16.42

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte von dem politischen Geplänkel ein biss­chen Abstand nehmen. Offensichtlich ist es in Österreich immer noch üblich, dass Pos­ten wie Aufsichtsräte politisch besetzt sind. Ich möchte heute die Angelegenheit Com­merzialbank Burgenland (Ruf bei der SPÖ: Mattersburg!) aus der Sicht eines Aufsichts­rates einer österreichischen Bank, also aus meiner Sicht, beleuchten und einige Fragen dazu stellen.

Seit mittlerweile 17 Jahren bin ich Aufsichtsrat einer kleinen Genossenschaftsbank und seit fünf Jahren durch eine Fusion Aufsichtsrat in einer mittelgroßen österreichischen Bankaktiengesellschaft. Ich kann also auf eine gewisse Erfahrung in Aufsichtsgremien zurückgreifen. Waren es am Anfang meiner Tätigkeit hauptsächlich die Kreditrisiken, die wir zu bewerten hatten, so wurde es in der Folge viel differenzierter, diese Bankge­schäfte zu beleuchten. Nicht erst seit der Pleite von Lehman Brothers 2008 wissen wir auch von gewissen Anlagerisiken; das hat auch die Bawag 2006 schmerzlich zur Kennt­nis nehmen müssen.

Durch Schulungen, die der Aufsichtsrat jährlich zu absolvieren hat, wird man auch in die Bewertung und in die Berechnung verschiedener Risikoarten eingeführt. Man soll zumin­dest die Bewertungsarten – wie sie berechnet werden – im Ansatz verstehen, auch wenn dahinter hochmathematische Programme laufen. Ich vergleiche das immer mit einem Taschenrechner: Man sollte zumindest schätzen können, ob man sich vielleicht vertippt hat oder ob das Ergebnis stimmen kann. Darauf wird ein Aufsichtsrat geschult.

Mit den Schulungen, aber auch in der Praxis wird man darauf hingewiesen, dass es Mindestanforderungen gibt, ein Vieraugenprinzip des Vorstandes zum Beispiel. Es gibt auch Instrumente und sehr gute Hilfsorgane für Aufsichtsräte – auf die großes Augen­merk gerichtet wird –, wie zum Beispiel die interne Revision, die quartalsmäßig einen Tätigkeitsbericht vorlegen muss, aber auch jährliche Berichte der externen Kontrolle, sei es durch den Genossenschaftsverband oder durch andere Prüfinstitutionen, die ja auch einen Bestätigungsvermerk unter eine Bilanz einer Bank setzen müssen.

All diese Personen – Vorstand, Aufsichtsrat, externe Prüfung – bestätigen mit ihrer Un­terschrift die Richtigkeit der Bilanz. Aufsichtsräte bestätigen im Vorfeld einer Prüfung sogar, ob es Verdachtsfälle gibt. Wenn es keine gibt, müssen sie das schriftlich bestäti­gen oder offenlegen.

Aufsichtsräte sind, wie schon angesprochen, auch jährlich zu einer Weiterbildung ver­pflichtet, um die sogenannte Fit-and-proper-Policy gegenüber der FMA vorlegen zu kön­nen. Mir selbst ist da sogar im letzten Jahr ein Versäumnis passiert. Aufgrund der Coro­nasituation konnten Fortbildungen leider nur sporadisch abgehalten werden und dann auch nur virtuell. Von der Mindestanforderung von zwei Tagen Schulung habe ich leider nur eineinhalb Tage absolviert, denn ich habe eine Halbtagesschulung übersehen, und es wurde kein weiterer Termin mehr angeboten. Ich wurde Anfang dieses Jahres darauf hingewiesen, dass die Schulung ehestmöglich nachzuholen sei, weil die Fit-and-proper-Policy und die Bestätigung für die FMA noch nicht vorgelegt werden konnte.

Das gilt für den gesamten Aufsichtsrat, das heißt, ist einer nicht fit und proper, ist der gesamte Aufsichtsrat nicht fit und proper. Ich habe die Schulung dann nachholen müs­sen, selbstverständlich, auch mein kläglicher Versuch, dass ich als Finanzsprecher mei­ner Partei hier im Bundesrat die Neuerungen ja zum Großteil mitbeschließe und mich in der Materie auskennen sollte, also Schulungen aus erster Hand erfahre, half nichts: Die FMA würde das nicht anerkennen. Ich habe die Schulungen nachgemacht und ich finde, die Vorgangsweise ist richtig und auch gut so. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt frage ich mich, bei all den Erfordernissen, die ein Aufsichtsrat mitbringen muss: Wie gibt es das, dass unter zehn Personen im Aufsichtsrat der Commerzialbank Burgen­land nicht ein Einziger war, der das Geschäftsmodell hinterfragt hat? Das heißt, wenn höhere Zinsen für Sparguthaben bezahlt werden und auf der anderen Seite weniger Zinsen oder geringere Zinsen für Ausleihungen verlangt werden, dann wird vermutlich schon ein Bankkaufmannslehrling im ersten Lehrjahr feststellen können, dass sich das unter dem Strich nicht ausgeht. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Wie gibt es das, dass das Vieraugenprinzip versagt hat? Wie gibt es das, dass die interne Revision, die ja vier Mal pro Jahr einen Bericht bringt, keine Auffälligkeiten vorlegt? Wie gibt es das, dass der externen Prüfung seit 20 Jahren nichts auffällt?

Laut Aussage Martin Puchers war die Bank ja schon im Jahr 2000 praktisch pleite. Wie gibt es das, dass niemandem in den Kontrollgremien Unregelmäßigkeiten bei der Risiko­vorsorge und den Eigenkapitalerfordernissen aufgefallen sind? Wie gibt es das, dass die FMA nicht eine einzige Querprüfung unternommen hat, ob die Bankguthaben der Com­merzialbank bei anderen Banken in Österreich auch als Passiva in den Bilanzen ver­bucht sind? Wie gibt es das, dass offensichtlich derart unqualifizierte Aufsichtsräte bei dieser Bank tätig waren? Oder waren sie vielleicht selbst von dieser Bank in irgendeiner Form abhängig oder wurden sie gar angefüttert? Ich weiß es nicht.

In Summe ist jedenfalls nicht nur für die Kunden der Commerzialbank ein enormer Scha­den entstanden, sondern über die Einlagensicherung allen Banken, nicht nur der Raiff­eisenbank. Meine kleine Bank trifft es allein mit 8 Millionen Euro, das halbiert das Jahres­ergebnis 2020. Ich verrate da kein Bankgeheimnis, die Bilanzen sind offenzulegen, üb­rigens auch die Bilanzen der Commerzialbank.

Die Möglichkeit für Risikovorsorgen, gerade was Ausfälle in Zeiten von coronabedingt verordneten Betriebsschließungen und daraus resultierenden Insolvenzen betrifft, wer­den für alle Banken stark eingeschränkt. Die Erfüllung der Eigenkapitalerfordernisse nach Basel III und den Erfordernissen der EZB werden natürlich auch erschwert.

Meine Damen und Herren, man braucht einerseits sicher eine gewaltige kriminelle Ener­gie, um so etwas 20 Jahre am Laufen zu halten. Andererseits braucht es aber auch ein bewusstes Wegschauen aller Kontrollorgane. Bei allem politischen Geplänkel: Für mich ist diese Angelegenheit ein Fall für die Gerichte, wobei natürlich auch eine gewisse politische Verantwortung im Raum steht. Kollege Kovacs, wenn bei jedem Bankraub in Österreich ich bezeichne es einmal so  den Schaden dann der Steuerzahler zahlen muss, dann bin ich bereit, mein Aufsichtsratsmandat in einer Bank zurückzulegen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

16.49

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als weitere Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Mag.Eli­sabeth Kittl. – Bitte.