21.24

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schallenberg! Grüß Gott! Zuerst zum Rotkreuzgesetz, das ist ja das einfachere: Es gibt da zwei wesentliche Punkte, die die bisherigen, ersetzten Gesetze vielleicht er­gänzen. Das Erste ist die nunmehr gesetzliche Einrichtung einer Nationalen Kommission zur Umsetzung des Humanitären Völkerrechts. Ich weiß nicht, ob wir in der Situation, in der wir sind, unbedingt eine neue gesetzlich verankerte Kommission brauchen und ob das ein zentrales Thema ist – aber gut, das können wir so lassen.

Etwas anderes ist aber der zweite Teil des Gesetzes: Da wird gesetzlich festgelegt, dass das Rote Kreuz im Jahr 2 Millionen Euro Zuwendung aus dem Bundesbudget bekommt. Im Gesetz selbst steht, das ist zur Deckung seiner internationalen Aufgaben. Warum braucht es das auf einmal? – Das Rote Kreuz gibt es lange, die internationalen Aufgaben sind seit Jahrzehnten durch internationale Verträge festgelegt.

In den erläuternden Bemerkungen finden wir auch den Hinweis darauf, dass das Rote Kreuz durch die Covid-Pandemie derzeit zusätzliche Aufgaben hätte. Na ja, die zusätz­lichen Aufgaben durch die Covid-Pandemie hätten auch der Arbeiter-Samariter-Bund, das Grüne Kreuz, die Malteser. (Bundesrat Schennach: Malteser ...!) Da wüsste ich eine lange Liste, wer diese auch hat. Dass das Rote Kreuz jetzt gesetzlich verankert 2 Millionen Euro bekommen muss, das sehen wir – bei aller Wertschätzung für dessen ehrenamtliche Mitglieder – nicht ein. Daher: Nein zu diesem Gesetz!

Besser und diskussionswürdiger ist aber das zweite Gesetz, das Gesetz zur Stärkung des Amtssitz- und Konferenzstandortes Österreich, so wie das heißt. (Heiterkeit des Bundesministers Schallenberg.) Es klingt ja gut, wenn man schaut, welche Gesetze dieses Gesetz ersetzt. Das ist ja nicht ganz neu, es hat zwei Gesetze gegeben, die da außer Kraft treten, und zwar das Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen und das Bundesgesetz über die Einräu­mung von Privilegien an nichtstaatliche internationale Organisationen. Da denkt man sich: Na ja, da fallen einmal Privilegien und Immunitäten weg, zumindest im Gesetzes­namen, das klingt ja ganz gut. Wenn ich dann im Gesetz weiterblättere – da werden ja in vier weiteren Gesetzen Änderungen vorgenommen – und diese Änderungen genau anschaue, sehe ich, es sind im Wesentlichen der Entfall der Worte Privilegien und Immu­nitäten.

In manchen Fällen wird das Wort Privilegien durch Vorrechte ersetzt. Immerhin kann man sagen: eine Eindeutschung, vielleicht auch etwas Positives, volksnäher. (Heiterkeit bei der FPÖ sowie des Bundesministers Schallenberg.) In anderen Gesetzen werden sie durch sich dem juristischen Laien nicht erschließende Verweise auf das neue Gesetz ersetzt. Damit sind aus den diversen Gesetzen, in denen die Worte Immunität und Pri­vilegien im Zusammenhang mit internationalen Organisationen vorkommen, die Worte Immunität und Privilegien verschwunden. Auch im Gesetz selbst gibt es natürlich keine Immunitäten und Privilegien mehr. Wenn man die Gesetze liest, dann stellt man jedoch fest, dass es da wieder nur darum geht, den Leuten etwas vorzutäuschen, und das Ge­genteil von dem gemacht wird, was behauptet wird.

Man ist nicht mutig genug zu sagen: Ja, wir schaffen hier ein noch engeres Immunitäts-und Privilegiensystem für eine gewisse Kaste, möchte ich fast sagen, für eine Gruppe von Leuten, nämlich alle, die bei internationalen Organisationen und Konferenzen mitar­beiten, vergleichbar mit den Immunitäten und Privilegien, die Diplomaten genießen. Das wäre eine ehrliche Herangehensweise, das tut man aber nicht.

Schauen wir uns an, was dieses Gesetz an Privilegien und Immunitäten für die Betroffe­nen einräumt! Es geht da um die Mitarbeiter der internationalen Organisationen und Kon­ferenzen.

Zum Beispiel handelt es sich um eine Kleinigkeit wie die Befreiung von der Gerichts­barkeit und von Vollzugshandlungen. Das ist ja nicht so schlecht – es gibt also keine österreichische Gerichtsbarkeit und vor allem keine Vollzugshandlungen. Das heißt, man kann da nicht einmal ein Strafmandat ausstellen oder eine Parkometerabgabe vor­schreiben und dann vollziehen. Man kann aber auch nicht einmal die Bauordnung in Liegenschaften internationaler Organisationen oder Konferenzen vollziehen – wenn die­se ein denkmalgeschütztes Haus kaufen, umbauen oder abreißen, kann man keine Voll­zugsmaßnahmen setzen. Man kann höchstens auf diplomatischem Wege im Heimatland intervenieren und dort schlimmstenfalls durch den Entzug der Anerkennung oder durch die Erklärung zur Persona non grata bewirken, dass jemand abgezogen wird. Es ist eigentlich erstaunlich, dass es im Jahr 2021 Leute gibt, die solche Privilegien haben und brauchen.

Dass man als Mitarbeiter einer solchen internationalen Organisation oder Konferenz von einer Besteuerung generell ausgenommen wird, versteht sich sozusagen von selbst. Es wird alles an Bezügen, Einkommen, Gehältern – egal, ob im In- oder Ausland, aus wel­chen Quellen auch immer – von der Besteuerung ausgenommen. Sogar Kraftfahrzeuge sind von der Besteuerung ausgenommen, sodass man, wenn man sich eines kauft, we­der Mehrwertsteuer noch NoVA entrichten muss. Das ist auch interessant.

Selbstverständlich besteht das Recht, zoll- und abgabenfrei und frei von allen Ein- und Ausfuhrverboten und Beschränkungen Einrichtungsgegenstände und sonstige Waren für den eigenen Gebrauch zu importieren. Das heißt, es gilt zum Beispiel auch das Ge­setz zur Ausfuhr von Kulturgütern nicht. Wenn man da in diesem privilegierten Stadl drin ist, dann kann man eine gotische Madonna erwerben, die man ansonsten nie ausführen dürfte, und darf sie, wie es früher ein amerikanischer Botschafter mit vielen Kunstschätzen ausführlich vorexerziert hat, in die USA zu Sotheby’s bringen, aber natürlich auch nach Burkina Faso, wenn man es sich leisten kann und von dort stammt.

Sozialversicherungsgesetze sind natürlich für Mitarbeiter solch internationaler Organisa­tionen nicht anzuwenden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist zu gewähren, das war schon bisher so – aber weil das Privilegium nicht ausreicht, wird es diesmal um das Privilegium ergänzt, dass auch die Angehörigen eines Mitarbeiters, also die Söhne, Eltern und so weiter (Bundesrat Schennach: Ehefrauen!), freien Zugang zum Arbeitsmarkt bekom­men und hier arbeiten können. Die Mitarbeiter der internationalen Organisationen sind ja normalerweise Sozialfälle, deswegen müssen die Kinder und Frauen auch arbeiten. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit des Bundesrates Schennach.)

Das ist im Jahr 2021 erstaunlich, ich will einmal dieses Wort verwenden. Es ist erstaun­lich, vor allem weil wir in einer Welt und in einer Organisation wie der Europäischen Union leben, die sich ja ständig bemüht, wettbewerbsverzerrenden Steuernachteil, Steu­er- und Sozialdumping zu bekämpfen. Wir haben das ja bei den Covid-Maßnahmen selbst gesehen. Da war zum Beispiel der Fixkostenzuschuss mit 800 000 Euro begrenzt. Mehr durften wir nicht auszahlen. Nein, das wäre eine Wettbewerbsverzerrung und ein unzulässiger Subventionswettlauf. Inzwischen ist das gelockert worden, doch es hat im­merhin acht Monate gedauert, bis diese EU-Vorschrift aufgehoben werden konnte. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.)

Wir werden dafür natürlich eine Erklärung hören, entweder von einem der Nachredner oder vom Herrn Minister selbst. Er wird uns sagen, dass Österreich durch diese interna­tionalen Organisationen und Konferenzen einen Mehrwert von 1,4, 1,45, 1,39 – es gibt verschiedene Zahlen – Milliarden Euro erzielen wird. Das klingt ja schön; das heißt aber nicht, dass das in die Kasse des österreichischen Staates fließt, sondern das ist eine Brutto-Netto-Rechnung. Von allem, was die in Österreich ausgeben, werden die einge­sparten Steuern und Abgaben abgezogen – und das ist dann der Mehrwert in Österreich.

Wenn sich eine Niederlassung zum Beispiel bei Wein & Co fünf Flaschen französischen Champagner, die beste Marke, um 5 000 Euro bestellt, dann sind das 5 000 Euro (Bun­desrat Seeber: Geh, hören Sie auf!) Leistung in Österreich. Das ist österreichische Wert­schöpfung. (Bundesrat Steiner: Ja, Robert, du ...! – Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und ÖVP.) Ja, weil die Vorleistung da nicht abgezogen wird, aber das ist ja egal.

Nehmen wir an, damit die Diskussion einfacher wird, diese 1,4 Milliarden Euro sind wirk­lich Wertschöpfung in Österreich: Dafür schaffen wir ein solches System von einzigartig privilegierten Personen. Da könnten wir andere Dinge machen. Da könnten wir die Schweiz nachahmen, wenn wir einen Wettbewerb veranstalten, wer mehr bietet, wer mehr Privilegien gibt, wer mehr Steuerbefreiungen ermöglicht. Da können wir Kanton Zug spielen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), da können wir zum Beispiel die internationalen Rohstoffhändler anziehen.

Kollege Schennach, Sie werden das vielleicht wissen: Wissen Sie, welche Wertschöp­fung allein die fünf großen internationalen Rohstoffhändler, die in der Schweiz sitzen – Glencore, Vitol und so weiter –, in die Schweiz bringen? Das sind nur Rohstoffhändler. – Die Beträge liegt derzeit bei etwa 31 Milliarden Euro im Jahr – 31 Milliarden Euro. (Bun­desrat Schennach: Da haben Sie die Diamanten dabei!) – Nein, das ist nicht dabei, das sind nur Rohstoffhändler. Die Diamantenbörse ist in der Schweiz irrelevant. Da gibt es kaum Umsätze.

Was wollen wir eigentlich? Wollen wir ein Dumping, wer schafft mehr Privilegien, wer gibt einer kleinen Kaste von internationalen Mitarbeitern einen Sonderstatus, der allen normalen Bürgern die Augen herausfallen lässt, und behauptet dann, er kreiert 1,4 Mil­liarden Euro Mehrwert, oder wollen wir ein faires System, in dem sich die Länder nicht durch Sozialdumping und durch Steuerbefreiung um Organisationen bemühen? Das kann man nicht einmal mehr als Steuerdumping bezeichnen, das ist die vollständige Befreiung von allen Rechten des Inlandes, mit der wir uns da um zusätzliche Organisa­tionen bemühen. Wir sagen dabei: Ja, im harten internationalen Wettbewerb müssen wir das Dumping auf die Spitze treiben und nun auch noch die Angehörigen der Mitarbeiter von allen arbeitsrechtlichen Zugangsbestimmungen befreien.

Ich glaube, liebe Kollegen, Herr Minister, Sie werden sich nicht wundern, dass meine Gruppe da nicht die Zustimmung gibt. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

21.35

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Himmer. Ich erteile ihm die­ses. – Bitte. (Bundesrat Steiner: Jetzt zu Privilegien ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser. – Bundesrätin Schartel: Ich an seiner Stelle täte ...!)