23.39

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist jetzt 20 Minuten vor zwölf, und ich würde mir wünschen, weil ich glaube, das ist ein sehr sensibles Thema – und ich merke schon, die Emotionen sind da –, dass Sie jetzt vielleicht noch einmal zuhören, was wir als grüne Fraktion zu der Sache zu sagen haben. (Bundesrat Steiner: Was hat das mit der Zeit zu tun?) – Die Aufmerksamkeit ist um diese Zeit schon ziemlich im Keller. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kommen wir zur Sache! Eine Abschiebung in der Art, wie wir sie Ende Januar gesehen haben (Bundesrat Novak: Ist berechtigt!) und mehr oder weniger sogar live mitverfolgen konnten, will niemand von uns. Ich glaube, das ist im Ausschuss auch schon ganz klar gesagt worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Gerade wenn es um Kinder und besonders vulnerable Personengruppen geht (Bundesrat Novak: Muss man Leib und Seele ver­kaufen!), ist höchste Sensibilität bei der Vorgehensweise im Asylverfahren und auch bei einer etwaigen Abschiebung gefordert. Ich will jetzt darauf nicht näher eingehen, weil ich glaube, in dem Punkt sind wir uns alle einig.

Ja, ich verstehe das: Das System zeigt Schwächen, und wenn ein System Schwächen zeigt und die Gesetzgebung Schwächen zeigt, soll man das als Anlass nehmen, Verbes­serungen herbeizuführen. (Ruf bei der SPÖ: Na ja, dann!)

Da möchte ich aber jetzt ganz kurz in das Jahr 2014 zurückgehen. Ich bin schon ziemlich lange in der Materie tätig – ich glaube, mittlerweile über 30 Jahre –, und ich kann mich erinnern, es war die Regierung Faymann II, die damals aus einem Asylamt und einer Fremdenbehörde eine Superbehörde gemacht hat, nämlich das jetzige BFA und diese Superbehörde – ich nenne sie jetzt einfach einmal so – in Bundeskompetenz gegeben hat. Genau zu diesem Zeitpunkt ist nämlich das, was Sie als „Gnadenrecht“ bezeichnet haben, Herr Kollege (in Richtung Bundesrat Reisinger), in der Länderkompetenz wegge­fallen. Das ist, wie wir festgestellt haben, gerade aus heutiger Sicht mit Defiziten verbun­den.

2015/2016 kam es dann noch dazu, dass gerade diese neu gegründete Superbehörde durch die Fluchtbewegung mit einem sehr hohen Arbeitsanfall konfrontiert war. Dadurch kam es zu einem Rückstau in der Behörde, weil das Personal natürlich nicht vorhanden war und es dann Einarbeitungszeit gebraucht hat.

Warum sage ich das jetzt? – Die Verfahren sind daher mit der Zeit länger geworden, und in dieser Zeit haben die Schutz suchenden Menschen, die damals gekommen sind, in Ös­terreich Kinder geboren, Freunde gefunden, sie gehen einer Arbeit nach und sehen Öster­reich als ihre neue Heimat. Dem muss natürlich Rechnung getragen werden, denn neben Asylgründen, die zu einem Aufenthaltstitel führen können, haben Menschen nach Arti­kel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention auch das Recht auf Schutz ihres Pri­vat- und Familienlebens. Das Asylgesetz, so, wie es jetzt besteht, bietet hierzu bei ent­sprechender Antragstellung beziehungsweise Prüfung durch die Behörde oder durch das Gericht auch die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel in dieser Form zu erlangen. Kollege Raggl hat es auch schon gesagt: Es waren im Jahr 2020 allein fast 2 600 Aufenthaltstitel, die so vergeben wurden. (Bundesrat Steiner: Viel zu viele! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt möchte ich aber zum konkreten Begehr des Antrags der KollegInnen von der SPÖ und den NEOS kommen. Die Bundesregierung soll jetzt aufgefordert werden, sich zum humanitären Bleiberecht als Zusatzinstrument zum Asylrecht zu bekennen. Gut, das sehe ich dahin gehend schon erfüllt, dass es im bestehenden Gesetz entsprechende Möglichkeiten gibt. Es gibt mehrere Paragrafen zum Thema, wann ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden kann. (Bundesrat Novak: ... Ge­setz dagegen!)

Warum aber explizit nur die Gemeinden im Verfahren verpflichtend gehört werden sollen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Was ist nämlich mit den gut integrierten Menschen – auch das hat Kollege Raggl schon angesprochen –, die in einer großen Stadt leben? Ich denke da jetzt ganz spontan an Wels oder an Linz. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja überhaupt kein ...!) Wer kann da als Bürgermeister eine fundierte Auskunft über den Integrations­grad geben? (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.) Ich glaube, das kann ein Bürgermeister, wenn er nicht an der Sache interessiert ist, gar nicht machen. Das hat auch Kollege Raggl schon gesagt. Wenn sich nämlich ein Bürgermeis­ter jetzt im Verfahren einbringen will, so kann er das ganz gut tun. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.)

Zufälligerweise hat mich vorgestern ein E-Mail erreicht, in dem mir eine Unterstützerin schreibt, die bei der Behörde vorgesprochen hat, und das möchte ich jetzt gerne zitieren: Aus der Vorsprache bei der Behörde, wo es um die Erteilung eines humanitären Aufent­haltstitels geht: Von Rahmats guter Integration war er – damit meint sie den Beamten im Verfahren – aufgrund der vielen Unterstützungsschreiben zweifelsfrei überzeugt. (Bun­desrat Novak: Haben wir alles ...!) Erwähnt hat er in diesem Zusammenhang das Schrei­ben des Bürgermeisters. – Zitatende.

Sie sehen also, meine lieben Kollegen von der SPÖ, es werden sehr wohl auch Bür­germeister im Verfahren, wenn es notwendig ist, gehört.

Ich komme noch einmal darauf zurück, dass nicht jede Bürgermeisterin, jeder Bürger­meister zwingend ein Fachexperte in der Beurteilung der Integration ist. Es gibt auch tatsächlich Bürgermeister, die gar kein Interesse daran zeigen, einem Asylamt etwas zu schreiben oder im Verfahren als Zeuge vorstellig zu werden. (Zwischenruf des Bundes­rates Novak.)

So würde ich das jetzt zumindest sehen: Das Einbeziehen der Länder in Form der Bür­germeister allein ist nicht ausreichend. Was wir tatsächlich in Erwägung ziehen sollten, wäre eine Kommission, sehr gerne auch auf Länderebene, mit fixen und variablen Mit­gliedern, mit Fachexperten, die sich aktiv im Verfahren einbringen und dort auch eine gewisse Entscheidungskompetenz aufgrund ihrer Fachexpertise bekommen. Bei Kin­dern wäre das zum Beispiel die Jugendwohlfahrt, bei kranken Menschen wären das zum Beispiel Ärzte. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Was aufgrund der Vorkommnisse Ende Januar schon passiert ist (Zwischenruf des Bun­desrates Novak) – ich finde es total nett (in Richtung Bundesrat Novak), dass Sie mich die ganze Zeit unterbrechen; es scheint Ihnen ja doch nicht so wichtig zu sein, dass Sie mir Gehör schenken (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP – neu­erlicher Zwischenruf des Bundesrates Novak) –, ein erster wichtiger Schritt, der durch unseren stellvertretenden Justizminister gesetzt wurde, ist die Einberufung der Kindes­wohlkommission. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das halte ich für essen­ziell, weil diese Kommission jetzt evaluieren wird, wie gut das Kindeswohl in den Ver­fahren beachtet wird, sich europäische Entscheidungen anschauen wird und bis Ende des zweiten Quartals dazu einen Bericht abliefern wird, der dann in die Verfahren ein­fließen kann und auch Änderungen im Sinne des Kindeswohls herbeiführen soll. (Beifall bei den Grünen.)

Ich denke, das sollten wir abwarten und dann die ganze Materie in sachlicher und kons­truktiver Weise unaufgeheizt diskutieren. Ich habe ja zu Beginn schon festgestellt: Sol­che Bilder braucht niemand. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)

Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger ist am Wort! – Bitte.

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (fortsetzend): Wie gesagt, ich würde mir wünschen (Bundesrat Steiner: Weihnachten ist vorbei!), dass wir alle uns das The­ma konstruktiv, sachlich anschauen, zum Wohl der Kinder, der Kinderrechte, die in die­sem Land sehr hochgehalten werden, und ich bin guten Mutes und zuversichtlich, dass wir das auch schaffen. Nur: Mit diesem Antrag heute schaffen wir es nicht. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

23.48

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Spanring. (Ruf bei der SPÖ: Jessas na!)