16.05

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Hohes Präsidium! Herr Minister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause! Hiermit darf ich die Dringliche Anfrage betreffend „Kriminalfall Commerzial­bank – Wo bleibt die Verantwortung von Minister Blümel?“ begründen. Ich erlaube mir, dass ich den Titel ausdehne, und zwar um: Wo bleibt die Hilfe für die Geschädigten?

Vor acht Monaten wurde die Commerzialbank Mattersburg geschlossen. Im Zuge des­sen wurden unglaubliche Umstände und grobe Missstände bekannt. Seither hüllt sich der Finanzminister in Schweigen. Es kam bis jetzt kein einziges Wort dazu. Das erstaunt die Anlegerinnen und Anleger, also die Geschädigten, und ist gleichzeitig auch sehr gro­tesk. Das wirkt weder professionell noch seriös.

Wir haben vom Finanzminister, also jenem Minister, der die politische Verantwortung für das System der Bankenaufsicht – also Wirtschaftsprüfer, OeNB, FMA, BMF – trägt, kein einziges Wort der Entschuldigung, des Bedauerns gehört, kein einziges Wort dazu, wie den Geschädigten geholfen werden kann, kein einziges Wort, wie der Schaden begrenzt werden kann.

Im Burgenland wurde ein U-Ausschuss eingesetzt, und in diesem U-Ausschuss wurde alles untersucht, was untersucht werden konnte. Mit der heutigen Befragung des Finanz­ministers ist der Fall dort, wo er hingehört, denn der U-Ausschuss im Burgenland kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um ein kollektives Versagen der Bundesbehörden handelt.

Herr Minister, wieso hat das Kontrollsystem so viele Jahre versagt? Wie kann es sein, dass diese Malversationen jahrzehntelang unbemerkt blieben? Wie kommen die schwer geschädigten Kundinnen und Kunden nun zu ihrem Geld?

Das negative Beispiel der Commerzialbank Mattersburg, dieser Kriminalfall einer Privat­bank, zeigt, dass solch ein Kriminalfall nur dann verhindert werden kann, wenn auch die Bankenaufsicht funktioniert. Das hat sie im gegenständlichen Fall absolut nicht getan. Das Ergebnis: 870 Millionen Euro Schaden. Das bedeutet die drittgrößte Bankenpleite der Republik Österreich.

Um endlich Licht in diesen Kriminalfall zu bringen und im Interesse aller aus dieser Ban­kenpleite Geschädigten, stellen wir Ihnen heute hier eine Vielzahl offener Fragen. Die Geschädigten haben endlich ein Recht auf die Antworten.

Lassen Sie mich exemplarisch einige der Fragen herausgreifen – natürlich trägt jede einzelne Frage und klarerweise die Beantwortung jeder einzelnen Frage zur Aufklärung bei und ist wichtig –:

Zum Beispiel Frage 11: „Es ist für praktisch alle Experten und Juristen unerklärlich, wa­rum die Malversationen nicht schon bei der Vor-Ort-Prüfung 2015 aufgedeckt wurden, trotz der konkreten Whistleblower-Hinweise und trotz der krassen Auffälligkeiten in den Bilanzen der CBM. Haben Sie sich dazu berichten lassen, wenn ja, mit welchen Ergeb­nissen?“

Dazu passend auch Frage 20: „Wie erklären Sie sich, dass die FMA und die von ihr beauftragte OeNB trotz konkreter Whistleblower-Hinweise im Jahr 2015 die Malversa­tionen nicht aufdecken konnten?“ – Ich bin schon sehr gespannt auf die Beantwortung.

Oder Frage 13: „Viele Kunden der Commerzialbank haben den Großteil ihrer Ersparnis­se verloren, Existenzen wurden zerstört und Arbeitsplätze vernichtet. Von Ihnen als Verantwortlichem für die Bankenaufsicht gab es noch kein öffentliches Statement der Entschuldigung oder des Bedauerns. Werden Sie oder andere Bundesbehörden noch Maßnahmen setzen oder planen, um den Betroffenen zu helfen?“ – Es sind sehr viele via Livestream zugeschaltet und freuen sich jetzt schon auf die Antworten.

Auch Frage 14 ist sehr interessant. „Das BMF hat sich geweigert, dem U-Ausschuss in Eisenstadt Akten zu liefern. Sie haben Folgendes ausgesagt: ‚Abschließend möchte ich festhalten, dass – soweit mir bekannt – im Finanzministerium keine Akten und Unterla­gen betreffend die Vollziehung der Organe des Landes Burgenlandes zum Beispiel im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Landes Burgenland als Revisionsverband geführt werden. Eine Lieferung von Akten und Unterlagen scheint daher unabhängig von der Frage, ob eine Vorlagepflicht überhaupt besteht, schon rein aus faktischen Gründen nicht möglich.‘

Aus einem Erkenntnis des VwGH vom 28.02.2000, Geschäftszahl 95/17/0192, geht hervor, dass das BMF Partei im Verfahren um die Zuständigkeit des Revisionsverbandes für die Genossenschaft war. Dazu muss es demnach Aktenbestand geben. Warum ha­ben Sie den U-Ausschuss in Eisenstadt über den Aktenbestand im BMF falsch infor­miert?“ – Wir erwarten hier wirklich gespannt die Beantwortung aller eingebrachten Fra­gen.

Sie haben im August zwar eine Arbeitsgruppe eingesetzt, von der wir aber auch nichts mehr gehört haben, außer dass sie gegründet wurde. Was sind die Ergebnisse aus der Arbeit dieser Gruppe?

Die Pleite der Commerzialbank ist mit einer Überschuldung von 870 Millionen Euro die drittgrößte Pleite in der Geschichte der Zweiten Republik. 13 500 Menschen, Unterneh­men und Gemeinden sind oder waren betroffen. Diese Zahl muss man sich bitte einmal vorstellen! Viele Kunden der Bank haben den Großteil ihrer Ersparnisse verloren. Es war das Geld für die Kinder, für den Hausbau, für die Altersvorsorge. Ganze Lebenswerke gehen da drauf! Unternehmen mussten zusperren, Gemeinden können dringend not­wendige Investitionen nicht umsetzen.

Sie alle warten auf Antworten, Herr Finanzminister, die Sie bis heute nicht gegeben ha­ben: Wer trägt die Verantwortung für diesen enormen Schaden? Wer trägt die Verant­wortung für das offensichtliche Versagen der Bankenaufsicht in diesem Fall? Und schließlich: Wer ist bereit, Hilfe zu leisten für jene Menschen, deren Existenzen und de­ren Ersparnisse aus lebenslanger Arbeit von einem Tag auf den anderen vernichtet wurden?

Die Betroffenen sind zu Recht fassungslos und verstehen nicht, wie es passieren konnte, dass unter den Augen der Aufsichtsorgane, nämlich des Aufsichtsrats, der Wirtschafts­prüfer, der FMA und der Nationalbank, ein derartig riesiger Betrug stattfinden konnte und 20 Jahre lang niemand etwas bemerkt hat. Manche der Aufsichtsräte haben gar nicht gewusst, dass sie diese Funktion innehaben. Je mehr Hintergründe bekannt werden, desto mehr Fragen stellen sich: Warum wurde der Skandal nicht schon 2015 aufgedeckt, als der bereits erwähnte Whistleblower auf den Plan trat und konkrete Hinweise auf die Malversationen geliefert hat? Wie kann es sein, dass ein Prüfer der OeNB auf der Ge­schenkeliste der Commerzialbank steht?

Herr Bundesminister, bis heute haben Sie jegliche Mitwirkung an der Aufklärung dieses Kriminalfalls – und es ist eindeutig ein Kriminalfall! – und des dahinter liegenden Behör­denversagens verweigert. Im Untersuchungsausschuss des burgenländischen Landta­ges haben Sie behauptet, es gäbe in Ihrem Ministerium keine Akten zur Commerzialbank Mattersburg. Sie haben zu wichtigen Fragen die Aussage verweigert – mit der Begrün­dung, es gehe nur um die Verantwortlichkeiten der burgenländischen Behörden. Sie ha­ben das intensive Ersuchen des unabhängigen Verfahrensrichters, dem Untersuchungs­ausschuss Akten der Bundesbehörden zur Verfügung zu stellen, schlichtweg abgelehnt. Bitte sagen Sie den Geschädigten hier und heute, an dieser Stelle, warum Sie das ge­macht haben! Uns alle interessiert Ihre Antwort.

Es geht auch um die Verantwortung für den enormen wirtschaftlichen Schaden, den der Kriminalfall Commerzialbank in der Region verursacht hat. Leitbetriebe sind in Bedräng­nis geraten, Bauvorhaben und andere Projekte der öffentlichen Hand und von den Pri­vaten können nun nicht mehr umgesetzt werden. Die Unternehmen der Region verlieren fix eingeplante Aufträge. Sie heften sich die Wirtschaftstreibenden ja immer auf Ihre Fahnen – helfen Sie jetzt diesen Unternehmen! Aber auch dazu haben Sie bis heute geschwiegen, Herr Minister! Bis heute haben Sie nicht erklärt, welche Maßnahmen Ihr Ministerium oder andere Bundesbehörden setzen wollen, um da rasch Hilfe zu leisten.

Dies ganz im Gegensatz zum Land Burgenland, das sofort Hilfe durch die Übernahme von Haftungen und Forderungen zugesagt und sich an Unternehmen beteiligt hat. Die ÖVP im Burgenland versucht seit dem Auffliegen dieses Kriminalfalls die Verantwortung des Bundes für das Versagen der Aufsicht auf das Land Burgenland abzuwälzen, aber die ÖVP täte gut daran, bei ihren Parteikollegen im Bund für die Aufklärung auf Bun­desebene zu sorgen. Arbeiten Sie konstruktiv, Herr Kollege Hirczy – vielleicht richten Sie das Ihren Kolleginnen und Kollegen im Burgenland aus –, um für Aufklärung auf Bundes­ebene zu sorgen! Hören Sie auf, das Land Burgenland immer wieder anzupatzen!

In einem Untersuchungsausschuss des burgenländischen Landtages wurden 63 Aus­kunftspersonen und ein Sachverständiger befragt, und das Ergebnis ist eindeutig: Das Land Burgenland hat seine Pflichten als Revisionsverband völlig ordnungsgemäß wahr­genommen. Bei den Behörden des Bundes ist es leider genau umgekehrt: In 15 Klagen gegen die Republik und in mehreren Gutachten wird das Versagen des Systems der Bankenaufsicht klar herausgearbeitet. Allein die Einlagensicherung und der Massever­walter haben Amtshaftungsklagen über zusammen 793 Millionen Euro eingebracht.

Wie gesagt: Die Einlagensicherung – sie ist zum überwiegenden Teil im Besitz von Raiff­eisen – hat Klage eingebracht, und das Gutachten des gerichtlich beeideten Sachver­ständigen des Untersuchungsausschusses im Burgenland besagt, dass FMA und OeNB diesen Kriminalfall verhindern und aufklären hätten können. Hätte Martin Pucher nicht ein Geständnis abgelegt, dann wäre die Bank heute noch offen.

Nicht zuletzt, Herr Minister, geht es auch um den Finanzplatz Österreich. Daher die Auf­forderung an Sie: Tun Sie dem Finanzplatz Österreich etwas Gutes, beantworten Sie unsere Fragen, aber bitte ernsthaft und seriös. Die SPÖ steht auf der Seite der Geschä­digten, und wir fordern eine umgehende Aufklärung dieses Kriminalfalles. Sorgen Sie nun endlich für die Aufklärung auf allen Ebenen, um im Sinne aller Geschädigten zu handeln!

Es geht hier nicht darum, dass ein paar Eier aus dem Hühnerstall gestohlen wurden, sondern es ist wirklich ein Kriminalfall! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.