22.14

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Liebe Kollegen! Ich begrüße Sie noch einmal, diesmal zusammen mit Herrn Minister Schallenberg! Ich bin jetzt als Proredner zu einem Bericht, den man nur zur Kenntnis nehmen kann, zu Wort gemeldet. Es ist auch schwer anders möglich; da kontra zu sein, ihn nicht zur Kenntnis zu nehmen, ist ein bisschen komisch. Ich bin auch insoweit pro, als die Berichte wie immer sehr, sehr ausführlich und sehr, sehr informativ sind. Wer Interesse an außenpolitischen Dingen hat, der findet da wirklich viele Informationen über das, was in den letzten vier Jahren vorgegangen ist.

Ich will aber jetzt nicht nur Danke sagen und Dankesbotschaften ausrichten, ich glaube, das ist nicht so sehr die Aufgabe eines Oppositionsredners. (Rufe bei der SPÖ: Doch! Doch!) – Doch, ist es unsere Aufgabe? Also ich sehe das nicht so. Sie meinen, die Oppo­sition muss danken und Danke, Danke sagen. Ich glaube, nicht so ganz. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe schon Danke gesagt, den Dank habe ich ausrichten lassen. Al­lerdings bin ich als Oppositionsredner im Gegensatz zu Rednern von ÖVP und Grünen, die ja kein kritisches Wort verlieren dürfen – die dürfen ja nur danken –, von dieser Mo­nopolverpflichtung befreit und kann mich daher frei äußern. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Köck.)

Um es positiv zu formulieren, damit auch Sie zufrieden sind (erheitert), werde ich jetzt sagen, was am Bericht oder an der Haltung der österreichischen Bundesregierung und des Außenministeriums und der Verantwortlichen in Bezug auf die internationale Koope­ration mit der EU aus unserer Sicht vielleicht verbesserungsfähig ist.

Gehen wir vielleicht – Kollege Schennach hat das ja auch schon angesprochen – zum Migrationspakt! Der nimmt ja im EU-Bericht eine sehr prominente Rolle ein und ist sehr wichtig. Neben dem Kampf gegen die Nichtrechtsstaatlichkeit in den immer gleichen zwei Staaten – darauf komme ich auch noch zurück – ist das sicher das Interessanteste. Ich habe mir kurz herausgeschrieben, was die EU da über sich selbst berichtet, wie sie das angeht.

Hintergrund ist ja, dass die EU bestrebt ist, eine neue Agentur zu schaffen, weil es das Wichtigste ist, die eigene Bürokratie auszubauen und noch Hunderte Schreibtische und Mitarbeiter zu schaffen; das Beste ist da eine Agentur. Die EU kämpft hier an zwei Fronten: Das eine ist die Asylagentur, die sicherstellen soll, dass die einzelnen National­staaten nichts mehr zu sagen haben, was die Zuwanderung in ihr Staatsgebiet betrifft, sondern dass das von außen gemacht wird, weil eine Entscheidung auf nationalstaatli­cher Ebene zu demokratisch oder zu volksnahe wäre und vielleicht nicht zu den ge­wünschten Ergebnissen führen würde. Deswegen sind die Entmachtung der nationalen Parlamente, die Verhinderung von Volksabstimmungen zu diesen Fragen und die Dele­gation an eine EU-Agentur von zentraler Wichtigkeit.

Das Zweite ist, natürlich unter dem Covid-Vorwand, eine Agentur zur Zentralisierung der Gesundheitsvorsorge zu schaffen. Wir waren eh in einem Ausschuss, in dem das schon thematisiert wurde. Das ist der sogenannte Hera Incubator – ich habe jetzt vergessen, wofür Hera steht, aber der Minister wird es wissen. Hera Incubator wird jedenfalls unter dem Vorwand der derzeitigen Pandemie in Zukunft eine zentrale Krisensteuerung für die Gesundheit werden. Auch da darf man mit Hunderten neuen Schreibtischen und Arbeits­plätzen und einer weitgehenden Entmachtung der Nationalstaaten rechnen, sodass sich auch die Präsidentin als sehr zufrieden zu dieser Initiative geäußert hat.

Was im Bericht natürlich fehlt, ist ein Hinweis darauf, wieso eine Organisation wie die EU, die 12 Prozent ihrer Mitglieder und 16 Prozent des Gesamtbruttosozialproduktes verliert, nicht gezwungen wird, ihr Budget anzupassen, wieso diese EU mit dem gleichen Budget auskommen darf, mit dem sie vor dem Brexit ausgekommen ist. Auch das ist eine interessante Frage. Österreich hat zwar mitverhandelt, als Teil der sogenannten frugalen vier, drei weitere Staaten haben mitunterstützt, und eine exzessive Ausweitung des Budgets verhindert, aber das Budget ist gleich geblieben, ist sogar leicht ange­stiegen.

Jetzt gibt es, wie Kollege Schennach schon gesagt hat, offenbar die Möglichkeit, Geld zu verschenken. Wir haben jetzt gehört: 390 Milliarden Euro wird die Kommission nicht als Darlehen geben, sondern verschenken. (Bundesrat Schennach: ... hat ja mit dem anderen nichts zu tun!) – Na ja, ich sage nur, dieses Geld wird wahrscheinlich aus der Steckdose kommen oder, ich weiß nicht, vielleicht aus der Notenpresse, aber offenbar nicht von den Mitgliedstaaten.

Da Ihr Kollege sehr zufrieden damit ist, dass von diesen 390 Milliarden Euro – ich weiß nicht, ob die Zahl genau stimmt – 3,3 Milliarden Euro eventuell an Österreich fließen, muss ich sagen: Das ist nicht erfreulich von den Zahlen her, denn, wie Sie wissen, haben wir ja 2,8 Prozent des EU-Gesamtbruttosozialproduktes, zahlen daher Beiträge in dieser Höhe, bekommen aber nur etwa 0,75 Prozent dieses Geschenks. Also für Österreich ist es kein großes Geschenk, würde ich sagen, auch nicht im besten Fall. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Egal, woher das Geld kommt, ob es aus der Luft kommt, ob die EU das selbst verdient und es verschenkt – wir sind sehr arm dran. Statt 2,8 Prozent, die wir - - (Bundesrat Schennach: 3,3 Prozent!) – Herr Kollege! 390 Milliarden Euro – wie viel Prozent davon sind 3,3 Milliarden Euro? 0,75 Prozent, 0,78 Prozent!

Wir haben aber 2,8 Prozent des Gesamtbruttosozialproduktes, zahlen daher in etwa auch 2,8 Prozent der Beiträge und haben auch Rechte für 2,8 Prozent. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das heißt, diese Regelung, wenn sie so wäre, wie Sie sie schildern – so ist es nicht genau –, wäre ja für uns nichts zum Jubeln, denn wenn man 2,8 einzahlt und 0,75 bekommt, jubelt man normalerweise nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Lassen wir aber dieses Zahlenvoodoo mit den Geldern, die uns die Kommission von wo auch immer schenkt, einmal weg und kommen wir noch einmal zum Migrationspakt zu­rück! Ich habe mir da die wichtigsten Argumente dafür, dass man das alles EUisieren muss, angeschaut. Die Wörter, die man da mehr als fünf Mal findet, sind folgende: Kohä­renz, Transparenz, Effizienz, Solidarität, Wirksamkeit, Beschleunigung, Resilienz, Flexi­bilität und dergleichen. Das ist die klassische Ausdrucksweise, in deren Wolken man alles verstecken kann.

Was kommt hinein? – Wir haben es eh schon angesprochen: eine neue Agentur, die die Kompetenzen an sich zieht und lobend feststellt, was alles erreicht wurde, was man beim Grenzschutz, bei der Küstenwache alles Positives getan hat; das muss man verstärken und resilienter werden.

Was hat zum Beispiel die Frontex-Küstenwache im Mittelmeer gemacht? – Da gibt es verschiedene EU-Initiativen, in denen Militärschiffe der Mitgliedsländer, die Mittelmeer­häfen haben, zusammengefasst werden, die Operationen heißen Sophia, Poseidon, Eu­navfor Med und ähnlich und dienen alle der Zerschlagung von Schleusernetzen und Ähnlichem. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Tatsächlich haben diese Schif­fe bis heute die größte Schleuserleistung in der Weltgeschichte erbracht! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Schiffe, diese EU-Aktionen, die ich aufgeführt habe, haben nach eigenen Angaben mit Stand Ende 2020 – das heißt, die Zahlen sind gar nicht aktuell! – mehr als 600 000 Per­sonen kostenfrei in die Europäische Union gebracht, all das unter dem Aufhänger der Rettung. Das heißt, Leute, die mit auch noch so untauglichen Booten etwa die maritimen Zonen Tunesiens oder Libyens verlassen haben, setzen einen Hilferuf ab, dann kommen die Schiffe und bringen die Leute auf das Gebiet der Europäischen Union, wo sie in Erstaufnahmelager kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Eine gewalti­ge Leistung! Diese sehr erfolgreiche Form der Küstenwache und Einwanderungskontrol­le soll jetzt institutionalisiert und in eine eigene, zentral gesteuerte Agentur übertragen werden, und als Nebenprodukt kommt dann endlich – unter dem Aufhänger Solidarität – das, was sich ja viele wünschen, leider auch in Österreich: die zwangsweise Verteilung der von der EU ausgesuchten und geholten Einwanderer auf alle Mitgliedstaaten. (Neu­erlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Das ist dann das gesamteuropäische solidarische Projekt. Das mag auch einigen Leuten hier gefallen, gebe ich durchaus zu; aber das ist etwas, was wir, soweit es in unserer Macht steht, bekämpfen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss noch die rechtsstaatlichen Verfahren: Es ist sehr interessant, dass die­se in den letzten Jahren immer gegen zwei Staaten gehen: Polen und Ungarn. Die sind absolut nicht rechtsstaatlich, die haben vier schwere Fehler gemacht, wodurch sie nicht rechtsstaatlich sind: Erstens einmal machen sie bei der Einwanderungspolitik und bei der Quotenzuteilung nicht mit. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ganz schlimm! Sie blockieren verschiedene Initiativen.

Zweitens machen sie nicht bei Gender- und LGBT-Programmen mit, da macht man sich - - (Bundesrat Schennach: Aber! – Bundesrat Schreuder: Also geh bitte!) – Soll ich Ihnen den Bericht über Gender- und LGBT-Missstände in Ungarn und Polen vorle­sen? (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Machen sie nicht. (Bundesrat Schreu­der: Ja, zu Recht steht das da drin! Zu Recht!)

Drittens sind sie in der Kulturpolitik inakzeptabel. Da setzen sie Schritte, entlassen Direk­toren und so weiter, das geht gar nicht.

Viertens haben sie nach wie vor nach dem Mehrheitsprinzip gewählte demokratische Regierungen, die diese Politik durchführen, und das scheint überhaupt der zentrale Feh­ler in der Rechtsstaatlichkeit zu sein, dass die Leute drei Mal hintereinander eine Regie­rung wie die Fidesz-Regierung Orbáns wählen. Da muss die EU einschreiten. Da weiß sie noch nicht genau, wie vorgegangen wird, aber Sanktionen sind ja gegen Ungarn schon versucht worden, da gibt es sicher die Möglichkeit des Abschneidens von Finanz­transfers und Ähnliches, um die sogenannte Rechtsstaatlichkeit im EU‑Sinn herzustel­len. (Bundesrat Schennach: Das werden wir auch machen!) – Ja, das glaube ich, dass Sie das gerne machen würden, das glaube ich gerne. (Bundesrat Schennach: Na wir werden!) – Ja, ich glaube, dass Sie das machen werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich weiß, dass auch hier viele davon träumen, dass nicht mehr demokratische Entschei­dungen und gewählte Regierungen die Rechtsstaatlichkeit verkörpern, sondern über­staatliche Institutionen, die politisch korrekte Ziele verfolgen und die Völker lehren, wen sie wählen dürfen. Das ist aber, lieber Kollege Schennach, nicht unsere Politik. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

22.25

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.