22.39

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Wir haben schon sehr umfangreiche Ausführungen zu den drei vor­liegenden Berichten gehört, ich als Tiroler darf noch zwei Punkte ansprechen, einen sehr positiven Punkt, in dem man die Außenpolitik Österreichs, glaube ich, als Meisterstück loben kann, und einen zweiten Punkt, wo man durchaus ein bisschen kritischer hin­schauen kann, vor allem in Zusammenhang mit der EU-politischen Vorschau auf das Arbeitsprogramm 2021.

Als Tiroler freut es mich wirklich sehr, dass im Außen- und Europapolitischen Bericht der Bundesregierung das Thema Südtirol in einem eigenen Kapitel erwähnt und abgearbei­tet wird. Das ist, glaube ich, das Musterbeispiel, weil Österreich seit dem Pariser Vertrag 1946 eine Schutzmachtstellung gegenüber Südtirol einnimmt, und dies sehr erfolgreich. Diese Schutzfunktion wird, glaube ich, von Anfang an mit der notwendigen Diplomatie gegenüber Italien zum Schutz der Autonomie von Südtirol wahrgenommen. Die Autonomie ist ein Modellfall oder wird als Modellfall in Europa gesehen, wie ein friedliches Zusammenleben von Minderheiten, von unterschiedlichen Sprachgruppen er­folgen kann, und diese Autonomie hat eben zum friedlichen Zusammenleben zwischen den Deutschen, Ladinern und Italienern auf dem Südtiroler Staatsgebiet geführt.

Zumindest außerhalb von Coronazeiten gibt es ja kaum mehr Beschränkungen in den engen Beziehungen zwischen Tirol und Südtirol. Der EU-Beitritt hat uns sehr massiv geholfen, da noch vorhandene Barrieren abzubauen, um ein besseres Wiederzusam­menwachsen der zwei Länder, die historisch ja sehr lange eine Einheit dargestellt haben, zu ermöglichen.

Dass dies, und das muss ich jetzt einfach noch einmal sagen, möglich war, war ein großes Verdienst der österreichischen Außenpolitik, und ich bedanke mich als Tiroler für dieses Meisterstück, das da in den letzten 80 Jahren gelungen ist. – Das war jetzt das Positive.

Ein bisschen Kritik möchte ich im Zusammenhang mit der Vorschau anbringen, die sich auch mit dem Kapitel der Covid-Zusammenarbeit auf EU-Ebene auseinandersetzt. In diesem Zusammenhang darf ich als Tiroler Kritik anbringen, und zwar zu diesem Punkt: Kollege Kolland hat es heute nicht irrtümlich angesprochen, er hat es bewusst ange­sprochen, nämlich unsere derzeitige Situation mit der Grenzschließung an der gemein­samen Grenze zwischen Bayern, also Deutschland, und Tirol und die dabei zu beobach­tende vornehme Zurückhaltung der EU.

Wir beobachten eine Ungleichbehandlung durch Deutschland im Umgang mit Tirol, das ganz andere Infektionszahlen hat. Das Südafrikavirus haben wir leider vor allem im Bezirk Schwaz, wo derzeit 10 Prozent der Infizierten dieses südafrikanische Virus in sich tragen, bei einer Inzidenz von 100. An der deutsch-französischen Grenze im Départe­ment Moselle gibt es dieses südafrikanische Virus ebenfalls, dort weisen 60 Prozent der Infizierten diese Variante auf, und das gleichzeitig mit einer Inzidenz von 300; das sind also auf keinen Fall vergleichbare Zahlen.

Zwischen Tirol und Bayern - - (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.– Bitte? (Bun­desrat Schennach: Dort ist nicht Bayern!) Nein, ist nicht Bayern, ich weiß. Entschuldi­gung! Ich sagte ohnedies: Wir sind mit Deutschland nicht zufrieden. Zwischen Tirol und Bayern werden die Grenzen geschlossen, verbunden mit allen möglichen Nachteilen. Da gibt es familiäre Nachteile – es gibt Familien, die haben sich seit Wochen schon nicht mehr gesehen. Es gibt wirtschaftliche Nachteile, weil der Warenaustausch nicht möglich ist, es in Tirol sehr viele Firmen gibt, die fixe Aufträge in Bayern, im Allgäu zu erledigen haben, und es dann von heute auf morgen nicht mehr möglich war, die Grenze zu pas­sieren. Es gibt aber auch viele Arbeitnehmer, die in Tirol wohnen und täglich Richtung Allgäu, Richtung Bayern ausreisen. Das war dann von heute auf morgen nicht mehr möglich. Diese Leute müssen in Kurzarbeit, obwohl es von der wirtschaftlichen Lage her in den Firmen, in denen sie tätig sind, überhaupt nicht notwendig wäre.

Gegipfelt hat dieses Aussperren darin, dass selbst unserem Landeshauptmann Platter der Transit über das Deutsche Eck zu einem Treffen mit Vertretern der österreichischen Bundesregierung untersagt wurde. (Bundesrat Steiner: Warum ist er nicht mit dem Zug gefahren?) Ein Skandal an sich, dass das möglich ist, dass es dazu keinen diplomati­schen Austausch gibt.

Du wirst den Hintergrund nicht kennen, warum die Fahrt mit dem Auto notwendig war. Vielleicht hat es noch zwei, drei Termine auf der Fahrt nach Wien gegeben. Das weißt du nicht, und ich weiß es auch nicht, und darum möchte ich über das eigentlich nicht lange diskutieren müssen.

Unser eigentlich sehr renommierter Europarechtsexperte, Dr. Obwexer von der Universi­tät Innsbruck, sagt: Diese Grenzschließungen zwischen Deutschland und Tirol sind klar EU-rechtswidrig, weil Deutschland es an der deutsch-französischen Grenze ja selber vormacht, dass es gegenüber einer Grenzschließung gelindere Mittel gibt. An der deutsch-französischen Grenze gibt es das sogenannte Freitesten, das wir alle kennen. Der Transit ist möglich, sobald man einen negativen Test vorlegt, und das ist an der deutsch-österreichischen Grenze leider nicht so.

Sehr geehrter Herr Außenminister! Ich bitte Sie, auf diese Ungleichbehandlung innerhalb der EU bei den zuständigen europäischen Stellen hinzuweisen, aber auch bei den deut­schen Kollegen, mit denen wir ja sonst ein sehr freundschaftliches und gutes Verhältnis pflegen, weil wir auch wissen, in welcher Abhängigkeit wir da stehen. Dieses Verhalten aber stößt in Tirol nur auf sehr wenig Gegenliebe. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

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