9.42

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Danke an alle: Ich habe bei allen vier VorrednerInnen schon herausgehört, dass ein auf­richtiges und ehrliches Engagement für den Sport da ist, auch weil, glaube ich, durchge­hend seine Bedeutung für die Gesundheit insgesamt erkannt wird.

Es wurde auch die ökonomische Bedeutung angesprochen, die in Österreich gerne un­terschätzt wird, die ist nämlich enorm; ebenso die gesundheitsökonomische Bedeu­tung – wie es die ökonomischen Technokraten bezeichnen würden –, aber da geht es dann wirklich um das Leben. Was meine ich? – Wenn wir die Statistiken anschauen, wie das in letzter Zeit ja öfter der Fall ist, sehen wir, dass es halt nicht nur entscheidend ist, wie hoch die durchschnittliche Lebenserwartung in einem Land, in einer Region ist. Es ist viel entscheidender, wie viele gesunde Lebensjahre ein Mensch zu erwarten hat, wenn er geboren wird oder wenn er 50 Jahre alt ist. Das kann man alles statistisch vo­rausberechnen, und da haben wir in Österreich – und so interpretiere ich auch die Aus­führungen hier, dem würde ich zustimmen – Aufholbedarf, und zwar enormen Aufholbe­darf.

Deshalb ist der Sport tatsächlich sehr, sehr wichtig, aber gar nicht einmal nur der Sport in Vereinen – zu dem kommen wir ja jetzt extra –, sondern die Bewegung an sich. Ich möchte es da mit Felix Gottwald halten, der ja sagt, es geht eigentlich um die Bewegung. Man muss gar nicht ein Land des Sports, des Spitzensports sein – das wollen wir alles sein, dazu reden wir ja auch –, sondern es geht überhaupt um die Philosophie der Bewe­gung. Das ist wichtig. Er würde sich also, denke ich, wenn man es übersetzt, als Bot­schafter der Bewegung verstehen und nicht einmal als Missionar des Sports. Ich er­wähne das deshalb, weil ich mehrmals ausführlich mit ihm reden durfte, weil er ja von uns, vom Ministerium, in Kommissionen der Sportförderung entsandt wurde. Seiner Phi­losophie kann ich mich nur anschließen, und deshalb ist Bewegung – damit wieder Sport als eine spezielle Form davon –, was Kinder und Jugendliche betrifft und was die Or­ganisation über die Vereine betrifft, besonders wichtig.

Bleiben wir bei den Kindern und Jugendlichen! Natürlich ist es bei ihnen anders: Gerade die Kleineren und die Jüngeren brauchen Anleitung. Sie wollen auch in der Gruppe mehr tun als alleine. Jeder, der kleine Kinder hat oder irgendwann einmal gehabt hat, weiß, dass sozusagen alleine in der Gegend herumzutraben keine ausreichende Motivation ist. Das ist alles richtig, was vorhin gesagt wurde. Deshalb bekommen die Vereine da Bedeutung und kommen in die positive Ziehung, und jetzt könnten natürlich auch wir – und wir setzen uns, denke ich, ja auch in Verantwortung – in die Ziehung kommen. Ich will da überhaupt nicht widersprechen, denn es ist ein wichtiger Lebensbereich, der ja oft genug unterschätzt wird.

Nur bin ich mir nicht sicher, ob das eine Frage von Gut und Böse ist. Ist es nicht auch eine Frage von Vernunft und Unvernunft? Ist es eine Frage von Verantwortung oder Verantwortungslosigkeit, wenn es darum geht, wenn wir schon bei der Gesundheit sind, das Infektionsgeschehen möglichst – wir fahren in Österreich eh keine Zero-Covid-Li­nie – gering zu halten? (Bundesrat Steiner: Übernehmen Sie die Verantwortung für die Kinderpsychologie!) Das ist auch in der Abwägung.

Wissen Sie, wir hatten das hier schon einmal. Ich bin eh froh, dass wir das parteiüber­greifend diskutieren, aber es gibt natürlich auch in den Bundesländern – weil wir da ge­rade im föderalen Gremium sind – und in den Bundesparteien, unter Parteivorsitzenden, FraktionsführerInnen et cetera, völlig unterschiedliche Meinungen. Manchen ist das, was wir tun, auch im Sport, viel zu viel, und ich verstehe auch diese Position, denn man muss bedenken, dass bei der Sportausübung in der Regel keine FFP2-Maske getragen wird. Das wäre ja in gewisser Weise unsinnig, und deshalb ist es anders. Dass es bei be­stimmten Mannschaftssportarten – eigentlich bei so gut wie allen – zu einer Nähe, zu weniger als 2 Meter Abstand kommt, ist ja nicht so schwierig zu begreifen! (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ich sage ja nicht, dass die Lockerung deshalb nicht passieren soll, sondern die Frage muss doch sein: in welchen Schritten, mit welcher Methode, mit welcher Sicherheitsvorkehrung? (Zwischenrufe der Bundesräte Steiner und Spanring.) Das ist Verantwortung, und die übernehmen wir! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Also: Gut oder Böse – ich sage Verantwortung oder Verantwortungslosigkeit. (Bundesrat Steiner: Übernehmen Sie die Verantwortung!) – Ja, die übernehmen wir eh. Im Übrigen ist es ja eine Abwägungsfrage, das sagte ich ja, und deshalb versuchen wir ja eine Öffnung, obwohl das Infektionsgeschehen gar nicht so niedrig, sondern durchaus im Steigen begriffen ist, Gott sei Dank nicht gleich explosiv oder exponentiell. Ich weiß nicht, was der urdeutsche Ausdruck dafür ist, aber es wird jemand eine Übersetzung finden. Eine solche exponentielle Steigung darf nicht eintreten, denn sonst müssen wir insge­samt wieder zurückfahren.

Mit dieser Ansicht bin ich ja nicht allein. Ich darf auf die viel gelobte und gewürdigte Expertin Pamela Rendi-Wagner verweisen – und ich schätze sie sehr –, die überall grö­ßere Vorsichtsmaßnahmen einmahnt, als sie hier durchgehend verlangt werden. Dage­gen habe ich auch gar nichts, denn am Schluss ist Politik: entscheiden, abwägen und verantworten; analysieren, abwägen, entscheiden.

Was wird geschehen? – Es wird ja ab Montag gerade für die Kinder und Jugendlichen diese Öffnungsschritte im Freien geben; natürlich vorläufig und in der ersten Runde mit Distanz, aber man kann einmal gemeinsam trainieren, unter Anleitung – ich sagte be­reits, warum das so wichtig ist – und organsiert über die Vereine, dann kommen die sofort in eine Aufgabenstellung.

Wir werden vielleicht in der zweiten Runde Gelegenheit haben, was Come back stronger betrifft, auch noch über die speziellen Fördermaßnahmen zusätzlich zum Non-Profit-Fonds und zum Sportligen-Fonds zu sprechen. Das ist einmalig, das finden Sie in ganz Europa nicht.

Ich komme immer gerne ins Parlament, und für mich ist der Bundesrat ein wichtiger Teil des Parlaments, weil Diskussion auch immer wichtig ist; ich versuche es ja gerade fraktionsübergreifend. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kolland.) Wenn ich das nächste Mal da bin, dann kommt hoffentlich einmal ein Bundesrat oder eine Bun­desrätin und erklärt mir, in welchem europäischen Land oder in welchem Land der Welt mehr Sportförderung anlässlich der Covid-Krise ausgeschüttet wird, und die Zielrichtung gleich noch mit dazu. Ich nehme das dann sehr gerne als Vorbild. Man kann immer bes­ser werden; aber so schlecht ist das, was da geschieht, nicht.

Deshalb ist ja auch der Vergleich – obwohl ich den Beitrag sehr geschätzt habe – mit den 9 Millionen Euro für den Sportscheck völlig verfehlt, tut mir leid. Darüber werden wir noch reden. Der ist eine super Sache, das kommt da jetzt dazu. (Bundesrat Steiner: Das ersetzt nicht die Bewegung!) Gestern ist ein Wirtschaftsförderungspaket vorgestellt worden. Tatsächlich war es aber so – Stichwort: Was treiben denn die Grünen in der Regierung? –, dass halt für Kunst und Sport auch etwas rausgeschaut hat. Das ist aber zusätzlich.

Vielleicht stellen wir einmal die Grundordnung der Mathematik wieder her! Wenn wir schon so viel über Kinder reden: Die könnten Sie dabei unterstützen, da reicht nämlich die Volksschulmathematik. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Das ist einfach zusätz­lich. Wir haben die Sportligen-Fonds, wir haben die Non-Profit-Fonds. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Da gehen in der Förderung die Millionen durch die Decke, und das ist auch gut so! Das nehmen wir ja gerne in die Hand! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Also nur zur Einordnung: Jetzt haben wir leider bald – ich sage ja selber, leider – den Jahrestag des Lockdowns. Am 16. März, glaube ich mich zu erinnern, begann der erste in Österreich; aber tun wir nicht so, als ob nicht zwischendurch auch noch etwas anderes passiert wäre.

Auch bei den Öffnungen damals war es doch so, dass Österreich bei den ersten Ländern war und wir für den Spitzensport am umfassendsten immer mehr möglich gemacht haben. Wir hatten eigentlich schon mitten im Lockdown mit den sogenannten Geister­spielen begonnen; erstens, weil die Spieler davon leben; zweitens, weil Österreich beim Öffnen Vorbild sein wollte. Das ist uns auch gelungen: besser ein Geisterspiel als gar kein Spiel. Die Öffnung ist sukzessive, in Zweiwochenschritten, gelungen, und auch jetzt werden wir es wieder so versuchen.

Wir waren ab Juni eigentlich schon wieder ganz gut dabei, und das ist bis Oktober so gegangen. Also ich weiß nicht, warum man das jetzt unbedingt ausblenden sollte. Nur, was nachher gekommen ist, wissen wir auch; und ich kann mich gut daran erinnern, dass viele im Parlament dann gesagt haben: alles viel zu viel, alles viel zu spät wieder zugesperrt. Das alles kennen wir ja. Deshalb wird es immer eine Abwägung und ein Verfolgen von mehreren Zielen unter einem bleiben.

Danke an alle, die die nächsten Schritte mit ermöglicht haben! Ich möchte bei Sport Austria und bei Präsidenten Niessl beginnen, der heute schon erwähnt wurde, zu Recht positiv. Das ist wirklich eine super Zusammenarbeit, nicht nur mit den Dachverbänden, die dort ja besonders repräsentiert sind, sondern auch mit den Fachverbänden. Und mit diesen allen wird auch dieses Konzept Come back stronger, das unserer heutigen Ak­tuellen Stunde den Titel geliehen hat, umgesetzt, und da sind sogar schon viele Schritte in Umsetzung.

Ich darf Ihnen dazu sagen, dass für Kinder gesund bewegen, also alles aus diesem Zusatzprogramm, jetzt schon wieder mittlerweile 8 Millionen Euro zur Verfügung stehen. So viel war es mit Abstand noch nie. Ja, wir brauchen noch mehr. Wir werden den Betrag auch jährlich steigern und versuchen, die Budgets zu erhöhen. Ich bin da auch sehr zuversichtlich, genauso wie bei den anderen Fördermaßnahmen, auch für den Sport. Viele, die nur bis Jahreswechsel oder bis 31.3. gedacht wurden – und es gibt ziemlich viele, ich zähle sie gar nicht alle auf –, wurden bis 30.6. verlängert, fast alle, und den Rest werden wir auch noch schaffen; zu Recht: damit speziell den Vereinen geholfen wird, in diese Comeback-Situation zu kommen.

Für Bewegt im Park gilt das Gleiche, auch dieses Konzept ist bekannt. Da wird auch sozusagen ganz niederschwellig Behindertensport vorangetrieben. Wir haben da jetzt sehr, sehr viel mehr Mittel hineingebracht. Das haben wir voriges Jahr begonnen. Das wird alles nicht nur aufgegriffen und fortgesetzt, sondern verstärkt.

Ich will in dieser Runde abschließend – weil das rote Licht schon leuchtet, das muss ja auch für mich gelten – eines herausgreifen: den Sportscheck. Dazu dienen diese 9 Mil­lionen Euro, zusätzlich wohlgemerkt. Was ist das?

Wir wissen, dass es die Vereine schwer haben, da stimme ich allen zu, auch was die Depression betrifft, die damit verbunden war. Jetzt geht es darum, dass sie ökonomisch bessergestellt werden, aber nicht nur das, sondern dass wir auch eine Rückholaktion von bis zu 100 000 – 100 000! – Mitgliedern starten können. Die Mitglieder haben halt nicht alle gleich viel Geld und sind zum Teil aus den Sportvereinen ausgestiegen, weil ja das Angebot nicht mehr ganzjährig da war. Das kann man ihnen auch nicht verdenken. Diese Rückholaktion kostet die Vereine nichts. Die, die es betrifft, nämlich die, die zu­rückkommen und im Verein Sport betreiben wollen – alles kann man ja nicht ohne Verein machen, auch das ist richtig –, bekommen quasi eine Gratisjahresmitgliedschaft – das bekommen die Vereine ersetzt, das ist bei manchen Vereinen gar nicht so wenig – für die aktiven Angebote dort, die ja dann wieder Schritt für Schritt losgehen sollen; also eine Rückholaktion für Mitglieder, und deshalb passt der Titel Comeback stronger ja so gut.

Gerade im Sport ist ja bekannt, dass man mit einer Verletzung aus der Kurve fliegt und sehr oft – wenn auch natürlich nicht immer – und interessanterweise durch Neustart, durch Umorganisation, durch eine andere Perspektive, durch Innovation sogar stärker zurückkommt, als man vorher war. Davon kommt ja diese Chiffre Come back stronger. Und jetzt haben wir auch einen Titel für die FPÖ: stärker zurückkommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.55

Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass ich nach Beratung in der Präsidialkonferenz die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde auf 5 Minuten be­schränken werde.

Zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundes­rat.