21.58

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Ich stehe hier jetzt als Kontraredner. Das heißt nicht, dass wir jetzt hier kontra reden, aber wir nehmen einen Bericht nicht zur Kenntnis; auf den komme ich noch. Wenn ich aber schon als Kontraredner hier stehe, liebe Kollegen und Kolleginnen, dann können wir ja wirklich etwas bereden. Sie sind nicht ressortzuständig, aber ich hoffe, Sie werden innerhalb der Bundesregierung Erinnerungen auslösen.

Wir haben im EU-Ausschuss, wir haben hier im Plenum schon ausführlich über den Recoveryfund, den Wiederaufbaufonds der Europäischen Kommission, gesprochen. Die Europäische Kommission hat entschieden, 390 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, nicht als Kredit, sondern als Geschenk an verschiedene Mitgliedstaaten. Liebe Frau Zwazl! Wie viel macht denn das für Österreich aus? – 3,3 Milliarden Euro. Warum schenkt die Kommission Österreich 3,3 Milliarden Euro, um die Wirtschaft und die Kon­junktur um mindestens 1,5 Prozent anzukurbeln?

Die Kommission ist aber nicht dumm, und sie weiß um diese Konjunktur. Da müssen die Mitgliedsländer für diese Summe auch etwas tun. 37 Prozent dieser Summe – vielleicht horchen da die Grünen einmal kurz auf – sind für Klimaziele bestimmt, 20 Prozent für den digitalen Wandel.

Die Kommission hat aber gesagt: Ihr bekommt zwar so viel Geld, es gibt aber ein paar Grundvoraussetzungen dafür: Es darf keine Hygiene Austria stattfinden. Man darf also nicht etwas, das schon existiert, umetikettieren, es muss etwas Neues sein.

Als zweite Bedingung nennt die Europäische Kommission – und da trifft es sich gut, dass Sonja Zwazl mir direkt gegenübersitzt und die Frau Supergewerkschafterin unserer Fraktion auch (allgemeine Heiterkeit) –: Ihr müsst in eurem Land mit den Sozialpartnern, mit den Ländern, Gemeinden und Städten einen öffentlichen Dialog führen und ihr müsst uns diesen Dialog auch darstellen. Da gibt es aber nichts. Wir haben beim Gemeinde­bund, beim Städtebund und bei den Ländern nachgefragt, aber es gibt nichts. Ich habe bei meinem Teil der Sozialpartner nachgefragt. – Nichts, niente! Wenn wir da nichts tun, gehen 3,3 Milliarden Euro flöten. Im Augenblick gibt es nur drei Länder, die noch nichts eingereicht haben, und das erste der drei ist Österreich.

Wisst ihr, wie das andere machen? In Portugal zum Beispiel hat Costa einen Vorschlag in diesem Dialog gemacht und stellt ihn in der Öffentlichkeit zur Diskussion. (Beifall bei der SPÖ.) Das viel gescholtene Griechenland hat einen Nobelpreisträger gebeten, die­se große öffentliche Debatte zu führen; und Frankreich war so schnell in der öffentli­chen Diskussion, dass es schon im September einen Teil eingereicht hat. – Und wir schweigen.

Zuständig ist nicht der Außenminister, aber, Herr Außenminister, jetzt egal, ob Opposi­tion oder Regierung, wir können uns in dieser Situation 3,3 Milliarden Euro nicht entge­hen lassen! (Beifall bei der SPÖ.) Deshalb ersuche ich Sie dringend, Ihre dafür zustän­digen Kollegen dazu zu bewegen, in diese Richtung tätig zu werden. Mit zuständigen Kollegen meine ich Herrn Finanzminister Blümel – okay, er hat jetzt vielleicht wieder ein bisschen mehr Zeit für Ministerarbeit (Heiterkeit des Bundesrates Ofner) – und Frau Europaministerin Edtstadler. Es muss jetzt irgendein Dialog kommen. Vielleicht sollte man nächste Woche schon die Sozialpartner dazu einladen. Ich glaube, Ideen gäbe es genug.

Jetzt kommen wir zu dem Punkt, warum wir etwas nicht zur Kenntnis genommen haben. Prinzipiell sind alle Berichte, die das Außenministerium erstellt – und das sage ich ganz gezielt den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ministeriums –, fantastische Nach­schlagwerke. Für uns, die wir in der Außenpolitik tätig sind, sind sie quasi die Bibel, die wir dabei haben.

Bei der Debatte bin ich aber von einem Kollegen etwas provoziert worden. Wir haben nämlich gesagt, es hat in dieser Zeit viele Dinge gegeben, aber unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft ist die Außenpolitik dann eher schwach gewesen. Wir haben in dieser Zeit das EU-Afrika-Forum veranstaltet. Liebe Grüne, ihr habt gegen diesen Afrika-Gipfel enorm demonstriert und protestiert, sage ich nur; die SPÖ auch, die NEOS auch. Bei diesem Afrika-Gipfel waren unter anderem der Herr Diktator al-Sisi und noch sechs Leute da, allerdings fehlten die Staatschefs jener europäischen Staaten, die eine ganz spezielle Bedeutung für Afrika haben, zum Beispiel Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien und Deutschland. Beispielsweise Macron und Merkel sind gar nicht gekommen, sondern haben niedriger qualifizierte Leute geschickt. Dafür ist allerdings Orbán dage­wesen, und das war dann schon ganz gut.

Zweitens: Südwestbalkan, unser Schwerpunkt, den haben wir immer. In dem Jahr ist aber ein gewisser Sobotka mit einem Reiseding gekommen und musste irgendwie jedes einzelne Land dort bereisen. Und das ist eine Südwestbalkaninitiative? – Also da gehört ein bisschen mehr Substanz dahinter.

Es kam auch die berüchtigte Ablehnung des UN-Migrationspaktes, eine Schande, die uns bis heute nachhängt. Ich hoffe, dass wir diesem Pakt irgendwann doch beitreten werden.

Aus diesen Gründen werden wir den Bericht nicht zur Kenntnis nehmen – Herr Bun­desminister, Sie werden es überleben (Heiterkeit des Bundesrates Ofner) –, trotzdem geht mein Dank an Ihr Haus.

Kommen wir zur Vorschau! Dazu möchte ich vielleicht ein paar Punkte sagen. Es war eines der wichtigsten Dinge, dass die EU-Kommission entschieden hat, die Impfdosen für alle Mitgliedsländer gemeinsam zu besorgen, sodass es hier nicht untereinander zu Egoismen gekommen ist.

Es ist nicht so – und jetzt schaue ich zu euch, weil ihr ganz gern die EU-Kommission kritisiert –, dass die EU-Kommission hier fehlerhaft ist. Nein, jede Woche findet in der Kommission ein Lenkungsausschuss statt (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), und da sitzt aus jedem Mitgliedsland jemand dabei, je nachdem, wer entsandt wird. Ich habe mit Stella Kyriakides acht Jahre aufs Engste zusammengearbeitet. Diese Frau weiß, was sie tut, und ich bin immer wieder schwer beeindruckt, wie gut Stella die Dinge immer auf den Punkt bringt. Also dass hier die Nationalstaaten außen vor sind und nur die Kommis­sion das Problem hat, stimmt nicht.

Außerdem möchte ich nur daran erinnern, dass am Anfang der Pandemie Frau Kyria­kides an alle Mitgliedsländer geschrieben hat: Wenn wir das gemeinsam ankaufen, dann fehlt uns Geld!, und es hat vier Monate gedauert, bis die Mitgliedstaaten geantwortet haben. Also diese Zeit gehört nicht der Kommission, sondern die gehört den Mitglied­staaten, wenn wir das alles aufarbeiten.

Herr Bundesminister, ich mache es jetzt ganz kurz. (Allgemeine Heiterkeit.) Wir sind froh darüber, dass die Themen Stärkung der Grundrechte, Durchsetzung der Istanbulkon­vention, Rechtsstaatlichkeit, Migration und Dublin Agreement, dass all das im Bericht wieder drinnen ist. Ganz wichtig ist auch der Kampf gegen Antisemitismus.

Von großer Bedeutung ist natürlich auch die EU-Erweiterungsstrategie. Die EU hat das Nordmazedonien versprochen. Dass Macron diese Entwicklung gebremst hat, ist einfach unfair. Aber Nordmazedonien, Albanien und Serbien, das sind die Themen, in denen ich unseren Beitrag sehe.

Vielleicht noch ein Letztes: Zwei Dinge haben wir schon abgearbeitet. Das Thema Cybersicherheit haben wir gestern im Ausschuss gehabt und zugestimmt, und auch das Thema Mandat für Europol hat den EU-Ausschuss schon passiert. Das sind alles Dinge, die hier drinnen stehen. Einen Teil haben wir schon erfüllt, vieles wird noch kommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.08

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weiters ist Herr Bundesrat Eduard Köck zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihm. – Bitte.