22.25

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Also die Einschränkung von Medien- und Pressefreiheit, den Umbau der Justiz in der Form, dass sie nicht mehr unabhängig sein kann (Bundesrat Steiner: So wie in Österreich, oder? Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft!), als rechtsstaatlich zu bezeichnen, das halte ich schon für eine sehr gewagte These, die hoffentlich in diesem Haus keine Mehrheit hat.

Wir nehmen natürlich gerne Berichte aus den Vorjahren als historisch zur Kenntnis, ich möchte das auch gar nicht weiter vertiefen. Ich glaube, die Aufmerksamkeitsspanne ist aufgrund der vorgeschrittenen Stunde auch nicht mehr allzu groß, daher spreche ich nur ganz kurz ein paar wesentliche Punkte an, die uns im EU‑Arbeitsprogramm 2021 wichtig sind – uns allen gemeinsam wichtig sind. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Ganz toll ist auf jeden Fall einmal, dass die Verhandlungen über den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention aufgenommen wurden, wie es auf Seite 4 im Arbeitsprogramm auch steht; das ist sehr begrüßenswert.

Die Rechtsstaatlichkeit – ja, Herr Kollege Hübner! – ist eines der Grundprinzipien der Europäischen Union, und diese Rechtsstaatlichkeit muss mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln hochgehalten werden, denn die Identität der Europäischen Union be­inhaltet das. Rechtsstaatlichkeit ist ein Grundwert, unabdingbare Voraussetzung für ei­nen Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im europäischen Rechtsraum.

Österreich unterstützt daher die Europäische Kommission in ihrem Ziel der Wahrung der europäischen Grundwerte. Und ja, Herr Kollege Hübner, die Zeit, in der man eine Men­schengruppe als Menschen zweiter Klasse und eine andere Gruppe als Menschen erster Klasse definiert hat, ist auch vorbei, und daher gehören Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung von LGBTIQ-Grundrechten unbedingt zu dieser Rechtsstaatlichkeit dazu! (Beifall bei den Grünen.)

Es tut mir leid – das sage ich Ihnen auch als schwuler Mann –: Nein, ich bin nicht zweiter Klasse; ja, ich habe Rechtsstaatlichkeit genauso verdient wie meine Freundinnen und Freunde in Ungarn oder in Polen, die jetzt in sogenannten LGBT-freien Zonen, wie das dort genannt wird, leben müssen und drangsaliert, verfolgt und diskriminiert werden. Da muss klarer gesagt werden: Nein, das entspricht nicht dem europäischen Grundrecht! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Eine umfassende Positionierung in Abrüstungsfragen, die auch in diesem Bericht steht, ist sehr positiv zu bemerken. Österreich nimmt diesbezüglich tatsächlich eine Vorreiter­rolle auf EU-Ebene ein. Weil dieser konsequente Einsatz für die nukleare Abrüstung in Österreich so ein Grundkonsens ist, vergisst man manchmal, dass das woanders nicht so ist. Wir setzen uns dafür gemeinsam etwa mit Malta und Irland ein. Das gilt ebenso für die Nuklearfrage im gesamten Klima- und Umweltbereich, also die nukleare Sicher­heit. Man muss wirklich sagen: Ohne Österreich gäbe es oft keine so laute Stimme, wenn es um diese Fragen geht, und es ist wirklich enorm wichtig, dass wir das hier verankern. Ebenso wichtig ist das starke österreichische Engagement im Bereich chemische, biolo­gische, aber auch konventionelle Waffen. Ich verweise nur auf die sogenannten Killerro­boter – in diesem Bereich haben wir eine ganz starke Stimme.

Wir könnten jetzt noch viel über den Westbalkan diskutieren, das ist natürlich auch ein ganz wesentlicher Bestandteil: die EU-Perspektive der Länder dort, die Entwicklungszu­sammenarbeit, das ist ja auch in unserem Regierungsübereinkommen ein Schwerpunkt, ein ganz wichtiger Punkt, der auch in diesem Bericht steht.

Es ist auch sehr wichtig, die Zusammenarbeit mit Afrika und die Stärkung Afrikas als Wirtschafts- und Sicherheitspartner der EU auf allen Ebenen zur Kenntnis zu nehmen, auch das ist aktive Entwicklungszusammenarbeit. Wir werden daher das EU-Arbeits­programm, ebenso wie die historischen Berichte, gerne zur Kenntnis nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.30

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Außenmi­nister. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.