. Die Fi­nanzschulden sind groß und werden von etlichen Generationen zurückzuzahlen sein, aber ich bin davon überzeugt, dass es zu dem, was jetzt gemacht wird, keine Alternative gibt, damit wir eben die Balance einigermaßen wahren können.

Deshalb brauchen wir massive Investitionen auf vielen Ebenen. Es wäre übrigens eine riesige Chance für die Europäische Union, Terrain bezüglich Glaubwürdigkeit gutzuma­chen (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), um eine aktivere Rolle zu haben, um Eu­ropa nach Corona dann widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten, da wir ge­meinsam sehr viel für die Länder und für deren Aufbau tun. Wir sehen es ja schon jetzt: Es gibt einen Wettlauf der Regionen in Europa, und dafür müssen wir bestmöglich auf­gestellt sein, denn es wird darum gehen, bei diesem Aufschwung ganz vorne mit dabei zu sein.

Ob Forschung und Entwicklung – wo wir Steirer mit Baden-Württemberg ja an der Spitze der Regionen Europas stehen, wo auch Österreich in Summe gut dasteht –, Tourismus, Industrie: Jedes Bundesland hat seine Stärken, jeder hier vertritt auch ein Bundesland, aber gemeinsam vertreten wir zuallererst wohl Österreich. Österreich und die Europäi­sche Union, davon bin ich überzeugt, können aus dieser Situation gestärkt hervorge­hen – und das bringt mich zum nächsten Punkt.

Wir müssen jetzt die Chance nutzen, die digitale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu verbessern, denn die Digitalisierung ist der Schlüssel für die Zukunft unseres Wirt­schaftsstandortes. (Ruf bei der FPÖ: ... Kinder! – Bundesrat Steiner: Kaufhaus Öster­reich!) Wir müssen auch da vorne mit dabei sein, und das wird nur gelingen, wenn wir entsprechende Investitionen setzen. Sie wissen, dass Österreich von der EU im Rahmen des Wiederaufbaufonds etwa 3 Milliarden Euro bekommen wird. Ich habe schon mit mehreren Landeshauptleuten besprochen, dass ein erheblicher Betrag dieser 3 Milliar­den Euro für die Digitalisierung aufgebracht werden soll.

Weil Sie mich betreffend Zusammenarbeit gefragt haben: Ja, ja, ich weiß, dass das na­türlich schon auch etwas ist, was manche ungern hören, aber ich sage Ihnen, dass wir in der Steiermark in der Regierungsarbeit von ÖVP und SPÖ gezeigt haben, was für das Land möglich ist, wenn man die Jahre des Streits hinter sich lässt. Wir haben diese auch gehabt – wir sind nicht besser als die anderen –, aber seit mehr als zehn Jahren – elf Jahre – tun wir das nicht, und das bei allen Unterschieden, die es zwischen Parteien immer geben wird und geben muss. Die gemeinsame Verantwortung für das Land muss eigentlich über allem stehen, und wer sagt, Politik kann heute sowieso nichts mehr be­wirken, die Politiker sind alle gleich, den oder die lade ich in die Steiermark ein, denn wir haben in der Steiermark seit einem Jahrzehnt, seit elf Jahren, einen Politikstil, der in Österreich in dieser Konsequenz wahrscheinlich einzigartig ist.

Viele kennen einen politischen Grundsatz von mir: Unser Handeln muss begründbar sein, und deswegen braucht es Werte, braucht es Halt, einen Plan und ein Programm. Wir dürfen bei aller Vielfalt Österreichs aber eines nicht vergessen: Es gibt natürliche Unterschiede zwischen Chancen in der Stadt oder auf dem Land, zwischen Regionen


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 14

und Hauptstadt, es gibt aber auch Unterschiede in den Möglichkeiten, die Regionen ha­ben, und es gibt Unterschiede in den Voraussetzungen, aber – und ich glaube, da sind wir uns ja einig – es darf keinen Unterschied in unseren Anstrengungen für die Region geben.

Was wir bei allem nicht vergessen dürfen, ist, dass sich die Zeiten ändern – Themen kommen und gehen, Krisen kommen und gehen –, aber die Grundbedürfnisse bleiben: Beschäftigung, Wohnen, Bildung, Gesundheitsversorgung, Altersversorgung, Umwelt­schutz. In der Klimadebatte sind wir, glaube ich, ein Stück weiter, weil vor allem die jun­gen Menschen mittun und erkannt haben, was zu ändern ist.

Abschließend möchte ich all jenen danken, die seit Monaten Unermessliches leisten: dem Personal in den Heimen und Spitälern, den Einsatzorganisationen, den vielen wei­teren Heldinnen und Helden, die in diesen Zeiten unseren Alltag bestmöglich aufrechter­halten. Ein Danke geht auch an die Eltern, die es in Zeiten des Fernunterrichts nicht leicht haben, und darüber hinaus sollte auch wirklich einmal jenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gedankt werden, die sich so vorbildhaft an die Regeln und Maßnahmen halten und damit einen großen Beitrag leisten. Ich sage immer, wer sich die Hände wäscht und sie desinfiziert, wer Abstand hält, wer eine Maske trägt, hat schon sehr viel getan. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir wissen aber auch, dass viele Landsleute ob der vielen Einschränkungen schon müde sind. Wir alle haben dieses Gefühl ja hin und wieder auch selber: Christian (in Richtung Präsident Buchmann), weil er nicht auf den GAK-Platz gehen kann – da könntest du aber hingehen, da sind ja ganz wenige Zuschauer; da täte ich mir bei Sturm sehr viel schwerer. (Allgemeine Heiterkeit.) Wir kennen das.

Den politischen Instanzen kommt aber eine Aufgabe zu, die alles andere als einfach ist. Wir müssen klare Maßnahmen setzen, um mit diesen Einschränkungen das Virus zu kontrollieren, aber auch mit Freiheiten die Wirtschaft am Laufen halten und Zuversicht geben – Zuversicht in einer Zeit, in der wir heute nicht wissen, was morgen passiert –, damit die Menschen wieder stärker mittun. Darum geht es!

Ich habe gestern eine Diskussion mit Wirtschaftstreibenden, mit Industriellen gehabt. Ich war sehr froh, als sie mir gesagt haben, die Auftragsbücher sind gut gefüllt, aber in den kleineren und mittleren Wirtschaftsbetrieben sind sie eben nicht gut gefüllt – und wir haben Branchen mit Unternehmen, die vor der Pleite stehen. Wir müssen also in dieser Zeit alles tun, damit wir die Menschen mitnehmen können.

Die Coronaschutzimpfung wird unser Leben hoffentlich normalisieren. Hoffentlich be­kommen wir bald sehr viel mehr Impfdosen – aber bis dahin müssen wir noch einmal zusammenhalten und uns an die Regeln halten.

Ich weiß, meine Damen und Herren, wir haben auch in der Demokratie schon leichtere Zeiten erlebt. Denken Sie an die Coronademos und an die nicht zu unterschätzende Anzahl von Menschen, die wirklich glauben, dass die Coronakrise eine große Weltver­schwörung ist! Fragwürdige Internetnetzwerke verbreiten diese Thesen in Lichtge­schwindigkeit, und hartgesottene Verschwörungstheoretiker kann man nicht überzeu­gen. Die Antwort ist: Freiheit, Demokratie, Information. Die Antwort kann nicht sein: ein strengerer Staat mit Polizeigewalt (Bundesrat Spanring: Das müssen Sie aber dem Ne­hammer sagen! Schickts das dem Nehammer!), weil wir ja nicht haben wollen, was manche Demonstranten schüren – den Konflikt mit der Folge von zerbrochenen Ausla­gen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Schwarzer Block!), verletzten Polizisten und De­monstranten, unter denen ja auch Kinder und Frauen sind.

Ich bin vielmehr nach wie vor der Meinung, dass man geordnet darauf schauen muss, ob solche Menschen die Gesundheit anderer oder sich selbst gefährden, und der Staat nur dann handeln muss. Ich kann die Bilder nicht anschauen (Bundesrätin Schartel: Ich


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 15

kann das nicht anschauen, weil ...!) – man ist nur mehr verärgert, wenn man das sieht ‑, aber ich kann dort nicht mit aller Gewalt hineindreschen, wenn ich behaupten will, dass ich Demokrat bin. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Sagen Sie das dem Nehammer!)

Wenn wir unsere Demokratien nicht pflegen und weiterentwickeln, dann blühen uns Diktaturen, und daher ist dieses Pflänzchen Demokratie unersetzbar. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Diese Krise, meine Damen und Herren, ist kein Argument gegen Demokratie und Föde­ralismus – im Gegenteil, ich diskutiere gemeinsam mit den Landeshauptleuten oft mit der Bundesregierung. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Kommunal- und Landes­politikerinnen und -politiker sind in der Bewältigung der Krise unerlässlich.

Wissen Sie, man regt sich zu Recht oft über das auf, was manche auf Bundesebene sagen, denn das, was der Bund – ganz gleich, wer da gerade in der Regierung ist, das war immer so – beschließt, haben die Länder und in der Epidemie insbesondere, auf Veranlassung der Länder, die Gemeinden durchzuführen, und ich sage Ihnen eines: Oh­ne die 2 000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Österreich – und da möchte ich ausdrücklich dem Städtebundpräsidenten Michael Ludwig und dem Gemeindebundprä­sidenten Alfred Riedl im Namen aller danken –, ohne diese Gemeinden würden wir schön ausschauen, da würden wir das nicht schaffen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grü­nen.)

Wir Politikerinnen und Politiker, auch die hier anwesenden, müssen Zusammenhalt und Zuversicht nicht nur einfordern, sondern es wäre gut, wenn wir sie auch vorleben. Des­halb haben wir uns nach langer konstruktiver Debatte auch darauf geeinigt, alles dafür zu tun, dass es einen Schulterschluss zwischen den Bundesländern und dem Bund gibt. Dafür bin ich Bundeskanzler Sebastian Kurz, den Landeshauptleuten und auch den Par­teiobmännern im Parlament, soweit sie mitmachen, sehr, sehr dankbar.

Mein Appell zum Schluss kann nur lauten: Schauen wir gemeinsam darauf, dass wir Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie hochhalten! Sie sind die Grundpfeiler unseres ge­sellschaftlichen Zusammenlebens. Ein steirisches Glückauf für eine positive Entwicklung Österreichs! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.44


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausführungen.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.45.16

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Gestatten Sie mir, eingangs ein paar Dankesworte im Namen des Fraktionsvorsitzenden Präsident außer Dienst Karl Bader und unserer Fraktion auszu­sprechen.

Zuerst gratulieren wir dir, lieber Christian, zur Präsidentschaft des Bundesrates – in Zei­ten der Pandemie eine besonders herausfordernde Aufgabe. Deine unmittelbare Vor­gängerin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, deren Amtszeit von Einschränkungen und zahl­reichen Sondersitzungen geprägt war – übrigens bereits bei Robert Seeber, dem ersten Pandemiepräsidenten (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ sowie der Bundesräte Seeber und Bader) –, hat mit viel Engagement und Herzblut die Bedeutung des Föde­ralismus seit der Gründung des Bundesrates vor 100 Jahren in den Vordergrund gestellt und auch zahlreiche Initiativen gesetzt. Dafür ein herzliches Danke! (Beifall bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 16

Wir werden dich, lieber Christian, bei den in deiner Rede angeführten zukunftsorientier­ten und visionären Vorhaben selbstverständlich gerne unterstützen. Viel Freude, Glück und Erfolg bei der Erfüllung der verantwortungsvollen Aufgabe, deren Fokus auf die Bun­desländer gerichtet ist!

Geschätzter Herr Landeshauptmann, lieber Hermann! Vielen Dank für die von dir abge­gebene Erklärung, aus der neben den zahlreichen inhaltlichen Themen vor allem auch die Zuversicht betreffend Chancen nach der Pandemie herauszuhören war! Du hast ja kurz nach deiner Vorsitzübernahme in der Landeshauptleutekonferenz, zu der wir auch herzlich gratulieren, anlässlich der wohl besten Pressekonferenz der Bundesregierung am Sonntag, dem 17. Jänner (Heiterkeit des Bundesrates Seeber), zum Thema „Aktuel­les zu Corona“ gemeinsam mit dem Bundeskanzler, dem Gesundheitsminister, dem Vi­zerektor der Med-Uni Wien und dem Wiener Bürgermeister das Miteinander bei der Be­kämpfung dieser Krise in den Mittelpunkt gestellt.

Du sprachst von einem Schulterschluss der Bundesländer im Wettlauf Impfung gegen das Virus und davon, dabei auf Sektionen, Klientel- und Parteipolitik zu verzichten, vereint Verantwortung durch Einbindung zu übernehmen und gemeinsam zum Wohle der Länder und der Menschen zu handeln. Danke für diese Initiative und ein klares Be­kenntnis zur Zusammenarbeit und zum Zusammenhalten in einer Krisensituation, die alle Österreicherinnen und Österreicher betrifft! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Heute ist für das Bundesland Steiermark ein großer Tag. Die Steiermarkfahne wurde im Beisein des steirischen Präsidenten des Bundesrates, unseres Landeshauptmannes und der steirischen Bundesrätinnen und Bundesräte vor dem Eingang in die Hofburg am Josefsplatz gehisst und wird bis Ende Juni 2021 auf die steirische Vorsitzführung hin­weisen. Wir sind uns dieser Ehre und auch Verantwortung bewusst und werden dieser nach bestem Wissen und Gewissen auch nachkommen.

„Steirerblut ist kein Himbeersaft“ ist bei uns ein geflügeltes Wort. Es spielt auf die be­sondere Eigensinnigkeit, die Selbstständigkeit und die Unnachgiebigkeit an, die der stei­rischen Bevölkerung bisweilen nachgesagt werden. Das Bild von den geradezu militant unabhängigen Steirerinnen und Steirern hat ja seinen Ursprung in der Geschichte des oftmals von Feinden bedrohten Grenzlandes, zu dem auch das Wappentier, der feuer­speiende steirische Panther, gehört.

Die Bedrohungen und Plagen sind in den Geschichtsbüchern dokumentiert. Die Stei­rerinnen und Steirer haben sich nicht unterkriegen lassen. Mit Hirn, Hand und Herz sowie mit Mut und geerdeter Selbstachtung stellte und stellt man sich den Herausforderungen der Gegenwart, der Zukunft, aber auch der Vergangenheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir werden gerne auch grüne Mark genannt, sind doch immerhin 61 Prozent der insge­samt 16 400 Quadratkilometer Bodenfläche bewaldet. Dieser wichtige Rohstoff wird vor allem im Bereich des biologischen Bauens und Wohnens auch entsprechend genutzt und eingesetzt.

Kurz zur Topografie: Der höchste Punkt in der Steiermark ist der Dachstein mit knapp 3 000 Metern Höhe, und der tiefste Punkt, 200 Meter über dem Meeresspiegel, befindet sich in Bad Radkersburg. Vom ewigen Gletschereis bis in die so beliebte weintrauben­behangene steirische Toskana spiegelt sich die Vielfalt der Landschaft wider. Am Haupt­fluss, der Mur, liegt die von rund 300 000 Menschen bevölkerte Landeshauptstadt Graz mit ihren Universitäten, Hochschulen und international bekannten Kulturfestivals wie dem Steirischen Herbst und der Styriarte.

Die Tradition hat bei uns in der Steiermark einen hohen Stellenwert. In unzähligen Ver­einen und Verbänden arbeiten ehrenamtlich junge und junggebliebene Menschen mit Begeisterung mit, derzeit natürlich eingeschränkt. Die Gesangsgruppen, die Chöre, die Blasmusikverbände mit ihren Tausenden Interpreten sind ein Garant für Zusammenhalt, Unterhaltung und gelebtes Brauchtum.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 17

Der Innovationswille schlägt sich positiv nieder, vor allem in der Wirtschaft – es wurde schon angesprochen – und in der Infrastruktur. Wir sind ein Land mit einem stark ausge­prägten, industriell-gewerblichen Sektor, mit Leuchtturmprojekten im Tourismus sowie über die Grenzen hinaus bekannten landwirtschaftlichen Produkten – ein Feinkostladen. Mit rund einem Drittel leistet der produzierende Sektor den größten Beitrag zur regio­nalen Wertschöpfung, gefolgt von den wirtschaftsnahen Dienstleistungen, dem Handel und dem Bankensektor.

Die wichtigsten Arbeitgeber sind die produzierenden Unternehmen, die öffentliche Ver­waltung und der Handel. Die Steiermark hat in den vergangenen Jahren ihre Position als Innovationsland Nummer eins – das wurde vom Herrn Landeshauptmann ja schon an­gesprochen – ausgebaut, mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von 4,9 Pro­zent, Europaspitze, erster Platz. Das wissen die meisten – wir in der Steiermark auf alle Fälle.

Besonders schnell wachsend ist der Ballungsraum Graz mit seiner Vielzahl an innova­tiven, exponierten Unternehmen, auch die Mur-Mürz-Furche mit ihren traditionellen In­dustriebetrieben leistet einen wertvollen Beitrag. Der rasche, auch schon angespro­chene Breitbandausbau ist für die digitale Kommunikation von hoher Wichtigkeit und Bedeutung.

Ein Wort zum Tourismus: Vor allem die Obersteiermark, das Salzkammergut und die WM-Region Schladming/Dachstein – erst vor Kurzem stand diese Region wieder durch den Nachtslalom und den Sieg von Marco Schwarz im Schaufenster des öffentlichen Interesses – sowie das Thermen- und Vulkanland in der Oststeiermark und unser klei­nes, aber feines Weinbaugebiet in der Südweststeiermark, Stichworte: Sauvignon und Schilcher, sind wichtige und gern besuchte Touristenregionen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum öffentlichen Verkehr: Die wichtigste Bahnlinie ist die Südbahn, die von Wien kom­mend über das Unesco-Weltkulturerbe Semmeringbahn und den Bahnknoten Bruck an der Mur durch die steirische Landeshauptstadt und von dort weiter an die österreichisch-slowenische Grenze bei Spielfeld führt. Auf dieser Strecke gibt es stündliche Verbindun­gen. Nach Fertigstellung des Semmeringbasistunnels wird man die Bundeshauptstadt in knapp zwei Stunden erreichen und – auch umgekehrt – in derselben Zeit wieder nach Graz zurückkehren können.

Die Koralmbahn, die eine direkte Verbindung zwischen Graz und Klagenfurt herstellen soll, ist ja derzeit in Bau und wird, was wir hoffen, 2026 fertiggestellt werden. Die Fahrzeit wird dann 35 Minuten betragen. Der Ausbau von Autobahn und sonstigen Straßen ist selbstverständlich auch einer der wesentlichen Punkte.

Weitere Fragen sind im Gesundheitsbereich zu stellen, nicht nur jetzt in der Pandemie: Wie gehen wir in Zukunft mit unseren älteren Personen im Bereich Pflege und Betreuung um? Welche Anreizmodelle und Ausbildungsmöglichkeiten bieten wir jungen Menschen für diesen anspruchsvollen – das muss aber vom Herzen kommen – und wichtigen Pfle­geberuf? – Betreuung durch Pflegeroboter, wie sie in Japan schon Alltag ist und ange­wendet wird, ist für unsere älteren Menschen, Mitmenschen, die durch ihrer Hände Fleiß sowie unter persönlichen Entbehrungen unser Land aufgebaut haben, nicht vorstellbar.

Abschließend: Unser unvergesslicher steirischer Kulturpolitiker Prof. Hanns Koren hat uns viel Nachhaltiges und Geistreiches hinterlassen. Für mich prägende Worte von ihm lauten: „Heimat ist Tiefe“. – Jeder von uns lebt in einem friedvollen, lebens- und liebens­werten, schönen, unvergleichbaren Bundesland. Jeder von uns ist ein Heimatbotschaf­ter, der sein Land, seine Region, seine Gemeinde schätzt und sich im Rahmen des Fö­deralismus auch hier im Bundesrat mit viel Engagement einbringt. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne hoffe ich, dass ich Ihnen das aus meiner Sicht schönste Bundesland mit seinen Stärken und seinem Facettenreichtum im Zeitraffer nicht nur für die kommenden


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 18

Monate, sondern nachhaltig näherbringen konnte. Dieses schöne Land ist das Steirer­land – Glück auf! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

9.57


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Horst Schachner. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.57.11

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer! Als Steirer freut es uns natürlich, dass wir heute hier sprechen können und dürfen, denn es ist ja nicht immer so, dass die Stei­ermark – mit Christian Buchmann – den Präsidenten im Bundesrat und gleichzeitig – mit Hermann Schützenhöfer – den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz stellt. Da­für wünsche ich euch viel Glück und viel Kraft! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich werde heute aber nicht allzu viel auf die Besonderheiten der Steiermark eingehen, weil es in der Krise nur eines geben kann – und das hat Herr Landeshauptmann Her­mann Schützenhöfer hier schon richtig gesagt –: Es muss Zusammenhalt geben, denn wenn wir Politiker uns jetzt in solch einer Pandemie gegenseitig mehr oder weniger zer­reißen, glauben uns die Leute in Österreich einfach nicht mehr. Das darf einfach nicht sein!

Wir brauchen aber auch – das möchte ich da noch kurz einwenden – keine Horrorvideos mit einem Atompilz über Wien oder einem Atompilz über Graz. Was da in den Medien herumgeistert – ich weiß nicht, was das soll! Für mich ist das unverständlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben nämlich eine schwere Krise und brauchen daher die ganze Kraft, damit Österreich da gut wieder herauskommt. Das gilt vom Bodensee bis zum Neusiedler See. Ich verweise darauf, dass die Regierung in der Steiermark grundsätzlich gut für die Men­schen arbeitet und auch immer wieder das Gespräch und die Abstimmung mit den So­zialpartnern sucht. Wir haben erst vor Kurzem, vorige Woche am Freitag, bei uns in der Steiermark einen Sozialpartnergipfel gehabt, bei dem wir mit dem Landeshauptmann und dem Vizelandeshauptmann darüber diskutiert haben, wie wir das mit den Impfungen jetzt machen.

Wir haben gehört: Wir kriegen für die Steiermark 140 000 Impfdosen. Es sollten keine übrig bleiben. Was passiert? Wie machen wir das in den Betrieben? Impfen die Be­triebsärzte? – Wir haben erst vor Kurzem ein Gesetz beschlossen, das regelt, dass die Betriebsärzte auch impfen dürfen. Darüber haben wir also in der Steiermark wirklich Einigkeit, und das ist auch gut so. Am Nachmittag aber, als ich dann nach Wien gefahren bin, weil wir eine Bundesratssitzung gehabt haben, habe ich schon erfahren, dass Astra Zeneca eigentlich gar keine Impfungen mehr zur Verfügung stellt, dass keine mehr kommen. Das heißt, die 140 000 Impfdosen sind in Wirklichkeit einfach nicht da, der ganze Plan ist zur Seite geschoben. Zumindest müssen wir jetzt abwarten; ich habe gehört: Ende Februar/Anfang März.

Ich glaube, dass das schon auch ein schweres Versagen der Bundesregierung ist. Wir wissen, dass wir bei drei Herstellern bestellt haben. Dass das aber einfach so passieren muss – und das betrifft ja die gesamte Europäische Union!

Ich möchte nur noch eines sagen: Heute in der Früh beim Herausfahren habe ich gehört, dass der Vertrag von Astra Zeneca nicht herausgegeben wird. Ja wer hat denn den Vertrag gemacht? Nur Astra Zeneca allein, oder hat das die Bundesregierung bezie­hungsweise die Europäische Union mitunterschrieben? Wenn ein Vertrag gemacht wird, dann gibt es immer zwei Partner, und beide Partner haben jeweils einen Vertrag. Wenn mir jetzt die Europäische Union oder auch Österreich erzählen will, dass sie nicht wissen,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 19

was in dem Vertrag steht, muss ich sagen: Na habe d’Ehre, wo sind wir da? (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Generell ist es aber die richtige Vorgehensweise – ganz besonders in der Krise –, dass man zusammenarbeitet. Wir in der Steiermark, das kann ich euch sagen, haben in der Coronakrise für die Beschäftigten, für die Menschen, die in der Steiermark wohnen, viel gemacht – ob das jetzt eine Coronastiftung war, ob das eine Stiftung für die ATB war, ob das eine Klimastiftung war. Ich glaube, da sind wir sehr weit voraus und haben wirklich eine ganz, ganz gute Zusammenarbeit.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben aber nicht nur eine Gesundheitskrise, son­dern auch eine soziale und eine wirtschaftliche Krise, die wir ordentlich zu bewältigen haben. Vor diesem Hintergrund steht ein Thema eindeutig im Zentrum: Du (in Richtung Landeshauptmann Schützenhöfer) hast es heute schon angesprochen, von den Öster­reicherinnen und Österreichern ist ungefähr eine Million Menschen in Kurzarbeit oder in Arbeitslosigkeit geschickt worden. Ich sage euch, das ist einfach zu viel, und da braucht es Maßnahmen, damit es nicht so bleibt.

Was muss man da machen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss einfach schauen, dass man die Arbeitsplätze erhält, dass man Arbeitsplätze schafft und dass Arbeitslose ordentlich unterstützt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Arbeitsplätze erhalten: Ich glaube, als Sozialpartner haben wir uns sehr gut in die Zu­sammenarbeit mit der Regierung eingebracht, indem wir so schnell wie möglich die Kurz­arbeit geschaffen haben. Trotzdem ist die Situation mit der Kurzarbeit gefährdet, weil die Bundespolitik jetzt auch dahin gehend gefordert ist, dass dieser Erfolg nicht durch eine Insolvenzwelle zerstört wird. Wir wissen ganz genau: Wenn es jetzt mit dem Lockdown so weitergeht, werden wahrscheinlich viele Betriebe gar nicht mehr aufsperren, und dann haben wir die dort beschäftigten Menschen nicht mehr in Kurzarbeit, sondern in der Ar­beitslosigkeit.

Das Zweite, das ich gesagt habe, ist, Arbeitsplätze zu schaffen. Für den neuen Arbeits­minister gilt: viel mehr Einsatz, viel mehr Fantasie und viel mehr Sachverstand für die Arbeitslosen und für die Wirtschaft. Wenn die Bundesregierung da nicht endlich die Schlagzahl erhöht, wird es mit der Arbeitslosigkeit noch schlimmer werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Dritte, das ich angesprochen habe, ist, Arbeitslose ordentlich zu unterstützen, sehr geehrte Damen und Herren. Arbeitsminister Kocher und andere sehen in einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes ein falsches Signal – dem ist einfach zu widersprechen. Die zwei Einmalzahlungen auf das Arbeitslosengeld waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie stellen unter Beweis, dass die Nettoersatzrate von 55 Prozent zu niedrig ist. Men­schen geraten unverschuldet in die Arbeitslosigkeit. Auf einmal haben sie nur mehr die Hälfte an Geld zur Verfügung, und trotzdem müssen sie wie bisher für Wohnung, Kredite, Essen und Kinder aufkommen.

Ich habe es hier schon zweimal gesagt, und ich sage es heute noch einmal: Man muss sich vorstellen, dass eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer ungefähr 1 800 Euro netto im Monat verdient; da ist man schon gut unterwegs. Wird man dann arbeitslos, hat man keine 1 000 Euro mehr zur Verfügung, und mit diesem Geld, diesen 1 000 Euro, muss man aber auskommen – das geht sich einfach nicht aus!

Deshalb fordern wir wirklich dringendst eine Erhöhung auf 70 Prozent! Lieber Herr Lan­deshauptmann, ich würde dich bitten, dass du das in der Landeshauptleutekonferenz auch vorantreibst, indem du sagst: Bitte schön, machen wir etwas für die Arbeitslosen, denn die brauchen das Geld! Da brauchen wir eine Erhöhung auf 70 Prozent. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 20

Sehr geehrte Damen und Herren, warum sage ich das? – Weil natürlich der Konsum auch nicht angekurbelt werden kann, wenn die Menschen kein Geld haben. Das betrifft genauso die Kurzarbeit. Zur Kurzarbeit bringe ich euch ein kleines Rechenbeispiel, ganz leicht zu rechnen: Jemand verdient 2 000 Euro netto, dann geht er in Kurzarbeit und hat nur mehr 1 600 Euro. Das muss man sich einmal vorstellen, der hat dann 400 Euro we­niger im Geldbörsl! Es ist gut, dass wir die Kurzarbeit haben, denn als Arbeitsloser hätte er noch weniger, aber trotzdem muss er jeden Euro zweimal umdrehen, bevor er ihn ausgeben kann. – Das ist wichtig, denn wenn wir die Wirtschaft stärken wollen, dann müssen wir etwas dafür tun! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Schartel.)

Ich habe es schon angesprochen, wir brauchen den Konsum, wir brauchen eine funk­tionierende Wirtschaft, aber da gibt es gewisse Faktoren, die in dieser Hinsicht komplett negativ sind: Die Wirtschaft leidet unter dem langen Lockdown, das wissen alle, die Wirt­schaft leidet ebenso unter den hohen Arbeitslosenzahlen, denn, wie ich soeben gesagt habe, mit 55 Prozent Nettoersatzrate kann sich niemand das Leben richtig leisten, kann niemand mehr Geld ausgeben. Die Wirtschaft, vom Handel bis zur Gastronomie und darüber hinaus, leidet bis zu einem gewissen Grad ebenso unter der Kurzarbeit – das habe ich vorhin schon angesprochen –, es ist nämlich ganz, ganz wichtig, dass die Men­schen Geld zum Ausgeben haben.

Deswegen wäre unsere Forderung, die wir, aber auch die FPÖ, schon mehrmals vorge­bracht haben, dass es einen Coronatausender wenigstens in Form eines Gutscheins gibt. Damit hilft man ja der Wirtschaft. Es ist nicht so, dass ich jetzt sage, dass sich alle Österreicherinnen und Österreicher oder alle, die in Österreich leben, bereichern müs­sen, aber wenn man denen einen Tausender in Form eines Gutscheins gibt, kann man sagen, dass man diesen in den nächsten zwei Monaten verbrauchen muss. Man darf ihn nur in Österreich verbrauchen und kann damit nicht nach Kroatien oder sonst ir­gendwohin fahren. Damit würde der Wirtschaft geholfen werden, und ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es gibt noch etwas ganz Wichtiges, das ich mir aufgeschrieben habe und das ich noch ansprechen möchte: Wer soll nachher die Zeche, die Kosten der Krise bezahlen? Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen im Bundesrat, das können nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer allein sein. Man muss ein bisschen mehr darüber nachdenken, was man diesbezüglich machen kann. Ich sehe nicht ein, dass viele Betriebe, die jetzt Krisenge­winner sind und waren, nichts dazu beitragen. Ich sehe nicht ein, dass zum Beispiel IT-Riesen nichts dazu beitragen; ich denke nur an Amazon, an Google, an Facebook, an Twitter und so weiter und so fort. Freunde, da müssen wir etwas tun, die müssen in Österreich Steuern zahlen, damit wir uns den sozialen Standard, den wir brauchen, leis­ten können! (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ.)

Ich komme zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren. Ich wünsche mir, dass wir Ende Juni sagen können: Unter der Präsidentschaft von Hermann Schützenhöfer und Christian Buchmann haben wir in diesem Halbjahr Fortschritte bei der Krisenbewältigung gemacht. Wir haben auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaut, viel gegen die Arbeitslosigkeit und gegen Firmenpleiten getan und können daher endlich wieder optimistisch in die Zukunft schauen. – Ein herzliches steirisches Glückauf! Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.07


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Markus Leinfellner. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.08.02

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Landeshaupt­mann! Hohes Haus! Liebe Österreicher! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Österreiche­rinnen! – Bundesrätin Schartel: Österreicher ist die Mehrzahl! Ihr habt immer das Problem,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 21

dass ihr euch nicht angesprochen fühlt!) – Also ich glaube schon, dass ich Männer und Frauen gleichermaßen wertschätze und damit nicht unbedingt meine Redezeit hier am Rednerpult verbrauchen muss. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Herr Landeshauptmann, zu Beginn meiner Rede darf ich Ihnen wirklich alles erdenklich Gute für Ihre Vorsitzführung wünschen. Als Steirer freue ich mich wirklich, dass wir durch Ihre Vorsitzführung auf Bundesebene zumindest nicht komplett von der Bildfläche abge­meldet sind. Seit dem Google-Übersetzer-Skandal der ehemaligen Arbeitsministerin ist es der ÖVP Steiermark ja nicht gelungen, eine steirische Kandidatin oder einen steiri­schen Kandidaten als Ersatz für unsere ehemalige Arbeitsministerin nachzunominieren. Ich weiß nicht, woran es liegt – vielleicht liegt es auch daran, dass die ÖVP Steiermark in der Vergangenheit sehr viel dafür getan hat, die Akademikerquote zu heben, aber bereits mehr als einmal bitterböse damit gescheitert ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Landeshauptmann, Sie haben die Vorsitzführung in einer wirklich sehr, sehr schwie­rigen Zeit übernommen, in der Zeit der Coronapandemie, einer Krise, wie sie viele von uns sicher noch nicht erlebt haben. Die größte Auswirkung dieser Krise aber ist nicht das Coronavirus selbst, sondern die größten Auswirkungen sind diese völlig überzogenen Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, Herr Landeshauptmann, da kommen auch Sie wieder ins Spiel: Ich hätte mir schon erwartet, dass Sie als Landesvater sich auf die Seite der Steirer stellen und sich nicht als Sprechpuppe für den Bundeskanzler hergeben. In einem ORF-Steiermark-Interview haben Sie sich offen für einen Impfzwang und für eine Erweiterung der Maskenpflicht ausgesprochen. Sie haben in diesem Interview im Dezember wörtlich gesagt: „Ich wäre für eine Impfpflicht im nächsten Jahr.“ – Das ist an Ungeheuerlichkeit ja kaum zu über­bieten.

Dann haben Sie gesagt: Manche muss man zu ihrem Glück zwingen. – Herr Landes­hauptmann, also für mich ist das, was Sie da an den Tag gelegt haben, eine ungeheu­erliche Grenzüberschreitung. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das wirklich Ihre Gedanken sind. Diese Überheblichkeit, diese Drangsalierung unserer Bevölkerung – das klingt so ganz und gar nicht nach Ihnen, Herr Landeshauptmann. Wenn das der Weg der neuen türkisen ÖVP ist, dann hoffe ich doch sehr, dass der mündige Bürger diesen Weg sehr, sehr schnell beenden wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich verstehe es ja wirklich noch bei den Bundesmandataren hier im Hohen Haus, ich verstehe zum Teil auch noch bei den Grünen, dass sie unseren Sonnenkönig anbeten, aber ich verstehe es nicht mehr beim Landeshauptmann der Steiermark, denn da ist die Abhängigkeit vom Bundeskanzler ja wirklich nicht gegeben – vor allem dann nicht, wenn die Amtsperiode noch rund vier Jahre dauert. (Heiterkeit der Bundesräte Ofner und Steiner.) Herr Landeshauptmann, ich weiß es nicht – Sie werden es wahrscheinlich wissen –, aber ich gehe davon aus, dass diese Periode noch länger dauert, als Sie selbst tatsächlich noch im Amt bleiben wollen. (Heiterkeit der Bundesräte Ofner, Spanring und Steiner. – Landeshauptmann Schützenhöfer: Sind Sie ein Wahrsager?) Deswegen kann ich nicht verstehen, warum Sie als Landeshauptmann einen Testballon für den Bundeskanzler steigen lassen. Dass Sie sich für so etwas hergeben und zu einer Sprechpuppe für unseren Bundeskanzler mutieren, ist letztklassig. Sie haben dazu ab­solut keinen Grund, Herr Landeshauptmann. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie sprechen ständig von einer schwarz-roten Zukunftskoalition in der Steiermark. Als Steirer darf ich Ihnen sagen: Ich bin wirklich stolzer Steirer, ich bin aber nicht aufgrund dieser Landespolitik stolzer Steirer, sondern trotz dieser Landespolitik. (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit der Bundesräte Ofner und Steiner.) Seit vielen Jahren ist auch diese Koalition in der Steiermark nicht von Fortschritt geprägt, sondern vielmehr von Stillstand


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 22

und Rückschritt, deswegen wäre Stillstandskoalition wahrscheinlich ein besseres Wort als Zukunftskoalition.

Gerade in dieser Coronakrise haben wir gesehen, wie wichtig eine breit aufgestellte und gut ausgebaute Gesundheitsversorgung ist, und trotzdem halten Sie als Landeshaupt­mann – als Landesvater – weiter an unserer steirischen Spitalsreform fest. Sie bauen weiter Spitalsbetten ab, anstatt neue Spitalsbetten zu schaffen, Sie schließen Abteilun­gen und Stationen, Sie schließen ganze Krankenhäuser, anstatt Krankenhäuser zu bau­en. Kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit dem Leitspital Liezen, denn dieses ÖVP-Pres­tigeprojekt ist keine Qualitätsverbesserung, sondern vielmehr eine Totgeburt, Herr Lan­deshauptmann! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese unüberlegte Spitalsreform gefährdet seit vielen, vielen Jahren die Gesundheitsver­sorgung in der Steiermark. Da gibt es viele Namen: Kristina Edlinger-Ploder hat mit diesem Irrweg begonnen, dann ist Christopher Drexler gekommen, der diesen ÖVP-Irr­weg weitergegangen ist, und jetzt sind wir bei Juliane Bogner-Strauß angekommen, aber es ist auch keine Verbesserung erkennbar. Es sind nicht die Landesräte, sondern es ist der Weg dieser ÖVP in der Steiermark, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann Ihnen das auch anhand eines realen Beispiels zeigen: Meine Tochter ist 2011 im Landeskrankenhaus Voitsberg auf die Welt gekommen. Zwei Jahre später ist mein Sohn auf die Welt gekommen, allerdings nicht mehr im Landeskrankenhaus Voitsberg, denn dort wurde inzwischen die Geburtenstation geschlossen. Das Partnerspital ist Deutschlandsberg. Dort ist mein Sohn aber auch nicht auf die Welt gekommen, sondern er ist im Rettungsauto auf die Welt gekommen. Die einzige Auswirkung, die wir heute noch haben, ist die Geburtsurkunde, in der Radlpassstraße und nicht LKH Voitsberg oder LKH Deutschlandsberg steht. (Heiterkeit des Bundesrates Seeber.) Es hätte aber auch anders ausgehen können: Wir sind ja wirklich froh darüber, dass wir eine Geburts­urkunde bekommen haben, aber es wird nicht ausbleiben, dass der eine oder andere einen Totenschein mit nach Hause nehmen wird. (Oh-Rufe bei ÖVP und SPÖ.) Dafür trägt diese schwarze Landesregierung die Verantwortung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade in diesem Bereich sind Einsparungen wirklich nicht notwendig. Es kann nicht sein, dass Mütter unmittelbar vor der Geburt, unmittelbar vor der Entbindung über 1 Stunde lang im Rettungsauto alleine ohne Arzt, ohne das notwendige Gerät von A nach B kutschiert werden – ohne dass bei Komplikationen jemand helfen könnte. Wenn es nur zur kleinsten Komplikation kommt, dann wird das für den einen oder anderen wirklich tragisch enden, und das wollen wir nicht. Das ist keine Qualitätsverbesserung, das ist kein Rückschritt um Jahre, sondern das ist ein Rückschritt um Jahrzehnte, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, auch die letzte Landtagssitzung in der Steiermark hat wieder gezeigt, wie wenig sich diese schwarz-rote Zukunftspartnerschaft um die wirklichen Probleme und Sorgen der Eltern von schulpflichtigen Kindern kümmert. Das Ferienvorverlegungschaos, das wir jetzt in der Steiermark haben, sucht ja wirklich seinesgleichen. Das ist wieder einmal ein abgehobenes Drüberfahren, wie wir es bereits aus der Vergangenheit kennen, bei dem die arbeitende Bevölkerung, die arbeitenden Leute bei uns in der Steiermark nicht mehr wissen, wie sie die Ferienbetreuung sicherstellen sollen.

Auch beim Tierschutz haben Sie wieder einmal gezeigt, dass das Herz für Tiere nicht ganz so groß wie vielleicht in anderen Bundesländern ist. Man könnte auch da über den Tellerrand hinausschauen und sich ein Beispiel an Salzburg nehmen: Dort hat man die­sem Tierschutzantrag bereits zugestimmt und ihn nicht abgelehnt, so wie es bei uns in der Steiermark der Fall ist.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 23

Es gäbe noch viele, viele weitere Dinge, die man hier ansprechen könnte: die Zusam­menlegung der Tourismusverbände, die viel zu weit geht, das steirische Mindestsiche­rungsmodell – dieses Eldorado, sage ich einmal, für Leute, die kein Deutsch können, für Asylwerber, die kein Deutsch können und keine Berufsausbildung haben (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) –, auch da haben wir wirklich Reformbedarf, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich erinnere mich noch an das Jahr 2015 – ich muss ein paar Jahre zurückgehen –, in dem uns diese ÖVP als Rattenfänger bezeichnet hat, in dem diese ÖVP Menschen­ketten in der Herrengasse gebildet und Lichter für die Menschlichkeit angezündet hat. Zwei Monate später sind Sie, Herr Landeshauptmann, am Kreisverkehr in Spielfeld ge­standen und haben am Abend im Interview gesagt: Mir haben die Knie gezittert! – Ja, Herr Landeshauptmann, ich bin jeden Tag an diesem Grenzübergang gestanden, ich habe jeden Tag diese Durchbrüche, diese Menschenmassen, diese wild gewordene Masse gesehen (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) – ich glaube, so kann man es bezeichnen und das ist auch der richtige Begriff dafür –, ich bin seit September an diesem Grenzübergang gestanden. Mir haben die Knie nicht gezittert, es war mein Beruf (Zwischenruf bei der SPÖ), aber ich habe jeden Tag dieses Eindringen in unser Hoheits­gebiet miterleben müssen, und ich kann nicht verstehen, warum die Landespolitik zu diesem Zeitpunkt nicht auf uns Freiheitliche gehört hat. Ich glaube, wir haben das schon sehr lange vorausgesagt, aber das war der Zeitpunkt, zu dem wir als Rattenfänger be­zeichnet worden sind.

Zur Gemeindestrukturreform – Sie haben sie ja vorhin positiv und als großen Schritt der Zukunftspartnerschaft erwähnt –: Ich glaube, es war im Jahr 2019, als eine Anfrage ergeben hat, dass dieses Modell heute teurer kommt, als es vor 2015 gekommen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Abschließend, Herr Landeshauptmann, wünsche ich mir oder wünsche ich Ihnen für die Zeit der Vorsitzführung wirklich alles erdenklich Gute. Geben Sie sich bitte nicht dafür her, Testballons für diesen Bundeskanzler steigen zu lassen, das haben Sie nicht not­wendig! Repräsentieren Sie die Steiermark, so wie es sich die Steirer auch wirklich ver­dient haben! Wir haben ein wunderschönes Bundesland – aus meiner Sicht das schöns­te Bundesland –, ich liebe unsere Steiermark. (Bundesrat Steiner: Nein, Tirol! – Bundes­rätin Steiner-Wieser: ... Oberösterreich! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich wün­sche Ihnen alles erdenklich Gute und uns allen einen raschen Kurswechsel der ÖVP. – Glück auf! (Beifall bei der FPÖ.)

10.20


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.20.13

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Lieber Christian Buchmann, ich gratuliere dir herzlich zu deiner neuen Aufgabe, und ich bin mir auch sicher, dass du das Amt des Bundesratspräsidenten gewissenhaft und umsichtig ausführen wirst. Auch im Namen meiner Fraktion wünsche ich dir viel Erfolg dabei.

Vielen Dank auch an Andrea Eder-Gitschthaler für die sehr gute Vorsitzführung im letz­ten halben Jahr! Was mir ewig in Erinnerung bleiben wird, ist dein Tempo beim Verlesen des Protokolls am Ende der Sitzung. Das ist rekordverdächtig gewesen. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ja, es wird mit Sicherheit ein herausforderndes halbes Jahr, so viel steht bereits jetzt fest, denn wir befinden uns doch mitten in der wahrscheinlich entscheidenden Phase im


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 24

Kampf gegen das Covid-Virus. (Bundesrat Steiner: Die nächsten zwei Wochen sind entscheidend!) Die Steiermark hat nun mit Hermann Schützenhöfer den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz, mit Christian Buchmann den Vorsitz im Bundesrat, und das steirische Wappen ist ins Zentrum gerückt.

Was zeichnet die Steirerin, was zeichnet den Steirer aus? Was macht die Steiermark aus? Ist es das Kernöl, das ich heute eigentlich als Willkommensgeschenk erwartet habe? Wenn man mir Kernöl schenkt, wäre es im Übrigen so, als würde man, wie man in der Steiermark sagt, Wasser in die Mur tragen, da ich ja selber Kernöl produziere und zu Hause in meiner Speis immer eine gefüllte 30-Liter-Kanne herumsteht. (Heiterkeit bei BundesrätInnen von Grünen und ÖVP.) Ich hätte mich aber trotzdem gefreut, weil es immer interessant ist, das Kernöl von anderen zu probieren und es mit meinem zu ver­gleichen.

Das Kernöl brachte mir auch einen Steireranzug ein. Als ich 2006, nachdem ich 17 Jahre in Wien gelebt hatte, wieder zurück auf meinen elterlichen Bauernhof gezogen bin, wur­de ich ungefähr ein halbes Jahr später fürs Kernölchampionat nominiert. Meinem Vater wurde diese Ehre über all die Jahre zuvor nie zuteil. Ich war gerade einmal ein halbes Jahr da und war kernölmäßig bereits in der Championsleague angekommen. Damals musste natürlich sofort ein Steireranzug her. In mein Heimatdorf war ich damit dann endgültig heimgekehrt und auch optisch wieder ein echter Steirer. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich denke, es gibt viele Dinge, die die Steirerinnen und Steirer, die die Steiermark aus­machen. Das Kernöl ist halt so ein Symbol, das deswegen so stark ist, weil es so un­vergleichlich schmeckt oder, was auch vorkommen soll, der oder dem einen so gar nicht schmeckt. Es gäbe viel aufzuzählen, was die Steiermark ausmacht, seien es nun kul­turelle Highlights wie beispielsweise der Steirische Herbst oder die Diagonale, seien es der Innovationsgeist verbunden mit den vielen Hightechclustern, die wir haben, oder eben die kulinarischen Genüsse.

Die Steirerin, der Steirer wird von außen vom Typ her oft so gesehen: raue Schale, wei­cher Kern; wenn es darauf ankommt, dann kann man sich auf sie verlassen, und wenn es darauf ankommt, dann halten wir auch zusammen. Zusammenzuhalten, wenn es da­rauf ankommt, ist eine Eigenschaft, die unsere ganze Republik, unser ganzes Land aus­zeichnet – und gerade jetzt kommt es darauf an. Ich spüre, dass sich da in den letzten Wochen etwas getan hat: Wir – nämlich die Bundesländer, die Regierung, große Teile der Opposition und die Menschen in unserem Land – ziehen wieder vermehrt in die glei­che Richtung. Das Motto „Zuversicht und Zusammenhalt“, Herr Landeshauptmann, ist gerade jetzt, da es darauf ankommt, sehr gut gewählt. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

10.24


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dr. Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.24.41

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Exkurs beginnen, da Sie, Herr Landeshauptmann, aktuell auch Vorsit­zender der Landeshauptleutekonferenz sind. Diese ist bekanntlich ein Gremium, das de jure in der Verfassung gar nicht vorkommt, aber de facto eine signifikante Wirkmächtig­keit hat. Da werden realpolitische Entscheidungen getroffen, die viele Menschen in die­sem Land merkbar betreffen. Gerade deshalb braucht es für die Landeshauptleutekon­ferenz eine Transparenzoffensive. Dass dieses Gremium für die allermeisten Bürgerin­nen und Bürger ein Buch mit sieben Siegeln ist, sollte im Jahr 2021 eigentlich der Ver­gangenheit angehören. Vorbildlicherweise werden in der Steiermark die Protokolle der


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 25

Landeshauptleutekonferenz im Landtag diskutiert. Leider ist dieser Schritt zu mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit die Ausnahme und nicht die Regel.

Ich ersuche Sie als Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, die anderen Landes­hauptleute davon zu überzeugen, dass auch in ihren Bundesländern diese Protokolle im Landtag diskutiert werden können. Bei diesen Treffen werden wesentliche Entscheidun­gen für alle Bundesländer getroffen, und daher haben alle Menschen in diesem Land das Recht, diese Informationen in ihrem Bundesland zu erhalten. Gerade jetzt in diesen krisenhaften Zeiten braucht es mehr Transparenz in der Politik, denn Transparenz ist die Voraussetzung für die Unterstützung politischer Entscheidungen durch die Bürgerinnen und Bürger.

Das bringt mich zu meinem zweiten Punkt: Im Jahr 2021 spielen die Länder in der Öffent­lichkeit eine größere Rolle in der Bekämpfung der Coronapandemie. Die türkis-grüne Bundesregierung hat 2020 im Alleingang die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Coronakrise getroffen, weder die Opposition auf Bundesebene noch die Länder wa­ren adäquat eingebunden. Der erste Monat des Jahres 2021 wirkt zumindest so, als würden die Länder und die Opposition informiert und mehr eingebunden. Im Jänner wur­de schließlich entschieden, dass die Impfung durch die Länder durchgeführt werden sollte.

Gerade durch die andauernde Knappheit der Impfstoffe ist die Toleranz der Bevölkerung auf die Probe gestellt. Daher ist es nicht hinnehmbar, dass sich Personen mit einem Informationsvorsprung aufgrund ihres öffentlichen Amtes vordrängeln – dazu zählen auch mindestens fünf steirische Bürgermeister –, während andererseits Risikopatientin­nen und ‑patienten vergeblich auf ihre Impfung warten. Sorgen Sie mit den anderen Lan­deshauptleuten dafür, dass wirklich jene Personen eine Impfung bekommen, die sie drin­gend benötigen, und nicht jene, die sich selbst wichtiger nehmen als andere!

Es braucht eine klare und transparente Kommunikation sowie eine Kontrolle der Impf­strategie. Veröffentlichen Sie und die anderen Landeshauptleute Impfdashboards, damit jede und jeder einsehen kann, wie die Impfsituation in ihrem beziehungsweise seinem Bundesland aussieht!

Dänemark hat es geschafft, für alle Bürgerinnen und Bürger einen wahrscheinlichen Impftermin zu kommunizieren. In der Steiermark können sich hingegen unter 80-Jährige heute noch nicht einmal auf einer Warteliste für die Impfungen vormerken lassen. Nutzen Sie die Plattform der Landeshauptleutekonferenz für den Erfahrungsaustausch, damit nicht jedes Bundesland das Rad neu erfinden muss, sondern Best-Practice-Modelle eines Bundeslandes Vorbild und Vorlage für die anderen Bundesländer sein können! Großflächige Anmeldungen haben zudem den Vorteil, dass die Gesundheitsbehörde einen frühen Überblick darüber bekommt, wer zu einer Impfung bereit wäre. Machen Sie sich dafür stark, dass in allen Bundesländern so wie in Wien bei der Vormerkung die Option auswählbar ist, dass man für die Impfung kurzfristig, das heißt innerhalb von 1 bis 2 Stunden, verfügbar ist! So werden nämlich Impfdosen nicht mehr nach Vitamin B verteilt oder gar weggeworfen, sondern man kann so innerhalb der jeweiligen Stufe fair und nachvollziehbar priorisieren.

Die Beantwortung einer Anfrage von uns NEOS hat ergeben, dass per 18. Jänner 1 491 Menschen in der Steiermark an Corona verstorben sind. Damit ist die Steiermark trauriger Spitzenreiter. Von diesen Todesfällen entfallen 814 auf Alten- und Pflegeheime, also fast 55 Prozent. Es braucht, bis die Impfungen abgeschlossen sind, engmaschigere Testungen, um den Ausbruch innerhalb von Heimen zu verhindern. Da müssen wir noch besser werden. Lernen wir von den Besten, zum Beispiel von Tübingen, wie man die Altenheime schützen könnte! Sollte bis zum Sommer, aus welchen Gründen auch im­mer, nicht ein ausreichender Teil der Bevölkerung die Coronaschutzimpfung erhalten haben, dann müssen die Sommerferien dafür genützt werden, unsere Kindergärten und


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 26

Schulen coronasicher zu machen. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Bildungsschere geschlossen wird und alle Kindergärten und Klassenzimmer endlich Luftfilter, Luftgüte­sensoren oder Ähnliches bekommen!

Der Spagat zwischen Homeschooling und Homeoffice ist eine immense Belastung für Eltern, Kinder, Pädagoginnen und Pädagogen. Schulschließungen können immer nur das letzte Mittel in der Bekämpfung der Pandemie sein.

Was bis dato gefehlt hat und nach wie vor schmerzhaft fehlt, ist ein planvoller Weg, eine Exitstrategie aus dem sogenannten Lockdown. Unsere Schulen und unsere Betriebe brauchen endlich Planungssicherheit, um mit Zuversicht aus dieser Krise zu kommen, denn ohne Planungssicherheit können wir den schnellen wirtschaftlichen Wiederauf­schwung vergessen.

Sorgen Sie, Herr Landeshauptmann, an dieser wichtigen Stelle für mehr Dialog zwischen Bundesregierung, Opposition und Ländern, denn nur gemeinsam werden wir bestmög­lich aus dieser Krise kommen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.30


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Karl­heinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Kollege.


10.31.07

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Landeshauptmann! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren, die Sie via Fernsehen oder Livestream zugeschaltet sind! Zu Kollegen Leinfellner – jetzt ist er leider nicht im Saal –: Ich schätze ihn an und für sich, aber wie er sich heute hierher gestellt und den Landeshauptmann beflegelt hat, nämlich auch seinen eigenen Landeshauptmann, das ist etwas, was der Würde dieses Hauses nicht dienlich ist und was sich hier eigentlich nicht gehört und ich aufs Allerschärfste zu­rückweise! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Schartel und Steiner-Wieser.)

Von den Inhalten will ich gar nicht reden, da sollten wir uns im steirischen Landtag treffen, da könnte ich jeden einzelnen sezieren und widerlegen, aber das mache ich dann mit Kollegen Leinfellner extra aus. (Bundesrätin Schartel: Aber sezieren ist auch kein gutes Wort, oder?!)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können mir glauben, es ist wirklich eine große Ehre für mich, heute hier stehen zu dürfen und ein paar Gedanken an Sie zu richten. Sie können sich sicherlich auch vorstellen, dass es nicht weniger aufregend ist, wenn man das vor dem Landeshauptmann, noch dazu vor dem eigenen Landeshauptmann, tun darf. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) Ich möchte die Möglichkeit nutzen, etwas aufzugreifen, was Hermann Schützenhöfer in seiner Rede gesagt hat, nämlich seine Sorge, wenn es um die Tonalität in der politischen Debatte geht.

Ich habe unlängst gelesen, dass Politikerinnen und Politiker, die glauben, besonders gerissen sein zu müssen, sich an die Spitze der Empörten stellen, und das ist nachvoll­ziehbar. Dort sind sie für gewöhnlich vor Hass und Anfeindungen geschützt, aber genau dort passiert auch die Spaltung der Gesellschaft. Und unser aller Aufgabe hier herinnen, wie wir hier sitzen, ist es, über alle Parteigrenzen hinweg gemeinsam gegen diese Spal­tung anzukämpfen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Denn es soll nicht darum gehen, wer am Ende des Tages gerissener ist, sondern darum, wer besonnen und klug handelt; und klug ist es, die Stärken aller zu nutzen. Klug ist es, die Stärke, auch wenn es in dieser Zeit schwerfällt, der Europäischen Union zu nutzen,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 27

dieses großen gemeinsamen Raums, den ja nicht nur wirtschaftliche Interessen verbin­den, sondern dem ein gemeinsames Wertegerüst zugrunde liegt.

Gerade die Steiermark – und ich schaue da auch in Richtung unseres Präsidenten Chris­tian Buchmann – war immer wieder Vorreiter, wenn es um diesen Blick in die Europäi­sche Union, nach Europa ging, wenn es darum ging, Partnerschaften und Kooperationen zu suchen. Klug ist es, die Stärke der Bundesländer zu nutzen, bis in die kleinsten Re­gionen und in die Gemeinden hinunter. Ich habe es hier in diesem Haus schon mehrfach gesagt: Gerade die Gemeinden haben in den letzten Monaten in der Bekämpfung der Pandemie Großartiges geleistet, und ihnen gebührt unser aller Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Alle Genannten, von der Europäischen Union über den Bund bis zu den Ländern und Gemeinden, werden gefordert sein, gemeinsam gestärkt aus dieser Krise herauszukom­men und dann an den brennenden Fragen zu arbeiten. Auch diese wurden heute schon genannt: Wie werden wir unsere Wirtschaft wieder in Schwung bringen? Wie sichern wir Arbeitsplätze und schaffen wir neue? Wie sichern wir die Bildung unserer Jungen, um ihnen eine Zukunftschance zu geben? Wie sichern wir unser Gesundheitssystem? Es sind viele Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin ja nicht nur Politiker – was ich sehr, sehr gerne bin –, sondern ich bin, wie die meisten wissen, auch Arzt, und in einem Krankenhaus ist es noch wichtiger, gemeinsam und verantwortungsbewusst für unsere Patientinnen und Patienten zu arbeiten, also Gutes zu tun. Was bedeutet jetzt aber verantwortungsbe­wusstes Handeln in der Politik? – Verantwortungsbewusstsein bedeutet für mich Ange­messenheit. Das ist natürlich in Anbetracht der derzeitigen Situation schwierig, es gibt keine Patentlösung für Angemessenheit, aber es gibt ein paar Ansätze, die ich mir denke.

Zum Ersten: Lassen wir nicht zu, dass wir uns von unserer eigenen Erregtheit hinreißen lassen, behalten wir einen kühlen Kopf!

Zum Zweiten: Arbeiten wir, und das ist mir besonders wichtig, gemeinsam an einer Ab­rüstung der Worte, die man sich sonst zu oft gegenseitig an den Kopf wirft!

Und zum Dritten, und auch das ist wesentlich: Seien wir genau, auch wenn uns dadurch vielleicht das eine oder andere Mal eine Schlagzeile verloren geht!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit, in der die unterschiedlichen Systeme – Politik, Wissenschaft, Wirtschaft – extrem hart aufeinanderprallen und so öf­fentlich sind wie nie oder selten zuvor, und genau aus diesem Grund werden sie auch so oft missverstanden wie selten zuvor. Jetzt kann man die Frage stellen: Wer ist daran schuld? Ist es die Wissenschaft? Sind es die Medien?

Ich sage: Nein, das wäre zu einfach, die funktionieren auch nach ihren Regeln und müs­sen das tun, um bestehen zu können. Ist es die Politik, die einzig und allein an allem schuld ist, weil sie von einem Worst-Case-Szenario ausgeht oder dieses zumindest ein­kalkuliert? – Nein, auch das wäre zu kurz gegriffen. Politik hat die Pflicht, jedes einzelne Menschenleben zu schützen – alles andere wäre verantwortungslos, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von Grünen und SPÖ.)

Ich denke, dass ein wesentlicher Grund für viele Missverständnisse darin liegt, dass, wie ich vorhin schon erwähnt habe, Systeme, die in Nichtpandemiezeiten weniger Berührung miteinander haben, nun knallhart aneinanderprallen, und das wird eben in dieser Pande­mie so deutlich. Da wird nichts abgefedert, alles ist für jeden zu jeder Zeit sicht- und hörbar.

Durchsicht hat nicht mit Einsicht verwechselt zu werden. – Das ist ein grandioser Satz, den ich vor mittlerweile gut sechs, sieben Jahren in der „Frankfurter Allgemeinen Zei­tung“ gelesen habe und der letzten Endes nichts anderes besagt als: Nur weil ich mehr


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 28

Möglichkeiten zur Durchsicht von Informationen habe, komme ich nicht zwingend zu den richtigen Einsichten. Diese Einsicht ist aber wichtig, weil Einsicht meiner Meinung nach die Grundlage der Zuversicht ist, der Zuversicht, die wir so dringend brauchen, um aus dieser Krise herauszufinden.

Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren, und das sage ich jetzt als Arzt: Diese Zuversicht ist genauso wichtig wie jeder Impfstoff. Diese Zuversicht unterliegt auch kei­nen Produktionsengpässen, sie wird einzig und allein von uns selbst limitiert. Ich denke mir das oft, weil wir uns von unseren Sorgen und Ängsten mehr treiben lassen, als wir mutig nach vorne schauen.

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat in seiner Rede den steirischen Weg skizziert, den Weg des Miteinanders, bei dem zwei staatstragende Parteien, wie er schon so oft gesagt hat, gemeinsam Verantwortung übernommen haben – bei aller Un­terschiedlichkeit, die es gibt, und das ist auch wichtig.

Es ist auch das Beispiel der Gemeindestrukturreform gefallen. Die Gemeindestrukturre­form war das Gegenteil von Populismus. Sie war mutig, und sie wurde aus der tiefen Überzeugung heraus geboren, dass sie richtig ist, auch wenn sie viele ursprünglich für falsch gehalten haben. Sie wurde aus der Zuversicht heraus geboren, das Land gemein­sam noch weiter nach vorne zu bringen.

Mein Wunsch ist, meine Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen: Möge unser Umgang mit der Coronakrise ebenfalls als erfolgreiches Beispiel für Mut und Zusammenhalt in Erinnerung bleiben! Ich für meinen Teil bin zuversichtlich, dass es so sein wird. Ich sage Danke, bleiben Sie gesund, und ein herzliches steirisches Glückauf! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.40


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile es ihr. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.41.09

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Lan­deshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute eingangs sowohl vom Bundesratspräsidenten als auch von unserem Landeshauptmann sehr sal­bungsvolle, ja teilweise zukunftsorientierte Reden gehört. Beim Herrn Bundesratspräsi­denten ist mir besonders seine Leidenschaft für Europa aufgefallen. Ich weiß, dass er diese hat, denn wir waren Kollegen im Steirischen Landtag, auch im Grazer Gemeinde­rat, und sein Herz hat immer für Europa geschlagen. Wenn er das dann so besonders hervorhebt, verstehe ich das. Wenn ich mir jetzt aber anschaue, was die EU momentan bei der Beschaffung des so wichtigen und notwendigen Impfstoffes aufführt, frage ich mich, ob das wirklich das richtige Zukunftsthema ist oder ob es nicht viel gescheiter wäre, dass man die nationalen Stärken, die wir in Österreich haben, weiterhin stärkt und unter­stützt. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Schwindsackl hat für uns Gott sei Dank einen netten Sachunterrichtsaus­flug in das wunderschöne Bundesland Steiermark gemacht. Ich kann ihm wirklich nur beipflichten und jeden, der heute hier im Bundesrat ist, und auch jene Zuseher, die via Livestream und Fernsehen zuschauen, einladen, dieses wunderschöne Bundesland mit all seinen Ecken und Kanten, die es allein durch die Landschaft mit sich bringt und durch die auch der Menschenschlag eben so kräftig, teilweise stur, stark, aber auch sehr fröh­lich, gesellig und liebevoll ist, zu besuchen. Es ist einfach lebens- und besuchenswert. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann muss ich Ihnen, Herr Landeshauptmann, in sehr, sehr vielen Dingen widerspre­chen. Herr Kollege Schwindsackl hat Ihren Auftritt bei der Pressekonferenz am 17.1. als


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 29

besonders gut und toll hervorgehoben. Es hat für mich dort zwei Sätze Ihrerseits gege­ben, die mich als Zuseherin sehr erstaunt, wenn nicht sogar erschüttert haben. Sie ha­ben gesagt, Ihre große Sorge – ich will nicht das Wort Angst in den Mund nehmen –, ist: Packen wir das in den Spitälern? Das ist für Sie die Hauptfrage. Und das sagt ein Lan­deshauptmann, der, seit er in der Regierung Verantwortung trägt, nichts anderes zu tun hat, als Spitäler – eines nach dem anderen – in der Steiermark zuzusperren? Wie ernst kann man dann Ihre Sorge in dieser Frage wirklich nehmen? (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben in Ihrem Statement auch erwähnt, dass die Steiermark ein Vorzeigebundes­land in Sachen Zusammenarbeit unterschiedlicher Parteien ist. Es wird nicht mehr ge­stritten, es wird gut und sinnvoll im Interesse der Steiermark gearbeitet, und dadurch sind sehr, sehr viele Dinge möglich geworden. – Ich zähle einmal diese Dinge, die mög­lich wurden, die umgesetzt wurden, auf: Schließung von Spitälern im Bundesland, Schließung von sehr vielen Schulen in den Regionen, Abwanderung der jungen Men­schen aus den ländlichen Regionen, Reduzierung von Bettenkapazitäten für die statio­näre Langzeitpflege. Das sind die tollen Möglichkeiten der Zukunft?

Natürlich haben Menschen verschiedene Zugänge und verschiedene Ansichten, vor allem das macht ja die Demokratie aus. Es kann aber doch nicht sein, dass jedes Mal, wenn nicht ohne Wenn und Aber Maßnahmen, Äußerungen von Regierungsmitgliedern oder Vertretern der Regierungsparteien super und gut geheißen und beklatscht werden, wir dann sofort wieder die Leugner, die Spalter, die Hetzer oder sonst irgendetwas sind. Demokratie lebt ja von der Kritik, denn sonst hätten wir eh eine Diktatur. Wenn wir alle einer Meinung sind, dann brauchen wir keine Demokratie. Es wird immer unterschiedli­che Zugänge und gemeinsame Dinge im Interesse – und das steht bei uns allen immer an erster Stelle – der Menschen, die in diesem Land, in der Steiermark leben, geben. Das ist das oberste Gebot. Man sollte wirklich die Offenheit haben, die unterschiedlichen Zugänge ernsthaft zu überprüfen und in die eigenen Überlegungen einzubeziehen, denn dann kommt wirklich immer das Beste für unsere Menschen heraus. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben in Ihrer Rede auch etwas getan, was sehr gut, richtig und wichtig ist. Man soll Menschen, wenn sie Gutes tun, egal was sie tun, immer Anerkennung aussprechen und sich bei ihnen bedanken. Dass Sie als Landeshauptmann jenen Menschen Dank aus­sprechen, die gerade im Pflegebereich hervorragende und wirklich extensive Arbeit ma­chen, dann aber nur auf Druck der FPÖ im steirischen Landtag die Nulllohnrunde ver­hindert wurde, damit die Kages-Bediensteten, nämlich die Krankenschwestern, Ärzte und Pfleger, eine Lohnerhöhung bekommen, ist für mich auch wieder eine sehr zwie­spältige Geschichte. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben in Ihrer heutigen Rede auch erwähnt, dass Sie in Ihrer Funktion als Landes­hauptmann, seit Sie Landeshauptmann sind, schon einige Herausforderungen und Kri­sen bewältigen mussten oder miterlebt haben. Sie haben unter anderem auch das Jahr 2015 erwähnt, als eben diese Flüchtlingswelle, diese Flüchtlingskrise insbesondere auch über die Steiermark hereingebrochen ist, weil sie ein Grenzland ist. Sie haben ge­sagt, Ihnen schlotterten die Knie, als Sie an der Grenze in Spielfeld waren. Sie haben aber nicht dazugesagt, dass Sie ein paar Tage vorher, nämlich sehr standfest, gemein­sam mit der SPÖ, der KPÖ und den Grünen eine Menschenkette gegen Hass und Ras­sismus gebildet haben, weil die Freiheitlichen genau zu dieser Problematik eine Sonder­landtagssitzung einberufen haben. Das gehört auch zur Wahrheit dazu! (Beifall bei der FPÖ.)

Was mich bei Ihrer Pressekonferenz am 17.1. aber am meisten zum Erstaunen gebracht hat – da bin ich dann wirklich mit offenem Mund dagesessen –, war, als Sie mitbekom­men haben, dass Ihre Rede etwas zu lang ist, und dann gesagt haben: Oh, der Herr Bundeskanzler schaut schon ein bisschen böse, jetzt muss ich zum Ende kommen! –


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 30

Dabei ist es auch um die Situation auf dem Arbeitsmarkt gegangen, und Sie haben dann so lapidar gesagt: Wir werden nachher eh genug Arbeit haben. – Ja woher nehmen Sie diese Zuversicht? Kriegen Sie nicht mit, was momentan abgeht?

Ich bin Personalverrechnerin von Beruf und hatte im März wie so viele in meinem Beruf irrsinnig viele Anfragen: Wie geht das mit der Kurzarbeit? Wie können Arbeitsplätze er­halten werden? – Jetzt muss ich mich mit Kündigungsfristen beschäftigen, mit Fragen wie: Wie hoch ist die Abfertigung? Wie lange muss ich die Leute behalten? Wie kann ich mich so schnell wie möglich von meinem Personal trennen? – Ich finde es echt zynisch, wenn man hergeht und sagt: Nachher werden wir genug Arbeit haben. – Ich finde, das ist nicht in Ordnung! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke, das würde der ÖVP als Ganzes guttun: Schauen Sie wirklich, was bei den Menschen los ist! Gehen Sie von dieser Überheblichkeit des Bundeskanzlers weg, der aus einem geschützten Bereich heraus Dinge entscheidet! Er hat keine Ahnung, was es heißt, wenn man eine Familie hat, nur mehr 1 200 Euro zur Verfügung hat, seine Miete zahlen muss, etwas zu essen braucht, einen Laptop besorgen muss und, und, und. Er weiß nicht, worum es geht. Ich nehme an, Sie wissen vieles, denn Sie sind ein an Le­bensjahren sehr erfahrener Mensch. Es wäre an der Zeit, dass die Lebenserfahrenen endlich einmal dem Herrn Bundeskanzler erklären, wie das Leben wirklich ist. (Beifall bei der FPÖ.)

10.49


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. Ich verweise auf die ein­schlägigen Bestimmungen unserer Geschäftsordnung. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.50.10

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesrat Kornhäusl hat in seinem Redebeitrag behauptet, Herr Bun­desrat Leinfellner habe den Herrn Landeshauptmann „beflegelt“. – Das ist falsch.

Ich berichtige tatsächlich: Herr Bundesrat Leinfellner hat in seiner Rede viele Dinge der ÖVP aufgezeigt, die einfach verfassungsfeindlich und unrichtig sind, und vielmehr hat er - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, ich bitte, die Geschäftsordnung einzuhalten. (Bundesrat Spanring: Ja, habe ich gerade gemacht!) Sie können sich ein zweites Mal zu Wort melden. (Bundesrat Spanring: Ich habe gesagt, ich habe - -! Ich bin noch nicht fertig! Ich brauche nicht einmal 1 Minute!) – Bitte.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Vielmehr hat er in seiner Rede zum Ausdruck gebracht, dass die Meinung der ÖVP nicht von Gott gegeben und nicht die absolute Wahrheit ist und dass nicht alles alternativlos ist. (Beifall bei der FPÖ.)

10.51


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich danke dem Herrn Landeshauptmann der Steiermark Hermann Schützenhöfer für sein Kommen und darf den Vorsitz übergeben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundes­rätInnen von SPÖ und Grünen.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA (den Vorsitz übernehmend): Ich darf Herrn Bun­desminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober sehr herzlich bei uns im Bundesrat begrüßen. Einen schönen guten Morgen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 31

10.52.17Fragestunde


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Bevor ich jetzt, um 10.52 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen beginne, weise ich darauf hin, dass ich die Fragestunde im Einvernehmen mit dem Präsidenten und dem Vizepräsi­denten auf bis zu 120 Minuten erstrecken werde, um die Behandlung aller mündlichen Anfragen zu ermöglichen.

Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir kommen nun zur 1. Anfrage, 1913/M-BR/2021, an den Herrn Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger, um die Verlesung der Anfrage.


10.53.04

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich lese die Hauptfrage vor:

1913/M-BR/2021

Wie kann die psychosoziale Versorgung durch klinisch-psychologische Behandlung für Betroffene leistbar gemacht werden?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist meine erste Fragestunde im Bundesrat, ich freue mich darüber. Ich bin sehr gerne bei euch, und ich hoffe, ich kann viele Fragen beantworten. Ich werde mich bemühen.

Zur gestellten Frage, die die psychosoziale Versorgung betrifft: Das ist ein ganz zentra­les, wichtiges Thema, nicht nur, aber besonders auch jetzt in der Pandemiesituation. Man muss ehrlich sagen: Das bisherige Fehlen kassenfinanzierter klinisch-psychologi­scher Behandlungsmöglichkeiten führt derzeit in Österreich zu entsprechenden Lücken im Versorgungssystem. Die sind vorhanden.

Wir haben deswegen auch mit allen betroffenen Organisationen und den – unter Anfüh­rungszeichen – „Professionisten“ einen umfassenden Arbeitsprozess gestartet.

Auf der anderen Seite sind wir mit einem runden Tisch gestartet, sind jetzt in der Start­phase der Umsetzung und haben auch einen entsprechenden Dialog und eine Koope­ration mit der Gesundheitskasse, die sich da sehr, sehr bemüht – das muss ich dazu­sagen –, zu Lösungen beizutragen.

Im Rahmen der derzeit bestehenden Berufsgesetze sind in Österreich ja grundsätzlich alle Grundlagen auch im Hinblick auf die geforderte Gleichbehandlung der klinisch-psy­chologischen Behandlung insbesondere auch durch das Psychologengesetz bereits ge­geben, da klinisch-psychologische Behandlungen seit dem 1.1.1991 analog zu den psy­chotherapeutischen Behandlungen rechtlich abgesichert sind. Für eine sozialversiche­rungsrechtliche Regelung zur entsprechenden Finanzierung leistbarer Behandlung sind daher die grundsätzlichen Voraussetzungen gegeben.

Die klinisch-psychologische Behandlung schließt alle bekannten Diagnosen der ICD-10 ein und besitzt darüber hinaus auch Ansätze für die Behandlung psychischer Aspekte von somatischen Erkrankungen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 32

Die legistischen Maßnahmen, um die klinisch-psychologische Behandlung als Pflichtleis­tung zu etablieren – vergleichbar mit den ärztlich-psychiatrischen oder psychotherapeu­tischen Behandlungen, welche als Pflichtleistungen etabliert sind –, sind im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen zu treffen. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten für psy­chotherapeutische Leistungen derzeit sehr unterschiedliche Tarife haben, zu bereinigen, da diese Unterschiede auch für Patientinnen und Patienten schwer durchschaubar sind und auch zu entsprechenden Konsequenzen führen.

Lassen Sie mich abschließend noch einen Satz sagen: Gerade die gestern wieder auf­gezeigten Themen, die die psychische Gesundheit während der Pandemie betreffen, und negative Auswirkungen werden dazu führen, dass wir in den nächsten zwei, drei Wochen auch einen eigenen Beraterstab im Gesundheitsministerium konstituieren wer­den, der sich ausschließlich mit diesen Themenfeldern auseinandersetzt.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Danke, Herr Minister. Damit haben Sie meine Zusatzfrage auch schon beantwortet. – Danke sehr.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das österreichische Psychotherapiegesetz ist 25 Jahre alt. Eine Überarbeitung ist dringend notwendig, um die Ausbildung mit jener in anderen europäischen Staaten vergleichbar zu machen. Gibt es dafür einen Zeitplan?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Kollegin, die Analyse ist absolut richtig, ich kann ihr zu 100 Prozent zustimmen. Gerade auch unter dem Eindruck der schwierigen Bewältigung der Pandemie ist es notwendig, dass die Reform des Psychotherapiegesetzes in ent­sprechenden Etappen Schritt für Schritt abgewickelt wird. Hierzu bedarf es verschie­dener Vorgangsweisen.

Zunächst ist eine Reform der Expertise des Psychotherapiebeirates unter Einbeziehung der Standesvertretung erforderlich. Da sind die entsprechenden Vorbereitungsarbeiten und Weichenstellungen durchgeführt.

Als weiterer Schritt ist eine Klarstellung des Beschwerdemanagements, insbesondere der verfassungskonforme Entzug der Berufsberechtigung durch die Bezirksverwaltungs­behörden, geboten, wobei eine solche Klarstellung immer auch die anderen vergleichbar geregelten Berufe etwa aus den Bereichen der Musiktherapie, der klinischen Psycholo­gie und gesundheitspsychologische Bereiche erfassen muss.

Ein weiterer Punkt betrifft die Reform der Berufspflichten samt allfälliger Regelungen zur Onlinetherapie.

Schließlich geht es auch um die Reform der Psychotherapieausbildung, die in Zukunft fachliche Qualität bei gleichzeitiger Qualitätssicherung gewährleisten soll. Die Reform der Psychotherapieausbildung soll unter Beachtung internationaler Vorbilder, insbeson­dere jenes aus Deutschland, das wir für durchaus vorbildhaft halten, erfolgen. In Ent­sprechung dessen sollte es zur Ermöglichung einer universitären Ausbildung – das ist unser Ziel –, also der Absolvierung eines Psychotherapiestudiums mit einem Bachelor- und Masterabschluss samt einer weiteren Ausbildungsphase zum praktischen Kompe­tenzerwerb, insbesondere in psychotherapeutischen Ambulanzen, kommen.

Sie sehen also: Es ist eine sehr komplexe Aufgabe, die da vor uns liegt. Aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen, deren Ende noch nicht abzusehen ist – damit ist die


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 33

Pandemiephase angesprochen, und damit auch die sehr intensive Belastung beider Sei­ten, erstens unseres Hauses und zweitens auch der betroffenen Standesvertretungen, die wir selbstverständlich intensiv in die Erarbeitung einbauen –, ist ehrlicherweise da­von auszugehen, dass die zuerst genannten Punkte möglichst bis Ende 2021 – das ist unser Ziel – zu erledigen sind und die groß angelegte Ausbildungsreform als Paket, als Ganzes in der Folge, jedenfalls aber zumindest bis Ende des Jahres 2022 abgeschlos­sen sein sollte.


Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Vielen Dank für den Ausblick.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling gemeldet. – Ich bitte um Ihre Zusatzfrage.


Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Die Coronapandemie und die damit ver­bundene Vereinsamung der Menschen wird schwere psychische Schäden hinterlassen. Herr Bundesminister, werden Sie dafür Sorge tragen, dass den Krankenversicherungs­trägern ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Versor­gung der Bevölkerung mit psychotherapeutischen und psychologischen Leistungen im tatsächlich benötigten Umfang gewährleistet werden kann? – Danke.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, danke für die Frage, sie trifft einen zentralen Punkt und hängt ja auch unmittelbar mit dem bereits Gesagten zusammen.

Ja, wir sind mit der Gesundheitskasse in einem sehr intensiven Dialog. Ich kann bestäti­gen, dass zum Beispiel vor allem Kollege Huss diese Intentionen ganz intensiv unter­stützt und mitträgt, auch aufgrund seiner Erfahrungen aus Salzburg. Wir haben den Grundkonsens, dass wir diese Verbesserungen gemeinsam verwirklichen wollen.

Der zweite Teil der Frage, die Sie gestellt haben, intendiert – und das ist ja eine absolut richtige, zutreffende Analyse –, dass dafür natürlich auch die finanziellen Handlungs­möglichkeiten für die Gesundheitskasse vorhanden sein müssen. Deswegen wäre es mein Lieblingsvorgehen, sage ich einmal, mein prioritäres Vorgehen, dass wir das dann klären, wenn wir die Entscheidungen über notwendige Unterstützungsmaßnahmen für die Gesundheitskasse aufgrund der Auswirkungen der Covid-Pandemie treffen. Da ist paktiert, dass wir auf Basis des Jahresabschlusses 2020 im Mai 2021 entsprechende Qualitätsverbesserungen im Bereich der Gesundheitskasse in die Gesamtentscheidung integrieren, und da steht für mich die Frage der Verbesserung im Bereich der psychoso­zialen Versorgung ganz vorne.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Mar­lies Steiner-Wieser gemeldet. – Ich bitte um Ihre Zusatzfrage.


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Minister, Sie haben vorhin erwähnt, die psychosoziale Versorgung ist ein zentrales Thema. Auch für uns Freiheitli­che ist das wichtig. Daher haben wir bereits am 5. November hier einen Antrag zum Thema psychosoziale Versorgung in Österreich, betreffend eine grundlegende Reform der psychischen Versorgung in Österreich, eingebracht.

Im Zuge der Reform sollte eine Gleichbehandlung der Berufsgruppen klinische Psycho­logen, Psychiater und Psychotherapeuten angestrebt und gesetzlich verankert werden. Dieser Antrag wurde beschlossen. Es gibt darüber also einen gültigen Beschluss des Bundesrates.

Meine Frage lautet: Wann setzen Sie diesen gültigen Beschluss um? Ist auch tatsächlich garantiert, dass es eine gesetzliche Verankerung der Gleichstellung der Berufsgruppen gibt?



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 34

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, da lassen sich aus meiner Sicht, in meiner Antwort, konkret drei Punkte darstellen, nämlich erstens: Ich finde es sehr, sehr begrü­ßenswert, dass es in diesen Grundsatzfragen der psychischen Gesundheitsversorgung in Österreich offensichtlich auch in diesem Haus einen Grundkonsens gibt. Das ist sehr positiv, es ist auch für unsere Intentionen im Haus eine große Unterstützung.

Zweitens: Ja, wir hatten in der Vergangenheit schon Konkurrenzsituationen zwischen den unterschiedlichen Ausrichtungen und auch Ausbildungen – das muss man auch da­zusagen – im Bereich dieses großen Themenfeldes der psychosozialen Versorgung in Österreich. Diese festgestellte oder behauptete – ich will es jetzt gar nicht bewerten – Ungleichbehandlung ist sicher in der Vergangenheit lähmend und störend gewesen. Deswegen ist es das erklärte Ziel, das ganz in dem genannten Sinn zu verändern und zu korrigieren – genau mit diesen Reformschritten, von denen ich vorhin zu einer der vorherigen Fragestellungen berichtet habe.

Die Zeitetappen sind auch ein zentraler, integraler Bestandteil. Deswegen haben wir im Übrigen auch zu diesem großen runden Tisch, der der Startschuss für unseren Arbeits­prozess gewesen ist, alle gleichberechtigt eingeladen. Auch in der derzeitigen Umset­zungsphase sind alle gleichberechtigt gemeinsam an diesem Tisch vertreten und in die­sen Arbeitsprozess integriert, damit wir mit einer Gleichbehandlung etwas Großes, Ge­meinsames, Ganzes realisieren.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Danke, Herr Bundesminister. Wir gelangen nun zur 2. Anfrage, 1914/M-BR/2021.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Bernhard Hirczy, um die Verlesung der Anfrage.


11.04.15

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Bundesminister!

1914/M-BR/2021

„Inwieweit kann das Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime in Öster­reich (NQZ) gerade in Zeiten von Covid für eine gute Lebensqualität in österreichischen Alten- und Pflegeheimen sorgen?“


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Abgeordneter, danke für diese wichtige Frage! Es scheint eine Detailfrage zu sein, aber sie ist sehr prägend für die Lebenssituation unserer be­tagten Mitbürgerinnen und Mitbürger, die in einem Alten- und Pflegeheim leben. Ich gehe davon aus, dass wir in den Detailfragen dann auch auf andere Lebensbereiche in der akuten Situation zurückkommen werden. Die Frage der Qualitätszertifizierung und damit der Sicherung von Qualitätsstandards ist eine ganz zentrale – deswegen noch einmal Danke von meiner Seite.

Was ist das Nationale Qualitätszertifikat? – Vielleicht noch einmal ganz kurz angerissen: Mit dem Nationalen Qualitätszertifikat wird die Qualitätsarbeit mit dem Fokus auf eine hohe Lebensqualität in Alten- und Pflegeheimen gefördert und unterstützt. Es ist eine Art Leitlinie, auch mit der Absicherung der Entwicklung in die richtige Richtung. Anhand von 30 Feldern werden unter anderem die Orientierung an den individuellen Bedürfnissen der BewohnerInnen sowie die Rahmenbedingungen für MitarbeiterInnen geprüft. Beides ist extrem wichtig. Gerade was den zweiten Bereich betrifft, habe ich mich in den letzten Monaten wirklich davon überzeugt, dass wir in der Pflege in den Alten- und Pflegeheimen großartige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und dass deren Arbeit dadurch, dass


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 35

wir doch sehr, sehr starke Entwicklungen hin in Richtung Bürokratie haben, nicht erleich­tert wird. Es ist ein Teil dieser Zertifizierungstätigkeit, diesbezüglich Schritte zu setzen.

Die im Rahmen des Nationalen Qualitätszertifikats zu prüfenden Qualitätsfelder sind ge­rade in Zeiten von Covid wesentlich, um eine bedürfnisgerechte Begleitung älterer Men­schen möglich zu machen. Das Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime bestätigt das Bemühen, dass ein solches Lebensumfeld geschaffen wird. Das ist also ein wichtiges Prädikat, eine begleitende Kontrolltätigkeit, und zwar im positiven Sinn. Das ist entscheidend. Unabhängige Expertinnen und Experten mit Branchenerfahrungen bewerten im Auftrag des Sozialministeriums und auch der Länder regelmäßig gemein­sam, was alles getan wird, damit es den Menschen in diesen Institutionen gut geht.

Auf dieser Grundlage der Bewertung leiten die Alten- und Pflegeheime für die Lebens­qualität der Bewohnerinnen und Bewohner bedeutsame Ziele und Maßnahmen ab, die anschließend auch laufend überprüft beziehungsweise evaluiert werden. Ich bin sehr froh darüber, dass trotz oder gerade wegen der enormen Herausforderung im letzten Jahr die Qualitätsarbeit von vielen Alten- und Pflegeheimen mit dieser Qualitätszertifi­zierung vorangetrieben werden konnte.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Herr Bundesminister, danke für die Ausführungen, ich darf auch den Dank an die Mitarbeiter unterstreichen.

Eine Detailfrage dazu: Wie werden die Bundesländer in die Prüfung der Alten- und Pfle­geheime im Rahmen des NQZ eingebunden?


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Danke, Herr Abgeordneter, für diese Zusatzfrage! Sie ist deswegen be­sonders wichtig, weil es das Leitmotiv unserer Pflegereform ist, als Bund auf Augenhöhe gemeinsam mit den Ländern, den Städten und auch den Gemeinden diese Pflegereform durchzuführen.

Ich glaube, es ist ganz außergewöhnlich wichtig, dass wir das als gemeinsamen Prozess sehen und damit schrittweise überwinden, dass wir in Österreich doch sehr unterschied­liche Qualitätsstandards haben. Deswegen ist es mein Ziel, nicht gegeneinander zu arbeiten, deswegen wollen wir in der Zielsteuerungskommission nach dem Vorbild im Bereich der Gesundheit auch im Bereich der Pflege gemeinsame Qualitätssicherungen und gemeinsame Qualitätsstandards realisieren, so wie das im Bereich der Qualitätszer­tifizierung bereits vorgelebt wird.

Das Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime wurde in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe von Fachleuten im Bereich der Altenarbeit entwickelt. Das heißt, die Län­der waren bereits von Beginn an gemeinsam mit uns in diesen Arbeitsprozess integriert. Das Qualitätszertifikat ist eine Marke des Bundesministeriums und wird von Bund und Ländern in enger Abstimmung gemeinsam vergeben. Die Länder sind also in allen Be­reichen integriert; sie haben die Möglichkeit, sich sowohl im Hinblick auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen als auch bei den konkreten Zertifizierungen einzubringen, und tun das auch – auf eine gute, offensive Art und Weise.

Damit ein Alten- und Pflegeheim an der Zertifizierung teilnehmen kann, muss beim zu­ständigen Amt der Landesregierung angefragt werden. Das heißt, die Länder sind für die Alten- und Pflegeheime quasi der Zugang zur Zertifizierung. Das Land befürwortet die Zertifizierung des betreffenden Hauses oder kann sich theoretisch auch dagegen aussprechen, was im Regelfall nicht passiert.

Die Bundesländer beschäftigen sich als Mitglieder des Zertifizierungsbeirats, der 2013 im Zuge der Novelle des Bundes-Seniorengesetzes eingerichtet wurde, mit der strategi­schen Weiterentwicklung des Qualitätszertifikats. Das heißt, von der Entstehung über


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 36

die Ausprägung des Zugangs zur Zertifizierung bis zur konkreten Entscheidung über die Zuerkennung dieser Zertifizierung ist das jeweilige Bundesland zu 100 Prozent ein we­sentlicher Partner im Prozess.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Günter Kovacs gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Experten! Eine Frage zur Berufsgruppentestung: Vor wenigen Tagen – vor vier Tagen, am Montag – ist es losgegangen. Seither finden die Berufsgruppentestungen statt.

Eine Frage dazu: Wie wird das bei den mobilen Pflegekräften, bei den Betreuungskräften sein? Wird das dort auch sichergestellt? (Bundesminister Anschober: Ich habe das jetzt akustisch nicht verstanden!)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Können Sie die Frage bitte noch einmal wieder­holen? Sie ist akustisch nicht verstanden worden.


Bundesrat Günter Kovacs (fortsetzend): Wird das für mobile Pfleger und Betreuungs­kräfte auch sichergestellt und dann auch durchgeführt oder eben noch nicht?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Der Bereich der Gleichstellung der mobilen Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter, was die Testungen betrifft, ist ein ganz zentrales Vorhaben, ja. Wir haben bereits entsprechende Screeningprogramme, die wir ja schon seit Mai/Juni im Bereich der Pfle­ge insgesamt anbieten, und da auch einen Schwerpunkt im Bereich der mobilen Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter gesetzt. Konkret wird das bereits seit Sommer Schritt für Schritt umgesetzt und durchgeführt.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Minis­ter! Ich hätte folgende Zusatzfrage: Sie haben ja jetzt praktisch hervorgehoben, wie gut dieses Qualifizierungszertifikat ist. Jetzt stellt sich für mich die Frage: Wie kann es dann sein, dass vor allem die Volksanwaltschaft in ihren Berichten von den Überprüfungen, bei denen es vor allem um den Lebensraum der betroffenen Personen geht, um den Umgang mit den zu betreuenden Personen, nach wie vor immense Mängel feststellt?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Minister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, ja, natürlich ist es so, dass die Volksanwalt­schaft ihrer Aufgabe nachkommt. Die Aufgabe der Volksanwaltschaft in diesem Bereich ist, zu verifizieren, ob es trotz guter Standards in Teilbereichen auch noch zu notwendi­gen Verbesserungen kommen muss. Das aufzuzeigen ist die Aufgabe.

Ich habe mir angewöhnt, dass wir dann versuchen, möglichst konkret und möglichst schnell auf die entsprechenden Kritikpunkte der Volksanwaltschaft einzugehen. Ein Bei­spiel: Wir hatten im vergangenen Frühling, im Frühling 2020, die Situation, dass wir die Lebenssituation im Bereich der Alten- und Pflegeheime doch sehr stark beeinflusst und beschränkt haben, indem wir sehr drastische Zugangsbeschränkungen zum Schutz der Gesundheit der Betroffenen vorgenommen haben. Damals hat es dann sehr rasch Kri­tikpunkte seitens der Volksanwaltschaft gegeben, weil natürlich eine Balancefindung notwendig ist zwischen dem Grundrecht auf freie Bewegung, den Qualitätsaspekten der Lebenssituation, die man als Bewohner und Bewohnerin in diesem Lebensraum hat, und den gesundheitssichernden Standards.

Mein Ziel ist, dass wir mit diesem Qualitätszertifikat laufend weitere Verbesserungen er­reichen und die Kritikpunkte der Volksanwaltschaft umfassend mit einbeziehen.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 37

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger gemeldet. – Bitte, die Zusatzfrage.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Bundes­minister, ich schließe gleich noch ein bisschen an die Vorfrage an, und zwar: Wie unter­scheidet sich die Zertifizierung von Alten- und Pflegeheimen im Rahmen des NQZ eben in Bezug auf die Lebensqualität von anderen Bewertungen?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Liebe Frau Bundesrätin, danke für diese Frage! Die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner steht für uns grundsätzlich im Mittelpunkt. Ich glaube, das ist für jeden und für alle unbestritten. Allein die Details machen es dann oft aus, wie diese Ziele tatsächlich erfüllt werden können. Das heißt, es zählt nicht nur die systema­tische Vorgehensweise, sondern die Orientierung an den Bedürfnissen der Bewohnerin­nen und Bewohner. Es ist oft angesichts der Personalknappheit für die Pflegerinnen und Pfleger alles andere als einfach, das in den gewünschten Details auch tatsächlich zu realisieren.

Lassen Sie mich dazwischen kurz zwei Sätze einflechten: Ich habe in den vergangenen Monaten im Rahmen der Dialogtour zum Thema Pflegereform wirklich Hunderte Gesprä­che mit Pflegerinnen und Pflegern geführt. Was ich von fast allen gehört habe, ist: Ich würde gerne viel mehr Zeit für die Betroffenen haben, und das wäre das Entscheidende für eine weitere Qualitätsverbesserung. – Da haben wir ein Grundthema, das ist die Personalsituation, die wir vielfach in Österreich haben, und deswegen ist der zentrale Teil der Pflegereform ja, dass wir zusätzliche qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter finden wollen, damit sich die Betreuungszeit parallel zu einer Entbürokratisierung bei der Betreuung deutlich verbessern kann.

Entscheidend ist, dass im Bereich der Qualitätssicherung und des Zertifikats, von dem wir hier sprechen, nicht nur die Strukturqualität, sondern auch die Prozess- und Ergeb­nisqualität bewertet werden, zum Beispiel ganz zentral, ob sich die Abläufe an den Be­wohnerinnen und Bewohnern orientieren oder ob diese zufrieden sind. Die Strukturqua­lität, zum Beispiel der Personalschlüssel, wird von den Ländern vorgegeben und von diesen im Rahmen der Einschau auch überprüft.

Geprüft wird die kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualität in den einzelnen Häu­sern. Dabei werden ausschließlich Maßnahmen, die über die Erfüllung gesetzlicher Vor­gaben hinausgehen, bewertet. Das Qualitätszertifikat hinterfragt, welche Strukturen, Prozesse und Ergebnisse erfolgreich und für die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner notwendig und sinnvoll sind. Der Zusammenhang der vom Haus gesetzten Maßnahmen und definierten Ziele mit der Lebensqualität wird bei der Bewertung zentral berücksichtigt.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen zur 3. Anfrage, 1920/M-BR/2021.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ingo Appé, um die Verlesung der Anfra­ge. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.16.44

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesmi­nister! Eingangs einmal ein Danke dafür, dass Sie als Bundesminister dem parlamentari­schen Instrument der Fragestunde zugestimmt haben, da diese nach sechs Jahren wie­der die erste in diesem Hause ist, was vielleicht nicht allen so geläufig ist. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Zu meiner Frage:


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 38

1920/M-BR/2021

„Wie können Sie als Gesundheitsminister die Umsetzung Ihrer Ankündigung garantie­ren, dass die 1,8 Millionen über 65-jähriger Menschen in Österreich bis 31. März 2021 geimpft werden?“


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, danke zunächst einmal grundsätzlich für die Blumen und zweitens für die Information! Ich habe das nicht gewusst und glaube, das ist eigentlich selbstverständlich, so wie wir ja auch generell bei Bundesratssitzungen einen Umgang miteinander pflegen, wenn ich die Ehre habe, hier in diesem Haus zu sein – wir haben es letzte oder vorletzte Woche bei der letzten Sitzung erlebt –, dass man sich, wenn eine Frage offen geblieben ist, dann halt zusammentut und die Frage stellt, und dann wird es eine Antwort geben. Das ist meine Verantwortung und meine Verpflichtung in einer guten Zusammenarbeit. Ich habe lange genug auch in der Oppo­sition gearbeitet und weiß, wie diese Situation sein kann.

Also zur konkreten Fragestellung: Das ist eine Schlüsselfrage in unserer derzeitigen Ar­beit – im Übrigen befinden wir uns heute und morgen in wirklich weichenstellenden Ta­gen. Warum? – Weil wir heute und morgen von der Europäischen Arzneimittelagentur, der EMA, die Entscheidung darüber erwarten, ob es und, wenn ja, in welchem Ausmaß es zu einer entsprechenden Marktzulassungsgenehmigung für den dritten Impfstoff in Europa, nämlich von Astra Zeneca, kommt.

Von dieser Entscheidung wird sehr, sehr stark abhängen, wie hoch und wie groß das Tempo beim Ausrollen der Impfungen tatsächlich ist. Warum? – Weil wir hinsichtlich un­seres Tempos bei der Umsetzung der Impfungen natürlich darauf angewiesen sind, wie es mit den Marktzulassungen aussieht, wann die Liefertermine sind und welche Liefer­mengen wir garantiert erhalten.

Da bin ich bei einem sehr sensiblen Punkt, der gerade auch mit Astra Zeneca verhandelt wird, weil wir ja als Europa vertraglich zugesicherte Liefermengen für das erste und zwei­te Quartal hatten und letzten Freitag angekündigt wurde, dass diese nicht eingehalten werden können.

Sie können sich deswegen wie alle vorstellen, dass es natürlich eine große Herausforde­rung für uns ist, auf Basis dieser Unsicherheit einen klaren Impfplan zu haben. Wir haben derzeit drei Varianten des Impfplans erarbeitet, in denen wir von diesen unterschiedli­chen Szenarien ausgehen: Genehmigung – Vollgenehmigung – für Astra Zeneca und entsprechende Umsetzung der vertraglich tatsächlich garantierten Liefermengen in dem Zeithorizont, der zugesagt wurde, zweitens eine Teilgenehmigung und drittens eine Nichteinhaltung der angekündigten Liefermengen.

Mit den aktuell von den Herstellern angekündigten Liefermengen stünden Österreich knapp zwei Millionen Dosen Impfstoff bis Ende März 2021 zur Verfügung, und das ist das für uns wichtige erste Quartal. Warum ist das erste Quartal wichtig? – Weil natürlich jeder möglichst rasch geimpft werden sollte und weil wir bei den Risikogruppen beginnen und uns dann schrittweise in Richtung der allgemeinen Bevölkerung bewegen wollen. Gleichzeitig besteht allerdings die Grundproblematik, dass wir im ersten Quartal 2021 in ganz Europa die geringsten Liefermengen haben, das heißt: Es gibt ein Nadelöhr in dieser Situation. Es stünden Österreich aber, wie gesagt, bis Ende März knapp zwei Millionen Dosen Impfstoff zur Verfügung, womit knapp eine Millionen Menschen geimpft werden kann, weil bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer, Moderna und Astra Zeneca jeweils zwei Dosen notwendig sind. – Diese Angaben sind vorbehaltlich einer Zulassung des Impfstoffes von Astra Zeneca und der tatsächlichen Lieferfähigkeiten der Hersteller zu sehen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 39

Diese aktuellen Zahlen erklären sich durch sich laufend ändernde Liefermengen seitens der Hersteller, welche natürlich abhängig von logistischen Rahmenbedingungen, welt­weiten Produktionskapazitäten und Empfehlungen zur Zulassung seitens der Europäi­schen Arzneimittelbehörde – ich habe es in der Einleitung schon gesagt – laufend Schwan­kungen unterworfen sind.

Österreich hat ausreichend Kapazitäten, um die Verteilung der Impfstoffe sicherzustel­len. Auch die Umsetzung vor Ort in den Bundesländern funktioniert derzeit sehr, sehr gut, sobald die Impfstoffe in Österreich eintreffen. Ich habe da einen sehr guten Eindruck. Das heißt mit einem Wort: Wir sind jetzt von den Grundsatzentscheidungen in diesen zwei Tagen, Donnerstag und Freitag, entscheidend abhängig, damit wir klären können, wie wir den österreichischen Impfplan für die unterschiedlichen Altersgruppen und Risi­kogruppen adaptieren können und müssen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Vielen Dank für die Beantwortung, Herr Bun­desminister. Als Mitglied der Länderkammer habe ich noch eine Zusatzfrage: Welche Verantwortung tragen Sie als Gesundheitsminister bei den in den Bundesländern ver­anlassten Maßnahmen zur Test- und Impfstrategie?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Wir haben einen guten, intensiven Dialog, sowohl beim Testen als auch beim Impfen. Wir haben eine klare Arbeitsteilung. Beim Testen gibt es, wie Sie wissen, die österreichische Teststrategie. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang auch bei diesem Haus, das wesentlich dazu beigetragen hat, dass wir dabei Weiterentwicklungen haben, Stichwort Berufsgruppentestungen und deren Ermöglichung, Stichwort: Zu­gangstestungen und deren Ermöglichung.

Für uns ist das beim Ausbau wichtig, ebenso ist die konkrete Umsetzung in den Ländern beziehungsweise vor Ort entsprechend wichtig. Warum? – Weil wir natürlich jeweils ganz in der Nähe Testmöglichkeiten haben müssen. Ich nehme Bezug auf meinen der­zeitigen Hauptwohnort, auf Wien. In Wien besteht die Situation, dass es eigentlich in jedem Bezirk, also sehr, sehr nahe, Testungsmöglichkeiten gibt. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.) – Bitte? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach.) – Ja, das sage ich ja! Ich lobe ausdrücklich, dass das sehr gut ausgebaut wurde. Die Inanspruchnahme von Testungen hängt natürlich auch davon ab, ob gute Zugangs­möglichkeiten bestehen.

Schwieriger ist es in Flächenbundesländern, die natürlich deutlich mehr investieren müs­sen und noch mehr gefordert sind. Mein mittelfristiges Ziel ist es – das ist gestern auch noch einmal mit den Gesundheitsreferenten der Bundesländer besprochen worden –, dass wir möglichst in jeder Gemeinde ein Testangebot schaffen. Warum brauchen wir das? – Stellen Sie sich vor, dass etwa die Notwendigkeit besteht, dass man für bestimm­te Tätigkeiten einen Test vorweisen muss! Ich spreche jetzt – theoretisch – etwa vom Friseurbesuch. In diesem Fall wäre das theoretisch möglich. (Heiterkeit des Bundesrates Novak.) Das muss man sich einmal vorstellen: Wenn ich in meinem Heimatort für den Friseurbesuch keine Testmöglichkeit habe, sondern 20 bis 30 Kilometer fahren muss, dann ist das untragbar! Deswegen brauchen wir sehr, sehr bevölkerungsnah entspre­chende Testoptionen. – Punkt eins.

Der zweite Teil Ihrer Frage betraf die Impfungen: Auch diesbezüglich haben wir bei der LH-Konferenz mit den Bundesländern einen klaren Beschluss gefasst. Es wurde im Wesentlichen eine Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern, die im Übrigen in einem


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 40

dreiseitigen Papier ganz präzise festgeschrieben ist, festgelegt. Der Bund übernimmt die Beschaffung des Impfstoffes, die logistische Umsetzung und die entsprechende Impf­strategie beziehungsweise den Impfplan, der für die Bundesländer vorgegeben wird. Die Länder rollen aus und setzen in ihren Regionen nach ihren Möglichkeiten um.

Ich gehe davon aus, dass diesbezüglich auf die Bundesländer eine große Herausforde­rung zukommt, weiß aber, dass diese sich dessen bewusst sind und sich gut darauf vorbereiten, vor allem auf den Zeitpunkt, wenn wir dann große Mengen Impfstoff haben werden, und das wird vor allem im zweiten Quartal sein.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Sonja Zwazl gemeldet. – Bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Minister, Tests und vor allem rasche Tests sind für uns ganz wichtig , insbesondere auch in unseren Betrieben. Wir haben natürlich gehört, dass es Engpässe bei den Impfstoffen gibt.

Es gibt Hochrisikogruppen, die uns ganz besonders am Herzen liegen. Das sind nun einmal Menschen mit Immunschwäche, Behinderte mit eingeschränkten Lungenfunk­tionen und Hochbetagte. Daher ist unsere Frage beziehungsweise Bitte: Wie wird darauf geschaut, dass die Möglichkeit besteht, dass in diesen Fällen raschest geimpft wird?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, ich kann die Begründung und den Inhalt der Anfrage zu 100 Prozent unterschreiben und unterstützen. Es ist unsere Vorgangswei­se – gerade in dieser Situation, in der eine gewisse Knappheit der Impfstoffe europaweit und damit auch in Österreich besteht –, dass wir die Prioritäten wirklich nach gesundheit­lichem Risiko setzen. Deswegen hat es auch Veränderungen gegeben – Sie werden das in den Medien in den letzten Tagen wahrgenommen haben. Natürlich ist es für Betroffe­ne immer unangenehm, wenn sie nach einer Vorreihung wieder etwas rückgereiht wer­den, ich glaube aber, es ist gerade in dieser Situation extrem wichtig, dass wir uns auf die Frage des Erkrankungsrisikos als oberste Priorität konzentrieren.

Deswegen sind wir jetzt – und dafür danke ich allen Trägerinnen und Trägern und auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Ärztinnen und Ärzten – sehr erfolgreich in den Alten- und Pflegeheimen in Österreich tätig. Dort befindet sich die vulnerabelste Gruppe in Österreich. Deswegen haben wir diese Menschen an die Spitze des Vorgangs gesetzt, und die von Ihnen genannten Gruppen sind selbstverständlich in dieser ersten Priorität verbindlich fix verankert.

Implementierung und Durchführung der Covid-19-Impfungen obliegen, wie wir bereits besprochen haben und wie Sie wissen, den Bundesländern. Die Priorisierung zum Einsatz von Covid-19-Impfstoffen aus medizinisch-fachlicher Sicht wird empfohlen, um jene Personen frühestmöglich mit Impfungen gegen Covid-19 zu schützen, welche ent­weder ein besonders hohes Risiko haben, schwer zu erkranken oder zu versterben, oder welche ein besonders hohes beruflich bedingtes Ansteckungsrisiko bei gleichzeitiger Zugehörigkeit etwa zu einer kritischen Infrastruktur haben. Ich denke jetzt vor allem an die Menschen in den Gesundheitsberufen, an die Menschen, die in den Covid-Stationen in Österreich arbeiten. Man muss sich vorstellen: Es sind in Summe unglaubliche 36 000 Menschen, die im Umfeld von oder direkt in Covid-Stationen tätig sind. Dort sind wir bei den Impfungen mittlerweile schon sehr, sehr weit fortgeschritten.

Mit dieser Priorisierung soll sichergestellt sein, dass unter Berücksichtigung der einge­schränkten Impfstoffverfügbarkeit die Krankheitslast durch Covid-19 reduziert wird, schwere Krankheits- und Todesfälle vermieden werden, das Gesundheitssystem da­durch entlastet wird und die Impfstoffe dabei gleichzeitig medizinisch sinnvoll, gerechtfer­tigt und auch ethisch vertretbar eingesetzt werden. Deshalb wird zum aktuellen Zeitpunkt –


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 41

wie bereits gesagt – während der Phase eins vor allem in Alten- und Pflegeheimen und im Gesundheitsbereich mit hohem Ansteckungsrisiko geimpft.

Wir sind im Übrigen weitestgehend mit dem ersten Durchgang in den Alten- und Pflege­heimen durch. Das ist vielleicht auch für die Abgeordneten dieses Hauses eine wichtige Information. Wir gehen davon aus, dass wir in der zweiten Februarhälfte auch mit dem sogenannten zweiten Stich durch sind und damit die volle Wirksamkeit für alle, die sich im Bereich der Alten- und Pflegeheime impfen lassen wollten, gegeben sein wird. Rund 80 Prozent beträgt die derzeitige Impfbeteiligung, diese ist also bei den Bewohnerinnen und Bewohnern wirklich sehr, sehr hoch, denn sie wissen, dass für sie ein durchaus hohes Risiko besteht und dass sie sich so schützen können.

Weiters stellt der Bund derzeit – das ist eine Nebeninformation – verschiedene Materia­lien zur Verfügung, damit eine geordnete, der Priorisierung entsprechende Impfreihenfol­ge bestmöglich eingehalten werden kann. Dazu wird laufend das nationale Impfgremium beauftragt, die Priorisierung der Covid-19-Impfungen nach medizinisch-fachlichen Krite­rien zu evaluieren, weil sich ja auch etwas ändern kann, wie zum Beispiel jetzt: Es gibt eine Knappheit, das heißt, wir werden dieses Gremium beiziehen und überlegen, inwie­fern wir die Priorisierungen eventuell überdenken und neu definieren müssen.

Das wird im Übrigen auch auf unserer Homepage veröffentlicht sowie laufend aktualisiert und an alle relevanten Stakeholder mit der Bitte um Weiterreichung zeitnah übermittelt.

Um einen Verwurf an Impfstoff zu vermeiden – das ist ein ganz wichtiger Punkt! –, kann gegebenenfalls auch die Impfung von Personen mit geringerer Priorität vorgenommen werden. Wegen teils komplexer Lagerungsbedingungen der Impfstoffe und Mehrdosen­behältnisse kann es in der organisatorisch-logistischen Umsetzung vorkommen, dass von der medizinisch-fachlichen Priorisierung im Einzelfall geringfügig abgewichen wird, insbesondere um Impfstoffverwurf zu vermeiden.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Johannes Hübner gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Minister, Sie haben bei der Beant­wortung der Hauptfrage gesagt, dass die Durchführung beziehungsweise die Durchsetz­barkeit des Impfplanes weitgehend davon abhängt, ob die vertraglichen Lieferverpflich­tungen der Pharmafirmen erfüllt werden.

Nun sind diese Verträge ja nicht von Österreich direkt, sondern von der Kommission als Vollmachtnehmer der Mitgliedstaaten abgeschlossen worden. Derzeit ist die Informa­tionslage so, dass den Inhalt der Verträge niemand kennt. Die Kommission sagt, die Verträge sind geheim, und alle österreichischen Stellen, die man fragt, sagen, sie ken­nen die Verträge nicht, sie haben sie nicht, weder in Kopie noch als Informationsmaterial. Herr Minister, was ist da los? – Danke.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat! Was ist da los? – Es ist Folgendes los: Wir haben im Mai beziehungsweise Juni des vorigen Jahres die Situation gehabt, dass vier Nationalstaaten Verhandlungen mit potenziellen Produzenten von Impfstoffen begonnen haben, im Übrigen prioritär mit Astra Zeneca, mit denen wir jetzt – heute und morgen – das große Thema haben.

Bei diesen Verhandlungen sind bereits erste Verträge für Lieferungen von Astra Zeneca an diese vier Staaten entstanden. Österreich hat sich aber dann, so wie viele andere auf europäischer Ebene, sehr intensiv dafür eingesetzt, dass es ein europäisches und kein nationales Beschaffungsprogramm gibt. Ich glaube, das ist für uns als kleines Österreich vergleichsweise eine extreme Stärkung.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 42

Warum? – Man stelle sich nur vor, wir hätten die Akutsituation, dass Astra Zeneca nicht ausreichend liefern kann oder will – ich will es in dieser Situation gar nicht bewerten –, und wir als Nationalstaat, als kleines Österreich würden selbstständig, eigenständig und alleine mit diesem großen Giganten verhandeln. Ich glaube, dass wir da als Europa ge­meinsam einfach besser aufgestellt sind.

Die Kommission setzt sich über das Steeringboard, das die Verhandlungen begleitet und steuert und in dem die Nationalstaaten vertreten sind und so diese Verhandlungen ent­sprechend auch mitbeeinflussen können – damit haben wir einen Zugang, ein Mitspra­cherecht –, ganz intensiv dafür ein, dass diese vertraglich zugesicherten Vereinbarun­gen auch realisiert werden.

Lassen Sie mich noch einen Satz zu dem sagen, was vorgestern in den Medien die Verteidigungsstrategie – wollte ich jetzt beinahe sagen – von Astra Zeneca gewesen ist: dass es keine ausreichenden Verträge gebe und die Verträge zu spät abgeschlossen worden seien. Beides muss man ganz entschieden zurückweisen. Es hat von Beginn an, bereits im Juni, eine vertragliche Situation – mit Vertragsabschlüssen – der vier genann­ten Nationalstaaten, im Übrigen unter Beteiligung von Deutschland, mit Astra Zeneca gegeben.

Auf diese Verträge hat Europa beziehungsweise die Europäische Union dann aufgebaut, und der entsprechende Vertrag mit Astra Zeneca ist nach meinem Erinnerungsstand bereits im August des vergangenen Jahres abgeschlossen worden. Von einer kurzfris­tigen Situation kann man angesichts dieses Zeitplanes also überhaupt nicht sprechen. Wir gehen mit hundertprozentiger Sicherheit davon aus, dass es einen klaren vertrags­rechtlichen Anspruch für Europa auf diese Liefermengen gibt. – Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist allerdings die: Wenn ich einen Produzenten habe, der tatsächlich Produktionsschwierigkeiten an einem bestimmten Zulieferstandort hat – es geht um ein Werk in Belgien –, dann ist die Situation natürlich für beide Seiten eine schwierige. Das heißt, Europa übt jetzt Druck auf Astra Zeneca aus, damit wir bestmöglich erreichen, dass die vertraglich zugesagten Lieferungen auch tatsächlich verwirklicht werden kön­nen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross gemeldet. – Bitte schön.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Minister, eine Frage zu einem ergänzenden Instrument zum Impfplan: Bis wann rechnen Sie mit einer vollstän­digen Umsetzung des nationalen Impfregisters respektive des elektronischen Impfpas­ses?


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, danke für diese Frage! Es ist eine sehr, sehr wichtige Frage, die derzeit sozusagen ein bisschen im Abseits der öffentlichen Aufmerk­samkeit steht, aber ganz entscheidend ist. Warum ist das so entscheidend? – Weil wir mit dem elektronischen Impfpass natürlich viel mehr Transparenz und viel mehr öffent­liche Einsicht schaffen können, wenn es etwa um folgende Fragen geht: Welche Alters­gruppe ist bereits zu welchem Anteil geimpft? Wie schaut die soziografische Situation aus? Welche Regionen haben vielleicht da oder dort noch Lücken? Wir als Bund haben dann viel bessere Möglichkeiten, zu kontrollieren, ob die Impfstrategie des Bundes – deren Umsetzung in der Grundkompetenz der Aufteilung der Zuständigkeiten ja bei uns liegt – auch tatsächlich punktgenau umgesetzt wird. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass es natürlich für den einzelnen Bürger, für die einzelne Bürgerin viel, viel angenehmer ist – im Vergleich zum bisherigen haptischen Impfpass –, das elek­tronisch einsehen zu können und in der entsprechenden nächsten Ausbaustufe auch erinnert zu werden, wenn zum Beispiel eine Nachimpfung erforderlich ist oder gerade


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 43

eine Grippewelle beginnt. Wenn man da eine Kommunikationsmöglichkeit mit den Be­troffenen hat, ist das ein großer Vorteil.

Wo sind wir? – Der elektronische Impfpass war ein Projekt meiner Vorgänger und Vor­gängerinnen. Eine Vorgängerin hat einmal den Ausspruch getätigt: Das ist ein Projekt für das Jahr 2030! – Bis dahin hätten wir noch einige Zeit, deswegen haben wir seit Feb­ruar des vergangenen Jahres alles dafür getan, dass es zu einer umfassenden Be­schleunigung kommt. Ihr habt die entsprechende Beschlussfassung für die legistische Absicherung des elektronischen Impfpasses verwirklicht. Ich bedanke mich dafür, das ist ein sehr wichtiger Schritt gewesen.

Jetzt haben wir versucht, diesen Prozess möglichst zu beschleunigen, indem wir als erste Priorität mit den niedergelassenen Ärzten einmal die Implementierung der Software bei ihnen verankert haben, auch mit einem Fördersystem, das bei der Umsetzung sol­cher Dinge ja immer motivierend wirkt.

Wo stehen wir? – Unser Ziel war und ist, dass wir bis Ende März 100 Prozent der Imp­fungen im elektronischen Impfpass verzeichnet haben; und Sie sehen, wenn Sie heute auf das Dashboard des Gesundheitsministeriums zum Thema Impfen schauen, dass über 85 Prozent der Impfungen bereits im elektronischen Impfpass verzeichnet sind. Das heißt, wir sind sehr, sehr weit mit dem Ausrollen, und ich bin sehr zuversichtlich, dass dieser Zeitplan bis Ende März vollständig eingehalten werden kann. Einige Bundeslän­der sind sogar schon bei 100 Prozent.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky gemeldet. – Bitte schön.


Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, bis wann werden in den von Ihnen erwähnten drei Szenarien die über 80-Jährigen jeweils auch schon ihre zweite Teilimpfung erhalten haben?


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, ich kann Ihnen jetzt die Einzeldetails aller drei Szenarien nicht auswendig sagen, aber unser Ziel ist es auf jeden Fall, dass wir nach diesem genannten System der Priorisierungen die Gruppe der über 80-Jährigen gleich­berechtigt als Teil zwei nach den Alten- und Pflegeheimen impfen. Da sind wir in etlichen Bundesländern bereits mitten in der Umsetzung.

Es ist auch ein Mehrwert des elektronischen Impfpasses beziehungsweise des Impfre­gisters, dass ich dann Fragen wie: Wo stehen wir bei über 80-Jährigen?, per Knopfdruck beantworten kann. Da wird uns die Transparenz sehr, sehr helfen.

Das Ziel ist auf jeden Fall, dass wir diese Gruppe im ersten Quartal durchgeimpft haben, jedenfalls größtenteils. Es gibt in Einzelfällen immer wieder die eine oder andere kleine Abweichung, aber die Grundorientierung ist: im ersten Quartal.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 1919/M-BR/2021.

Ich bitte den Antragsteller, Herrn Bundesrat Christoph Steiner, um die Verlesung der Anfrage.


11.38.51

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Minister, mittlerweile ist das Thema Schulen ja in aller Munde, und es wurde zu Recht auch gestern im Ö1-„Morgenjournal“ darüber debattiert, dass es für Kinder in der psychiatrischen Einrichtung des AKH in Wien schon keinen Platz mehr zur stationären Aufnahme - -


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte kommen Sie zur Frage, Herr Bundesrat!


Bundesrat Christoph Steiner (fortsetzend): Ich komme zur Frage, Herr Minister:


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 44

1919/M-BR/2021

„Der allgemeine Lockdown soll am 8. Februar plangemäß beendet werden, weshalb aber wurde die bundesweite Corona-Rot-Ampel für Schulen bis 26. März verordnet, ob­wohl doch bereits schon heute die Inzidenz in einzelnen Regionen weit unter 100 liegt?“


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Abgeordneter, danke für diese Frage, danke auch für die kurze Wer­beeinschaltung für das Ö1-„Morgenjournal“! Ich finde, sie war sehr berechtigt.

Was aber Ihre konkrete Frage betrifft: Ohne in die Zuständigkeiten des Bundesministe­riums für Bildung, Wissenschaft und Forschung einzugreifen, kann die Frage dahin gehend beantwortet werden, dass zwar Inzidenzen ein wichtiger Parameter für die Be­urteilung der Lage sind, für uns aber grundsätzlich immer das gesamte Lagebild – also eine Gesamtbewertung – das Entscheidende ist. Für eine Beurteilung und Entschei­dungsfindung sind Projektionen sowie Modellrechnungen bezüglich der zukünftigen Ent­wicklungen heranzuziehen. Die Entwicklung der verschiedenen Mutationen des Erregers und insbesondere auch die Verhinderung der Ausbreitung dieser Mutationen sind dabei im Detail zu berücksichtigen, und genau daran arbeiten wir in einer guten Kooperation mit dem Bildungsministerium.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?


Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Ich glaube nicht, dass das eine Werbeein­schaltung für das Ö1-„Morgenjournal“ war, sondern dass es ein wichtiges Thema ist, wenn Krankenhäuser und psychiatrische Einrichtungen überfüllt sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Auf Basis welcher Zahlen, Herr Minister, beziehungsweise auf welcher Datenbasis wird eine Öffnung unserer Schulen für Sie und auch für den Kanzler und den Bildungsminister infrage kommen?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Danke, Herr Bundesrat, auch für diese Frage! Auf welcher Basis entschei­den wir? – Wir machen in dieser Woche eine sehr umfassende Analyse, Sie haben es vielleicht gehört: Am Montag haben wir ein breites, intensives Treffen mit unterschied­lichsten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern abgehalten, die uns eine Detailana­lyse über die aktuelle Infektionslage in Österreich dargelegt haben.

Wir haben, zweitens, am selben Tag eine eigene Runde mit den WissenschaftlerInnen und auch mit den Landeshauptleuten abgehalten. Ich finde das deswegen wichtig, weil es ja um gemeinsam zu tragendende Maßnahmen geht. Es ist unser Ziel, dabei einen breit abgesicherten Entscheidungsprozess zu verwirklichen.

Wir haben dann, drittens, am Montag bereits eine erste Runde mit den Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftlern und den Oppositionsparteien abgehalten. Ich glaube, auch das sollte in Zeiten der Krise eine Kultur sein, die wir uns bewahren sollten: dieses gemeinsame Gespräch, dieses gemeinsame Finden von Entscheidungen, so schwierig es in dieser Situation auch sein mag.

Wir haben das im Lauf dieser Woche fortgesetzt, deswegen habe ich bereits am Diens­tag eine entsprechende Sitzung meines ExpertInnenberaterstabs gehabt, in der es ebenfalls um diese Fragen gegangen ist. Wir haben heute Nachmittag die Sitzung der Coronakommission ebenfalls zu diesem Thema, und es gibt laufend – zum Beispiel heute Früh – Detailrunden mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die uns zur


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 45

Bewertung der Lage ihre Analyse vorlegen. Das ist wichtig, damit man einen fachlich profund fundierten Entscheidungsprozess verwirklichen kann.

Nach welchen Kriterien erfolgen die Entscheidungen? (Bundesrat Steiner: Zahlen!) – Ich habe es bereits bei der Beantwortung der ersten Frage gesagt: Es ist immer ein Gesamtbild, das sich im Wesentlichen erstens auf Basis der Tageswerte der entspre­chenden Neuinfektionen findet und daraus zusammensetzt. Unser Ziel ist es, dass wir unter den Wert 1 000 kommen. Sie wissen, wir sind in den vergangenen Tagen bei rund 1 300, 1 400, 1 500 gewesen.

Zweitens wollen wir mit dem sogenannten effektiven Reproduktionsfaktor, der entschei­dend dafür ist, dass wir wissen, wie hoch das Ansteckungsrisiko in der Gesellschaft ist, noch deutlich runterkommen. Wir müssen deutlich unter 1 bleiben, was wir im Übrigen seit mehreren Wochen sind. Wir sind heute bei 0,9. Das ist noch nicht der Wert, den ich anstrebe – 0,8 wäre unser Zielwert –, aber zumindest die Richtung stimmt.

Der dritte Indikatorwert für uns ist die Situation der Belegung der Intensivstationen. Das ist deswegen wichtig, weil es ja um den Erhalt der Handlungsfähigkeit geht, um das Vermeiden von entsprechend schwierigen Prozessen, dass zum Beispiel lebensgefähr­lich verletzte Menschen keine Behandlung in einer Intensivstation mehr erhalten könn­ten, wenn zu viele Covid-PatientInnen in Intensivabteilungen liegen. Wir hatten Mitte No­vember bereits über 700 schwer erkrankte Covid-PatientInnen auf unseren Intensivsta­tionen und konnten diese Zahl auf mittlerweile rund 300 absenken. Das heißt, auch da stimmt der Kurs grundsätzlich, von der Stoßrichtung her gesehen.

Der vierte Bereich – ganz entscheidend – ist natürlich die Frage der Todesfälle, die es in Österreich gibt. Diese Zahl war im November, Dezember sehr hoch – das muss man wirklich sehr, sehr selbstkritisch sagen –, nämlich bei rund 100 Todesfällen pro Tag. Das ist viel zu hoch. Jeder einzelne ist zu viel. In Zeiten der Pandemie aber können wir welt­weit nicht hundertprozentig vermeiden, dass es zu entsprechenden Situationen kommt. Ich bin sehr froh darüber, dass es jetzt im Schnitt 50 Todesfälle sind, das heißt, wir haben eine Halbierung geschafft.

Das sind die Indikatoren, aus denen sich die Entscheidung strukturieren und zusammen­setzen wird.

Der letzte Punkt – Sie kennen es, Sie wissen es –: Wir haben Mutationen, die ent­sprechend riskanter sind, die eine höhere Ansteckungsintensität haben, etwa die Muta­tion B.1.1.7, im öffentlichen Wortgebrauch auch als das britische Virus bekannt. Groß­britannien kann nichts für diese Bezeichnung, die Mutation ist nur dort zuerst gefunden worden, deswegen diese Bezeichnung.

Die Frage, wie schnell sich dieses Virus im Vergleich zum Stammvirus durchsetzt, ist ebenfalls eine entscheidende Frage. Wie schauen die Trends aus? Wie dynamisch ist dieser Zuwachs? – Ich kann Ihnen zum Schluss dieser Beantwortung ein Beispiel nen­nen. Ich habe vorgestern Gespräche mit Vertretern aus Israel geführt, die mir Folgendes erzählt haben: In Israel hatten sie Anfang Jänner keinen einzigen bestätigten Muta­tionsfall, und mittlerweile liegt der Anteil in Israel bei 45 Prozent. Das heißt, wenn die Verbreitung dieser Mutation wirklich zugelassen wird, kommt es zu einem sehr, sehr dynamischen Prozess.

Ich hoffe, ich habe das jetzt umfassend und ausführlich beantwortet. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundes­minister, Sie haben das Wesentliche meiner Zusatzfrage eigentlich schon vorwegge­nommen, nämlich die Frage nach neuen Erkenntnissen hinsichtlich der Mutationen aus


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 46

Großbritannien, Südafrika und Brasilien. Ich denke, der Herr Bundesminister hat dazu schon alles Wesentliche, was es zu sagen gibt, gesagt.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Sehr geehrter Herr Bundesrat, ich werde es kurz zusammenfassen und zusätzlich noch zwei Punkte anfügen. Was haben wir im Augenblick an wesentlichen Erkenntnissen? – Das erhöhte Ansteckungsrisiko habe ich bereits genannt. Wichtig ist für uns die Frage, ob tatsächlich alle Impfungen auch bei dieser Mutation wirken. Her­steller der MRNA-Impfstoffe prüfen trotzdem bereits Anpassungen, und ob es Weiterent­wicklungen der Impfstoffe braucht.

Wichtig ist, dass wir bisher keinen Unterschied in Altersverteilung und Krankheitsschwe­re feststellen konnten. In Österreich sehen wir eine punktuell sehr, sehr unterschiedliche Entwicklung, was die Ausbreitung, was die Dynamik betrifft. Das wäre im Wesentlichen der aktuelle Wissensstand dazu.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Andrea Kahofer zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Damit wir den Schulbetrieb unter all diesen Voraussetzung endlich wieder aufnehmen können, wird es ja – unum­stritten – von großer Bedeutung sein, dass Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte regel­mäßig, laufend getestet werden.

Wann, Herr Bundesminister, werden dazu endlich die Antigentests zur Eigenanwen­dung – die ja gerade für diese Gruppe sehr wichtig wären –, aber auch die Wohnzimmer­tests, auf die die Bevölkerung wartet, zugelassen? – Danke.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Bitte Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, ich kann zu 100 Prozent bestätigen, dass die Testungen im Bereich der Schulen ein ganz zentraler, entscheidender Schutzfaktor sein werden – je kontinuierlicher, desto besser. Ich weiß, dass auch der Bildungsminister sehr intensiv daran arbeitet. Das ist aber natürlich immer von der Genehmigungssitua­tion der entsprechenden Tests abhängig. Die Tests funktionieren, ich habe das an mir selbst schon mehrfach probiert. – Sie auch, sehe ich an Ihrer Gestik. Deshalb glaube ich, dass wir sehr zeitnah große Schritte in die richtige Richtung machen können.

Der Selbsttest wird grundsätzlich nicht den bisherigen Antigentest und den PCR-Test ersetzen können, aber er wird eine wichtige Ergänzung sein, vor allem auch im schuli­schen Bereich, wo es doch auch um Empfindsamkeiten, um Sensibilitäten geht. Bei Kindern ist das Testen mit der herkömmlichen Methode manchmal einfach ein bisschen schwierig umzusetzen, und es sind bestimmte Aversionen entstanden. Mit dem Selbst­schnelltest können wir – wie der Name schon sagt – schneller sein. Dieser kann auch zu Hause durchgeführt werden. Das heißt, das ist eine angenehmere, barrierefreie Zu­gangsmöglichkeit, von der sich das Bildungsministerium – wie ich meine, zu Recht – viel verspricht.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Andreas Lackner zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister, welche wissenschaftlichen Überlegungen und Erkenntnisse sind in die Entscheidungen für den Lockdown miteingeflossen?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 47

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Danke, Herr Bundesrat, für diese Schlüsselfrage! Wir haben ja, wie Sie wissen, grundsätzlich das Instrument der Berichtspflicht und der Genehmigungspflicht im Hauptausschuss des Nationalrates im entsprechenden COVID-19-Maßnahmenge­setz verankert. Das ist deswegen wichtig, weil damit zumindest alle zehn Tage erstens parlamentarische Transparenz vorhanden ist und zweitens auch eine wissenschaftlich basierte Begründungsnotwendigkeit für uns gegeben ist.

Wir legen diesen Bericht natürlich bei jeder Hauptausschusssitzung mit dem entspre­chenden Antrag beziehungsweise Verlängerungsantrag dem Nationalrat vor. Wir kön­nen das bei Gelegenheit gerne auch dem Bundesrat einmal im Detail übermitteln. Da gibt es eine akribische Darstellung, was die wissenschaftlichen Hintergründe sind.

Im Wesentlichen sind es einerseits die bereits genannten Faktoren, nämlich der tägliche Neuinfektionswert, die Siebentageinzidenz, der Reproduktionsfaktor – wie bereits ge­nannt – und vor allem auch die Frage der Belastung und der Handlungsmöglichkeiten unserer Spitäler mit dem Ziel, notwendige Triagen auf jeden Fall zu 100 Prozent zu ver­meiden.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf Sie darauf hinweisen, dass zur Be­antwortung der Anfragen noch 60 Minuten zur Verfügung stehen. In diesem Zusammen­hang hat sich Frau Fraktionsvorsitzende Bundesrätin Korinna Schumann zur Geschäfts­ordnung gemeldet. – Bitte schön.

*****


11.51.31

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich darf mich zur Geschäftsordnung melden und um kürzere Fragebeantwortungen ersuchen. Es stehen noch so viele Fragen aus, und es ist, glaube ich, wichtig, dass wir alle Fragen stellen können. – Vielen Dank.

*****


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich darf daher auch nochmals darum ersuchen, wirklich ganz konkret bei den Anfragen zu bleiben.

Wir kommen nun zur 5. Anfrage, 1915/M-BR/2021.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger, um die Verle­sung der Anfrage. – Bitte schön.


11.52.06

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister!

1915/M-BR/2021

„Welche Inhalte werden im Rahmen der Pflegereform behandelt?“


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, danke wieder für die Anfrage! Das Thema ist natürlich sehr breit, ich werde mich trotzdem bemühen, bei der Beantwortung unter einer Stunde zu bleiben. (Bundesrätin Schumann – erheitert –: Bravo!) – Das ist schwie­rig, weil es natürlich ein Riesenthema ist.

Im Rahmen der Pflegereform wird in der Taskforce Pflege eine Abstimmung und Koor­dination aller Stakeholder unter anderem zur gemeinsamen Steuerung der Angebots-


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 48

und Bedarfsplanung, zur Evaluierung von Best-Practice-Beispielen und zur Ergebnis­qualitätssicherung in den Bereichen häuslicher und stationärer Pflege und alternativer Wohnformen vorgenommen. Das ist sozusagen ein Schwerpunkt.

Darüber hinaus werden im Rahmen der Taskforce auch weitere Maßnahmen unter Be­rücksichtigung der aktuellen Herausforderungen erarbeitet, die im Sinne aller Betroffe­nen zu einer Stärkung und Weiterentwicklung der Qualitätssicherung beitragen. Sämtli­che Themen des Regierungsprogramms werden im Rahmen der Taskforce erörtert und präzisiert.

Dazu wurden fünf thematisch organisierte Arbeitsgruppen eingerichtet: erstens: Verläss­lichkeit in der Pflege und Sicherheit des Systems; zweitens das Ziel: Einsamkeit mindern und das Miteinander fördern; drittens: Pflegekräfte wertschätzen, auch finanziell; der vierte Bereich ist das Thema: Entlastung für pflegende Angehörige schaffen und De­menz begegnen; und der fünfte Bereich ist: vorausschauend planen und gestalten.

Begleitet wird die Taskforce Pflege von einer Steuerungsgruppe. Die Ergebnisse der Arbeiten werden in den nächsten Tagen vorliegen. Die Taskforce Pflege soll im Jahr 2021 in eine Zielsteuerungskommission münden. Diese wird zur Abstimmung und Koordination sowie zur gemeinsamen Steuerung implementiert.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Herzlichen Dank für die kurze Zusammenfassung des wirklich umfassenden Themas!

Ich hätte eine Zusatzfrage, und zwar im Zusammenhang mit den pflegenden Angehöri­gen: Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um die Situation der pflegenden Ange­hörigen zu verbessern?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Das ist einer der zentralen Themenschwerpunkte. Warum? – Unser ganzes System würde nicht funktionieren, hätten wir die pflegenden Angehörigen nicht, und sie in einer extrem kräfteraubenden Lebenssituation zu unterstützen ist ein primäres Anlie­gen aller, die im Pflegebereich tätig sind.

Einerseits geht es um den Ausbau der kostenlosen und wohnortnahen Beratung zur Pflege und Betreuung für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige sowie des Casemanagements zur Gestaltung von individuellen Pflege- und Betreuungsarrange­ments. Das ist einer der zentralen Schwerpunkte.

Der zweite ist die Einführung von einem oder mehreren pflegefreien Tagen als Unter­stützung für pflegende Angehörige und auch zur Burn-out-Prophylaxe.

Dritter Punkt ist die schrittweise Etablierung von Communitynurses als zentrale An­sprechpersonen für die zu Pflegenden und deren Angehörige sowie zum Beispiel zur Koordination von mobilen Diensten.

Vierter Punkt ist die Etablierung einer umfassenden Internetinformationsplattform für Be­troffene sowie deren An- und Zugehörige. Diese sollen über ein besseres, ausgewei­tetes, aber auch gebündeltes Informationsangebot verfügen, über regional bestehende Hilfsmöglichkeiten Bescheid wissen, wo und wie diese auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können.

Ein weiterer Punkt ist: Im Sinne der Prävention und der Nachhaltigkeit der Maßnahme wurde eine Ausweitung des Angehörigengesprächs auf drei Gesprächseinheiten durch­geführt – kaum bekannt in Österreich, aber ein extrem wichtiges und wirksames Instru­ment.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 49

Schließlich ist, um die Situation dieser Personengruppe zu verbessern, geplant, dem Regierungsprogramm entsprechend eine Studie „Älter werdende Eltern mit Pflegever­antwortung“ zu vergeben. Dabei sehen wir einen weiteren ziemlich großen Handlungs­bedarf.

Schlussendlich ist grundsätzlich anzumerken, dass auch im Rahmen der Taskforce Pfle­ge eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Entlastung für pflegende Angehörige und De­menz begegnen besteht. Ich habe es schon bei der Frage davor gesagt. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe werden sodann auf deren Umsetzung hin zu bewerten sein.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesrat Günther Novak hat sich zu einer Zusatzfrage zu Wort gemeldet. – Bitte schön, Herr Bundesrat.


Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Bundesminister, meine Zusatzfrage wäre: Wie wollen Sie im Zuge der Pflegereform sicherstellen, dass Österreich im Bereich der 24-Stunden-Betreuung unabhängiger von ausländischen Betreuungskräften wird?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Sehr geehrter Herr Bundesrat, das ist eine riesige Herausforderung, in vie­lerlei Hinsicht. Wir haben derzeit sehr, sehr viele 24-Stunden-Betreuerinnen und -Be­treuer – ich vermeide das Wort Pflege, weil es doch ein sehr unterschiedlicher Ansatz ist –, wir haben sehr, sehr viele Agenturen, und wir haben aus meiner persönlichen Ein­schätzung heraus sehr unterschiedliche Qualitätsstandards, die in diesem Bereich zu finden sind.

Das heißt, unser zentraler Zugang ist, Qualitätssicherung voranzutreiben. Sie wissen, wir haben ein eigenes Zertifikat zur Qualitätssicherung dieser Agenturen geschaffen. Es ist mein erklärtes Ziel, das sehr, sehr rasch voranzutreiben. Es ist allerdings bei – wenn ich es richtig in Erinnerung habe – über 800 Agenturen kein ganz einfaches Unterfangen. Das ist ein zentraler Hebel für diese Qualitätssicherung.

Ein zweiter Hebel ist, dass wir auch das Modell von Betreuung in Österreich selbst aus­bauen wollen. Ich habe gerade gestern eine Gruppe aus Linz bei mir gehabt, die diese Tätigkeit, diese Arbeit bereits schrittweise in Oberösterreich unabhängig ausrollt. Da wird es um die Frage der Förderung, der Unterstützung, der Absicherung, aber auch um Qua­litätsstandards gehen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Thomas Schererbauer zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister, ich habe noch eine Frage zu den pflegenden Angehörigen. Derzeit pflegen circa 59 000 Per­sonen ihre Angehörigen. 73 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen. Um das bewältigen zu können, stecken sie privat, aber auch beruflich zurück. Wie wollen Sie dieser Entwicklung entgegenwirken?


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, diese Zahlen sind absolut korrekt. Ja, das ist sehr, sehr „frauenlastig“ – unter Anführungszeichen –, eigentlich kein Zufall in unserer Gesellschaft. Das ist die reale Lebenssituation, und wir müssen uns ganz einfach über­legen, wie wir Absicherungswege, Unterstützungswege in diesem Bereich besser ver­wirklichen können. Das ist ein spezifischer, eigener Teil der Erarbeitung im Bereich der Pflegereform, und dazu kommen natürlich die genannten Beratungs-, Unterstützungs- und Entlastungsoptionen, die ich bereits vorhin genannt habe.

Sie haben völlig recht, das ist eine extreme Anforderung. Ich kann mich erinnern, ich habe vor Kurzem eine pflegende Angehörige vor mir stehen gehabt, die mir gesagt hat:


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 50

Es ist eigentlich eine Arbeit 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, und es gibt kaum eine Möglichkeit des Durchschnaufens. Du hast immer ein schlechtes Gewissen, wenn du 3 Stunden wegmusst, zum Arzt fährst, weil du nicht weißt, wie dann die Situa­tion ist.

Das heißt, diese Schritte hin in Richtung Pausen, hin in Richtung Urlaubsmöglichkeiten zu schaffen ist aus meiner Sicht einmal das erste, ganz primäre Ziel.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl (den Vorsitz übernehmend): Zu einer weiteren Zusatz­frage hat sich Frau Mag.a Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Bitte.


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Herr Bundesminister, welche Maßnahmen sind geplant, um die belastende Situation von Young Carers, das sind Zig­tausende Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern, Geschwister oder andere Familienan­gehörige pflegen, zu verbessern?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, das ist ein großes Thema, das weitgehend unbekannt und undiskutiert ist. Als Young Carers werden eben Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bezeichnet, die regelmäßig und über einen längeren Zeitraum die Be­treuung eines chronisch kranken Familienmitglieds übernehmen. Das ist die Realität in vielen, vielen Lebenssituationen in Österreich: Neben Haushaltstätigkeiten und der Ob­sorge für gesunde Geschwister sind sie oftmals auch in klassische Pflegeaktivitäten involviert, die normalerweise von Erwachsenen erledigt werden. Young Carers überneh­men somit in unserer Gesellschaft nahezu unbemerkt überdurchschnittliche pflegerische Verantwortung.

Wir haben zum Thema Einsicht in die Situation pflegender Kinder und Jugendlicher in Österreich bereits vor Jahren Studien machen lassen beziehungsweise in Auftrag ge­geben. Diese belegen bundesweit einen Anteil von 3,5 Prozent beziehungsweise rund 42 000 pflegende Kinder und Jugendliche im Alter von fünf – das muss man sich vor­stellen! – bis 18 Jahre.

Die Betreuungstätigkeiten erfolgen natürlich in unterschiedlicher Intensität und Dauer, das ist auch abhängig von der Alterssituation. Das durchschnittliche Alter beträgt 12,5 Jahre. 70 Prozent der im Familienverband pflegenden Kinder und Jugendlichen sind weiblich. – Auch da haben wir wieder dieselbe Situation.

Zur Forcierung der Sensibilisierung, insbesondere für betroffene Kinder und Jugendliche selbst, andererseits aber auch für involvierte Berufsgruppen und für die Öffentlichkeit, erfolgten bereits verschiedene breit angelegte Kampagnen. Young Carers bedürfen einer erhöhten Aufmerksamkeit sowie zielgruppenspezifischer und innovativer Unter­stützungsangebote.

Die Informationen für diese Zielgruppe müssen in Sprache und Design so aufbereitet sein, dass sie den Kommunikationsformen von jungen Menschen entsprechen, das heißt, die zweitausendste Broschüre bringt in diesem Zusammenhang relativ wenig. Deswegen arbeiten wir derzeit an der Entwicklung einer App für Young Carers, und diese soll auch eine Informationsmöglichkeit für Eltern, Lehrpersonen und sonstige Interes­sierte in diesem Gesamtbereich darstellen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, 1921/M-BR/2021.

Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin Eva Prischl, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte.


12.02.42

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister!


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 51

1921/M-BR/2021

„Welchen Zeitplan haben Sie für die von Ihnen angekündigte große Pflegereform konkret vorgesehen?“


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Liebe Frau Bundesrätin, die Zeitpläne der Vergangenheit waren über sehr lange Zeiträume, denn wir diskutieren mittlerweile seit Jahrzehnten über Pflegereformen in Österreich. Die im Jahr 2020 implementierte Taskforce Pflege – das war de facto der Start – hat die Ausarbeitung eines konkreten strategischen Plans zum Ziel. Um jene Themenfelder zu ermitteln, die für Betroffene und deren Angehörige, Pflegepersonen, ExpertInnen und die Öffentlichkeit von prioritärer Relevanz sind, wurde ein breiter Ent­wicklungs- und Gesprächsprozess angesetzt. Dieser besteht in Wirklichkeit aus vier zen­tralen Elementen: der Dialogtour – morgen im Übrigen die letzte Etappe –, Einzelgesprä­chen mit FachexpertInnen im Ministerium selbst, dem digitalen Beteiligungsprozess, der von Mitte Juli bis Mitte August stattgefunden hat, sowie einer Fachtagung, die am 20.10. den Start der entsprechenden Arbeitsgruppen ausgelöst hat.

In der Erarbeitung eines Endberichtes, mit dessen Fertigstellung ich in den nächsten Tagen rechne, wurden darüber hinaus Positions- und Strategiepapiere sowie aktuelle Studienergebnisse integriert. Begleitet werden die Arbeiten von einer Steuerungsgrup­pe. Mit dem Endbericht – wie gesagt, in den nächsten Tagen, ich rechne nächste Woche damit – wird der Prozess der Taskforce Pflege auf der einen Seite abgeschlossen, was die inhaltliche Erarbeitung betrifft, und gleichzeitig auf Basis der Ergebnisse der Task­force Pflege die Phase der Umsetzung der wesentlichen Schwerpunkte ab 2021 ge­startet.

Da werden Etappenziele formuliert, Zeitpläne verankert, denn man muss ganz offen und ehrlich sagen, das Ausrollen wird keine Tätigkeit für ein paar wenige Monate sein, son­dern es wird ein Prozess sein, der auch dauern wird. Die Taskforce Pflege soll im Jahr 2021, in den nächsten Monaten, auf jeden Fall im ersten halben Jahr, in einer Ziel­steuerungskommission Pflege münden, besetzt durch Gemeinden, Städte, Länder und Bund, deren Aufgabe es sein wird, gemeinsam diese Inhalte umzusetzen und auszurol­len. Das ist unser zeitliches Vorhaben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Ich frage Sie, Frau Bundesrätin: Ist eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Herr Minister, Sie haben diese Com­munitynurses angesprochen. Welche Aufgabe haben sie konkret, und welche Rolle wer­den sie spielen?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Betreffend die Communitynurses gibt es ja international im Wesentlichen zwei große Modellrichtungen: Modelle, die einerseits in den Niederlanden und Skandina­vien – wie so oft schauen wir eigentlich immer in dieselben Regionen, was innovative Projekte betrifft – und andererseits auch bereits in Deutschland ausgerollt wurden.

Unser Ziel ist es, dass wir eine Mischung zustande bringen: Einerseits geht es um die Tatsache – Sie haben sicherlich die Studie, die im Sommer vom Wirtschaftsforschungs­institut im Auftrag des Gemeindebundes vorgelegt wurde, registriert –, dass ein großer Mangelbereich in Österreich derzeit das regionale Beratungsangebot ist. – Das muss ich ein bisschen relativieren, denn mittlerweile habe ich gelernt, dass in manchen Bundes­ländern bereits eine sehr gute Pflegeberatung ausgerollt wird – Salzburg als ein Beispiel,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 52

dort funktioniert das im Übrigen hervorragend. Gleichzeitig soll diese regionale Beratung verstärkt auch zur Bedarfserarbeitung eingesetzt werden.

Das heißt, unser Ziel wird sein, dass wir mit dieser neuen Struktur und mit diesem per­sonellen Angebot erstens die Beratungstätigkeit für Menschen, die neu in die Pflegesi­tuation kommen, realisieren, dass wir zweitens auch die Bestandsaufnahme und die Be­darfsabschätzung in der Region gut akkordieren, in Kooperation mit den Sozialhilfever­bänden oder in manchen Regionen mit den Sozialabteilungen der Länder, und dass sie drittens dort auch praktische Beratungstätigkeit durchführen.

Es ist ja alles andere als einfach, wenn ein Mensch plötzlich in die Situation kommt, zum Beispiel aufgrund des Todes eines Elternteils, dass er von heute auf morgen die Pflege übernehmen muss. Da heißt es ja auch, Praxis zu erwerben und Tipps zu kriegen. Das ist also der dritte Bereich.

Der vierte Bereich, das würde mir schon vorschweben, ist, da auch einen Akzent in Rich­tung Gesundheitsvorsorge und entsprechender Beratung zu setzen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke schön.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Bundesrat Ernest Schwindsackl zu Wort gemel­det. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister, was wer­den Sie unternehmen, um die Ausbildung in den Pflege-, Sozial- und Betreuungsberufen so aufeinander abzustimmen, dass ein Wechsel zwischen diesen Berufen ohne Anrech­nung von Ausbildungen erleichtert wird?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, bereits derzeit enthalten die ausbildungsrele­vanten Regelungen der Pflegeberufe im Gesundheits- und Krankenpflegerecht Anrech­nungsbestimmungen, die sicherstellen, dass bereits absolvierte Ausbildungsinhalte ge­genseitig angerechnet werden und angerechnet werden müssen. Dies gilt auch für die auf Sekundarstufe angesiedelten Bereiche der Pflegeassistenz- und der Pflegefachas­sistenzausbildung. Vergleichbare Regelungen gibt es ebenfalls bei den landesgesetzlich geregelten Sozialbetreuungsberufen.

Für Ausbildungen im FH-Bereich besteht bei entsprechender Vorbildung gemäß fach­hochschulrechtlichen Regelungen ebenfalls die Möglichkeit von Anrechnungen wie auch die Möglichkeit von zielgruppenspezifischen Studiengängen, bei denen im Studienpro­gramm bereits die Vorbildung berücksichtigt werden kann und, wie ich meine, auch sollte.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Thomas Dim zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister, der Klubobmann der ÖVP im Nationalrat, August Wöginger, hat in einem Interview einmal gemeint, eine Lösung der Pflegeproblematik wäre auch, dass es künftig weniger pflegebedürftige Per­sonen gäbe. Das soll durch Präventionsmaßnahmen funktionieren.

Jetzt ist meine Frage: Wann werden Sie diese Idee umsetzen? (Bundesrat Schennach: Das hat er sicher nicht ernst gemeint!)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, ich kenne diesen Zeitungsbericht wirklich


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 53

nicht und ich weiß auch nicht, ob der geschätzte Kollege Wöginger jetzt authentisch interpretiert wurde, aber gehen wir einmal - - (Bundesrat Dim: „Presse“-Artikel, 28.9. in der „Presse“!) Ich will es gar nicht abstreiten, man kann es auch nicht kontrollieren, ich wollte nur sagen, ich kenne den Bericht nicht, und daher kann ich das nicht bewerten, aber natürlich ist es so, dass die Vorsorge und die Gesundheitserhaltung ein ganz zen­traler Bereich in unserer Gesellschaft werden müssen. Davon reden wir in Wirklichkeit seit Jahrzehnten, wir haben aber noch sehr, sehr viel zu tun.

Was ist der Hintergrund? – Sie wissen es: Aufgrund der demografischen Entwicklung werden uns zusätzliche Lebensjahre – ich sage immer so – geschenkt. Unser Ziel ist, dass wir diese Lebensjahre möglichst in Würde und Gesundheit erleben können. Je län­ger wir das tun können, desto besser ist das für jeden Einzelnen. Das heißt, Bewusstsein im Gesundheitsbereich, Information und Vorsorgemaßnahmen wollen und werden wir auch im Bereich der Pflegereform deutlich verstärken müssen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu einer abschließenden Zusatzfrage hat sich Frau Mag.a Elisabeth Kittl zu Wort gemel­det. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Lieber Herr Minister, welche Ergebnisse hat der digitale Beteiligungsprozess gebracht?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Dieser hat außergewöhnlich viele und außergewöhnlich einheitliche Er­gebnisse gebracht, davon war ich eigentlich am meisten beeindruckt. Er wurde von der Gesundheit Österreich durchgeführt, und zwar in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte August des vergangenen Jahres, im Rahmen einer Onlineumfrage, mittels Fragebogen. Abge­fragt wurden dabei Pflege- und Betreuungsangebote, die Zufriedenheit damit, weitere Kapitel und Fragestellungen waren Dienstleistungsinnovation, der Bereich des Pflege­personals, Arbeitsbedingungen und Ausbildung sowie pflegende An- und Zugehörige beziehungsweise natürlich die großen Finanzierungsfragen.

Insgesamt haben sich mehr als 3 300 Personen beteiligt, davon 36 Prozent aus Orga­nisationen und 64 Prozent Privatpersonen. Das heißt, durch die Organisationen gehen wir davon aus, dass wir mit dieser Befragung in diesem System 10 000 Betroffene er­reicht und damit einen direkten Kommunikationsprozess geschafft haben.

Mein Ziel ist ja, dass ich keine Reform vom Schreibtisch aus entwickle, sondern gemein­sam mit den Betroffenen.

Was war das größte Thema? – Überraschenderweise war bei den Rückmeldungen ganz vorrangig das Thema Personal: Sie haben zu wenig Zeit, Verbesserungen der Arbeits­bedingungen, die erforderlich sind, sowie das Themenfeld Entbürokratisierung. Das wa­ren die drei Kernbereiche zum Thema Personal, das das prioritäre Thema war.

Die Breite des Angebots in Österreich im Bereich der Pflege wird von den Rezipienten grundsätzlich sehr, sehr positiv bewertet. Auch das ist eigentlich ein guter Schritt. Das heißt, wir brauchen eine Pflegereform, obwohl wir eigentlich ein gutes System haben.

Bemängelt wurden unterschiedliche Organisation und Ausgestaltung, das heißt, sehr unterschiedliche Standards in Teilbereichen, zum Beispiel zwischen Bundesländern. Das ist ja auch die Grundkritik des österreichischen Rechnungshofes, Stichwort keine gemeinsamen Steuerungs- und Planungsgrundlagen.

Sehr oft wurde auch das Thema der Communitynurses – nach dem gerade gefragt wur­de – genannt. Im Rahmen der Taskforce Pflege soll nun das genaue Aufgabengebiet auch auf Basis dieser Vorschläge, die im Bereich des digitalen Beteiligungsprozesses vorgelegt wurden, erarbeitet werden.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 54

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 1918/M-BR/2021.

Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin Andrea Michaela Schartel, um die Verlesung der Anfrage. – Bitte, Frau Bundesrätin.


12.13.00

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bun­desminister!

1918/M-BR/2021

„Haben Sie mit Pharmaunternehmen, die Medikamente zur Behandlung von Covid-19 herstellen, Kontakt aufgenommen, um einen Vorrat an Medikamenten zu sichern, die für Menschen zur Behandlung verwendet werden können, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können/dürfen?“


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzte Frau Bundesrätin, das Gesundheitsministerium hat generell bereits frühzeitig eine ausreichende Bevorratung des bis dato einzigen in der EU für die Behandlung von Covid-19-Patienten zugelassenen Arzneimittels – Sie kennen es, das ist Remdesivir – sichergestellt und eine bedarfsgerechte Verteilung auf die Bundeslän­der organisiert. Gleichzeitig wird über die zuständige Fachabteilung der Ages eine lau­fende Bewertung der entsprechenden Angebote durchgeführt. Drittens haben wir einen laufenden Fachdialog mit den Vertretern und Vertreterinnen der intensivmedizinischen Abteilungen und den Spezialistinnen und Spezialisten im Impfbereich, um entsprechen­de Bedarfe zu klären. Wenn es für Medikamente, die in Entwicklung oder bereits vorlie­gend sind, Bedarfsmeldungen gibt, dann werden die auch realisiert. Es gibt in Österreich auch eine laufende Analyse und Bewertung neuer Medikamente, die auf dem Markt ent­stehen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Wird von der Frau Bundesrätin eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.


Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister, das heißt, es gibt diese Medikamente, wie Sie sagen. Meine Frage ist: Wie wird es funktio­nieren, dass jene Menschen, die zum Beispiel diese Medikamente dringend bräuchten, aber unter Umständen – was man bei dem Chaos ein bisschen voraussetzen kann – die behandelnden Ärzte oder das Spital diese nicht zur Verfügung haben, diese Medikamen­te wirklich bekommen?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Das Erste ist eben, wie bereits gesagt, die Fachbewertung der Angebote. Das läuft auf europäischer Ebene beziehungsweise über unsere Bundesagentur im Rahmen der Ages. Frau Kollegin Wirthumer-Hoche ist die Chefin und macht das sehr, sehr professionell und verantwortungsbewusst. Zweitens machen wir den laufenden Be­wertungsprozess, was – wie soll ich sagen? – das Potenzial von bestimmten Medika­menten betrifft, durch ein eigenes Fachinstitut. Erst dann, wenn es aufgrund direkter Empfehlungen zur entsprechenden Zulassung kommt, kann in die Verteilung und in den Informationsprozess, den Sie angesprochen haben, gegangen werden. Dieser muss allerdings der letzte Punkt in der Kette sein. Wir haben – das muss man ganz offen sagen – im Bereich von Covid aufgrund des Vorhandenseins oder besser gesagt Nicht­vorhandenseins von Präparaten noch große Probleme, was die medikamentöse Versor­gung betrifft.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 55

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ing. Judith Ringer zu Wort ge­meldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Ing. Judith Ringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister, was unternehmen Sie zur Sicherung und Verbesserung der Arzneimittelversor­gung in Österreich, zum Beispiel durch Reform des Erstattungscodex, damit auch hoch­wirksame und innovative Medikamente den Patienten und Patientinnen zur Verfügung stehen, damit der Pharmaforschungs-, -produktions- und ‑beschäftigungsstandort Öster­reich gesichert und damit die finanzielle Leistungsfähigkeit der Krankenversicherung be­rücksichtigt wird?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Sehr geehrte Frau Bundesrätin, wir haben ja im Rahmen der Covid-Krise auch sehr elementar gemerkt, dass wir in bestimmten Bereichen von der entsprechen­den Versorgungssituation sehr abhängig sind. Das waren etwa die Schutzbekleidungen, das haben wir mittlerweile korrigiert, indem es eine starke österreichische Eigenpro­duktion gibt, und auch insgesamt hat sich der Weltmarkt in dem Bereich wieder einge­pendelt. Im Bereich der Arzneimittelversorgung hat sich in den letzten Jahren und Jahr­zehnten eine unglaubliche Abhängigkeit vom asiatischen Produktionsbereich entwickelt. Wir merken, dass Europa da immer schlechter ausgestattet ist, auch was die elemen­tarsten Versorgungsbereiche betrifft – Antibiotikaversorgung als ein Stichwort.

Wir haben deswegen zwei Schritte realisiert und uns in der Bundesregierung auch darauf verständigt: einerseits das gezielte Arbeiten mit den betroffenen Produktionsunterneh­men daran, dass österreichische Produktionen aufrechterhalten werden. Wir beide ken­nen ein Beispiel aus Tirol, bei dem es ganz entscheidend war, dass wir es geschafft haben, dass die Produktion langfristig erhalten bleibt, denn das ist die einzige europäi­sche Produktion für bestimmte Bereiche der Antibiotika.

Zweitens wird im Augenblick gerade auf europäischer Ebene eine neue europäische Arzneimittelversorgungsstrategie erarbeitet, an der wir mitarbeiten, in die wir integriert sind und die den Industriestandort Europa im Bereich der Medikamenten- und Arznei­mittelproduktion absichern soll. Das ist gerade in Erarbeitung und, wie ich hoffe, sehr rasch in Umsetzung, denn es wird Zeit brauchen, diese Prozesse umzustellen und Eu­ropa wieder als Produktionsstandort zu attraktivieren, und das ist alles andere als ein­fach.

Der dritte Bereich ist, dass wir versucht haben, die Transparenz zu erhöhen. Deswegen trat am 1. April 2020 die Verordnung zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in Kraft. Zulassungsinhaber beziehungsweise befugte Vertreterinnen und Vertreter des Zulassungsinhabers sind nun verpflichtet, jede Einschränkung der Vertriebsfähigkeit für verschreibungspflichtige Humanarzneimittelspezialitäten über das eService Zulassung und Lifecycle zu melden. Weiters wurde zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung vonseiten des Gesundheitsministeriums im Sommer 2020 ein Projekt zur Stärkung des Pharmastandortes Österreich initiiert. Aufgrund der großen Bedeutung auch für die Europäische Union wird dieses Projekt als gemeinsames Vorhaben mit der Europäi­schen Kommission umgesetzt und von dieser auch maßgeblich mitunterstützt.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag.a Bettina Anna Lancaster zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Frage.


Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Herr Minister, meine Fra­ge, die ich ursprünglich stellen wollte, wurde bereits von meiner Vorrednerin, Frau Bun­desrätin Ringer, gestellt. Jetzt möchte ich die Zusatzfrage anders formulieren und Sie


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 56

fragen: Wie gewährleisten Sie, dass die Medizinprodukte, die nach Europa und Öster­reich eingeführt werden, den arbeitsrechtlichen Standards, den umwelttechnischen Standards entsprechen, damit wir auch einen fairen Wettbewerb haben?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Genau das, sehr geehrte Frau Bundesrätin, ist ja ein Teil der Marktzulas­sungsentscheidungen der EMA auf europäischer Ebene. Wir erleben das jetzt bei den Impfstoffen in einer etwas schwierigen, angespannten Situation, aber das gilt auch für andere medikamentöse und arzneimittelrechtliche Bereiche. Das ist eine Gesamtbewer­tung und Gesamtbeurteilung, die dafür sorgen soll, dass der europäische Konsument, der europäische Patient – und natürlich auch die Patientin und die Konsumentin – ent­sprechend gut geschützt sind.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke schön.

Zu einer abschließenden Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Adi Gross zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Herr Bundesminister, eines der diskutierten oder vorhandenen Medikamente ist das Produkt Veklury respektive Remdesivir. Können Sie sagen, wie die Verteilung konkret erfolgt oder weiterhin erfolgen soll? Wer bekommt dieses Medikament und so weiter?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Die Medikamente, die es in dem Zusammenhang gibt, sind ja dadurch bekannt geworden, dass sie bei einem ehemaligen amerikanischen Präsidenten zur Anwendung gebracht wurden. Die innerstaatliche Verteilung erfolgt beim genannten Medikament Remdesivir nach einem vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswe­sen – das ist die Ages-Behörde, von der ich jüngst gesprochen habe – ausgearbeiteten Verteilungsschlüssel, welcher insbesondere die Hospitalisierungszahlen der einzelnen Bundesländer berücksichtigte.

Die Bedarfserhebung wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums durch dieses Bun­desamt für Sicherheit im Gesundheitswesen in Kooperation mit den Krankenanstalten, den Apotheken, den Bundesländern sowie weiteren relevanten Stakeholdern durchge­führt.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nun zur 8. Anfrage, 1916/M-BR/2021.

Ich bitte die Anfragestellerin, Bundesrätin Heike Eder, um die Verlesung der Anfrage.


12.22.18

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Minister!

1916/M-BR/2021

„Welche Fortschritte gibt es bei der Erstellung des neuen Nationalen Aktionsplanes Be­hinderung (NAP Behinderung) 2022-2030?“


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitt


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 57

e.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Auch für diese Frage einen besonderen Dank! Wir kommen damit zu einem für mich persönlich sehr entscheidenden, wesentlichen politischen Bereich, in dem wir viel zu tun haben. Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass wir mittlerweile ein Forum eingerichtet haben, in dem es zu einem regelmäßigen Meinungsaustausch bis hin zu Strategieerarbeitungen mit den entsprechenden Sprecherinnen und Sprechern des Na­tionalrates kommt. Wir könnten vielleicht überlegen, auch den Bundesrat einzubinden – ich würde das sehr begrüßen –, damit wir da gemeinsam vorgehen und arbeiten.

Sie wissen, der Nationale Aktionsplan Behinderung ist unser strategisches Schlüsselins­trument. Das Regierungsprogramm 2020 bis 2024 sieht die bedarfsgerechte Finanzie­rung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und des Nationalen Aktions­plans Behinderung sowie die Forcierung der Umsetzungen des NAP mit allen Ministerien unter Einbeziehung der Stakeholder vor.

Das ist für mich eigentlich der wichtigste Bereich, denn in der Vergangenheit, so höre ich, hat es manchmal das Bewusstsein gegeben: Wir haben eh ein Sozialministerium, dort ist das gut aufgehoben. – Ich glaube, wir sind alle gefragt, deswegen haben wir das als Regierungsverantwortung und als gemeinsame Regierungsaufgabe definiert, denn die einzelnen Bereiche des NAP betreffen ganz unterschiedliche Regierungsressorts. Diese haben sich jüngst in einem eigenen Ministerratsbeschluss dazu verpflichtet, ers­tens in diesem Arbeitsprozess mitzuwirken – das hat sehr, sehr gute Auswirkungen, wir haben gerade im Bildungsministerium einen entsprechenden Prozess aufgesetzt – und zweitens diese Bereiche dann auch verstärkt umzusetzen, denn das brauchen wir ja, dass der Nationale Aktionsplan entsprechend umgesetzt wird.

Dieser Ministerratsbeschluss ist, wie gesagt, am 10. Dezember 2020 erfolgt, und damit hat es ein klares Commitment gegenüber dem geplanten NAP Behinderung gegeben. Ich zitiere aus dem Ministerratsbeschluss: „die Ausarbeitung und Finalisierung des NAP Behinderung auf der politischen Ebene durchgehend zu unterstützen“ – alle Regierungs­mitglieder haben zugestimmt –, „die Anliegen der Behindertenvertreterinnen und Behin­dertenvertreter wahrzunehmen“ – alle Regierungsmitglieder haben zugestimmt – und „die bedarfsgerechte Finanzierung der ressortbezogenen Maßnahmen durch die Bereit­stellung der benötigten Mittel im Rahmen der entsprechenden Ressortbudgets sicherzu­stellen“ – alle Regierungsmitglieder haben zugestimmt.

Das heißt, es gibt jetzt sehr, sehr gute Grundvoraussetzungen dafür, dass der neue NAP gut in Umsetzung kommt. Die Empfehlungen für den neuen NAP, die die Universität Wien im Zuge der Evaluierung des bisherigen NAP 2012–2020 abgegeben hat, fließen natürlich in die Erstellung des neuen NAP mit ein. Mein Schwerpunkt – und darauf lege ich großen Wert, das ist auch der Schwerpunkt des Hauses insgesamt – ist die Parti­zipation, also die Einbeziehung von behinderten Menschen und entsprechenden Organi­sationen in diesem Bereich als Expertinnen und Experten in eigener Sache durch die persönliche Betroffenheit. Das ist unser Grundmotto bei der Erarbeitung. Wir sind bei der Erarbeitung ein bisschen in Verzug – Covid-bedingt, das ist derzeit leider in vielen Bereichen so, und auch, weil wir diesen jetzt fixierten Arbeitsprozess im Bereich der Bundesministerien noch ermöglichen wollen, damit wir eine gute Umsetzung schaffen.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke.

Frau Bundesrätin, wird eine Zusatzfrage gewünscht?


Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Nein, vielen Dank für die Be­antwortung der Fragen, somit ist alles klar. – Danke.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Zaggl zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Frage.


Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Herr Minister, gerade die Gruppe von Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmern mit Behinderungen ist derzeit auf dem Arbeitsmarkt be­sonders benachteiligt. Wie wollen Sie diese Menschen konkret unterstützen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen können?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 58

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, das ist ein wirklich sehr, sehr wichtiger Be­reich, weil es ja um Gleichstellung und Gleichberechtigung geht. Der Arbeitsmarkt spielt für uns alle – das merkt man in unserer Lebenssituation – eine große, zentrale Rolle.

Wir haben deswegen im Zusammenhang mit der Pandemie besondere Maßnahmen ge­setzt, unter anderem durch eine massive Unterstützung und deutliche Verstärkung der sogenannten integrativen Betriebe. Es gibt acht integrative Betriebe, die einen ganz wichtigen Beitrag zur beruflichen Teilhabe in Österreich leisten. Sie beschäftigen derzeit rund 2 600 Personen, davon fast 2 000 Menschen mit Behinderungen. Wie andere Be­triebe befinden sie sich derzeit in einer sehr schwierige Situation, deswegen wird es ein Fortsetzen der entsprechenden Förderbedingungen geben, auch dann – und das ist im Übrigen bereits Realität –, wenn Kurzarbeit in Anspruch genommen wird. Darüber hi­naus gibt es die Möglichkeit, zinsenlose Darlehen des Sozialministeriums zu erhalten.

Zweitens haben wir spezielle Förderungen zur Arbeitsplatzsicherung – spezifisch für die Covid-Situation, für die Situation in der Pandemie – verankert, und zwar in einem Ge­samtpaket – ich versuche, es zusammenzufassen –, in dem wir rund 8 Millionen Euro, finanziert aus dem Ausgleichstaxfonds, investiert und zur Verfügung gestellt haben. Da geht es im Wesentlichen um einen Lohnkostenzuschuss bei Kurzarbeit, um die Erhö­hung der bestehenden Arbeitsplatzsicherungszuschüsse um 50 Prozent – das ist we­sentlich –, um die Erhöhung der bestehenden Entgeltzuschüsse um weitere 50 Prozent und schließlich um den Ausbau der Förderung für selbstständige begünstigte Behinder­te – auch ein wichtiger Punkt, vielleicht keine große Gruppe, aber es geht darum, dass man spezifisch unterstützt.

Covid-19-bedingte bedarfsgerechte Aufstockungen der Projektförderungen zur berufli­chen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sind eines der Hauptziele für das Jahr 2021. Da wird es um den Ausbau der Angebote für Jugendliche gehen, zweitens um den weiteren Ausbau der niederschwelligen Vormodule von Ausbildungsfit – Sie kennen das Projekt mit Sicherheit – und drittens um den Piloten Neba Betriebsservice zur Beratung und Begleitung von Unternehmen beim Thema Arbeit und Behinderung.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Minister, spätes­tens mit dem niederschmetternden Sonderbericht der Volksanwaltschaft „Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung“ ist uns allen in Erinnerung ge­rufen worden, dass im Jahr 2020 und bis heute Menschen mit Behinderung durch ihre Tätigkeiten in Werkstätten leider keinen Anspruch auf Sozialversicherung haben. Wir haben dazu einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht, der auch mehr­heitlich angenommen wurde. Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass man neben einem verpflichtenden Mindestlohn auch eine ver­pflichtende Sozial-, Kranken-, Unfall-, aber auch Arbeitslosenversicherung erhält, insbe­sondere zur Pensionssicherung.

Meine Frage: Was ist bisher an konkreten Maßnahmen zur Umsetzung erfolgt?


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Sehr geehrter Herr Bundesrat, das Thema Lohn statt Taschengeld – ich versuche, es ein bisschen zu übersetzen und zu vereinfachen – ist ein seit vielen Jahren in Diskussion befindliches Thema, dessen ich mich bereits in den letzten Monaten sehr ernsthaft angenommen habe. Für den inklusiven Arbeitsmarkt sieht das Regierungspro­gramm ja unter anderem den Ausbau konkreter Beschäftigungsangebote, eine Beschäf­tigungsoffensive, verstärkte Angebote im Schnittstellenbereich zur Schule und Maßnah­men zur längerfristigen Beschäftigung vor.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 59

Wir haben aber im Regierungsprogramm zur Verbesserung der Situation von Menschen in sogenannten Werkstätten auch zwei zentrale Schwerpunkte verankert, nämlich keine automatische Arbeitsunfähigkeitsfeststellung unter 24 – wichtiger Bereich! – und zwei­tens das von Ihnen hauptsächlich herangezogene Thema Lohn statt Taschengeld.

Die Zuständigkeit für Werkstätten liegt ja grundsätzlich bei den Bundesländern, aber unabhängig davon habe ich einen runden Tisch mit den Ländern und Stakeholdern ver­anlasst. Dieser hat im vergangenen Jahr stattgefunden. Das Thema wurde unter ande­rem mit der Volksanwaltschaft, mit den Ländern, mit Behindertenvertreterinnen und -ver­tretern umfassend diskutiert und erörtert. Es ist ein sehr vielschichtiges Thema, das unter anderem das Arbeitsrecht, das Sozialversicherungsrecht, die Sozialhilfe beziehungswei­se die Behindertengesetze betrifft.

Es wurde vereinbart, eine entsprechende Studie bei der Lebenshilfe in Auftrag zu geben und diese abzuwarten. Diese Studie haben wir nun seit August vorliegen, und mit ihr als Basis erfolgte der weitere gemeinsame Arbeitsprozess. Dieser wurde im Septem­ber 2020 unter anderem mit einem zweiten runden Tisch gestartet.

Aufbauend auf dessen Ergebnisse wird jetzt ein Konzept mit Sozialversicherungsabsi­cherung erarbeitet, das ist das Ziel für das Jahr 2021. Dabei geht es vor allem um die Klärung der Finanzierungsfrage und der Finanzierungsbeteiligung. Wir hätten uns leich­ter getan, wenn der entsprechende Finanzausgleich zeitnah erfolgt und umgesetzt wor­den wäre. Das ist jetzt leider nicht der Fall, aber wir werden dennoch versuchen, ge­meinsam mit den Ländern entsprechende Lösungen zu erarbeiten.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu einer abschließenden Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Marco Schreuder zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Frage.


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Bundesminister, Barrierefreiheit ist ein ganz wesentlicher und wichtiger Bestandteil. Wie schauen denn aktuell die Pläne im Barrierefreiheitsrecht aus?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Sehr geehrter Herr Bundesrat, zurückkommend auf den von mir am Beginn dieser Fragerunde zum Thema Menschen mit Behinderungen und ihre Lebenssituation dargestellten Bereich der Kooperation, und zwar der überparteilichen Kooperation mit den Nationalratsfraktionen, ist es so, dass wir uns darauf geeinigt haben, dass das prio­ritäre Thema in den nächsten Wochen und Monaten die Frage der Umsetzung der Bar­rierefreiheit in Österreich sein soll.

Derzeit wird an einem neuen nationalen Gesetz zur Umsetzung des European Accessi­bility Acts, der EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Pro­dukte und Dienstleistungen, gearbeitet, die einheitliche rechtliche Standards in Bezug auf barrierefreie Informations- und Kommunikationstechnik innerhalb der Europäischen Union setzt und damit wesentlich zur Förderung der wirtschaftlichen und gesellschaftli­chen Teilhabe von Menschen mit Behinderung beitragen wird.

Die schrittweise Umsetzung der Barrierefreiheit auf Basis einer koordinierten gesamt­staatlichen Strategie ist auch ein zentrales Ziel, das durch den kommenden NAP Behin­derung erreicht werden soll. Das wird ein zentraler Hebel für uns. Barrierefreiheit soll stärker als bisher als Voraussetzung für die Vergabe von öffentlichen Mitteln festgesetzt und Beratungen und Unterstützungen im Bereich der Barrierefreiheit sollen nieder­schwelliger als bisher ermöglicht und verankert werden. Eine wesentliche Rolle sollen dabei Schulungen und verpflichtende Ausbildungsmodule für unterschiedliche Interes­sen- und Berufsgruppen darstellen.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 60

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir gelangen nun zur 9. Anfrage, 1922/M-BR/2021.

Ich bitte den Anfragesteller, Bundesrat Stefan Schennach, um die Verlesung der Anfra­ge. – Bitte schön.


12.34.32

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister, an­fangs möchte ich das unterstreichen, was mein Kollege Appé gesagt hat: Wir warten hier seit über drei Jahren darauf, dass ein Minister oder eine Ministerin zu einer Fragestunde kommt, und Sie als langjähriger Parlamentarier wissen genau, dass es eines der ele­mentarsten Rechte von Abgeordneten ist, eine Fragestunde abzuhalten. Wir hoffen sehr, dass Ihr Koalitionspartner Ihrem Weg folgt und wir demnächst jemanden aus der türkis-schwarzen Regierungshälfte hier haben.

Kommen wir zurück zur eigentlichen Frage – da ja so viele Lehrer, Lehrerinnen, Direk­toren, Direktorinnen umsonst an einem Sonntag in den Schulen gewartet haben –:

1922/M-BR/2021

„Wie wollen Sie ein flächendeckendes, wohnortnahes, unentgeltliches und österreich­weites Testangebot zur Umsetzung der beschlossenen Teststrategie rasch sicherstel­len?“


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, das ist ein sehr zentraler Bereich, wir haben ihn bei der Frage der Impfungen und Testungen bereits vor circa einer gefühlten Vier­telstunde ein bisschen diskutiert.

In intensiver Abstimmung mit den Bundesländern wurde das Teststraßenangebot in den allermeisten Regionen Österreichs tatsächlich intensiv ausgebaut. Ich habe gerade gestern im Rahmen der GesundheitsreferentInnenkonferenz etwa auch einen Dialog mit der niederösterreichischen Gesundheitsreferentin gehabt, und wenn ich es richtig im Kopf behalten habe, werden zum Beispiel in Niederösterreich mittlerweile 290 Teststra­ßen angeboten; das ist schon beachtlich, was da in Umsetzung kommt.

Zusätzlich werden die bundesweiten Screeningprogramme laufend dem aktuellen Be­darf angepasst und zusätzliche Zielgruppen aufgenommen, zum Beispiel jetzt die Be­rufsgruppen und deren Testungen.

Zugleich werden die Testmöglichkeiten durch die Implementierung von Betriebstestun­gen ausgebaut und finanziell unterstützt. Da schnüren wir gerade mit den Interessenver­tretungen ein entsprechendes Paket, wie diese Testungen auf Betriebsebene ausgebaut und gleichzeitig die Daten auch garantiert in die entsprechenden Gesundheitsinforma­tionssysteme, hauptsächlich das EMS, eingetragen und eingepflegt werden können.

All diese Testmöglichkeiten stellen einen niederschwelligen und kostenlosen Testzu­gang für die Bevölkerung dar. Mein mittelfristiges Ziel ist es – ich habe es bereits ge­sagt –, dass wir in jeder Gemeinde ein entsprechendes Angebot haben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke schön.

Herr Bundesrat Schennach, wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Schennach: Ja, sie wird gewünscht!) – Bitte.


Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sie ist thematisch ein bisschen weiter weg. Herr Bundesminister, ich bin sicher, Sie haben das untersuchen lassen: Wie kann es


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 61

sein, dass ein privates Skikrankenhaus mehr Impfdosen hat als die Spitäler, die Corona­fälle behandeln? – Es geht da um den Inhaber Schranz, der sowohl ein Freund des Kanzlers und in der Adler-Runde als auch ein sehr enger Freund des Tiroler Landes­hauptmanns ist – dadurch ist er im Coronakrisenstab.

Können wir uns das so vorstellen, dass Herr Schranz bei der Sitzung des Coronakri­senstabs einfach eine Packung von Impfdosen mitgenommen hat? Werden Sie dahin gehend Anzeige erstatten? (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, ich habe ja Adler grundsätzlich sehr gern, aber mit der Adler-Runde habe ich nichts zu tun. Das heißt, mir fehlen auch die ent­sprechenden Zugänge und Informationen darüber, welche Gespräche dort realisiert werden. Das ist auch nicht mein unmittelbarer Zuständigkeitsbereich.

Für das Verständnis des Ausrollens muss man vielleicht Folgendes bedenken – ohne die Situation jetzt im Detail überprüft zu haben, das sage ich auch dazu –: Wir haben ein E-Shop-Bestellsystem, das heißt, es wird eine bestimmte Gruppe, zum Beispiel die Gruppe der Gesundheitsberufe, freigeschaltet. Als Jemand aus der Gruppe der Ge­sundheitsberufe, zum Beispiel als Spital – gleichgültig ob öffentlich oder privat –, kann man dann, wenn man freigeschaltet ist, für einen bestimmten Tag Bestellungen abge­ben. Das heißt, das Krankenhaus aus meiner Region Vöcklabruck gibt zum Beispiel – fiktiv – für den 2. Februar die Bestellung von 2 400 Dosen ab. Zu diesem Zeitpunkt wird dann geliefert, und dadurch kann es auch zu unterschiedlichen zeitlichen Umsetzungen von für einen bestimmten Zeithorizont vorgesehenen Bestellmaßnahmen kommen. Ich weiß, dass die Optik in der Bevölkerung natürlich für Diskussionen sorgt. (Bundesrat Schennach: Und vor allem diese Größenunterschiede!)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger zu Wort gemeldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Minister, eine Studie der Charité gemeinsam mit der Uni Heidelberg hat ergeben, dass Antigentests zur Eigenanwendung so zuverlässig und einfach in der Handhabung sind, dass sie pro­blemlos von Laien verwendet werden können. Gibt es solche Tests auch schon in Ös­terreich?

Kollegin Kahofer hat ja auch schon eine Frage in diese Richtung gestellt, aber vielleicht gibt es da noch eine Zusatzinformation.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Liebe Frau Bundesrätin, ich werde mich bemühen, Zusatzinformationen zu geben, soweit sie mir selbst vorliegen.

Zur Bekämpfung der vorherrschenden Pandemiesituation besteht ja der dringende Be­darf – darüber sind wir uns einig –, möglichst viele Tests durchzuführen, etwa auch in Eigenanwendung. Mit § 323c Abs. 18 der Bundesabgabenordnung besteht nunmehr die Möglichkeit, in Österreich Schnelltests zum Nachweis eines Vorliegens einer Infektion mit Sars-Cov-2 zur Eigenanwendung in Verkehr zu bringen, obwohl diese vom Hersteller bisher nicht zur Eigenanwendung in Verkehr gebracht wurden – also damit sozusagen einen schnellen Start zu ermöglichen, um es kurz zu übersetzen.

Die Schnelltests müssen durch den Hersteller für eine Probenahme im anteriornasalen Bereich – davon reden wir; in der Allgemeinsprache heißt er oft: der Nasenbohrertest;


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 62

so kann man es auch übersetzen; wissenschaftlich ist es der anteriornasale Bereich – oder andere ähnlich minimalinvasive Probenahmen in Verkehr gebracht und mit einer CE-Kennzeichnung gemäß dem Medizinproduktegesetz oder den auf Grundlage der Richtlinie 98/79/EG ergangenen nationalen Vorschriften anderer Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum versehen sein.

Eine Verwendung ist nur zulässig, wenn bei Eigenanwendung ein Sicherheits- und Leis­tungsniveau erreicht wird, das die Funktionstauglichkeit und die Einsatztauglichkeit für den geplanten Zweck gewährleistet, und im Wege einer Selbstverpflichtung die Einhal­tung dieser Anforderungen durch Übermittlung einer entsprechenden Bestätigung an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen bestätigt wurde.

Zum aktuellen Stand – das ist der Stand vom 27. Jänner – wurden auf der Website der entsprechenden Behörde, des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen, mittler­weile, glaube ich, 25 verschiedene Meldungen über die Selbstverpflichtung bezüglich Inverkehrbringen von entsprechenden Schnelltests veröffentlicht.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort gemeldet. – Bitte um die Frage.


Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Minister, gerade die Ge­meinden sind im Zusammenhang mit den Testungen neben organisatorischen auch mit finanziellen Belastungen konfrontiert: von der Bereitstellung und Verwendung von Infra­struktur über die Bereitstellung von Personal und Büromaterial bis hin zur Bereitstel­lung – Sie haben es heute angesprochen – vor allem von Beförderungsmitteln, damit auch nicht mobile Bürger an diesen Testungen beziehungsweise an den Impfungen teil­nehmen können.

Meine Frage daher: In welcher Form wollen Sie in Abstimmung mit dem Finanzminister beziehungsweise den Ländern den Gemeinden die dadurch entstehenden Kosten er­setzen, ohne dass sie über das Umlageverfahren wieder von diesen mitzutragen sind?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Wir haben ja grundsätzlich mehrere Unterstützungsformen für die Bundes­länder und für die Gemeinden. Mir ist das ein großes Anliegen, denn es geht immer darum, Lasten gemeinsam zu tragen.

Die Gemeinden bringen extrem viel ein: durch ihre organisatorische Tätigkeit, durch eh­renamtliche Tätigkeit et cetera, et cetera. Der Beitrag zur Unterstützung der Bundeslän­der durch den Bund erfolgt im Wesentlichen durch die Übernahme von dadurch entste­henden Kosten gemäß dem eigens fixierten Kostenersatz durch den Bund.

Zusätzlich ermöglicht der Bund eine Anbindung an ein Datenerfassungssystem, um auch beim Ablauf der Datenerfassung und -einmeldung zu unterstützen. Das Ministe­rium ist auch in laufendem Austausch mit den Screeningbeauftragten der Bundesländer, um ein zielgerichtetes und an die jeweiligen Bedarfe angepasstes Testangebot sicherzu­stellen und auch zu schauen, ob dieses in den Gemeinden auch konkret umsetzbar ist und was es braucht, um diese Umsetzung zu erleichtern.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Andreas Lackner zu Wort ge­meldet. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister, welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für die Bundesländer zum Aufbau niederschwelliger Testmöglichkeiten?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 63

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, einen wesentlichen Teil dieser Frage habe ich jetzt gerade im Rahmen der vorigen zu beantworten versucht. Es sind eben die drei Bereiche: Unterstützung im Bereich der Datenerfassung – das ist oft eine komplexe He­rausforderung für die Gemeinden –, zweitens dadurch, dass wir sehr eng mit den ei­genen Screeningbeauftragten der Bundesländer kooperieren und diese dann auch den Gemeinden für entsprechende Unterstützung zur Verfügung stehen, und drittens durch die Übernahme der entsprechenden Kosten durch den Kostenersatz durch den Bund, der ja grundsätzlich auch im Gesamtpaket in diesem Haus mitbeschlossen wurde.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Wir gelangen nun zur 10. Anfrage, 1917/M-BR/2021.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Martin Preineder, um die Verlesung der Anfrage.


12.44.52

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister, ich darf die zehnte und damit letzte Frage der heutigen Fragestunde stellen und Danke dafür sagen, dass es möglich ist, dass wir alle Fragen aufrufen. Meine Frage lautet:

1917/M-BR/2021

„Welche Umsetzungsschwerpunkte sind im Bereich Gesundheitsförderung im Jahr 2021 geplant?“


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, ich darf darauf hinweisen: Wir haben noch 7 Minuten für die Fragestunde. Vielleicht bringen wir noch eine Frage unter. – Bitte. (Rufe: Mikro! Kein Mikro! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Wir haben nichts verstanden!)

Ich wollte Herrn Bundesminister darauf hinweisen, dass wir noch 7 Minuten für die Be­antwortung der Frage haben. Ich bitte um Zeitdisziplin.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Ich werde versuchen, die Zeitdisziplin einzuhalten. „Die schönste Zeit am raschesten vergeht“, hat Heinz Conrads einmal gesungen. Daher: Schade, es war eine sehr intensive Fragestunde; mich hat es gefreut, dass wir diesen Dialog miteinander führen können.

Nun aber gleich zu Ihrer Frage: Basierend auf vorangegangenen Prozessen, nationalen und internationalen Zielsetzungen und Strategien entwickelte mein Ressort unter Einbe­ziehung von GÖG und Fonds Gesundes Österreich die 2021 nun startende Initiative Gesundheitsförderung wird System – wirksam für alle. Darin sind zunächst folgende inhaltliche Umsetzungsschwerpunkte geplant: erstens einmal die Gesundheitsförderung im und durch das Gesundheitssystem – wichtig: auch im Gesundheitssystem selbst – mit einer ganzen Reihe von Detailmaßnahmen; dann zweitens der Themenbereich der psychischen Gesundheit – wir haben heute schon kurz darüber gesprochen –; drittens wollen wir uns auch die nachhaltige Entwicklung und Gesundheit als Thema nehmen – unter anderem die Klimakrise, die ja auch unmittelbare gesundheitliche Auswirkungen hat –; viertens die Gesundheit für Generationen – ein Thema, das wir heute auch schon diskutiert haben –, und dann die zwei Themenbereiche zehn Jahre Gesundheitsziele in Österreich und die legistische Verankerung von Gesundheitsförderung und vor allem auch von Public Health in Österreich.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 64

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Herr Bundesrat, gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte.


Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Anzahl der in Gesundheit verbrachten Lebensjahre in Österreich zu er­höhen?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Geschätzter Herr Bundesrat, das ist keine ganz einfache Frage, es ist eine abendfüllende Frage, für deren Beantwortung ich jetzt 2,4 Minuten Zeit habe, aber ich werde es versuchen.

Dank eines leistungsfähigen Gesundheitssystems ist die Lebenserwartung in Österreich ja mittlerweile eine der höchsten in den OECD-Ländern. Weniger erfreulich sieht es bei der Zahl der gesunden Lebensjahre aus, auch im internationalen Vergleich. Da liegt Österreich mit knapp 60 beschwerdefreien Jahren nur im internationalen Mittelfeld. – Also wenn ich auf mein Alter schaue, ich bin kürzlich 60 geworden, ist das eine Statistik, die mir keine Freude macht.

Um Gesundheit und Lebensqualität zu fördern und den steigenden Kosten in der Ge­sundheitsversorgung entgegenzuwirken, soll die Zahl der gesunden Lebensjahre nach­haltig erhöht werden. In Österreich wurden deswegen zehn Gesundheitsziele entwickelt; bis zum Jahr 2032 geben diese die Richtung für eine gesundheitsförderliche Gesamt­politik vor und berücksichtigen dabei ganz bewusst auch zahlreiche Faktoren außerhalb des traditionellen Gesundheitswesens, zum Beispiel die Allianz mit der Bildung, der Ar­beitssituation, Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zum Beispiel – das ist aus meiner Sicht ein ganz wesentlicher Bereich –, das soziale Netz als solches – arm zu sein macht krank, das ist eine eindeutig erwiesene Tatsache – und auch verschiedene Umweltein­flüsse.

Aktuelle Umsetzungsschwerpunkte meines Hauses, wie die Initiative Gesundheitsförde­rung wird System – wirksam für alle, orientieren sich an diesen genannten Zielen und sollen wesentlich dazu beitragen, sie auch zu erreichen. – Ich könnte jetzt ins Detail ge­hen, aber dafür fehlt die Zeit; vielleicht bei einer Zusatzfrage.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, vielen Dank, auch für die Zeit­disziplin.

Die Fragestunde wäre jetzt eigentlich beendet, aber nachdem wir jetzt mehrere Jahre keine gehabt haben, würde ich vorschlagen, dass wir die drei Zusatzfragen noch stellen lassen, und ich bitte nochmals um möglichst kurze Beantwortung.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Horst Schachner zu Wort gemel­det. – Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister, für wann werden Sie den Österreicherinnen und Österreichern als zuständiger Bundes­minister garantieren, dass sie die von Nationalrat und Bundesrat beschlossenen kosten­losen Wohnzimmertests tatsächlich bekommen?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Sehr geehrter Herr Bundesrat, die einfache und kurze Antwort lautet: mög­lichst rasch. (Heiterkeit des Redners.) Ich kann Ihnen jetzt kein Datum nennen, aber wir haben ja die Strategie und auch die rechtliche Umsetzung bereits dargestellt, das heißt, ich gehe davon aus, dass das wirklich sehr, sehr zeitnah erreichbar ist.



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 65

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Weil ich in der ersten Reihe Kopfschütteln gesehen habe: Wir haben noch 3 Minuten.

Ich bitte daher um eine weitere Zusatzfrage von Herrn Markus Leinfellner. – Bitte schön.


Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Gesundheitsminister, wir wis­sen ja: Lernen auf Distanz, Heimarbeit, Heimunterricht stellen eine große Belastung dar, und bei großer Belastung steigt auch die Krankheitsanfälligkeit. Es gibt ja sicher bereits Studien über die negativen Auswirkungen. Mich würde interessieren: Wie setzen Sie im Bereich der Gesundheitsförderung in diesem Bereich die Schwerpunkte?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Bundesminister, bitte.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Bundesrat, wenn ich Sie richtig verstanden habe, meinen Sie Gesund­heitsauswirkungen, Gesundheitsschutz im Bereich Homeoffice. Zu Hause zu arbeiten ist ja eines der wesentlichen Ziele im Bereich der Pandemie: dass wir da eine Trendwende zustande bringen und vielleicht das eine oder andere, was in der Entwicklung sowieso kommt – das ist ja ein genereller Trend –, vorwegnehmen. Ich glaube, der wirksamste Bereich von Gesundheitsschutz ist, dass wir klare, rechtliche Absicherungen erreichen und damit Sicherheiten schaffen. Wir haben ja, wie Sie wissen, gestern im Ministerrat ein Paket verankert, das genau das enthält: eine gesicherte Unfallversicherung, die dem gleichgestellt ist, was am herkömmlichen Arbeitsplatz in der Firma Realität ist; zweitens wird es entsprechende steuerliche Förderungsprogramme geben, unter anderem für ent­sprechendes gesundheitsschonendes Mobiliar.

Das sind aus meiner Sicht zentrale Bereiche, Sie haben aber grundsätzlich recht: Wir haben da sicherlich noch mehr zu tun.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zu einer abschließenden Zusatzfrage von Bundesrat Marco Schreu­der. – Ich bitte darum.


Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich bin gespannt, wie man das in 30 Se­kunden beantworten kann. (Heiterkeit des Redners).

Eine strategische Stärkung und nachhaltige Unterstützung von Gesundheitsförderung sind ganz wesentliche Elemente der Gesellschaft und des Gesundheitssystems. Wie will man da etwas erreichen?


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Es ist eine schwierige und gleichzeitig einfache Frage. Ich glaube, es geht nur mit einem entsprechenden Bewusstsein in der Bevölkerung. Das heißt, wir wollen Aufklärung in den Mittelpunkt stellen, die Bürgerinnen und Bürger als unsere Partner sehen, sie in diesem Prozess mitnehmen. Wir wollen die Botschaft transportieren, ihnen klarmachen und das Bewusstsein dafür fördern, dass der beste Gesundheitsschutz der ist, den man selbst anstrebt, den man selbst will, zu dem man selbst einen Beitrag für das – in Wirklichkeit – eigene Wohl leistet. Das bedeutet: Der Betroffene, die Betroffene sind unsere zentralen Partnerinnen und Partner.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundesminister! Wir sind jetzt pünkt­lich fertig geworden, ich bedanke mich noch einmal dafür. (Allgemeiner Beifall.)

Es konnten wirklich innerhalb der vorgegebenen Zeit alle Fragen beantwortet werden. Diese Fragestunde ist daher beendet.

*****


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 66

Ich darf vorweg unsere Frau Bundesministerin Susanne Raab begrüßen. – Danke, dass du in den Bundesrat gekommen bist! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Wir dürfen nun fortfahren.

12.52.53Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten Anfragebe­antwortung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sit­zung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographischen Pro­tokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortung

(Anlage) (siehe auch S. 6)

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Bericht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend EU-Jahresvorschau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG, auf der Grundla­ge des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2021 und des portugiesischen Arbeitsprogramms für das 1. Halbjahr 2021 sowie des Achtzehnmo­natsprogramms des deutschen, portugiesischen und slowenischen Ratsvorsitzes (III-733-BR/2021)

zugewiesen dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

und

Bericht der Bundesministerin für Frauen und Integration betreffend EU-Jahresvor­schau 2021 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-734-BR/2021)

zugewiesen dem Gleichbehandlungsausschuss

*****

*****


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 67

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Eingelangt ist ein Schreiben des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes gemäß Art. 43 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Vertretung der Frau Bundesminister für EU und Verfassung Mag.a Karoline Edtstadler am 28. Jänner 2021 durch Frau Bundesminister für Frauen und Integration, Mag.a Dr.in Su­sanne Raab.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände, den Entschließungsan­trag 284/A(E)-BR/2020 der Bundesräte MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die verbesserte strafrechtliche Sanktionierung einer vorsätzli­chen Schädigung des geschützten Tier- oder Pflanzenbestandes (§ 181f StGB)“ und den Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Verbot des betäubungslosen Schächtens“ sowie die Wahl von Mitglie­dern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des National­rates und des Bundesrates im Sinne des § 9 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Chris­toph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu?“ an den Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass mir ein Verlan­gen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Das Video des Außenministeriums über einen Atomwaffenan­griff auf Wien als trauriger Höhepunkt einer zunehmend orientierungslosen österreichi­schen Außenpolitik“ an den Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung ebenfalls an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus. Die Behandlung dieser dring­lichen Anfrage wird im Anschluss an die Behandlung der dringlichen Anfrage an den Herrn Bundeskanzler erfolgen.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 68

12.56.221. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (Bundesministerienge­setz-Novelle 2021) (1205/A und 633 d.B. sowie 10537/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Heike Eder. – Ich bitte um den Bericht.


12.56.44

Berichterstatterin Heike Eder, BSc MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 26. Jänner 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch. Ich erteile dieses.


12.57.30

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf der Steiermark sehr herzlich zum Vorsitz gratulieren. Obwohl heute die Steiermark zu Recht im Mittelpunkt steht, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass das Burgenland dieser Tage sein hundertjähriges Jubiläum gefeiert hat! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grü­nen sowie des Bundesrates Steiner.)

Da es hier im Bundesrat unsere primäre Aufgabe ist, die Interessen der Bundesländer im Prozess der Bundesgesetzgebung zu vertreten und ich in der Länderkammer das Burgenland vertreten darf, darf ich an dieser Stelle meinem Heimatbundesland symbo­lisch dazu gratulieren, dass es seit 100 Jahren die Stellung als selbstständiges und gleichberechtigtes Land im Bund innehat. Ich bin stolze Burgenländerin und ich bin ge­nauso stolz darauf, dass ich das Burgenland im Bundesrat vertreten darf. Das Burgen­land ist kein großes Land, aber es ist ein großartiges Land, das immer wieder von sich reden macht.

Nun darf ich zum gegenständlichen Tagesordnungspunkt kommen: Für uns Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten ist es ganz klar, dass die Zusammenlegung des Fami­lien- und des Frauenressorts eine Schwächung der frauenpolitischen Agenden darstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist aus unserer Sicht problematisch, dass die Familien- und Frauenagenden wie selbstverständlich zusammengeführt werden. Passiert das jetzt aus einem Reflex he­raus, dass Frauen augenscheinlich immer für die Familienarbeit zuständig sind? – Offen­bar findet da das typisch türkise Frauen- und Familienbild seinen Niederschlag, und das sehe ich als absolut bedenklich an.

Es tritt immer mehr ein, worauf die SPÖ seit Anbeginn der Pandemie vehement hinge­wiesen hat: Die Coronakrise ist weiblich! Dass nun die Agenden Jugend und Familie automatisch und scheinbar bedenkenlos zum Frauenministerium wandern, ist das abso­lut falsche Signal. Frauen verdienen eine starke Stimme und ein eigenständiges Ressort, Frau Ministerin! (Beifall bei der SPÖ.) Daher kann die SPÖ da nicht zustimmen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 69

Wir sehen gerade jetzt in der Krise frauenpolitische Rückschritte. Die Benachteiligungs­strukturen, die wir seit Jahren massiv bekämpfen, verschärfen sich. Wir haben gesehen, Frauen leisten den überwiegenden Teil der Betreuungsarbeit, sie übernehmen das Homeschooling, den Haushalt, und entweder machen sie nebenbei selbst noch Home­office oder sind eine der viel beklatschten Systemerhalterinnen im Bereich der Pflege oder im Handel. Es sind vor allem die Frauen, die diese Krise stemmen. Dass nun die Familien- und Jugendagenden zu den Frauenagenden wandern, verstärkt diese Proble­matik.

Dies ist eine Zeit, in der wir einen massiven Rückschritt für die Frauen beobachten. Frauen werden in ein altes Rollenbild der Fünfziger- und Sechzigerjahre zurückgedrängt. Frauenpolitik geht sehr stark in der familienpolitischen Betrachtungsweise unter. Gerade jetzt aber brauchen Frauen eine starke Lobby, da wir uns mit dieser Entwicklung in die völlig falsche Richtung bewegen.

Die aktuellen Arbeitslosenzahlen zeigen deutlich, dass Frauen von der Coronakrise noch massiver betroffen sind. Kommt keine Trendwende, hat das drastische Folgen für das Einkommen der Frauen und damit auch für ihre Pensionen. Besonders wichtig – und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden sicher nicht müde, das immer wie­der aufzuzeigen – ist die Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Viele Frauen leiden unter Existenzängsten: die Fixkosten bleiben, weniger Geld steht zur Verfügung. Politische Verantwortung zu übernehmen heißt, die Frauen im Blick zu haben und damit einen frauenpolitischen Backlash zu verhindern.

Auch eine deutliche Erhöhung der Mittel für das arbeitsmarktpolitische Frauenprogramm des AMS – zumindest 50 Prozent des AMS-Förderbudgets für Frauen – ist notwendig, damit die Frauen nicht die reinen Verliererinnen dieser Krise sind.

Meine Damen und Herren, wir leben im 21. Jahrhundert. Bitte verabschieden Sie sich endlich vom Irrglauben, dass Frauenpolitik Familienpolitik ist. Man muss einen Mann in Wirklichkeit auch nicht davon befreien, dieses Ressort zu verantworten, so wie es jetzt passiert ist. Sie vermischen da zwei eigenständige Bereiche; das ist gefährlich und ein Rückschritt für uns Frauen. Dazu kommt: Familienpolitik ist Gesellschaftspolitik und geht uns alle etwas an. In Ihrem Idealbild einer Familie – und gerade bei den Grünen kann ich nicht verstehen, dass sie diese Ansicht teilen – ist es selbstverständlich, dass Frauen zu Hause bleiben und die unbezahlte Arbeit leisten. Wir brauchen ein neues, ein zeitge­mäßes Familienbild.

Diese Neuordnung, die nun am Tisch liegt, ist keine Verbesserung, weil bei einem Ex­perten wie Minister Kocher auch Familien- und Jugendpolitik als Querschnittsmaterie gut aufgehoben wäre.

Liebe Frau Ministerin Raab, ich darf Ihnen von Frau zu Frau, von Mutter zu werdender Mutter, sehr herzlich dazu gratulieren, dass Sie ein Baby erwarten. Herzlichen Glück­wunsch! Ich wünsche Ihnen einen gesunden Verlauf Ihrer Schwangerschaft und eine schöne Geburt! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Die Entscheidung, Mutter zu werden, ist eine weitreichende, und ich kann Ihnen sagen, danach ist nichts mehr so, wie es vorher war. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bader – in Richtung Bundesministerin Raab, die Hände von oben nach unten bewegend –: Bleib ruhig!) Jede Frau, die Kinder hat, kann dies bestätigen. (Bundesmi­nisterin Raab – erheitert –: Ich hoffe, auch jeder Vater!) – Ja!

Natürlich hat es mich als Sozialdemokratin sehr gefreut, als ich gelesen habe, dass der Vater des Babys nach dem Sommer in Karenz gehen wird. Ich finde das echt gut, dass bei Ihnen die Vereinbarkeit offenbar so gut funktioniert. In Ihrer Position ist das aber sicher gut machbar, da man sich jederzeit Hilfe und Unterstützung, zum Beispiel in Form eines Au-Pairs, holen kann.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 70

Bitte nehmen Sie daher Ihre eigene Erfahrung zum Anlass, die Vereinbarkeit auch für die normal sterblichen Eltern umzusetzen. Solange nämlich Frauen in Österreich um durchschnittlich 20 Prozent weniger verdienen als Männer, so lange wird es sich kaum eine Familie leisten können, dass der Vater länger in Karenz geht.

Ein guter Lösungsansatz von Sozialpartnern und Industriellenvereinigung liegt in Form eines Forderungspapiers zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie am Tisch. Wir brau­chen endlich die Vereinbarkeitsmilliarde für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrich­tungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen Sie hierzu bitte Verhandlungen auf! Sie haben bereits versichert, gute Rahmen­bedingungen zu schaffen, und haben gesagt, dass Sie sich freuen, die neue Aufgabe zu übernehmen und dass Sie noch einen Turbo zulegen werden und sich mit aller Kraft für die Familien und die Jugend in diesem Land einsetzen werden.

Da komme ich auch schon zu dieser nächtlichen Aktion von heute: Wenn die Informa­tionen so stimmen, wie sie vorliegen, ist es einerseits völlig klar, dass der Rechtsstaat gewahrt werden muss, aber andererseits muss man die viel zu langen Asylverfahren kritisieren, die dann diese dramatischen Situationen erst ermöglichen und gut integrierte Kinder und Jugendliche aus ihrer Umgebung reißen. Wie geht es Ihnen als werdende Mutter dabei? – Das geht so nicht! Gleichzeitig bekommen wir jene nicht aus dem Land, die straffällig werden oder durch ihr Verhalten dokumentieren, dass sie mit unseren Wer­ten eigentlich gar nichts zu tun haben wollen. Es stellt sich die Frage, wer daran schuld ist. Dass die Grünen noch nicht aufgeschrien haben, wundert mich ebenso.

Sie werden die Synergien nutzen, das haben Sie bereits gesagt, und auch, dass für viele Frauen Themen wie Kindererziehung, Vereinbarkeit, Kinderbetreuung, Elternbeteiligung wichtig sind. Frauen sind aber nicht nur Mütter, Frauen sind auch Arbeitnehmerinnen. Frauen brauchen eine entsprechende Gesundheitsvorsorge, die auf sie zugeschnitten ist, Frauen sind Gewalt ausgesetzt, Frauen sind Pensionsbezieherinnen. – Bitte verges­sen Sie all diese Facetten nicht!

Sie sind den Familien und den Frauen im Wort. Die Familien und die Frauen werden Sie daran messen, was Sie umsetzen und wie Sie es umsetzen. Als erste Maßnahme emp­fehlen wir Ihnen, die Antragsfrist für den Coronafamilienhärtefonds zu erweitern. Die Kri­se ist noch lange nicht vorbei und sie wird noch sehr lange nachwirken.

Sehr geehrte Frau Ministerin, meinen Appell werden Sie immer wieder hören: Schaffen Sie endlich die Möglichkeit – nein, besser gesagt, schaffen Sie endlich die Realität der Gleichberechtigung von Mann und Frau! (Beifall bei der SPÖ.) Zeigen Sie Engagement und zeigen Sie, dass Frauenpolitik kein Nebenschauplatz ist – in Zeiten von Corona ist das wichtiger denn je!

Verhindern Sie, dass das Gleiche mit der Familienpolitik passiert! Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass Frauen, Kinder und Jugendliche keine Lobby in diesem Land haben. Da ist jetzt die Bundesregierung in der Pflicht, den Schaden umgehend zu beheben.

Zusammenfassend stelle ich fest: Mit der Ressortzusammenlegung kommt es leider zu einer Vermischung von Frauen- und Familienpolitik. Frauen werden wieder verstärkt in die Rolle als Zuständige für die Familie gedrängt. Wir von der SPÖ werden dem heute keine Zustimmung erteilen.

Ich merke, das Licht leuchtet schon, deshalb komme ich gleich zu unserem Entschlie­ßungsantrag. Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Soforthilfepaket für Alleinerzieherinnen“


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 71

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin für Frauen, Inte­gration, Familie und Jugend wird aufgefordert, ehestmöglich ein Soforthilfepaket für Al­leinerziehende umzusetzen, welches folgende Eckpunkte beinhaltet:

- Rechtsanspruch auf Betreuungszeit mit vollem Entgeltanspruch;

- Umsetzung einer Unterhaltsgarantie;

- Aufstockung des Familienhärteausgleichfonds sowie leichterer Zugang zu den Leistun­gen;

- Errichtung einer Beratungshotline für Alleinerziehende sowie Ausbau der (Online‑)In­formationsangebote.“

*****

Nehmen Sie sich ein Beispiel am Burgenland, wo wir schon die Alleinerziehendenför­derung haben! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.07


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Mag.a Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Soforthilfepa­ket für Alleinerzieherinnen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhand­lung.

Als weitere Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. – Bitte schön.


13.07.50

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Frau Kollegin Gerdenitsch, Sie sagen: Die Coronakrise ist weib­lich. Ich sage Ihnen: Die Zukunft ist weiblich. (Beifall bei der ÖVP.) So wie wir gemeinsam daran arbeiten müssen, die Coronakrise bestmöglich zu bewältigen, so müssen wir auch gemeinsam unsere Zukunft gestalten.

Ich verstehe und sehe, dass die SPÖ sich sehr stark für die Frauenagenden einsetzt, das ist wichtig. Es ist wichtig, dass wir uns alle für die Frauenagenden einsetzen. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.) Ganz stringent ist dieser Ansatz von Ihnen aber nicht, wenn ich in das SPÖ-geführte Kärnten schaue, wo es auch ein Familien- und Frauenressort gibt, und auch wenn ich nach Wien schaue, wo es ein Ressort - - (Zwi­schenrufe der Bundesrätinnen Hahn und Gerdenitsch.) – Hören Sie mir kurz zu, bitte! In Wien haben wir ein Ressort für Wohnungen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) – Meine sehr geehrten Damen und Herren, ist Frauenpolitik für die SPÖ etwas Neues? Sehen Sie Frauenpolitik als Baustel­le? – Ich glaube, es wurde einfach etwas zusammengefasst, so wie es in der politischen Praxis üblich ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Es wurden unterschiedliche Themengebiete zusammengefasst (Zwischenruf des Bundesrates Beer), bei denen es darum geht, diese voranzutreiben, einzeln voranzutreiben, es geht aber auch darum, Synergien zu nutzen.

Ich sage Ihnen eines: Es ist nicht entscheidend, wo ein Ressort angesiedelt ist, viel entscheidender ist doch, wer dieses Ressort leitet und was darin umgesetzt wird. Da­ran sollten wir diese Reform auch messen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesra­tes Schreuder.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 72

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, uns allen ist bewusst, wie heraus­fordernd die Situation im Moment ist, wie schwierig die Zeit im gesundheitlichen Bereich, im gesellschaftlichen Bereich, im wirtschaftlichen Bereich ist.

Ich bin aber ganz fest davon überzeugt: Was jetzt, was wir für die kommenden Wochen, die noch so herausfordernd werden, brauchen, ist Zuversicht. (Ruf bei der SPÖ: Mona­te! – Bundesrätin Hahn: Aber Zuversicht ...!) Zuversicht macht aktiv, sie macht kreativ, und sie macht auch optimistisch. Zuversicht gibt uns auch das Vertrauen in unsere Fä­higkeiten, das Vertrauen, dass wir diese Krise bewältigen und meistern können. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn ich unterwegs bin, dann bin ich sehr froh, dass es viele Menschen gibt, die genau diese Zuversicht ausstrahlen, die sie als Vorbild, als Rolemodel auch leben. (Zwischen­rufe der Bundesrätinnen Gerdenitsch und Hahn.) Ich denke da zum Beispiel an die Unternehmerin aus meinem Bezirk, die seit November ihr Kaffeehaus geschlossen hat, die in dieser Zeit mit einem anderen Betrieb eine Innovation auf den Markt gebracht hat, die etwas Neues für ihre Gäste anbietet und die wie selbstverständlich zu mir sagt: Am wichtigsten ist doch, dass wir gesund aus dieser Zeit herauskommen! (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

Oder ich denke an die Arbeitnehmerin, die selbst zu einer Risikogruppe gehört, die als Personalleiterin ihren Betrieb seit März fast durchgehend im Homeoffice managt und die alles tut, um die Unternehmenskultur hochzuhalten und die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer täglich zu motivieren. (Bundesrätin Gerdenitsch: Das ist nicht ...!)

Ich denke an alle Mütter und Väter, die in diesen Tagen viel mehr als Eltern sind: die Pädagogen sind, die Nachhilfelehrer sind, die sich um die Freizeitgestaltung kümmern – von der täglichen Bewegungsstunde bis zum virtuellen Musikunterricht und der Online­heimabendstunde bei den Pfadfindern. (Bundesrätin Gerdenitsch: Das ist aber ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Ich bin überzeugt: Unsere Zeit braucht genau diese Powerfrauen und -männer, und unsere Zeit braucht genau diese starken Familien, die generationenübergreifend den Zusammenhalt leben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf der Bundesrätin Gerdenitsch. – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich sehe es ganz klar als unsere Aufgabe in der Politik, dass wir die Rahmenbedin­gungen schaffen, damit all diese Frauen und Männer ihre Power auch ausleben können (Bundesrätin Schumann: Power! – Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), damit sie sie auf so vielfältige Art und Weise in die Gesellschaft einbringen können.

In diesem Zusammenhang bin ich sehr froh darüber, dass wir auf unserer Regierungs­bank auch eine echte Powerfrau sitzen haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz klar: Für mich ist Frau Bundesministerin Raab genau die richtige Frau zur richtigen Zeit am richtigen Ort. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bun­desrätin Gerdenitsch.) Ich freue mich wirklich, dass mit ihr eine Powerfrau dieses Res­sort übernimmt, die für ihr Engagement, aber auch für ihre Expertise bekannt ist. (Ruf bei der SPÖ: ... kein einziges Mal ...!) Ich freue mich vor allem auch darüber, dass eine junge Frau und werdende Mutter ein echtes Zukunftsressort übernimmt. Sie wird in Zu­kunft sicherlich auch ihre ganz persönliche Erfahrung einbringen, und ich bin überzeugt davon, dass sie ein echtes Vorbild hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und auch für junge Frauen in der Politik sein wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Schreuder. – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Gerdenitsch und Schumann. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frauen, Familie, Jugend und Integration: All das sind Politikbereiche, in denen es jetzt in dieser Krise gilt, maximale Unterstützungs­leistung zu zeigen und ganz besonders jene zu unterstützen, die durch die Coronapan­demie sehr plötzlich und unverschuldet in Not geraten sind. Gerade im Familienbereich


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 73

gibt es ein Bündel an Maßnahmen, die wir gesetzt haben. Ich erinnere an den Coro­nafamilienhärtefonds, an den Familienkrisenfonds, an den Kinderbonus, den wir aus­bezahlt haben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich erinnere auch daran, dass wir das Frauenbudget im letzten Jahr erhöht haben – übrigens im Gegensatz zur Stadt Wien – und dass wir einen besonderen Fokus auf Gewaltschutz legen. (Zwischenruf der Bun­desrätin Schumann.)

Frauen, Familie, Jugend und Integration: Das sind vor allem auch echte Zukunftsfelder. (Bundesrätin Hahn: ... 5 Uhr Früh ...!) Das sind Themenbereiche, mit denen wir ganz maßgeblich die Zukunft unseres Landes gestalten können: von der Frauenpolitik, die immer auch Gleichstellungspolitik sein muss und bei der es darum geht, Frauen ein selbstbestimmtes Leben frei von Gewalt und Diskriminierung zu ermöglichen (Zwischen­ruf der Bundesrätin Gerdenitsch), zur Familienpolitik, bei der es darum geht, die Verein­barkeit von Beruf und Familie zu verbessern und Kinderbetreuungsangebote flächende­ckend auszubauen, zur Jugendpolitik, mit der wir unseren jungen Menschen im Land alle Chancen geben möchten, bis zur Integrationspolitik, bei der wir, glaube ich, entlang der Leitlinie Integration durch Leistung alles tun wollen, um die Basis für ein gemeinsa­mes, vielfältiges und friedliches Miteinander zu schaffen.

Frauen, Familie, Jugend und Integration: Das sind auch Themenbereiche, die es ganz eigenständig voranzutreiben und überall dort, wo es notwendig ist, auch ganz klar zu trennen gilt. Es sind aber auch Themenbereiche, in denen es – so wie in allen anderen Bereichen auch – Synergien zu suchen und Zusammenarbeit zu nutzen gilt.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das neu fokussierte Arbeitsministerium eingehen. Ich glaube, uns allen ist bewusst, dass wir, wenn wir die Gesundheitskrise überwunden haben, die wirtschaftlichen Folgen dieser Pandemie noch länger spüren werden und dass arbeitspolitisch noch sehr, sehr viele Aufgaben auf uns warten. Ich glaube aber auch, dass wir mit Martin Kocher wirklich einen ausgewiesenen Experten haben und dass wir mit ihm zusammen an einem Bündel von Maßnahmen arbeiten wer­den, damit wir diese Krise letztlich besser und schneller bewältigen, als uns das momen­tan alle Prognosen voraussagen. (Bundesrätin Schumann: Wunderbar! – Zwischenruf des Bundesrates Novak.)

Zum Abschluss darf ich Jean Anouilh zitieren: „Die Dinge sind nie so, wie sie sind. Sie sind immer das, was man aus ihnen macht.“ (Zwischenruf der Bundesrätin Gerde­nitsch.) – In diesem Zusammenhang freue ich mich, wenn wir gemeinsam daran arbei­ten, diese Krise bestmöglich zu bewältigen, und ich freue mich, wenn wir gemeinsam daran arbeiten, die Zukunft zu gestalten. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrätin Gerdenitsch: Ja bitte, gemeinsam! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

13.15


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses.


13.15.41

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst möchte auch ich Ihnen, Frau Ministerin, für Ihre Schwangerschaft alles erdenklich Gute wünschen.

Ich muss trotzdem am Anfang meiner Rede das kundtun, was mich seit heute Morgen beschäftigt und so sehr aufwühlt, dass ich mir schwertue, mich zu fokussieren: Es ist die Herzlosigkeit, die sich in der Nacht gezeigt hat, gemischt mit der Unfähigkeit dieser Regierung, mit der wir zurzeit konfrontiert sind. Die Bilder der heutigen Nacht lassen mich nicht los. Kinder bewusst ins Elend zu schicken, das tut man nicht! (Beifall bei der


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 74

SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Wir haben politische Mittel wie das huma­nitäre Bleiberecht, so etwas ist in einer solchen Situation anzuwenden – Punkt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schumann: Genau!)

Bis zur Geburt beziehungsweise bis zum Mutterschutz, Frau Ministerin, wartet ja ein riesiger Berg Arbeit auf Sie. Ich beneide Sie nicht darum. Meiner Meinung nach ist es zu viel für eine Ministerin, für ein Ressort, denn in allen Themenbereichen, in jedem einzel­nen Themenbereich, brennt der Hut. Sie selber haben es im Nationalrat so beschrieben, dass nun der Turbo eingelegt werden müsse. Frau Ministerin, es ist ein multipler Turbo, den man jetzt zünden muss, weil man gar nicht beurteilen oder bewerten kann, welcher Bereich eigentlich der dringendere ist. Es geht in Ihrem Ressort nämlich um nicht weni­ger als um das Wohlergehen der Kinder, der Jugendlichen, der Eltern, der Alleinerzie­herInnen; es geht um das Leben von Frauen und Mädchen, und es geht um das Zusam­menleben aller Menschen, egal welcher Herkunft. – Das ist viel.

Vieles davon ist Querschnittsmaterie, ressortübergreifend, das ist klar, aber das darf nicht dazu führen, dass ein Ressort sich auf das andere verlässt und dass ein Minister, eine Ministerin auf den oder die andere wartet und dadurch schlussendlich nichts wei­tergeht. Ich möchte an ein paar wirklich dringenden Aufgaben festmachen, was in Zu­kunft zu tun ist und sozusagen schon gestern zu tun war.

Sie sind jetzt Ministerin für Jugend und Kinder – ja, auch für Kinder, auch wenn das leider im Namen des Ministeriums noch nicht vorkommt. Das, was wir schon die ganze Krise hindurch vermissen, ist die politische Aufmerksamkeit für die Themen der Kinder und Jugendlichen.

In Ihrer Welt, in Ihrer Blase – auch in der meiner Vorrednerin – kann man leicht davon reden, wie kreativ die Kinder und Jugendlichen diese Krise bewältigen, welche Powerfa­milien und Powerfrauen wir haben. Die Realität in meinem Umfeld – und ich kenne die Familien und die Not, mit der sie derzeit konfrontiert sind – ist: Sie sehen die Familien, die Privilegien haben, aber es gibt Familien, denen diese Privilegien nicht zustehen. Auf die müssen wir schauen und außerhalb dieser Blase denken, für diese Familien müssen wir da sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir warnen seit Monaten davor, und das, was jetzt eintritt, ist höchst bedenklich: Die Kinder- und Jugendärzte und -ärztinnen, die Kinder- und JugendpsychiaterInnen, die Kinder- und Jugendhilfe und so weiter – sie alle schlagen Alarm.

Die Regierung hat uns immer vor einer Triage gewarnt. (Bundesrat Steiner: Jetzt haben wir sie, die Triage, in der Psychiatrie!) Diese Situation, in der nicht mehr alle PatientInnen gleichwertig behandelt werden können, war immer sozusagen das Horrorszenario, das wir nicht haben wollten und das alle Maßnahmen legitimiert hat. Wir haben diese Situa­tion jetzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, das heißt, aktuell können nicht alle Kinder und Jugendlichen versorgt werden. Es geht dabei nicht um Wehwehchen, nicht um einen Beinbruch, sondern es handelt sich um Suizidgefährdungen, um Essstörungen, um Angst­störungen, um Depressionen bei jungen Menschen.

Nein, Frau Ministerin, da können auch Sie nicht sagen, das ist die Zuständigkeit des Gesundheitsministers, denn solche psychischen Belastungen sind ein Produkt aus dem Versagen verschiedener Bereiche, eben auch aus dem Versagen eines Kinder- und Ju­gendressorts. Wenn junge Menschen die Belastungen ihrer Eltern täglich erleben müs­sen und wenn sie Angst vor Gewalt erleben müssen, nicht rauskönnen und keine Pers­pektive sehen, dann entstehen diese Belastungen. Da müssen Sie, der Herr Gesund­heitsminister, der Herr Bildungsminister und alle anderen Regierungsmitglieder jetzt ge­meinsam einen Plan entwickeln. Die jungen Menschen brauchen eine Perspektive. Ich denke da auch durchaus an eine Form von Belohnung dafür, was die jungen Menschen seit Wochen, seit Monaten an Entbehrungen ertragen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 75

Ich werde später noch einen Antrag dazu einbringen, und ehrlich gesagt: Wer dem nicht zustimmt, nämlich dass jetzt ein Paket für Kinder und Jugendliche geschnürt wird, dem sind die Kinder offensichtlich wurscht. Ich werde Sie alle daran messen, ob Sie bei die­sem Antrag mitgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie sind jetzt auch Ministerin für Kinderrechte in Österreich, und Ihre Aufgabe ist die Koordinierung dieses Themas. Kinderrechte betreffen zwar wieder alle Ressorts, aber bei Ihnen muss der Lead liegen, das heißt, Sie müssen die Fäden in die Hand nehmen. Im Frühjahr 2020 sind die Concluding Observations der Vereinten Natio­nen eingetroffen, also die Arbeitsaufträge der UNO an Österreich, was im Bereich Kin­derrechte zu tun ist. Ich würde gerne Folgendes wissen: Wann startet die Erledigung dieser Aufgaben? Wann startet die Abarbeitung dieser Aufträge? Die Liste der Kinder­rechtebaustellen ist lang. Bitte, kommen Sie da in die Gänge!

Als Familienministerin betrifft Sie natürlich auch das Thema Kinderarmut. Ich weiß, ich habe es hier schon öfters erwähnt, aber es muss offensichtlich sein, denn es tut sich nichts. Kinderarmut zu akzeptieren, Kinderarmut zuzulassen ist politisch und gesell­schaftspolitisch fahrlässig, denn wir alle wissen, dass die Reparatur dessen, was in früheren Jahren sozusagen verbockt wird, in späteren Jahren um ein Vielfaches teurer wird. Da geht es um Gesundheitsprobleme, da geht es um Bildungsprobleme in jungen Jahren, die zur Arbeitslosigkeit und zu chronischen Erkrankungen im Erwachsenenalter führen. Das heißt, es ist schlau, in der Kindheit zu investieren, und es ist nicht schlau, zu warten, bis Erwachsene in der Armutsspirale festhängen. (Beifall bei der SPÖ.) Dass in diesem Zusammenhang die Unterhaltsgarantie jetzt wieder nicht kommt, versteht wirk­lich niemand mehr.

Frau Ministerin, als Familienministerin betrifft Sie aber auch das Thema Kindergärten. Am Sonntag war der Tag der Elementarbildung, und die Kindergärten und Krippen sind über die 15a-Vereinbarungen mit den Ländern teilweise auch in Ihrem Ressort verankert. Sie selber haben die Notwendigkeit eines flächendeckenden Angebotes betont. Ja, das ist wichtig, aber wichtig ist auch die flächendeckend gleich hohe Qualität in diesem Be­reich. Da gibt es noch viel zu tun. Jedes Kind, egal ob am Bodensee oder am Neusiedler See geboren, hat ein Recht auf die beste elementare Bildung. Auch da braucht es nächste Schritte. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein Thema für Sie, Frau Ministerin – ich habe es vorhin angedeutet –: Während ich hier spreche, frieren Tausende junge Menschen und ihre Eltern in den Elendscamps in Griechenland und in Bosnien. Da kann jeder Minister und jede Ministerin natürlich auf die anderen warten, auch jedes Land kann auf das andere Land warten, das hilft aber den Kindern nicht. Wer als EntscheidungsträgerIn angesichts dieser Bilder noch ruhig schlafen kann, hat kein Herz – das ist meine Meinung. Wer doch ein Herz hat, kann die Petition, die wir gestartet haben, ab sofort unterzeichnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, Sie haben im Nationalrat gesagt, Sie möchten jungen Menschen Pers­pektiven geben – wir auch! –, aber es braucht noch mehr: Wir müssen die Kinder und Jugendlichen jetzt auffangen und retten. Deshalb stellen wir als SozialdemokratInnen gemeinsam mit den NEOS – vielen herzlichen Dank an dieser Stelle – folgenden Ent­schließungsantrag, den ich hiermit einbringe:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehende Umsetzung eines Zukunftspaketes für Kinder- und Jugendliche“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 76

„Die Bundesregierung, insbesondere die zuständige Bundesministerin für Frauen, Inte­gration, Familie und Jugend wird aufgefordert, umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung der negativen (psycho-) sozialen Auswirkungen der Corona Krise auf Kinder und Ju­gendliche zu treffen und ein Zukunftspaket für Kinder und Jugendliche auf den Weg zu bringen.“

*****

Frau Ministerin! Es warten viele, eigentlich zu viele Aufgaben auf Sie, die gelöst werden müssen. Sie können das gemeinsam mit Expertinnen und Experten probieren, aber – Hand aufs Herz! – ein Riesenressort, wie Sie es gerade aufbauen, wird weder den Kin­dern und Jugendlichen noch den Eltern noch den Frauen etwas bringen. Leider haben Sie und Ihre RegierungskollegInnen es erneut verpasst, ein Signal für die in Österreich so dringend notwendige eigenständige Kinder- und Jugendpolitik und somit für die Ge­genwart und Zukunft der jungen Menschen zu setzen, daher lehnen wir dieses Gesetz ab. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.26


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner und Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschlie­ßungsantrag betreffend „umgehende Umsetzung eines Zukunftspaketes für Kinder- und Jugendliche“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als weiterer Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön.


13.27.23

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! (Bundesrat Schreuder: Und Österreicherinnen!) – Ich habe es, glaube ich, vorhin schon erwähnt (Bundesrat Schreuder: ... nicht aufhö­ren!), ich schätze beide, Damen und Herren, gleich viel wert und muss es nicht in der Sprache wiedergeben. (Bundesrat Schreuder: Dann sagen Sie Österreicherinnen!) Das liegt alles nur an der Zeit. Ich schätze jedenfalls beide genau gleich. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Bundesminister, eingangs darf ich Ihnen für Ihre neue Aufgabe, für Ihren neuen Aufgabenbereich wirklich alles erdenklich Gute wünschen, denn Sie haben zwei wesent­liche Bereiche dazubekommen. Sie haben den Jugendbereich und den Familienbereich dazubekommen. In Anbetracht der Tatsache, dass Martin Kocher bereits vor seinem Amtsantritt bewiesen hat, dass seine soziale Kompetenz nicht sehr stark ausgeprägt ist, bin ich wirklich froh, dass diese Agenden zu Ihnen gewandert sind, Frau Bundesminister.

Ob es auch so positiv ist, dass die Freiwilligenpolitik zu Bundesminister Anschober wan­dert, wage ich zu bezweifeln. In der Vergangenheit hat Bundesminister Anschober be­reits bewiesen, dass er mit seinem Ressort nicht nur voll und ganz ausgelastet und belastet ist, sondern, so möchte ich fast sagen, aufgrund dieser hohen Belastung, die er in seinem Ressort hat, kommen immer und immer wieder verfassungswidrige Verord­nungen heraus. Dazu kann man nur mehr Husch-Pfusch sagen, und ich weiß nicht, ob er wirklich noch einen Bereich hätte dazubekommen sollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich gehe aber davon aus, dass dieser Bereich in ein grünes Ressort gewandert ist, damit auch die Grünen etwas dazubekommen und sich nicht aufregen können. Wir gestehen dieser Bundesregierung ja grundsätzlich zu, dass sie ihre Aufgaben frei verteilen kann. Aus diesem Grund werden wir dieser Novelle des Bundesministeriengesetzes auch un­sere Zustimmung geben.

Zu meiner Vorrednerin darf ich sagen: Natürlich, Kinder und Jugend sind uns wirklich ein Anliegen, sind etwas Wichtiges. Daher werden wir Freiheitliche diesem Zukunftspaket


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 77

für Kinder und Jugendliche natürlich unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Nun aber auch zu Ihrem Aufgabenbereich, Frau Bundesminister: Sie bekommen Aufga­ben hinzu, die uns allen ein besonderes Anliegen sein sollten und sein müssen.

Gerade die Familien und die Kinder sind es, die in dieser Coronakrise massiv in Mit­leidenschaft gezogen werden, nämlich durch die völlig überzogenen Maßnahmen dieser schwarz-grünen Bundesregierung. Es sind die Familien, die nahezu seit einem Jahr angehalten sind, sich nicht miteinander zu treffen. Es sind die Familien, die ihre Eltern und Großeltern nicht mehr besuchen gehen sollen. Der 80-jährige Großvater darf seine Familie besuchen gehen, die Familie darf den 80-jährigen Großvater nicht besuchen gehen. Kinder dürfen in ein randvolles Massenbeförderungsmittel einsteigen, dürfen die­ses benutzen, dürfen damit in die Schule fahren, dürfen aber in der Schule nicht mehr unterrichtet werden. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Frau Bundesminister, merken Sie eigentlich, welcher Schwachsinn diese Regelungen zum Teil sind? Man darf in einen Bus einsteigen, der randvoll ist. In der Schule, wo man in den Klassen 1 Meter Abstand hat, 2 Meter Abstand hat, darf man nicht mehr unter­richtet werden. Ich glaube, da haben wir wirklich Verbesserungsbedarf.

Unsere Kinder dürfen im Lernen auf Distanz ihren schulischen Verpflichtungen nachge­hen. Es wurde den Eltern dabei empfohlen, den Schlafbereich, den Spielbereich, den Arbeitsbereich voneinander zu trennen. Genau diese Aussage ist für viele Familien ein Schlag mitten ins Gesicht gewesen, Frau Bundesminister! (Beifall bei der FPÖ.)

In der Realität schauen Heimunterricht und Heimarbeit nämlich ganz, ganz anders aus. Da wird der Küchentisch nach dem Frühstück in das Heimbüro umfunktioniert, in den Ort für das Lernen auf Distanz, die Küche wird zum Klassenraum, gemeinsam genützt von Eltern und Schülern. Der eine telefoniert mit Arbeitgebern, mit Kunden, der andere macht seine Hausübung. Parallel dazu, wo es vielleicht ein wichtiges Kundengespräch gibt oder der Arbeitgeber etwas braucht, braucht auch das Kind etwas bei seinen Hausaufgaben. Ich sage, das, was da zurzeit passiert, was diese Bundesregierung im Bereich der Fami­lie und der Kinder angerichtet hat, ist in Wahrheit ein Kuddelmuddel, das schnellstmög­lich zusammengeräumt werden muss. (Beifall bei der FPÖ.)

Was passiert weiter? – Zu Mittag werden dieses Büro, dieses Heimbüro, diese Schule zu Hause natürlich wieder in die Küche umfunktioniert, es wird dort gemeinsam geges­sen. Am Nachmittag wird sie wieder zur Schulklasse und zum Büro. Es wird geputzt, es wird gewaschen, es wird gebügelt, es wird gekocht, es wird Unterricht betrieben, und das alles zu Hause von den Eltern. Das sind Dinge, die unsere Familien wirklich belas­ten, unsere Kinder wirklich belasten. Dieses Distanz-, Einsperr- und Wegsperrchaos hat unsere Familien jetzt bereits über ein Jahr massiv belastet.

Massiv belastet es auch die vielen, vielen Nachwuchstalente, die wir unter unseren Kindern haben, und ich kann Ihnen nur sagen: Irgendwann werden wir unseren Kindern nicht mehr erklären können, warum sie regelmäßig ihren Sport machen sollen, wenn keine Wettkämpfe mehr stattfinden; teilweise geht es ja schon so weit, dass nicht einmal mehr ein Training stattfinden kann. Der Nachwuchsschwimmer, der Tennisspieler, der Fußballer hat inzwischen gar keine Möglichkeit mehr, seinem Sport nachzugehen. Liebe Kollegen, ich frage Sie schon: Na, wie viele werden nächstes Jahr oder im Sommer auf ihren Sport pfeifen, weil sie seit einem Jahr schon nicht mehr die Möglichkeit gehabt haben, ihren Sport überhaupt auszuüben? Das ist für unsere Kinder eine massive psy­chische Belastung und auch eine massive Belastung für den österreichischen Nach­wuchssport. (Beifall bei der FPÖ.)

Es sind so viele Dinge, über die man nachdenken sollte, bevor man wieder irgendwelche Verordnungen erlässt, wie diesen Mundschutz für Kinder. Wie sollen Kinder lernen, mit


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 78

Mimik und Gestik zu kommunizieren, wie sollen Kinder lernen, mit dieser Regierungsbur­ka weiter durchs Leben zu gehen? Das ist etwas, wo ich sage, da sollte man vielleicht vorher nachdenken, sich die Infektionszahlen anschauen: 11 000 Testungen an den Schulen, rund 40 positive, und kein einziger mit Symptomen. Ob das eine Schließung der Schulen und eine Maskenpflicht an den Schulen rechtfertigt, das wage ich zu bezwei­feln.

Frau Bundesminister, denken Sie in Ihrer Regierungsfunktion an unsere Kinder! Sie wer­den ja selbst bald Mutter, und ich darf Ihnen auch an dieser Stelle dazu gratulieren, Ihnen schon jetzt alles, alles Gute und viel Gesundheit dafür wünschen. Ich glaube, das ist etwas wirklich Positives. Sie können sich danach wahrscheinlich besser in unsere Kinder und auch in unsere Familien hineinversetzen, und wenn Sie das können, dann glaube ich, dass uns in Zukunft viel erspart bleiben wird. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.35


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Frak­tionsvorsitzender Marco Schreuder. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


13.35.40

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Als Freund der Steiermark darf ich natürlich ganz herzlich von Wien aus grüßen und alles Gute für die Vorsitzfüh­rung wünschen. Auf ein produktives halbes Jahr, das wir gemeinsam verbringen werden!

Sehr geehrte Frau Ministerin, auch von meiner Seite natürlich herzliche Gratulation! Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie es nachher wird, ich bin kinderlos. Ich bin auch keine Frau, aber als jemand, der sehr lange dafür gekämpft hat, dass Regenbogenfamilien als Familien anerkannt werden, erlaube ich mir sehr gerne, mich zu diesem Thema heute auch zu Wort zu melden.

Vorab möchte ich aber schon auch sagen, dass es mir heute Morgen sehr ähnlich ging wie meiner Kollegin Frau Gruber-Pruner. Als ich die Bilder aus Wien-Simmering von heute Morgen gesehen habe, ist es mir nicht gut gegangen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Ich habe ab den frühen Morgenstunden schlecht geschlafen. Ich habe ein Facebook-Posting einer Bekannten gelesen, deren Tochter mit einem der Kinder, die gestern Ös­terreich verlassen mussten, sehr gut befreundet war. Ich weiß natürlich gleichzeitig: Das war ein ausjudizierter Fall. Ich will mich hier überhaupt nicht über den Rechtsstaat erhe­ben. Die Entscheidung basiert auf Gesetzen, die nicht wir beschlossen haben, sondern die einst von SPÖ und ÖVP beschlossen worden sind. Ich weiß allerdings auch, dass es keine Verpflichtung zu einer Abschiebung gibt, und ich wollte hier in dieser Kammer als produktiven Ansatz einbringen: Das Bleiberecht war einmal Länderkompetenz. Es ist durchaus auch die Frage – die ich jetzt einfach ganz offen stelle –, ob es nicht auch sinnvoll ist, dass die Entscheidung dort getroffen wird, wo die Menschen sich gut kennen; die Entscheidung über Menschen, die hier gut integriert sind, Menschen, die hier gebo­ren sind und eigentlich woanders kaum noch Perspektiven haben, zumal wenn sie die­ses Land, in das sie geschickt werden, nicht einmal kennen. – So viel dazu. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Novak.)

Die Agenden Familie und Frauen zusammenzulegen ist, wie wir schon gehört haben, in einigen Ländern durchaus üblich, zum Beispiel in Kärnten. Da ist, würde ich sagen, eher die gemachte Politik entscheidend und nicht, welches Label man wo hinhängt. Ich denke, dass uns in der Familienpolitik sehr, sehr viel gelungen ist, und ich möchte mich auch ausdrücklich dafür bedanken. Wir haben die Mittel im Familienhärtefonds in der Covid-Krise laufend erhöht, und ich glaube nicht, dass das irgendeine Perspektive aus einer Blase oder aus einer privilegierten Ebene wäre, wie das vorgeworfen worden ist. Dieser


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 79

Familienhärtefonds ist tatsächlich für die Härtefälle gedacht, da haben wir sehr viel ge­holfen, und ich bin ausdrücklich dankbar dafür.

Wir tun viel gegen die Belastungen der Familien. Wir wissen alle, dass diese Covid-Krise Menschen in ungeahnter Weise trifft, vor allem Alleinerziehende, die zu Hause, oft nur in einem Raum, Homeoffice und Kinderbetreuung und Homeschooling vereinbaren müs­sen. Das ist alles andere als lustig, und keiner von uns möchte das tun, es ist nur leider notwendig, weil wir uns in einer Pandemie befinden. Manchmal habe ich wirklich den Eindruck - - Herr Kollege Steiner verdreht schon die Augen. (Bundesrat Steiner: Die Kinderpsychiatrie ist überfüllt!) – Ja, das ist völlig richtig, aber es ist leider so, dass wir Menschen derzeit vor der Coronainfektion schützen müssen, es hilft nichts. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Und was machen wir mit den Kindern?)

Tatsache ist auch, dass Frauen da definitiv eine Hauptlast tragen, und dem muss man natürlich auch Rechnung tragen.

Ein wichtiger Punkt, den wir hier auch behandeln können und müssen, ist natürlich die Jugendarbeitslosigkeit. Ich bin sehr froh, dass die Szenarien, die ja noch von den Exper­tinnen und Experten prophezeit worden sind, nicht in dieser Form und dieser Härte schla­gend geworden sind. Wir haben auch viel für die Lehrlinge gemacht, und darauf können wir auch wirklich stolz sein. Wir haben vielen Jugendlichen ganz massiv geholfen, und wir werden nicht lockerlassen. Wir werden weiterhin stark sein müssen und solange die­se Krise anhält diesen Leuten helfen müssen. Wir tun es, und ich bin stolz darauf, dass diese Bundesregierung diese Verantwortung übernimmt.

Kinderarmut ist natürlich gerade jetzt in der Covid-Krise auch eine der ganz großen Herausforderungen. Wir haben jetzt eine neue Studie in Auftrag gegeben. Man glaubt es ja kaum, wir hatten noch immer Daten aus dem Jahr 1964. Es ist umso schöner, dass wir hier nun gemeinsame Anstrengungen unternehmen und die Daten aktualisieren, weil man dann natürlich auch viel besser politisch agieren kann – daher auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön dafür!

Wir werden jetzt sehr bald sehr oft über Konjunkturpakete sprechen. Natürlich ist die Investition in Lehrlinge, in Schülerinnen und Schüler, in Studentinnen und Studenten die nachhaltigste Investition. Ich sage das jetzt ein bisschen ungern, wenn es um Menschen geht, aber das ist schon Humankapital der Zukunft. Das ist eine sehr nachhaltige und sehr sinnvolle Investition.

Ich erlaube mir, mich als Mann auch zur Frauenpolitik zu Wort zu melden, denn Frauen­politik ohne Männer ist sinnlos. Sie muss auch von den Männern mitgetragen werden, und ich halte als Mann auch den Feminismus sehr gerne hoch. Das sage ich ganz be­wusst. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wir haben auch Dinge gendergerechter gemacht, was auch nicht alle hier im Haus teilen. Ich bin schon stolz darauf, dass wir das Pensionssystem gendergerechter gemacht haben (Bundesrätin Schumann: Geh bitte!), dass wir mit der Ausgleichszulagener­höhung und mit dem FrühstarterInnenbonus hier eindeutig für andere Erwerbsbiografien und besonders für Frauen viel erreicht haben. Darauf bin ich besonders stolz. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schartel und Schumann.)

Dass wir das Frauenbudget um 43 Prozent erhöht haben – ich habe es jetzt nicht über­prüft, aber ich glaube es –, ist einmalig in der Zweiten Republik, und das hat diese Bun­desregierung gemacht. Vielen Dank, Frau Ministerin! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Wir haben eine Arbeitsmarktstiftung mit 700 Millionen Euro gegründet – ich meine, das ist nicht nichts –, bei der wir insbesondere einen Schwerpunkt für Frauen in der Arbeits­losigkeit gesetzt haben. Das Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz – ein Thema, das ja


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 80

immer wieder besonders Frauen betroffen hat – bedeutet auch eine Stärkung der Frau­enrechte, die wir auf jeden Fall unterstützen. Und eine Kleinigkeit wie die Senkung der Umsatzsteuer bei Hygieneartikeln für Frauen ist auch wirklich sehr wichtig. (Bundesrätin Schumann: Aber leider für die Binden nicht!)

Ich glaube, wir sind hier auf einem guten Weg. Wir werden weiter über verschiedene Konzepte von Familienpolitik und Frauenpolitik streiten, und das ist auch gut so. Ich glaube, wir sind aber auf einem guten Weg, und ich wünsche Ihnen für die zusätzlichen Agenden, die Sie jetzt übernommen haben, alles erdenklich Gute. (Beifall bei den Grü­nen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.43


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Susanne Raab. – Bitte, Frau Bundesministerin.


13.43.21

Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt MMag. Dr. Su­sanne Raab: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesrä­te! Ihre Zustimmung vorausgesetzt, darf ich zukünftig die Agenden Familie und Jugend in unserem neuen Ressort zusammenführen. Ich bin stolz darauf, diese Aufgabe mit voller Kraft wahrnehmen zu dürfen.

Ich weiß sehr wohl, dass ich diese zusätzlichen Aufgaben in einer ganz schwierigen Zeit übernehmen werde, einer Zeit, die besonders für die Familien und auch für die Jugend sehr herausfordernd ist. Wir wissen, dass die Pandemie besonders zu Hause mit Home­schooling, Homeoffice und dem Haushalt einfach eine Mehrfachbelastung mit sich bringt. Wir wissen natürlich auch, dass besonders Frauen diese Aufgaben stemmen müssen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir als Bundesregierung alles tun, um in der Pandemie trotz der Schwierigkeiten, die der Gesundheitsschutz mit sich bringt, die Fa­milien gut durch die Krise zu bekommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich kann Ihnen versichern, dass ich als Familien- und Jugendministerin genau diese Rahmenbedingungen, die wir bisher geschaffen haben, natürlich weiter ausbauen und da noch einmal mit voller Kraft und voller Energie einen Turbo einlegen werde, damit wir auch die letzten – so hoffen wir – Monate dieser Pandemie weiterhin für die Familien in Österreich da sind.

Ich möchte nur kurz darauf eingehen, wie ich die Agenden Frauenpolitik und Familien­politik sehe, ich möchte auch gerne auf die Kritik eingehen, dass die Agenden nun in einem Ressort zusammengeführt werden. Ich bin da wirklich ganz anderer Meinung, und ich sage Ihnen auch, warum. Ich habe als Frauenministerin im letzten Jahr mit unzäh­ligen Frauen gesprochen, und ich kann Ihnen sagen, in der Praxis ist es schlichtweg so, dass für viele Frauen selbstverständlich die Themen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie man das alles zu Hause unter einen Hut kriegt, wie das mit Karenzregelungen ist, wie das mit der Familienbeihilfe ist, wie das mit der Elternbeteiligung ist, ganz zentrale Themen in ihrem Alltag sind. Daher ergibt natürlich die Zusammenlegung dieser Res­sorts besondere Synergien, die ich nutzen möchte, um auch die Frauen, insbesondere eben die Mütter, in diesen Situationen zu unterstützen und bessere Rahmenbedingun­gen zu schaffen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Manche davon wurden ja auch schon genannt. Selbstverständlich ist ein flächendecken­der Ausbau der Kinderbetreuung eine ganz zentrale Rahmenbedingung dafür, wie ich ein Familienmodell sehe, nämlich dass die Wahlfreiheit im Vordergrund steht, dass sich jede Familie selbst so organisieren kann, wie sie möchte, Familienzeit und berufliche Zeit so gestalten kann, wie sie möchte. Deswegen ist Kinderbetreuung, die Möglichkeit, diesbezüglich auf Hilfe zurückzugreifen, ein ganz zentrales Anliegen, das ich gemein­sam mit den zuständigen Bundesländern auch weiter verfolgen werde.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 81

Lassen Sie mich aber auch Folgendes sagen: Ich habe gerade die Synergien hervorge­hoben, die durch beide Agenden entstehen, und hier auf die Frauen, auf die Mütter auf­merksam gemacht. Klar ist aber, dass Familienpolitik nicht nur die Frauen betreffen kann, sondern es geht mir natürlich ganz zentral auch um die Stärkung der Väterbeteili­gung. Es geht mir um die Partnerschaftlichkeit, dass man, wenn man gemeinsam ein Kind in die Welt setzt, auch eine gemeinsame Verantwortung als Familie füreinander hat. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Selbstverständlich ist Frauenpolitik nicht mit Familienpolitik gleichzusetzen und umge­kehrt, denn Frauenpolitik ist Gleichstellungspolitik auf allen Ebenen und in allen Lebens­bereichen, egal ob am Arbeitsmarkt, im Bildungsbereich, in der Pension oder was das Lebenseinkommen betrifft. Es gibt zahlreiche Lebensbereiche, in denen wir in Österreich hinsichtlich der Gleichstellung von Mann und Frau noch Schritte machen müssen, und das ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe. (Beifall bei der ÖVP.)

Dafür gibt es in unseren Ressorts und für uns als Bundesregierung einfach viel zu tun. Das kann nicht die Aufgabe eines Ressorts sein, sondern meine Aufgabe ist es natürlich, in den unterschiedlichen Ressorts auch auf die Agenden Frauenpolitik und Familienpoli­tik aufmerksam zu machen. Ich möchte aber schon vorausschicken, dafür gibt es in allen Ressorts und unter allen Ministern ein ganz großes Bewusstsein. Ich kann Ihnen ver­sichern, dass die Belastung und die Situation für die Familien und auch für die Frauen immer ganz zentrale Themen sind, auch wenn wir die Maßnahmen bezüglich der Coro­napandemie besprechen und beschließen. Der Gesundheitsschutz und der Kampf ge­gen die Pandemie sind derzeit unsere oberste Prämisse, aber wir werden weiterhin Rah­menbedingungen dafür schaffen, dass das für die Frauen, für die Familien auch besser gelingt.

Eines möchte ich auch noch sagen: Ich habe sehr wohl ein Bewusstsein dafür, dass es Frauen gibt, die in unterschiedlichen Lebenssituationen sind und einfach wahnsinnig viel zu stemmen haben, weil sie auf das, was ich zuvor angesprochen habe, nämlich auf die Partnerschaftlichkeit, nicht zurückgreifen können, etwa weil sie als alleinerziehende Mama von drei Kindern alles alleine stemmen müssen. Wir werden alles tun, damit wir besonders für jene Mütter, die in besonders schwierigen, auch finanziell prekären Situa­tionen sind, bessere Rahmenbedingungen schaffen. Das möchte ich Ihnen hiermit auch zusichern. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich danke Ihnen vorab für Ihr Vertrauen und freue mich auf eine gute, konstruktive und auch sehr gerne diskursive Zusammenarbeit mit Ihnen im Bundesrat. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

13.49


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Bun­desrat Ingo Appé. – Bitte, Herr Kollege.


13.49.33

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da von meinen Vorrednern schon des Öf­teren Kärnten erwähnt wurde und auch Kollegin Zeidler-Beck so enthusiastisch auf Kärn­ten hingewiesen hat, nämlich dass sehr wohl auch dort verschiedene Ressorts zusam­menfallen, möchte ich schon auf etwas hinweisen.

Da ist halt typischerweise wieder passiert, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden, denn eines ist klar: Zwischen der Konstituierung und Zusammensetzung einer Landesregie­rung und dem Bundesministeriengesetz besteht ein haushoher Unterschied. Wir haben nur bestimmte Sitze in der Landesregierung für Referate zu vergeben. Es wäre schön, wenn wir so viele hätten, dass wir dort auch ein eigenes Frauenreferat installieren könn­ten.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 82

Auf Bundesebene ist das ganz anders: Da tut man sich leicht, und wenn da jetzt zusam­mengelegt wird, ist das eine andere Geschichte als in den Ländern.

Darüber hinaus möchte ich noch hinzufügen, dass wir in Kärnten mit Sara Schaar eine exzellente Powerfrau als Referentin für die Frauen im Bundesland zur Verfügung ha­ben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich begrüße Herrn Finanzminister Mag. Gernot Blümel im Bundesrat. Herzlich willkommen!

Die nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Wolff. – Bitte, Frau Kollegin.


13.51.02

Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nicht zuletzt: Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zuerst möchte ich auf eine etwas kleinere Änderung der Bundesministeriengesetz-Novelle eingehen.

Zukünftig, nach der Zustimmung zu dieser, werden nämlich auch die landwirtschaftlichen Ausbildungen zum Facharbeiter und Meister im Ministerium für Landwirtschaft, Regio­nen und Tourismus geregelt. Somit kommt es zu einer Zusammenschließung aller Zu­ständigkeiten der land- und forstwirtschaftlichen Schul- und Berufsausbildung in nur ei­nem Ressort. Dadurch können das bestehende Fachwissen, Synergien und Kompeten­zen genutzt werden, und ich befürworte daher diese Novelle.

Weiters möchte ich mich auf die Umgestaltung des Arbeitsministeriums beziehen: Un­sere Ministerinnen und Minister der Bundesregierung werden aufgrund besonderer fach­licher Expertise in ihren Teilbereichen ausgewählt. Derzeit gibt es auf dem Arbeitsmarkt besondere Herausforderungen. Durch das Modell der Kurzarbeit konnten bereits eine Million Arbeitsplätze gesichert werden. Das macht ersichtlich, welches Ausmaß die Krise annimmt. Der Wechsel der Minister hat aufgrund dieser Ausnahmesituation auch ein Wandern der Agenden bewirkt.

Nach der Gesundheitskrise haben wir es jedoch leider noch lange nicht geschafft. Es wartet eine ökonomische Krise auf uns. Daher ist es notwendig, zu reagieren und Arbeit zu einem eigenen Ressort zu machen.

Ich möchte aber auch klarstellen, dass der Umstand, dass die Ressorts Familie und Ju­gend sich nicht mehr im selben Ministerium wie Arbeit befinden, nicht bedeutet, dass Jugendarbeitslosigkeit nicht weiterhin bekämpft wird oder dass familienfreundliche Ar­beitsplätze nicht weiterhin gefördert werden sollen.

Die Bereiche Familie und Jugend werden in Zukunft von Ihnen, Frau Ministerin Raab, übernommen. Sie werden selbst bald Mutter, und ich möchte Ihnen herzlich dazu gratu­lieren. Wie Sie gerne selber betonen, sind Sie eine Frau, die wirklich „am Gas steht“, eine wahre Powerfrau, die Sachen gerne anpackt. Da kann ich vor allem die Vorwürfe der Sozialdemokratie, Sie würden das alles nicht schaffen, nicht verstehen. Das würde man einem Mann nicht vorwerfen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben, wie meine Vorredner, Herr Schreuder oder Frau Marlene Zeidler-Beck, schon gesagt haben, ausreichend bewiesen, dass Sie sich für Ihre Ressorts starkmachen. Das braucht es auch, denn gerade Familie und Jugend sind von dieser Krise besonders be­troffen. Durch die Maßnahmen des Homeschooling, des Homeoffice und die Tatsache, dass so viele Menschen in Kurzarbeit sind, ergeben sich laufend Herausforderungen, auf die weiter eingegangen werden muss.

Besonders wichtig ist mir der Bereich Jugend. Sehr geehrte Frau Kollegin Gruber-Pru­ner, da möchte ich mich auch an Sie wenden. Corona ist eine massive Belastung, vor


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 83

allem auch psychisch, für Kinder und Jugendliche. Das ist auch der Regierung bewusst. Wie wir heute in der Fragestunde gesehen haben, werden da verstärkt Maßnahmen in die Wege geleitet.

Keine der Einschränkungen im Lockdown ist willkürlich getroffen, jede Maßnahme ist derzeit notwendig. Es geht um den Schutz der Gesamtbevölkerung. Die Regierung gibt auch besonders auf junge Menschen acht. Die Krise betrifft uns jedoch alle, und wir dürfen das Licht am Ende des Tunnels nicht aus den Augen verlieren und müssen zu­versichtlich in die Zukunft blicken. (Beifall bei der ÖVP.)

Für die Jugend konnten bereits wichtige Schritte gesetzt werden. Durch gezielte Maß­nahmen wie die Taskforce für Jugendbeschäftigung konnte die Jugendarbeitslosigkeit möglichst gering gehalten werden, und die zahlenmäßigen Prognosen aus dem Frühjahr sind nicht eingetreten. Auch im Lockdown ist außerschulische Kinder- und Jugendar­beit – konkret: pädagogische Gespräche, Beratungs- und Informationsarbeit für Kinder und Jugendliche – unter Schutzvorkehrungen erlaubt.

Ein Zukunftspaket, wie Sie das fordern, ist auf dem Weg und wird durch die Verfolgung der Jugendstrategie in Zusammenarbeit mit den Ländern und natürlich unter Berücksich­tigung der derzeitigen Geschehnisse, aber auch im Hinblick auf die Zukunft vorbereitet. Konkret konnte zum Beispiel schon die Zuverdienstgrenze für Studierende hinaufgesetzt werden, das Wahlalter für Lehrlinge bei Betriebsratswahlen herabgesetzt werden, und es kam generell zu einer Aufwertung der Lehrberufe. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Durch diese Krise ist die Armutsgefährdung vieler Familien und Jugendlicher akuter denn je. Es muss aber trotzdem gegeben sein, dass die Kinder unabhängig vom Einkom­men der Eltern ein Recht auf Bildung haben, ihre Talente ausbauen und ihr Potenzial verwirklichen können, denn Grundlagen für den Wohlstand in Österreich sind in erster Linie die Talente und Qualifikationen der beschäftigten Menschen. Dabei ist erfreulich zu hören, dass Sie, Frau Arbeitsministerin (demonstrativer Beifall der Bundesrätinnen Grimling und Schumann) – Entschuldigung! –, Frau Familienministerin, mit dem Ar­beitsminister eng zusammenarbeiten. Ich denke, die Bekämpfung der Jugendarbeitslo­sigkeit sollte für beide Minister ein wichtiger Punkt sein, und gemeinsam können Sie kräftig daran arbeiten. (Bundesrat Schennach: Schauen wir einmal! – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Wie Sie selber sagen, gibt es Synergien zwischen den Ressorts Familie, Jugend und Frauen, die unbedingt genutzt werden sollten. Klar ist aber auch, dass jedes Ressort ebenso einzeln betrachtet werden muss und es nicht zu einer Minderung der Gleichstel­lung von Mann und Frau kommen darf. Die Erkenntnisse, die sich ergeben, sollten viel­mehr genutzt werden, um diese weiter auszubauen. All das zu verbessern ist natürlich ein Prozess, der viel Arbeit erfordert. Mit Ihnen als Ministerin blicke ich jedoch zuversicht­lich in die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.57


13.57.27

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich darf bitten, die Plätze einzunehmen. Nur vom aktuel­len Sitzplatz aus ist die Teilnahme an der Abstimmung möglich.

Ich weise darauf hin, dass die Schriftführung und der Vorsitzende selbst vom Stimmrecht Gebrauch machen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 84

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Soforthilfepaket für Alleinerzieherinnenvor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. (Bundesrat Schererbauer begibt sich zu seinem Sitz­platz.) – Herr Kollege Schererbauer! Es war der Aufruf da, vom Sitzplatz aus abzustim­men. Ich akzeptiere das diesmal, aber ich bitte sehr, das nicht überzustrapazieren. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen. (333/E-BR/2021)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Dr. Karl-Arthur Arla­movsky, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „umge­hende Umsetzung eines Zukunftspaketes für Kinder- und Jugendliche“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den ersuche ich um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen. (334/E-BR/2021)

13.59.312. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Einkommensteuergesetz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert werden (630 d.B. und 634 d.B. sowie 10538/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich ersuche um den Bericht.


14.00.01

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Ich bringe den Bericht des Finanzaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Einkommensteuerge­setz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert werden.

Alle Informationen dazu haben Sie schriftlich erhalten.

Einen Beschluss über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist infolge der Stimmengleichheit im Finanzausschuss nicht zustande gekommen.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.00.54

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsi­dent! Werter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause! Bald haben wir ein Jahr der Krisenzeit hinter uns, ein Jahr, in dem uns die Coronapandemie gesundheitlich wie auch wirtschaftlich mächtig zugesetzt hat und das noch immer tut. Aus der Gesundheitskrise ist längst eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise geworden. Die Regierung versucht, die wirtschaftli­chen Härten bei den Betroffenen abzufedern, einmal mehr, einmal weniger erfolgreich. Insofern Sie, sehr geehrter Herr Minister, das Gespräch mit den Sozialpartnern und der Opposition suchen und auch finden, funktioniert es, immer wenn Sie den gemeinsamen Weg verlassen und auch auf die Einbindung des Parlaments verzichten, scheitern Sie leider kläglich.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 85

So ist Ihr Versuch, den so stark betroffenen Gemeinden finanziell unter die Arme zu greifen, ein glatter Fehlversuch. Es ist nicht nur ein Fehlversuch, weil Ihr vermeintlich zweites Hilfspaket zu wenig greifen wird, es ist auch eine Mogelpackung, weil Sie ver­schleiern wollen, wie wenig frisches und echtes Geld wirklich bei den Gemeinden an­kommen wird. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Genau deshalb werden wir als SPÖ-Fraktion diesem Gesetzesantrag wie schon im Na­tionalrat die Zustimmung verweigern. Unsere Kritik soll aber nicht unkommentiert blei­ben, ganz im Gegenteil. Wir werden die Schwachpunkte erneut, zum wiederholten Male aufzeigen und auch wieder unseren Gegenvorschlag präsentieren und einbringen.

Schauen wir zunächst auf das Jahr 2020 zurück! Seit April des Vorjahres drängen wir, die SPÖ, darauf, den Gemeinden die enormen Steuereinnahmenverluste zu ersetzen. Mit mehreren Anträgen im Nationalrat wie auch im Bundesrat sind wir aber leider an Ihrer unverständlichen Blockadehaltung gescheitert. Ja, mehr noch, in den ersten Monaten der Krise haben Sie sogar das Gespräch über dieses Thema verweigert und es auch in Ihren Reden hier im Plenum völlig negiert. Erst als auf unser Drängen der Druck immer größer wurde und sich mehr und mehr ÖVP-Bürgermeister und auch der Gemeindebund kritisch dazu geäußert haben, sind Sie auf den fahrenden Zug aufgesprungen.

Dass Sie, verehrter Herr Bundesminister, erst auf Zuruf und erst nach Monaten erkannt haben, dass die 2 095 österreichischen Gemeinden systemrelevant und ein wichtiger Partner in der Krise sind, wie Sie in der letzten Nationalratssitzung auch treffend bemerkt haben, ist eigentlich ernüchternd, traurig und ärgerlich. Erst wenn den Gemeinden sozu­sagen das Wasser bis zum Hals steht und nicht genug Geld da ist, um die Daseinsvor­sorge wie zum Beispiel unsere Kindergärten, die Schulen, die Straßen, das Kanal- und Wassernetz, die Feuerwehren, die Vereine – wir haben das ja schon oft erwähnt – zu finanzieren, werden Sie als Finanzminister der Republik aktiv. Ich darf schon erwähnen: Das ist nicht die Wertschätzung, die wir uns erwarten, und auch nicht die Wertschätzung, von der Landeshauptmann Schützenhöfer heute in seiner Erklärung gesprochen hat.

Dann kam das von Ihnen so hochgepriesene Kommunalinvestitionspaket in der Höhe von 1 Milliarde Euro, und da sind  wir haben es hier auch schon in unseren Ausführun­gen belegt  all unsere Befürchtungen eingetroffen. Die Gemeinden schaffen es nur sehr schwer bis gar nicht, dieses Geld abzuholen, weil, wie wir wissen, nur 50 Prozent der Projektkosten gefördert werden und den Kommunen ganz einfach die dazu notwendigen Eigenmittel fehlen. Deshalb ist dieser Titel auch bis dato erst zu rund 30 Prozent ausge­schöpft. Da ist noch sehr, sehr viel Luft nach oben, die Gemeinden tun sich aber in der Praxis sehr, sehr schwer damit.

Wir haben auch immer gesagt, ein Investitionsprogramm macht Sinn, aber erst dann, wenn die Liquidität der Gemeinden für ihre Pflichtausgaben gegeben ist – und davon sind wir leider meilenweit entfernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Gemeinden brauchen jetzt frisches Geld für die Fixkosten, für Personal- und Sach­aufwand. Erst dann kann man gut überlegt neue und kräftige Investitionen ansteuern, die auch durch kluge Bundes- und Landesförderungen unterstützt werden müssen. Lei­der hat die Regierung allerdings das Pferd von hinten aufgezäumt. Es wäre noch nicht zu spät. Die Chance, nachzubessern und es richtig zu machen, lebt sozusagen noch. Ein zweites, echtes Hilfspaket für die Gemeinden als Direktzahlung ohne bürokratische Hürden würde nämlich die so notwendige Entlastung in unsere Haushalte, die Gemein­dehaushalte, bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was aber tut nun die Regierung? – Sie schnürt ein weiteres Hilfspaket in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, schreibt darüber groß: zweites Hilfspaket für Gemeinden, gibt aber kaum frisches Geld in diesen Sack oder in dieses Paket. Vielmehr gibt sie den Gemein­den von den gut klingenden 1,5 Milliarden Euro 1 Milliarde Euro nur als Leihgabe und lässt die Gemeinden, man muss es so sagen, die Zeche dann selber zahlen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 86

So, lieber Herr Finanzminister, kann man keine Krisenbekämpfung betreiben, so verlän­gert man die Misere der Gemeinden und verschiebt den drohenden Finanzkollaps ledig­lich nach hinten.

Genau aus diesem Grund und in Verantwortung für die Gemeinden werden wir diesem Mogelpaket, das auch einem Verschuldungspaket für die Kommunen gleichkommen kann, nicht zustimmen. Momentan ist keine Zeit mehr für politische Irrläufe, die Gemein­den brauchen dringend Hilfe. Wir als SPÖ sind bereit, diese gemeinsam mit der Regie­rung anzubieten. Wir geben auch die Hoffnung nicht auf und drängen weiter auf eine wirkungsvolle Entlastung der Gemeindehaushalte. Die Gemeinden sind der größte In­vestor der Republik. Geben wir ihnen die Finanzkraft, damit sie die regionale Wirtschaft unterstützen und stärken und die so wichtigen Arbeitsplätze sichern können!

So darf ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Finanzie­rungs-Zweckzuschuss für Städte und Gemeinden in der Höhe von 250 Euro pro Einwoh­nerIn“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, mit dem ein Finanzierungs-Zweckzuschuss für alle Gemeinden und Städte in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn unabhängig von Landesumlage, oder anderer Förderungen gewährt wird, der vom Bund bis spätestens 31. März 2021 an die jeweilige Gemeinde direkt aus­bezahlt wird.“

*****

Herr Finanzminister, geben Sie sich endlich einen Ruck! Wir lassen sicher nicht mehr locker, bis Sie einlenken und den Gemeinden die dringend notwendigen Hilfen zuerken­nen.

Ich sage abschließend: Was für die Wirtschaft gilt, muss auch für die Gemeinden gelten. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

14.09


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Finanzierungs-Zweckzuschuss für Städte und Gemeinden in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. Ich erteile der Frau Bundesrätin das Wort. – Bitte, Frau Kollegin.


14.10.28

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Auch von mir herzlichen Glückwunsch zur Präsidentschaft und alles Gute für die Vorsitzführung!

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Ich weiß nicht, Herr Kollege Rei­singer, hat die SPÖ noch immer nicht verstanden, dass jeder, der in einer Gemeinde lebt, gleichzeitig auch eng mit dem Staat verwoben ist, dass die Krise jede Gebietskör­perschaft, ob Bund, Land oder Gemeinde, stark getroffen hat, dass alle mit finanziellen


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 87

Einbußen zu rechnen haben und dass wir diese Krise nur gemeinsam bewältigen? (Bei­fall bei ÖVP und Grünen. Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Die Gemeinden kostet die Krise bisher rund 2 Milliarden Euro: einbrechende Ertragsan­teile, Rückläufe in der Kommunalsteuer. Der Bund hat die Gemeinden nicht im Stich gelassen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. Bundesrat Schennach: Das glaubt ja nicht einmal ein ÖVP-Bürgermeister!) Letztes Jahr im Mai haben wir hier im Bundesrat ein kommunales Investitionspaket in der Höhe von 1 Milliarde Euro beschlossen. Die Krise ist noch nicht zu Ende, daher beschließen wir heute hoffentlich im zweiten Gemein­depaket 1,5 Milliarden Euro für die Gemeinden. Dieses Paket bringt den Gemeinden Li­quidität und Planungssicherheit. (Beifall bei der ÖVP.  Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Als Bürgermeisterin freue ich mich natürlich sehr über diese Pakete. (Bundesrätin Grim­ling: Ja! Bundesrat Spanring: ... Verrat an Gemeinden!) Wir haben eine Fülle von Aufgaben und spielen eine wichtige Rolle in der Krisenbewältigung. Mit unseren Investi­tionen in die Daseinsvorsorge von der Straße über den Kanal bis zur Kinderbetreu­ung  sichern wir 40 000 Arbeitsplätze und sind wichtiger Wirtschaftsmotor im ländlichen Raum.

In den Gemeinden wird Ehrenamt großgeschrieben. (Bundesrat Spanring: Parteipolitik wird großgeschrieben!) Bei den Testungen wird auf unsere Struktur zurückgegriffen, mit unseren Freiwilligen des Roten Kreuzes und der Feuerwehr sind wir wichtiger Partner bei der Durchführung der Tests. Die Gemeinde ist der erste öffentliche Ort, an dem De­mokratie erleb- und erlernbar ist. Gemeinden genießen bei den Bürgern Vertrauen, die unmittelbaren Begegnungen mit den Menschen, dass man etwas ausredet, das fördert den sozialen Zusammenhalt.

Wir Bürgermeister haben den Ruf, eine bodenständige Zunft zu sein. So begrüße ich auch den Werkzeugkasten der Bundesregierung zur Bewältigung der Krise. Wenn ich ein Haus saniere, muss ich auch nach verschiedenen Werkzeugen greifen, und die zwei Gemeindepakete sind Werkzeuge für die Wirtschaft vor Ort. (Beifall bei der ÖVP.)

Das erste soll Investitionen ankurbeln. Lassen Sie mich kurz erzählen, wie wir in unserer Gemeinde diese Mittel einsetzen. Die Gemeinden sind sowohl in der Auswahl der Pro­jekte als auch im Zeitraum flexibel und es sind Doppelförderungen möglich. Wir erhalten vom Bund 216 000 Euro und im Rahmen des oberösterreichischen Gemeindepaketes zusätzlich 43 000 Euro. Diese sowie 136 000 Euro der Bundesmittel fließen, verteilt über die Jahre 2020 und 2021, in Straßensanierungen.

Für 2021 haben wir im Gemeinderat die Errichtung von Geh- und Radwegen beschlos­sen. Dafür verwenden wir die noch übrigen 80 000 Euro aus der Bundesförderung. Da Doppelförderungen möglich sind, schöpfen wir aus den Töpfen Verkehrssicherheit und klimaaktiv zusätzlich Förderungen in der Höhe von 56 000 Euro. Unsere Eigenmittel kön­nen wir daher auf 24 000 Euro beziehungsweise auf 15 Prozent – nicht 50! – reduzieren. Wir können unseren Eigenmittelanteil erbringen, da unsere Gemeinde bisher vom Ein­bruch der Kommunalsteuereinnahmen verschont geblieben ist, unsere Betriebe sind im Bereich Elektronik sowie Bau und Baunebengewerbe angesiedelt.

In Regionen mit Schwerpunkt Tourismus, Kultur und Veranstaltungen schaut die Situa­tion leider anders aus (Bundesrat Steiner: Also doch!), daher gibt es das zweite Gemein­depaket. Dieses bringt Liquidität im Umfang von 1,5 Milliarden Euro unbürokratisch und schnell in die Gemeinden: 400 Millionen Euro als Aufstockung der Ertragsanteile, 100 Millionen Euro treffsicher für strukturschwache Gemeinden und 1 000 Millionen Euro zinslose Sondervorschüsse zur Liquiditätsstärkung. Damit liegen die Ertragsan­teile 2021 circa 2,6 Prozent über den Ertragsanteilen aus dem im Rückblick goldenen Jahr 2019.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 88

Insgesamt gibt es mit diesen beiden Paketen durchschnittlich rund 280 Euro direkter Coronahilfe pro Einwohner. Kollege Novak, Sie haben im Juni ein zinsloses Darlehen gefordert, Kollege Reisinger, Sie haben im Oktober und auch heute 250 Euro für jeden Bürger vorgeschlagen. Das wird nun alles verwirklicht. Ich verstehe nicht, dass Sie da nicht zustimmen wollen! (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann. – Bundesrat Spanring: Ein Hohn ist so eine Aussage! Unfassbar!)

Zusätzlich wird ein Wachstumspfad garantiert – es ist ein Novum in dieser Finanzaus­gleichsnovelle –: Bis zum Jahr 2026 steigen die Ertragsanteile stufenweise um 1 bis 2 Prozent. Die Differenz zum zusätzlichen tatsächlichen Aufkommen wird mittels weite­rer Sondervorschüsse gedeckt. Sollten ab 2023 die Ertragsanteile über 2 Prozent wach­sen, wird der Betrag über den garantierten Ertragsanteilen für die Rückzahlung verwen­det. Das bedeutet Planungssicherheit für die Gemeinden. Mit einem Monitoring beob­achtet man im weiteren Verlauf der Pandemie die Auswirkung auf die Gemeinden.

Meine Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion, Regionen und Branchen sind unter­schiedlich betroffen! Mit dem Werkzeug Gießkanne wird man den Gemeinden nicht ge­recht. Wenn der freiheitliche Klubobmann Herbert Kickl die Ursache dieser Krise, näm­lich das Coronavirus, nicht sehen will, wird er und Sie mit ihm  kein geeignetes Werk­zeug finden, um aus dieser Krise herauszukommen. (Beifall bei der ÖVP. Bundesrat Spanring: Das ist einfach nur polemisch! Hören Sie sich einmal eine Pressekonferenz an, dann werden Sie hören, was die tatsächliche Einstellung ist! Unfassbar!)

Geschätzte Bürgermeisterkollegen aus SPÖ und FPÖ, lassen Sie Vernunft walten und geben Sie den Gemeinden dieses Werkzeug zweites Gemeindepaket in die Hand! Kolle­ge Ofner, Sie lassen für Ihre Gemeinde 354 000 Euro liegen; Vizebürgermeister Egger, Sie würden für Ihre Gemeinde 804 000 Euro liegen lassen. Stellen Sie sich vor, was Sie damit in Ihrer Gemeinde verwirklichen könnten! (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend bedanke ich mich beim Präsidenten des Österreichischen Gemeindebun­des Alfred Riedl, der in Abstimmung mit den Bundesländern dieses Paket verhandelt hat. Die Gemeindebundpräsidenten und die -präsidentin sind profunde Kenner der Ge­meinden und auch der Finanzströme und Aufgabenverteilung im Finanzausgleich zwi­schen Bund, Ländern und Gemeinden. Wir werden diese Krise gemeinsam meistern. Wir als Gemeinden werden unsere Rolle in der Krisenbewältigung tatkräftig wahrneh­men. Es ist ein Kraftakt für Österreich. Liebe Menschen in Österreich, helfen wir zusam­men! Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bringe noch folgenden Antrag ein:

Antrag

gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR der BundesrätInnen Karl Bader, Marco Schreuder, Kolle­ginnen und Kollegen

„zu TOP 2) Beschluss des Nationalrates vom 20. Jänner 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017, das Einkommensteuergesetz 1988 und die Bundesabgabenordnung geändert werden (630 d.B. und 634 d.B. sowie 10538/BR d.B.)

in der 921. Sitzung des Bundesrates

Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.“

*****

(Beifall bei ÖVP und Grünen.)

14.19



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 89

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundes­rätin Steiner-Wieser: Gib Gas, Pepi!)


14.19.29

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Finanzmi­nister! Werte Kollegen! Verehrte Zuschauer vor den Bildschirmen! Wenn es um das The­ma Gemeinden und Gemeindefinanzen geht, dann merkt man gleich, dass bei der ÖVP der Stellenwert der Bürgermeister und Gemeindemandatare nicht sehr hoch ist und dass er eine untergeordnete Rolle spielt. (Bundesrat Seeber: Na geh!)

Frau Bürgermeisterin Holzner hat es jetzt wieder einmal bewiesen, denn wäre es anders, dann könnte es nicht sein, dass man ein zweites Mal ein Paket schnürt, das den Ge­meinden mehr Probleme bringt, als dass es sie löst.

Frau Bürgermeisterin Holzner! Im Gegensatz zur ÖVP können wir wirtschaften. Sie haben behauptet, dass unsere Marktgemeinde das Geld nicht abgeholt hätte. Dazu kann ich Ihnen sagen: Wir haben Gott sei Dank die Eigenmittel von 50 Prozent gehabt und wir haben es zur Gänze abgeholt, insgesamt 146 000 Euro, und haben auch entsprechende Projekte in unserer Marktgemeinde verwirklicht. Sie müssen sich also ein bisschen bes­ser informieren, wenn Sie mit solchen Zahlen herumjonglieren, das sind Sie aber vom Umgang Ihres Finanzministers mit den Nullen wahrscheinlich so gewohnt. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Ich sage Ihnen, nicht nur wir Freiheitlichen erkennen, dass diese Pakete nicht ankom­men, sondern im Gegensatz zu vielen von Ihnen, die etwas messiashypnotisiert und mit enganliegenden Scheuklappen hier herinnen sitzen und die Realität ausblenden, auch viele ÖVP-Bürgermeister, denn sonst wäre es nicht Realität, dass nur 30 Prozent der Mittel abgeholt worden sind. Diese können nämlich auch viele ÖVP-Bürgermeister nicht abholen, weil sie nicht über die entsprechenden Eigenmittel verfügen. Viele von Ihnen gehen aber Ihrer eigenen Inszenierungspolitik auf den Leim und können daher die finan­ziellen Folgewirkungen Ihres Politikversagens gar nicht abschätzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitlichen haben bereits im April des Vorjahres eine Gemeindemilliarde gefor­dert, um die fehlenden Einnahmen bei den Ertragsanteilen kompensieren und abdecken zu können. Sie haben diesen Antrag abgeschmettert und stattdessen ein kommunales Investitionsprogramm mit diesem 50-prozentigen Investitionszuschuss geschnürt. Wir haben damals schon gesagt, dass Sie zielgenau an der Problematik vorbeischießen, denn die von uns geäußerten Bedenken hinsichtlich der Mittelaufbringung durch die Ge­meinden in Höhe der restlichen 50 Prozent sind wahr geworden. Es hat sich eben ge­zeigt, dass viele Gemeinden dieses Geld nicht abholen können.

Und siehe da: Monate später stellt der Budgetdienst fest – ich zitiere –: „Aufgrund der geringen Abgabenerträge können sie“ – die Gemeinden sind gemeint – „aber teilweise nicht die erforderliche Liquidität aufbringen, um ihren Anteil an den Investitionspaketen zu finanzieren.“ – Das ist genau die Problematik, vor der wir bereits vor acht Monaten gewarnt haben, die sich jetzt zeigt. (Beifall bei der FPÖ.)

Was machen Sie? – Sie versetzen den Gemeinden mit dem jetzigen verantwortungslo­sen Belastungspaket den nächsten Faustschlag ins Gesicht, ein Paket, das in den Jahren 2021 und 2022 Bundesvorschüsse vorsieht, die dem Bund dann von 2023 bis 2026 zurückgezahlt werden müssen beziehungsweise einbehalten werden. Der Bund


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 90

als Bank – na bitte, wo bleibt da die Hilfestellung? Das hätten wir auf dem freien Finanz­markt auch haben können!

Das ist gerade so, als würden Sie sagen – Frau Kollegin Holzner hat vom Haus geredet –: Ich zünde dir dein Haus an – das passiert in Form der Zwangsmaßnahmen und der Lockdowns dieser Bundesregierung – und dann gewähre ich dir einen zurückzuzahlen­den Vorschuss, damit du dieses Haus wieder aufbauen kannst. Leider funktioniert dieser Hausbau so nicht, denn mit diesem Kommunalinvestitionsprogramm beginnen Sie das Haus mit dem Dach zu bauen. Mit den Bundesvorschüssen setzen Sie jetzt mit dem ersten Stock fort, aber der Keller und das Fundament fehlen noch immer. Das wäre eine Form von nichtrückzahlbaren Vorschüssen beziehungsweise die Kompensation von ent­gehenden Ertragsanteilen, um damit die Liquidität der Gemeinden für die Zukunft sicher­zustellen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Vorschüsse und Investitionszuschüsse wären dann ein zweiter und dritter Schritt. Das wäre eine verantwortungsvolle Finanzpolitik für die Gemeinden!

Wir werden da aber heute – Frau Holzner hat damit ja bereits begonnen – noch eine wahre Dankesorgie der ÖVP zu hören bekommen, weil der Finanzminister, so gnädig, wie er ist, die 260 Millionen Euro an Ertragsanteilen im Vorjahr bereits ausbezahlt hat. Die brauchen wir jetzt nicht zurückzuzahlen; die 140 Millionen Euro, die bereits bud­getiert sind, werden noch aufgeteilt, und es gibt einen Strukturfonds.

Dann kommt noch eine Geschichte, die einfach unanständig ist, sie schlägt dem Fass den Boden aus: Sie inszenieren medial eine Täuschung der Öffentlichkeit und der ge­samten Bevölkerung, indem Sie sagen, dass die Gemeinden zusätzlich 1,5 Milliarden Euro erhalten. Sie geben aber nur Vorschüsse! Die Leute und die Menschen in unseren Gemeinden glauben, die Gemeinden haben jetzt Geld, die Gemeinden bekommen viel. Dass sie das aber zurückzahlen müssen, das sagen Sie nicht dazu, und die Bevölkerung und die Gemeinden werden das bitter büßen müssen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Daher ist das kein Unterstützungspaket, sondern wie gesagt ein Belastungspaket, mit dem Sie wirklich über Jahre die Liquidität der Gemeinden belasten und sie auch in eine Schuldenspirale führen. Vor allem müssen Sie zur Bevölkerung ehrlich sein! Wo werden die Gemeinden aufgrund der aufsichtsbehördlichen Bestimmungen dieses Geld denn hereinholen? – Bei den Bürgern! Ja, bei den Bürgern, weil es gar nicht anders geht und die Vorgaben so sind. Das lassen Sie einfach weg! Das ist eben die Wertschätzung dieser neuen ÖVP gegenüber den Gemeinden, gegenüber der österreichischen Bevöl­kerung insgesamt, vor allem jedoch den Gemeinden als jenen Einheiten, die sich seit Beginn der Krise jeden Tag als effizienteste Einheit erwiesen haben und die Einzigen sind, die wirklich funktionieren.

Von Beginn der von Ihnen mitzuverantwortenden Krise an, in der es von Bundesseite her zwar Maßnahmen, bis heute aber keinerlei Strategien und Regelungen gegeben hat, haben die Länder und Bezirkshauptmannschaften auf Verordnungen gewartet, und es waren ausschließlich die Gemeinden, die binnen Stunden die Ablauforganisation sicher­gestellt haben, eine entsprechende Versorgung der Bevölkerung gewährleistet haben und ebenso die notwendige Informationsweitergabe durchgeführt haben.

Dann sind Ihre Massentests gekommen, medial top inszeniert, real flop organisiert, und wieder waren es die Gemeinden, die in kürzester Zeit gemeinsam mit den Ländern die Möglichkeit geschaffen haben, die benötigte Infrastruktur aufzubauen und die Abläufe zu gewährleisten.

Was hat die Bundesregierung in dieser Zeit gemacht? – In dieser Zeit habt ihr das Contacttracing erfunden – eine ganz tolle Geschichte, sehr grotesk, und die Bezirks­hauptmannschaften sind verwaltungstechnisch in dieser Zeit geradezu ausgeknockt worden. Und dann kommt noch das Impfchaos dazu. Ich sage nicht Impfstrategie, denn


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 91

eine Strategie ist ein Plan, den man entwickelt, um dann vorausschauend ein Ziel zu erreichen und Faktoren im Vorhinein einzukalkulieren. Das ist bei dieser Strategie, also diesem Chaos, sicher nicht gegeben.

Über Nacht, am besten noch am Wochenende, waren die Bürgermeister aufgefordert, alle Gemeindebürger zu informieren und entsprechende Listen zu erstellen. Uns hat man gleich gesagt: Nachmeldungen sind keine möglich. Da frage ich Sie schon, ob Sie über­haupt irgendwann einmal ein Szenario für eine kleine Gemeinde durchgespielt haben? Wir haben in unserer Marktgemeinde 144 Personen 80 plus. Ich habe diese Gemeinde­bürger selbstverständlich schriftlich informiert und wir haben sie danach auch noch tele­fonisch kontaktiert, sodass sie dann entsprechend von den Bezirksstellen der Gesund­heitskasse über den Impftermin informiert waren.

Da taucht aber dann die grundlegende Problematik auf wir haben das heute schon einmal kurz besprochen , wie denn die Gemeindebürger, die teils nicht mobil sind, von Hüttenberg ins 30 Kilometer entfernte Sankt Veit an der Glan kommen. Ja richtig, wenn die Gemeinde nicht die kostenlose Beförderung anbietet, gar nicht. Die Herausforderung liegt darin, dass die Fahrten einzeln organisiert und koordiniert werden müssen, weil es natürlich unterschiedliche Termine gibt, weil die Gesundheitskasse darauf jetzt klarer­weise nicht Rücksicht nehmen kann. Das heißt, dass da immense Zusatzkosten auf die Gemeinden zukommen, die trotz der dilettantischen Vorbereitungen des Bundes von diesem wieder ebensowenig übernommen werden wie die Einnahmenausfälle bei der Kommunalsteuer oder den Tourismusabgaben.

Der Hammer ist jetzt überhaupt, dass man zu wenig Impfdosen hat, das heißt, es können gar nicht alle, die wir gemeldet haben, geimpft werden aber so ist diese Bundesregie­rung.

Herr Finanzminister, Sie lassen die Gemeinden und alle Bürgermeister finanziell einfach im Regen stehen. Ob Unterstützungen für Betriebe oder für Gemeinden, Sie können es einfach nicht, und jeder Fonds, den Sie schaffen, oder auch das KIP zeigen das deutlich. Und das Schlimmste ist: Sie wollen aus den von Ihnen begangenen Fehlern auch nicht lernen.

Selbstverständlich hätte ich noch einen Vorschlag für Sie. Voriges Mal haben Sie den Vorschlag, dass Sie zurückzutreten, nicht angenommen, daher will ich eine zweite Variante vorschlagen, und das wäre, dass Sie sich einfach für die Beendigung des Lock­downs und dieser Zwangsmaßnahmen aussprechen. Lassen Sie die Betriebe und die Gemeinden einfach wieder wirtschaften, dann braucht niemand mehr auf Ihre Unterstüt­zung zu hoffen, die es in der Realität ohnehin nicht gibt! Sie und die Regierung hätten ein angenehmes Leben, weil Ihr Versagen nicht in einem solch immensen Ausmaß auf­fällt. Diese Variante würde im Endeffekt dann mehr Probleme lösen, als sie schafft. (Hei­terkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Liebe Kollegen, abschließend: Stirb langsam 2.0, das wäre eigentlich die richtige Be­zeichnung für dieses zweite Gemeindebelastungspaket. Es ist unverantwortlich das sage ich auch in aller Deutlichkeit , dass der Gemeindebund dem seine Zustimmung gibt. Wir werden aus den genannten Gründen sowie aus Wertschätzung gegenüber den österreichischen Gemeinden und unserer Bevölkerung sowie aus vorausschauender Verantwortung gegenüber den Gemeinden dem die Zustimmung verwehren. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

14.30


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste ist MMag.a Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


14.30.55

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 92

Zuseher vor den Bildschirmen! Wir sind uns alle einig: Es braucht die Gemeinden, denn sie kümmern sich um uns, das ganze Leben lang. Sie fördern die Wirtschaft durch ihre Investitionen und schaffen dadurch Arbeitsplätze. Ich möchte wirklich ein großes Danke an die Gemeinden aussprechen und auch an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeis­ter, die hier sitzen und diese Arbeit leisten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich möchte ein bisschen ausholen. Das mache ich aber gerne, um ein bisschen zu er­klären, vielleicht auch den ZuschauerInnen, wie sich die Gemeinden finanzieren und wo es ihnen aufgrund der Krise fehlt.

Die Abgaben der DienstgeberInnen, vor allem die Kommunalsteuer, aber auch die Wohnbauförderungen fehlen. Der andere Teil der Gemeindeeinnahmen setzt sich aus den Ertragsanteilen – das sind die Anteile am Steuerertrag des Bundes –, zusammen. Das waren im Normaljahr 2019 etwa 11 Milliarden Euro. Jetzt sind es 10 Prozent weni­ger, also 1 Milliarde Euro weniger.

Darüber hinaus sind die Gemeinden vom Entfall von Gebühren- und Mieten sowie von deren Stundungen betroffen. Die Gemeinden haben andererseits nur sehr bedingt die Möglichkeit, mehr Einnahmen zu generieren, können aber aufgrund der Daseinsvorsor­ge laufende Dienstleistungen nicht einstellen.

Das Spielbein, wenn auch nur mit kleinem Radius, sind die Investitionen. Dazu könnten sie zwar Darlehen aufnehmen, was aber haushaltär gerade jetzt schwierig ist und zudem oft eine Bonität fordert, die nicht immer gegeben ist.

Die Gemeinden führen eben gewissenhaft Haushalt und planen aufgrund der Krise vor­sichtig. Viele hielten sich daher mit Investitionen zurück. Genau deshalb, und weil die Gemeinden eben so wichtige Arbeit vor Ort leisten, möchte der Bund die coronabeding­ten Ausfälle so gut wie möglich ausgleichen.

Dafür wurden 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, die sich aus zwei Paketen zu­sammensetzen: Das ist einerseits das Kommunalinvestitionspaket in Höhe von 1 Mil­liarde Euro, welches im Juni letzten Jahres beschlossen wurde. Dabei handelt es sich um Zuschüsse von 50 Prozent für bestimmte Investitionen, von der Sanierung von Kindergärten bis hin zu Maßnahmen zur Energieeinsparung. Bis heute, also innerhalb eines halben Jahres – von den eineinhalb Jahren, in denen die Einreichung des Antra­ges möglich ist, nämlich bis Ende 2021 –, wurden bereits 350 Millionen Euro abgerufen. Es ist noch knapp ein Jahr Zeit, und viele Gemeinden planen, bis Ende 2021 einen An­trag auf Investitionskostenzuschuss zu stellen, was jetzt – ich erläutere es später – umso leichter wird.

Das zweite Paket ist das heute hoffentlich zu beschließende Gemeindepaket. Dieses umfasst weitere, aber diesmal zweckfreie 1,5 Milliarden Euro, welche automatisch und unbürokratisch mit den Ertragsanteilen ausgeschüttet werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Liquidität der Gemeinden zu erhöhen – und das ist der Punkt, der auch vorhin immer wieder angesprochen wurde.

Das Gemeindepaket umfasst nun folgende vier Maßnahmen: die Unterstützung der strukturschwachen Gemeinden mit 100 Millionen Euro, also insbesondere jene vor allem kleinen Gemeinden, in denen wenige Erwerbstätige wohnen, wenige Eigeneinnahmen bestehen und die Orte in erhöhtem Maß von Abwanderung betroffen sind.

Manche dieser strukturschwachen Gemeinden konnten Zuschüsse aus dem Investi­tionspaket in Anspruch nehmen, einige aber nicht, ihnen fehlte schlichtweg das Geld. Diesen Letzteren hilft besonders die Erhöhung des Strukturfonds, denn die fast Verdop­pelung der Auszahlung von 60 Millionen Euro auf 110 Millionen Euro für 2020 und 2021 erhöht signifikant die Chance, sich mit 50 Prozent an Investitionen zu beteiligen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 93

Nur zur Veranschaulichung: Diese 110 Millionen Euro bedeuten für die betroffenen strukturschwachen 1 100 Gemeinden durchschnittlich – und ich sage jetzt durchschnitt­lich, denn die Indikatoren sind andere – 100 000 Euro pro Gemeinde pro Jahr, für 2020 und 2021 also gesamt 200 000 Euro aus dem Strukturfonds. Gemeinsam mit dem 50-pro­zentigen Zuschuss aus dem Investitionspaket ergibt sich damit ein Investitionspotenzial von 400 000 Euro für beide Jahre. Das ist eine treffsichere Bedarfszuweisung, eine Er­höhung der Liquidität für mehr als 1 100 Gemeinden.

Die zweite Maßnahme des Gemeindepakets ist die Erhöhung der Ertragsanteile um 400 Millionen Euro. Wir haben es vorhin schon gesagt, ich möchte darauf jetzt nicht wei­ter eingehen, es kommt dann später noch.

Die dritte Maßnahme sind die Sondervorschüsse in Höhe von 1 Milliarde Euro. Das wird zwar von der Opposition kritisiert, aber auch diese Sondervorschüsse, und das ist immer der wichtige Punkt, erhöhen die Liquidität der Gemeinden. (Bundesrat Steiner: ... sind von den Bürgermeistern!) Sie werden automatisch mit den Ertragsanteilen ausbezahlt. Es handelt sich dabei nicht um herkömmliche Darlehen, sondern um – natürlich zinsen­lose – Vorschüsse. (Bundesrat Schennach: ... zurückzahlen!)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass durch diese Sondervorschüsse – wir haben es im Ausschuss gehört – die Bonität der Gemeinden, die oft bei Darlehensanträgen geprüft wird, nicht angetastet wird. Das Finanzministerium rechnet damit, dass sich die Wirt­schaft mit 2023 wieder erholt.

Der Ausgleich – das ist auch wiederum wichtig: das ist keine Zurückzahlung, sondern ein Ausgleich – der Vorschüsse mit den zu erhaltenden Ertragsanteilen erfolgt erst dann, wenn die Steuereinnahmen tatsächlich gestiegen sind. Erst bei der Erhöhung der Er­tragsanteile um circa 2 Prozent zum Vorjahr werden die gewährten Vorschüsse mit die­sem Mehr an Ertragsanteilen ausgeglichen. (Zwischenruf des Bundesrates Appé.)

Das bedeutet auf der einen Seite  und das ist eben genau das Wichtige , dass durch das Wissen um die Zuschüsse, um diese Erhöhung der Liquidität, immer gemeinsam gedacht mit dem Investitionspaket, also der Möglichkeit, 50 Prozent an Investitionen noch dazuzuholen, Investitionen gut geplant werden können. Auf der anderen Seite be­deutet das, dass nicht die Gemeinden das Darlehen aufnehmen müssen, um liquide zu sein, sondern der Bund das Ausfallsrisiko trägt.

Die vierte Maßnahme ist das von den NEOS vorgeschlagene Monitoring. Ich sehe es als weitere Maßnahme an, da mit der Evaluierung der Investitionstätigkeit sowie der Schul­den der Gemeinden aufgezeigt werden kann, was investiert wurde und was nicht oder schwer investiert werden konnte. Das ist wichtig, um entsprechend darauf reagieren und eventuell weitere Maßnahmen setzen zu können.

Alles in allem geben diese zwei Budgetmittelerhöhungen den Gemeinden mehr Luft, mehr Handlungsfähigkeit und mehr Planungssicherheit, um Daseinsvorsorge aufrechter­halten und investieren zu können. (Bundesrat Schennach: Ist das ernst gemeint?) Die Erhöhung der Ertragsanteile und die Erhöhung des Strukturfonds sowie die damit ein­hergehende Investitionsmöglichkeit in Verbindung mit dem Investitionspaket müssten den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen, die auch hier sitzen, wichtig sein. Für ihre Arbeit haben wir Ihnen gedankt und für ihre weitere Arbeit möchte ich ihnen auch wei­terhin danken. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.37


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesminister Mag. Gernot Blümel hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. – Bitte.


14.37.59

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Danke für die wie immer sehr angeregte Debatte im Bun­desrat, sie ist immer höchst spannend. Ich versuche, auf die einzelnen Redebeiträge


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 94

einzugehen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Was ich jedenfalls anerken­nen muss, ist das Bemühen der Oppositionsparteien, Argumente zu finden, um zu erklä­ren, warum sie jetzt trotzdem nicht zustimmen, obwohl die Forderungen, die sie das letzte Jahr hindurch erhoben haben, erfüllt wurden. Das muss ich anerkennen. Die rheto­rischen Verrenkungen sind teilweise bemerkenswert, das hat man in den Reden feststel­len dürfen, meine Damen und Herren! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bun­desrat Steiner: ... drei Monaten bessern wir’s dann eh aus!)

Wenn ich da bei der SPÖ beginnen darf – zur FPÖ komme ich gleich –: Das ganze letzte Jahr hindurch hat es geheißen, die Gemeinden brauchen 2,5 Milliarden Euro an Liquidi­tät. Nun gibt es 2,5 Milliarden Euro an Liquidität, und man bemüht sich, Gründe zu fin­den, um trotzdem nicht zuzustimmen. Das nennt man dann wohl Fundamentalopposi­tion, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schen­nach: Er versteht das nicht!)

Darüber hinaus hat es eine lange Debatte auch zwischen Ihrem Kollegen Kollross und mir gegeben, was die Frage der Verschuldungsmöglichkeit von Gemeinden betrifft. Da ist mir vorgehalten worden, na ja, die Gemeinden können gar keine Schulden aufneh­men, das ginge nur über die Länder oder den Bund. Was macht der Bund jetzt? – Der Bund gibt einen zinslosen Kredit als Vorschuss, um die Liquidität zu erhöhen – und wie­der passt es nicht. Auch das verstehe ich nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Bei der FPÖ habe ich ja, um ehrlich zu sein, gar nicht mehr damit gerechnet, dass sie irgendwo zustimmen, es ist völlig egal, ob man Forderungen erfüllt. Ich fand die Rede von Herrn Kollegen Ofner, der jetzt gerade, glaube ich, nicht da ist, aber schon bemer­kenswert. Er hat sich sehr bemüht, darzulegen, warum die Gemeinden das kommunale Investitionspaket nicht abholen können, wie schwierig, wie kompliziert das ist, und dass das Geld nicht fließt, um dann zu sagen: Na, wir in unserer Gemeinde, wir haben es schon abgeholt, nur nebenbei. – Auch das ist entlarvend, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Steiner: Weil er gut gewirtschaftet hat!) Es zeigt: Die Hilfen kommen an, sogar die Oppositionsvertreter nehmen sie in Anspruch. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: Na, weil er gut gewirtschaftet hat!)

Darüber hinaus finde ich es sehr schön, dass bereits über 350 Millionen Euro genehmigt und ausbezahlt worden sind, obwohl das kommunale Investitionspaket bis zum Ende dieses Jahres beantragbar ist. In Niederösterreich sind das circa 850 genehmigte Anträ­ge, in Oberösterreich über 760, in der Steiermark fast 500. Das kann sich in den einzel­nen Gemeinden wirklich sehen lassen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir haben nun ein weiteres Gemeindepaket aufgelegt, um es eben möglich zu machen, dass die Hilfen abgerufen werden. Es setzt sich einerseits aus einer Aufstockung der Ertragsanteile um 400 Millionen Euro zusammen. Das bedeutet: keine Zurückzahlungs­notwendigkeiten für übermäßig ausbezahlte Vorschüsse – weil der Dezember ein besse­rer Monat war –, also trotzdem noch frisches Geld; darüber hinaus enthält es die 1 Mil­liarde Euro an zinslosem Kredit und 100 Millionen Euro für den Strukturfonds für be­sonders schwache Gemeinden.

Auf die Bundesländer verteilen sich diese 1,5 Milliarden wie folgt: Burgenland 46 Millio­nen Euro, Kärnten fast 100 Millionen Euro, Niederösterreich 260 Millionen Euro, Oberös­terreich fast 240 Millionen Euro, Salzburg 96 Millionen Euro, Steiermark 200 Millionen Euro, Tirol 123 Millionen Euro, Vorarlberg 65 Millionen Euro und Wien 371 Millionen Eu­ro. Das Geld kommt an. – Ich bedanke mich für die dennoch interessante Debatte im Bundesrat. (Beifall bei der ÖVP.)

14.4


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 95

1


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Kollege.


14.42.05

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Zuerst muss ich einmal feststellen: Es sind ja außer Frau Mag. Kittl alles Bürgermeisterinnen und Bürgermeister am Pult. Dass die Sicht der Dinge der ÖVP – oder wie sie jetzt heißt: der neuen Volkspartei, da muss ich ja immer schauen – eine andere ist (Heiterkeit bei BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ), liegt halt in der Sa­che, darin, wie man das gesamte Thema beurteilt.

Als Bürgermeister selbst kann ich zur finanziellen Lage und Liquidität unserer Gemeinde leider nur ein düsteres Bild zeichnen. Die Bürgermeisterkollegen – Dominik Reisinger und Kollege Josef Ofner – haben es im Grunde bestätigt, wie auch der Herr Bundesmi­nister, weil er ja Namen genannt hat, Kollross und weitere aus dem Nationalrat. Die wer­den ja auch nicht so unrecht haben, denn, Herr Bundesminister, Sie sind kein Bürger­meister – Bürgermeister samma mia! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ, ÖVP und FPÖ.) Ja, du (in Richtung Bundesrat Bader) bist auch ein Bürgermeister, natürlich!

Wir als Bürgermeister wissen sehr wohl, was vor Ort los ist, wie es zugeht – ich komme später noch dazu –, und der Einbruch bei den Ertragsanteilen trifft alle Gebietskörper­schaften gleichermaßen hart. Zudem leiden die Gemeinden auch noch unter den drama­tischen Mindereinnahmen bei der Kommunalsteuer.

Lassen Sie mich kurz über Kärnten berichten! Kärnten hat einen Ausfall von rund 150 Mil­lionen Euro, und es ist heute noch nie zur Sprache gekommen oder nur so beiläufig irgendwo mit erwähnt worden: Es geht auch um die Kommunalsteuer, meine Damen und Herren. Wenn wir Kurzarbeit haben – Gott sei Dank, auf der einen Seite –, fehlen uns aus den Bruttolohnerlösen 3 Prozent der Kommunalsteuer, und das trifft viele Gemein­den sehr hart. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle sagen.

Unser Bürgermeister und Gemeindebundchef Günther Vallant hat selbst festgestellt: Die Hilfspakete, die die Gemeinden in der Art und Weise, wie sie ausgeführt sind, bekom­men, sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Zum Warum werde ich später noch kom­men. Wenn man das Ganze aufteilt und mit Krediten versucht, das später zurückzuzah­len, dann erinnere ich Sie, Herr Bundesminister, daran, dass Sie im März bei den ersten Pressekonferenzen an der Front gestanden sind – mittlerweile sind es ja weit über 100 – und damals gesagt haben: „Koste es, was es wolle“. Wir fordern Sie auf: Wenn Sie sagen „Koste es, was es wolle“, geben Sie uns Gemeinden das notwendige Geld! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Landesrat Fellner bei uns in Kärnten hat es auch zustande gebracht, dass er 35 Euro pro Einwohner an Geld zur Verfügung gestellt hat und auch die Vereine, die ihre Arbeit gemacht haben, mit Fördergeld belohnt hat. Das hieß bei uns, dass wir im letzten Jahr einmal Luft gekriegt haben.

Ich glaube trotzdem – auch, wenn das heute so gesagt wurde –, dass wir ein Problem mit der Liquidität haben. Die Liquidität ist im Grunde genommen einfach nicht gegeben. Wenn wir uns das anschauen: Ich komme aus einer Tourismusgemeinde, und das ist heute noch nie gefallen: Fremdenverkehrsgemeinden, die in erster Linie vom Tourismus leben, sind hier noch einmal mehr betroffen, weil der Tourismus und die Freizeitwirt­schaft quasi vollkommen zum Erliegen gekommen sind und wohl auch noch länger in diesem Lockdown – wie wir heute gehört haben – verbleiben werden. Das ist die Kata­strophe, die jetzt auf uns zukommt.

Gleichzeitig hegt man durchaus Erwartungen an uns. Das ist heute schon erwähnt worden. Man muss anscheinend die Dinge in diesem Parlament oft genug erwähnen, damit die Herrschaften, die dafür verantwortlich sind, wissen, was die Gemeinden leis­ten. Ich kann nur bestätigen, was Herr Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer in


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 96

seiner Erklärung als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz gesagt hat, nämlich dass er dankbar ist, dass er die Gemeinden hat. Das kann ich nur noch einmal unter­stützen. Wir versuchen, die Aufgaben im Sinne der Bürger und der kommunalen Infra­struktur auch in Zeiten wie diesen so gut wie möglich zu erfüllen.

Ich weiß nicht, ob Sie heuer schon einmal Schnee gesehen haben, außer im Fernsehen. Bei mir daheim vor der Haustüre liegen 2 Meter Schnee. So ist das bei mir in Oberkärn­ten und in Teilen der Täler bis ins Lesachtal und ins Gailtal hinein. Was glauben Sie, welche Kosten wir heuer für die Schneeräumung haben, was wir an Geräten haben, die eingesetzt wurden und kaputtgegangen sind, weil sie das nicht mehr leisten konnten? All das wurde aber trotzdem so erledigt, dass die Bürger zufrieden und in Sicherheit leben können. Kollege Ofner hat es gesagt: Wir räumen euren Scherbenhaufen auf! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Da geht es um die Massentestungen, die wir gemeinsam mit dem Land und mit der Feuerwehr und allen, die freiwillig mit dabei waren, übernommen haben. Da geht es um die Impfungen. Ich kann mich noch erinnern, ich glaube, es war am Freitagnachmittag, wie wir vom Land die Information bekommen haben: Bund, Land, Gemeinden, und jetzt wäre es recht zu wissen, wer über 80 Jahre alt ist.

Wer ist in der Gemeinde gesessen? – Die Mitarbeiter, wir waren als Bürgermeister auch dabei. Ich habe von BürgermeisterInnen gehört, die mit dem Zettel, der uns zur Verfü­gung gestellt worden ist, von Haus zu Haus gegangen sind, damit wir die Leute dort hi­nbringen, wo sie hinmüssen, um die erste Impfung zu bekommen. Das haben wir auch noch übernommen.

Ein weiteres Problem, glaube ich, ist, dass wir den Menschen draußen die ganzen Ver­ordnungen erklären müssen. Wir müssen ihnen die Verordnungen erklären, die teilweise von hinten bis vorne falsch sind und dann schlussendlich irgendwann einmal vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden. Das musst du einmal den Leuten erklären! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist heute auch schon gesagt worden: Wir sind gespannt, wie Sie das finanzieren werden. Wir, die SPÖ, haben ja schon Vorschläge gemacht. Wir haben gesagt, dass es zum Beispiel eine Reichensteuer geben könnte, dass es eine Erbschaftssteuer geben könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Kollege aus Kärnten, Kollege Ofner, hat auch noch Amazon, Google und Facebook mitgenommen – alle virtuellen Bereiche, die wir schützen und die bei uns keine Steuern zahlen. Bei Amazon wissen wir, dass der Chef mittlerweile schon der reichste Mann der Welt ist. Das ist der neoliberale Ansatz, den ihr als die neue Volkspartei umzusetzen versucht. Lieber nehmen wir dem etwas weg, der eh schon wenig hat, als einem Reichen etwas zu nehmen – das ist, glaube ich, euer Wahlspruch. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass wir beim Thema finanzielle Situation am Boden liegen, ist schon oft genug gesagt worden. Es ist mir jetzt egal, ob das Licht heute leuchtet (auf die rot blinkende Lampe am Rednerpult weisend), ich werde so lange brauchen, wie ich brauche. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.) Das kommunale Investitionsprogramm, das im Sommer be­schlossen wurde, setzt auf Förderungen der Wirtschaft über die Umsetzung von kom­munalen Projekten. Natürlich sind wir, die Gemeinde, mit dem Geld, das wir investieren, einer der größten Förderer der Wirtschaft, und das tun wir ja gerne, der Liquidität der Gemeinden hilft dieses Paket aber hundertprozentig nicht. Das muss man bei dieser Gelegenheit auch einmal gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es ist heute schon festgestellt worden, wie viel an Geld bei diesem ersten Investitions­paket jetzt beim Bund abgeholt wird. Ich glaube, dass es noch viel mehr sein wird. Es sind bis jetzt, glaube ich, genau 346,7 Millionen Euro. Das wird noch wesentlich mehr


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 97

werden, keine Frage. Ich möchte aber noch kurz zu dieser 1 Milliarde Euro kommen. Vielleicht verstehen wir uns nicht, wie wir miteinander reden. Tatsache ist, dass diese 1 Milliarde Euro – es wurde zwar gesagt, dass sie Liquidität bringt, weil sie scheinbar auf zwei, drei Jahre nicht rückzahlbar ist – rückzahlbar ist, wir müssen sie irgendwann ein­mal zurückzahlen. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling und Schennach.) Wir haben also das Problem, dass wir das Geld, das wir von euch bekommen, zurückzahlen müssen. – Ich weiß es nicht, wie wir es zurückzahlen werden, ich habe keine Ahnung, aber es ist zurückzuzahlen.

Dazu kommt ja noch, dass das Ganze den Leuten einfach missverständlich rüberge­bracht wird – und teilweise verstehen nicht einmal eure Bürgermeister am Land draußen, wie die Situation ausschaut: dass diese 1 Milliarde Euro jetzt vorausgezahlt wird oder wir halt die sogenannten Sondervorschüsse, Ertragsanteile bekommen und dass das wieder einmal zurückgezahlt werden muss. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sonst würde nicht – vielleicht ist das dem Kärntner Wahlkampf zum Thema Gemeinde geschuldet – so etwas, was wir heute gefunden haben, in Facebook drinnen stehen. (Der Redner hält einen Ausdruck in die Höhe, auf dem ein Foto eines Berges und der Text „Gemeindepa­ket der Bundesregierung € 352.000,- für Projekte in unserer Marktgemeinde – Da ist Platz für einige Projekte! Diese Fördermittel müssen nicht zurückgezahlt werden und stehen der Gemeinde uneingeschränkt zur Verfügung!“ sowie das Logo der Österreichi­schen Volkspartei abgebildet sind.) Da gibt es eine Gemeinde, Feistritz im Rosental, da schreibt die neue Volkspartei: 352 Millionen Euro (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Tausend!) für die Marktgemeinde, für die Projekte. Und dann schreibt sie: „Diese Fördermittel müs­sen nicht zurückgezahlt werden“.

Ja bitte schön, was ist denn da los? Ist das jetzt im Wahlkampf so, dass das in ganz Kärnten kommt? Es haben ja aber der Bundesminister und auch ihr als Bürgermeister uns gesagt, dass es zurückzuzahlen ist, es hilft ja nichts. (Bundesrat Spanring: Das wird eine Sonderförderung von der ÖVP für die ÖVP sein!) Es kann ja aber nicht sein, dass da die Bevölkerung falsch informiert wird, dass das Geld nicht rückzahlbar ist, also die 352 Millionen Euro. (Bundesrat Bader: Tausend, Herr Kollege!) – Was? (Weitere Rufe bei der ÖVP: 352 000!) – 352 000 Euro. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann. – Ruf bei der ÖVP: Du hast ein Wahrnehmungsproblem! – Allgemeine Heiterkeit.)

Jetzt nehme ich diese Zettel (Ausdrucke mit Tabellen in die Höhe haltend) her und schaue mir den Zettel von Feistritz im Rosental an, und ich sehe: Da ist die Gesamt­summe 352 000 Euro. – Ich weiß ja nicht, welche Berater die neue Volkspartei in Kärnten hat, das müssen aber schlechte sein (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der SPÖ), ange­sichts dessen, was da drinnen steht (den Kopf schüttelnd): 352 000! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.) Zwei Drittel dieser Fördermittel müssen zurückbezahlt werden, zwei Drittel! – Das nur dazu, wie die Situation ausschaut.

Ich komme zum Schluss. Wenn wir die 1,5 Milliarden Euro jetzt bekommen, werden wir dadurch unsere Liquidität nicht verbessern. Wie ich schon gesagt habe, müssen wir das zurückzahlen. Es ist einfach so. Die wirkliche Hilfe – so, wie es auch schon gesagt wor­den ist, auch im Nationalrat – wäre, dass wir das Geld, 250 Euro pro hauptgemeldetem Einwohner für die Gemeinden, zur Verfügung gestellt bekämen. Dann hätten wir die Möglichkeit, unsere Situation wirtschaftlich zu verbessern.

Herr Bundesminister, vielleicht ist es ja so, dass Ihnen irgendwann – das sage ich jetzt so, das wäre ein bisschen frech – das Licht aufgeht. (Heiterkeit bei SPÖ und FPÖ.) 2024, bis dahin ist es noch eine lange Zeit: Sie können ja das Geld in einen Ertragsanteil umwandeln, der nicht rückzahlbar ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Aber ich befürchte ja, Herr Bundesminister, dass Sie 2024 nicht mehr hier sind. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ. – Bundesrat Bader: „Befürchte“!)

14.55



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 98

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Ing. Eduard Köck. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.55.38

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregie­rung unterstützt die Gemeinden mit 1,5 Milliarden Euro und die SPÖ und die FPÖ sind dagegen. Das ist die Grundessenz des heutigen Tages! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Na geh!) Das wird vom heutigen Tag übrig bleiben. Die Bundesregierung bringt 1,5 Milliarden Euro auf den Weg, und die SPÖ und die FPÖ sind dagegen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Und die NEOS!)

Wir haben eine schwierige Situation, ein schwieriges Jahr hinter uns, nicht nur in den Gemeinden, in allen Gebietskörperschaften und in allen Ländern, nicht nur in Österreich! Wenn es nur in Österreich so wäre, dann müssten wir diesen realitätsfremden Ausfüh­rungen der FPÖ ja hin und wieder etwas Gehör schenken, es ist aber eben in allen Ländern so. Es bedarf natürlich Antworten darauf, und diese Regierung gibt diese Ant­worten auch und unterstützt alle Gebietskörperschaften, die Länder und die Gemeinden, damit wir unsere Arbeiten wahrnehmen können, und diese sind sehr, sehr umfangreich. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Es ist heute schon einiges angesprochen worden. Im Grunde genommen sind wir die Serviceagentur für alle Fragen. Ich glaube, dass wir die Aufgabe sehr gut schaffen, dass wir Gemeinden genau diese Institution sind, die diese Aufgabe sehr gut schafft. Das sieht man zum Beispiel bei den Testungen, als in Niederösterreich beim zweiten Mas­sentest 560 000 Personen testen gekommen sind. Das war auch eine Demonstration von Menschen, die die Arbeit der Regierung unterstützen wollen und die die Arbeit der Regierung anerkennen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Zwi­schenruf bei der FPÖ.)

Herr Minister, das zeigt, wir wollen nicht nur Geld, wir arbeiten auch daran mit, diese Pandemie in den Griff zu bekommen, um so schnell wie möglich wieder in eine normale Situation zu kommen. Wir haben dabei gerade in Niederösterreich eine hervorragende Unterstützung des Landes, das möchte ich hier auch einmal sagen. Wir haben Unter­stützung für die Kinderbetreuung bekommen, wir haben Unterstützung für den Ausfall der Ortstaxen bekommen, wir haben ein Landespaket bekommen und es gibt einen Li­quiditätsausgleich. Nur in einer guten Partnerschaft zwischen Land, Bund und Gemein­den wird es möglich sein, diese Situation zu bewältigen.

Wir haben hier ein Programm zur Unterstützung der Gemeinden vor uns liegen, welches schon einige Male angesprochen worden ist, ich glaube, ich brauche es nicht mehr näher zu erklären. Es führt dazu, dass wir im Jahr 2021 um 2,6 Prozent mehr Einnahmen von der öffentlichen Seite haben werden als 2019, und das bringt ganz einfach Stabilität. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

Es wurde schon angesprochen: Ich meine, der SPÖ – ich habe das schon oft gesagt – ist es immer zu wenig, zu kurz und was weiß ich was. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Es wird nie passen. Unsere Regierung hat ganz schnell einmal 1 Milliarde Euro auf den Weg gebracht. Da habt ihr gefordert, das müssen 2,2 Milliarden Euro sein. Jetzt sind es 2,5, jetzt fordert ihr noch einmal 2,2. Das wird immer so sein. Das ist doch nur ein Oppo­sitionsspiel, das hat mit der Realität nichts zu tun. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich glaube, es gibt da wirklich eine starke Unterstützung. Euer Entschließungsantrag aber wirkt wieder in die Richtung, die Gemeinden untereinander auszuspielen. Es gibt im Rahmen dieser Hilfe einen starken Anteil an Strukturhilfe für die schwachen Gemein­den. Kollege Novak, mich wundert, dass du den Antrag, der von euch vorgelegt worden


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 99

ist, bei dem alle das Gleiche bekommen, bei dem mit dem Rasenmäher drübergefahren wird, unterstützen kannst. (Bundesrat Novak: Aber der Herr Bundesminister hat ja ge­sagt: „Koste es, was es wolle“!) Du bekommst aus dem Strukturfonds insgesamt unge­fähr 70 000 Euro. Die würdest du nicht bekommen, würde das umgesetzt werden, was die SPÖ hier beantragt! Um nichts anderes geht es. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Reisinger, auch deine Gemeinde erhält sehr viele Mittel aus dem Strukturfonds. Das sind ungefähr 40 000 Euro. (Bundesrat Beer: Viel mehr kriegt er! Mit dem Rechnen hat er es nicht so!) Die würdet ihr nicht bekommen, wenn euer Antrag umgesetzt wird. Da geht es wieder nur um das Auseinanderdividieren von großen und kleinen Gemein­den (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grimling und Schumann), und letzten Endes ist das ein Diktat von Ludwig aus Wien, der ganz einfach mehr Mittel will und mit dieser Aufteilungsart mehr Mittel bekommt. (Bundesrätin Grimling: Was? 250 Euro ...!) Ich glaube aber, das habt ihr mit Doskozil noch nicht abgesprochen (Beifall bei der ÖVP – die Bundesrätinnen Schumann und Grimling: Doskozil, nicht Doskotschil!), denn auch der würde bei dieser Aufteilung weniger bekommen, da der Strukturfonds nach der Be­völkerungsentwicklung, nach der Finanzkraft und nach der Abhängigkeitsquote von öf­fentlichen Zahlungen gewichtet wird, und daher werden eben strukturschwache Gemein­den besser unterstützt. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Ein Wort noch zur Kritik am ersten Paket, welches offensichtlich von euren Gemeinden nicht so sehr angenommen werden konnte. Da muss ich Ihnen sagen, da müssen Sie auch Ihre Verantwortung als Bezirksmandatare besser wahrnehmen. Ich habe das ge­macht, ich habe alle meine Gemeinden konsultiert, ich habe mit ihnen darüber gespro­chen, ob sie das Programm kennen, wie sie es umsetzen können. Und alle Gemeinden haben einen Antrag gestellt und haben investiert – in die Sanierung von Gemeindeäm­tern, drei Gemeinden in eine Wasseraufbereitungsanlage, in ein Kommunalzentrum, in die Sanierung des Schlossdaches, vier haben in Straßenbau investiert, in Ortsbeleuch­tung, in einen Löschteich, in die Sanierung der Volksschulen, und in Kläranlagen und Kanal. Alle konnten Anträge stellen, viele haben das Geld schon (Bundesrätin Grimling: Viele? Was heißt viele?), und das in einer strukturschwachen Region, wo die Kommunal­steuer nicht so hereinsprudelt wie vielleicht in anderen Teilen des Landes. Sie schaffen es aber, weil man in den Gemeinden eben auch gute Arbeit leisten muss. Es geht nicht so wie in Persenbeug, wo der SP-Bürgermeister zurücktreten musste, weil er über Jahre hinaus die Kanalgebühren nicht eingefordert hat – jetzt muss er abtreten. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Grimling: Aber jetzt ist Schluss! So viel zum Thema gemeinsam!)

Natürlich ist dann das Geld für die Eigenfinanzierung nicht da. Ich kann noch ein anderes Beispiel von einem SPÖ-Bürgermeister bringen, das bei mir nur Unverständnis hervor­ruft. (Die Bundesrätinnen Grimling und Schumann: Gemeinsam!) Wenn der Bürger­meister von Bruck an der Leitha sagt, er erlässt allen Familien, die ein Nettoeinkommen von 4 000 Euro haben, die Kosten für die Nachmittagsbetreuung, da muss ich dir ehrlich sagen, Herr Finanzminister: Solchen Gemeinden würde ich keine Hilfe gewähren. (Bun­desrätin Grimling: Ja Gott sei Dank ...!) Wir sind auch dafür, dass wir finanzstarken Ge­meinden helfen – es gibt auch in Niederösterreich eine Unterstützung –, aber das ist für finanzschwache Familien. Da gibt es eine Einschleifregelung, wenn man reicher wird. Das war am 22. Jänner in den Medien: Bruck an der Leitha, Nachmittagsbetreuung bei 4 000 Euro. (Bundesrätin Grimling: Wir werden es weitergeben! Um Gottes willen! So viel zur Familienpolitik der ÖVP! – Bundesrätin Schumann: Das ist die Familienpolitik der ÖVP! – Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Schumann.) – Ja, ja, ich würde sol­che Gemeinden nicht unterstützen, denn wir sind dafür, sozial Schwache zu unterstüt­zen. Das tun wir auch, aber Familien mit 4 000 Euro netto sind für uns nicht unbedingt finanzschwach. (Bundesrätin Grimling: Jetzt kennen wir uns aus, Herr Bundesrat Köck!)

Ein weiteres Beispiel eines SPÖ-Bürgermeisters, nämlich des Bürgermeisters von Hermagor in Kärnten: Er hat in einer ORF-Diskussion die Unterstützung des Bundes


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 100

ausdrücklich gelobt. Ich kann hier also das Lob von einem SPÖ-Bürgermeister weiter­geben (Beifall bei der ÖVP – Bundesrätin Schumann: Geh hör auf!), er sieht das offen­sichtlich ganz, ganz anders, im Unterschied zum Oppositionsspielchen, das hier gespielt wird. Und ich sage noch einmal (Bundesrat Appé: ... den ÖVP-Bürgermeister von Moos­burg ..., ein ÖVP-Landtagsabgeordneter von euch!), übrigbleiben vom heutigen Tag tut eines: Die Regierung schickt 1,5 Milliarden Euro in die Gemeinden, und die FPÖ und die SPÖ sind dagegen. Das bleibt über! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Novak: ... müssen es zurückzahlen!)

Herr Finanzminister, seitens der Gemeinden und Bürgermeister herzlichen Dank an die gesamte Regierung für diese Unterstützung! Wir sind gute Partner, wir nehmen die Ar­beit an der Basis wahr und helfen mit, diese Pandemie zu besiegen, und wenn es not­wendig und möglich ist, wünschen wir auch wieder Unterstützung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Novak: „Koste es, was es wolle“! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.04


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Ofner, bitte.


15.05.12

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Jetzt muss ich schon noch auf die Wortmeldung von Herrn Köck replizieren, denn da liegen offensichtlich Wahrnehmungsstörungen der Realität vor. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Lieber Herr Kollege, ich muss dir schon eines sagen: Wenn es ganz klar daliegt, dass nur circa 30 Prozent dieses Geldes vom KIP abgeholt werden kann, dann ist das nicht so, dass wir hier irgendetwas behaupten.

Herr Finanzminister, ich habe auch nicht gesagt, dass die Abholung kompliziert ist, son­dern ich habe Ihren Budgetdienst zitiert, der gesagt hat, die Gemeinden können die verbleibenden 50 Prozent nicht aufbringen, um das zu finanzieren. – Das war meine Aussage. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Und Herr Kollege Köck, ich kann Ihnen sagen, was vom heutigen Tag übrig bleiben wird: Am heutigen Tag werden wir dem Steuerzahler und der österreichischen Bevölkerung, den Bürgern, denen, die das zu berappen haben – und es stimmt: nein, wir müssen diese 1,5 Millionen Euro eh nicht zurückzahlen, sie werden von Haus aus vom Finanzminister einbehalten, das heißt, wir sehen sie gleich gar nicht –, den türkis-grünen Sand aus den Augen gewaschen haben, und die SPÖ und die FPÖ werden sehr wohl erkannt haben, was die Realität ist – was Sie leider noch immer nicht vermögen. (Beifall bei FPÖ und SPÖ. – Bundesrat Seeber: Na da sind wir aber ...!)

15.06


15.06.48

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Gibt es dazu weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Die Plätze sind, wie ich sehe, bereits eingenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kolle­gen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 101

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Finanzierungs-Zweckzuschuss für Städte und Gemeinden in der Höhe von 250 Euro pro EinwohnerIn“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. Ich darf hinzufügen, dass Schriftführung und Präsidium vom Stimmrecht Gebrauch machen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

15.08.133. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kollegin­nen und Kollegen betreffend die verbesserte strafrechtliche Sanktionierung einer vorsätzlichen Schädigung des geschützten Tier- oder Pflanzenbestandes (§ 181f StGB) (284/A(E)-BR/2020 sowie 10540/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. – Ich bitte um den Bericht.


15.08.47

Berichterstatter Andreas Arthur Spanring: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich brin­ge Ihnen den Bericht des Justizausschusses über den Entschließungsantrag der Bun­desräte MMag. Dr. Michael Schilchegger und Kollegen betreffend die verbesserte straf­rechtliche Sanktionierung einer vorsätzlichen Schädigung des geschützten Tier- oder Pflanzenbestandes (§ 181f StGB) zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung am 26. Jänner 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Antrag keine Zustimmung erteilen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Herr Bundes­rat, bitte um Ihre Wortmeldung.


15.09.47

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf den Antrag kurz begründen.

Wild lebende Tiere geschützter Arten wie der Luchs, der Kaiseradler und viele andere werden häufig aus verschiedensten Motiven illegal bejagt und getötet, sei es, weil die Täter eine illegale Jagdtrophäe anstreben oder aus anderen Gründen. Für die praktische Effektivität des bestehenden Naturschutzrechts in den Ländern sind derartige illegale Tötungen jedenfalls kein theoretisches, sondern ein reales Problem. Es gibt dazu immer wieder verschiedene Fallzahlen, es gab in den letzten Jahren auch immer wieder ver­schiedene Medienberichte.

Es gibt einen strafrechtlichen Schutz, der im StGB verankert ist, der jedoch nicht aus­reicht, da sich in allen Fällen, in denen man des Täters habhaft werden kann, die Sank­tionswirkung entweder auf eine diversionelle Erledigung beschränkt oder das Verfahren mit einer ganz geringen Geldstrafe endet.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die illegale Tötung eines Luchses endete im Jahr 2020 mit einer Geldstrafe von 1 920 Euro. Das muss man den Kosten gegenüberstellen: Allein


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 102

die Aussetzung des wild lebenden Tieres, des Luchses, im Nationalpark war mit Kosten von circa 12 000 Euro verbunden. Demgegenüber steht die sehr geringe Sanktionierung des Täters mit 1 920 Euro.

Wo ist denn der besondere strafrechtliche Schutz vor der vorsätzlichen Tötung von wild lebenden Tieren, der über jenen vor der mutwilligen Tötung eines sonstigen Tieres hi­nausgehen würde? – Ich gebe Ihnen gerne die Antwort: Es gibt ihn nicht, da momentan mit dem allgemeinen Maß gemessen wird. Das meine ich wörtlich. Wenn man in § 181f StGB auf der einen Seite und § 222 Abs. 3 StGB, der die mutwillige Tötungen von Tieren behandelt, auf der anderen Seite nachliest, findet man dasselbe geringe Strafmaß, die­selben milden Strafzumessungsregeln, die dazu führen, dass geschützte wild lebende Tierarten heute nicht effektiv geschützt sind.

Daher haben wir diesen Antrag eingebracht. Stimmen wir heute also für eine gezielte Anhebung des gesetzlichen Strafrahmens im Artenschutz auf ein effektives Niveau, wie es auch in unseren Nachbarländern Deutschland, der Schweiz und anderen längst üblich ist!

Es geht aber nicht nur um wild lebende Tierarten, es geht allgemein um einen verbesser­ten strafrechtlichen Schutz. Erinnern Sie sich bitte an die schockierenden Vorfälle vor allem des vergangenen Jahres: Enten wurden bei lebendigem Leib verstümmelt, indem ihnen die Beine abgeschnitten wurden. Unbekannte Täter haben mehreren Hauskatzen in Oberösterreich und der Steiermark bei lebendigem Leib die Haut abgezogen.

Meine Damen und Herren, ich würde es gerne glauben, wenn man sagt, das war ein sadistischer Einzeltäter oder ein Ausnahmephänomen. Das war aber gerade nicht der Fall, das wissen wir aus den Statistiken und Medienberichten. Derartige Taten greifen immer mehr um sich und schockieren das ganze Land. Vielleicht haben Sie es heute gelesen, ganz aktuell: die bestialische Schlachtung zweier Schafe in einem Wiener Strei­chelzoo. Meine Damen und Herren, diese abscheulichen Verbrechen haben eines ge­meinsam: Das ist keine gewöhnliche Tierquälerei mehr, das ist Tierfolter. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das ist ein neues Phänomen, mit dem die Ermittlungsbehörden nicht mehr alleine zu­rechtkommen und mit dem sie auch nicht alleingelassen werden dürfen. Das ist eine neue Tatsache, der sich auch die Gesetzgebung stellen muss.

Ich möchte Ihnen hierzu eine rhetorische Frage stellen – auch wenn Sie vielleicht kein besonderes Herz für Tiere haben, gibt Ihnen diese Frage vielleicht zu denken –: Ist ein Faustschlag ins Gesicht, der zu einer Prellung und einem blauen Auge führt, dasselbe wie ein Säureattentat, das mit einer dauerhaften Verstümmelung und Verunstaltung des Gesichts einhergeht? Liegt darin – Faustschlag auf der einen Seite, Säureattentat auf der anderen  ein ähnlicher Unwert? – Es ist natürlich nicht dasselbe.

Deshalb sind aus gutem Grund die vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte, wie sie im Strafgesetzbuch verankert sind, nach solchen Fallgruppen ausdifferenziert: Körperver­letzungen mit schweren Dauerfolgen und absichtliche Körperverletzungen sind ganz selbstverständlich mit deutlich strengeren Strafrahmen sanktioniert als gewöhnliche Kör­perverletzungen.

Im Tierschutz gibt es diese Differenzierung heute nicht. Die genannten Fälle von schwe­rer Tierfolter, also sadistische Verstümmelungen unserer tierischen Mitgeschöpfe, die auch auf eine sehr hohe Gewaltbereitschaft und geradezu psychopathische Charakter­eigenschaften des Täters hinweisen, müssen derzeit von den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten nach denselben milden Strafzumessungsregeln beurteilt werden wie Quälereien – und, das sagt ja schon der Begriff, damit meine ich Vernachlässigun­gen, Haltungsfehler von Haustieren oder dergleichen, die sicher auch strafwürdig sind.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 103

In der fehlenden strafrechtlichen Differenzierung dieser beiden Deliktsgruppen im Tier­schutz liegt aus unserer Sicht auch der Kern dieses Problems. Deshalb haben wir bereits am 8. Oktober letzten Jahres hier im Bundesrat einen Entschließungsantrag eingebracht und darin vorgeschlagen, eine solche Deliktsqualifikation für genau diese Fälle schwerer absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter einzuführen. Es gibt für diese Deliktsqualifikation mit höherem Strafrahmen mehrere gute Gründe, ich zähle von diesen jetzt im Folgenden nur einige auf.

Wir heben dadurch das Sanktionsniveau für solche Fälle auf ein angemessenes Maß, wie es in unseren Nachbarländern Deutschland, der Schweiz und anderen bereits üblich ist – dasselbe Argument also wie auch im Artenschutzantrag. Wir schärfen das Strafge­setzbuch gezielt dort nach, wo es unbedingt notwendig und dem Unwert der Tat ange­messen ist. Wir erhöhen die Ermittlungspriorität und das Ermittlungspotenzial unserer Strafverfolgungsbehörden, die Täter auszuforschen und zur Rechenschaft zu ziehen. Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, weil wir zugleich auch das verfassungsrecht­liche Problem der Doppelbestrafung lösen. Diese verbietet nämlich den Behörden nach neuer Rechtsprechung des EGMR und des Verwaltungsgerichtshofes, derartige schwe­re Straftaten, die dann, verharmlosend gesprochen, als Tierquälerei zu ahnden sind, zu­sätzlich noch einmal nach verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu ahnden, also zum Beispiel nach tierschutzrechtlichen Bestimmungen oder nach naturschutzrechtlichen Be­stimmungen im Verwaltungsrecht.

Wir verbessern die Kriminalstatistik, und zwar in formaler Hinsicht, damit man erstmals minderschwere Fälle der Tierquälerei von schwerer Tierfolter transparent unterscheiden kann. Damit kann man die Sanktionswirksamkeit gezielt evaluieren und erforderlichen­falls weitere Schritte setzen. Wir geben damit unseren Staatsanwälten und Strafgerich­ten die Möglichkeit, im Einzelfall effektive Sanktionen zu fordern und zu verhängen, da­runter beispielsweise Bewährungsauflagen, die vor allem auch einer Prüfung in der Rechtsmittelinstanz standhalten. Es gibt ja allgemeine Strafzumessungsregeln, an die man sich als Richter halten muss, ob man will oder nicht. Wenn man das nicht tut, wird man von der Berufungsinstanz eines Besseren belehrt. Die einzige Antwort darauf kann nur lauten, dass man die Strafrahmen gezielt erhöht.

Zuletzt habe ich mir noch als Grund notiert, dass wir damit auch die spezial- und gene­ralpräventive Wirkung verbessern und ein klares Zeichen setzen, dass es für psychopa­thische Neigungen, die sich wirklich und tatsächlich in sadistischen Gewalttaten gegen wehrlose Tiere, unsere Mitgeschöpfe, ausdrücken, keine wie immer geartete Toleranz geben kann.

Meine Damen und Herren, Tiere sind wehrlos! Sie können sich nicht ins Parlament wäh­len lassen und ihre Anliegen nicht für sich selbst artikulieren. Sie haben auch nichts von einfachen Worten des Entsetzens oder des Bedauerns. Wie gesagt sind strengere Strafen den einzelnen Richtern, die derzeit dafür zuständig sind, faktisch nicht möglich, weil sie die bestehenden Strafzumessungsregeln zu beachten haben. Ihnen sind also die Hände gebunden. Die hier vorgeschlagene Lösung haben wir mit Experten erarbei­tet, auch aus dem Justizbereich, mit Staatsanwälten und Richtern. Die klare Empfehlung ist in unserem Antrag verankert: Man muss gezielt eine Deliktsqualifikation schaffen und den Strafrahmen erhöhen. Genau das sehen unsere heutigen Anträge vor. Beide Anträ­ge, jener zum Artenschutz und jener zur Tierfolter, wurden vergangenes Jahr auch im oberösterreichischen Landtag von allen – von allen – dort vertretenen Fraktionen unter­stützt, also auch von ÖVP, SPÖ und den Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bitte Sie daher heute um ein klares Zeichen des Bundesrates, dass uns diese ab­scheulichen Taten sadistischer Täter gegen unsere tierischen Mitgeschöpfe nicht kalt­lassen und nicht egal sein können.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 104

Der Antrag zu den geschützten wild lebenden Tierarten ist ja bereits Gegenstand der Beschlussfassung. Aus aktuellem Anlass – ich denke da an die Schlachtungen der Schafe im Wiener Streichelzoo – stelle ich noch einmal unseren überarbeiteten Ent­schließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „abschreckende Sanktionen in schweren Fällen absichtlicher Tierquälerei und Tier­folter“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die zuständige Bundesministerin für Justiz wird ersucht, dem Nationalrat eine Regie­rungsvorlage zuzuleiten, mit der Zielsetzung, den strafgesetzlichen Schutz für schwere Fälle von absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter – hier verstanden als vorsätzliche Ver­stümmelung eines Tieres oder die absichtliche Herbeiführung von sonstigen schwerwie­genden und qualvollen Verletzungen eines Tieres – durch Einführung einer neuen De­liktsqualifikation zum bestehenden Grunddelikt der Tierquälerei zu erhöhen („§ 222a StGB – Tierfolter"), wobei – in Relation zu den Strafrahmen für Körperverletzungsdelikte und unter Beibehaltung der aktuell bestehenden Strafzumessungsregeln einschließlich einer weitestmöglichen Haftvermeidung (Verhängung von Geldstrafen an Stelle von Freiheitsstrafen, bedingte Nachsicht, therapeutische Bewährungshilfe u.a.) – eine Ober­grenze von zumindest drei Jahren Freiheitsstrafe und eine Untergrenze von zumindest sechs Monaten Freiheitsstrafe dem hohen Unwert derartiger Taten angemessen er­scheint.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

15.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „abschreckende Sanktionen in schweren Fällen absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Otto Auer. – Ich bitte um Ihre Wortmel­dung, Herr Bundesrat.


15.20.30

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kollegin­nen und Kollegen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Der heute zu behandelnde Antrag im Sinne des Schutzes für Tiere und Pflanzen soll eine Verbesserung darstellen, für mich ist das aber nur eine Erhöhung des Strafrahmens. Dazu ist zu sagen: Delikte betreffend die vorsätzliche Schädigung von Tieren und Pflanzen oder die vorsätzliche Tötung von Tieren müssen geahndet werden, das ist völlig richtig, trotzdem muss aber die Verhält­nismäßigkeit gewahrt bleiben. Es müssen Übergriffe auf Kinder in der Familie oder auf Frauen anders und viel stärker bestraft werden als eben solche Vorkommnisse.

Vandalismus ist in diese Richtung einzuordnen, und ich denke, hier muss man schon bei den ganz Kleinen beginnen und den Kindern beim Spazierengehen zeigen, was schüt­zenswert ist und was nicht. Wenn man mit dieser Bewusstseinsbildung recht früh be­ginnt, dann werden diese Personen, denke ich, im späteren Leben achtsam und voraus­schauend sein.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 105

Der Strafrahmen ist aus meiner Sicht mehr als ausreichend, denn er wird selten ausge­schöpft, wie die Gerichtsurteile zeigen, da Verhältnismäßigkeit, wie gesagt, und Haus­verstand sehr, sehr wichtig sind.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Pflanzen- und Tierschutz, dafür sind die Grundlagen Respekt und Achtung vor allem Leben, auf jeden Fall vor unseren Mitmen­schen. Der Strafrahmen ist wie gesagt für mich in jedem Fall ausreichend, und die Ver­hältnismäßigkeit ist durch die Auslegung der Gerichte gewährleistet. Für eine Änderung sehe ich daher keine Notwendigkeit. Höhere Strafen bringen selten Verbesserungen, auch das hat sich in den letzten Jahren erwiesen.

Behandeln wir Menschen und Natur, Tiere und Pflanzen mit Respekt und Achtsamkeit, so leisten wir alle den wichtigsten Beitrag zur Erhaltung von allem! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.22


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mag.a Bettina Lancaster. – Frau Bundesrätin, Sie sind am Wort.


15.22.46

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Wel­che Bedeutung Tierschutz in der österreichischen Gesellschaft hat, zeigte am Montag dieser Woche eindrucksvoll das Tierschutzvolksbegehren auf: Mit 416 229 Unterstüt­zerinnen und Unterstützern ist es eines der erfolgreichsten Volksbegehren der letzten Zeit.

Meine Fraktion und ich gratulieren den Proponenten herzlichst und bedanken uns bei den 416 229 Österreicherinnen und Österreichern, die dem Thema Tierschutz eine star­ke Stimme gegeben haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun muss man sich aber genau die Inhalte der Forderungen im Volksbegehren an­schauen, die in einem solch hohen Ausmaß unterstützt wurden. Gefordert wird eine tier­gerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft; gefordert wird mehr Transparenz für Kon­sumentinnen und Konsumenten im Bereich der Kennzeichnung tierischer Lebensmittel; gefordert wird das Ende der Qualzucht; gefordert werden eine stärkere Mitwirkung der Tierschutzorganisationen und die Umschichtung der Fördermittel zugunsten des Tier­wohls.

Diese Forderungen, die insbesondere bei der ÖVP seit Jahrzehnten auf taube Ohren stoßen, sind jene, die die Menschen in Österreich mit Nachdruck stellen und deren Um­setzung sie einfordern. Es gilt, diese Forderungen nun endlich zu realisieren. In den nächsten Monaten werden wir sehen, für welche Fraktionen in diesem Haus Tierschutz wichtig ist und für welche Tierschutz weniger Bedeutung hat. Die sozialdemokratische Bundesratsfraktion wird sich jedenfalls aktiv, stark und laut in diese Debatte einbringen und das Thema auch in den Bundesrat bringen. Darauf können Sie sich verlassen, mei­ne Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun aber ein paar konkrete Worte zum gegenständlichen Entschließungsantrag der FPÖ. Mit diesem Antrag soll das Strafausmaß des § 181f des Strafgesetzbuches von bis zu zwei Jahren auf bis zu drei Jahre samt sechsmonatiger Mindeststrafe erhöht werden.

Dazu wäre zunächst anzumerken, dass ein solches Strafausmaß bisher unbekannt ist und daher in das ausgewogene System des Strafgesetzbuches nicht hineinpasst.

Darüber hinaus wurde das Strafgesetzbuch erst vor kurzer Zeit systematisch überarbei­tet, um eine Ausgewogenheit der Strafausmaße in der Palette von Straftatbeständen zu erzielen, also eine Balance in den gesellschaftlichen Werten zu erreichen. Durch eine


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 106

einseitige Neufestsetzung gerade bei diesen Delikten würde das im breiten politischen Kompromiss erzielte Gleichgewicht wieder in Unordnung gebracht werden, und es kä­men dann wieder von einer anderen Seite Forderungen, dass beispielsweise bei den Sexualdelikten oder bei der Wirtschaftskriminalität wieder nachgeschärft werden soll.

Deswegen mein Appell am Schluss: Sehr geehrte Damen und Herren, ja, widmen wir uns umfassend dem Tierschutz, setzen wir die Forderungen des Tierschutzvolksbegeh­rens um! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.27


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.27.16

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Zum gegen­ständlichen Antrag möchte ich festhalten: Der Schutz bedrohter Tierarten ist den Grünen und mir persönlich ein sehr großes Anliegen. Auch unsere Justizministerin Zadić hat im vergangenen Jahr bereits auf die Bedeutung dieses Themas hingewiesen. Das Straf­recht schützt das Rechtsgut Umwelt. Im konkreten Fall geht es um die Bestimmung des § 181f, welcher die vorsätzliche Schädigung des Tier- und Pflanzenbestandes unter Strafe stellt.

Es ist natürlich ein Leichtes, ein höheres Strafmaß für einzelne Delikte zu fordern, und je nach Tat stößt eine solche Forderung auf mehr oder weniger breite Zustimmung. Den­noch sollten wir – und das haben wir von meinen VorrednerInnen auch schon gehört – die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Ultima Ratio nicht außer Acht lassen. Allein, dass der Tatbestand dem gerichtlichen Strafrecht unterstellt wird, zeigt die Bedeu­tung, welche der Tat im gesellschaftlichen Wertekonsens beigemessen wird.

Die Strafandrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe liegt damit zwischen jener bei einer Körperverletzung: Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, und jener bei schwerer Körperverletzung: Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Hinzu kommt – das haben wir heute auch schon gehört –: Härtere Strafen verhindern nicht unbedingt Kriminalität; und kriminelles Verhalten, das nur selten entdeckt wird, führt zudem zu einer niedrigeren Risikoeinschätzung.

Daher scheint mir der wesentlich lohnendere Schritt zu sein, die Durchsetzung des gel­tenden Rechts zu verbessern, indem der Austausch mit allen Beteiligten auf allen Ebe­nen im Bereich des Artenschutzes forciert wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.29


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es liegen dazu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. – Doch eine, und zwar von Herrn Bundesrat Schilchegger. – Bitte, Herr Bun­desrat.


15.30.02

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geehrte Damen und Herren! Ich habe mir die Debatte sehr gut angehört. Kollege Auer von der ÖVP, Sie haben gesagt, die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben, weswe­gen Sie sich gegen den Antrag aussprechen. Sie haben in dem Zusammenhang von Vandalismus gesprochen, und da kommt, glaube ich, ein sehr veraltetes Weltbild zum Ausdruck, nämlich das Weltbild, wonach Tiere Sachen sind. Tiere sind keine Sachen und daher sollten sie auch nicht als Sachen behandelt werden. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 107

Wenn Sie sagen, der Strafrahmen wird selten ausgeschöpft, dann ist das genau das, was ich in meinem Beitrag zu erläutern versucht habe. Das liegt nicht daran, dass die Einzelrichter nicht fähig wären, das zu tun, sondern das liegt an den Strafzumessungsre­geln. Dieses Ermessen, das Sie im Strafgesetzbuch sehen, wenn dort zum Beispiel von bis zu zwei Jahren die Rede ist, gibt es in der Praxis so nicht – bei Ersttätern sowieso nicht und auch in weiterer Folge gar nicht. Da gibt es also sehr viele geschriebene und ungeschriebene Strafzumessungsregelungen, denen man als Gesetzgeber eben nur durch eine differenzierte Anhebung des Strafrahmens begegnen kann.

Kollege Seeber, darf ich ganz konkret dich stellvertretend auch für deine KlubkollegInnen im oberösterreichischen Landtagsklub ansprechen? Darf ich eure Landtagsabgeordnete Barbara Tausch von der ÖVP Oberösterreich zitieren? – In der Landtagssitzung am 12. November 2020 sagte sie zu unserem Antrag, den wir heute hier besprechen: „Ange­sichts der aktuellen Fälle scheint der Strafrahmen zu milde, um sich der Gewalttat ver­mutlich bewusst zu werden.“ Gemeint ist die Tätersicht. „In der gemeinsamen Reso­lution fordern wir daher die Erhöhung der Strafrahmenobergrenze auf drei Jahre und eine Mindeststrafandrohung von zumindest sechs Monaten.“ – Zitatende.

Ich würde es ja noch verstehen, wenn man sagt: Na gut, da haben die Freiheitlichen halt irgendeinen Antrag herausgeklaubt und jetzt haben sie uns halt erwischt, dass wir da als ÖVP Oberösterreich dafür, heute aber vielleicht dagegen sind! – Ich kann nur sagen: Ihr bewerbt das, ihr bewerbt das ganz groß! Wenn ich das kurz zeigen darf (einen Ausdruck in die Höhe haltend), vielleicht auch für Sie, meine Damen und Herren: Das ist die Webseite des oberösterreichischen Landtagsklubs der ÖVP, und da ist auf der Startseite ganz, ganz prominent die Forderung: „Verschärfte Sanktionen für Tierquäler gefordert“. Und wenn man das dann aufmacht, dann steht da wiederum genau das: „Gemeinsam fordern alle vier im Landtag vertretenen Parteien eine Verschärfung der Sanktionen bei Tierquälerei.“ Es sollen mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe verhängt werden – und da wird nicht nur Abgeordnete Tausch zitiert, sondern auch euer Klubobmann Dörfel. Ich frage mich also schon: Warum stimmt ihr im Landtag dafür – das war ja erst vor zwei Monaten! – und heute dagegen? (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das nennt man heuchlerisch, glaube ich!)

Was sagt denn Landeshauptmann Stelzer zu eurem heutigen Abstimmungsverhalten? Wie wird er reagieren? Macht ihr das dann im Wahlkampf auch? Plakatiert ihr dann in Oberösterreich im Herbst: Überall verbesserte Sanktionen bei Tierquälerei!? Ist das dann eure Forderung? (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger, für Sie gilt dasselbe: Die oberösterreichischen Grünen haben unserem Antrag im Landtag zugestimmt. Sogar das Ressort Ihrer Um­weltministerin Gewessler hat eine klare Stellungnahme zu dem Antrag abgegeben und den Antrag unterstützt, zumindest den Artenschutzantrag – den anderen nicht, aber den Artenschutzantrag. Ihr habt beiden Anträgen im Oberösterreichischen Landtag zuge­stimmt. Was hat sich in den letzten beiden Monaten geändert?

Und wenn man hier sagt, es sei ein Leichtes, ein höheres Strafmaß für einzelne Delikte zu fordern, dann haben Sie, glaube ich, den Antrag für Tierfolter nicht gelesen, denn das machen wir ja gerade nicht, dass wir sagen, wir wollen das für Tierquälerei allgemein erhöhen, sondern wir haben uns die Mühe gemacht, gezielt zu überlegen, was das Pro­blem ist, damit es eine neue Deliktsqualifikation gibt. Das ist ja ein neuer Tatbestand, der gezielt für diese Fälle vorgesehen ist! Das ist etwas ganz anderes.

Kollegin Lancaster von der SPÖ Oberösterreich: Da gilt genau dasselbe. Ihr habt im Oberösterreichischen Landtag unseren beiden Anträgen zugestimmt. Ihre Landesobfrau Gerstorfer ist Tierschutzreferentin in unserem Heimatland Oberösterreich. Sie hat diese beiden Anträge unterstützt, euer Landtagsklub hat das unterstützt, beide Anträge sind ident: Warum stimmt ihr heute beiden Anträgen nicht zu?


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 108

Sie, Frau Kollegin Lancaster, haben gesagt, das Strafmaß sei bisher unbekannt, es gebe nichts mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten und einer Obergrenze von drei Jah­ren. – Ja, diesen konkreten Strafrahmen gibt es nicht, das stimmt, weil es statt drei Jah­ren fünf Jahre lauten muss, deswegen aber haben wir „mindestens drei Jahre“ Ober­grenze und mindestens sechs Monate Untergrenze geschrieben. Diesem unbekannten Strafausmaß also, das vielleicht einigen Straflegisten wie Sektionschef Pilnacek sauer aufstößt und wo er dann seine Kaffeetasse fallen lässt, wenn er so etwas sieht, kann er ganz einfach begegnen, indem er es dann im Gesetz mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren umsetzt. Das kann kein Grund sein, diesen Antrag abzuleh­nen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, ich erinnere insbesondere die oberösterreichischen Kollegen an ihr Abstim­mungsverhalten im Oberösterreichischen Landtag. Man kann nicht dort im Klub dafür sein und heute hier dagegen. Es sind dieselben Anträge, dieselben Begehren; das sind sinnvolle Begehren, ausgearbeitete Begehren, Begehren, die mit Experten besprochen wurden, gewogen wurden, geprüft wurden. Und da muss ich Ihnen schon noch abschlie­ßend sagen, es reicht einfach nicht, meine Damen und Herren, wenn man sich als Politi­ker mit irgendwelchen Tieren abbilden lässt, indem man außerparlamentarischen Ak­tionen wie dem Tierschutzvolksbegehren – ein wertvolles Anliegen! – einfach applau­diert und sagt: Ja, das ist sehr wichtig!, dann Sonntagsreden hält und vielleicht plakatiert, so wie die ÖVP Oberösterreich: Wir wollen null Toleranz gegen Tierfolter und Tierquäle­rei! – Das genügt nicht, sondern man muss schon auch hier im Parlament, wo es wirklich wichtig ist, dann dafür stimmen und solche Aktionen auch tatsächlich im Gesetz umset­zen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.36


15.36.11

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.

Der Ausschussantrag des Justizausschusses des Bundesrates lautet, dem Entschlie­ßungsantrag 284/A(E)-BR/2020 keine Zustimmung zu erteilen.

Wer dem Ausschussantrag zustimmt, den ersuche ich um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. (Bundesrat Steiner: Wahnsinn! – Bundesrätin Schartel: Trau­rig, traurig!) Der Antrag auf Nichtannahme des gegenständlichen Entschließungsantra­ges ist somit angenommen. (Bundesrat Steiner: Schutz der Tierquäler!)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte MMag. Dr. Michael Schilchegger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „abschreckende Sanktionen in schweren Fällen absichtlicher Tierquälerei und Tierfolter“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Ein Wahnsinn! Nur mehr traurig!) Der Antrag auf Fassung der gegenständ­lichen Entschließung ist somit abgelehnt.

15.37.324. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Verbot des betäubungslosen Schächtens (285/A(E)-BR/2020 sowie 10539/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Ich bitte um den Be­richt.


15.37.49


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 109

Berichterstatterin Andrea Michaela Schartel: Frau Präsidentin! Meine werten Kolle­gen! Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Entschließungsan­trag der Bundesräte Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Verbot des betäubungslosen Schächtens (285/A(E)-BR/2020) zur Kenntnis.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung am 26. Jänner 2021 mit Stimmenmehr­heit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Antrag 285/A(E)-BR/2020 keine Zustimmung erteilen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses.


15.38.49

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wichtig ist Ihnen Tierschutz? Man könnte meinen, diese Frage stellt sich seit dem vorhergegangenen Tagesordnungspunkt wohl nicht mehr wirklich. Bei diesem Tagesordnungspunkt aber stellt sie sich seit der Entscheidung des Europäi­schen Gerichtshofes vom 20. Dezember zum umstrittenen Thema des Schächtens viel mehr.

Mit dem Urteil des EuGH, des Europäischen Gerichtshofes, wird es jetzt den EU-Staaten auf nationaler Ebene ermöglicht, vorzuschreiben, dass Tiere nur noch geschlachtet, ge­tötet werden können, wenn sie vorher betäubt werden. Diese Regelung, diese Entschei­dung des Europäischen Gerichtshofes gilt also auch für das rituelle Schlachten: Tiere müssen vor dem Schächten, vor dem Tötungsvorgang betäubt werden.

Das war eine schwierige Entscheidung. Der EuGH musste zwischen zwei Rechtsgütern entscheiden: zwischen der Religionsfreiheit nach Artikel 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf der einen Seite und Artikel 13 AEUV – Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – betreffend Tierrechte, Tierschutz, Wohlergehen der Tiere auf der anderen Seite.

Es war ein langer, langer Entscheidungsprozess, der von einer Klage aus Belgien aus­gegangen ist. Dieser Prozess hat über drei Jahre gedauert, aber letztendlich hat der EuGH dann eine Entscheidung getroffen: Er hat sich für den Tierschutz entschieden.

Insgesamt erachtete der EuGH die belgische Regelung als verhältnismäßig und begrün­dete dies mit drei Erwägungen: Zum einen wurden wissenschaftliche Untersuchungen herangezogen, um mit dem modernsten Tötungsverfahren zu arbeiten, zum Zweiten hat – was man leider heute hier nicht gesehen hat – die Sensibilisierung für Tierschutz in der Gesellschaft generell zugenommen; und zum Dritten lässt Belgien tierische Pro­dukte aus anderen Ländern, die von rituell geschlachteten Tieren stammen, zu.

Darüber hinaus, und das ist ganz wichtig, werden durch diese Regelung laut dem EuGH die Gläubigen nicht diskriminiert oder irgendwie ungleich behandelt. Selbstverständlich kann die Religionsfreiheit nach wie vor ausgeübt werden. Man will auch das rituelle Schlachten nicht verbieten, wenngleich dafür andere Regeln gelten: Die Tiere müssen vorher betäubt werden.

Österreich kann diese Chance nutzen, unnötiges Leid der Tiere zu vermeiden, und wir können jetzt mit dem Beschluss dieses Antrags unter Beweis stellen, dass auch wir in Österreich für die Einführung einer Regelung sind, dass die Tiere vor der Schlachtung betäubt werden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 110

Es gibt ja einen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass die vorherige Betäubung als bestes Mittel anzusehen ist, um das Leiden des Tieres zum Zeitpunkt seines Todes zu verringern, denn der Tötungsvorgang an sich führt für die Tiere, auch wenn man die besten technischen Mittel verwendet, zu Schmerzen, zu Stress, zu Angst und anderen Formen des Leidens – und beim Schächten ist das noch einmal verschärft, weil es eben ohne Narkose, ohne Betäubung durchgeführt wird.

Sie müssen sich das vorstellen: Man setzt beim Kehlkopf an, führt den Schnitt weiter bis zur Speiseröhre durch, bis man dann zur Halsschlagader kommt. Die Tiere erleiden wäh­rend des Tötungsvorgangs, während sie verenden müssen, höllische Schmerzen, bis sie restlos ausgeblutet sind. Das ist nicht notwendig! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Art von Schächten ist barbarisch, diese Art von Schächten ist bestialisch! Die Tiere erleiden Höllenqualen. Stellen wir uns nur den Stress vor, den die Tiere allein beim Fixie­ren erleiden – das geschieht mit speziellen Geräten, damit sie danach ausbluten kön­nen –; allein das Fixieren bedeutet unnötigen Stress für die Tiere.

Sie erleiden größte Schmerzen! Das muss man sich vorstellen: Setzt euch einmal das Messer an und schneidet durch! Warum macht man das bei einem Mitgeschöpf, bei ei­nem Tier? Warum muss man einem Tier unnötiges Leid zufügen? (Beifall bei der FPÖ.)

Und das alles geschieht ohne Narkose, bei vollem Bewusstsein dieses Geschöpfes! Da entstehen dann Bilder wie diese hier (einen Ausdruck in die Höhe haltend), auf denen man sieht – Sie können gern alle herschauen! –, wie die Tiere leiden müssen.

Schade ist, dass die ÖVP und die Grünen leider – und ich bedaure das sehr – im Aus­schuss diesem Antrag nicht zugestimmt haben. Die Argumentation, warum sie dem An­trag nicht zustimmen, ist für mich ein bissel fragwürdig, ein bissel halbseiden gewesen, aber das Argument, mit dem der ÖVP-Bundesrat Preineder im Ausschuss die Ablehnung begründet hat, ist völlig daneben gewesen. Er hat gegen ein Verbot des Schächtens dahin gehend argumentiert, dass das Schächten einen Wirtschaftsfaktor darstelle.

Ich habe zuerst geglaubt, ich verstehe nicht richtig, und habe noch einmal nachgefragt. Ich fragte: Herr Kollege, was meinen Sie damit? Was hat das Schächten damit zu tun? – Darauf wurde mir zur Antwort gegeben: Wenn wir in Österreich nicht mehr schächten, muss koscheres Fleisch eben importiert werden! – Das ist eine Farce von der ÖVP, von Herrn Kollegen Preineder, dass er den Tierschutz hinter dem schnöden Mammon stellt. Es ist so typisch: nur Geld, Geld, Geld!, und das Dollarzeichen in den Augen – und wie es den Tieren geht, ist euch völlig wurscht. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber auch das Argument der Grünen, warum sie dagegenstimmen und somit das Tier­leid verlängern, ist eher fadenscheinig: In Dialog treten, hat es geheißen. – Na, no na net! Ich bin auch mit den Religionsgemeinschaften im Dialog – ihr könnt euch meinen E-Mail-Verkehr anschauen; also das habe ich gemacht –, und als freiheitliche Tierschutz­sprecherin, aber vor allem als Tierliebhaberin ist es mir ein Rätsel, wie es sein kann, dass man in einer säkularen und aufgeklärten Gesellschaft wie der unsrigen dieses mit­telalterliche, rituelle, leidvolle Töten von Tieren überhaupt noch diskutieren muss. Warum kann man das nicht schon a priori verbieten?

In den Landesverfassungen steht es ja teilweise, dass Tiere Mitgeschöpfe sind. Einige Bundesländer, wie zum Beispiel Salzburg, haben das ja schon in die Landesverfassung aufgenommen. Sie können heute unter Beweis stellen, wie wichtig Ihnen der Tierschutz tatsächlich ist, und Sie können diesem Antrag zustimmen und das Tierleid beenden. All jene, die so wie ich das Tierschutzvolksbegehren unterschrieben haben, können heute Nägel mit Köpfen machen – denn nur einfach aufs Gemeindeamt zu gehen, ein Tier­schutzvolksbegehren zu unterschreiben oder zu unterstützen und dann nichts mehr da­zuzutun, das ist nicht in Ordnung.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 111

Sie können heute unter Beweis stellen, wie wichtig Ihnen der Tierschutz ist. Tierschutz muss über die Parteigrenzen hinweg ein Anliegen sein. Da geht es nicht um den schnö­den Mammon, liebe ÖVP, da geht es nicht ums Geld, sondern da geht es um Mitge­schöpfe, da geht es um Tiere, da geht es darum, dass man den Tieren diese unnötigen Qualen erspart. Darum: Gebt eurem Herzen für den Tierschutz einen Ruck und stimmt diesem Antrag zu! (Beifall bei der FPÖ.)

15.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Martin Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.47.55

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Wir haben ein Thema, das sich in einem großen Spannungsfeld bewegt: zwischen der Religionsfreiheit auf der einen Seite und dem Tierwohl auf der anderen Seite. Die Religionsfreiheit ist im Staats­grundgesetz verankert und das Tierwohl beziehungsweise der Tierschutz seit 2013 auch im Bundes-Verfassungsgesetz.

Geschätzte Damen und Herren und vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei! Ich gehe davon aus, dass die Antragsteller nicht die Religionsfrei­heit unserer Mitbürger einschränken wollen. Ich gehe davon aus, dass es Ihnen um ein echtes Bemühen um einen verstärkten Tierschutz geht. (Bundesrat Steiner: Ja! – Bun­desrätin Steiner-Wieser: Ja, klar!)

Frau Kollegin Lancaster hat auch darauf hingewiesen, dass das Tierschutzvolksbegeh­ren momentan läuft (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, am 25.1. war die letzte Eintra­gung! – Bundesrat Steiner: Das ist schon erledigt!)  die Eintragung, ja –, und aus der Perspektive eines aktiven Bauern empfinde ich das auch als sehr gut, wenn wir uns stärker in Richtung Tierschutz entwickeln. Ich fordere und wünsche mir aber von der Gesellschaft mehr, und ich finde, dass es zu wenig ist – das haben Sie, Kollegin Steiner-Wieser, auch gesagt –, eine Unterschrift zu leisten und sich dann mit diesem Thema nicht zu beschäftigen.

Wir als österreichische Landwirtschaft sind bereit zu mehr Tierschutz, die Frau Bundes­ministerin hat ein Tierwohlgesetz auf den Weg gebracht. Wir sind bereit, mehr Tierwohl zu produzieren, allerdings erwarten wir dann auch von den Konsumenten, dass diese Produkte auch gekauft werden.

Österreich hat eines der strengsten, eines der besten Tierschutzgesetze, das interna­tional hohe Anerkennung genießt – wir waren und sind in diesem Bereich ein wichtiges Vorreiterland –, und ich darf dafür einige Beispiele bringen: Wir haben ab 2008 als eines der ersten Länder die Käfighaltung für Legehennen in Österreich – in Europa ab 2015 – verboten, mit dem Ergebnis, dass Käfighaltung für Legehennen bei uns nicht mehr mög­lich war, obwohl diese Käfige besser waren als in anderen Ländern. Darauf möchte ich hinweisen. (Bundesrat Steiner: ... Argument wieder ...!) Was ist passiert?  Die Produk­tion von Eiern in Österreich ist von einer 85 Prozent der Inlandsversorgung auf 60 Pro­zent zurückgegangen, das heißt, wir haben das Problem exportiert und die Produkte importiert. (Bundesrat Steiner: Das ist ja nicht zu vergleichen!)

Die gleiche Situation haben wir bei der Putenproduktion: Wir haben im Stall die Fläche pro Pute vergrößert, um ein höheres Tierwohl zu erreichen und den Tieren mehr Platz, mehr Raum, mehr Entfaltungsmöglichkeit zu geben. Ergebnis: Die Inlandsproduktion ist gesunken, der Import gestiegen; wir haben das Problem exportiert, die Produkte impor­tiert. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir haben ein strengeres Pflanzenschutzmittelgesetz mit dem Ziel, Insekten und Bie­nen zu schützen, auf den Weg gebracht. – Sehr gut. Tatsache ist, dass die Zahl der


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 112

Bienenvölker von 2000 bis 2019 um 7 Prozent und die der Imker um 18 Prozent gestie­gen ist, vice versa dafür die Rübenfläche von 50 000 Hektar auf 26 000 Hektar gesunken ist, eine Zuckerfabrik in Gefahr war und wir europaweit mittlerweile 15 Prozent unseres Zuckerbedarfes importieren müssen! Bedenken Sie das bitte auch vor dem Hintergrund einer Pandemie!

Geschätzte Damen und Herren! Österreich hat das Schächten sehr achtsam geregelt, sodass bei einer Schlachtung oder bei einer Schächtung zeitgleich eine Betäubung statt­findet, unter Aufsicht eines Tierarztes und in einer behördlich genehmigten Schlachtein­richtung. Mehr lässt sich da fast nicht mehr tun. Wenn wir wieder entsprechend eingrei­fen, wenn wir das Schächten in Österreich verbieten, dann ist es wieder genau so, dass wir ein Problem exportieren und ein Produkt importieren. Wir verlagern dann das Schächten nach Belgien, nach Dänemark, nach Ungarn, nach Tschechien und in die Slowakei. (Beifall bei der ÖVP.)

Ob das mehr Tierwohl brächte (Bundesrat Steiner: Sinnerfassend lesen! Sie haben den Inhalt nicht verstanden!), frage ich hier in den Raum?! Es wäre aber damit verbunden, dass Arbeitsplätze in Österreich verloren gingen. In meiner Region, in Baden, befindet sich ein Betrieb, der vom Schächten leben kann. Diese Arbeitsplätze wären gefährdet – es geht da nicht nur um einen Randbereich. Wir reden von 10 Prozent der tierischen Produktion in Österreich, bei der die Tiere durch Schächten geschlachtet werden.

Ich versuche nur, da ein bisschen abzuwägen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, versuchen Sie doch, auch die Landwirtschaft und die Bauern zu verstehen! Es nützt nichts, wenn wir Probleme exportieren und agrarische Produkte im­portieren. Es geht um die Interessen der Landwirtschaft, und es wäre auch gut, wenn Sie sich dafür wieder stärker einsetzen. (Bundesrat Steiner: So ein ...! Du hast den An­trag nicht verstanden, Herr Kollege!) Sie haben sich einmal sehr stark für die Landwirt­schaft eingesetzt, das kann ich momentan nicht mehr sehen.

Ich danke vor allem allen Interessenvertretern, die uns da immer wieder unterstützen, und gratuliere den Kollegen in der Steiermark und in Oberösterreich, die die Landwirt­schaftskammerwahlen durchgeführt haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich darf Sie auch einladen, sich wieder stärker einzubringen! In meinem Heimatbezirk ist der Bun­desagrarsprecher der Freiheitlichen Partei am 1. März vergangenen Jahres als Kam­merrat gewählt worden. Er und seine beiden Kollegen waren bei den ersten zwei Sitzun­gen noch nicht anwesend und sind immer noch nicht angelobt. Sich wählen zu lassen und dann nicht mitzuarbeiten, das ist auch keine Interessenvertretung unserer Bauern.

Ich bitte Sie also, liebe Politiker, sich stärker für die Bauern und nicht gegen die Bauern einzusetzen. Somit werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.54


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Frau Bundesrätin, ich erteile Ihnen dieses.


15.54.39

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zu­seher! Das religiöse Schächten ist in Österreich bereits sehr stark reguliert und darf tat­sächlich nur unter sehr strengen Auflagen stattfinden. Rituelle Schächtungen sind eine mehr als sensible Materie im Spannungsfeld zwischen der Freiheit der Religionsaus­übung und dem Tierschutz.

In der EuGH-Entscheidung, die dem heutigen Antrag der FPÖ wohl zugrunde liegt – ich möchte da keine anderen möglichen Motive unterstellen –, heißt es, dass eine Vorschrift


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 113

zur Betäubung der Tiere zwar die Ausübung der Religionsfreiheit einschränke, dies aber mit dem Verweis auf den Tierschutz verhältnismäßig sei. (Bundesrätin Steiner-Wie­ser: ... EuGH!) Konkret sieht das Gericht das flämische Schächtverbot als ein angemes­senes Gleichgewicht zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit. Auch beziehe sich die Einschränkung nur auf einen Aspekt der rituellen Handlung und verbiete nicht die Schlachtung insgesamt.

Kollege Preineder hat es schon angesprochen: Das flämische Dekret erlaubt aber, rituell geschlachtetes Fleisch zu importieren und auch vor Ort zu verkaufen. Was bedeutet das jetzt? – Das bedeutet, wie der Kollege schon angesprochen hat, dass mitunter wahr­scheinlich unter schlechteren und weniger strengen Bedingungen geschächtetes Fleisch importiert wird.

Noch einmal: In Österreich ist die rituelle Schlachtung sehr streng geregelt, eben mit dem Ziel, einen Kompromiss zwischen der Freiheit der Religionsausübung und dem Tier­schutz herzustellen. So gibt es Ausnahmebestimmungen für den genauen Ablauf der Schlachtung. Ich möchte mich ein drittes Mal wiederholen: Das ist äußerst streng gere­gelt. Ich wollte prinzipiell nicht näher ausführen, wie das abläuft, ich möchte aber unbe­dingt Kollegin Steiner-Wieser, die, soweit ich das verstanden habe, gesagt hat, dass diese Schlachtung ohne Betäubung stattfindet, entgegenhalten: Das ist nicht richtig!

Ich möchte daher ein Detail herausgreifen, wie so eine Schlachtung abläuft. Es werden unter tierärztlicher Aufsicht die großen Blutgefäße im Halsbereich mit einem Schnitt ge­öffnet, und sofort danach – unmittelbar – erfolgt wirksam die Betäubung. Es ist nicht so, dass das Tier dann noch einen größeren Kampf auszustehen hat, sondern es stirbt so­fort. Das wurde hier falsch gesagt, und ich glaube, es ist wichtig, das zu erwähnen.

Ich halte es aber in Anbetracht des EuGH-Urteils vom Dezember für durchaus wichtig, dass nun in Ruhe mit den betroffenen Religionsgemeinschaften und mit VertreterInnen des Tierschutzes sowie ExpertInnen aus der Veterinärmedizin gesprochen wird. Ich hal­te überhaupt nichts von Schnellschüssen ohne Einbeziehung der betroffenen Religions­gemeinschaften. (Bundesrat Spanring: Schnellschüsse, nach 20 Jahren Diskussion! Ja, das ist Grün! Unfassbar!)

Ganz zum Schluss möchte ich noch etwas sehr Persönliches hinzufügen: Der Verzicht auf Fleisch trägt am meisten zum Tierschutz bei. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

15.58


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrätin Steiner-Wieser hebt die Hand.) – Ich darf aber darauf hinweisen: Um 16 Uhr werden Sie unterbrochen. – Bitte.


15.58.45

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bin entsetzt. Anscheinend dürften ÖVP und Grüne nicht verstanden haben, worum es in dem Antrag geht. Es geht darum, Tierleid zu vermeiden!

Es ist mir schon klar, dass es laut § 32 des Tierschutzgesetzes eine Möglichkeit gibt, dass man Tiere im Nachhinein betäubt. Im Nachhinein! Warum müssen Tiere im Vorhi­nein Schmerzen, Stress und Angst erleiden? Warum? Kann mir das ein Mensch erklä­ren? Das ist unzeitgemäß für das 21. Jahrhundert, es ist absolut inakzeptabel, dass man solche Methoden noch anwenden muss! Im Fachjargon heißt das Post-Cut-Stunning, und dieses Post-Cut-Stunning ist so etwas von daneben, was den Tierschutz anlangt, dass es ärger nicht mehr geht. Nicht umsonst gibt es genügend Unterschriftenaktionen, nämlich auch von Tierärzten. Die jüngste, die mir vorliegt, ist von Norbert Hess, Tierarzt in Niederösterreich, der mittlerweile schon 37 000 Unterschriften gesammelt hat.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 114

Er sagt, es ist entsetzlich, er war als Tierarzt bei genügend Schächtungen dabei, und es ist absolut barbarisch, was sich da abspielt. Wenn das also ein Tierarzt, der dabei ge­wesen ist, sagt, dann wird man diesem wohl Glauben schenken können. Es ist aber vordergründig, und Kollege Preineder hat es ja noch einmal wiederholt, es zählt nur Geld, Geld, Geld. Ihr stellt den schnöden Mammon vor den Tierschutz, und das finde ich traurig und elendig. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.00


16.00.23

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich unterbreche nun die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler, der wohl in Kürze eintreffen wird.

Ich darf an dieser Stelle den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Herrn Dr. Faßmann, begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, FPÖ und Grünen.)

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Christoph Steiner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. (Bundesrat Steiner: Ohne Kanzler? Wo ist der Kanzler? Das ist schwierig!) Es ist 16 Uhr. (Bundesrat Seeber: Machen wir die Abstimmung zuerst!)

Wenn das für die Fraktionen in Ordnung geht, führen wir noch die Abstimmung des letz­ten Tagesordnungspunktes durch. Die Plätze sind eingenommen, wie ich sehe.

Wir kommen also zur Abstimmung.

Der Antrag des Gesundheitsausschusses des Bundesrates lautet, dem Entschließungs­antrag 285/A(E)‑BR/2020 keine Zustimmung zu erteilen.

Wer dem Ausschussantrag zustimmt, den ersuche ich um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des gegenständlichen Entschlie­ßungsantrages ist somit angenommen.

Nun warten wir noch auf das Eintreffen des Herrn Bundeskanzlers, der jede Sekunde kommen sollte. (Bundesrätin Schumann: Machen wir eine Unterbrechung!) – Ich hoffe, eine Unterbrechung der Sitzung wird nicht notwendig sein. (Bundeskanzler Kurz betritt den Saal.)

16.03.11Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­deskanzler betreffend „Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu?“ (3825/J-BR/2021)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir kommen nun zur Verhandlung der Dringli­chen Anfrage und ich darf an dieser Stelle den Herrn Bundeskanzler im Bundesrat herz­lich begrüßen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich darf nun Herrn Bundesrat Steiner um seine Begründung bitten.


16.03.29

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Kollegen Bundesräte! Herr Kanzler! Herr Bildungsminister! Herr Kanzler, herzlich willkommen im Bundesrat! Es freut mich wirklich ungemein, dass Sie den Weg hierher gefunden haben – etwas


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 115

verspätet, aber trotzdem. Sie haben den Weg in den Bundesrat gefunden, obwohl Sie mit der Verfassung und ein wenig mit dem Zweikammersystem in Österreich Ihr Problem haben.

Wir als FPÖ laden Sie aber natürlich gerne zu einer Dringlichen Anfrage zu uns in die Länderkammer. Und wer weiß, Herr Kanzler, vielleicht sollten wir das in Zukunft viel öfter machen, um Ihrer Erinnerung in Sachen Länderkammer immer wieder ein wenig auf die Sprünge zu helfen. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist nämlich wirklich eine Schande, wie spe­ziell Sie, Herr Kanzler, aber auch die ÖVP derzeit mit der Länderkammer umgeht. In Sonntagsreden predigt die ÖVP den geliebten Föderalismus und strapaziert ihn täglich aufs Höchste, nun aber ist sie jene Partei, die den Föderalismus mit Füßen tritt, denn immer wieder wird von dieser Regierung versucht, den Bundesrat zu overrulen und zu überrumpeln. Doch das hat nun endgültig ein Ende. Wir werden Sie, Herr Kanzler, wie­der lehren, wie man mit dem österreichischen Parlamentarismus umzugehen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich bezahlt derzeit einen sehr hohen Preis für seine Regierung. Vergessen Sie aber eines nicht, Herr Kanzler, wir Österreicher müssen auch nach Ihrer Regentschaft noch in diesem Land leben! Deshalb werden Sie sich ganz einfach in Zukunft öfter für Ihre Entscheidungen, die Sie treffen, hier im Bundesrat erklären müssen. Wir als FPÖ-Fraktion geben Ihnen diese Gelegenheit natürlich sehr gerne. Heute beginnen wir mit einer Anfrage in Sachen Bildungseinrichtungen.

Ich möchte mich aber noch ganz herzlich bei Bundesminister Faßmann bedanken, dass er auch zur Debatte über diese Dringliche Anfrage gekommen ist. Das zeigt eine wahre Wertschätzung der Länderkammer. (Beifall bei der FPÖ.)

Herrn Bundesminister Faßmann sowie auch unzähligen Medienberichten und Aussagen Ihrerseits, Herr Kanzler, zufolge sind die Schulschließungen ja mittlerweile zur Chefsa­che geworden. Natürlich müssen wir dann den Chef dazu befragen und nicht jenen Mi­nister, der zwar laut Bundesministeriengesetz dafür zuständig wäre, aber de facto weder eine Antwort geben noch eine Entscheidung ohne Sie, Herr Kanzler, treffen kann. Ein altes Sprichwort besagt – wir kennen es alle –: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. – Somit mussten wir natürlich Sie, Herr Kanzler, zu uns in den Bundesrat laden. (Bundes­rat Seeber: Geh, bremst euch doch ein!)

Seit 23. Dezember sind unsere Schulen – mit einer kurzen Öffnungsphase – de facto geschlossen und werden es wohl, wenn es nach Ihrem Kopf geht, Herr Kanzler, weiter­hin bleiben. Nicht nur wir drängen auf Schulöffnungen, nein, eine ganze Reihe von nam­haften Experten spricht sich seit Wochen und Monaten für eine Öffnung unserer Schulen aus. Deshalb fordern wir ganz klar, Herr Kanzler: Öffnen Sie unsere Bildungseinrichtun­gen! (Beifall bei der FPÖ.)

Mittlerweile gibt es unzählige Studien und Fachmeinungen, die eine Öffnung ganz klar befürworten und eben auch auf die Auswirkungen für Kinder, Eltern, Lehrer, für die Wirt­schaft und auf die Zukunftsperspektiven eingehen. Die Bildungspsychologin Christiane Spiel erhob in einer Studie das erschreckende Ergebnis Ihrer Schulschließungen: Viele hätten die Lernfreude verloren, seien verzweifelt und machen sich ernste Sorgen um ihre Zukunft.

Spätestens jetzt, Herr Kanzler, müssten bei Ihnen alle Alarmglocken schrillen. Herr Kanzler, wenn zehnjährige Kinder sich Sorgen um ihre Zukunft machen müssen, dann stimmt in diesem Land etwas ganz gewaltig nicht. Kinder sollten unbeschwert und mit so viel Bildung wie nur möglich aufwachsen dürfen. Kinder müssen unbeschwert mit Freunden spielen, Freunde treffen können, um eine möglichst glückliche Kindheit erle­ben zu können. Wo, Herr Kanzler, haben Sie uns hingeführt? Herr Kanzler, in welche Zukunft führen Sie unsere Kinder gerade? Sie verantworten nun Kinder, die sich mit zehn Jahren Sorgen um ihre Zukunft machen müssen. Ja, sagen Sie einmal, geht’s noch?!


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 116

Die zehnjährige Sophie aus Kärnten – wir haben es hoffentlich alle gelesen –, appelliert mit zehn Jahren in einer Tageszeitung: „Wir brauchen Bildung!“ – Und recht hat sie mit ihren zehn Jahren! Deshalb können wir als FPÖ nicht länger zuschauen und werden auch nicht länger zulassen, dass die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen ein weite­res Opfer dieses selbstherrlichen Kanzlers und seines Egotrips werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb gilt nur eines und deshalb kann es nur eine Forderung geben: Sperren Sie un­sere Bildungseinrichtungen wieder auf, Herr Kanzler!

Ich muss mich bei diesem Thema wirklich fragen, wo unser Bundespräsident die ganze Zeit ist. Wenn es um Flüchtlinge geht oder wenn es darum geht, auf die FPÖ zu schimp­fen, ist er sofort zur Stelle, geht es aber um die Zukunft, geht es um die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen, findet dieser Greis aus seinem Raucherkammerl nicht heraus, um nur ein einziges Mal ein vernünftiges Wort zu verlieren – eigentlich bezeichnend für einen Grünen.

Apropos Grüne – schauen Sie einmal auf und nicht aufs Handy, Herr Kollege Schreu­der! –: „Wen würde der Anstand wählen?“ – Na wo ist denn euer Anstand gegenüber unseren Eltern, unseren Kindern und unseren Jugendlichen, gegenüber unseren Leh­rern? (Bundesrat Seeber: Jaaa, jaaa!) Wo habt ihr euren Anstand, liebe Grüne? Schämt euch in Grund und Boden für eure türkise Politik! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Aufgrund dieser Politik kam eine Studie von Herrn Professor Wieland Kiess auf Folgen­des: Jedes fünfte Kind sagt sogar, es werde nie wieder so sein, wie es vor der Krise war.

Ich darf den Direktor der Leipziger Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin ein weiteres Mal zitieren, der in seiner Studie sagt, Herr Kanzler: Wenn Sie unseren Kindern schaden wollen, dann sind Schulschließungen sehr effektiv.

Auch nach der Covid-19-Clusteranalyse der Ages vom 16.12. – also relativ neu – gibt es nur einen Schluss: Schulen auf, Herr Kanzler! Es gab in den Daten keine Anzeichen dafür, dass Bildungseinrichtungen Coronahotspots sind. Diese Analyse kommt auch zum Schluss, dass der Lockdown an den Zahlen nichts geändert hat. Die schreiben in ihrer Studie: Wir sind mit der Inzidenz in der Kalenderwoche 50 bei den unter 90-Jäh­rigen dort, wo wir in der Kalenderwoche 42 waren, als die Schulen noch für alle geöffnet hatten. Auch Untersuchungen in England und Schottland haben ergeben, dass Schul­schließungen keinen Unterschied im Infektionsgeschehen gemacht haben.

Derzeit – und das muss man sich einmal vorstellen – sind 50 Prozent aller schulpflichti­gen Kinder täglich in unseren Schulen. Na warum wird das denn wohl so sein, Herr Kanzler? – Ja, weil die Eltern schlichtweg nicht mehr anders können! Eltern und Schüler sind an ihrer psychischen und physischen Belastungsgrenze!

Im Ö1-Journal gestern Morgen – ich hoffe, Sie haben es auch gehört – sagte Paul Plener vom AKH Wien, sie müssen die Kinder derzeit quasi triagieren, weil die Abteilung über­füllt ist. Sie haben in der kinderpsychiatrischen Einrichtung keinen Platz mehr, um acht- bis zwölfjährige Kinder stationär aufzunehmen. Was richten Sie, Herr Kanzler, da gerade an? (Beifall bei FPÖ.)

Wir werden mit Nachrichten überhäuft, die uns Eltern, aber auch Kinder schreiben und in denen sie ihre Verzweiflung schildern. Mir braucht hier niemand von der ÖVP und den Grünen zu erzählen, dass Sie nicht auch solche Nachrichten mit verzweifelten Hilferufen bekommen. Kinder sowie auch Eltern können einfach nicht mehr, sie sind fertig, sie sind mit ihren Nerven am Ende.

Herr Kanzler, erklären Sie uns allen einmal, wie lange eine alleinerziehende Mutter Haushalt, Arbeit, Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder noch schaukeln muss!


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 117

(Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Wie lange wollen Sie persönlich unseren Eltern und Kindern diesen Zustand noch zumuten?

Studien aus Frankreich belegen ganz klar, dass im Frühjahrslockdown die Gewalt an Kindern um über 50 Prozent gestiegen ist. Die Kinder in den Psychiatrien werden immer mehr und mehr, und dafür muss es doch einen Grund geben! Das kann es doch nicht sein! Herr Kanzler, was ist denn mit Ihnen los? (Beifall bei der FPÖ.)

Tausende Kinderseelen in Österreich weinen, und Sie lässt das völlig kalt – Hauptsache, die PR-Maschinerie läuft. Unglaublich, Herr Kanzler – so viel Empathielosigkeit, so viel Herzlosigkeit habe ich wirklich noch selten erlebt. Ich frage mich wirklich: Wie kann ein Mensch nur so werden? Wo ist Ihr Gewissen, Herr Kurz? Sperren Sie unsere Schulen und unsere Bildungseinrichtungen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

Bildung ist der Schlüssel, Bildung ist die Startrampe für ein gelungenes Leben. Sie, Herr Kurz, haben diese Rampe für Generationen mit vollem Vorsatz zerstört. Nur ein einziges verlorenes Schuljahr kann später zu Einkommenseinbußen von 7 bis 10 Prozent führen. Das bedeutet pro Monat Schullockdown einen jährlichen Einkommensverlust von 100 bis 200 Euro – pro betroffenem Schüler. Es ist ein Wahnsinn, was Sie gerade mit der Zukunft unserer Kinder aufführen.

Auch die Kosten für unser Gesundheitssystem werden steigen, denn jeder Tag ohne Bewegung kostet unserem Gesundheitssystem langfristig mehr. Ob das unserem Cha­os-Rudi im Gesundheitsministerium bewusst ist, darf allerdings bezweifelt werden, noch dazu mit diesem Sportminister, den die Republik derzeit ertragen muss.

Herr Minister Faßmann, Sie tun mir ja fast schon leid. Jetzt muss man sich einmal vor­stellen: Man ist der Experte in Sachen Bildung, und dann muss man sich jedes Mal von einem Studienabbrecher alles anschaffen und diktieren lassen. (Bundesrat Seeber: Jetzt hör doch einmal auf! Was bist denn du? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Faßmann, ich würde an Ihrer Stelle besser heute als morgen den Hut nehmen.

Jetzt haben Sie es sogar mit einer eigenen Studie versucht, die klar zum Ergebnis kam, dass Ansteckungen in Schulen weit unter jenen in allen anderen Bereichen liegen – nichts hat es genützt, denn unser Sonnenkönig wusste es wieder einmal besser und die Schulen bleiben zu. (Bundesrat Seeber: Das ist ja primitiv!) Jetzt versucht Herr Faß­mann verzweifelt, mit seinem Nachhilfeplan noch zu retten, was zu retten ist, allerdings wird es nicht mehr viel zu retten geben, wenn Sie, Herr Kanzler, nicht sofort die Schulen wieder aufsperren. (Beifall bei der FPÖ.)

Auch die Studie des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten kommt zum selben Ergebnis wie Ihre Studie, Herr Faßmann: Ein schwerer Krankheitsverlauf bei Kindern ist selten. Ansteckungen und Übertragungsgefahr bei Kindern sind äußerst selten. Die Schulen sind selten bis nie Hotspots. – Somit kommt auch diese Studie zum Schluss: Nach Abwägung aller Folgen für Kinder, Eltern und Ge­sellschaft können Schulschließungen nur im äußersten Notfall überhaupt infrage kom­men.

Mit dem Wissen aus all diesen Studien muss ich fast glauben, dass Sie an einer Art Realitätsverweigerung leiden, Herr Kanzler, denn anders kann ich mir Ihre Starrköpfig­keit in Bezug auf die Schulöffnungen, wider alle Expertenmeinungen und Studien, nicht erklären – außer, Herr Kanzler, Sie besitzen Informationen, die Sie den Österreichern bewusst vorenthalten und die eine weitere, längere Schulschließung rechtfertigen wür­den. Wenn ja, dann bitte ich Sie um eine Antwort, Sie haben heute hier die Gelegenheit dazu. Wenn nicht, Herr Kanzler, dann gibt es nur eines: Sperren Sie unsere Bildungsein­richtungen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 118

Sie brauchen mir jetzt aber auch nicht mit der neuen britischen Virusvariante B.1.1.7 daherzukommen oder damit, dass Kinder und Jugendliche vermehrt an dieser Variante erkranken würden, denn das hat die britische Gesundheitsbehörde schon widerlegt.

Viele Hoffnungen auf eine baldige Öffnung der Schulen mache ich mir bei dieser Regie­rung allerdings nicht, denn bei dem Chaos, das die handelnden Personen in allen Be­reichen hinterlassen, habe zumindest ich kein Vertrauen mehr. Ich denke nur an das Maskenchaos im März: Zuerst hieß es, Masken sind sinnlos, nützen nichts, dann musste man die Stoffmasken tragen – bis Sonntag waren diese Masken noch Lebensretter. Seit Montag wissen wir: Wir haben mit diesen Masken nichts gerettet. Wer soll Ihnen noch glauben, Herr Kanzler? Ihre unzähligen Coronamärchen und Angstgeschichten brechen mittlerweile wie ein billiges Kartenhaus in sich zusammen. (Bundesrat Seeber: Ihr lebt in einer Blase! – Bundesrat Ofner: ... Südtirol!) Hören Sie auf damit, Herr Kanzler, in der Bevölkerung Sündenböcke für Ihre eigene verkorkste Politik zu suchen!

Über den grünen Chaos-Rudi will ich erst gar nicht zu reden anfangen (Bundesrat See­ber: Ist eh besser, interessiert eh keinen!) – dieser wird in einer österreichischen Tages­zeitung als „politischer Totalschaden“ bezeichnet, und dieser Bezeichnung stimme ich zu 100 Prozent zu. (Beifall bei der FPÖ.)

Eines noch zum Abschluss, Herr Kurz: Ich habe meiner 90-jährigen Oma versprochen, Ihnen etwas auszurichten, und da ich ein braver Enkel bin, nütze ich die Gelegenheit und mache das natürlich. Ich soll Ihnen Folgendes mitgeben: Es ist nicht jeder für alles geeignet! So sind Sie, Herr Kanzler, nicht dafür geeignet, über unsere Schulen zu be­stimmen. Sperren Sie also unsere Schulen wieder auf! (Beifall bei der FPÖ.)

16.20


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundes­kanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler.


16.20.26

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Lieber Heinz Faßmann! Na ja, wo fängt man da an? (Ruf bei der FPÖ: Bei der Wahrheit! – Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich versuche, obwohl ich Lust dazu hätte, jetzt das eine oder andere loszuwerden (Bundesrat Steiner: Lass es raus!), trotzdem möglichst differenziert zu bleiben.

Ich würde vielleicht gerne bei dem Punkt beginnen, den Sie, Herr Bundesrat, ja unter anderem angesprochen haben, nämlich der Einladung an mich, Informationen zu teilen, die ich vielleicht habe, die aber die Bevölkerung nicht hat. Dieser Einladung komme ich gerne nach. Ob die Bevölkerung diese Informationen nicht hat, weiß ich nicht (Bundesrat Steiner: Das solltest aber wissen!), aber wenn ich Ihnen so zuhöre, dann habe ich das Gefühl, Sie haben so manche Information nicht oder sie ist nicht ganz zu Ihnen durchge­drungen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Insofern versuche ich, ein paar Informationen mit Ihnen zu teilen, die vielleicht einen ein bisschen differenzierteren Blick auf die Dinge zulassen, als Sie das in Ihrer Rede dar­gestellt haben, und die vielleicht dazu anregen, dass man sich bewusst wird, dass wir einfach in einer Zeit leben, in der es nicht einfach ist, den richtigen Weg im Abwägen aller Interessen, die man einfach miteinander in Einklang bringen muss, zu finden – Inter­essen wie eine gute Bildung, eine funktionierende Wirtschaft, aber auf der anderen Seite auch jene, dass Intensivstationen nicht überlastet werden und dass eine medizinische Behandlung für alle in unserem Land zur Verfügung steht, die eine brauchen.

Wir befinden uns in einer Pandemie – dieses Wort ist in Ihrer Rede nicht vorgekommen, Herr Bundesrat –, und wir sind in dieser Situation nicht alleine: Wir haben eine weltweite Pandemie, eine Herausforderung insbesondere für Europa, und eine leider Gottes in fast


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 119

allen europäischen Ländern sehr vergleichbare Situation. Es gab – unabhängig davon, ob man es gut findet oder nicht – in allen europäischen Ländern Lockdowns, ganz gleich, ob dort Sozialdemokraten regieren, Liberale eine Regierung anführen oder Rechtspoliti­ker eine Regierung anführen. Ich bin in engem Kontakt mit Viktor Orbán (Bundesrat Stei­ner: Der gehört aber zur Volkspartei, zur Europäischen! – Bundesrat Schennach: Da hat aber viel abgefärbt! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), ich bin in engem Kontakt mit Angela Merkel, ich bin in engem Kontakt mit Mark Rutte und ich spreche mit den Premierministern in Polen, in Irland, in Spanien oder in Italien. (Bundesrat Steiner: Mit welchem Premier in Italien spricht man gerade?) – Herr Bundesrat, ich habe Ihnen so aufmerksam zugehört, vielleicht lassen Sie mich ausreden. (Bundesrat Steiner – mit der rechten Hand das Kreuzzeichen schlagend –: Entschuldigung! Das mache ich jetzt auch! – Bundesrat Seeber: Das ist ein Wahnsinn! Wir sind da nicht in einem Bierzelt! – Bundesrat Steiner: Das geht mir aber ab!)

Wissen Sie, was das Interessante ist? – Ganz gleich, welcher politischen Richtung sie angehören, alle haben im Moment mit demselben Problem zu kämpfen und alle versu­chen, einen ähnlichen Lösungsweg zu gehen. Es gab quer durch Europa Lockdowns. Es gab quer durch Europa die Notwendigkeit, Maßnahmen zu setzen, die niemand gerne setzen möchte. Sie tun ja so, als würde es jemandem Freude machen, Geschäfte zu schließen, Restaurants zu schließen oder die Schulen zu schließen. Das ist ja nichts, was irgendjemand gerne macht. Manchmal verliere ich ein bisschen den Glauben, denn wir haben ja vor kurzer Zeit noch gemeinsam regiert, und teilweise kennen wir uns doch auch persönlich. Was hätte denn ein Regierungschef – ganz gleich ob in Österreich, in Deutschland, in Ungarn, in Rumänien oder in Irland – davon, etwas zuzusperren? Das ist ja weder populär noch macht es Freude.

Was ist aber die Herausforderung, die wir haben? – Wir haben die Herausforderung, dass es in allen Lebensbereichen den Mythos gibt, dort finden keine Ansteckungen statt: Die Gastronomen sagen, in der Gastronomie gibt es keine Ansteckungen. Die Schulen sagen, in den Schulen finden keine Ansteckungen statt. In der Industrie und den Büros wird so gearbeitet, dass dort keine Ansteckungen stattfinden. Überhaupt gibt es eigent­lich kaum irgendwo - - (Das Mikrofon des Redners fällt aus. – Rufe: Mikro!) Wenn man dieser These folgt, gibt es kaum irgendwo Ansteckungen.

Darüber hinaus gab es die These, Kinder seien nicht ansteckend, sie seien nur kleine Menschen, die können einen Virus nicht bekommen und wahrscheinlich auch nicht wei­tergeben. (Bundesrat Schennach: ... ein bisschen seriöser!) Darüber hinaus hörte man immer wieder die These, es könne auch innerhalb einer Generation bleiben, es muss ja nicht zu den älteren Menschen weiterwandern.

Mittlerweile wissen wir drei Wahrheiten. Die erste ist: Auch wenn angeblich nirgends Ansteckungen stattfinden, gilt, je weniger geschlossen ist, desto mehr Ansteckungen finden in jedem europäischen Land statt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) – Ich glaube, es ist eigentlich eh sinnlos, oder? Sie laden mich für eine Dringliche Anfrage ein, die ich Ihnen beantworten soll, und - - (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner. – Bundesrat Seeber: Der hat ja kein Benehmen!) Schauen Sie, da Sie kein Interesse daran haben und viele andere das eh wesentlich differenzierter sehen, glaube ich, erspare ich mir schön langsam diese Übung!

Ich glaube, die meisten hier herinnen sind sich bewusst, dass die Situation herausfor­dernd ist, dass man über jede Einzelmaßnahme diskutieren kann, dass aber die These, dass nirgends Ansteckungen stattfinden, falsch ist und dass auch die These, dass sich Kinder nicht anstecken können, widerlegt ist. Wir haben vor Weihnachten eine Studie gemacht, die ergeben hat, dass 1,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen zu diesem


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 120

Zeitpunkt infiziert waren. Das sind nicht viel weniger als in der Gesamtbevölkerung. Na­türlich – auch wenn es so verlockend nach einer Lösung klingen würde, um ältere Men­schen zu schützen – kann man die Bevölkerung nie so auseinanderdividieren, dass die Generationen keinen Kontakt zueinander haben. Das heißt, die Rechnung ist ganz ein­fach: Stecken sich Jüngere an, stecken sich ihre Eltern an. Stecken sich Jüngere an, stecken sich ihre Großeltern an. Kinder sollen unbeschwert aufwachsen – ja! –, aber dazu gehört auch, dass möglichst viele Omas und Opas dieses Jahr überleben, sehr geehrter Herr Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Ruf bei der FPÖ: Das ist pole­misch!)

Sosehr ich mir wünsche, dass unser Leben möglichst normal stattfinden kann – inklusive offener Schulen, Geschäfte, Hotels und Restaurants –, so sehr haben wir alle auch die Verantwortung, diese Pandemie bestmöglich zu bekämpfen, um zu verhindern, dass die Kapazitäten der Intensivstationen überlastet werden, und um zu verhindern (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), dass sich zu viele ältere Menschen anstecken, die massiven gesundheitlichen Schaden nehmen können. Der Prozentsatz der Omas und Opas, die sterben, wenn sie sich anstecken, ist dramatisch hoch. (Zwischenruf des Bun­desrates Ofner.) Bei den über 80-, über 85-Jährigen sterben über 10 Prozent der Men­schen, die sich anstecken. Überlegen Sie sich das einmal! Das ist nichts, über das man sagen kann: Das ist ja kein Problem, das gibt es nicht! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Ofner.)

Insofern gilt: Ja, Kinder sollen unbeschwert leben können, aber dazu gehört auch, dass wir in diesem schwierigen Jahr zusammenhelfen und versuchen, all das, was uns wichtig ist, bestmöglich in Einklang zu bringen. Da gehört eine gute Ausbildung dazu, und ich bin dem Bildungsminister für all die Anstrengungen dankbar, die unternommen werden, dass das Distancelearning trotz dieser schwierigen Situation bestmöglich funktioniert. Ich bin froh, dass die Schulen für diejenigen offen sind, die Betreuung brauchen, weil es halt nicht anders funktioniert. Ja, es ist nicht ideal, wie es ist. Ja, es ist für alle Familien, insbesondere für jene, in denen die Eltern berufstätig sind und in denen unter schwie­rigen Bedingungen Homeoffice, Homeschooling und all das in Einklang gebracht werden müssen, schwierig. (Bundesrat Ofner: Es ist schwierig, weil es Chaos gibt!) Wenn Sie aber glauben, die Antwort ist, zu sagen, wir lassen es laufen, weil es Corona ja nicht gibt oder weil sich halt ansteckt, wer sich ansteckt, dann kann ich Ihnen da nur widerspre­chen. Ich glaube auch nicht, dass das dann eine unbeschwerte Zeit für die Kinder in Österreich wäre, sondern – ganz im Gegenteil! – es wäre eine Zeit, die sehr, sehr viele in sehr negativer Erinnerung behalten würden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätIn­nen der Grünen.)

Was versuchen wir daher? – Wir beraten regelmäßig in der Bundesregierung – der Bil­dungsminister, der Gesundheitsminister, der Finanzminister, die Wirtschaftsministerin, der Innenminister, der Arbeitsminister und viele andere –, wie wir es schaffen können, auch weiterhin bestmöglich durch diese schwierige Zeit zu kommen, wie wir es schaffen können, die unterschiedlichen Notwendigkeiten und Bedürfnisse einfach auch mit der Realität in Einklang bringen zu können. In einer Zeit der Pandemie können wir leider Gottes nicht weiterleben wie zuvor.

Mich interessiert schön langsam, was in einigen Monaten Ihr Sprechtext sein wird, wenn wir durch die Impfung wieder zur Normalität zurückkehren können und das Leben wieder normal stattfinden kann, der Schulunterricht normal stattfindet, die Restaurants offen sind (Zwischenruf des Bundesrates Steiner) und wir wieder normal leben können. Was werden Sie mir denn dann vorwerfen? (Zwischenruf des Bundesrates Beer.) Da geht Ihnen ja irgendwann der Text aus, Herr Bundesrat! (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der Grünen. – Heiterkeit der Bundesräte Seeber und Steiner.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 121

Sie tun ja so, als würde uns das Freude machen, als würden wir das gerne machen, als würden wir das grundlos machen. Ich bin etwas gespannt darauf, was Sie sagen werden, wenn Sie auf einmal draufkommen: Siehe da, wenn es die Notwendigkeit für diese Maß­nahmen nicht mehr gibt – Überraschung, Überraschung! –, gibt es auch diese Maßnah­men nicht mehr. (Bundesrat Spanring: Schauen wir, wann es so weit ist!)

Daher: Wie werden wir weiter vorgehen? Wir beraten schon am Montag wieder mit Ver­tretern aller Parteien und vor allem auch mit den Landeshauptleuten in Österreich. Wir haben die Entscheidung, wie wir bis einschließlich 7. Februar vorgehen, einstimmig mit allen Landeshauptleuten getroffen, quer durch, über die Parteigrenzen hinweg, und wir werden am Montag eine Entscheidung treffen, wie es ab dem 8. weitergehen soll. Das ist eine schwierige Entscheidung, weil uns insbesondere die neuen Mutationen Sorge bereiten. Das sind keine einfachen Themen, die da auf uns zukommen, aber wir werden wieder versuchen, eine gemeinsame Linie zu finden und das bestmögliche weitere Vor­gehen zu besprechen – mit dem selbstverständlichen Ziel, alles zu öffnen, was nur ir­gendwie geöffnet werden kann, ohne dass es unverantwortlich ist, und mit der Garantie, dass die Schulen jedenfalls bei einem ersten Öffnungsschritt immer dabei sein werden, so wie das auch bisher war. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Ich komme zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Zu den Fragen 1 bis 7:

Wir sind in den letzten Wochen und Monaten immer in einem regelmäßigen und guten Austausch mit den Mitgliedern der Bundesregierung, mit Expertinnen und Experten und den Landeshauptleuten gewesen. Es war immer das oberste Ziel, den Lockdown so rasch wie möglich zu beenden. Die Entwicklung der Infektionszahlen spielt bei dieser Entscheidung aber eine wesentliche Rolle, wie Sie sich hoffentlich vorstellen können, und ist ein wichtiger Indikator dafür, wann Lockerungsmaßnahmen gesetzt werden kön­nen.

Mittlerweile sind die Experten klar der Meinung, dass Kinder sich genauso anstecken können wie andere Menschen auch. Zusammen mit dem Auftreten der neuartigen Virus­mutationen und dem damit verbunden höheren Ansteckungsrisiko wurde insbesondere der Schulbereich vor neue Herausforderungen gestellt.

Das tägliche Diskutieren und Evaluieren der aktuellen Lage und der kontinuierliche Aus­tausch mit den Experten sind wichtige Leitlinien, um wesentliche Erkenntnisse im Hin­blick auf das weitere Vorgehen zu gewinnen. So war ich diesbezüglich natürlich immer auch mit Bildungsminister Heinz Faßmann in Kontakt und bedanke mich für seine Arbeit. Es ist uns wichtig zu betonen, dass die Schuleinrichtungen stets für Schülerinnen und Schüler mit Betreuungsbedarf geöffnet waren und geöffnet sind.

Zu den Fragen 8 bis 18:

Aufgrund der Infektionslage war von Anfang an geplant, dass der generelle Lockdown nicht vor dem 25. Jänner enden wird. Die Schule hat bei diesen Überlegungen immer eine Sonderstellung eingenommen, und es wird regelmäßig evaluiert, um zum frühest­möglichen Zeitpunkt Öffnungsschritte setzen zu können. Es ist mittlerweile gängige Mei­nung in der Wissenschaft, dass sich das Infektionsgeschehen umso besser kontrollieren lässt, je niedriger es ist. Experten empfehlen eine Senkung des Infektionsgeschehens in der Siebentageinzidenz in Richtung 50 oder darunter, was sich in Europa als sehr he­rausfordernd darstellt.

Nach intensiven Gesprächen haben wir zusammen mit den Landeshauptleuten und Ex­perten die weitere Vorgehensweise am 17. Jänner der Öffentlichkeit vorgestellt. Es bleibt unser oberstes Ziel, unser Möglichstes zu tun, um einen schnellen Anstieg der Infek­tionszahlen zu verhindern.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 122

Zu den Fragen 19 bis 24:

Nein. Ich bin froh, dass wir mit Bildungsminister Heinz Faßmann einen ausgewiesenen Experten in der Krise haben, der diesen herausfordernden Bereich besonnen und ziel­strebig steuert. Er hat gezeigt, dass innovative Maßnahmen in dieser Pandemie notwen­dig sind und war damit in vielen Fällen innerhalb der Europäischen Union Vorreiter, wie zum Beispiel die Gurgeltests, das Lamp-Verfahren, mobile Testteams in allen Bundes­ländern und die flächendeckende Testung mit Antigenselbsttests in den Schulen. Dafür bedanke ich mich ganz besonders.

Zu den Fragen 25 bis 29:

Erst diese Woche wurde ein Förderpaket für den Schulbereich präsentiert. Damit werden die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt. Es soll nachgeholt werden, was durch die schwierige Coronazeit nicht entsprechend vermittelt werden konnte. Die weite­ren Entwicklungen in dieser Pandemie sind weder vorhersehbar noch berechenbar. Wir als Bundesregierung werden daher weiterhin in engem Austausch mit den Landeshaupt­leuten, den Parteienvertretern, Sozialpartnern und Experten die Entwicklungen nicht nur beobachten, sondern auch die entsprechenden Schlüsse ziehen und dann entschei­den. – Vielen Dank, Herr Bundesrat, für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

16.35


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Herr Bundeskanzler.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses.


16.36.17

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Vorsitzender! Herr Bundeskanzler! Bevor ich auf den fachlichen Bereich unserer Dringlichen Anfrage einge­he, möchte ich schon auf ein paar Dinge replizieren, die Sie in Ihrem Eingangsstatement erwähnt haben. Sie haben uns erzählt, dass es Ihnen absolut keinen Spaß macht – also Spaß, davon bin ich überzeugt, macht das sicherlich nicht –, aber dass es nicht Ihr oberstes Interesse ist, die Schulen geschlossen zu halten, dass das für Sie auch eine sehr schwere Entscheidung ist.

Sie können uns aber nicht absprechen, dass der Eindruck entsteht, dass Sie natürlich lieber die Geschäfte und viele andere Dinge öffnen und deshalb die Schulen gerne so lange geschlossen lassen. Diesen Eindruck vermitteln Sie mit Ihren Entscheidungen.

Sie sagen immer wieder, es gibt von uns Thesen. Mein Kollege, Herr Steiner, hat Studien zitiert, in denen man zu diesen Erkenntnissen gekommen ist, und nicht irgendwelche Thesen aufgestellt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das, was die Bevölkerung bei diesem Thema gerade so aufbringt und verärgert, ist, dass mittlerweile jeder Österreicher mitbekommt, dass es einen Fachminister gibt, der für Bildung und Unterricht zuständig ist und der sicherlich eine gute Fachexpertise hat, auf Fachleute in diesem Bereich hört, es aber einen Bundeskanzler gibt, der ihn immer wie­der overrult und einfach sagt: Nein, die Schulen werden geschlossen! (Beifall bei der FPÖ.) – Das sind die Dinge, die verunsichern und verärgern!

Ich darf Sie erinnern: Am 22. November 2020 erschien ein Zeitungsartikel, in dem drin­steht: „Die Grünen und auch der türkise Bildungsminister hatten sich vehement für offene Schulen eingesetzt“, aber der Bundeskanzler hat wieder einmal die Schließung durchge­setzt. Darum geht es!


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 123

Sie sind jemand, der immer wieder darauf verweist, dass es ja wichtig ist, auf Experten zu hören, aber gerade im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen, gerade im Be­reich der Schulen hören Sie nicht auf die Expertise der Pädagogen und der Fachleute auf diesem Gebiet! Ich kann Ihnen eines versichern, ich kriege es in meinem Bundes­land, der Steiermark, mit: Da gibt es irrsinnig viele engagierte Lehrer, Direktoren, die sich wirklich den Kopf zerbrochen haben, wie sie ihren Schützlingen, denn so bezeichnen sie ihre Kinder, in dieser Coronakrise helfen und wieder Präsenzunterricht ermöglichen kön­nen. Was machen Sie? – Sie negieren diese Konzepte, obwohl das gute Konzepte sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich muss Ihnen jetzt wirklich unterstellen, dass Sie absolut keine Ahnung haben, was Ihre Maßnahmen für jedes Kind in Österreich und die Eltern bedeuten. Ich sage Ihnen ein paar Beispiele. Eine sehr liebe Freundin von mir hat zwei Kinder, die eine Tochter ist schon in der Oberstufe, schon eine junge Dame, für die ist das Distancelearning, das Organisieren kein Problem. Ihr Sohn ist zwölf Jahre alt und im heurigen Schuljahr von der Volksschule in die Unterstufe gewechselt – allein, wie sich ein Zwölfjähriger einmal zurechtfinden und organisieren muss, woher welche Information für welche Aufgabe kommt. Dieses Kind hat aber das große Glück, in eine Familie geboren worden zu sein, in der die Eltern Akademiker sind, eine hervorragende Infrastruktur der Digitalisierung vorhanden ist, die entsprechenden Geräte, die Räumlichkeiten vorhanden sind.

Was so schlimm ist, ist, dass Sie eigentlich bereit sind, eine ganze Generation wirklich für Ihre Maßnahmen – ich unterstelle Ihnen das – im Interesse der Wirtschaft zu opfern. Ich finde das ganz, ganz, ganz schlimm, das muss ich Ihnen wirklich sagen.

Es ist so schwierig! Zum Beispiel: Dieser Zwölfjährige hat einen Klassenkollegen, der nicht diese Möglichkeit hat; der hat zu Hause keine digitale Möglichkeit, hat keinen Lap­top und wird auch zur Betreuung in die Schule geschickt. Dann bekommt meine Freundin mit, wie der Klassenvorstand in der Videokonferenz diesem Mitschüler erklärt, dass es für ihn mit einer positiven Benotung im Halbjahreszeugnis sehr schlecht ausschauen wird, weil er die ihm gestellten Aufgaben nicht erfüllt hat. Wie kann es passieren, dass ein Kind diese Aufgaben nicht erfüllt, obwohl es zur Betreuung in die Schule geschickt wird? Warum machen jene Kinder, die zur Betreuung in den Volksschulen sind, nicht die gleichen Aufgabenblätter wie jene Kinder, die das Glück haben, Eltern zu haben, die sich ernsthaft bemühen? Warum ist das alles so unterschiedlich? (Beifall bei der FPÖ.)

Man hört es immer wieder gebetsmühlenartig, man erklärt jedem jungen Menschen, der in das Ausbildungsleben eintritt: Bildung ist der Schlüssel zur Selbstbestimmtheit, zur Freiheit, zu einem gesunden und erfolgreichen Leben. Und dann gehen Sie her, nehmen unserer Jugend die Zukunft und begründen eigentlich eine Generation Corona? Sie neh­men so vielen Kindern die Möglichkeit der Chancengleichheit, und zwar deshalb, weil wir auch in Zeiten, als es diese Pandemie nicht gegeben hat, schon ganz, ganz viele Lücken in unserem Bildungssystem hatten. Damals war schon sichtbar, dass es sehr wohl Unterschiede gibt, dass es darauf ankommt, in welche Familie ein Kind hineinge­boren wird, in welchem Bundesland es lebt, ob es in der Stadt oder im ländlichen Raum aufwächst.

In Belgien wurde extra eine Studie gemacht, um herauszufinden, welchen Unterschied Distancelearning – von der Bildungsqualität, vom Bildungsinhalt – zum Präsenzunter­richt macht. Neun Monate Heimunterricht bedeuten ein halbes Jahr Verlust an Präsenz­unterricht. Bitte, wie wollen Sie das jemals aufholen, vor allem bei Volksschülern? Wir wissen von unseren Kinder, als sie in die erste Klasse gekommen sind, wie enorm wich­tig das gerade für die Erstklässler ist. Wie sollen die das halbe Jahr aufholen? Das ist ein Verlust, der ihnen die ganze Bildungszeit nachhängen wird.

Es gibt keine Konzepte, das verstehe ich nicht. Sie als Bundeskanzler haben sicherlich das letzte Wort, denn deshalb sind Sie der Bundeskanzler, aber warum haben Sie diese


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 124

Energien, die Sie jetzt immer so vehement für das Schulschließen einsetzen, nicht dafür verwendet, im Sommer den Herrn Bildungsminister zu unterstützen, dass Konzepte und Maßnahmen kommen, damit die Schulen offen bleiben und nicht geschlossen werden müssen? (Beifall bei der FPÖ.)

Und dieses Hü und Hott – man hört, es bleibt offen, dann wird wieder zugesperrt. Das erinnert mich an Peter Rosegger und das Gedicht vom Regenschirm: Nehme ich ihn mit? Lasse ich ihn daheim? Nehme ich ihn mit? Lasse ich ihn daheim?

Jetzt werden auf einmal die Semesterferien vorverlegt. In den meisten Betrieben müssen in den ersten Jännerwochen von sämtlichen Mitarbeitern die Urlaube bekannt gegeben werden. Das ist vor allem in den jetzt so wichtigen Bereichen, in den Krankenhäusern, in den Polizeistationen, also bei allen, die für uns eine wichtige Aufgabe haben, die Sys­temerhalter sind, so. Dort geht es nicht, dass man von heute auf morgen sagt: Nein, ich habe es mir überlegt, oder es ist aus irgendeinem anderen Grund anders!

Warum treffen Sie immer wieder solche Entscheidungen? (Bundesrat Schreuder: Sie wissen aber schon, dass man die Pandemie nicht kalkulieren kann?!) – Sie haben wirk­lich keine Ahnung von der Wirtschaft, das darf ich Ihnen sagen! (Beifall bei der FPÖ.) Wann waren Sie das letzte Mal Arbeitnehmer? (Bundesrat Schreuder: Ich bin Unterneh­mer!) – Ja, ein Unternehmer! Wissen Sie, als Unternehmer kann ich es mir richten, aber als Arbeitnehmer kann ich es mir nicht immer richten. (Bundesrat Schreuder: Die Pan­demie ist doch nicht planbar! Das geht doch gar nicht!) – Doch. Es gibt Semesterferien, die schon seit Jahrzehnten in Österreich, in der Steiermark immer zum gleichen Datum stattfinden – jetzt werden sie vorverlegt, und das erfahre ich im Jänner. Man kann bereits im November den Schulkalender mit den Ferienterminen für das nächste Jahr kaufen, also das weiß man früh genug. Das muss eingemeldet werden, denn sonst kann man bestimmte Dinge gar nicht organisieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt ja auch schon wieder die Gerüchte – und wir sind eher davon überzeugt –, dass die Schulöffnung mit 15. Februar wahrscheinlich wieder wackeln wird. Auch wenn Herr Bundesminister Faßmann – wie sehr, sehr viele Experten – dafür plädiert, dass die Schulen endlich wieder geöffnet werden sollen, damit die Kinder wieder eine Chance bekommen, eine fundierte und gute Ausbildung zu haben, sehen wir das Gelingen eher skeptisch.

Deshalb stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Si­cherstellung eines regulären Unterrichts nach den Semesterferien“

eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Steiner, Ofner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu“?

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung werden aufgefordert, sicherzustellen, dass nach den Semesterferien 2021 wieder ein regulärer Präsenzunterricht für alle Schulstufen stattfindet.“

*****

Ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler: Überdenken Sie in diesem Fall wirklich Ihre Strategie! (Beifall bei der FPÖ.)

16.46



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 125

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Sicherstellung eines regulären Unterrichts nach den Semesterferien“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. Ich erteile ihr die­ses.


16.47.19

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Werte Damen und Herren, die Sie von zu Hause aus zuse­hen! Nichts polarisiert derzeit anscheinend mehr als das Thema Schulschließungen. Das ist offenbar ein Thema, bei dem es keinen politischen Konsens gibt. In einem Punkt sind wir uns aber vermutlich einig: Wir wollen so viel Unterricht für so viele Schüler und Schü­lerinnen wie möglich. Die Frage, die hier aktuell die Gemüter erhitzt, sollte ja auch nicht nur eine politische, sondern vor allem eine technische sein: Wie und unter welchen Vo­raussetzungen können wir diesen Anspruch erfüllen?

Ich bin Mutter zweier Kinder im Volksschulalter, Vollzeit berufstätig, Professorin an einer Hochschule, wo die Lehre in meinem Bereich zur Gänze mit Distancelearning erfolgt. Ich sage Ihnen, wir brauchen hier auch gar nichts schönzureden, auch ich bin schon einige Male an meine Grenzen gestoßen. Und ganz ehrlich: Wer von uns nicht?

Auch mir hat es wahnsinnig leidgetan, als ich heuer zu Weihnachten meine Tochter nicht beim Weihnachtstheater auf der Bühne stehen gesehen habe. Mir tut es für sie und viele weitere Klassen leid, wenn es keine Möglichkeit mehr geben wird, die beliebte Projekt­woche nachzuholen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.) Ich und auch Sie wissen aber, weshalb es so ist, wie es ist, und das kann auch ganz banal in einem Satz zusam­mengefasst werden, nämlich damit Schüler und Schülerinnen nicht andere anstecken und dieses Virus mit nach Hause nehmen und ihre Familien anstecken. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Es gibt unzählige Studien, einige wurden ja bereits von meinen Vorrednern zitiert. Eine der statistisch validesten, weil sie auch alle wissenschaftlichen Gütekriterien erfüllt, ist eine einer Forschungsgruppe der Universität Oxford. Diese kam zu dem Ergebnis, dass Schulschließungen eine der effektivsten Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapan­demie sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Ein Argument, welches Sie auch gebracht haben, sind mögliche Bildungsungleichheiten. In der Tat ist es aufgrund der langen Distancelearningphasen notwendig, dass Lernlü­cken und Bildungsverlusten entgegengewirkt wird. An dieser Stelle ein Dankeschön an Bildungsminister Faßmann! Er hat kürzlich ein umfangreiches Förderpaket – wir haben es auch bereits gehört – für alle Schulstufen im Volumen von rund 200 Millionen Euro vorgelegt. Damit können bis Februar 2022 bis zu drei Millionen zusätzliche Förderstun­den ermöglicht werden.

Wichtig ist mir, zu sagen, dass der Einsatz digitaler Tools auch helfen kann, Bildungsun­terschiede auszugleichen, und zwar dann, wenn sie beispielsweise dazu eingesetzt wer­den, individuell zu fördern, begleitend zur Arbeit unserer Lehrkräfte.

Die Coronapandemie hat auch dazu beigetragen, dass unsere Kinder den Umgang mit digitalen Tools gelernt haben und es zu einer Beschleunigung in Richtung Digitalisierung gekommen ist. Für Digitalisierungsmaßnahmen, insbesondere die Umsetzung des Acht­punkteplans für den digitalen Unterricht, stellt das Bundesministerium für Bildung, Wis­senschaft und Forschung 235 Millionen Euro zur Verfügung – eine wichtige und zu­kunftsweisende Maßnahme.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 126

Meine Damen und Herren! Der Spagat zwischen dem Erhalt unserer Gesundheit und der entsprechenden Betreuung unserer Kinder ist ein schwieriger. Das ist uns allen be­wusst. Die Schulen wieder für möglichst viel Präsenzbetrieb zu öffnen hat für uns Priori­tät – wir haben es gehört –, und sobald die weitere Entwicklung der Pandemie zulässt, dass sie geöffnet werden, muss auch möglichst viel an Sicherheit für die am Schulleben Teilhabenden gewährleistet werden. Auch die Selbsttestungen werden da eine wichtige Rolle spielen. Da nehmen wir eine Vorreiterrolle in ganz Europa ein.

Zum Abschluss ist es mir noch wichtig, drei Personengruppen vor den Vorhang zu holen. Das sind erstens unsere Pädagogen und Pädagoginnen, die in den letzten Wochen und Monaten Unglaubliches geleistet haben und noch immer leisten. Zweitens sind das un­sere Kinder und Jugendlichen, auch meine Kinder, die jetzt vermutlich von zu Hause aus zuschauen: Ihr seid großartig, und ich bin sehr stolz auf euch! Drittens ist es mir als geschäftsführende Landesleiterin der ÖVP-Frauen in Niederösterreich wichtig, noch eine weitere Personengruppe vor den Vorhang zu holen, und zwar sind das die Frauen. Es sind großteils Frauen, die derzeit die Kinderbetreuung zu Hause überhaben und den Alltag stemmen. Vielen Dank, dass wir da Verantwortung übernehmen und zusammen­helfen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Danke!)

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen! Wir alle sind heute aus verschiedenen Richtungen hierhergekommen, angereist, aber jetzt sitzen wir alle im selben Boot, und am schnellsten kommen wir weiter, wenn wir alle in dieselbe Richtung rudern. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

16.53


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.


16.53.43

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Bevor ich in die Bildungsdebatte einsteige, möchte ich die Gelegenheit nützen und Sie, Herr Bundes­kanzler, etwas fragen: Wie geht es Ihnen, Herr Bundeskanzler, wenn Sie wie heute Mor­gen um 5 Uhr Früh Bilder sehen – und ich glaube, wir alle hier herinnen haben sie ge­sehen –, die zeigen, wie ein fünfjähriges Mädchen und ein zwölfjähriges Mädchen um­ringt und von schwer bewaffneten Wega-Beamten abgeführt werden, abtransportiert werden, in einem Bus abgeschoben werden, zwei Mädchen, die in Österreich aufge­wachsen sind, zwei Mädchen, die hier bestens integriert sind, die hier zur Schule gehen, die ausgezeichnete Noten haben, die hier Freunde haben, hier ein Umfeld haben, hier ihr Zuhause haben? Wie geht es Ihnen dabei, in dem Wissen, dass die abgeschoben werden? Was hat Sie daran gehindert, Ihren Innenminister Nehammer zurückzupfeifen? (Bundesrat Preineder: Die Gerichtsentscheidung! – Bundesrätin Schumann – in Rich­tung Bundesrat Preineder –: Na, geh!)

Ich bin fassungslos, weil wir auf der einen Seite nicht in der Lage sind, potenzielle mut­maßliche Attentäter davon abzuhalten, Waffen zu kaufen, und es auf der anderen Seite offensichtlich nicht aufhalten können, dass zwei bestens integrierte Mädchen abgescho­ben werden. Das ist eine Schande für dieses Land, das ist schäbig für unser Land. Ich geniere mich in diesem Zusammenhang wirklich für dieses Land und für das, was da heute geschehen ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.) Ich hätte von Ihnen wirklich gerne eine Antwort darauf, wie es Ihnen mit dieser Entscheidung geht.

Jetzt aber zurück zum eigentlichen Thema, nämlich zur Bildung, einem, glaube ich, nicht minder aufregenden Thema: Ich möchte mit einem Zitat von einem nicht unbekannten


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 127

TV-Moderator, nämlich von Günther Jauch, starten, der gesagt hat: „Bildung lässt sich nicht downloaden.“

Ich glaube, er hat ganz recht damit, denn Schule, Unterricht, das geht nicht alleine und zu 100 Prozent in Distancelearning und mit Videokonferenzen und in digitaler Form. Ich wage zu behaupten, dass ich mir da ein doch recht gutes Urteil bilden kann, zumal ich selbst auch in der Praxis stehe und die tagtäglichen Herausforderungen in diesem Wech­sel aus Präsenzunterricht und Distancelearning aus nächster Nähe miterfahren habe.

Blicken wir einmal zurück auf die vergangenen elf Monate, also auf fast ein ganzes Jahr! Sie haben damals, am 13. März, den Lockdown ausgerufen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Die Aufregung war riesengroß. Wir haben innerhalb von wenigen Minuten alles vorbereitet, alles umgestellt, wirklich den gesamten Schulalltag auf den Kopf ge­stellt, um in irgendeiner Form das Distancelearning zu ermöglichen. Bei dieser Umstel­lung sind uns dann im Laufe der Wochen durchaus die ersten Schwächen in unserem Bildungs-, in unserem Schulsystem ganz bewusst geworden, denn wir haben – und des­sen sind wir uns bewusst, und das habe ich auch an dieser Stelle immer wieder verdeut­licht, und das sagt uns auch der Nationale Bildungsbericht – ein ungerechtes Schulsys­tem.

Nicht alle Kinder können gleichermaßen davon profitieren, weil nicht alle die gleiche Art von technischer Ausstattung zu Hause haben, nicht die gleiche Infrastruktur, die sie in diesem Zusammenhang aber bräuchten. Nicht alle Kinder haben gleichermaßen elterli­che Unterstützung zu Hause beim Lernen. Das heißt, schon in dieser Hinsicht unter­scheiden sich unsere Kinder und Jugendlichen ganz, ganz immens. Wir wissen alle, wie sehr die Schulbildung in Österreich vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern ab­hängt, und ganz klar: Die Krise hat die Bedeutung des sozioökonomischen Hintergrunds jetzt noch um ein Vielfaches verstärkt.

Im zweiten Lockdown hat sich inzwischen vieles eingespielt, wie wir wissen. Es sind auch wirklich ganz wunderbare neue Lernmethoden entstanden: innovative Lernmateria­lien; im Blended-Learning-Modus hat vieles stattgefunden. Vieles war aber nur – und dahin gehend auch meine Hochachtung an meine Kolleginnen und Kollegen da drau­ßen! – mit einem ganz enormen Engagement der Lehrerinnen und Lehrer möglich, und vieles war auch nur mit einem ganz enormen Engagement der Eltern möglich, die ihre Kinder entsprechend unterstützt haben (Beifall bei der SPÖ), und auch nur aufgrund des wirklich ganz enormen Engagements der Gemeinden möglich. Wir hatten heute ja auch schon die Gemeinden am Tapet, die in ganz hohem Maße mit Laptops, mit Tablets, mit der Grundausstattung, wenn sie denn gefehlt hat und nicht rechtzeitig gekommen ist, unterstützt haben.

Im Frühsommer kam dann der Schichtbetrieb. Auch da hat es wieder große Umstellun­gen gegeben. Wieder war alles anders, wieder mussten sich alle ganz, ganz schnell auf neue Herausforderungen und neue Situationen einstellen. Dieses Hin und Her, die Mischform aus Präsenzunterricht und digitalem Unterricht, ging de facto bis heute weiter. Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer, Direktorinnen und Direktoren – die vergisst man, glaube ich, in dieser Debatte auch ganz gerne einmal – tun nach wie vor das Aller­beste, was sie nur können, um dieser Situation gerecht zu werden und um Lernlücken, die natürlich dabei entstehen – gar keine Frage –, möglichst gering zu halten und zu minimieren.

Dann kam zu Weihnachten die von vielen SchülerInnen ja wirklich so herbeigesehnte Ferienzeit. Unter uns gesprochen war diese auch für viele ganz, ganz dringend notwen­dig, denn man kann sich aus Erwachsenensicht wahrscheinlich kaum vorstellen, wie an­strengend es für ein angenommen zehnjähriges Kind ist, 6 oder 8 Stunden am Tag vor dem Computer sitzen zu müssen und digitales Lernen zu bewältigen. Das ist eine ganz,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 128

ganz immense Anstrengung – den Schülerinnen und Schülern an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön und meinen Applaus für ihre Leistung. (Beifall bei der SPÖ.)

Da war also dann vor dem 7. Jänner die freudige Erwartung: Ja, wir dürfen in wenigen Tagen endlich wieder in die Schule, unsere Freunde treffen, endlich wieder ein bisschen soziales Leben spüren, soweit das natürlich möglich ist.

Es gab dann allerdings zwei wirklich große Punkte, die mich auch heute noch fassungs­los zurücklassen, nämlich erstens: Bis heute – und inzwischen haben wir, wie gesagt, elf Monate in dieser Krise verbracht – gibt es in Wahrheit keine wirkliche Kommunikation mit den betroffenen Lehrerinnen, Lehrern, Direktorinnen und Direktoren, die gibt es schlicht und einfach nicht. Mit uns wird wie kommuniziert? – Mit 210 Pressekonferenzen.

Sie werden es nicht wissen, aber es gibt so eine nette Kommunikationsplattform, School­fox nennt sie sich. Wenn man am Tag 30 Schoolfox-Nachrichten von Eltern bekommt, die endlich wissen wollen, was Sache ist, und man als Lehrerin oder Lehrer dann dasteht und sagt: Es tut mir leid, aber ich weiß es nicht!, und die Eltern dann damit kommen, dass dieses und jenes aber schon in „Heute“ und in sonstigen kleinformatigen Zeitungen gestanden ist, dann zeugt das nicht unbedingt von Wertschätzung. Das ist keine Wert­schätzung der betroffenen und der handelnden Personen im Bildungsbereich, wenn die Presse mehr weiß als wir. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Dann kam erst in den letzten Tagen tagtäglich eine neue Schlagzeile: ein Skilehrer­cluster in Flachau, ein Skilehrercluster in St. Johann, am Arlberg und so weiter und so fort. Irgendwann hat es heute schon geheißen: Das ist alles kein Problem, da steckt man sich nicht an – Schulen sind die großen Virenschleudern. Ja, gut, jetzt kenne ich mich dann ganz ehrlich nicht mehr aus. Es zeigt aber offensichtlich die Priorität, die es in der Bundesregierung gibt, nämlich: Seilbahnlobby vor Bildung und Skiliftbetreiber vor Kin­dern und Jugendlichen. Das ist für mich eine unfassbare Tatsache. (Beifall bei der SPÖ.)

Es stimmt schon: Die Schulschließungen zeigen Wirkungen, das ist richtig – allerdings wage ich zu bezweifeln, dass das die richtigen Wirkungen sind. Wir haben heute schon von etlichen Studien gehört, auch aus der Richtung der FPÖ, ich darf Ihnen nun noch einige weitere Studien präsentieren. Das ist beispielsweise eine ganz aktuelle Studie der OECD (eine Kopie der Studie in die Höhe haltend), die Jugendliche zu den Folgen der Krise befragt hat. So wurden Jugendliche gebeten, drei Aspekte zu nennen, die für sie am herausforderndsten und sozusagen am schwierigsten zu kompensieren sind. Da nennen immerhin 55 Prozent ihre psychische Gesundheit, 50 Prozent – also die Hälfte aller Jugendlichen, und an der Befragung waren immerhin 48 Länder beteiligt – haben genannt, dass sie sich um ihren künftigen Arbeitsplatz Sorgen machen. Sie wissen nicht, ob sie eine Anstellung oder einen Ausbildungsplatz bekommen, was auch immer. Immer­hin über 40 Prozent machen sich auch Sorgen um ihr späteres verfügbares Einkommen und noch einmal so viele, nämlich ebenso 40 Prozent, ganz grundsätzlich um ihre Bil­dung.

Alles in allem machen sich Jugendliche ganz, ganz, ganz große Sorgen: Sorgen um ihre berufliche Zukunft, aber auch Sorgen, was ihre Kontaktmöglichkeiten betrifft, um das soziale Gefüge, um Kontakte zu Freunden, aber auch zu ihren Familienmitgliedern, die ja oft sehr weit entfernt leben. Sie haben, und das haben wir heute auch schon gehört, natürlich aber auch Sorge, wenn es ältere Verwandte gibt, zum Beispiel um die Gesund­heit der Großeltern – und das ist oft psychologisch ein großer innerer Widerspruch, den sie da zu erleiden haben. Dazu kommt, dass sie natürlich im Alltag die Sorgen und Ängste ihrer Eltern miterleben und sogar mitleben, gerade in Fällen von Arbeitslosigkeit, gerade in Fällen von Eltern, bei denen mittlerweile nicht mehr genügend Geld vorhanden ist.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 129

Ich darf an dieser Stelle die Homepage der Med-Uni Innsbruck zitieren, da steht, und das sollte uns zu denken geben: „Der Kontakt mit Freundinnen und Freunden, der so­ziale Austausch mit Gleichaltrigen und der regelmäßige Schulbesuch sind wichtige Ele­mente des kindlichen Alltags und der psychischen wie psychosozialen Gesundheit von jungen Menschen.“ Weiter heißt es: „Ein längerer Ausschluss aus diesen Lern- und Er­fahrungsräumen schädigt Kinder und Jugendliche in ihrer kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklung und hinterlässt Spuren, die schon jetzt sichtbar sind und sich auch für längere Zeit nach der Aufhebung der Restriktionen zeigen werden“. – Ich glaube, das sollte uns zu denken geben.

Ganz brandaktuell: Gestern habe ich in der „ZIB 2“ mitverfolgt – Sie vielleicht auch –, wie die Präsidentin der Vereinigung der Kinder- und Jugendfachärzte Daniela Karall dort gesprochen hat. Sie widerspricht der These, dass die einzig wahre Maßnahme eine Schulschließung ist. Sie bestätigt nämlich, auch auf zahlreiche Studien gestützt, dass die Zahl der Infektionen durch die Schulschließungen in Wahrheit gar nicht in einem merklichen Ausmaß zurückgegangen ist.

Sie bestätigt uns auch, dass Kinder eigentlich gar nicht die Superspreader und Treiber der Infektion sind, als die sie oft bezeichnet werden. Zudem betont sie, und das ist auch mir persönlich ganz wichtig: Ja, natürlich müssen wir sowohl die Kinder als auch die Lehrer und alle anderen Personen im Schulumfeld vor Infektionen schützen!, aber es geht da ganz klar – auch wenn mir der Begriff nicht gefällt, sagt er deutlich aus, was damit gemeint ist – um eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Es geht um eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Es geht um eine Folgenabschätzung: Mit welchen Folgen haben wir zu kämpfen, wenn die Schulen noch weiter geschlossen sind?

Die Folgen sind, wie wir gerade gehört haben, ganz, ganz enorm. Das heißt also für uns als Sozialdemokratie: Öffnen wir die Schulen? – Ja, aber sicher. Das heißt, wir müssen alles dafür tun, dass alle im Schulleben befindlichen Personen von jeglicher Infektion möglichst ausgeschlossen werden können. Das heißt also: Sorgen wir dafür, dass genü­gend Masken vorhanden sind! Da habe ich meine Zweifel, wenn ich an die vergangenen Monate denke: Wir haben Monate auf die erste Tranche an FFP2-Masken gewartet; auch da sind wieder die Gemeinden, die Schulleiter und Schulleiterinnen eingesprungen und haben diese aus ihrem Budget finanziert und ausgeholfen, weil das Bildungsministe­rium das in dieser Form nicht geschafft hat.

Wir müssen dafür sorgen, dass Impfungen stattfinden können, dass Lehrerinnen und Lehrer bei den Impfungen priorisiert werden, denn ich glaube schon, dass Pädagoginnen und Pädagogen zum Schlüsselpersonal gehören und dass Sie, Herr Minister, als, ich würde einmal sagen, fürsorgepflichtiger Arbeitgeber da sozusagen Ihrer Pflicht nach­kommen und im Ministerium darauf drängen sollten, dass das passieren kann. Natürlich müssen wir verschiedenste Maßnahmen setzen, damit in der Schule wieder ein halb­wegs geregelter Unterricht stattfinden kann – denn ein normaler Unterricht, wie wir ihn kennen, wird in dieser Form so schnell wahrscheinlich nicht mehr stattfinden können. Das muss unser Ziel sein, mit allen Maßnahmen, die es dazu braucht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe gerade über Masken und Testkits gesprochen. Ich glaube, wir haben es heute auch schon einmal gehört: Das Chaos, das es bei den Testkits-Auslieferungen gegeben hat, verdeutlicht noch einmal mehr, wo es hapert, nämlich eigentlich auf allen Ebenen und in allen Aspekten, die man sich nur vorstellen kann. Ich bin, wie gesagt, skeptisch, hoffe aber doch, dass nun die Lieferungen regelmäßig und verlässlich stattfinden, so­dass die Direktorinnen und Direktoren auch eine Sicherheit haben, um die ihnen anver­trauten Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch die Schülerinnen und Schüler ent­sprechend testen zu können.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 130

Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, weil das, glaube ich, nicht immer so bewusst ist: Schulen und Bildungseinrichtungen ganz allgemein – in Wahrheit vom Kindergarten bis zur Universität – sind lebende Organismen. Das heißt, da geht es nicht nur um das reine Erlernen von fachlichen Skills, da geht es nicht nur um das Rechnen, Schreiben, Lesen und eben auch die digitalen Skills, die wir heute auch schon angesprochen haben. Da geht es auch um das soziale Lernen, um Sozialkompetenzen, um den Austausch unter den Gleichaltrigen, ja manchmal auch um den Wettbewerb untereinander, um das Lernen voneinander und vieles mehr. Das alles braucht natürlich die besten Vorausset­zungen und die entsprechenden Ressourcen, gerade jetzt in der Krise und nach der Krise.

Wir haben jetzt gehört, es wird 200 Millionen Euro für zusätzliche Förderstunden geben. Das ist schön, das ist wichtig, aber aus meiner Sicht leider viel, viel zu wenig, eigentlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Vergleichen wir noch einmal: Das PR-Budget beträgt ja 210 Millionen Euro, also gibt man in Wahrheit mehr für Public Relations als für die Förderung unserer Jugend aus; aber gut. Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir erst vor wenigen Jahren unter Schwarz-Blau beispielsweise immerhin 40 Millionen Euro weniger für Sprachförderung bekommen haben. Das heißt, wenn ich das alles gegen­rechne, bleibt unterm Strich in Wahrheit ein Nullsummenspiel übrig. Jetzt sozusagen noch Förderstunden: Da kann ich mir schwer vorstellen, dass das in Summe eine wirklich nachhaltige Aufstockung bringt.

Wir wissen um die Personalsituation, wir wissen, dass der drohende Pensionierungs­schub kommen wird, dass wir Personal brauchen werden. Jetzt soll es Studierende mit Sonderverträgen geben, aber ich frage mich, wo die Perspektive für die nächsten Jahre ist. Ich glaube, wir brauchen keine kurzfristigen Förderstunden, sondern wir brauchen ganz generell ein Konzept, wie wir dauerhaft möglichst in Kleingruppen unterrichten kön­nen, denn wir wissen, dass das sehr viel gebracht hat. Wir brauchen Doppelbesetzungen dort, wo es notwendig ist, nämlich auch in den sogenannten Brennpunktschulen, und vieles mehr.

Abschließend darf ich noch eines anmerken, bevor das Lämpchen dann leuchtet. Ich habe in den vergangenen elf Monaten den Eindruck bekommen, dass die Zuständigkeit nicht immer so klar war, dass eigentlich auf einige Schulformen, auf einige Bildungsein­richtungen gänzlich vergessen wurde: Das waren zum einen die Kindergärten, die ele­mentarpädagogischen Einrichtungen, und das waren zum anderen die Berufsschulen. Auf die Berufsschülerinnen und Berufsschüler wurde in jeglicher Form vergessen, sei es betreffend Masken, Testkits und vieles andere mehr.

Ich möchte dahin gehend, weil mir auch die Berufsschüler in diesem Zusammenhang ganz, ganz wichtig sind, folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Doris Hahn, MEd MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Berufs­schulen nicht vergessen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, wird aufgefordert, den 8-Punkte-Plan für Digitalisierung auf die Berufsschu­len auszuweiten. Die konkreten Fördermaßnahmen und -töpfe für das Aufholen der Co­rona-Defizite sollen entsprechend erhöht werden, damit auch BerufsschülerInnen profi­tieren.“

*****


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 131

Geschätzte Damen und Herren! Wir alle sind uns dessen bewusst – zumindest sagen wir das meistens, handeln aber manchmal anders –: Die Kinder, die Jugend, die sind unsere Zukunft, und wenn wir ihnen nicht eine entsprechende Bildung angedeihen las­sen, zur Verfügung stellen, dann kann das wohl nicht im Sinne Österreichs sein. Daher müssen wir auch im Lichte der Krise, die uns noch länger beschäftigen wird  alles dafür tun, dass wir die bestmögliche Bildung für möglichst alle Schülerinnen und Schüler gewährleisten.

Das wäre meine große Bitte, und da setze ich meine Hoffnungen in Sie als Bundeskanz­ler. Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.13


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Berufsschulen nicht verges­sen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm die­ses.


17.14.07

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätz­te Zuseherinnen und Zuseher! Ja, Kollege Steiner, die Dringliche Anfrage ist ein ganz wichtiges Instrument des österreichischen Parlamentarismus, aber dieses Instrument dazu zu missbrauchen, in einer derart derben Sprache über alle anderen herzuziehen, alle anderen zu beleidigen, ist eigentlich ein Skandal. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.) Das ist der Würde dieses Hauses und der Politik als Ganzes einfach abträglich.

Nun zur Sache: Ich möchte das gleich zu Beginn unmissverständlich klarstellen: Die Schulen sind nicht geschlossen. (Rufe bei der FPÖ: Nein! Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich kann dieses Gerede von den geschlossenen Schulen nicht mehr hören. Die Schulen sind offen, und das nicht nur zur Betreuung. Das unterscheidet uns von sehr vielen an­deren europäischen Ländern. Dort sind die Schulen nämlich zu. (Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser. Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist die grüne Handschrift in der Regierung, es ist dank des grünen Engage­ments, dass die Schulen offen bleiben (Heiterkeit bei der FPÖ) und dass auch in der Zeit des Lockdowns die Möglichkeit besteht, dass Kinder eben nicht nur zur Betreuung in die Schule gehen können, denn es ist wichtig natürlich immer im Rahmen der epidemiolo­gischen Erfordernisse –, alles dafür zu unternehmen, dass unseren Kindern und Jugend­lichen die Bildungschancen nicht genommen werden.

An einzelnen Standorten sind bis zu 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler anwe­send. Ganz verstehe ich die SPÖ da nicht, wenn Sie immer betonen, dass es gelte, die Schulen rasch wieder komplett zu öffnen, Ihre Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner aber gleichzeitig meint, dass wir es derzeit aus epidemiologischen Gründen schaffen müssen, dass weniger Kinder in den Schulen sind. (Bundesrat Hübner: Verstehe ich auch nicht!)

Klar ist (Ruf bei der SPÖ: ... und Maßnahmen!), die Schulen sind Teil des allgemeinen Infektionsgeschehens. Wenn die allgemeine Infektionslage hoch ist, dann kann man das auch für den Schulbereich nicht ignorieren. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sperren die Schulen eben nicht zu, wir setzen darüber hinaus auch wichtige Schritte, um unsere Bildungseinrichtungen in dieser sehr schwierigen Situation zu stärken.

Das vor wenigen Tagen von Minister Faßmann präsentierte Förderpaket für Schülerin­nen und Schüler im Ausmaß von 200 Millionen Euro, zusätzlichen 200 Millionen wohlge­merkt, ist ein nie da gewesenes: Es gibt zusätzliche Förderstunden, insgesamt 1,5 Millio­nen zusätzliche Stunden für die Lehrkräfte bis Februar 2022; es wird eine Lernbetreuung


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 132

in den Semester- und in den Osterferien geben; die Sommerschule, die letzten Sommer ein unglaublicher Erfolg war, wird ausgebaut. Ziel ist eine Verdoppelung der Plätze und die Ausweitung der Fördergegenstände auf Deutsch und Mathematik, in den Volksschu­len auch auf den Sachunterricht.

Noch einmal: Die Schulen sind keine Inseln, daher ist das Infektionsgeschehen die Richt­schnur, an der wir uns orientieren müssen. Wir nehmen das aber nicht einfach hin und sperren die Schulen zu, sondern halten sie offen für die, die es wollen und brauchen –, und wir setzen klare Maßnahmen, um den Bildungsbereich zusätzlich zu fördern. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrätin Schartel: Wer’s glaubt, wird selig!)

Eines ist für uns Grüne auch klar: Wenn es zu Öffnungsschritten kommt, müssen die Schulen als Erstes dabei sein. Dafür werden wir uns mit ganzer Kraft einsetzen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. Bundesrätin Grimling: Sie haben ja keinen Unterricht!)

17.17


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses.


17.18.15

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte anfangs auf zwei Sachverhaltsdarstellungen eingehen, also das ist keine tat­sächliche Berichtigung, aber ich möchte ein bissel korrigieren. Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, Kinder können sich genauso anstecken wie Erwachsene. Genauso stimmt zwar qualitativ, aber nicht quantitativ.

Nach den letzten Studien können sich Kinder und Jugendliche ungefähr zur Hälfte so „effektiv“ anstecken wie Erwachsene. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz.) Das macht schon einen Unterschied dabei, wie intensiv die Maßnahmen sind, die man setzen muss, um die Ansteckungen zu verhindern.

Der zweite Punkt: Kollegin Berger-Grabner hat aus der Studie betreffend Schulschlie­ßungen – aus der Untersuchung der Uni Oxford über die Effektivität von Schulschließun­gen zitiert. Dazu sind zwei Dinge zu sagen. Das Erste ist: Das sind Daten aus der sogenannten ersten Welle von Jänner bis Mai, in der es an den Schulen überhaupt keine Infektionsreduktionsmaßnahmen gegeben hat. Zweitens ist aus dieser Studie, wie das in den Medien auch öfters korrekt wiedergegeben wird, nicht differenziert: Was ist der primäre Effekt, was ist der sekundäre Effekt?

Ein vermutlich hoher Anteil der Effektivität dieser Schulschließungen ist, dass die Eltern ihre Kontakte reduzieren müssen. (Bundeskanzler Kurz: Ja, eh! Das ist ja logisch!) Wenn Sie das anerkennen, dann ist die Frage, ob man diese zwei Effekte auseinanderdröseln kann: auf der einen Seite Kontaktreduktion der Eltern beziehungsweise, wenn Eltern Kon­takte haben, dort die Ansteckungsmöglichkeiten zu reduzieren, und auf der anderen Sei­te Kinder, die in die Schule gehen, und dort die Ansteckungsmöglichkeiten reduzieren.

Als Nächstes möchte ich, wie ich das bekanntlich öfters mache, auf die unpräzise Spra­che eingehen, die auch in diesem Zusammenhang gerne verwendet wird und verdeckt, worum es eigentlich geht. Wir haben heute wieder öfters gehört: Schulen nehmen am Infektionsgeschehen teil, beziehungsweise: Kinder nehmen am Infektionsgeschehen teil, oder auch: das Infektionsgeschehen an den Schulen. Die Ungenauigkeit beginnt beim Wort Infektionsgeschehen. Was ist denn Infektionsgeschehen? – Ich würde unter dem Wort verstehen, dass eine Ansteckung stattfindet. Das verstehe ich unter Infek­tionsgeschehen. Das, was die Studien untersuchen, auf die sich diejenigen beziehen, die vom Infektionsgeschehen reden, sind jedoch Prävalenzstudien, und Prävalenzstu­dien untersuchen, wer infiziert ist oder wie viele Personen infiziert sind. Diese Prävalenz­studien treffen überhaupt keine Aussagen darüber, wo die Infektion stattgefunden hat.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 133

Zweiter Punkt: Infektionsgeschehen an den Schulen ist insofern genauso irreführend, denn es ist keine Aussage darüber, ob an den Schulen Ansteckungen stattfinden. Man hat vielmehr Schülerinnen und Schüler beziehungsweise Pädagoginnen und Pädagogen untersucht, und das eben, weil es sehr praktisch ist, am Ort ihrer beruflichen Tätigkeit oder am Ort ihrer Ausbildung und nicht zu Hause oder in einer Teststraße. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt jetzt Daten über Ansteckungen an Schulen in einem sehr aktuellen Policy Brief des Complexity Science Hub Vienna und der Ages gemeinsam mit der Med-Uni Wien und der TU Graz vom 20. Jänner 2021. Nach Schultypen aufgliedert findet sich da, ob Clusterbildungen, die tatsächlich an Schulen erfolgt sind, von Lehrerinnen und Lehrern beziehungsweise Schülerinnen und Schülern ausgegangen sind, woraus man erkennen kann, dass man sehr stark zwischen den Schultypen beziehungsweise nach dem Alter der Schülerinnen und Schüler differenzieren muss. An Volksschulen haben Cluster ihren Ursprung fast ausschließlich bei Lehrerinnen und Lehrern, während hingegen an den Oberstufen fast 80 Prozent der Cluster von Schülerinnen und Schülern ausgehen. Was lernen wir daraus? – Dass man, wenn man Maßnahmen an Schulen setzt, altersmäßig differenzieren muss und kann, was ja teilweise ohnehin schon passiert. Die Frage, die sich daher politisch stellen sollte, ist: Wie schaffen wir es, Präsenzunterricht zu ermögli­chen? Welche Maßnahmen sind dazu notwendig?

Davor möchte ich auch noch auf eine Inkonsistenz eingehen, die mir aufstößt: Am Ar­beitsplatz dürfen sich Personen aus mehreren Haushalten den ganzen Tag im selben Raum aufhalten, wenn nur Trennwände oder Plexiglaswände aufgestellt werden. An den Schulen, wo sich auch Personen aus mehreren Haushalten zumindest den halben Tag aufhalten, sind offenbar ganz andere Standards erforderlich.

Ich möchte jetzt nicht in die Richtung gehen, dass man sagt, man kann Schulen beden­kenlos öffnen, wenn man nur Plexiglastrennwände zwischen den Schülerinnen und Schülern aufstellt, sondern eigentlich in die andere Richtung. Wenn man tatsächlich et­was zur Verminderung der Infektionszahl tun möchte, dann muss man am Arbeitsplatz ansetzen und dort davon abgehen, dass man suggeriert, Plexiglastrennwände zwischen Arbeitsplätzen in Großraumbüros wären geeignete Maßnahmen zur Infektionsreduktion.

Um noch konkret auf den Entschließungsantrag der FPÖ einzugehen: Da steht drinnen: „Sicherstellung eines regulären Unterrichts“. Jetzt werde ich dem zwar zustimmen, aber ich glaube, ich verstehe nicht genau das Gleiche wie Sie unter regulärem Unterricht. Deswegen möchte ich das noch erläutern, damit es da keine Missverständnisse gibt.

Ich verstehe unter regulärem Unterricht nach den Semesterferien nicht den regulären Unterricht, wie er zum Beispiel vor zwei Jahren in Schulen stattgefunden hat. (Die Bun­desrätInnen Schumann und Schennach: Das ist das Problem!) – Na ja, die SPÖ hat offenbar auch mit dem Wort „regulär“ ein Problem. Wenn man das vielleicht vorher ab­gestimmt hätte, wäre eine breitere Zustimmung möglich gewesen.

Welche Maßnahmen sind notwendig, um Präsenzunterricht an den Schulen nach den Semesterferien zu ermöglichen? – Ausgehend von dieser Studie der Ages und des CSH gibt es wunderschöne Handlungsempfehlungen, die nach Schultypen und nach Alters­klassen der Schülerinnen und Schüler differenzieren. Da die Infektiosität altersabhängig ist, genügen an Volksschulen geringere Interventionen als in der Sekundarstufe I oder gar in der Sekundarstufe II. Das sind Maßnahmen wie Lüften, also Frischluftzufuhr, wö­chentliche Testung der PädagogInnen, Schülerinnen und Schüler, Maskenpflicht zumin­dest in der Sekundarstufe – wobei man da auch noch genauer differenzieren könnte, was den Schutzgrad der Masken betrifft, zum Beispiel: FFP2-Masken in der Sekundar­stufe II ab 14, darunter Mund-Nasen-Schutz oder Stoffmaske ‑, halbierte Klassen oder eine Entzerrung der Besucherströme, wobei das in den Schulen nicht das richtige Wort


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 134

ist. Es geht aber darum, zu versuchen, dass sich Schülerinnen und Schüler einer Klasse nicht mit Schülerinnen und Schülern anderer Klassen vermischen, sei es in der Früh zu Schulbeginn, in den Pausen, zu Mittag beim Verlassen der Schule oder, noch schlimmer, in der Nachmittagsbetreuung, die an vielen Schulen immer noch klassenübergreifend durchgeführt wird, was völlig kontraproduktiv ist.

Deswegen ist das Fazit: Setzen wir die Prioritäten richtig und schaffen wir in den Schulen die Rahmenbedingungen, damit nach den Semesterferien der Präsenzunterricht wieder möglich ist! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schererbauer.)

17.28


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. Ich erteile ihr dieses.


17.28.24

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Minister! Hohes Haus! Schilda lässt grüßen! Seit Beginn der Coronapande­mie erleben wir einen Schildbürgerstreich nach dem anderen. Es werden an einem Tag Gesetze beschlossen, es werden Verordnungen erlassen, die dann oftmals am nächsten Tag gar nicht mehr gelten.

Vor knapp einem Jahr hat dieses schwarz-grüne Chaos begonnen. Mit Angst, Schrecken und Panik wurde gearbeitet. Seit einem Jahr werden unsere Freiheitsrechte einge­schränkt. Das Land wurde wirtschaftlich an die Wand gefahren, und jetzt also sind die Schulen wieder geschlossen, oder sie bleiben vielmehr geschlossen.

An der Spitze dieser Regierung stehen Sie, Herr Bundeskanzler, und als Chef dieser Chaostruppe tragen Sie die Hauptverantwortung für diesen Wahnsinn, der sich momen­tan gerade abspielt. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie können sich auch nicht einfach abputzen, sich hinstellen und so tun, als wäre nichts geschehen, als ginge Sie das alles nichts mehr an. Dieser Schmäh zieht nicht mehr. Sie sind es – und das ist ein offenes Geheimnis –, der im Hintergrund die Fäden zieht und die Minister wie Marionetten über die politische Bühne tanzen lässt. Sie selbst jagen von einer Pressekonferenz zur anderen und stehen da beziehungsweise möchten dastehen wie ein Strahlemann in der weißen Weste.

Die Leidtragenden dieser Politik sind die Menschen in diesem Land. 530 000 Arbeits­lose, über 400 000 Menschen in Kurzarbeit stehen rund 50 000 gemeldeten offenen Stellen beim AMS gegenüber. Das haben Sie geschafft, Herr Kanzler! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie treiben die Menschen mit Ihrer völlig verfehlten Politik, mit Ihren völlig überzogenen Maßnahmen in den physischen, psychischen und wirtschaftlichen Ruin – Sorgen, Sor­gen, Sorgen! Die aktuelle Lebensrealität ist besonders für Familien sehr belastend. Die besonders Leidtragenden sind die Kinder, die Jugendlichen; sie trifft es besonders hart. Sie haben keine Lobby. Kinder müssen es so nehmen, wie die Erwachsenen es ihnen richten. Sie können sich nicht wehren, obwohl Sie, Herr Kanzler, den Kindern und Ju­gendlichen die Zukunft rauben.

Rund 1,2 Millionen Schülern in Österreich – alle Schultypen zusammengerechnet – ha­ben Sie bereits wertvolle Bildungszeit gestohlen. Die Schulschließungen sind eine Ka­tastrophe für die jungen Menschen, weil sie zu verheerenden Langzeitfolgen für die so­genannte Coronageneration führen. Die OECD warnt schon seit Monaten davor und wird durch eine aktuelle IHS-Studie unterstützt, und was machen Sie? – Nichts oder fast nichts! Das Einzige, was Ihnen eingefallen ist: Schulen zu schließen und die Schüler, als die Schulen noch offen waren, mit einer Maskenpflicht zu sekkieren und zu schikanieren. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 135

Oder auch wenn ich an diese komischen Selbsttestungen denke – die Antigenschnell­tests, die eigentlich gegen das Medizinproduktegesetz verstoßen, weil dieser Test nur von Fachleuten und keinesfalls von Laien angewandt werden darf –, muss ich sagen, dass ich das mehr als eigenartig und merkwürdig finde, was unsere schwarz-grüne Re­gierung den Menschen zumutet.

Den ganzen letzten Sommer haben Sie anscheinend verschlafen. Es wurden keine Konzepte entwickelt, wie man denn im Herbst eventuell die Schulen öffnen könnte. Man hätte den ganzen Sommer über Vorsorge treffen können. Man hätte flächendeckend Lüftungsanlagen einbauen oder größere Räumlichkeiten anmieten können, die Ausrüs­tung mit Einzeltischen hätte aufgestockt gehört, kleinere Lerngruppen, zeitliche Staffe­lung des Schulbeginns, Luftmessgeräte und, und, und. Es hätte unendlich viele Möglich­keiten gegeben, wie man die Schulen hätte sicher öffnen können. (Beifall bei der FPÖ.)

Alle guten Ideen und Anregungen von den Freiheitlichen und von der Opposition wurden aber vom Tisch gefegt. (Bundesrat Seeber: Man hätte auch ..., keine Frage!) All das hätten Sie, ÖVP und Grüne, umsetzen können. All das hätten Sie umsetzen können, denn es war bereits nach dem ersten Lockdown bekannt, dass es Bildungsmankos gibt.

Man wollte eigentlich im Sommer sogenannte Check-in-Gespräche mit den Schülern führen, um deren Wissensstand zu überprüfen – das ist leider bis heute nicht geschehen. Stattdessen hat man die Kinder im Herbst in die Schule geschickt und dann völlig unvor­bereitet im nächsten Lockdown mit Schulschließungen zwangsverdonnert. Dabei spre­chen sich alle Experten und alle Institutionen für das Offenhalten der Schulen aus, denn jeder weiß, dass die Schulen nicht die Treiber des Infektionsgeschehens sind.

Kinder sind keine Ansteckungsquelle. Da muss ich zum Kollegen von den NEOS schau­en, denn das schreibt ein Mitglied der Salzburger Landesregierung in einem offenen Brief an Pädagogen und Eltern, und dieser Brief ist ein öffentliches Schreiben. Ein Mit­glied der Salzburger Landesregierung vertritt genau das, was ich jetzt soeben gesagt habe: Kinder sind keine Ansteckungsquelle!

Die Kinder, die Schulen leiden darunter. Die Schulen sind von einer Bildungseinrichtung zu einer Betreuungseinrichtung degradiert worden, und das zulasten der Schüler und der Kinder. Herr Kanzler, Bildung ist kein Privileg. Bildung ist ein Recht und deshalb auch dezidiert in den Artikeln 28 und 29 der UN-Kinderrechtskonvention verankert. Über all das setzen Sie sich hinweg. Wir werden sehen, welche Langzeitfolgen die aktuelle Si­tuation haben wird. Die Bildungsschere geht jetzt noch weiter auseinander als bereits vorher.

Homeschooling via Internet ist eigentlich nur ein reines Experiment, bei dem wir schon ahnen können, welche Folgen es haben wird. Die Kollateralschäden dieses Experiments gibt es bereits, sie liegen auf der Hand. Armutsgefährdete Schüler haben zu Hause nicht einmal einen Computer. Laut IHS können die Lehrer während der Schulschließungen 36 Prozent der Schüler schwer oder gar nicht erreichen. Es ist offensichtlich, dass sich Armut durch die geschlossenen Schulen in noch höherem Ausmaß als sonst auf den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen auswirken wird. Diese schwarz-grüne Re­gierung sitzt da, spielt mit dem Handy, wie der Herr Kanzler gerade, und bringt es nicht auf die Reihe, vorausschauend zu planen. (Beifall bei der FPÖ.)

Bis heute gibt es keine mittel- oder langfristigen Pläne für das Reparieren eurer Pfusch­politik. Wie stellt sich Österreich der Herausforderung einer möglichen verlorenen Gene­ration? Die von Minister Faßmann angekündigten 200 Millionen Euro für Förderunter­richt allein werden zu wenig sein. Herr Kanzler, Sie haben leider keinen blassen Schim­mer, wie es den Menschen in diesem Land geht. Wenn man Sie so beim Agieren beob­achtet – auch jetzt gerade –, hat man wirklich den Eindruck, als ob Ihnen das alles egal wäre.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 136

Bildungsökonom Ludger Wößmann warnt vor materiellen Folgen für Schüler. Der Lock­down hat nämlich auch drastische Folgen für die späteren Verdienstchancen. Ich brau­che kein Volkswirtschaftsstudium wie unser Arbeitsminister gemacht zu haben, damit ich weiß: Je besser die Ausbildung ist, desto geringer ist die Chance, dass ich in Arbeitslo­sigkeit abrutsche, oder je besser die Ausbildung ist, desto höher sind die Verdienstchan­cen. – Durch den Schullockdown wird eben weniger Wissen vermittelt und die Ausbil­dung ist eine schlechtere. Ich habe es vorhin schon gesagt, ein Drittel der Schüler ist wenig bis gar nicht erreichbar und hat gar keinen Computer – ein Drittel! Es ist einfach ein Indiz dafür, dass der Präsenzunterricht durch nichts, durch gar nichts zu ersetzen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Die ökonomischen Folgen lassen sich ausrechnen. Wenn ein Drittel des Lernstoffs eines Schuljahres verloren geht, hat man im Durchschnitt circa 3 Prozent weniger Lebensein­kommen. Dieses Drittel haben unsere Schüler locker innerhalb des letzten Jahres ver­säumt. Die tun mir wirklich leid. Es ist zu befürchten, dass viele Schüler wegen des Lock­downs keine Lehrstelle finden oder das Ende ihrer angestrebten Lehrausbildung gar nicht erreichen werden. Dieses Desaster wiederum führt uns zu einem weiteren Fachar­beitermangel in diesem Land. Kinder und Jugendliche gehören gefördert, schließlich und endlich sind sie unsere Zukunft. (Beifall bei der FPÖ.)

Je mehr Zeit vergeht, umso schlimmer wird die Situation. Die Kinder verlernen das Ler­nen. Die Kinder verlieren die Lust am Lernen. Es werden mit Ihren Maßnahmen die Zu­kunftschancen für die österreichischen Kinder und Jugendlichen mit jedem Tag der Schulschließung kleiner. Kinder brauchen Kinder um sich, Jugendliche brauchen Ju­gendliche um sich. Gerade bei Jugendlichen auf dem Weg zum Erwachsenwerden spie­len die sozialen Kontakte eine große Rolle. Wenn diese schwarz-grüne Regierung mit Ihnen, Herr Kanzler, so weiterwurschtelt, werden wir grobe soziale Defizite in der nächs­ten Erwachsenengeneration erleben müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben es ja gestern und in den letzten zwei, drei Tagen ganz drastisch gehört, wie überfüllt die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind. Es ist einfach bitter, sagen wir, wie man jungen Menschen mit falscher Politik das Leben so verhunzen kann. Es ist falsche Politik. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher ist diese schwarz-grüne Bundesregierung verpflichtet, ihre falsche Placebopolitik zu beenden und alles zu unternehmen, damit Kinder und Jugendliche den besten Start ins Leben haben. Das bedeutet für Sie, Herr Kanzler: Sperren Sie die Schulen auf! (Bei­fall bei der FPÖ.)

17.40


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesmi­nister Dr. Heinz Faßmann. Ich erteile dieses.


17.40.37

Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann: Hoher Bundesrat! Sehr geehrter Herr Präsident! Auch wenn sich die Dringliche Anfrage an den Bundeskanzler richtet, habe ich meinen Terminplan gern umgestellt, um mit Ih­nen über die angesprochene Problematik zu diskutieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich schätze die Diskussionen im Bundesrat, weil sie in der Regel immer sachorientiert ablaufen – in der Regel; heute vielleicht nicht immer, heute ist vielleicht der kurzfristige politische Effekt im Vordergrund. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der ÖVP.) Nichtsdesto­trotz: Ich stelle mich gern dem Bundesrat zur Verfügung und diskutiere über diese Pro­blematik. (Zwischenruf des Bundesrates Hübner.)

Mit der Dringlichen Anfrage wird ein grundsätzliches Dilemma angesprochen: Wie gehen wir mit Schulen, mit Hochschulen, auch mit elementaren Bildungseinrichtungen, sprich


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 137

Kindergärten und Kinderkrippen, in Zeiten der Pandemie um? – Da gibt es kein einfa­ches Rezept, weil es auch insgesamt keinen Masterplan gibt, den man aus der Lade nimmt und der da lautet: Vom richtigen Umgang mit einer Pandemie!

Unsere Gesellschaft hat so eine Situation insgesamt noch nie erlebt. Natürlich, wir haben immer wieder Naturkatastrophen, wir haben wirtschaftliche Einbrüche, wir haben soziale Verteilungskonflikte, aber eine Pandemie, die letztlich nur sehr mühsam unter Kontrolle zu halten ist, weil sie uns auch immer wieder zu entgleiten droht – Stichwort Mutatio­nen –, hat es so noch nicht gegeben. Ich bitte, das wirklich bei all den parteipolitischen Gegensätzen, die unzweifelhaft vorhanden sind, auch so zu sehen, wie es ist.

Meine Damen und Herren, die Schulen, Hochschulen und die elementaren Bildungsein­richtungen sind besondere Orte. Das müssen Sie weder dem Kanzler noch mir sagen, da sind wir in der Regierung ganz einer Meinung. Sie dienen der Wissensvermittlung, der Sozialisierung und der Prägung der nächsten Generation. In den Schulen, in den Hochschulen, in den Bildungseinrichtungen generell kommen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zusammen, sie tauschen sich aus, sie lernen voneinander, sie tragen Konflikte aus, sie schließen Freundschaften. Schulen, Hochschulen, Kinderbetreuungs­einrichtungen sind die Werkstätten der Zukunft – das ist ein oft verwendetes Wort, aber es ist ein korrektes Wort. Ich sehe es daher als meine Aufgabe an, darauf auch immer wieder hinzuweisen, und mein Wirken zielt klarerweise auch darauf ab, die richtigen Rahmenbedingungen und die Funktionstüchtigkeit dieser Bildungseinrichtungen in den schwierigen Zeiten der Pandemie sicherzustellen.

Es sind schwierige Zeiten – das ist ja gar keine Frage –, und dennoch ist uns viel ge­lungen. Stichwort Digitalisierung: Wir haben im Rahmen der Digitalisierung noch nie so einen Sprung wie in den letzten Monaten gemacht. Stichwort Förderplan: Das sagt sich so leicht: Ach, es sind ja nur 200 Millionen Euro und das wird nicht ausreichen! – Wissen Sie, es sind 200 Millionen Euro Steuergelder, die sinnvoll verwertet und verwendet wer­den, und ich denke, auch aus Respekt den Steuerzahlern gegenüber sollte man diese 200 Millionen Euro nicht immer kleiner machen, als sie sind. (Beifall bei der ÖVP. – Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Stichwort Betreuung in den Schulen: Wir haben den Spagat gewagt und es ist gelungen, eine Situation herzustellen, in der die Schule für Betreuungsfunktionen offensteht. Wir haben damit Eltern geholfen. Wir haben keine Fragen gestellt – sind Sie jetzt systemkri­tisch beschäftigt? (Rufe bei der SPÖ: Na ja!) –, denn systemkritisch sind letztlich alle Berufe in einer Gesellschaft. Wir haben dafür gesorgt, dass es für die Eltern in einer schwierigen Zeit leichter wird.

Meine Damen und Herren, ich wäre sicherlich deplatziert, wenn ich mich nicht für die Bildungseinrichtungen einsetze. Natürlich melde ich mich zu Wort, und natürlich bespre­chen wir mit dem Kanzler in der Bundesregierung Öffnungsschritte und Schließungs­schritte. Diese Diskussionen erfolgen auf einer rationalen Basis.

Ich muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass Schulen, Hochschulen und sonstige Bildungseinrichtungen eben keine isolierten Orte in der Gesellschaft sind. Natürlich schwappen Infektionen hinein, Infektionen finden ihren Weg zurück. Sie sind nicht Orte des eruptiven Geschehens wie vielleicht ein Starkbierfest, ein Almabtrieb oder manch­mal Fleischfabriken – all das war ja zu beobachten –, aber sie sind auch nicht frei von Ansteckungen. (Bundesrat Schennach: Ja, aber das ist ein anderes Thema! Das mit dem Almabtrieb zu vergleichen ist unerhört!) – Das mögen Sie so sehen, aber Sie haben es offensichtlich nicht ver- - (Bundesrat Schennach: Da geht es um Arbeitsbedingungen und Menschenausbeutung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich muss auch berücksichtigen, dass mit dem Öffnen der Bildungseinrichtungen 1,2 Mil­lionen Schüler und Schülerinnen und 300 000 Studierende im öffentlichen Raum unter­wegs sind. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen, denn eines ist


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 138

klar: Das Virus braucht zur Verbreitung eine länger andauernde Mensch-zu-Mensch-Be­gegnung, damit die Aerosolübertragung überhaupt eine Chance hat.

Ich bin, meine Damen und Herren, als Fachminister von der Bedeutung der Schulen, der Hochschulen, der Bildungseinrichtungen insgesamt überzeugt. Daher haben wir auch Maßnahmen gesetzt, um die Schule, Hochschule wieder mit Präsenzlehre öffnen zu können. Ein Schichtbetrieb reduziert die Dichte um 50 Prozent und erlaubt es, Abstand zu halten. Ein Mund-Nasen-Schutz hemmt die Aerosolübertragung in einem eindeutigen und gesicherten Ausmaß. Regelmäßiges Lüften ist nicht nur die einfachste, sondern auch die effektivste Maßnahme, um für frische Luft im Klassenzimmer zu sorgen. Ein niederschwelliges, dezentrales und kostenfreies Testen gibt den Eltern, den Schülern, den Studenten die Gewissheit hinsichtlich einer ganz essenziellen Frage: Bin ich infek­tiös oder nicht? – Wir sind in diesem Punkt Pioniere. Mich rufen ausländische Kollegen an und fragen: Wie gelingt das? Wie machen Sie das?

Ich weiß, liebe FPÖ, gegen das Testen sind Sie auch (Bundesrat Dim: Nein!), aber wofür sind Sie dann? Für das Ignorieren der Infektion? (Ruf bei der FPÖ: Freiwilligkeit!) – Das, fürchte ich, ist leider kein Weg, der uns rasch zur Normalität zurückführt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.)

Vielleicht zum Schluss auch noch ein persönliches Wort: Die Zeit ist schwierig, sie ist belastend – in erster Linie für die Bevölkerung, für politische Funktionsträger; für mich wohl auch, keine Frage, aber Kritik muss man aushalten, auch wenn es für einen Pro­fessor nicht immer ganz einfach ist. Kritik ist ein Stimulus für das Nachdenken und Re­flektieren: Habe ich alles richtig gemacht oder hat der Kontraredner in diesem einen oder anderen Punkt nicht doch recht? Dahin gehend ist Kritik, wenn sie nicht oberflächlich und banal ist, auch so wichtig und eine echte Stärke unseres demokratischen Systems.

Weil Sie so viele Fragen zum Rücktritt gestellt haben: Ich freue mich, diesem demokra­tischen System aktiv dienen zu dürfen. – Herzlichen Dank. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

17.48


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank.

Nächste Rednerin: Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr das Wort.


17.48.37

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen, auch via Livestream! Eine Dringliche Anfrage zum Thema Bildung von der FPÖ – da habe ich mir zuerst verwundert gedacht: Oje! Ich denke mit Schaudern daran, was zu Ihrer Regierungszeit an Bildungsvorschlägen gekommen ist. Ich denke beispielsweise nur an die Deutschförderklassen, die jetzt zum Glück vor dem Verfassungsgerichtshof nicht standhalten. (Bundesrätin Schartel: Die sind super, die haben sich bewahrheitet!)

Deshalb war das Thema Bildung und FPÖ immer so ein Auslöser für Bauchweh. (Zwi­schenruf des Bundesrates Ofner.) Dann aber habe ich mir gedacht: Gut, über Bildung zu reden ist immer gut. Jeder Anlass, über Bildung zu reden, ist gut, und wir haben auch eine kleine Schnittmenge, denn auf die Kinder und Jugendlichen zu schauen und die Bildung in den Vordergrund zu rücken, da haben wir, glaube ich, eine gemeinsame Ba­sis.

Ich möchte tatsächlich mit einem Lob beginnen, nämlich (Bundesrat Schennach: Ui!) – ja, man höre und staune: mit einem Lob! – an Sie, Herr Bildungsminister Faßmann, da­für, dass Sie – und ich nehme Ihnen das tatsächlich ab – alles tun und sich redlich be­mühen, damit der Schulbetrieb, der Bildungsbetrieb stattfinden kann. Das muss auch


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 139

das Ziel sein. Ich habe das Gefühl, es ist auch unser gemeinsames Ziel, dass Schülerin­nen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer ehestmöglich wieder an die Standorte zu­rückkehren können, aber – und das ist unser Unterschied zur FPÖ – unter sicheren Rahmenbedingungen für alle, die dort sind. – Das ist das große Ziel und ich habe den Eindruck, dass Sie daran arbeiten.

Ich hätte Ihnen aber nach dem Lob auch ein bisschen mein Mitleid ausgesprochen, weil ich immer das Gefühl habe, dass Sie, wenn Sie einen Zeitplan und ein Konzept vorlegen, vom eigenen Kanzler und den anderen Regierungsmitgliedern sozusagen ausgespielt werden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Man hat diesen Eindruck, dass die Entscheidungen im Bildungsbereich doch zweitrangig sind. Bildung ist so ein bisschen eine Verschubmasse, und damit auch das Schicksal der Kinder und Jugendlichen in Österreich. Dass man damit nicht spielen kann und nicht spielen darf, das muss einem einfach bewusst sein. Diese Ernsthaftigkeit kann ich dieser Regierung aktuell nicht zu­sprechen. Ich vermisse diese Ernsthaftigkeit, was Kinder und Jugendliche und deren Bedürfnisse betrifft. Deshalb sind wir in diesem Bereich auch einigermaßen kritisch.

Ich möchte im dritten Schritt, nach dem Lob und dem Mitleid, doch auch anmerken, dass es in der letzten Zeit wirklich gravierende Hoppalas und schwierige Entscheidungen gab, was den Bildungsbereich betrifft, nämlich: Öffnungstermine anzukündigen, Schulen zu öffnen, Schulen zu schließen, Selbsttests anzukündigen, die dann nicht ankommen, und so weiter. Viele von diesen Dingen waren vorhersehbar. Es war schon im Sommer vor­hersehbar, dass der Herbst wieder eine schwierige Situation bringt, dass irgendwann Tests kommen werden, dass irgendwann hoffentlich eine Impfung kommt. Man hätte das vorausschauend besser vorbereiten müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schen­nach: ... ist Mitleid ein bisschen viel!)

Vieles davon war absehbar und es hätte eine bessere Planung gebraucht. Die Bildung ist eigentlich ein Sinnbild oder ein trauriges Beispiel dafür, wie oft diese Regierung in den letzten Monaten planlos und strategielos agiert hat – das muss man schon auch so sagen dürfen (Beifall bei der SPÖ) –, und dass Kinder und Jugendliche als SchülerInnen, auch die Eltern, die daran hängen, und die PädagogInnen, die daran hängen, die Leidtra­genden sind und mittlerweile einen großen Leidensdruck erleben, das ist klar.

Herr Kanzler, Sie haben vorhin von der Abwägung der verschiedenen Bedürfnisse ge­sprochen. Wir sind uns dessen auch bewusst, dass im Moment viele verschiedene Be­dürfnisse im Raum stehen und es schwierig ist, zu entscheiden, was Priorität hat und was jetzt am dringendsten ist. Aber: Kinder und Jugendliche leiden still, und Kinder und Jugendliche verschaffen sich nicht so leicht Gehör wie eine Wirtschaftslobby und andere Lobbys. Daher ist es unser dringendes Anliegen als Sozialdemokratie, dieser Zielgruppe politisch mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sie wirklich mitzudenken und ihre Bedürf­nisse ernst zu nehmen.

All das, was wir gestern von der Kinder- und Jugendpsychiatrie gehört haben, verstärkt diesen Eindruck, dass man lange die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen weg­ignoriert hat, denn diese Situation der Triage, die jetzt anscheinend auf den Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrien stattfinden muss, hat sich über Monate aufgebaut. Die massiven psychischen Belastungen sind ein Produkt von mehreren Faktoren und kommen nicht von einem Tag auf den anderen, sondern beweisen diesen Leidensdruck, der über viele Wochen und Monate entstanden ist. Wir haben öfter davor gewarnt, dass das kommen wird. Wir sind jetzt an diesem Punkt, den wir nicht wollten, dass Jugend­liche – ich habe es heute Vormittag auch schon Ministerin Raab als Familien- und Ju­gendministerin mitgegeben, Sie müssen das jetzt leider noch einmal hören, aber es ist wichtig –, die suizidgefährdet sind oder Essstörungen oder Angststörungen haben, jetzt wieder nach Hause geschickt werden müssen, in die Familien.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 140

Das können wir alle nicht wollen, und deshalb braucht es mehr als die bisherigen Maß­nahmen. Es braucht ein Paket für Kinder und Jugendliche, und da ist die Bildung ein Teil davon, aber es braucht rundherum noch mehr Begleitmaßnahmen, um diese Zielgruppe abzufangen.

Es gibt noch einen Punkt, den ich Ihnen mitgeben möchte: Unter Stress kann man nicht lernen, umso weniger, je größer die Anspannung in den Familien ist, je größer die An­spannung der Eltern ist, die arbeitslos sind, die Existenzsorgen haben. Mit einem Ar­beitslosengeld von 50 Prozent kann man kein stressfreies Leben führen, daher muss ich jetzt anbringen, dass die Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent Stress aus den Familien nehmen würde, und man kann nur lernen und sich bilden, wenn man ein stressfreies Umfeld hat. Alle, die in der Pädagogik, in der Bildung arbeiten, wissen, was das heißt. Auch diese Maßnahmen helfen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass nun Schichtbetrieb geplant ist, dass Lehrerinnen und Lehrer Selbsttests machen können, auch die Schülerinnen und Schüler, dass es Förderprogramme gibt: All das ist prima, all das unterstützen wir, all das hätten wir uns schon früher gewünscht, all das war vorhersehbar – das muss ich noch einmal betonen.

An einem Beispiel muss ich jetzt noch dieses Thema der Planlosigkeit, der Strategielo­sigkeit festmachen – Herr Minister Faßmann, Sie werden schmunzeln, da ich es jedes Mal, wenn Sie hier sind, wieder nicht auslasse –, es ist das Thema der Elementarbildung. Die Elementarbildung, muss man wissen, ist meistens das Anhängsel der Schule, und das ärgert die Beschäftigten in diesem Bereich. Die Elementarbildung hatte aber jetzt immer offen und hat zurzeit eine Auslastung zwischen 70 und 80 Prozent. Das ist ein großer Unterschied auch zum Schulbetrieb, darum darf man diesen Bereich nicht als Anhängsel betrachten und darum braucht er mehr Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Am Sonntag war der Tag der Elementarbildung. Wer die Medien verfolgt hat, hat es spüren können: Es regt sich enormer Unmut in dieser Berufsgruppe, es brodelt. Das hat mit langgehegten Forderungen zu tun, was die Rahmenbedingungen in diesem Berufs­feld betrifft, aber auch mit der konkreten Angst, sich in der Arbeit anzustecken.

Ich hatte gestern ein Zoom-Meeting mit den großen Trägern von privaten Kinderbil­dungseinrichtungen, die sagen – in den Bundesländern ist es wieder einmal extrem un­terschiedlich –, diese Selbsttests sind noch nicht angekommen. Es gibt Bundesländer, da werden die KollegInnen aufgefordert, zur nächsten Teststraße zu fahren, die mitunter eine Dreiviertelstunde weg ist, und das zweimal in der Woche, möglicherweise während der Dienstzeit. Man kann sich nicht vorstellen, was das im laufenden Bildungsbetrieb bedeutet! Das heißt, die Elementarbildung muss in den Fokus genommen werden. Ich weiß, es gibt die Kompetenzverteilung, aber man kann als Regierung Dinge anleiern und in den Fokus nehmen.

Herr Minister, da Sie heute hier sind, noch ein Wort zu diesem Elementarpädagogikbeirat im Ministerium, über den wir alle sehr froh sind, dass er installiert wurde: Es gibt enorme Erwartungen an dieses Gremium, das sollte Ihnen bewusst sein. (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach. – Bundesrätin Schumann: Ohne Beteiligung der Sozialpartner!) – Korinna, ich komme noch dazu.

Das, was ich dort beobachte, ist, dass dieses Gremium zurzeit mit der Sammlung von Zahlen, Daten und Fakten beschäftigt wird. Das könnte parallel ein wissenschaftliches Institut machen, damit diese Zahlen, Daten, Fakten auch vergleichbar werden. Jetzt wer­den oft verschiedenste Informationen zusammengetragen, die nicht vergleichbar sind, also das sollte jemandem in die Hand gegeben werden. Das, was dieser Beirat machen muss, ist, gemeinsam mit den Ländern und den Stakeholdern Ziele zu formulieren, wo konkret Verbesserungen in diesem Bereich stattfinden sollen, und eine gemeinsame Strategie, wie man dorthin kommt. Dafür muss die Zeit in diesem Beirat verwendet wer­den – das wünsche ich mir.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 141

Wir haben in der Krise auch gelernt, Herr Kanzler – auch Sie –, dass die besten Lösun­gen entstehen, wenn man die Sozialpartner einbindet. (Beifall bei der SPÖ.)

Darum meine dringende Empfehlung: Nehmen Sie die Sozialpartner in diesen Beirat auf – keine Angst davor, die Forderungen in diesem Bereich sind unter den Sozialpart­nern zu 95 Prozent ident –, und man könnte viel rascher zu den Lösungen kommen, die es da braucht!

Damit die KollegInnen in den Einrichtungen ihre Arbeit tun können, sicher tun können, damit die Bildungsorte sichere Orte sind, braucht es aber flächendeckend und jetzt praktikable Tests vor Ort und rasch die Impfung.

Ich habe deshalb einen Entschließungsantrag mitgebracht, den ich einbringen möchte:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Priorisierung der Impfung von PädagogInnen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Gesundheit, Soziales, Pfle­ge und Konsumentenschutz“ – aber bitte auch Sie beide (in Richtung Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Faßmann) – „wird aufgefordert, die PädagogInnen und das Personal an Bildungseinrichtungen in der Impfreihenfolge zu priorisieren und so sicher­zustellen, dass diese ehestmöglich geimpft werden können.“

*****

Das ist die Grundlage dafür, dass die Schulen und die Bildungseinrichtungen allesamt sicher geöffnet werden können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letztes Thema habe ich noch – an einem Tag wie heute kann man nicht zur Tages­ordnung übergehen, ohne es anzusprechen, auch das habe ich heute Vormittag schon gemacht, ich muss es noch einmal tun –: Neben der Strategielosigkeit, der Planlosigkeit ist am heutigen Tag auch die Herzlosigkeit so relevant, Herr Bundeskanzler, auch einzel­nen Schülerinnen und Schülern gegenüber, Kindern gegenüber.

Es wurden heute Nacht – um 3 Uhr nachts! – wirklich gut integrierte Familien, gut inte­grierte Schüler und Schülerinnen von Heerscharen an Sicherheitskräften abgeholt, mit Hunden, mit Munition. (Bundesrat Seeber: Wir haben einen Rechtsstaat!) Mir an Ihrer Stelle wäre so richtig schlecht. (Bundesrat Seeber: Wir haben einen Rechtsstaat! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, aber wir haben auch eine humanitäre Verpflichtung, schutzlosen Menschen Schutz zu gewähren und da humanitäres Bleiberecht einzuset­zen. Da würde Ihnen kein Zacken aus der Krone fallen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundes­rätin Schumann: Das ist ein Unrechtsstaat, Seeber!)

Zuzusehen, wie Kinder im Dreck liegen, in Bosnien, in Griechenland: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Entscheidungsträger, der das in seiner Amtsperiode mitansehen muss, gut schlafen kann. Ich würde mir da mehr Menschlichkeit wünschen. Sie sagen immer wieder, es muss Hilfe vor Ort geleistet werden, aber die Hilfe kommt offensichtlich nicht an. Wir sehen jeden Tag die Bilder: Die Kinder frieren, die Kinder liegen im Dreck, und solange das so ist, müssen wir schauen, dass sie von dort in Sicherheit gebracht werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Novak: Da trauen sich die Grünen nicht zu klatschen! Oder dürfen sie nicht?)

Sie haben einmal erschreckenderweise gesagt, Herr Bundeskanzler, es wird nicht ohne scheußliche Bilder gehen. Heute ist so ein Tag. Ich habe so ein scheußliches Bild mit­gebracht (ein Bild, auf dem winkende Kinder zu sehen sind, in die Höhe haltend): Kinder,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 142

die an ihrem Fenster winken, SchülerInnen, die ihre MitschülerInnen verabschieden müssen. Ich möchte Ihnen das für Ihre scheußlichen Bilder mitgeben. (Die Rednerin legt das Bild vor Bundeskanzler Kurz auf die Regierungsbank.) Ich hoffe, dass es das letzte scheußliche Bild ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Zurück nach Österreich: In unserer Verfassung steht, das Wohl der Kinder ist vorrangig zu behandeln. Dafür haben wir die Kinderrechte in den Verfassungsrang gehoben. Damit das endlich passiert, müssen Sie, Herr Kanzler, müssen Sie, Herr Minister, und alle an­deren Regierungsmitglieder dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche politisch Thema sind, politisch Aufmerksamkeit bekommen, dass die Schulen ehestmöglich sicher öffnen können und dass Kinder und Jugendliche gut durch diese Krise begleitet werden. Das wünsche ich mir von einem Kanzler, das wünsche ich mir von einer Regierung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.04


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den Bundesräten Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Priorisierung der Impfung von PädagogInnen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Ver­handlung.

Ich darf unseren Bundesminister Alexander Schallenberg im Bundesrat begrüßen. – Grüß Gott! (Beifall bei der ÖVP sowie bei BundesrätInnen von SPÖ, FPÖ und Grünen.)

Eine weitere Wortmeldung liegt mir vor: Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile das Wort.


18.05.21

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Kanzler! Die Herren Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Wer nichts weiß, muss alles glauben – der Leitspruch der Science Busters, der gerade in der jetzigen Zeit sehr passend ist. Herr Minister Faß­mann, ich muss auf eines eingehen: Sie haben gesagt, wir seien gegen alles, wir seien gegen das Testen – solche Aussagen fallen immer wieder –; wir seien auch gegen das Impfen, wird von der ÖVP behauptet. – Nein, wir sind nicht gegen das Testen, sondern wir sind für sinnvolle Maßnahmen beim Testen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Massen­tests, zu denen nur 30 Prozent gehen, bringen nichts. Wenn es auf der anderen Seite keine Tests für Altersheime oder keine Testmöglichkeiten gibt, wenn man unter 1450 anruft, so wie es in der Vergangenheit der Fall war, dann sind wir gegen diese Maßnah­men, weil sie sinnlos sind. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Zum Thema Impfen, meine Damen und Herren, um das vielleicht auch noch einmal he­rauszuarbeiten: Jeder, der sich impfen lassen will, soll sich impfen lassen, aber es muss freiwillig erfolgen. Wir sind nicht wie die ÖVP, die von vornherein sagt, dass alles super ist und wir deshalb alle durchimpfen müssen, weil eh gar nichts passieren kann. Das ist nicht unsere Einstellung. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kanzler, Sie haben heute in Ihren Ausführungen – abgesehen davon, dass Sie, glaube ich, 29 Fragen mit vier Statements beantwortet haben – ganz nebenbei auch ein bisschen auf die Tränendrüse gedrückt – was Ihnen unbenommen sei, Sie waren dann aber eindeutig auch sehr polemisch, als es darum gegangen ist, dass, wie Sie gesagt haben, ein Kind nach Hause kommt, seine Omas und Opas ansteckt und diese dann sterben. – Ja, wenn so etwas passiert, dann, das sage ich Ihnen ganz ehrlich, ist das furchtbar, aber ich sage Ihnen auch: Das ist in den letzten 200 Jahren oder wahrschein­lich 1 000 Jahren auch so passiert, da war es halt nicht Corona, sondern irgendeine an­dere Krankheit. (Heiterkeit und Na-Rufe bei der ÖVP. – Bundesrat Seeber: Corona gibt’s ja nicht!)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 143

Ich will aber ganz etwas anderes dazu sagen (Zwischenrufe bei der ÖVP): Glauben Sie, dass es besser war, wie es jetzt passiert ist, als Hunderte oder vielleicht sogar Tausende Omas und Opas, die monatelang ihre Enkelkinder und Kinder nicht gesehen haben, alleine gestorben sind? – Das haben Sie verursacht. – Auch wir können also polemisch sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Denkanstoß für alle hier im Saal: Denken Sie einmal nach, warum in einem Gefäng­nis – nicht bei uns, aber in anderen Ländern – die härteste Strafe die Isolationshaft ist! Das ist das, was Sie jetzt mit den alten Menschen in den Pflegeheimen oder woanders privat aufführen! – Nur zum Nachdenken. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Ja also das ist jetzt wirklich ...!)

Da komme ich gleich zum nächsten Punkt – Herr Kollege Seeber, ich höre euch natürlich auch immer, wir sitzen ja nebeneinander –: diese Überheblichkeit. Da sind wir wieder dort: diese einzigartige Wahrheit! Nur die ÖVP weiß, was richtig ist, weil diese Wahrheit, diese Meinung von Gott gegeben ist (Bundesrätin Grimling: Von Kurz!), und das immer wieder. Auch da will ich euch eines sagen: Es mag schon sein, dass ihr eine Meinung habt, und es mag auch sein, dass ihr Experten habt. Der Unterschied zwischen euch und uns ist, dass ihr nur das ÖVP-Buch aufschlagt, dort nachschaut, was vorgegeben ist, und es so ist. Wir schauen uns zusätzlich zum ÖVP-Buch (Ruf bei der ÖVP: Euch sagt’s der Kickl!) auch noch alles Mögliche andere an und wägen dann ab, was stimmen könnte, was vielleicht nicht gut ist und was besser sein könnte. Es würde euch auch nicht schaden, wenn ihr das einmal so machen würdet. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Kanzler, leider ist es so: In Wahrheit verunmöglichen Sie unseren Kindern derzeit eine korrekte und ordentliche Form der Bildung. Sie produzieren doch eine Generation Corona. Natürlich werden einige Kinder trotzdem ihren Weg machen, nichtsdestotrotz hinterlassen Sie eine Spur der Verwüstung am Bildungsweg unserer Kinder und Jugend­lichen. (Bundesrat Seeber – den Kopf schüttelnd –: Geh!) Das ist nicht wegzudiskutie­ren. Wenn einmal irgendwo Unterricht stattfindet, dann müssen Kinder dort Masken tra­gen. Das ist krank, meine Damen und Herren, das macht auch krank, das macht die Kinder krank.

Und das, was Sie derzeit von den Eltern verlangen, ist unzumutbar, wirklich unzumutbar: Lehrer, Versorger, Pfleger, Unterhalter, Brötchenverdiener und, und, und – und das alles natürlich in einer Person. Das geht sich einfach nicht aus.

Rausgehen und Freunde treffen, gemeinsam spielen, Fußball et cetera, alles ist verbo­ten, und so verbringen viele Kinder den ganzen Tag in ihren Wohnungen, vielleicht im Haus, in ihrem Zimmer, vor dem PC, am Handy, so wie Sie gerade, Herr Kanzler, am Tablet oder vor dem Fernseher. Da wären ja dann, um zum Leitspruch der Science Bus­ters zurückzukommen, so Sendungen wie „Science Busters“ ja noch wertvoll, doch schaut die Erfüllung des Bildungsauftrags des ORF leider genauso traurig aus wie Herr Minister Faßmann, wenn er zum zehnten Mal vom Kanzler overrult wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Traurig an diesem Bildungsauftrag ist auch, dass man aus vermeintlichen Spaßsendun­gen mehr an Informationsgehalt herausnehmen kann als aus dem restlichen Programm, inklusive den gekauften Nachrichten. Da spreche ich jetzt eine Sendung im Speziellen an, die wegen ihrer Kanzler- und auch Regierungskritik abgesetzt wird: „Gute Nacht Ös­terreich“, im wahrsten Sinne der Worte.

Ich oute mich, ich persönlich bin ein Fan von Peter Klien. Ich kann Ihnen auch sagen, warum: weil der alle verreißt, der ist zu allen gleich gemein, egal ob Rot, Grün, Schwarz, Pink, Blau, und das im Gegensatz zu vielen anderen Staatskünstlern, die immer nur auf die Blauen hinhauen, damit sie beim nächsten Mal vom Regierungsfunk wieder irgend­eine Sendung oder einen Auftritt bekommen. Dieser Peter Klien hat es offenbar und


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 144

offensichtlich übertrieben, denn die Kritik, die er an Herrn Kanzler Kurz geübt hat, ja, das ist in der ÖVP mit reiner Blasphemie gleichzusetzen.

Besonders Kliens letzte Sendung war sehr spannend. Vielleicht haben Sie diese gese­hen, Herr Kanzler. Es ging darum, wie man auch in der Coronazeit, in der Krise Gewinn machen kann, und das will ich Ihnen ganz kurz, auch in Erfüllung des Bildungsauftrags, zusammengefasst näherbringen.

Wie kann man in dieser von der Regierung herbeigeführten Krise kräftig abkassieren? – Alle Klein- und Mittelunternehmen und auch die Einpersonenunternehmen muss ich jetzt gleich enttäuschen: Sie gehören nicht dazu. Wenn Sie ein Großkonzern oder ein ÖVP-Freund sind, ja, dann läuft es auch in der Coronazeit mit Steuergeld. Da gibt es drei gute Tipps, welche ÖVP-Freunde natürlich kennen.

Da wäre zunächst einmal der Fixkostentrick. Diese Regierung hat den Fixkostenersatz eingerichtet. Das heißt, wenn Ihr Geschäft im Lockdown geschlossen ist und Sie trotz­dem Miete zahlen müssen, ersetzt Ihnen der Staat bis zu 9,5 Monate die Kosten zum Teil oder ganz. Pro Unternehmen können so bis zu 3 Millionen Euro ersetzt werden. – So weit, so gut.

Diesen Zuschuss bekommen auch Unternehmen, wenn sie sich bei ihrer eigenen Schwester- oder Tochterfirma einmieten. Dann ersetzt ihnen der Staat quasi die Mieten, die innerhalb eines Konzerns nur verschoben werden.

Herr Kanzler, kennen Sie zufällig das Leiner-Gebäude auf der Mariahilfer Straße? Das gehört nämlich zur Hälfte der Signa-Gruppe, und die Firma Leiner gehört ebenfalls Sig­na, und die machen das zum Beispiel so. Der Signa-Gründer ist zufällig ein Freund von Sebastian Kurz, nämlich René Benko, der sich, wie manche böse Zungen behaupten, für die ÖVP bei der „Kronen Zeitung“ und beim „Kurier“ eingekauft hat. Der hat das so gemacht.

Bis November vorigen Jahres haben übrigens mehr als 300 Unternehmen um diesen Zuschuss angesucht, obwohl sie ihre Immobilien nur intern, im Konzern, gemietet haben.

Zweite Möglichkeit: Sie können Dividenden und Boni kassieren, gewusst wie. Diese Re­gierung hat ursprünglich angekündigt, dass Bonuszahlungen an Manager und Vor­standsmitglieder verhindert werden, wenn diese Coronahilfsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Leider war das Gesetz dazu genauso unausgereift, wie es sonst nur die Verord­nungen von Minister Anschober sind.

Im Gesetz steht drinnen: „keine unangemessenen Entgelte“. Ja, meine Damen und Her­ren, wer entscheidet, was unangemessen ist? Die AUA zum Beispiel hat im letzten Jahr, im April, 450 Millionen Euro an Staatshilfen vom Staat erhalten und hat es dann als angemessen empfunden, an den Vorstand ordentlich Boni für 2019 auszuzahlen. Dann ist natürlich Kritik gekommen, und der vierköpfige AUA-Vorstand hat seine Boni zurück­gelegt: 500 000 Euro, also angemessene 125 000 Euro pro Vorstandsmitglied. Die 200 Manager hingegen haben ihre Boni behalten. Und bis jetzt weiß niemand, was das Wort zurücklegen bedeutet.

Auch die teilstaatlichen Casinos Austria, der Flughafen Wien, die ÖBB und so weiter haben Bonuszahlungen in Anspruch genommen, obwohl sie Hilfsgelder aus dem Steu­ertopf erhalten haben. (Bundesrätin Schartel: Pfui!)

Auch bei den Dividenden hat diese Regierung wieder einmal gezeigt, was sie nicht kann, nämlich ordentliche Gesetze auf den Weg zu bringen. Dort heißt es: Wenn ein Unterneh­mer Coronahilfszahlungen in Anspruch genommen hat, soll die Auszahlung von Dividen­den maßvoll erfolgen. – Maßvoll, mhm, unfassbar!

Besonders maßvoll hat das dann die Firma Novomatic – kennt man, glaube ich, auch – umgesetzt: Im April sind die Novomatic-Mitarbeiter auf Kurzarbeit geschickt worden, und


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 145

im November hat Novomatic 80 Prozent Umsatzersatz bewilligt bekommen. Das heißt, der Staat hat der Firma Novomatic 80 Prozent des Umsatzes ersetzt, also jenes Betra­ges, den normalerweise die Damen und Herren Österreicher in den Casinos und bei den Automaten verzocken. Und jetzt kommt der springende Punkt: Der Chef der Novomatic hat sich dann trotz der Hilfsgelder aus dem Steuertopf maßvolle 50 Millionen Euro an Dividenden ausgezahlt! (Bundesrätin Schartel: Ein Skandal!) Dafür hat er dann im November vorigen Jahres 120 Mitarbeiter in Gumpoldskirchen entlassen. (Bundesrat Schwindsackl: Thema Schule!)

Ja, das gehört alles zusammen! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Den Bogen, meine Herren, spanne ich. (Beifall bei der FPÖ.) Wissen Sie, da es um Bildung geht, sehen Sie es einfach als Nachhilfe! (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel.)

Auch der Lastwagenhersteller MAN hat die ganze Belegschaft auf Staatskosten in Kurz­arbeit geschickt, während die Mutterfirma Traton ihren Aktionären eine maßvolle halbe Milliarde Euro an Dividenden ausgeschüttet hat. Dafür hat man dann 2 300 Mitarbeiter in Steyr auf die Straße gesetzt, weil man das MAN-Werk geschlossen hat, ohne Skrupel. (Bundesrat Bader unterhält sich mit Bundeskanzler Kurz. – Bundesrätin Steiner-Wie­ser: Abstand halten!)

Und jetzt meine Frage an Sie, Herr Kanzler: Was sagen Sie dazu? – Vielleicht wieder „Koste es, was es wolle“? Und: Haben Sie bereits von den Genannten Steuermillionen zurückgefordert? – Aha, er ist in einer Diskussion, hat keine Zeit, gut.

Auch sehr interessant, meine Damen und Herren, ist der Schmäh mit den Steuerparadie­sen. Auch das funktioniert in Österreich sehr gut. Im April hat diese Regierung angekün­digt, dass nur Firmen Coronahilfen bekommen, die keine aggressive Steuervermeidung betreiben, ergo in Steuerparadiese flüchten. Liebe Grüne, da wart ihr die Vorreiter, die im Besonderen diese Blacklist als Erfolg verkauft haben. – Blacklist, wie zufällig, eine schwarze Liste der Steuersünder, wie passend. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Als Beispiel möchte ich da den XXXLutz anführen. 2007 hat Lutz auf Malta eine Tochter­firma gegründet, die XXXLutz Marken GmbH. Das funktioniert folgendermaßen, meine Damen und Herren: Die Firma verwaltet die Namenslizenzen für Lutz, für Möbelix, für mömax und macht eine Art konzerninternen Scheinhandel mit Markenrechten. Dorthin werden dann im Jahr gut 50 Millionen Euro verschoben, und die Lizenzgebühren werden in Malta nur ganz minimal besteuert, währenddessen dieses Geld für die Besteuerung in Österreich natürlich komplett wegfällt. Auf dieses Maltamodell ist inzwischen auch die Finanzbehörde aufmerksam geworden.

Obwohl diese Firma so offensichtlich Steuerflucht betreibt, wurden dem Konzern Staats­hilfen gewährt. (Bundesrat Seeber: Reden wir von den Schulen oder von was reden wir eigentlich? Ich kenn mich nicht mehr aus!) Im Frühjahr 2020 sind Mitarbeiter in Kurzar­beit geschickt worden, und im Herbst hatte der Möbelriese Anspruch auf Umsatzersatz in der Höhe von 20 Prozent durch den Staat, und das in einem Rekordgeschäftsjahr. – So viel zur Blacklist.

Dasselbe haben wir zum Beispiel auch mit Starbucks, das ist schon länger bekannt. Die machen das auch. Als großer Konzern zahlen die in Österreich überhaupt nur wenige Tausend Euro. (Bundesrat Seeber: Wahnsinn, die sind g’scheit! Bist du ...!) – Die sind g’scheit!, so der Zwischenruf vom ÖVP-Kollegen. (Bundesrat Seeber: Nein, ihr seid so g’scheit, das halt ich nicht aus!) Die sind g’scheit, sehr gut! Die zahlen wenig Steuern bei uns, die sind g’scheit. (Bundesrat Seeber – erheitert –: Das ist ein Wahnsinn! Na die sind g’scheit!) Und obwohl dieser Konzern ganz wenig Steuern bei uns zahlt – man kann davon ausgehen, dass wahrscheinlich das Café Landtmann, das jetzt im Stich gelassen wird, viel mehr Steuern im Monat zahlt als dieser große Konzern im ganzen Jahr –, hat man ihm Staatshilfen gewährt. Und der macht es auch so, der zahlt auch Lizenzgebüh­ren an die Mutterfirma nach Holland, und dort sind eben wieder die Lizenzgebühren


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 146

minimal versteuert. (Bundesrat Schreuder: Wir haben eine Dringliche zur Schule!) So­wohl in Österreich als auch in Deutschland ist das überall dasselbe.

Da gibt es viele weitere Beispiele: Da gibt es McDonald’s, da gibt es Magna und Ikea – sie alle haben die Steuerschlupflöcher genutzt und haben auch Staatshilfen in Anspruch genommen. Damit sind wir eben wieder bei der Bildung: So etwas muss man wissen, meine Damen und Herren.

Auf dieser schwarzen Liste – da sind wir wieder bei der schwarzen Liste – stehen leider ausschließlich exotische Steueroasen. Die EU-Niedrigststeuerländer, wie Malta und Lu­xemburg, stehen zum Beispiel nicht auf dieser Liste und fallen daher auch nicht unter die Regelung. Somit hätten Sie sich im vorigen Jahr die großartigen Ankündigungen, dass Sie auf Steuersünder Jagd machen, in Wahrheit auch ersparen können. (Bundesrat Novak: Aber was hat das mit der Bildung zu tun?) Und auch hier gilt: Wer nichts weiß, meine Damen und Herren, der muss alles glauben.

Und an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten ist die Tatsache (Bundesrat Seeber: Ibiza! Ibiza! Das weiß er nicht mehr! – Heiterkeit des Bundesrates Seeber), dass niemand weiß, welche großen Firmen wie viel Geld aus welchen Coronahilfen erhalten haben. – Es gab einen Zwischenruf von der ÖVP zum Thema Ibiza: Schaut euch im Untersu­chungsausschuss an, was alles die ÖVP davon gewusst hat, und zwar viel früher, als wir es gewusst haben. Schauen wir einmal, wer zuletzt lacht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Also noch einmal: Das alles läuft sehr intransparent ab, und inzwischen sind fast 30 Mil­liarden Euro ausgezahlt worden – und all das, während Klein- und Mittelunternehmen nichts bis wenig erhalten und diese EPUs durch die Finger schauen. In Wahrheit ist es überall das Gleiche – egal welche Firmen, egal wo, egal ob Apple, Starbucks, Amazon und Co –: Diese Steuervermeider bereichern sich an unseren Geldern. (Bundesrat No­vak: Aber, Herr Kollege, das Thema von euch ist: „Herr Bundeskanzler, wieso sperren Sie die Schulen zu?“! Das ist euer Thema, Entschuldigung!)

Meine Damen und Herren, das ist alles nicht - -

18.22.53*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Sehr geehrter Herr Kollege Spanring, wir sind bei der Behandlung der Dringlichen Anfrage zum Thema Schulen. Ich erteile Ihnen einen Ruf zur Sache. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arla­movsky. – Bundesrat Seeber: Es geht ihnen ja nur ums Hetzen!)

Wir haben das jetzt länger behandelt. Ich bitte Sie, zur Sache zu sprechen. (Bundesrat Seeber: 10-Prozent-Partei!)

*****


18.23.10

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Mit all diesen Dingen, die ich Ihnen jetzt aufgezählt habe, möchte ich Ihnen eines sagen: Das alles gehört zur Bildung, und das Traurige ist, dass der Bildungsauftrag des ORF so ausschaut, dass er leider solche Dinge in den Nachrichten nicht bringt. Wo ist der investigative, objektive Journalismus? Wo ist er? – Den gibt es nicht! Es gibt nur mehr den gekauften Journalismus, der dann auch noch in den Medien gutheißt, was diese Regierung alles verbockt. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber so ist es leider, meine Damen und Herren: Die Kinder werden von der Bildung ferngehalten, dann sind sie als Erwachsene leichter steuerbar.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 147

Wenn Sie von der Regierung wollen, dass unsere Kinder endlich wieder in die Schule gehen können (Zwischenruf des Bundesrates Himmer), dann beenden Sie endlich die­sen Lockdown! Die Zahlen sprechen eine ganz klare Sprache. Das Endergebnis des zweiten Massentests in Niederösterreich zeigt klar, dass die Virusausbreitung in der Be­völkerung verschwindend gering ist. Bei insgesamt 536 500 Tests gab es im Endeffekt 0,07 Prozent positiv Getestete – das sind nicht Kranke, das sind positiv Getestete!

Den Lockdown weiter aufrechtzuerhalten ist ein Irrsinn. Wenn Sie tatsächlich der Mei­nung sind, dass Inzidenzzahlen ausschlaggebend sind für ein Öffnen oder Nichtöffnen, dann hören Sie endlich auf, symptomlose Menschen zu testen (Beifall bei der FPÖ), dann passen auch die von Ihnen geforderten Zahlen! Aber nein, aus irgendwelchen Gründen will ja diese Regierung den Lockdown offenbar gar nicht beenden.

Ich habe es in vielen meiner Reden angesprochen - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Kollege Spanring, die 20 Minuten der Re­dezeit sind erschöpft. Ich bitte, zum Ende zu kommen.


Bundesrat Andreas Arthur Spanring (fortsetzend): Eine tatsächliche Gefahr neben den ganzen wirtschaftlichen Kollateralschäden sind die psychischen Schäden, die diese Regierung verursacht. Gestern auf Ö1 thematisiert und jetzt schon mehrfach angespro­chen ist die AKH-Kinderpsychiatrie, und schuld daran, dass das alles so passieren kann, ist die Unverhältnismäßigkeit aller Maßnahmen dieser Regierung.

Wir lassen uns das aber so nicht länger gefallen, und ich werde auch am Wochenende wieder auf die Straße gehen (Bundesrat Seeber: Mit den Staatsverweigerern! Passt!) und gegen diese verfassungs- und bürgerfeindlichen Maßnahmen dieser Regierung pro­testieren. (Ruf bei der ÖVP: Mit den Identitären!) Darum ist die Bildung unserer Kinder so wichtig (Bundesrat Seeber: Mit den Identitären! Ja, passt eh!): Nur wer selber denkt, wird nicht gelenkt, doch wer nichts weiß, muss alles glauben. (Beifall bei der FPÖ.)

18.26


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat David Egger. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.


18.26.24

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Herren Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Eines gebe ich heute ganz klar zu: Es gibt ganz, ganz viele wichtige Themen, die wir heute ansprechen sollten und dis­kutieren müssten, für die wir Lösungen finden sollten. Und eines vorweg: Wir sind keine Leugner dieser Pandemie, nein, im Gegenteil: Wir nehmen diese Situation sehr, sehr ernst und wir bringen uns als Sozialdemokratie konstruktiv ein, würde ich sagen. Das ist auch der Anspruch: konstruktive Lösungsvorschläge einzubringen, aber auch das Gan­ze, das die Bundesregierung hier macht, kritisch zu beäugen. Das ist die Arbeit der Opposition, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Arlamovsky.)

Das sind viele Themen: die Wirtschaftskrise, die nach dieser Gesundheitskrise kommen wird, die hohe Arbeitslosigkeit, besonders die hohe Arbeitslosigkeit bei den Jugendli­chen – das hat auch etwas mit Bildung zu tun, darauf werde ich später genauer einge­hen –, der Sport als Ventil in dieser Krise, der Sport als psychologisches Ablenkmittel – er ist gut für die Psyche, er ist gut für den Geist und auch für den Körper; da bleibt viel auf der Strecke – oder das Geld in den Gemeinden, davon haben wir heute schon ge­hört.

Und eines muss ich leider jetzt an dieser Stelle sagen: Heute Früh bin ich in einen Railjet in Neumarkt am Wallersee eingestiegen und nach Wien gefahren, und eines hat mich


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 148

wirklich schockiert: Wir (in Richtung Bundeskanzler Kurz) sind fast gleich alt, und die 16-jährige Schülerin – ich glaube, so alt ist sie –, das hätte vor 15, 16, 17 Jahren in der HAK bei mir, bei Ihnen, glaube ich, im Gymnasium unsere Mitschülerin sein können. Dafür schäme ich mich in diesem Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Zur Bildung: Ja, Herr Minister, Sie haben recht, diese Pandemie ist einzigartig, etwas wie die Coronakrise war noch nicht da auf diesem Planeten – und wir sollten sie bewälti­gen und wir sollten da auch an einem Strang ziehen. Wir hören immer wieder, es ist parteiübergreifend an einem Strang zu ziehen. – Ja, natürlich! Da spricht auch nichts dagegen, aber eines muss ich schon sagen: Wir sollten wirklich einmal die Kirche im Dorf lassen! Seit einem Jahr wissen wir, dass es dieses Virus gibt – seit über einem Jahr –, wir sind im dritten Lockdown, und wir haben in den Schulen in Österreich noch immer keine einheitliche Strategie für die Lehrer, für die SchülerInnen und für die Eltern. Das muss man schon auch einmal betonen: Wir hatten ein Jahr Zeit dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Da bin ich bei der Kollegin von der FPÖ aus Salzburg: Da haben wir im Sommer etwas verschlafen. Seien wir doch einmal ein bisschen selbstkritisch, nehmen wir uns an der Nase! Ja, wir hätten den Sommer besser nutzen können.

Und wenn wir von sinnvollen Steuerinvestitionen reden, bin ich ganz bei Ihnen, Herr Minister: 2 Millionen Euro für die sogenannte Digitalisierung, von der wir immer stolz sprechen, sind eine Investition – und das ist gut investiertes Geld, sage ich an dieser Stelle, das ist wichtig –, aber das muss man auch einmal in Relation zu 210 Millionen Euro an PR-Budget setzen. 2 Millionen für die Schulen – das ist ein bisschen zu wenig, das muss ich schon sagen! (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir reden von sinnvollen Maßnahmen, nur: Die gelten dann im Büro, aber in der Schule nicht. Wir reden von einfachen Dingen, wie dass früh genug FFP2-Masken bei Lehrerin­nen und Lehrern landen – das ist einmal der Mindestanspruch, würde ich an dieser Stelle sagen –, und wir reden von Homeschooling, von Bildungslücken, von diesem Spagat, den die fleißigen Leistungsträger und Leistungsträgerinnen in diesem Land jetzt tagtäg­lich machen müssen, und vergessen dabei eines: bei den Schülern nachzufragen.

Ich glaube, Sie von der ÖVP, Sie von den Grünen, wir von der Opposition, wir alle be­kommen diese Nachrichten und diese Mails – seien wir ehrlich, Hand aufs Herz: wir be­kommen diese Ängste, diese Sorgen von den Schülerinnen und Schülern mitgeteilt ‑, in denen es um die Frage geht: Wie sieht denn die Zukunft aus? – Unsere Aufgabe ist es, diese Sorgen auch ernst zu nehmen, denn diese jungen Leute machen sich Gedanken, sie sind fleißig, sie sind motiviert – da gebe ich Ihnen auch ganz recht –, sie wollen etwas schaffen, sie wollen etwas weiterbringen, aber sie machen sich Gedanken, sie machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Sie wollen ein normales Leben führen: Sie wollen neben dem Lernen – denken wir einmal zurück an die Zeit, als wir jung waren – die Freunde sehen, Leute kennenlernen, ein normales Leben führen, ganz normale Dinge tun, sich mit Gleichaltrigen unterhalten – und da nehmen wir ihnen schon etwas weg! –, sie wollen einen Lehrabschluss machen, sie wollen ihre Lehre machen, sie wollen in unserer Ge­sellschaft etwas beitragen, sie wollen unser Land nach vorne bringen! Sie müssen dazu aber eine Lehrstelle finden, doch jetzt haben wir die höchste Jugendarbeitslosigkeit, und seien wir ehrlich: Auf Knopfdruck wird der Wirtschaftsmotor nach dieser Pandemie nicht anspringen.

Ich würde Sie daher bitten: Gehen Sie zum Herrn Bundesfinanzminister, zu Herrn Blü­mel, und geben Sie den Gemeinden Geld! Geben Sie den Bürgermeisterinnen und Bür­germeistern die Mittel, dass sie zusätzliche Lehrstellen für die jungen Leute schaffen


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 149

können! So können Sie aktiv etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun, liebe Regie­rung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ofner. – Bundesrat Köck: Bei uns werden dreimal so viele Lehrlinge gesucht, wie es gibt!)

Denken wir an die Schüler, die für die Matura lernen! Ich glaube, uns allen geht es gleich – der Kollege schüttelt den Kopf –: Nach 8, 9 Stunden vor dem Bildschirm brummt einem der Schädel, und ich glaube, es ist wahrscheinlich auch aus ärztlicher Sicht nicht das Klügste für die Gesundheit, den jungen Menschen das so lange zuzumuten. Da sollte man auch auf die Bildschirmpausen achten, aber wer tut das schon wirklich? Da müssen wir wirklich achtgeben.

Es sind die jungen Leute, die die Matura machen wollen, die unter diesen Umständen das Beste geben, muss man ehrlich sagen, und danach vielleicht den ersten Job suchen wollen, das erste Mal auf eigenen Füßen stehen, sich vielleicht sogar mit ihrer eigenen Idee oder mit ihrem eigenen Unternehmen selbstständig machen wollen oder vielleicht auch weiterstudieren wollen. Diesen Menschen sollten wir auf jeden Fall die entspre­chenden Perspektiven geben – und wir sollten auch nachfragen, wie es den Eltern geht.

Da würde ich schon an Ihr Herz, an Ihre Vernunft und Menschlichkeit und an den gesun­den Hausverstand appellieren: Nehmen wir die türkise Brille einmal ab, denn es gibt außerhalb dieser Bubble auch Leute, die sich nicht den neuesten Laptop leisten können, die sich nicht einen extra Bildschirm zu Hause leisten können, die sich nicht die neueste Magic Mouse leisten können, die nicht das schnellste Internet haben. Nein, es gibt auch Menschen und Schülerinnen und Schüler, die diesen Heimunterricht am Handy verfol­gen müssen – und das kann es nicht sein, denn sie gehören genauso zu den fleißigen Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern in diesem Land, und wir dürfen sie einfach in dieser Krise nicht zurücklassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe noch einen guten Kontakt zu meinen ehemaligen Arbeitskollegen, und die ha­ben gesagt: Es ist nicht so leicht, ganz ehrlich, es ist nicht lustig, diesen Spagat zwischen Herd, auf dem vielleicht etwas überkocht, der Waschmaschine, dem Homeschooling und dem Videomeeting – auch wenn es vielleicht ganz witzig ist, wenn hinten der Kleine rein­lacht – zu schaffen. Das ist Belastung! Das ist eine richtige Belastung, und das sollten wir ernst nehmen. Da sollten wir den Leuten Perspektiven geben, denn das ist die Reali­tät der fleißigen Menschen draußen.

Ich sage an dieser Stelle auch: Die wahren Krisenmanager waren vermutlich nicht wir hier herinnen, die wahren Krisenmanager waren nicht die Mitglieder dieser Bundesregie­rung, nein, die wahren Krisenmanager, das waren – wir haben es heute schon gehört – auch die Bürgermeister, zusammen mit den Rettungskommandanten, die den Scherben­haufen draußen zusammengeräumt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Die wahren Krisenmanager waren die KindergartenleiterInnen, die Seniorenwohnhaus­leiterInnen, die wahren Krisenmanager, Herr Minister – das muss man ganz ehrlich sa­gen –, waren die SchulleiterInnen, die KindergartenleiterInnen gemeinsam mit den El­tern und den Schülern, denn die haben in dieser herausfordernden Pandemie wirklich Unglaubliches geleistet. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Ich bin froh, dass heute auch der Herr Kanzler die Zeit gefunden hat – ich bin froh, dass Sie heute hier sind –, denn auch die Söhne einer guten Freundin, auch das Enkerl mei­nes Nachbarn oder auch gute Bekannte von mir – die sind LehrerInnen – sind betroffen von den Maßnahmen, die wir hier setzen.

Die Ausstattung der fünften und sechsten Schulstufe – Stichwort Digitalisierung – ist ja schon erfolgt. Das ist auch gut so, dass irgendwann endlich eine IT-Ausstattung den Weg in die Schulen findet, denn die Realität schaut leider immer noch ein bisschen an­ders aus. Wenn man hört, dass man WLAN an einer Schule erst vor zwei Jahren instal­liert hat, dann fühlt man sich ein bisschen in die Neunziger und an den Anfang der


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 150

2000er-Jahre versetzt. Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir da einigen Aufholbedarf haben. Da ist noch ganz, ganz viel drinnen.

Wir wollen auf keinen Fall, dass das Schulbuch verschwindet – nein, bitte nicht! –, aber ich glaube, dass der digitale Unterricht auch in der dritten, vierten Klasse Volksschule Einzug halten sollte, dass man da vielleicht auch mit Tablets arbeiten sollte. Ich muss schon sagen, wir reden immer von der Digitalisierung, aber es tut sich ein bisschen zu wenig, und seien wir ehrlich: Sich nur mit Mark Zuckerberg oder anderen Internet- und Social-Media-Riesen zu treffen ist als Beratung in dieser Debatte wahrscheinlich ein bisschen zu wenig. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir reden von einer ordentlichen Ausstattung. Jeder von uns, der schon einmal in der Privatwirtschaft gearbeitet hat, in einem Büro war, weiß, da bekommt man im Normalfall im Bürojob einen Laptop. Daher würde ich auch einmal in die Runde werfen: Die Leh­rerinnen und Lehrer sollten ebenfalls eine ordentliche Ausrüstung bekommen, und zwar alle – an Volksschulen, Mittelschulen, in Oberstufen. Bei Dienstantritt in der Schule sol­len sie mit einem ordentlichen Arbeitsgerät ausgestattet werden – einem Laptop für alle Lehrerinnen und Lehrer, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Und bitte streiten wir nicht darüber – denn das zieht es ja nur in die Länge –, ob das jetzt der Bund zahlt, das Land zahlt – ja, da werden die Arme gehoben – oder ob das die Gemeinden zahlen. Ich sage einfach: Machen wir es! Machen Sie es! Nicht darüber dis­kutieren, einfach machen!

Die SchulleiterInnen erzählen mir in den Gesprächen auch, dass sie – gemeinsam mit den Lehrern – mittlerweile mehr Erhebungsarbeit für das Bildungsministerium machen. Sie (in Richtung Bundesminister Faßmann) wackeln mit dem Kopf. Das sind die Erzäh­lungen, die ich täglich von den Lehrerinnen und Lehrern höre. Deshalb würde ich vor­schlagen: Vielleicht stocken wir auch das Personal auf, das Lehrpersonal, aber auch das Personal im Backoffice, das für das Organisatorische zuständig ist, um die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleiter zu entlasten, damit diese sich auf die wirkliche Arbeit konzentrieren können.

Thema Schulöffnung – jetzt möchte ich auf den Punkt kommen –: Ich bin ein Freund der Schulöffnung, aber es braucht ganz klare Regeln, um die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer zu gewährleisten und um die Eltern auch weiterhin zu entlasten – das muss ich vorausschicken. Und ja, man braucht für diese Sicherheit auch einen ordentlichen Plan, ein ordentliches Konzept, und wir stoßen da ohnedies in etwa in die richtige Richtung vor. Wir brauchen a) eine ordentliche, einheitli­che Gruppenlösung und b) Planungssicherheit.

Bitte – nehmen Sie es sich zu Herzen! – richten Sie die Dinge nicht über die Pressekon­ferenz am Freitag, Samstag oder Sonntag aus, wenn am Montag die Schule starten würde – Sie wissen ja schon, es ist für Sie schon abschätzbar, wann Sie wieder aufma­chen werden –, denn die Lehrerinnen und Lehrer brauchen Planungssicherheit, die El­tern brauchen Planungssicherheit und müssen wissen: Sollen sie zu Hause bleiben, müssen sie sich Urlaub nehmen?, wie auch immer. Ich bitte Sie: Informieren Sie die Leute früh genug! Ein bisschen weniger Show und ein bisschen mehr Sache – das ist eine große Bitte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Was die Teststrategie betrifft, so haben mir Rettungskommandanten, gemeinsam auch mit den Bürgermeistern, erklärt, dass das eigentlich einfacher wäre: Binden wir die Schulärzte, binden wir die Hausärzte, binden wir sie alle ein bisschen mehr in die Ret­tungsorganisation mit ein, dann wäre innerhalb weniger Stunden sogar so eine Schul­teststrategie machbar! – Ich glaube, wir schlagen da eh in die gleiche Kerbe, aber ich frage mich: Warum dauert das so lange? Da ist im letzten Sommer wirklich etwas ver­schlafen worden, denn das Radl für diese Teststrategie müssen wir ja jetzt nicht mehr neu erfinden. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 151

Wir brauchen auch ein ordentliches Lüftungskonzept – Andi Babler hat es geschafft –: Zum Schulstart ein einheitliches Lüftungskonzept für alle Schulen in ganz Österreich – das würde natürlich auch das Infektionsrisiko, sagen die Experten, um einiges senken.

Ein letzter Punkt bei dieser Strategie – die einfach fehlerhaft ist und einfach ein bisschen zu lange dauert, seien wir ehrlich – betrifft natürlich das Impfen. Drücken wir da ein biss­chen auf die Tube! Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Kollege: Die, die geimpft werden wollen, die sollen so rasch wie möglich die Impfung auch bekommen – die, die wollen! (Beifall bei der SPÖ) –, und man sollte auch den Lehrerinnen und Lehrern die Impfung früh genug zur Verfügung stellen. Das möchte ich auch an dieser Stelle betonen.

Die Verantwortung, dass früh genug genügend Impfstoff da ist, liegt schon bei der Bun­desregierung und bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, um vor allem die vulnerablen Gruppen schneller durchimpfen zu können und dann gleich einmal mit der kritischen Infrastruktur einen Schritt weitergehen zu können.

Das betrifft die 60-, 70-, 80-Jährigen; mein Vater fragt mich immer – er ist Diabetiker und hat teilweise Bluthochdruck –: Ja wann komme ich denn endlich dran? – Man sollte den Leuten jetzt wirklich die Zahlen, die Daten liefern und sich ins Zeug legen, und ich glaube, da kann man sich schon ein bisschen selber an der Nase nehmen.

Zum zweiten Punkt, der mir bezüglich der Schulen extrem wichtig ist und den ich Ihnen mitgeben wollte: Die Summerschool ist nicht des Rätsels Lösung, sagen die Expertinnen und Experten. Ich will da eindeutig Freiwilligkeit statt Zwang für die Lehrerinnen und Lehrer; und für die, die sich freiwillig hineinstellen, brauchen wir ein ordentliches, faires Anreizsystem, eine ordentliche, faire Entlohnung!

Damit komme ich zum nächsten Punkt: Die Summerschool wird nicht reichen. Bitte rütteln Sie nicht an den Ferien! Verkürzen, verlängern, herumschieben – die Leute haben ein Recht auf Planungssicherheit, es haben alle ein Recht auf Ferien, die Schüler ge­nauso wie die Lehrer. Rütteln Sie bitte nicht an den Ferien!

Zur Summerschool: Man wird wahrscheinlich auch einen Förderunterricht in den Schulen brauchen, auch ins nächste Schuljahr 2021/2022 hinein, das sollte man auf jeden Fall am Radar haben. Und eines muss ich schon auch sagen: Wir sollten in den Ländern auch überlegen, wie wir die Eltern, die fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch privat unterstützen können. Da spreche ich mich hier und jetzt offiziell für einen Nachhilfegutschein im privaten Bereich aus, denn die, die arbeitslos geworden sind, die in Kurzarbeit sind, können sich nicht so leicht ein Tablet oder einen privaten Nachhilfe­lehrer leisten oder 200, 300, 400 Euro einmal locker-lässig hinlegen. Sie sind nicht so privilegiert wie wir hier mit unseren Bundesratsbezügen, Kanzler- oder Ministerbezügen. Ihnen sollte man auch im privaten Bereich unter die Arme greifen!

Eines ist ganz klar: Es ist unsere Aufgabe, diese Familien, die fleißig arbeiten, die fleißi­gen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die fleißigen Leistungsträgerinnen und Leis­tungsträger und ihre Kinder zu unterstützen und in dieser Krise nicht zurückzulassen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

18.42


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Schilchegger. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte, Herr Doktor.


18.42.55

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister Faßmann! Herr Bundesminister Schallenberg! Werte Damen und Herren! Ich verspreche, ich halte mich kurz, ich möchte aber doch einige replizierende Worte auf meinen Vorredner mit Ihnen teilen. Ich gebe Kollegen Egger durchaus weitgehend recht, wenn er hier sagt, es brauche auch konstruktive Kritik


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 152

von der Opposition. Das ist aber eben der Unterschied, den wir Freiheitliche da zur SPÖ sehen: Die SPÖ kritisiert und gibt irgendwelche Änderungsvorschläge bekannt, dort aber, wo es wichtig ist, fallen Sie um und stimmen dann immer mit der Regierung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: Aber! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir Freiheitliche tun beides: Wir kritisieren sehr hart in der Sache, teilweise auch sehr polemisch, wir bringen aber auch konstruktive Lösungsvorschläge, und wir stimmen, wenn es um wichtige Dinge geht, gegen diese Regierungslinie. Das ist der konkrete Unterschied, und das ist auch wichtig so. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Schennach und Schumann.)

Bleiben wir bei dem Thema Planungssicherheit. Es hat mir sehr gut gefallen, wie Sie herausgearbeitet haben, dass das ein wesentliches Thema ist, bei dem, glaube ich, die Erwiderung von Regierungsseite immer wieder lautete: Na ja, wie kann es denn in einer Epidemie Planungssicherheit geben? Man weiß ja nicht, wie sich das Infektionsgesche­hen entwickelt! – Das ist ja das Hauptargument, und es ist auch nachvollziehbar.

Ich habe daher schon im Sommer im Bundesrat einmal zum Herrn Gesundheitsminister gesagt: Warum kommt ihr denn nicht auf die Idee, dass man ein System mit klaren Kri­terien schafft und diese auch veröffentlicht? Man könnte sagen: Wenn sich das Infek­tionsgeschehen in diese Richtung entwickelt, ab dieser und jener Schwelle werden wir so und so reagieren, unter dieser Schwelle werden wir dieses und jenes wieder öffnen!, sodass sich die Menschen darauf einstellen können. Das kann man an Kriterien festma­chen – das wurde teilweise auch immer wieder versprochen –: an den Neuinfektionszah­len, an Hospitalisierungszahlen, an den Zahlen betreffend die Auslastung der Intensiv­betten. Das sind alles klare Kriterien, man könnte durchaus ein abgestuftes System fest­legen.

Dann ist so etwas Ähnliches gekommen, es hat Coronaampel geheißen. Können Sie sich an das Ampelsystem von Gesundheitsminister Anschober noch erinnern? – Eine Zeit lang haben die Ampeln ganz gut geblinkt, trotzdem war dann aber rechtlich immer irgendetwas anders, als in dieser Ampel vorgesehen war, weil das einfach mit der Ver­ordnung nicht zusammengepasst hat. Da muss ich Ihnen jetzt auch einmal ein Lob aus­sprechen, Herr Bildungsminister – es heißt ja immer, wir Freiheitliche könnten nur kriti­sieren, das tun wir nicht! –: Im Schulwesen gibt es die Coronaampel, und da haben Sie das zuletzt  spät, aber immerhin  legistisch sehr schön umgesetzt. Es gibt klare Rege­lungen für die Ampelphasen Rot, Orange, Gelb und Grün, die besagen, was in den ein­zelnen Regionen zu tun ist, was gelten soll und wie sich das auf die Schulen auswirkt.

Das ist einmal das eine: Die legistischen Grundlagen sind mit Ihrer Covid-19-Schulver­ordnung mittlerweile da, sodass man diese regionale Differenzierung und Planbarkeit wieder ermöglicht.

Das, was ich Ihnen jetzt trotzdem vorwerfe und nicht ganz verstehe, ist: Warum schalten Sie diese guten Regelungen wieder aus, indem Sie pauschal bis 26. März verordnet haben, dass jetzt auf einmal bundesweit Coronaampel Rot gelten soll? – Das heißt, dass die Schulbehörden gerade nicht mehr entscheiden sollen, ob das Infektionsgeschehen auf einem Niveau ist, auf dem man einzelne Dinge öffnen kann, auf dem man zum Beispiel die Maskenpflicht in einzelnen Schulen zurücknehmen kann und so weiter! Sie haben das jetzt ausgeschaltet und bundesweit eine Regelung bis 26. März verordnet. Da frage ich mich schon: Bedeutet das jetzt, dass der Lockdown, der allgemeine Lock­down, auch bis 26. März verlängert werden soll und nicht vielleicht am 8. Februar gelo­ckert wird, so, wie wir den Medien entnehmen konnten? (Bundesminister Faßmann schüttelt den Kopf.) Die Frage ist also: Warum schalten Sie Ihre sinnvolle Coronaampel bei den Schulen aus?


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 153

Das zweite Thema, das ich noch ganz kurz ansprechen wollte – und dann schließe ich schon –, ist das Thema der Maskenpflicht. Sie wissen, die Masken in den Schulen sind ein heikles Thema, weil es eben anders als in anderen Situationen nicht so ist, dass man einmal eine Maskenpause einlegen kann, dass man einmal an die frische Luft gehen kann. Man sitzt als Schüler und auch als Lehrer sehr lange in den Klassenräumen, die man ja auch lüften kann, wo man für eine Abstandsregelung und für Kleingruppen sorgen kann. Da eine FFP2-Maske zu verordnen, halte ich persönlich für überschießend. Ich bekomme dazu auch sehr viele Berichte, E-Mails von betroffenen Eltern, von Schülern – selbst bei mir ist das schon aufgeschlagen und ich bekomme dazu Nachrichten, obwohl ich nicht der Bildungssprecher meiner Partei bin.

Nun ist es so, dass das vom VfGH aufgehoben worden ist – es ist ja eine alte Mas­kenpflicht an den Schulen vom VfGH aufgehoben worden. Da stelle ich Ihnen jetzt die Frage: Sollte so eine Aufhebung noch einmal passieren, werden Sie das dann nachvoll­ziehen und die Maskenpflicht an den Schulen wieder entsprechend lockern? – Vielleicht haben Sie noch Zeit für ein abschließendes Statement, es muss aber nicht mehr heute sein. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.48


18.48.03

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Ich bedanke mich beim Herrn Bundeskanzler für sein Kommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wir kommen zu den Abstimmungen.

Ich ersuche Sie, die Sitzplätze einzunehmen. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Schriftführung und der Vorsitzende vom Stimmrecht Gebrauch machen.

Wir treten in den Abstimmungsprozess ein.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Sicherstellung eines regulären Unterrichts nach den Semesterferien“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstim­men.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Doris Hahn, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Berufsschulen nicht vergessen“ vor. Ich lasse über die­sen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (335/E-BR/2021)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Priorisierung der Impfung von Päda­gogInnen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 154

18.50.53Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­desminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend „Das Video des Außenministeriums über einen Atomwaffenangriff auf Wien als trauriger Höhepunkt einer zunehmend orientierungslosen österreichischen Außenpolitik“ (3826/J-BR/2021)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Korinna Schumann als erster Anfragestellerin zur Begrün­dung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Fraktionsvorsitzende.


18.51.24

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuse­her! Am 22. Jänner 2021 ging ein unglaubliches Horrorvideo aus dem Außenministerium online. Um es ein bisschen zu beschreiben: Man sieht den Blick auf Wien aus der Vogel­perspektive, Wien in einer wunderbar sonnigen Morgenstimmung – ruhig steht er da, der Steffl, und die Häuser der Stadt. Und auf einmal heißt es: „Was passiert, wenn über Wien ein nuklearer Sprengsatz [...] explodiert?“; „Radius Feuerball: 380 m“; „Alles Asche.“; „Ra­dius Hitzewelle: 2.500 m“; „Menschen brennen.“; „Tote: 230 380“; „Verletzte: 504 460“; „Radius Druckwelle: bis Hütteldorf.“; „Fenster bersten.“; „Radius Aschewolke: bis Graz.“; „Radioaktiv verseucht.“; „Dies waren die Folgen einer Bombe.“; „Nukleare Waffen welt­weit: 13.400“; „‚Mit dem Atomwaffenverbotsvertrag [...] läuten wir den Anfang vom Ende dieser heimtückischen Waffen ein.‘ Alexander Schallenberg.“

Na, dazu fällt einem dann gar nichts mehr ein! Die „Kronen Zeitung“ fasst es dann in einem Artikel zusammen: „Außenministerium lässt Wien verdampfen – Kritik“ am Video.

Ein Außenminister außer Rand und Band: Wien wird ohne Not als potenzielles Opfer eines Atombombenabwurfs dargestellt, und das in einer Situation, in der die Menschen ohnehin schon zu viele Ängste und Sorgen haben, Ängste um ihren Arbeitsplatz. 535 000 Menschen sind arbeitslos, fast 460 000 sind in Kurzarbeit, es gibt 7 515 Covid-Tote, Ängste, Sorgen, Leid, Bedrohung durch eine Pandemie. – Bitte, was ist der Sinn eines derartigen Videos zu dieser Zeit? Was sind Sinn und Zweck dieses Videos? – Das Außenministerium will die Angst und die Verunsicherung noch mehr steigern, die mögli­che Bedrohung durch einen Atomschlag in den Raum stellen, vielleicht auch den Wien-Tourismus noch mehr schädigen. Es geht der Stadt Wien tourismusmäßig ganz, ganz schlecht, der Städtetourismus liegt darnieder – da stellt man, bitte, ein solches Video online und zeigt, wie Wien verdampft?!

Aber auch die Auswirkungen eines Atomangriffs auf andere Landeshauptstädte, wie Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg, werden gezeigt. Ist das sinnvoll? – Nein, ist es nicht! Im Gegenteil! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten halten das für brandge­fährlich, verwerflich und gegen jede Logik in dieser Zeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Wieso macht das also ein Außenminister? Ein Außenminister müsste eher die Rolle des verbindenden, eleganten Ministers haben, der aus einem Außenministerium kommt, von dem man weiß, mit wie viel Vorsicht die Beschäftigten gerade dort, in ihrem Wissen ob ihrer Verantwortung im internationalen Bereich, agieren.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 155

Es ist aber eindeutig, für uns ist es klar: Es geht darum, ein Ablenkungsmanöver zu starten, um das Versagen der Regierung – sei es mit Impfchaos, sei es in der Teststra­tegie, in was auch immer – in der Pandemie zu überlagern, und das mit diesem untaugli­chen Mittel. Es wäre das Thema Atomwaffenverbot wohl auch ganz anders abzuhandeln gewesen als in dieser schrecklichen Horrorform! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fragen uns schon: Was ist denn dann die nächste Nebelgranate, wenn das mit dem Atompilz nicht so passt? Nehmen wir das nächste Mal den Angriff von Aliens als Möglich­keit, um davon abzulenken? – Das ist doch keine Methode, um Himmels willen! Vom Chaos rund um die fehlende Impfversorgung der Bevölkerung kann man nicht auf solch eine Weise ablenken.

Aber gut, wenn sich der Außenminister derartig vor den Vorhang wagt, dann muss man auch erklären und sich fragen, was unser Außenminister eigentlich macht. Lassen Sie mich die wichtigsten Dinge also zusammenfassen: Der Kuschelkurs mit dem amerikani­schen Präsidenten Trump war ihm wider besseres Wissen kein Dorn im Auge. Im Ge­genteil! Die österreichische Bundesregierung, allen voran der Bundeskanzler und auch Sie, Herr Außenminister, fühlt sich offensichtlich im Beisein von rechtsnationalen Popu­listen wohl. Es gibt keine Berührungsängste, beste Beziehungen zu den Regierungen in Polen und Ungarn oder eben medienwirksame Fotos mit dem Spalter der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump – das ist die Bilanz dieser Regierung.

Oder man denke an den Auftritt des Außenministers in der „ZIB 2“, der selbst den wort­gewaltigen Moderator Armin Wolf stocken ließ. Der Grund dafür lässt sich mit einem Satz beschreiben: „Geschrei nach Verteilung ist nicht die Lösung“. – Gemeint waren damit aber nicht die Kosten für ein außenpolitisches Projekt oder die Frage nach der Vergabe von Fördermitteln auf EU-Staaten, sondern Menschen, die seit Monaten in Lagern auf den griechischen Inseln oder, wie wir auch wissen, in Bosnien in der Kälte im Dreck sitzen und nicht wissen, wie sie unter diesen furchtbaren humanitären Bedingungen wei­termachen sollen.

Auf dem Boden Europas, vor unserer Haustür sozusagen, wurde eine menschliche Kata­strophe angerichtet, und das Einzige, was der Außenminister dazu zu sagen hat, ist – lassen Sie es mich wiederholen –: „Geschrei nach Verteilung ist nicht die Lösung“.

Herr Minister, was ist denn dann Ihre Lösung? – Sie haben bis heute keine präsentiert (Beifall bei der SPÖ); und auch der Innenminister nicht. Dieser posiert zwar medienwirk­sam mit der Fahne Österreichs vor Hilfsgütern, kann aber seine Parole „Hilfe vor Ort“ gleich mit den Hilfsgütern in Depots einmotten.

Oder schauen wir auf die Durchsetzung der Menschenrechte: Österreich hat sich da aus der Verantwortung genommen, hat sich bewusst abgemeldet. Verstöße gegen die Men­schenrechte werden weggeschwiegen, kleingeredet oder zu national zu entscheidenden Fragen erklärt. Das ist für ein Land mit der historischen Verantwortung, wie sie Öster­reich hat, untragbar!

Und, um es noch einmal zu betonen: Die Abschiebung, die heute Nacht vonstattenge­gangen ist, macht einen zutiefst betroffen und es friert einem das Herz.

All diese Beispiele, Herr Außenminister, zeigen, dass Sie sich in dem, was Sie tun, in einem Zustand der Planlosigkeit befinden, und Sie haben, auf Wienerisch gesagt, kein Gspür dafür, was notwendig wäre und was Sie tun sollten. (Beifall bei der SPÖ.) Sie spielen stattdessen mit im Konzert der Messagecontrol, die mittlerweile zu einem kalten Mahnmal für die lange Reihe an angekündigten und nie umgesetzten Maßnahmen einer Showregierung geworden ist. Diese Showpolitik muss kritisiert werden, weil sie eine Abkehr von der bewährten Praxis ist, deren Basis sozialdemokratische Außenminister wie Bruno Kreisky gelegt haben, nämlich eine Außenpolitik, die sich als vereinende, frie­densstiftende Politik versteht und einem kleinen neutralen Land, wie Österreich es ist,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 156

viel mehr Geltung gegeben hat als die peinlichen Anbiederungen des Bundeskanzlers oder von Ihnen als Außenminister an die skurrilen Gestalten der Weltpolitik, die wir jetzt erleben müssen. Und nein, das sage nicht ich, sondern das ist zugegebenermaßen sinn­gemäß die Auffassung, die vom Spitzendiplomaten Wolfgang Petritsch in seinem Kom­mentar „Österreichs Außenpolitik in der Verirrung“ vertreten wird.

Man habe sich dem bloßen „Spektakel“ verschrieben, sich „an Trump angepasst“ und sich „ins europäische Abseits“ gestellt, schreibt Petritsch da unter anderem. Damit ist Österreich auf der Welt ein beträchtlicher Schaden entstanden, und wir sind leider zur Lachnummer geworden.

Wolfgang Petritsch gibt Ihnen, Herr Außenminister, und Ihrem Bundeskanzler einen guten Rat mit auf den Weg, den ich Ihnen jetzt hier im Wortlaut vorlesen möchte: „Eines ist gewiss: Die Rückkehr zu einer durchdachten und den gemeinsamen europäischen Prinzipien folgenden Außenpolitik ist längst überfällig. Der aus persönlicher Profilie­rungssucht entstandene Kollateralschaden der Trump-Jahre sollte uns eine Lehre sein.“

Ja, die Showpolitik der Trump-Jahre sollte vorbei und uns eine Lehre sein, aber stattdes­sen veröffentlicht man dieses Horrorvideo. Der Wiener Bürgermeister hat es ja treffend beschrieben – ich zitiere –: „Das Atombomben-Video“ des Außenministeriums „ist für mich absolut indiskutabel. Es lässt jegliche Sensibilität vermissen. Jetzt ist nicht die Zeit, mit Atombomben Angst zu schüren, sondern sich um Impfdosen zu kümmern.“ (Beifall bei der SPÖ.) „Die Bundesregierung wäre gut beraten, sich mit aller Kraft der Bewälti­gung der Corona Krise anzunehmen. Videos wie dieses tragen [...] absolut nicht dazu bei.“ – Besser kann man es nicht sagen.

Damit Sie jetzt nicht glauben, dass wir den Wiener Bürgermeister aus parteipolitischen Überlegungen zitieren (Zwischenruf bei der ÖVP), habe ich Ihnen noch ein Zitat mitge­bracht: „Dieses Bild, das veranschaulichen soll, was passiert, wenn eine Atombombe auf Graz abgeworfen wird, ist absolut geschmacklos.“ – Sie wissen sicher, von wem das Zitat ist: von Ihrem ÖVP-Bürgermeister der steirischen Landeshauptstadt Graz, Siegfried Nagl. Erfreulich ist ja, dass Ihr Kollege offenbar weniger ein Fan von aufsehenerregen­den Videos als vielmehr von echten politischen Forderungen hinsichtlich der nuklearen Bedrohung ist. So fordert Bürgermeister Nagl die Stilllegung des slowenischen Meilers in Krško, der durch das Erdbeben in Kroatien ja beinahe betroffen und eine reale Bedro­hung für Österreich gewesen wäre. Dort liegt die viel unmittelbarere und wahrscheinli­chere nukleare Bedrohung für unser Land: in all den schrottreifen Atommeilern an der österreichischen Grenze oder in unmittelbarer Nachbarschaft. Wieso hört man eigentlich dazu nichts von Ihnen?

Das ist eine zentrale Frage in unserer heutigen Dringlichen Anfrage. Zugleich stellen wir aber viele weitere Fragen – in Summe sind es 42, die wir an Sie gerichtet haben –, und wir ersuchen – ganz ehrlich, wir haben schon vieles erlebt – um eine ernsthafte Beant­wortung.

So wollen wir zum Beispiel wissen: „Von wem stammte die Initiative zur Gestaltung des genannten Videos über einen Atomwaffenangriff auf Wien?“; „Ist es vor dem Hintergrund der großen Ängste, die die Corona-Pandemie ohnehin auslöst, verantwortungsbewuss­tes Handeln einer Bundesregierung zusätzlich Ängste vor einem Atomangriff zu schü­ren?“; „Welche Kosten verursachte die Produktion dieses Videos samt Konzeption?“; „Was trägt Ihr Ressort konkret dazu bei, die Corona-Krise zu bekämpfen?“; „Ist Ihr Res­sort in die Beschaffung von Impfstoff zur Bekämpfung der Pandemie eingebunden?“. Und wir stellen viele weitere Fragen.

Sie sind uns, aber vor allen Dingen der österreichischen Bevölkerung Antworten auf die­se und alle weiteren Fragen schuldig. Herr Außenminister, kommen Sie Ihrer Verantwortung


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 157

nach – Schluss mit Showpolitik! Uns Sozialdemokraten – ganz klar gesagt – reicht es, es ist genug. (Beifall bei der SPÖ.)

19.04


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesminister.


19.04.13

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bundesrates! Bevor ich auf die Beantwortung der Dringlichen Anfrage eingehe, erlauben Sie mir einleitend einige allgemeine Bemerkungen!

Ich bin eigentlich dankbar für die Möglichkeit, heute hier im Hohen Haus über den Atom­waffenverbotsvertrag zu sprechen. Dessen Inkrafttreten vergangenen Freitag, am 22. Jänner, war tatsächlich ein großer Schritt nach vorne. Das wurde auch vom UNO-Generalsekretär ausdrücklich begrüßt, und dem gingen jahrelange Bemühungen voraus, bei denen Österreich an der Speerspitze stand. Das war ganz richtig, und dazu stehe ich. (Beifall bei der ÖVP.)

Bereits 2014 fand in Wien eine Großkonferenz zu den humanitären Folgen dieser men­schenverachtenden Waffe statt. Damals ist uns etwas gelungen, worauf dieser Vertrag heute überhaupt aufbaut: Wir haben das Narrativ weg vom rein sicherheitspolitischen Fokus hin auf den humanitären Fokus dieser verheerenden Waffe gebracht. Die Risken sind leider, leider heute so real wie eh und je. (Bundesrat Schennach: Aber geh!) Ja, sie sind sogar größer geworden. Noch immer sind über 13 000 Nuklearwaffen existent, Europa ist noch immer der Kontinent mit der größten Ansammlung an Nuklearspreng­köpfen. Die Zahl der Staaten, die das Know-how haben, hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Nur 60 Kilometer von der Kärntner Grenze entfernt – Sie haben vorhin AKWs genannt – gibt es die Nato-Basis Aviano mit einer Nuklearwaffe. Wenn die ex­plodiert, irgendein menschlicher Fehler passiert, dann sind Tschernobyl und Fukushima im Vergleich nichts. (Bundesrat Schennach: Danke für ...!) Das muss uns nur ganz klar sein.

Was noch dazu kommt: In den letzten Jahren wurden um Milliarden US-Dollar neue, effizientere Waffen, neue Einsatzsysteme entwickelt, die die Reaktionszeit verkürzen und das Risiko einer Fehleinschätzung erhöhen. Das heißt, das ist ebenso wie der Kli­mawandel, ebenso wie Cyberangriffe keine rein theoretische Diskussion – leider ist es keine theoretische Diskussion. Es ist keine spekulative Angstmache, wie gesagt wird, sondern leider eine reale Bedrohung. Gerade Tschernobyl und Fukushima haben uns ja vor Augen geführt, dass es auch in Systemen, die scheinbar foolproof sind und in denen es 20 oder mehr Sicherheitssysteme gibt, durch Fehlverhalten, durch Fehleinschätzun­gen Fehler geben kann.

Wir hatten in den letzten 75 Jahren, seit Hiroshima und Nagasaki, Glück. Das wissen wir heute, aber ich glaube, dass Glück alleine als politische Basis nicht ausreicht.

Im Zuge der Medienaktivitäten rund um diesen großen Schritt nach vorne – das Inkraft­treten des Atomwaffenverbotsvertrages – wurden vom Außenministerium mehrere Vi­deos produziert. Die intensive von Ihnen angesprochene Diskussion über eines der Vi­deos, in dem eine Atomwaffenexplosion über Wien simuliert wird, zeigt, dass dieses Thema aufregt, dass dieses Thema Emotionen hervorruft. (Bundesrätin Schumann: Na geh ...!)

Uns ging es aber dabei keineswegs um Effekthascherei, sondern um Warnung, um Be­wusstseinsbildung. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Scherzkeks! – Weiterer


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 158

Zwischenruf bei der SPÖ.) Das Risiko ist real, und um einen Gastkommentar von letzter Woche von Herrn Prof. Martin Senn zu zitieren: „Nuklearwaffen“ sind eine „manifeste und anhaltende Bedrohung für die Existenz der Menschheit.“ – Auch wenn es manche lieber nicht wahrhaben wollen: Wir dürfen nicht wegschauen. Wir dürfen nicht die Pan­demie als Begründung dafür nehmen, Krisenherde nicht zu beachten, humanitäre Ent­wicklungen nicht zu sehen, von realen Bedrohungen wegzuschauen. (Bundesrat Beer: Was haben wir für eine Krise?) Das hielte ich für die falsche Politik, und genau das wäre eine falsche Außenpolitik, die nicht im Interesse unseres Landes wäre. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Ich kann ganz offen sagen: Wir hatten in der Antiatompolitik und in der Frage der Ab­rüstung eigentlich immer einen sehr starken überparteilichen Konsens, auch in diesem Hohen Haus, der es uns als Außenministerium erst ermöglicht hat, international als Speerspitze so effizient zu sein. Es tut mir leid, dass die SPÖ sich offenbar von ihrem eigenen Parteiprogramm verabschiedet, in dem noch steht: „[...] die Ächtung und das Verbot aller Massenvernichtungswaffen – egal ob chemisch, biologisch oder atomar“ – ist eine wesentliche Priorität. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich bedauere natürlich, dass offenbar von diesem Weg abgegangen wird. Ich gehe weiterhin davon aus, dass es einen Konsens gibt und dass Österreich sich bei Abrüstungsfragen und im multilateralen Bereich weiterhin an die Spitze stellen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Beer.)

Aus den Flüchtlingslagern in Griechenland und in Bosnien erreichen uns leider immer wieder Bilder, die uns alle zu Recht erschüttern. (Bundesrätin Grimling: Glaub ich aber nicht!) Wesentlich ist für mich in dieser Situation, dass wir Verantwortung übernehmen und rasch handeln, und das tun wir auch. Die Frage in Österreich – um das klar zu ma­chen – ist nicht, ob wir helfen, sondern wie wir helfen, und das ist eine sehr legitime Frage. Wir setzen dabei auf Hilfe vor Ort, weil wir damit auch mehr Menschen erreichen. Wir haben uns immer – immer, das betone ich – solidarisch gezeigt, seit 2015, bitte, noch unter einer anderen Bundesregierung. (Bundesrat Schennach: Nur ist es noch nicht angekommen – weder die Container noch die Zelte!)

Wir haben 5 Millionen Euro über UNHCR und IOM für Griechenland zur Verfügung ge­stellt. Wir haben Container, Zelte und Hilfsgüter zur Verfügung gestellt. Wir haben uns bei den griechischen Partnern mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass SOS-Kinderdorf sehr bald eine Tagesbetreuungsstätte in Lesbos eröffnen kann. Auch in Bosnien haben wir mit 1 Million Euro Soforthilfe geholfen. Wir haben uns gemeinsam mit Italien, Deutschland und der EU-Delegation vor Ort dafür eingesetzt, dass die Bedingungen für die Migranten umgehend verbessert werden. Erst vor wenigen Tagen habe ich mit mei­ner bosnischen Amtskollegin telefoniert und sehr eindringlich auf die gesamtbosnische Verantwortung bei der Verbesserung der humanitären Lage der Menschen im Land ver­wiesen. Ich glaube, so funktioniert effiziente Politik. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wurde schon oft in diesem Haus wiederholt: Wir haben ja nicht nur vor Ort geholfen, sondern wir haben auch in Österreich massiv geholfen. So haben wir in den letzten fünf Jahren pro Kopf im Vergleich zum EU-Schnitt mehr als doppelt so viele Flüchtlinge auf­genommen. Seit 2015 haben wir 124 000 Menschen in diesem Land Schutz gegeben, darunter waren 56 000 Kinder und knapp 25 000 Frauen. Allein im Vorjahr waren es über 12 600 Schutzgewährungen, darunter waren 5 700 Kinder und über 2 000 Frauen. Das sind circa 100 Kinder pro Woche. Uns also mangelnde Hilfe, mangelnde Solidarität, Wegschauen oder gar Herabwürdigung zu unterstellen, geht einfach an der Realität vor­bei.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe es schon mehrmals hier im Hohen Haus hervorgehoben: Der Schutz und die Förderung der Grund- und Menschenrechte ist eine klare, unveränderte Priorität Österreichs. Dieser Einsatz kennt auch keinen Lockdown.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 159

Gerade unsere Mitgliedschaft im UNO-Menschenrechtsrat und unser Vorsitz im UNO-Menschenrechtsrat im letzten Jahr geben diesem Engagement große Visibilität. Wir scheuen auch nicht davor zurück, sehr heiße Eisen anzugreifen. Denken Sie etwa an die klare Verurteilung des Giftanschlags auf Nawalny durch den Menschenrechtsrat, der Situation der Uiguren in China oder der Entwicklung in Hongkong! Es ist auch kein Zufall, dass mich meine erste Auslandsreise – außer jener nach Brüssel – nach Genf geführt hat. Das war ein klares Signal für unseren Einsatz für Multilateralismus, für Menschen­rechte und für Abrüstung.

Zuletzt noch ein Wort zu den USA: Die stärkere Hinwendung zu den USA ist eine klare, strategische Ausrichtung dieser Bundesregierung. Wir machen diese strategische Aus­richtung logischerweise nicht von einer Person oder einer Regierung abhängig. Die ha­ben wir schon selber, sie ist ein Ergebnis einer strategischen Evaluierung Österreichs. Es ist richtig, dass uns die aufwühlenden und verstörenden Bilder des randalierenden Mobs, der das Herz der amerikanischen Demokratie gestürmt hat, neuerlich drastisch vor Augen geführt haben, dass wir verletzlich sind, dass unsere Demokratien, unsere offenen Gesellschaften nicht unverwundbar sind und – ich habe das in diesem Haus schon öfter wiederholt – dass diese immer kleiner werdende Gruppe von Staaten, die das gleiche Lebensmodell teilen, die die gleichen Werte teilen – das ist nur noch circa ein Viertel aller Staaten weltweit –, zusammenarbeiten, zusammenhalten muss. Eine wesentliche Führungsmacht in dieser Gruppe sind die Vereinigten Staaten. Das ist nun einmal eine Tatsache. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit der neuen Admi­nistration.

Erste Kontakte wurden auch schon geknüpft; ich hatte letzten Freitag eine Videokonfe­renz mit John Kerry, dem Klimabeauftragten des Präsidenten. Die ersten Signale, die wir aus Washington hören, sind wirklich besonders positiv, Stichwort Verlängerung des Vertrages New Start um fünf Jahre, Stichwort Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen und überhaupt Rückkehr zum Multilateralismus, wobei natürlich jetzt gerade die Weltge­sundheitsorganisation im Zentrum steht. Das sind sehr, sehr positive Aspekte und Signa­le, die uns als sozusagen liberaler Block weltweit in diesen multilateralen UNO-Organisa­tionen stärken.

Wir alle wissen, dass wir die globalen Probleme, wie die Pandemie, den Klimawandel, nur gemeinsam lösen können. Umso wichtiger ist, dass sich da die USA jetzt wieder vermehrt einbringen. Wir dürfen aber als Europäer auch nicht den Fehler begehen, dass wir uns jetzt mit einem Seufzer der Erleichterung in unseren Aschaffenburger Lehnstuhl zurücklehnen und sagen: Das ist jetzt alles vorbei, die vier Jahre können wir löschen, der Weltpolizist USA ist wieder da und wir sind wieder dort, wo wir vorher waren! – Es gibt kein Back-to-the-Future. Wir müssen uns sehr bewusst sein, dass in der meritori­schen Außenpolitik der Amerikaner, also in der Substanz, zum Teil vielleicht sehr viel weniger Kursänderungen stattfinden werden, als es der eine oder andere vermuten oder wahrhaben will. Was aber wichtig und sehr wesentlich ist, ist, dass der Ton ein anderer ist – und das begrüße ich jedenfalls.

Jetzt darf ich konkret auf die Fragen eingehen (Bundesrat Beer: Ja, weil bis jetzt haben wir eine Themenverfehlung gehabt!):

Zu den Fragen 1 bis 3:

Ich habe schon gesagt, dass wir im Schatten der Pandemie nicht auf andere brennende Fragen vergessen dürfen. Mir ist es wichtig, dass wir diese abstrakt wirkende Bedrohung greifbar machen, und das haben wir mit diesem Video versucht, das war der Zweck dieses Videos. Es ist und bleibt die grausamste, menschenverachtendste Waffe, die je kreiert wurde, und sie hat das Potenzial, die Menschheit auszulöschen. Es ist kein Zufall, dass der Generalsekretär der UNO, António Guterres (Zwischenruf bei der SPÖ), diesen


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 160

Schritt ausdrücklich begrüßt hat und die Umsetzung und Weiterführung des Atombom­benverbotsvertrages als die höchste Priorität – ich betone: die höchste Priorität – der UNO im Abrüstungsbereich betitelt hat. Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer, hat sogar von einem Sieg für die Menschheit gesprochen.

Wie gesagt, ich bin weiterhin der Hoffnung, dass die SPÖ zu ihrem eigenen Programm steht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zu den Fragen 4 bis 8:

Die Verantwortlichkeiten für diesen Vertrag und für die Medienarbeit – und damit natür­lich auch jene für das Video – liegen eindeutig in meinem Ressort.

Zu den Fragen 9 und 10:

Die Produktion des Videos wurde nicht ausgeschrieben. Die Leistungen wurden gesamt­haft von der Firma DWTC erbracht. Die Kosten belaufen sich auf 4 000 Euro netto.

Zur Frage 11:

Das Inkrafttreten des Atombombenverbotsvertrages ist wirklich ein Meilenstein, denn – ich habe das jetzt schon mehrmals gesagt – die Waffe ist unvorstellbar grausam und dieses Video – das ist mir schon wichtig, zu betonen – basiert auf seriösen Fakten von Nukemap, das vom US-Nuklearexperten Alex Wellerstein entwickelt wurde. Über 200 Millionen Mal wurde damit ganz konkret die Auswirkung einer Nuklearwaffenexplo­sion auf Städte in Videos simuliert und verdeutlicht. Das ist dieses Mal auch geschehen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Bereits bei unserer Wiener Konferenz zu den humanitären Konsequenzen von Atomwaffen haben wir 2014 solche Präsentationen verwendet, die damals unter Mitwirkung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik entstan­den sind. Ich glaube, nach Ingeborg Bachmann kann man sagen: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar.“ (Bundesrätin Grimling: Aber nicht zu Pandemiezeiten!)

Zur Frage 12:

Wir setzen 2021 einen ganz besonderen Fokus auf die Abrüstungsbemühungen. Ende 2021 oder Anfang nächsten Jahres werden wir die erste Konferenz der Unterzeichner­staaten des Atomwaffenverbotsvertrages hier in Wien haben. Zudem planen wir heuer im Herbst eine internationale Konferenz zu tödlichen autonomen Waffensystemen, so­genannten Killerrobotern. Auch bei dieser Initiative steht Österreich wieder an der Spitze. Auch da wird es wieder darum gehen, öffentliches Bewusstsein für diese Frage zu schaf­fen und gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen die Öffentlichkeit mitzunehmen.

Wir sind derzeit – dieses Jahr und letztes Jahr – auch im Vorsitz im Raketentechnologie­kontrollregime. Da geht es darum, den Export von Hochtechnologie für Trägersysteme zu unterbinden, die für Massenvernichtungswaffen Verwendung finden können.

Wir werden weiterhin an Themen dran sein, an denen wir schon in der Vergangenheit dran waren, nämlich bezüglich der Verwendung von Explosivwaffen in bevölkerten Ge­bieten. Das war die sogenannte Ewipa-Konferenz. Beim Wiener Atomabkommen mit dem Iran sind wir auch sehr stark involviert. Der Start-Vertrag wurde Gott sei Dank um fünf Jahre verlängert. Denken wir nun daran: Die strategischen Gespräche zwischen den USA und Russland haben im Vorfeld hier in Wien stattgefunden. Damals habe ich wie­derholt gesagt: Langfristig, mittelfristig wird das vermutlich nicht reichen, dass solche Gespräche nur zwischen zwei Partnern, nämlich USA und Russland, stattfinden, son­dern es muss auch China mit an Bord geholt werden. – Ich begrüße daher diesen muti­gen ersten Schritt der beiden – Putin und Biden –, aber es müssen weitere folgen – und ich bin guter Dinge, dass wir da wieder Wien als Verhandlungsort ins Spiel bringen kön­nen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 161

Zu den Fragen 13 und 14:

Zu Ihrer Frage zur zivilen Nutzung der Kernenergie: Das ist in Wirklichkeit für uns ein laufender Schwerpunkt, wird natürlich federführend vom BMK betrieben, aber da gibt es überhaupt keinen Zweifel an unserer aktiven österreichischen Antiatompolitik und an unserer Position. Wir sind dazu laufend im Kontakt mit den anderen EU-Regierungen, natürlich vor allem mit unseren Nachbarstaaten. Da geht es vor allem um das Thema Einhaltung der höchsten Sicherheitsstandards. Das ist etwas, wozu wir sogar eine eigene Abteilung im Ministerium haben, das ist etwas, das wir seit Jahr und Tag sehr aktiv betreiben.

Zu den Fragen 15 bis 17:

Ich habe das hier auch schon öfter gesagt: Ich glaube, dass sich das Außenministerium, was die Arbeit während der Coronazeit betrifft, absolut nicht verstecken muss. Das sage ich nicht für mich selber, sondern für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses: Diese haben letztes Jahr Großartiges vollbracht: Mit der größten Rückholaktion der Ge­schichte des Landes wurden über 7 500 Menschen zurückgeholt. Es gab eine heiß lau­fende Hotline, die teilweise so beansprucht war wie die berühmte 1450; wir hatten über eine Viertelmillion Anrufe. Auch heute haben wir noch über 1 000 Anrufe am Tag betref­fend Landeerlaubnisse, Erteilung von Exportgenehmigungen unter Hochdruck, ständiger Austausch mit unseren Nachbarn bezüglich Grenzmanagement, Pendlern, Saisonarbei­tern.

Die Vertretungsbehörden sind auch weiterhin eine Art Pandemieradar der heimischen Wirtschaft. Wir versuchen – das ist eine der wesentlichen Prioritäten für die nächsten ein, zwei Jahre –, den österreichischen Exportunternehmen im Ausland konkret zur Sei­te zu stehen, gemeinsam mit den Außenwirtschaftscentern, um der österreichischen Ex­portwirtschaft sozusagen zu einem Restart zu verhelfen.

Zu den Fragen 18 bis 21:

Selbstverständlich erhalte ich dazu regelmäßig Berichte. Selbstverständlich tausche ich mich dazu auch mit den Kollegen in der Bundesregierung aus, und selbstverständlich bekomme ich auch laufend Berichte vom UNHCR in Genf, mit dem wir regelmäßig in Kontakt sind.

Zum einen erhalten wir Berichte über die von Österreich mitfinanzierten Programme, zum anderen auch öffentlich zugängliche Berichte des UNHCR zu einzelnen Ländersi­tuationen. Zudem gibt es einen regelmäßigen Austausch, zum Beispiel mit Filippo Gran­di, dem Hochkommissar, persönlich, oder mit Vertretern des UNHCR zu humanitären Krisensituationen in anderen Teilen der Welt.

Zu den Fragen 22, 23 und 26:

Ich habe schon eingangs gesagt: Wir lassen weder Griechenland noch Bosnien im Stich und helfen ganz konkret dort, wo Bedarf ist, wo der Bedarf am größten ist, nämlich vor Ort, zuletzt in Griechenland mit der begleitenden Hilfe und der Finanzierung für die Ta­gesbetreuungsstätte des SOS-Kinderdorfs oder in Bosnien mit der raschen Bereitstel­lung von 1 Million Euro für die Internationale Organisation für Migration. Es gibt also kei­ne mangelnde Hilfe, es gibt keine mangelnde Solidarität. Ich glaube, Österreich hat in Wirklichkeit in den letzten Jahren ein Übermaß an Solidarität an den Tag gelegt. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Zu den Fragen 24 und 25:

Es gibt keine Beschlussfassung auf europäischer Ebene. Noch einmal, um das zu beto­nen: Es gibt keine Beschlussfassung auf europäischer Ebene. Österreich liegt mit seiner Entscheidung, keine unbegleiteten Minderjährigen aufzunehmen, absolut im EU-Main­stream. Deutlich mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten, nämlich 15, nehmen keine


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 162

Kinder auf. Seit September haben elf Mitgliedstaaten zugesagt, Kinder aufzunehmen. Die Zahlen variieren zwischen zwei in Slowenien und 150 in Deutschland und Frank­reich.

Ich möchte noch einmal betonen, dass wir in den vergangenen Jahren im Schnitt doppelt so viele Menschen aufgenommen haben wie die gesamte EU, und wenn ich pro Kopf rechne, steht Österreich seit 2015 bei Asylanträgen von unbegleiteten minderjährigen Fremden EU-weit an zweiter Stelle. Also auch da haben wir einen großen Solidarbeitrag erbracht. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 27:

Großteils sind die österreichischen Hilfsmittel in Lesbos angekommen, und sie sind auch zum Teil schon im Lager im Einsatz. Die restlichen Hilfsgüter – das haben wir uns vor Kurzem wieder über die Botschaft vor Ort versichern lassen – sind in Reserve und wer­den, ich betone, vom UNHCR dann eingesetzt, wenn Bedarf danach besteht. Die Ent­scheidung, ob und wann welche Hilfsmittel, die wir zur Verfügung gestellt haben, einge­setzt werden, wird nicht – auch wenn es Sie enttäuscht – in Wien getroffen, sondern dort, wo sie getroffen werden muss, nämlich vor Ort.

Zu den Fragen 28 und 29:

Der Schutz – ich habe es schon eingangs gesagt – und die Förderung der Menschen­rechte sind eine klare Konstante der österreichischen Außenpolitik. Menschenrechte und Grundrechte sind einfach ein Grundstock, ein Grundpfeiler unserer gesamten Wertege­sellschaft, und wir stehen dafür fortlaufend international ein und haben auch eine beson­ders große Glaubwürdigkeit bei diesem Thema.

Sie müssen aber, und das wissen wir auch, immer wieder aufs Neue erkämpft werden. Man kann das nie sozusagen for granted nehmen, sondern man muss sich immer wieder aufs Neue für sie einsetzen. Ich habe eingangs schon unsere Mitgliedschaft und den Vorsitz im UNO-Menschenrechtsrat genannt, wo wir besondere Sichtbarkeit und Visibi­lität in diesem Bereich erreichen konnten. Wir sind nicht davor zurückgeschreckt, im Rahmen des Menschenrechtsrates Themen wie Belarus, Hongkong, Xinjiang, Vene­zuela, Syrien oder Myanmar oder auch Rassismus und Polizeigewalt auf die Tagesord­nung zu setzen.

Zu den Fragen 30 und 31:

Selbstverständlich ist die Einhaltung unserer menschenrechtlichen Standards ein wichti­ges Thema, auch in den Gesprächen innerhalb der EU, selbstverständlich natürlich auch mit Ungarn und Polen. Das ist sogar leider Gottes ein häufig wiederkehrendes Thema, und ich glaube, ich habe das sogar hier vor dem Bundesrat gesagt: Da gibt es natürlich sehr viele offene Fragen, allein die von Polen ausgerufenen LGBT-freien Zonen, die Dis­kriminierungen, die eindeutig gegen LGBTI-Personen an den Tag gelegt werden, sind eines europäischen Staates im 21. Jahrhundert einfach unwürdig.

Wir haben letzten September als allererster Staat das Thema Intersexpersonen im UNO-Menschenrechtsrat auf die Tagesordnung gesetzt, dort aufgegriffen, und es gab unter österreichischem Vorsitz zum allerersten Mal überhaupt eine gemeinsame Erklärung von Staaten dazu. Vor Kurzem hat Österreich an Polen in einem gemeinsamen offenen Brief von 49 Botschaftern und Botschafterinnen für den Schutz von LGBTI-Personen und deren Rechten appelliert. Also auch hier: Es ist ganz klar, dass wir uns engagieren. Ich sage aber auch ganz klar, dass die Realität zeigt, dass es uns nicht immer gelingt, unsere eigenen Standards innen aufrechtzuerhalten, was natürlich schwierig ist, weil es die Glaubwürdigkeit nach außen infrage stellt. Da braucht es sicher mehr Sensibilisie­rung.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 163

Die Instrumente, die wir EU-intern zur Verfügung haben, der berühmte Artikel 7 und an­dere, sind noch ausbaufähig, sind noch nicht gut genug. Aber ich glaube, gerade in den letzten Jahren sind einige positive Schritte gelungen.

Ich denke zum Beispiel an das Peerreview, also das Monitoring zwischen den Mitglied­staaten im Rechtsstaatlichkeitsbereich, oder an das, was von der Gruppe der Frugal Four letzten Dezember im Menschenrechtsrat durchgesetzt wurde: die Rechtsstaatlich­keitskonditionalität. Das sind, glaube ich, wesentliche Punkte, wo schon Fortschritte er­reicht werden konnten.

Zu den Fragen 32 bis 35:

Ich glaube, dazu wurde schon sehr viel, wenn nicht alles gesagt. Der Migrationspakt und das ganze Thema Migration waren ganz intensiv Gegenstand der Regierungsverhand­lungen. Ich persönlich sehe den Pakt nicht als geeignetes Mittel, um die Herausforde­rungen im Migrationsbereich zu lösen. Die österreichische Haltung hat sich nicht geän­dert, und es gibt dazu auch keinerlei Reaktionen aus dem internationalen Umfeld.

Zur Frage 36:

Ich bleibe bei meinen Aussagen: Wir teilen mit den Vereinigten Staaten eine Wertege­meinschaft und ein Lebensmodell, und das ändert sich nicht, je nachdem, wer gerade im Weißen Haus sitzt oder gesessen ist. Wir müssen gemeinsam für unser westliches, demokratisches, liberales Wertesystem eintreten, nicht beckmesserisch und nicht recht­haberisch, aber durchaus mit Selbstbewusstsein. Natürlich gibt es Kritikpunkte, selbst­verständlich gibt es Kritikpunkte. Die gibt es auch zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Wir gehen auch mit Frankreich oder Dänemark oder anderen Staaten nicht immer zu 100 Prozent konform: Ich denke zum Beispiel an die Todesstrafe, ich denke zum Beispiel an die Polizeigewalt im Zusammenhang mit den Black-Lives-Matter-Protesten. Aber ge­rade die enge Partnerschaft ermöglicht es, dass wir diese Themen auf Augenhöhe an­sprechen, und so ist es zum Beispiel bei einem Besuch von Mike Pompeo, dem dama­ligen Secretary of State, im August letzten Jahres geschehen.

Zu den Fragen 37 bis 39:

Unsere Botschaften berichten natürlich laufend über die Entwicklungen vor Ort, und das war vor und nach der Erstürmung des Kapitols nicht anders. Der Sturm auf das Kapitol war natürlich ein verheerendes Signal, und das zeigt sich gerade auch in den sehr hä­mischen Kommentaren und Bewertungen, die es teilweise in dem einen oder anderen autokratischen System gegeben hat. Es war wirklich ein schwarzer Tag für die Demo­kratie, und dafür gibt es weder eine Rechtfertigung noch eine Verteidigung.

Wir haben – und das war nicht nur ich, sondern auch der Bundeskanzler und andere – das noch am selben Tag, am selben Abend, in aller Deutlichkeit verurteilt, und ich habe das seitdem öffentlich immer wieder wiederholt. Zur Rolle des ehemaligen Präsidenten Donald Trump habe ich mich in diesem Zusammenhang auch sehr klar geäußert: Er hat Öl ins Feuer gegossen. Er hat klar Grenzen überschritten, und er kann sich auch jetzt seiner Verantwortung nicht entziehen.

Zur Frage 40:

Ich habe eingangs schon gesagt, dass sich die Bundesregierung um enge Kontakte zu den USA bemüht, egal, wer gerade im Weißen Haus sitzt. Wir machen unsere Außen­politik bewusst nicht an einer Person fest, auch wenn sich manche das vielleicht wünsch­ten. Ich hielte das aber für unvernünftig, denn da müssten wir – da laufend Wahlen sind – alle paar Jahre unsere außenpolitische Orientierung ändern. Wir werden diese Linie auch fortsetzen, und ich bin froh darüber, dass die Bundesregierung ganz bewusst einen stärker transatlantischen Weg geht. Wir sind viel zu lange sozusagen Rücken zu Rücken


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 164

statt Schulter an Schulter mit ihnen gestanden, und wenn wir uns die geopolitischen Entwicklungen anschauen, dann wissen wir, dass wir langfristig diese, wenn man so will, Allianz der liberalen, offenen, freien, demokratischen Gesellschaften vorantreiben müs­sen. Ich halte auch die Idee des amerikanischen Präsidenten, sozusagen die Demokra­tien zusammenzubringen, für einen sehr positiven Vorschlag, den wir natürlich unterstüt­zen werden.

Zur Frage 41:

Ich erwarte mir am ehesten zwei Dinge. Ich kann zusammenfassen: Der Ton macht die Musik, und der Ton wird sich ändern; und es wird eine höhere Berechenbarkeit geben. Die Amerikaner wissen aber sicher um den Wert von Allianzen und signalisieren das auch. Das Team, das jetzt da am Ruder ist, von Präsident Joe Biden bis Tony Blinken, das sind absolute außenpolitische Vollprofis, die genau wissen, wie das Geschäft läuft, und gerade auch, was Europa betrifft, sehr viel Erfahrung mitbringen, und das ist etwas sehr Positives.

Aber wir Europäer dürfen jetzt nicht einfach, wie ich schon gesagt habe, die Hände in den Schoß legen und uns freuen und denken, der Weltpolizist ist wieder da und wir sitzen jetzt wieder unter der Schirmherrschaft der USA; das wird nicht geschehen. In der Sub­stanz werden weit weniger Kurswechsel zu sehen sein, als wir oder einige Kommenta­toren es jetzt vielleicht vermuten.

Ich glaube aber, dass wir Europäer aus den letzten vier Jahren die richtigen Lehren zie­hen müssen. Punkt eins ist, jetzt aktiv auf die Vereinigten Staaten zugehen, sich strate­gisch interessant machen, Themen definieren, in denen wir konkret mit ihnen zusam­menarbeiten wollen. Aus österreichischer Sicht ist das zum Beispiel ganz logisch der Westbalkan – Stichwort: Bosnien-Herzegowina. Zweitens ist mir auch sehr wichtig, dass wir uns der Gemeinsamkeiten stärker bewusst sind. Wir sind manchmal wahnsinnig gut darin, in den transatlantischen Beziehungen nur das Trennende zu sehen und das Ge­meinsame zu übersehen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Zur Frage 42:

Das ist natürlich eine sehr umfangreiche Frage, ich glaube aber, ich habe schon einiges angerissen. Dreh- und Angelpunkt in diesem Jahr wird sicher die transatlantische Zu­sammenarbeit sein, das Thema Abrüstung, Wien als Ort des Dialoges. Etwas, das ich sehr bedauert habe, etwas, das Opfer von Covid-19 wurde, war der Westbalkan. Wir werden dieses Jahr versuchen, den Westbalkan wieder stärker auf die Agenda zu set­zen. Letztes Jahr ist es ja leider Gottes unter deutschem Vorsitz nicht gelungen, die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien zu eröffnen. Ich glaube, dass 2021 nicht wieder ein verlorenes Jahr für den Westbalkan sein darf. Wir müssen wissen, dass wir in dieser Region, die für uns, für unser eigenes Interesse, für unsere eigene Sicherheit, aber auch menschlich – wir haben immerhin eine halbe Million Menschen hier, die sozusagen familiäre Verbindungen in diese Region haben – wahnsinnig wichtig ist, in starker Konkurrenz zur Türkei, zu China, Russland und anderen stehen.

Ein Thema, das uns natürlich begleiten wird, ist der sogenannte Ring of Fire, die zuneh­menden humanitären Krisen, die wir von Belarus bis zur Westsahara haben.

Und das letzte Thema, das ich in der internen Arbeit sehr stark in den Fokus nehmen will, ist die Wirtschaft – gemeinsam mit den Außenhandelscentern unsere Exportwirt­schaft zu unterstützen, von Buenos Aires bis Moskau, bis Peking –, damit wir als Export­nation am Ende dieser Krise wieder sehr schnell in die Gänge kommen. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.31



BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 165

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.32.22

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Au­ßenminister! Der Weihrauch, den Sie hier jetzt verströmt haben, ist einer parlamentari­schen Anfragebeantwortung unwürdig. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden Ihnen daher diese Anfrage noch einmal zur schriftlichen Beantwortung über­reichen. Da können Sie dann den Weihrauch, den Streuselzucker, den Honig und alles andere weglassen, um die Fragen vielleicht einmal im Kern zu beantworten, denn mit Ihrem seltsamem Verständnis von Information und Aufklärung haben diese erbärmlichen Videos nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben sogar den armen Guterres mit ins Spiel gebracht, wobei man vor lauter Weih­rauch nicht wusste, ob Guterres Ihre Videos befürwortet hat oder ob Sie sich ganz schnell einmal hinter dem UN-Generalsekretär versteckt haben.

Vielleicht zum Mitschreiben, Herr Minister: Wien ist nicht Hiroshima, Graz und Linz sind nicht Nagasaki. Wenn Sie einen Themenwechsel brauchen, weil ja sogar „Der Spiegel“, über die „Symptome gravierenden Systemversagens“ bei der österreichischen Bundes­regierung schreibt, dann nehmen Sie etwas anderes zum Anlass, um diesen Themen­wechsel herbeizuführen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass Sie zu einem Feiertag der Menschlichkeit, weil nämlich endlich genügend Ratifizierungen für den Atomwaffen­sperrvertrag vorhanden sind, so einen Nonsens produzieren lassen, einen Nonsens, der erbärmlich ist, der unverantwortlich und unfassbar ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben ja auch über New Start geredet. Es ist eine erfreuliche Entwicklung, dass Biden und Putin etwas retten konnten, den letzten Bereich dieser Verträge, dieser INF-Verträge, der ja nur ein Einfrieren, aber keine Abrüstung bedeutet. Deshalb wäre es besser gewesen, wenn der Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons Österreich in einer anderen Weise zur Kenntnis gebracht worden wäre als in dieser Art, wie Sie es in einer Zeit gemacht haben, in der so viele Ängste kursieren.

Hören Sie auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Kinder- und Jugendheilkunde, die nicht mehr wissen, wie sie mit verängstigten Kindern umgehen sollen! Das geht bis zu Suizidgedanken. Und da produzieren Sie solche Videos, die natürlich im Social Web zu sehen sind, die die Ängste, die diese Kinder haben, verstärken. Mittlerweile reichen die Plätze auf den Stationen der Spitäler nicht mehr aus, egal, ob in Innsbruck oder in Wien. Das ist unverantwortlich, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätIn­nen der FPÖ.)

Alleine die Aussage: in Wien 230 400 Tote, 505 000 Verletzte. – Was macht denn das mit Kindern, die keine Chance haben, mit ihren Lehrern und Lehrerinnen darüber zu reden, die keine Chance haben, mit ihren Mitschülern und Mitschülerinnen darüber zu reden, die keine Chance haben, außer zu Hause zu sitzen und dümmliche Videos in sich hineinzufressen? Das geht nicht, Herr Minister! Da können Sie Geschichten erzählen, wie Sie wollen! (Beifall bei der SPÖ.)

Mehrere Redner und Rednerinnen haben heute ihre Erschütterung darüber kundgetan, was gestern in der Nacht in Wien passiert ist: Zwei vollständig integrierte junge Mädchen werden um 3 Uhr in der Früh abgeschoben – ein Gesundheitsminister, der früher einmal noch Unterschriften gegen so etwas gesammelt hat, weint im Nachhinein Krokodilsträ­nen darüber. Auch der Bundespräsident sagt, es ist unfassbar, in welchem Staat wir leben. Das ist unfassbar und nicht zu akzeptieren, und ich hoffe sehr, dass die Klage vor


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 166

dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits auf dem Weg ist und dass diese Regierung gezwungen wird, diese Mädchen aus Jerewan wieder nach Österreich zurückzuholen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben vorhin mit wahnsinnig viel Weihrauch über internationale Verträge und Kon­ventionen gesprochen. Sie wissen es ganz genau – und sagen Sie nicht, dass Sie es nicht wissen –: Es wurden heute Nacht der Artikel 2 und der Artikel 3 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes in brutalster Weise durch Österreich verletzt. Und das reicht aus, um eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenreche zu begrün­den. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht aber noch weiter. Auch das kann man, wenn man heute verdienstvolle Blogs und Kommentatoren liest, sagen. Ein Vorarlberger Blogger schreibt von Impfdosen statt Angst. Da wird dann im Umkehrschluss geschrieben: Heute Nacht haben wir gezeigt, abschieben können wir besser, als die Menschen in unserem Land impfen. – Zitatende. Das ist eine Schande! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe Ihnen hier schon einmal vom Rednerpult aus eine Frage zu Black Lives Matter gestellt und ob Sie endlich eine Position dazu einnehmen. Sie können das im Steno­graphischen Protokoll nachlesen. Sie haben sich gewunden, weil Sie einen Fototermin von Trump mit Kurz brauchten, und deshalb waren Sie hier so vorsichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch bei Ungarn und Polen haben Sie sich in einer früheren Sitzung schon herausge­wunden. Sie haben es auch heute getan. Ich habe gesagt, Herr Außenminister, hören Sie mit dem Feixen mit Ihrem Amtskollegen aus Ungarn auf, so wie Sie auch die Fotos gezeigt haben. Das gehört sich nicht!

Ungarn bricht alle rechtsstaatlichen Levels, die es in der Europäischen Union gibt, und Sie sind da das wichtigste Bindeglied. In Polen gibt es die Situation, dass Frauen zu Tausenden das Land verlassen, um Abtreibungen durchführen lassen zu können. Das geht nicht mehr.

Ich war Leiter der polnischen Wahlbeobachtungsmission, und ich war sehr überrascht, dass die Frau und die Tochter des Präsidenten ihren Mann beziehungsweise ihren Vater nicht unterstützt haben. Am meisten hat mich dann fasziniert, wie die Tochter vor die Kamera getreten ist und gesagt hat: Polen muss wieder ein Land werden, wo man keine Angst hat, wenn man eine andere Religion hat als die katholische, und wo man nicht aus Liebe das Land verlassen muss.

Herr Außenminister, Sie fühlen sich ja in den Visegrádstaaten unheimlich wohl. Das be­kommen wir mit. Manchmal hat man das Gefühl, diese österreichische Bundesregierung ist zur führenden Regierung für die Visegrádstaaten geworden. Das ist der Irrweg Ihrer Außenpolitik, das ist der Irrweg dieser Bundesregierung. Da kann man auch zu den Grü­nen sagen: Mischt euch außenpolitisch endlich einmal ein und mischt euch humanitär ein, und nicht erst dann, wenn es zu spät ist! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen, Sie kennen die Bilder aus Kara Tepe, Sie kennen die Bilder vom Camp Lipa in Bosnien. Trotzdem wiederholen Sie hier Zahlen, Herr Außenminister, die beim Fakten­check, als sie Bundeskanzler Kurz präsentiert hat, bereits als unrichtig herausgearbeitet wurden. Sie wiederholen genau die dem Faktencheck nicht standhaltenden Zahlen heu­te in einer Dringlichen Anfrage. Wir werden diese Zahlen in der schriftlichen Version unserer Anfrage genauer mit Ihnen durchgehen, und dann können Sie sich nicht auf die unrichtigen Zahlen des Bundeskanzlers verlassen, weil Sie dann als Außenminister die­se Anfrage schriftlich beantworten müssen.

Was nun Bosnien betrifft: Also ich habe mit der Generalsekretärin des Europarates, die Kroatin ist, gesprochen, vor allem über die Vorgänge bei der kroatischen Grenzpolizei.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 167

Da werden Flüchtlinge brutalst bestohlen. Da werden Flüchtlinge misshandelt, zu Boden geworfen. Es werden ihnen die Schuhe ausgezogen – in dieser Jahreszeit! –, es werden ihnen die Schuhe geraubt – als ob gerade Flüchtlinge so tolle Schuhe hätten –, es wer­den ihnen regelmäßig, in immer wiederkehrenden Abständen, die Handys geraubt. Die Grenzpolizei der Kroaten entwickelt sich zu einer Räubertruppe.

Wenn man da sagt: Wir haben das alles im Auge!, dann stimmt das nicht. Sie wissen auch, dass man die Flüchtlinge vom Camp Lipa in Busse gesetzt hat. 28 Stunden hat man diese verschreckten Flüchtlinge sinnlos durchs Land gekarrt, um sie dann, nach 28 Stunden, dort wieder hinauszuschmeißen, wo man sie am Anfang eingesammelt hat­te. Das geht so nicht!

Da ich nicht so sicher bin, Herr Außenminister, dass Sie wirklich all diese Berichte ein­gefordert haben, was zum Beispiel Bosnien betrifft, übergebe ich Ihnen hier (ein Bündel Schriftstücke auf die Regierungsbank legend), sehr nett mit einer Masche verschnürt, eine Wochenendlektüre, die Ihnen vielleicht doch ein wenig Nachdenken bereiten wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Möglicherweise haben Sie sich mit den Kurzberichten begnügt. Das sind keine Kurzbe­richte, das ist die umfassende Sammlung. Es wäre nicht gut, Herr Außenminister, wenn Sie diesen Stoß an erschreckenden Tatsachen, die international gesammelt wurden, einfach in den nächsten Mülleimer werfen würden. Damit würden Sie uns herausfordern, auch dazu Detailfragen zu stellen. Wir haben noch eine Kopie davon. Dann werden wir sehen, ob wir entsprechende Antworten bekommen.

Insgesamt geht es nur darum, davon abzulenken, dass einer Ihrer besten Freunde, der Herr Bundeskanzler, in Bezug auf seine Beliebtheitswerte im Land arg ins Straucheln kommt, dass die Regierung auch im Ausland als Systemversager dargestellt wird.

Da kommt jetzt noch dazu: Wenn die ÖVP nun im Ibiza-Ausschuss wegen der Aussagen strauchelt, betreffend BVT unter Druck kommt, dann ist das alles kein Zufall, dann sind die Videos kein Zufall, dann sind die Abschiebungen von heute Nacht kein Zufall. Sie versuchen mit aller Gewalt, was es auch kostet, einen Themenwechsel herbeizuführen. Die ÖVP ist in der Sackgasse, und das ist eindeutig.

All das, was Sie gemacht haben, wirft die Frage nach dem Sinn auf. Frau Schumann hat bei der Begründung ihrer Anfrage gesagt: Was ist der Sinn? – Der Sinn der Unmensch­lichkeit von heute Nacht, der Sinn eines Nonsens- und Unfugvideos und von allem an­deren ist, dass Sie einen innenpolitischen Themenwechsel wollen. Da hauen Sie alles in die Pfanne, selbst das Befinden der Kinder, wenn sie das sehen.

Deshalb werden wir Sie da nicht so herauskommen lassen. Wir garantieren Ihnen: Sollte die Beantwortung der schriftlichen Anfrage in einer ähnlichen Weise wie die heutige von Weihrauchflecken durchtränkt sein (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ), dann wird es hier zu einer mündlichen Anfragebesprechung kommen. Das ist ein parlamentari­sches Recht, und ich kann Ihnen heute bereits sagen, dass das so passieren wird.

In diesem Sinne, Herr Außenminister: Ihr Auftritt heute war eine blanke Enttäuschung, Ihre Argumente waren vielfach blanker Hohn. Zum Letzten: Bedenken Sie, was Sie damit in einer Gesellschaft anrichten, in der durch die Pandemie bereits genug Angst herrscht: Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Angst, die Liebsten im hohen Alter zu verlie­ren, Angst, Angst, Angst in jeder Hinsicht.

Diese Regierung ist ja nicht einmal fähig, das Arbeitslosengeld zu erhöhen. Wie soll sie denn dann fähig sein, zur Einsicht zu kommen betreffend dem, was Sie da angestellt haben? – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 168

19.47


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Eduard Köck. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.47.45

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Danke der SPÖ für diese Anfrage. So haben wir heute auch einmal die Chance, über die gute Arbeit unseres Außenministeriums und unseres Außenministers zu sprechen. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Die Fragen sind ja sehr breit gefächert. Es ist ja fast eine allgemeinpolitische Diskussion daraus geworden, aber das Betätigungsfeld des Außenministeriums ist ja auch sehr groß. Wir können heute die wirklich großen Erfolge in der Weltpolitik, die gute Arbeit in der Migrationspolitik und die gute Arbeit auch in den bilateralen Verhandlungen mit an­deren Ländern reflektieren. Das ist auch, denke ich, einmal gut. (Bundesrätin Schu­mann: Genau! Wien haben wir weggeschmolzen! Gratuliere! – Bundesrätin Grimling: Graz haben wir weggeschmolzen!)

Um auf die Atompolitik zu sprechen zu kommen, möchte ich ein paar Zeilen aus einem Lied der Gruppe Wishful Thinking zitieren: „Fly, little bird, to Hiroshima, on the way a load! Speak the magic word to Hiroshima, let the sky explode!” (Bundesrat Steiner: Das Englisch üben wir dann noch!)

Diese Zeilen zeigen, was damals, am 6.8.1945, in Hiroshima vorgefallen ist.

Wir alle kennen Bilder aus der Stadt nach dem Abwurf der Atombombe und viele von uns kennen auch Dokumentationen mit Berichten von Überlebenden, die skizziert ha­ben, was da los war, wie viele Menschen getötet worden sind, wie viele Menschen mit herunterhängenden Hautfetzen herumgelaufen sind, verbrannt waren, Menschen, deren Kleidung mit der Haut verschmolzen war (Bundesrat Schennach: Und das wollen wir jetzt in Wien?!), und sehr viele grausame (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) Be­richte sind da oft ins Fernsehen gekommen. Deshalb war es wichtig, dass gerade Ös­terreich bei einer UNO-Generalversammlung diese Initiative ergriffen und auch dann be­gleitet und moderiert hat, dass es zu einem Atomwaffenverbotsvertrag gekommen ist.

Das ist die große weltpolitische Leistung (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), vor allem auch unseres Außenministers und unseres Außenministeriums, die man da auf­zeigen muss, die mit der Ratifizierung von 50 Ländern am 22.1. geschaffen worden ist. Es werden noch viele folgen, weil ja schon viele mehr unterschrieben haben und das auch ratifizieren werden. Ich hoffe, dass alle Länder folgen werden und dass wir nie wieder solche Erfahrungsberichte wie die vorhin erwähnten miterleben müssen. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Die inszenierte Aufregung über dieses Video soll offensichtlich von der Schwäche von Stadtrat Hacker in der Pandemiebekämpfung oder anderen Din­gen ablenken, auf die ich eigentlich gar nicht näher eingehen will (Bundesrat Schen­nach: ... den Stadtrat Hacker!), weil es reine Inszenierung ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: ... Stadtrat Hacker ...!)

Danke auch für die gute bilaterale Arbeit in der Pandemie, in der es eben darum geht, dass es Rückführungen von unseren Bürgern gibt, in der es darum geht, dass unsere Bürger in anderen Ländern gut begleitet und gut beraten werden, und in der es eben darum geht, auch mit unseren angrenzenden Nachbarländern gute Verhandlungen zu führen, denn in der Pandemie brauchen wir trotzdem den Berufsverkehr in den Berei­chen Landwirtschaft und Pflege oder in vielen anderen Bereichen. Diesbezüglich hat es letzten Endes immer wieder gute Lösungen gegeben – einen sehr herzlichen Dank auch dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte jetzt noch einmal auf die Abschiebung von gestern Abend zu sprechen kom­men (Bundesrätin Schumann: Oh!), weil hier nicht alles wirklich ausgesprochen wird, was da vorgefallen ist – und zwar war es so, dass diese Familie 2009 den ersten Asyl­antrag gestellt hat und die erste rechtskräftige Abweisung bereits 2010 stattgefunden


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 169

hat. 2012 gab es einen neuerlichen Asylantrag, der wiederum abgewiesen worden ist. Die Mutter ging mit der Tochter zurück nach Georgien, sie kam 2014 mit einem Touris­tenvisum zurück nach Österreich, ist 2015 angehalten worden, hat wiederum einen An­trag gestellt, der erneut abgelehnt wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.) 2017 kam die jüngere Tochter in Österreich auf die Welt, es wurde sofort ein Asylantrag ge­stellt (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), und auch dieser wurde abgelehnt. Es wurde abermals ein Antrag gestellt, der 2019 neuerlich abgelehnt wurde, was dann eben auch vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurde.

Mich erinnert die Situation an die Aussage einer Holländerin im Migrationsausschuss des Europarates, die dort gesagt hat: Es gibt einen abgelehnten Migranten in Holland, der schon zehn Mal in Abschiebehaft war. (Bundesrätin Schumann: Oh, na ja!) Abschie­behaft ist das, wenn man als abgelehnter Asylant aufgegriffen wird (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), eine bestimmte Zeit lang in Haft kommt und dann wieder nach Hause gehen muss. (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer.) Sie sagt: Begreift die Regierung denn nicht, dass der nicht nach Hause gehen will, wenn man ihn schon zehn Mal aufgegriffen hat? Sie soll ihn doch da lassen. – (Bundesrätin Kahofer: Das war ...!) Meine Damen und Herren, wenn wir die Säulen unseres Rechtsstaates nicht achten, dann wird diese Republik zugrunde gehen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bun­desrätin Gerdenitsch.) Wir, die Regierung Österreichs, muss darüber bestimmen, wer in Österreich lebt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir können es nicht akzeptieren, Leute durch Rechtsbruch ganz einfach bei uns einsiedeln zu lassen. Das geht nicht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich möchte auch auf die Migrationssituation auf Lesbos zu sprechen kommen – gerade deswegen, weil wir im Migrationsausschuss im Europarat erst in den vergangenen Wo­chen zwei Sitzungen hatten und auch ein Bericht darüber verfasst worden ist, und weil ich in Europa schon in sehr vielen Flüchtlingseinrichtungen unterwegs war, unter ande­rem in Griechenland. Vor zwei Jahren, im Sommer 2019, war ich zu Besuch in zwei Einrichtungen in Athen, in denen unbegleitete Jugendliche betreut werden. Aufgebaut worden sind diese zwei Einrichtungen vor allem mit österreichischem Geld, mit Geld von SOS-Kinderdorf Österreich. (Bundesrat Schennach: Ja, aber die haben noch nicht an­gefangen!) Die Griechen haben zwei Häuser ausgebaut, eines für Mädchen, eines für Jungen. Wir waren in beiden, dort leben zwischen 20 und 30 unbegleitete Jugendliche mit Betreuerinnen und Betreuern – und dorthin kommen vor allem unbegleitete Jugend­liche aus Lesbos.

Was glauben Sie, was diese unbegleiteten Jugendlichen dort machen? Die kommen von diesem schlimmen Lager auf Lesbos nach Athen in eine schöne Wohnanlage mit guter Betreuung – und sobald sie ihre Kontakte geschmiedet haben, gehen sie unbegleitet bei der Tür hinaus und sind weg. (Ruf bei der SPÖ: Aha ...!) So geht das, das ist die Realität dort. Man hat mir damals schon gesagt, dass auf Lesbos eben auch sehr viele sind, die einen ablehnenden Bescheid haben (Bundesrätin Kahofer: Deshalb ...!) – und die kom­men eben nicht aufs Festland. Griechenland bekommt von der EU sehr große Hilfe (Bun­desrätin Kahofer: ... das gelingt, ...!) für gute Arbeit auf Lesbos, aber auf meine Frage hin haben die Verantwortlichen dort gesagt: Das ist zu umständlich. Sie hätten das Geld lieber einfach so überwiesen bekommen, aber dass man dann noch nachweisen muss, wofür man das gebraucht hat (Oh-Rufe bei der SPÖ), und diese ganze Bürokratie, das wollen sie nicht. (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner. – Bundesrat Schen­nach: SOS-Kinderdorf hat vor Kurzem ... SOS-Kinderdorf ...!) Das ist mir auch von einer hohen griechischen Beamtin in Straßburg bestätigt worden, dass der griechische Staat mehr machen könnte. Herr Professor Schennach, wir wissen es, dass Sie die Wahrheit gepachtet haben, aber ich war dort und nicht Sie. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Ja?! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 170

Dieser Bericht war am 21. Jänner in diesem Migrationsausschuss, und die Sondersekre­tärin für unbegleitete Jugendliche aus dem griechischen Asylministerium hat darüber referiert. Am Ende ihres Berichtes hat eine österreichische Oppositionspolitikerin die Fra­ge gestellt, wie sich denn Österreich bei der Aufteilung dieser unbegleiteten Jugendli­chen verhält, natürlich mit der Hoffnung, dass da eine doch sehr kritische Antwort über Österreich kommen wird. Das war nicht so. Die Griechin hat ausgeführt: Derzeit gibt es 56 unbegleitete Jugendliche auf Lesbos, mit dem österreichischen Geld wird derzeit ein psychosomatisches Betreuungszentrum eingerichtet (Bundesrat Schennach: Ja, aber das hat nicht einmal angefangen!), was unbedingt und schon lange notwendig und gut ist (Bundesrat Schennach: In zwei Jahren ...!), und das mit österreichischer Hilfe. Ich war in dem Ausschuss, Professor Schennach (Zwischenruf der Bundesrätin Kahofer), nicht du. Mit österreichischer Hilfe soll dort ein SOS-Kinderdorf zur Betreuung unbeglei­teter Jugendlicher aufgebaut werden – und sie hat das Engagement Österreichs aus­drücklich gelobt (Zwischenrufe bei der SPÖ), ausdrücklich gelobt. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Es war ja auch eine Kommission der EU auf Lesbos (Bundesrätin Gruber-Pruner: ... unmenschlich!), nachdem es den Bericht über diese Rattenbisse gegeben hat, und die hat in der „Welt“ klargestellt, dass die Zustände dort nicht so sind, wie sie manchmal von NGOs dargestellt werden. (Ruf bei der SPÖ: Oh ja! – Bundesrätin Gruber-Pruner: ... un­menschlich!) Es gibt 400 WCs für 7 000 Personen (Zwischenruf der Bundesrätin Ka­hofer), es gibt 200 Duschanlagen, es sind dort 400 Polizisten (Bundesrat Schen­nach: ... Urlaub!), unter anderem auch österreichische Polizisten, unterwegs (Rufe bei der SPÖ: ... wie im Urlaub! Urlaub!) und sehen, dass dort die Ordnung auch eingehalten wird.

Abschließend möchte ich aus meinen Erfahrungen noch eines sagen: Ich war in vielen Einrichtungen in vielen Ländern und unter anderem auch beim Besuch des Europarates in Österreich den ganzen Tag dabei. Wir waren in Traiskirchen und in der Zinnergasse – und ich muss ehrlich sagen, ich bin stolz. Ich bin stolz auf Österreich, stolz auf unsere Beamten und stolz auf unsere Betreuer. (Zwischenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.) Wir sind auch gelobt worden – wir haben dort wirklich die besten Führungen bekommen, es wurde am professionellsten aufgezeigt, wie ein Asylverfahren vonstattengeht, das ist uns noch nirgends so gezeigt worden, das haben alle Beteiligten gesagt (Bundesrätin Kahofer: Ja, ... alle ...!), die Einrichtungen sind von allen gelobt worden. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Bei der anschließenden Runde – es waren auch einige andere Parlamentarier dabei – hat ein Portugiese gesagt: Ich weiß nicht, ob ich nun wirklich in Österreich bin, ich höre immer so viele Geschichten, dass es so schlimm ist, auch von Österreichern, aber ich habe die besten Einrichtungen in Europa gesehen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich war in der Schweiz und habe dort Flüchtlingsein­richtungen gesehen, da waren in Industriehallen Hütten aus OSB-Platten mit 3 mal 4 Me­ter zusammengeschraubt, das waren die Zimmer für die Flüchtlinge. (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.) Das sind immer die, die mehr oder weniger gelobt werden (Zwischenruf des Bundesrates Schennach), aber da sind wir weit drüber und brauchen uns selbst nicht in ein schlechtes Licht zu rücken. Wir sollten das vor allem im Ausland nicht von uns aus tun, denn unsere Beamten, unsere Regierung machen wirklich einen tollen Job in der Migrationsbetreuung (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann) und bieten tolle Hilfe im Ausland. Ich hoffe, dass es auch so weitergeht. (Bundesrätin Grimling: Ja!)

Danke für Ihren Einsatz, Herr Minister, Sie arbeiten wirklich vorzüglich. Danke auch an alle Botschafter, die auch tolle Arbeit leisten, ich kann das für Dr. Lennkh und Dr. Jandl in Straßburg nur bestätigen, die immer für alle ganz super da sind, auch wenn es darum geht, für junge Menschen eine Ausbildung zu finden und dann auch ein Quartier zu fin­den.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 171

Geben Sie den Dank an alle weiter! Wir haben wirklich gute Beamte und gute Regie­rungspolitiker. (Beifall bei der ÖVP. Rufe bei der SPÖ: Danke! Danke!)

20.01


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Johannes Hübner. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.01.22

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt kann ich auch einmal Danke sagen. Das sage ich hier eigentlich ganz selten, aber Kollege Köck wo ist er jetzt?, da sitzt er, Entschuldigung –: Ich sage wirk­lich Danke dafür, dass Sie die Dinge, was im sogenannten Asylskandal los ist, auf den Punkt gebracht haben.

Ich habe mir den ganzen Tag schwergetan, diese Fakten zusammenzubringen, weil die, ich möchte nicht sagen, gleichgeschalteten, das sind vielleicht böse Dinge, aber jeden­falls durchgeschalteten Medien konsequent die Fakten leugnen und verbergen. Sie fin­den diese Information, was da abgeht, im öffentlichen Medienbereich nirgends. Sie fin­den eine Information, die das Gefühl gibt, es sind drei Minderjährige (Zwischenruf des Bundesrates Novakjetzt warte einmal!  aus der Schule gerissen und nun abgescho­ben worden. Dass die Teil einer Familie sind, Zwölfjährige, Fünfjährige, die seit über vier Jahren illegal in Österreich lebt, das finden Sie nirgends. (Bundesrat Novak: Blödsinn, was du da zusammenredest!)

Das Einzige, bei dem ich Kollegen Köck nicht ganz recht geben kann: Ich bin schon stolz auf Österreich, aber trotzdem nicht stolz auf das Verhalten Österreichs in dieser Sache (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), denn das ist natürlich wirklich ein Skandal, dass es der österreichische Rechtsstaat vier Jahre lang nicht schafft, einen rechtmäßi­gen Zustand herzustellen und wie Sie das sehr richtig gesagt haben  durchzusetzen, dass Österreich, seine Bevölkerung und seine rechtlichen Institutionen entscheiden, wer sich hier aufhalten kann; also das ist kein Grund, um stolz zu sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Nächster Punkt, ja, da komme ich gleich wieder zu Ihnen, bei dem ich noch weniger stolz auf die SPÖ bin (Bundesrat Novak: Weiter rechts geht’s gar nicht mehr, da passt kein Löschblatt mehr hinein! Heiterkeit bei der FPÖ) das ist dein Argument: rechts, da passt kein Löschblatt hinein und deshalb halt die Goschen, das ist ein klassischer SPÖ-Spruch, ja (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Novak) –, ungefähr so ist ja der Aufhänger der Dringlichen Anfrage: Man darf über die Gefahr der Atomkraft nicht reden, da sonst die Desinformation über die Flüchtlingstragödie, die sogenannte Flüchtlingstra­gödie, nicht gut ankommt. So könnte ich es vielleicht auf einen kleinen Nenner bringen.

Da hat der Herr Außenminister natürlich vollkommen recht, diese Atomgefahr ist eine eminente, und selbst Greta Thunberg würde, wenn sie sich das einmal anhören würde, vielleicht auf der Demo auch noch irgendetwas anderes reden. Diese Gefahr ist eine eminente, es gibt heute weltweit 12 500 taktische Atomwaffen. Start, dieser Begren­zungsvertrag zwischen Russland und den USA, begrenzt das auf je 5 000 Atomwaffen (Zwischenruf des Bundesrates Novak), je 5 000.

Das heutige Atomwaffenarsenal besitzt – da gibt es verschiedene Expertenmeinungen – einen acht- bis zwölffachen Overkill (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Novak), man kann also acht- bis zwölfmal das gesamte Leben auf der Welt auslöschen. Wenn Sie sagen, das ist ein Witz, damit dürfen wir uns nicht beschäftigen, wir müssen uns über die Abschiebung der Minderjährigen äußern: Das ist echte Desinformation, das ist echte Demokratiefeindlichkeit, das ist Demagogie und das ist ein An-der-Nase-Herumführen der Leute. Dass Sie von den Medien da teilweise unterstützt werden, ist traurig, aber leider ein Faktum. (Beifall bei der FPÖ.) Da Sie alles, was Ihnen nicht in den Kram passt,


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 172

als rechts abtun, da Ihr einziges Argument ist, dass ich so rechts bin, werde ich diese Diskussion mit Ihnen beenden, weil ich jetzt am Punkt bin. (Bundesrat Novak: Was ist die Aussage?)

Jetzt gehen wir aber trotzdem weiter. (Heiterkeit des Redners.) Also insoweit kann ich diesem Video auch nicht entgegentreten, die 4 000 Euro, die Sie da aufgewendet haben, sind sicherlich vertretbar. Das Video hätte ja nicht so eine Verbreitung gefunden, wenn es die SPÖ nicht verwendet hätte, um ein ganz anderes Thema hochzuspielen und von ihrer eigenen Demagogie abzulenken. Wäre das nicht geschehen, hätten das nicht viele Leute gesehen, leider, aber für 4 000 Euro hätten es genug gesehen. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Wir wollen uns alle und den Minister jetzt aber nicht zu sehr loben, ich bin ja immerhin auch dazu da, andere Dinge aufzuzeigen. Wobei ich Ihnen nicht recht geben kann, Herr Außenminister, ist da werden Sie sich jetzt freuen das Selbstlob über den Atomwaf­fenverbotsvertrag. Der ist genauso wie der von unseren Außenstellen hochgejubelte Vertrag über das Verbot der Landminen und der Streubomben, er hat einen kleinen, von Ihnen und auch von den Rednern Ihrer Fraktion leider verschwiegenen Makel, er wurde von allen Atommächten und allen Nato-Staaten nicht unterzeichnet. Das ist das Ent­scheidende. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Wie auch beim Vertrag über die Streubomben hat Österreich zusammen mit dem Va­tikan, mit Liechtenstein, Andorra, Malta und anderen militärischen Großmächten eine Führungsrolle übernommen (Heiterkeit bei der FPÖ), die haben alle gleich unterschrie­ben und unterzeichnet. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn sich aber zu einem Vertrag kein einziger Staat, der über Atomwaffen verfügt, verpflichtet, die Atomwaffen nicht einzuset­zen  in dem Vertrag steht zusammengefasst, man darf Atomwaffen nicht einsetzen –, wenn da kein einziger Staat dabei ist, der Atomwaffen besitzt, und wenn noch dazu alle Nato-Staaten, und damit die überwältigende Mehrheit der EU-Mitgliedsländer, das nicht unterschreiben und von den 122 Staaten, die das unterschreiben sollen, nur 55 signiert haben, weil die USA im Hintergrund ihren Klientenstaaten klarmachen: Nein!, dann muss man von einem eklatanten Misserfolg reden, dann muss man von einer absoluten Totge­burt reden. Das kann man nicht abfeiern, das muss man nennen, was es ist: ein netter Versuch, der in die Hose gegangen ist. (Beifall bei der FPÖ.) Auch wenn wir im nächsten Jahr eine Konferenz darüber machen – ich will jetzt nicht polemisch sein und sagen: auf der sich der Vatikan, Liechtenstein, Andorra und Österreich über die Atomwaffen unter­halten (erheitert) –, so ist das kein Erfolg.

So, das letzte Kapitel, da die Zeit schon vorgerückt ist, betrifft die strategische Partner­schaft mit den USA, die ja auch in Ihrem Antrag als wichtig erachtet wird. Der Herr Minister hat durchaus richtig gesagt, dass man nicht immer nur das Trennende, sondern auch das Verbindende sehen soll, aber man soll auch nicht nur das Verbindende sehen, sondern man soll vor allem das Trennende sehen und es beim Namen nennen. Das ist natürlich im Fall der USA gewaltig. Es gibt also eine Weltmacht, die auf der einen Seite genaue Zahlen liegen mir nicht vor  das wahrscheinlich drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt in Europa, auf dem Gebiet der Europäischen Union unterhält, denn allein das Atomwaffenarsenal der USA in Europa ist größer als das Chinas. Das ist deutlich kleiner als das russische und das im eigenen Land, aber es ist größer als das chinesische und natürlich weit größer als das indische, pakistanische oder israelische, es ist das dritt­größte Arsenal.

Ein Staat, der im Jahr 2021 fast 60 000 Besatzungssoldaten im größten EU-Mitglied­staat, in Deutschland, unterhält und einen nur dünn als Beitragspakt modifizierten Be­satzungsvertrag aus dem Jahr 1948 hat, nützt wirtschaftliche Sanktionen zur offenen und unverblümten Erpressung der eigenen Alliierten Nord Stream 2.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 173

Nehmen wir – das wird auch die SPÖ freuen – zum Beispiel die Onlinesteuern: Frank­reich war ja ein Vorreiter bei der Einführung der Onlinesteuern: 3 Prozent Umsatzsteuer auf die Erträge von Onlineunternehmen. Es ist um Amazon, Google, Twitter, glaube ich, und Facebook gegangen. Was ist die Reaktion der USA? – 25 Prozent Sondersteuer auf französische Produkte. Was war die Reaktion Frankreichs? – Aussetzen der Steuer.

Spanien hat gleiche Pläne gehabt und parlamentarisch beschlossen. Nach einer kurzen Vorsprache des amerikanischen Botschafters: Aussetzen der Pläne.

In Europa sind wir in einer Situation, in der die amerikanische Regierung bei ihrem Kern­verbündeten – manche sagen bei ihrem Kernbesetzten – Deutschland nicht davor zu­rückscheut, direkt in die Rechtsordnung einzugreifen, wirtschaftliche Piraterie zu betrei­ben, einzelne Unternehmen wie Allseas zum Beispiel mit der Vernichtung zu bedrohen, wenn sie sich nicht aus ihren vertraglichen Verpflichtungen zurückziehen. Das können wir nicht verschweigen, das können wir ebenso wenig verschweigen wie die Herrschaft der genannten Konzerne über unseren Informationsfluss.

Wir wagen es nicht, tun es nicht oder sind zu feige, diese Dinge anzusprechen. Wir ma­chen zwar ein Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz, mit dem wir von diesen Konzernen Zensur fordern, aber wir reden nicht einmal über ein Netzneutralitätsgesetz. Plattformen, die ein weltweites Monopol über den Informationsfluss haben, wie vor allem Google, aber auch Facebook und Twitter, müssten natürlich verpflichtet sein, alle Informationen zu bringen und nicht nach eigenen Policies, eigenen Corporatepolicies zu entscheiden, was sie veröffentlichen oder nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir könnten uns als Rechtsstaatler oder Demokraten an die sogenannten Contentpro­vider, um die neue Regierungssprache zu verwenden, wenden, die den Inhalt beisteu­ern. Die sind verantwortlich. Wenn eine monopolistische Kommunikationsplattform nach den eigenen Policies, die weitab von Europa gemacht werden, entscheidet, wer vor­kommt, wer drauf sein darf, auch wenn das jetzt der SPÖ vielleicht gerade passt, weil sie jetzt, was weiß ich, Sellner, die Identitären, Trump und alle möglichen gesperrt ha­ben, muss man doch erkennen, weil die Freiheit ja immer die Freiheit des anderen ist, wie Rosa Luxemburg gesagt hat, dass wir da vor einer gefährlichen Entwicklung stehen. Da vermisse ich, Herr Minister, leider jede Stellungnahme, jede Aktivität und jeden euro­paweiten Versuch wenigstens des österreichischen Außenministeriums, etwas zu tun. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

20.12


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.12.45

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Ich beziehe mich jetzt einmal im ersten Schwerpunkt meiner nicht lange dauernden Ausführungen auf das erste Thema. Das war das Hauptthema, so habe ich es wahrgenommen, und steht auch im Betreff.

Ja, leider, leider ist es so, dass neben den globalen ökologischen Bedrohungen wie der Klimakrise nach wie vor eine latente Bedrohung durch Atomwaffen real ist. Immer noch, wir haben es gehört, gibt es über 13 000 Atomsprengköpfe. Die sind in den Händen von neun sogenannten Atommächten und ein Arsenal, mit dem man die Zivilisation mehrfach auslöschen könnte. Der ganz große Teil davon ist im Besitz von Russland und den USA. Auch das ist nichts Neues. In dem Zusammenhang ist aber immerhin erfreulich, dass es jetzt mit Biden gelungen ist, den New-Start-Vertrag zu verlängern – immerhin! Das ist zwar erfreulich, allerdings natürlich völlig unzureichend, denn auch mit diesem Vertrag gibt es doch immer noch eine Anzahl von Atomsprengköpfen, die drastisch zu hoch ist. Jeder einzelne ist zu viel!


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 174

Es ist einfach unfassbar, was passieren würde, wenn ein Wahnsinniger eine mit Atom­sprengköpfen bestückte Rakete auf eine Stadt abwerfen würde, egal auf welche, wo auch immer. Jeder Abwurf wäre ein Wahnsinn verbunden mit unvorstellbaren Vernich­tungen und menschlichem Leid.

Diese Arsenale folgen ja nach wie vor der Logik des Kalten Krieges, nämlich abzuschre­cken, oder besser formuliert: Das ist eine Strategie der Angst, der Angst vor anderen, das Schüren der Angst vor anderen, eine Strategie des Teilens in Gut und Böse, was natürlich je nach Sichtweise wechselt. Genau das müssen wir endlich überwinden. Ge­nau deswegen war der letzte Freitag, der 22. Jänner, ein wichtiger Tag, wenn nicht ein historischer Tag: Der Atomwaffenverbotsvertrag trat in Kraft. Er verbietet so gut wie alles rund um Atomwaffen, die Entwicklung, den Test, den Erwerb, den Besitz, die Stationie­rung, die Aufstellung und die Lagerung von Atomwaffen. 86 Staaten haben ihn unter­zeichnet, 51 ratifiziert. Österreich ist nicht nur unter den Unterzeichnerstaaten, sondern es hat ganz maßgeblich an der Entwicklung dieses Vertrags mitgewirkt. Das darf man auch anerkennen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Traurig ist, dass sämtliche Atommächte und ebenso die Militärbündnisse nicht dabei sind – und ganz ehrlich: Es ist fast schon skurril, wie die Nato das begründet. Sie sagt: Solange Nuklearwaffen existieren, wird die Nato ein nukleares Bündnis bleiben.

In Excel nennt man so etwas unzulässigen Zirkelbezug. Okay, selbstverständlich ist es wichtig, das Bewusstsein über die Bedrohung der Menschheit durch Atomwaffen auf­rechtzuhalten, denn diese Zerstörungsmaschinen, auch wenn sie in den letzten Jahren wenig thematisiert worden sind, sind da, und die Gefahr steigt eher, als dass sie sinkt.

Ich sehe aber auch, dass das diskutierte Video nicht gerade geglückt ist, wiewohl – auch diese Kritik an den lieben Kollegen, an der SPÖ sei erlaubt – man die Aufregung über dieses Video natürlich schon auch etwas übertreiben kann. (Bundesrätin Schumann: Nicht jetzt, Kollege der Grünen!) Trotzdem, in einer Zeit wie dieser, in der sich viele Menschen um ihre Existenz sorgen, hätte man es anders aufziehen sollen und können, zum Beispiel als Vision einer atomwaffenfreien und friedlichen Welt, eine Vision, von der wir nicht abrücken dürfen. Und der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein Schritt in diese Richtung.

Ich möchte jetzt noch kurz auf ein anderes Thema eingehen, das mehrfach angespro­chen wurde und zu Recht ein sehr emotionales Thema ist. Ja, unsere Position ist da klar. Moria, Kara Tepe sind ein Skandal. Die Abschiebungen heute Nacht waren und sind ein Skandal. Sie sind unmenschlich. (Bundesrätin Schumann: Zu spät! – Bundesrat Beer: Bei der Regierung seid ihr nicht dabei?)

Sie begründen schon ein Stück weit auf der Frage der Auslegung, das ist richtig, aber zuallererst sind diese Vorgänge eine Folge der Rechtslage. Und da muss man natürlich schon auch Kritik an denen anbringen, die sich jetzt sehr empören. Ich glaube Ihnen das auch, aber das ist halt die Folge von systematischen Verschärfungen des Fremden- und Asylrechts in den letzten zehn Jahren. Da war die SPÖ bei vielen, vielen Verschärfungen dabei. (Bundesrätin Schumann: Ja, Gott sei Dank! Ja freilich!) Sie wissen das! Selbst­verständlich waren das auch die Blauen, da brauchen wir gar nicht darüber zu reden, und jeweils in Zusammenarbeit mit der ÖVP. (Bundesrat Beer: Wir haben noch keine Koalition gehabt mit den Freiheitlichen!) Das, was da passiert, in Kara Tepe, und was da heute Nacht vor allem mit diesen Kindern passiert ist, ist eine Katastrophe für sie, für die Betroffenen, und es ist politisch – das sage ich hier herinnen ganz offen – für uns un­glaublich bitter. Das ist nicht lustig.

Moria, Kara Tepe haben aber auch eine europäischen Dimension, gar keine Frage. Da­rum oder umso mehr wäre es so wichtig, ein Signal zu setzen, dass Europa in huma­nitären Notlagen hilft und zu seinen Werten steht, die Europa sonst ja auch sehr gerne verteidigt.


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 175

Niemandem bricht ein Zacken aus der Krone, wenn man da jetzt wirklich Leute, Kinder und Familien aufnimmt. Ich sage ganz offen, dass ich unseren Koalitionspartner da nicht verstehe. Ich weiß auch, dass nicht alle in der ÖVP diese Haltung teilen. Es gibt – und ich kenne sie – viele, die das nicht tun, die es sehr wohl unterstützen würden, endlich aus Kara Tepe Menschen aufzunehmen, die in Not sind, bewiesenermaßen unfassbar in Not sind, wenigstens ein Zeichen zu setzen und ein paar Hundert Leute, Familien hierherzuholen.

Es gäbe Zugänge. Viele Gemeinden haben in den letzten Monaten ihre Bereitschaft er­klärt, Menschen aus Kara Tepe aufzunehmen. Man könnte ihnen diese Möglichkeit ein­fach schaffen, oder man könnte zumindest eine kleine Abmilderung und Reparatur der jetzigen Rechtslage vornehmen. Werner Kogler hat heute vorgeschlagen, beispielswei­se so etwas wie ein Härtefallgremium für ein humanitäres Asylrecht und solche Dinge einzurichten. Das halte ich für einen sehr, sehr tollen Reparaturvorschlag, um wenigs­tens in Zukunft solche völlig unnötigen und unmenschlichen Vorgänge zu vermeiden. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.19


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wolfgang Beer. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.20.23

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Herr Minister! Ein wirklich scheußliches Video! Ich möchte aber vorher noch ein bisschen auf die Vorredner ein­gehen. Ich könnte der ÖVP oder den Abgeordneten der ÖVP nur empfehlen, recht schnell zum Priester zu gehen und dort zu beichten, dann kriegt ihr die Absolution und könnt die Menschen wieder weiterhin mit den verqueren Ansichten so richtig beglücken – demnach ist ja alles ganz anders, wir sehen das alles falsch.

Jetzt zurück zum Video: Es gibt keinen anderen europäischen Staat, in dem es dieses Video oder solch ein Video gegeben hat. Wir haben im Wiener Wahlkampf gesehen, was von den Regierungsparteien, ganz speziell von der ÖVP, nach Wien geschickt wurde, in ein Bundesland in Österreich, in unsere Bundeshauptstadt, aber dass die ÖVP, das Bun­desministerium für Äußeres, Wien am liebsten mit einer Atombombe zu Staub zerfallen lassen würde, hätte ich mir eigentlich nicht vorstellen können. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Ich weiß nicht, was da eigentlich vorgeht und was die ÖVP damit bezweckt. Ich habe den Eindruck, dass nur versucht wird, von diesem Bereich abzulenken. Wir haben ganz einfach eine Pandemie, und diese Pandemie sollte von den Regierungsparteien doch in irgendeiner Art und Weise gemeistert werden.

Wir machen solch ein Video, aber wir informieren die Bevölkerung nicht richtig. Wir sa­gen der Bevölkerung nicht, wenn es um das Impfen geht, warum man sich impfen lassen soll, ob man dann ansteckend ist, ob man angesteckt werden kann, wenn man Covid gehabt hat, wie es diesbezüglich ausschaut. Wir werden Menschen, die Vorerkrankun­gen gehabt haben, nicht untersuchen. Welches Mittel passt zu welcher Erkrankung, was haben wir für Möglichkeiten? – Nein, wir machen ein Video, vielleicht um die Menschen noch ein bisserl mehr zu ängstigen. Information kommt keine.

Das beschwört aber Verschwörungstheorien herauf. Die Regierung ist eindeutig schuld daran, dass es so viele Verschwörungstheorien gibt, weil sie nicht aufgeklärt hat, weil sie ganz einfach nichts mehr macht. Ich höre von der Regierung immer nur: Ich sehe das Licht am Ende des Tunnels! – Das ist kein Licht am Ende des Tunnels, sondern die Beleuchtung von einem Schnellzug, der uns gleich überrollen wird.

Wir haben nie die Möglichkeit, irgendetwas zu tun. Es stellt sich heraus, dass die Imp­fungen nicht zeitgerecht kommen, es stellt sich heraus, dass wir, wenn wir in der jetzigen


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 176

Geschwindigkeit weiterimpfen, fünf Jahre für die Impfungen brauchen. Wir sagen den Menschen: Der Sommer wird schon ganz wunderbar sein. – Nichts wird wunderbar sein! Wir haben keine Möglichkeit, unser altes Leben wieder aufzunehmen. Wir haben keine Möglichkeit, alles wieder irgendwie zu öffnen. Und was macht unsere Regierung? – Ein Video über ein Zerbomben von Wien! Ganz großartig!

Hat sich die Regierung irgendetwas überlegt, das wir tun könnten, um das Leben dem Virus anzupassen? – Nein, hat sie nicht! Aber wir müssen ganz einfach mit diesem Virus leben, denn anscheinend ist das mit der Impfung ein Flop geworden. Es ist nicht unbe­dingt die Schuld der ÖVP, aber wir sind so weit, dass wir in diesem Bereich von einem Konzern erpresst werden. Ein Konzern erpresst Europa! Das muss man sich doch bitte einmal vorstellen: Die Konzerne übernehmen die Macht und die Politiker sitzen da, schauen zu und haben keine Möglichkeit mehr! Da gehört vonseiten des Außenminis­teriums eingegriffen! Was machen wir? – Nichts! Wir machen ein Video, in dem Wien zerbombt wird. Ganz großartig!

Wir sollten die Chimäre, dass wir dieses Virus besiegen, ganz einfach einmal aufgeben und versuchen, mit diesem Virus zu leben. Dafür braucht es aber Maßnahmen, und die­se Maßnahmen hat sich die Regierung zu überlegen. – Nicht wir als Opposition, sondern die Regierung!

Wir machen Vorschläge, aber unsere Vorschläge sind eh für die Würscht, denn die Re­gierung nimmt sie nicht einmal wahr. Wenn dann ein Finanzminister hier sitzt, der Zeitung liest, und ein Kanzler, der mit seinem Handy herumtut und den es eigentlich gar nicht interessiert, was der Bundesrat zu sagen hat, dann ist das mehr als beschämend. Mehr als beschämend! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Da wir die Zeit heute eigentlich schon überstrapaziert haben, sage ich nur noch: Herr Bundeskanzler, geben Sie mir mein altes Leben zurück! Und: Gott schütze Österreich! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

20.27


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

20.27.315. Punkt

Wahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Ständigen gemeinsamen Aus­schusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesord­nung wieder auf und wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Nach der Geschäftsordnung sind die Mitglieder und Ersatzmitglieder dieses Ausschus­ses vom Bundesrat direkt zu wählen, wobei sowohl bei den Mitgliedern als auch bei den Ersatzmitgliedern jedes Bundesland vertreten sein muss.

Es liegen mir folgende Nominierungen der Fraktionen vor:

Von der ÖVP sind vorgeschlagen: Bundesrat Karl Bader (Niederösterreich), Bundesrat Mag. Christian Buchmann (Steiermark), Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler (Salzburg), Bundesrat Dr. Peter Raggl (Tirol), Bundesrätin Mag.a Christine Schwarz-Fuchs (Vorarlberg) und Bundesrat Robert Seeber (Oberösterreich).

Von der SPÖ sind vorgeschlagen: Bundesrat Ingo Appé (Kärnten), Bundesrat Wolfgang Beer (Wien), Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch (Burgenland) und Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (Niederösterreich).


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 177

Von der FPÖ vorgeschlagen sind: Bundesrat Michael Bernard (Niederösterreich) und Bundesrat Dr. Johannes Hübner (Wien).

Von den Grünen ist Bundesrätin MMag.a Elisabeth Kittl, BA (Wien) vorgeschlagen.

Zu den Ersatzmitgliedern: Von der ÖVP sind vorgeschlagen: Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (Vorarlberg), Bundesrat Bernhard Hirczy (Burgenland), Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (Tirol), Bundesrat Martin Preineder (Niederösterreich), Bun­desrätin Ing.in Judith Ringer (Oberösterreich) und Bundesrat Ernest Schwindsackl (Steiermark).

Von der SPÖ sind vorgeschlagen: Bundesrat David Egger (Salzburg), Bundesrat Günter Kovacs (Burgenland), Bundesrat Dominik Reisinger (Oberösterreich) und Bundesrat Stefan Schennach (Wien).

Von der FPÖ sind vorgeschlagen: Bundesrat Thomas Schererbauer (Oberösterreich) und Bundesrat Markus Leinfellner (Steiermark).

Von den Grünen ist Bundesrat Andreas Lackner (Steiermark) vorgeschlagen.

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diese Wahlvorschlä­ge durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die den vorliegenden Wahlvorschlägen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmeneinhelligkeit fest.

Die genannten Mitglieder und Ersatzmitglieder sind somit mit Stimmeneinhelligkeit ge­wählt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

20.30.03Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es liegt mir das schriftliche Verlangen von fünf Mitgliedern des Bundesrates vor, das Amtliche Protokoll hinsichtlich der Tagesordnungs­punkte 1 und 2 zu verlesen, damit dieser Teil des Amtlichen Protokolls mit Schluss der Sitzung als genehmigt gilt.

Ich werde daher so vorgehen und verlese nunmehr diesen Teil des Amtlichen Protokolls:

„Tagesordnungspunkt 1:

Die Bundesräte Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen bringen den Ent­schließungsantrag Beilage 1/1 EA ein.

Die Bundesräte Mag. Daniela Gruber-Pruner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolle­ginnen und Kollegen bringen den Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA ein.

Abstimmungen:

Berichterstattung: Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stim­menmehrheit, dafür: V, F, G, A; dagegen: S).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/1 EA wird angenommen (mit Stimmenmehrheit, dafür: S, F, A; dagegen: V, G).

Der Entschließungsantrag Beilage 1/2 EA wird angenommen (mit Stimmenmehrheit, dafür: S, F, A; dagegen: V, G).

Tagesordnungspunkt 2:

Die Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen bringen den Entschlie­ßungsantrag Beilage 2/1 EA ein.

Die Bundesräte Karl Bader, Marco Schreuder, Kolleginnen und Kollegen stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, gegen den gegenständlichen Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben (Beilagen 2/2).


BundesratStenographisches Protokoll921. Sitzung, 921. Sitzung des Bundesrates am 28. Jänner 2021 / Seite 178

Abstimmungen:

Antrag, keinen Einspruch zu erheben, wird angenommen (mit Stimmenmehrheit, dafür: V, G, A; dagegen: S, F).

Der Entschließungsantrag Beilage 2/1 EA wird abgelehnt (dafür: S, F; dagegen: V, G, A).“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieses Teils des Amt­lichen Protokolls? – Dies ist nicht der Fall.

Das Amtliche Protokoll gilt daher hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 1 und 2 gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates mit Schluss dieser Sitzung als ge­nehmigt.

Einlauf und Zuweisung


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen, 3823/J-BR/2021 bis 3829/J-BR/2021, eingebracht wurden.

Eingelangt sind der Entschließungsantrag 286/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Korin­na Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Breitbandherbiziden durch öffentli­che Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP)“, der dem Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirt­schaft zugewiesen wird,

der Entschließungsantrag 287/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Berücksichti­gung der Länder und Gemeinden bei Entscheidungen über das humanitäre Bleibe­brecht“, der dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesen wird,

und der Entschließungsantrag 288/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Korinna Schu­mann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Forderungen des Tierschutzvolksbegeh­rens“, der dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 11. März, 9 Uhr, in Aussicht genom­men.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 9. März 2021, 14 Uhr, vorgesehen.

Ich wünsche gutes Heimkommen, und bleiben Sie gesund! Die Sitzung ist geschlossen.

20.34.03Schluss der Sitzung: 20.34 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien