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Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bun­desrates! Das meiste wurde jetzt gerade von Bundesrat Schreuder eigentlich schon gesagt. Nur ein paar Bemerkungen von meiner Warte aus: Gerade dieser Tage wird wieder augenscheinlich, dass sich das außenpolitische Rad – Pandemie hin oder her – nicht aufgehört hat zu drehen. Denken wir nur an Russland, Myanmar, den Iran, aber auch an Äthiopien, Belarus, Hongkong! Allein diese Woche habe ich Treffen und Telefo­nate beziehungsweise Videokonferenzen mit den Außenministern von China, Bosnien und Herzegowina, Marokko, Armenien, Spanien, Portugal sowie der Tschechischen Re­publik und der Slowakei. Das heißt ganz einfach, die Welt bleibt nicht stehen.

Es wurde auch von der Frau Bundesrätin (in Richtung Bundesrätin Grimling) sehr richtig schon gesagt: Wir müssen auf die langfristigen Perspektiven achten. Die dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Genau die zwei Tagesordnungspunkte, die heute hier vorlie­gen, behandeln solche langfristigen Perspektiven.

Es geht einerseits um die Absicherung des Amtssitzes und des Orts des Dialoges, wo­rüber an sich – und darüber war ich immer sehr froh – ein parteiübergreifender Konsens bestand. Ich bedauere sehr, dass eine Partei der Meinung ist, dass sie sich aus diesem Konsens verabschiedet, weil das eine der wesentlichen Trademarks Wiens und Öster­reichs ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

Das Zweite ist natürlich die Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz.

Beides sind einfach Tagesordnungspunkte, die unserer internationalen Wahrnehmung entsprechen. Wir sind nun einmal Amtssitz von 51 internationalen Organisationen. Wir sind ein Hub für Sicherheit und Nachhaltigkeit. Gerade Zukunftsthemen wie Energie, Entwicklung, Klimadiplomatie stehen hier im Vordergrund.

Es wurde von Herrn Bundesrat Schreuder schon sehr richtig gesagt: Die Konkurrenz schläft nicht. Es geht nicht nur darum, dass wir Ansiedlungen neuer internationaler Or­ganisationen erreichen wollen, sondern auch darum, das Bestehende abzusichern. Die Konkurrenz, zum Beispiel aus den Golfstaaten, ist massiv. Aber ich denke auch an Bonn, an Kopenhagen und Amsterdam und andere Städte. Die Konkurrenz schläft nicht.

Was wir hier machen – und das stimmt überhaupt nicht, Herr Bundesrat (in Richtung Bundesrat Hübner), es wird weder vertuscht noch Dumping betrieben, mitnichten –, was wir machen, ist, in einem modernen Gesetz zusammenzufassen, so wie es im 21. Jahr­hundert üblich ist, wo sichtbar ist, was wir leisten. Es wird auch nichts Neues hinzugefügt. Eine einzige Ausnahme: den Arbeitsmarktzugang für Familienangehörige von quasiin­ternationalen Organisationen. Da ziehen wir mit Genf gleich, unserem wichtigsten Kon­kurrenten diesbezüglich.

Es ist nun einmal so – ich kann Ihnen erzählen –: Vor einigen Jahren hat eine sehr namhafte amerikanische Institution privater Natur gedacht, sie will gerne für 200 Mil­lionen US-Dollar einen Nexus für Umwelt in Wien ansiedeln. Einzige Bedingung: Die fünf, sechs Österreicher – wohlgemerkt –, die dort gearbeitet hätten, müssen sozusagen von der Einkommensteuer befreit sein, weil sie die 200 Millionen US-Dollar ausschließ­lich für Umweltprogramme einsetzen wollten. Ging nicht, sie sind heute in Genf ange­siedelt. Das heißt, es macht Sinn, sich da zu engagieren. Was wir machen, ist nichts anderes als das, was im internationalen Bereich üblich ist.

Sie (in Richtung Bundesrat Schreuder) haben zu Recht darauf hingewiesen: Es gibt einen massiven Wertschöpfungseffekt, aber nicht nur das: Es werden 19 000 Arbeits­plätze gesichert. Also das ist nicht etwas, das irgendwie auf einem blauen Papier irgend­wo in Blue-Sky-Debates stattfindet, sondern es ist ein ganz massiver Vorteil.

Ja, Wien kriegt den Löwenanteil davon. Ich muss auch sagen, die Zusammenarbeit mit der Stadt Wien funktioniert in diesem Zusammenhang wirklich tadellos. Aber auch die anderen Bundesländer erhalten 483 Millionen Euro brutto Wertschöpfung daraus. Das ist also etwas, das nicht nur auf ein Bundesland beschränkt ist.

Ich sage einmal ganz klar: Die Kosten-Nutzen-Rechnung – weil Sie das auch angespro­chen haben – geht bitte mehr als auf. Die jährlichen direkten und indirekten Ausgaben für den Amtssitz betragen weniger als 100 Millionen Euro. Die Steuer- und Abgabenein­nahmen betragen 527 Millionen Euro. Also auch ohne die Wertschöpfung ist es ein Su­pergeschäft. Verzeihung!

Wenn ich jetzt umgekehrt sage: wir als Außenministerium sind ein Ministerium mit plus/minus 550 Millionen Euro Jahresbudget und wir, meine Mitarbeiterinnen und meine Mitarbeiter, erzeugen eigentlich eine Wertschöpfung vom Dreifachen davon. Also ich glaube, da kann man durchaus stolz darauf sein und wir sollten diese Politik, die wir seit den Siebzigerjahren führen, hier weiterführen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Vielleicht nur ganz kurz zum Rotkreuzgesetz: Die wesentlichen Punkte wurden schon angesprochen. Wir alle haben wahrgenommen, dass im Schatten der Pandemie eigent­lich die Krisen nicht abgenommen, sondern vielmehr zugenommen haben und wir in Wirklichkeit die Problematik haben, dass wir bei den SDGs vielleicht sogar um Jahre zurückfallen. Laut UNO-Angaben hat sich die Zahl der von Hungersnot betroffenen Men­schen im letzten Jahr auf 270 Millionen Menschen fast verdoppelt. Das erste Mal seit 20 Jahren ist die extreme Armut wieder im Ansteigen. Das heißt, unser humanitäres Engagement darf nicht nachlassen, und da sind – und das ist nun einmal ein Faktum – sowohl das Internationale Komitee vom Roten Kreuz auf globaler Ebene als auch das Österreichische Rote Kreuz in Österreich wesentliche Partner für uns.

Wir haben allein seit 2010 13,1 Millionen Euro – über das Österreichische Rote Kreuz wohlgemerkt – in Projekten abgewickelt, und derzeit laufen mit dem Roten Kreuz 13 Pro­jekte mit über 6,3 Millionen Euro. Es ist für die Austrian Development Agency der we­sentlichste und verlässlichste Partner, ganz abgesehen von den großen Aufgaben, die es auch im Rahmen mit der Pandemie übernommen hat.

Wenn ich jetzt an die Einrichtung der Nationalen Kommission zur Umsetzung des Huma­nitären Völkerrechts denke: Die Kommission gibt es seit Jahren. Der einzige Unterschied zwischen Österreich und anderen Staaten war: Sie hatte keine Rechtsgrundlage, und die wird jetzt hergestellt. Das heißt, es wird auch da nichts Neues geschaffen.

Die Einführung der Basisfinanzierung: Dahinter stehe ich total, weil wir damit eigentlich nicht nur eine Anerkennung der Leistung des Roten Kreuzes haben, sondern diese Zu­sammenarbeit auch auf eine stabile Basis stellen und für die nächsten Jahre und Jahr­zehnte absichern.

Ich glaube, beides, wie ich am Anfang gesagt habe, sind genau solche Engagements, bei denen wir einen breiten Konsens haben, dass wir uns international positionieren wol­len, als Amtssitz, als Ort des Dialoges, als Ort des humanitären Engagements. Ich hoffe da doch auf breiteste Zustimmung, auch hier im Bundesrat. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

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