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Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

923. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11., und Freitag, 12. März 2021

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

923. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11., und Freitag, 12. März 2021

Dauer der Sitzung

                                               Donnerstag, 11. März 2021:  9.04 – 24.00 Uhr

                                                       Freitag, 12. März 2021:  0.00 –   0.20 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG und das 22. COVID-19-Gesetz geändert werden

3. Punkt: Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2021

4. Punkt: Bundesgesetz über die Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes (Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz – ÖJKG)

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefall­fonds (Härtefallfondsgesetz) geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem En­gagement (Freiwilligengesetz – FreiwG) geändert wird

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung geändert wird

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Führer­scheingesetz und das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz geändert wird (GBRG-Novelle 2020)


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15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Apothekengesetz, das Kardiotechnikergesetz und das Sanitätergesetz geändert werden (Berufsanerkennungsgesetz Gesundheit 2020)

16. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Depotgesetz geändert wird

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gebühren­gesetz 1957, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Alkoholsteuerge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Investitionsprämiengesetz geändert wer­den (2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz – 2. COVID-19-StMG)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Förderung für betriebliche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) erlassen wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung Österreichs als in­ternationaler Amtssitz- und Konferenzstandort (Amtssitzgesetz – ASG) erlassen wird und das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Interna­tionale Steuervergütungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asyl­gesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Meldegesetz 1991 geändert werden

20. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Anerkennung des Öster­reichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuz­gesetz – RKG) geändert wird

21. Punkt: Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegen­heiten über das EU-Arbeitsprogramm 2021

22. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2016/2017 und 2018 der Bundesregie­rung

23. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2019 der Bundesregierung

24. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird

25. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (286/A(E)-BR/2021)

26. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung der Länder und Gemeinden bei Entscheidungen über das humanitäre Bleiberecht (287/A(E)-BR/2021)

27. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens (288/A(E)-BR/2021)

28. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgeset­zes 1948

*****

Inhalt

Bundesrat

Verlangen des Bundesrates Christoph Steiner gemäß § 54 Abs. 2 GO-BR, bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu dem Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringen­de Unterstützung für vom Lockdown massiv betroffene Sportartikelhändler und


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Skiverleiher sowie Zulieferbetrieben und indirekt von Negativeffekten betroffenen Unternehmen (Wäscherein, Reinigungsfirmen, Veranstaltungstechnikunterneh­men, etc.) in Tourismusregionen“ die Anzahl der Für- und Gegenstimmen bekannt zu geben ...................................................................................................................      72

Wortmeldungen betreffend Ausübung des Stimmrechts durch den Präsidenten:

Korinna Schumann .................................................................................................      73

Christoph Steiner ........................................................................................  73, 74

Mag. Christian Buchmann .....................................................................................      73

Ersuchen der Bundesrätin Korinna Schumann um Abhaltung einer Stehprä­sidiale ........................................................................................................................      74

Unterbrechung der Sitzung ...............................................................  74, 111, 116

Stellungnahme des Vizepräsidenten Dr. Peter Raggl .........................................      74

Verlangen des Bundesrates MMag. Dr. Michael Schilchegger auf Erteilung ei­nes Ordnungsrufes ...................................................................................................    104

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ..............................    111

Verlangen des Bundesrates Christoph Steiner auf Erteilung eines Ordnungs­rufes ..........................................................................................................................    168

Personalien

Verhinderungen ........................................................................................................      13

Ordnungsrufe .............................................................................................  168, 178

Aktuelle Stunde (83.)

Thema: „#comebackstronger: Das Fitnessprogramm für Österreichs Sport“        13

RednerInnen:

Andreas Lackner .....................................................................................................      13

Heike Eder, BSc MBA .............................................................................................      15

David Egger .............................................................................................................      17

Markus Leinfellner ..................................................................................................      19

Vizekanzler Mag. Werner Kogler ...............................................................  22, 32

Marco Schreuder ....................................................................................................      25

Bernhard Hirczy ......................................................................................................      26

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................      28

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      29

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      31

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ................................................................................................      35

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ......................................................................      35

Ausschüsse


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 4

Zuweisungen ...............................................................................................  34, 238

28. Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschus­ses des Nationalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Ver­fassungsgesetzes 1948 ............................................................................................    237

Dringliche Anfragen

der BundesrätInnen Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Kriminalfall Commerzialbank – Wo bleibt die Verantwortung von Minister Blümel?“ (3859/J-BR/2021) ...................................    116

Begründung: Mag. Sandra Gerdenitsch ................................................................    116

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .........................................................    119

Debatte:

Günter Kovacs .........................................................................................  122, 135

Bernhard Hirczy ......................................................................................................    125

Thomas Dim ............................................................................................................    127

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    128

Karl Bader ................................................................................................................    129

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................    131

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    132

Sonja Zwazl .............................................................................................................    136

der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend „Frau Bundesministe­rin Köstinger, warum lassen Sie den Tourismus sterben?“ (3860/J-BR/2021) .......    137

Begründung: Josef Ofner ........................................................................................    138

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................    142

Debatte:

Sonja Zwazl (tatsächliche Berichtigung) .................................................................    142

Dr. Johannes Hübner (tatsächliche Berichtigung) .................................................    150

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    151

Sebastian Kolland ...................................................................................................    154

Günther Novak ........................................................................................................    156

Marco Schreuder ....................................................................................................    159

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    160

Christoph Steiner ....................................................................................................    161

Robert Seeber .........................................................................................................    163

Andrea Kahofer .......................................................................................................    168

Michael Bernard ......................................................................................................    171

Stefan Schennach ...................................................................................................    175

Josef Ofner ..............................................................................................................    178

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Urlaub in Österreich machen“ – Ablehnung .........................................................  158, 181

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausverkauf der heimischen Wirtschaft nach bevorstehender Pleitewelle im Tourismusbereich verhindern“ – Ablehnung .....................  174, 181

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe sofort aufsperren“ – Ablehnung .................................................................................................  180, 181


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 5

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (1206/A und 639 d.B. sowie 10550/BR d.B.) ................................................................................      36

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................      36

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ..........................................................................................      36

Robert Seeber .........................................................................................................      37

Elisabeth Grimling ..................................................................................................      37

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................      38

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      38

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG und das 22. COVID-19-Gesetz geändert werden (1253/A und 640 d.B. sowie 10551/BR d.B.) .........................................................................................................      39

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross ...............................................................      39

RednerInnen:

Marco Schreuder ....................................................................................................      39

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................      40

Eva Prischl ...............................................................................................................      42

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................      44

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ...................................................................      45

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      47

3. Punkt: Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2021 (III-737 und Zu III-737-BR/2021 d.B. sowie 10548/BR d.B.) ...............................................................................................      47

Berichterstatter: Marco Schreuder ..........................................................................      47

RednerInnen:

Marco Schreuder ....................................................................................................      47

Sebastian Kolland ...................................................................................................      49

Stefan Schennach ...................................................................................................      50

Josef Ofner ..............................................................................................................      52

Staatssekretärin Mag. Andrea Mayer ...................................................................      54

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-737-BR/2021 d.B zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................      55

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz über die Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes (Ös­terreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz – ÖJKG) (605 d.B. und 641 d.B. sowie 10552/BR d.B.) .........................................................................................................      55

Berichterstatterin: Dipl. Ing. Andrea Holzner .........................................................      55

RednerInnen:


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 6

Marco Schreuder .........................................................................................  55, 64

Sebastian Kolland ...................................................................................................      57

Mag. Daniela Gruber-Pruner ..................................................................................      59

Markus Leinfellner ..................................................................................................      60

Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................      62

Christoph Steiner ....................................................................................................      64

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      65

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefallfondsgesetz) geändert wird (657 d.B. sowie 10549/BR d.B.) ...................      65

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ...........................................................      65

RednerInnen:

Silvester Gfrerer ......................................................................................................      66

Günther Novak ........................................................................................................      67

Marco Schreuder ....................................................................................................      67

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................      68

Otto Auer .................................................................................................................      70

Christoph Steiner ....................................................................................................      71

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Unterstützung für vom Lockdown massiv betroffe­ne Sportartikelhändler und Skiverleiher sowie Zulieferbetrieben und indirekt von Negativeffekten betroffenen Unternehmen (Wäscherein, Reinigungsfirmen, Veran­staltungstechnikunternehmen, etc.) in Tourismusregionen“ – Ablehnung (Bekannt­gabe der Für- und Gegenstimmen) ...............................................................  72, 73

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      73

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1238/A und 647 d.B. sowie 10546/BR d.B. und 10566/BR d.B.) ...........................      75

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      75

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (1237/A und 648 d.B. sowie 10547/BR d.B. und 10567/BR d.B.) ................................................      75

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      75

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engage­ment (Freiwilligengesetz – FreiwG) geändert wird (1173/A und 655 d.B. sowie 10568/BR d.B.) .........................................................................................................      75

Berichterstatter: Ernest Schwindsackl ...................................................................      75

RednerInnen:

Ing. Isabella Kaltenegger .......................................................................................      76

Korinna Schumann .................................................................................................      77


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 7

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................      79

Andreas Lackner .....................................................................................................      81

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................      82

Otto Auer .................................................................................................................      83

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) .....................................................      84

Stefan Zaggl ............................................................................................................      84

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................      86

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Aktion 40.000“ – Ablehnung .................................  77, 87

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“ – An­nahme (336/E-BR/2021) ...............................................................................  85, 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      87

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      87

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ....................................      87

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (1240/A und 651 d.B. sowie 10569/BR d.B.) ................................................................................      88

Berichterstatter: Bernhard Hirczy ...........................................................................      88

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................................      88

Mag. Elisabeth Grossmann ...................................................................................      89

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................      90

Andreas Lackner .....................................................................................................      91

Bundesminister Mag. Dr. Martin Kocher ..............................................................      91

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Wirkungsvoller Mutterschutz in Zeiten von Coro­na“ – Ablehnung ............................................................................................  89, 92

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      92

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (1239/A und 653 d.B. sowie 10570/BR d.B.) ...........................................................      92

Berichterstatter: Andreas Lackner ..........................................................................      93

RednerInnen:

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................      93

Ernest Schwindsackl ..............................................................................................      94

Horst Schachner .....................................................................................................      95

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................      97

Andreas Lackner .....................................................................................................      98


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 8

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren beibehalten und Rücknahme der Kürzung der Pensionen durch die Aliquotierung der ersten Anpassung“ – Ablehnung ..............................................................................  96, 98

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................      98

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (1213/A und 675 d.B. sowie 10553/BR d.B.) ................................................................................      99

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................      99

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung geändert wird (676 d.B. sowie 10554/BR d.B.) .........................................................................................................      99

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................      99

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Ge­setz, das Bundespflegegeldgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Führerschein­gesetz und das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz geändert werden (1252/A und 679 d.B. sowie 10555/BR d.B.) ................................................................................      99

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................      99

RednerInnen:

MMag. Dr. Michael Schilchegger ..........................................................................    100

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    102

Dipl.-Ing. Andrea Holzner .......................................................................  103, 104

Ingo Appé ................................................................................................................    104

Johanna Miesenberger ...........................................................................................    107

Dominik Reisinger ..................................................................................................    108

Karl Bader ................................................................................................................    110

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „kostenfreie Antigentests für die gesamte Bevölkerung“ – Ableh­nung ...........................................................................................................  106, 111

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerkennung von Wohnzimmertests als Eintrittstests“ – Ab­lehnung (namentliche Abstimmung) .........................................................  109, 111

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung .................................    111

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    110

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    112

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 13, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    112

Gemeinsame Beratung über


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 9

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz geändert wird (GBRG-Novelle 2020) (608 d.B. und 680 d.B. sowie 10556/BR d.B.) ..................................    113

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    113

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Apothekengesetz, das Kardiotechnikergesetz und das Sanitätergesetz geändert werden (Berufsan­erkennungsgesetz Gesundheit 2020) (644 d.B. und 681 d.B. sowie 10557/BR d.B.)        113

Berichterstatterin: Claudia Hauschildt-Buschberger ............................................    113

RednerInnen:

Markus Leinfellner ..................................................................................................    113

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    114

Dr. Karlheinz Kornhäusl .........................................................................................    115

Andrea Michaela Schartel (tatsächliche Berichtigung) ..........................................    125

Wolfgang Beer .........................................................................................................    181

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    182

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    182

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Depotgesetz geändert wird (596 d.B. und 668 d.B. sowie 10558/BR d.B.) .........................................................................................................    182

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    183

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gebührengesetz 1957, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Investitionsprämiengesetz geändert wer­den (2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz – 2. COVID-19-StMG) (1241/A und 669 d.B. sowie 10559/BR d.B.) ................................................................................    182

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    183

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Förderung für betrieb­liche Testungen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) erlassen wird (1264/A und 670 d.B. sowie 10560/BR d.B.) .........................................................................    182

Berichterstatter: Otto Auer .......................................................................................    183

RednerInnen:

Ingo Appé ................................................................................................................    183

Elisabeth Mattersberger .........................................................................................    185

Thomas Dim ............................................................................................................    186

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    188

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA .........................................................    189

Andrea Kahofer .......................................................................................................    190

MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky .......................................................................    191

Robert Seeber .........................................................................................................    192


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 10

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    194

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    194

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    194

Gemeinsame Beratung über

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung Österreichs als internationaler Amtssitz- und Konferenzstandort (Amtssitzgesetz – ASG) erlassen wird und das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Internatio­nale Steuervergütungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Meldegesetz 1991 geändert werden (609 d.B. und 665 d.B. sowie 10561/BR d.B.) .............................    194

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................    195

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Anerkennung des Österreichi­schen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuz­gesetz – RKG) geändert wird (1172/A und 666 d.B. sowie 10562/BR d.B.) ...........    194

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................    195

RednerInnen:

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    195

Mag. Harald Himmer ...............................................................................................    198

Elisabeth Grimling ..................................................................................................    199

Marco Schreuder ....................................................................................................    200

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. .......................................    200

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    202

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .............................    202

Gemeinsame Beratung über

21. Punkt: Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Ange­legenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2021 (III-740-BR/2021 d.B. sowie 10563/BR d.B.) .........................................................................................................    203

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .............................................................    203

22. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2016/2017 und 2018 der Bun­desregierung (III-696-BR/2019 d.B. sowie 10564/BR d.B.) .....................................    203

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .............................................................    203

23. Punkt: Außen- und Europapolitischer Bericht 2019 der Bundesregierung (III-720-BR/2020 d.B. sowie 10565/BR d.B.) .................................................................    203

Berichterstatterin: Johanna Miesenberger .............................................................    203

RednerInnen:


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 11

Stefan Schennach ...................................................................................................    204

Ing. Eduard Köck ....................................................................................................    206

Dr. Johannes Hübner .............................................................................................    207

Marco Schreuder ....................................................................................................    210

Bundesminister Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. .......................................    211

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................    214

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 21, den Bericht III-740-BR/2021 d.B zur Kenntnis zu nehmen .....................................................................    215

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, den Bericht III-696-BR/2019 d.B zur Kenntnis zu nehmen .....................................................................    215

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, den Bericht III-720-BR/2020 d.B zur Kenntnis zu nehmen .....................................................................    215

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird (1108/A und 615 d.B. sowie 10571/BR d.B.) .........................................................................    216

Berichterstatterin: MMag. Elisabeth Kittl, BA .........................................................    216

RednerInnen:

Mag. Dr. Doris Berger-Grabner .............................................................................    216

Günter Kovacs ........................................................................................................    217

Andrea Michaela Schartel ......................................................................................    217

MMag. Elisabeth Kittl, BA ......................................................................................    218

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .....................................................    219

25. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (286/A(E)-BR/2021 sowie 10573/BR d.B.) ................................    219

Berichterstatter: Günther Novak .............................................................................    219

RednerInnen:

Nicole Riepl .............................................................................................................    220

Silvester Gfrerer ......................................................................................................    221

Michael Bernard ......................................................................................................    223

Andreas Lackner .....................................................................................................    224

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Antrag 286/A(E)-BR/2021 keine Zustimmung zu erteilen ...................................................................................    225

26. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung der Länder und Gemeinden bei Entscheidungen über das humanitäre Bleiberecht (287/A(E)-BR/2021 sowie 10574/BR d.B.) ...............................................................    225

Berichterstatter: Dominik Reisinger .......................................................................    225

RednerInnen:

Dominik Reisinger ..................................................................................................    225

Dr. Peter Raggl ........................................................................................................    226

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    228


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 12

Andreas Arthur Spanring .......................................................................................    230

Karl Bader ................................................................................................................    232

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Antrag 287/A(E)-BR/2021 kei­ne Zustimmung zu erteilen .......................................................................................    233

27. Punkt: Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens (288/A(E)-BR/2021 sowie 10572/BR d.B.) ................................................................................    234

Berichterstatterin: Korinna Schumann ...................................................................    234

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster ..........................................................................................    234

Martin Preineder .....................................................................................................    235

Marlies Steiner-Wieser ...........................................................................................    236

Claudia Hauschildt-Buschberger ..........................................................................    237

Antrag der BundesrätInnen Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR, dem gegenständlichen Entschließungsantrag 288/A(E)-BR/2021 die Zustimmung zu erteilen – Annahme (337/E-BR/2021)......... 234, 237

Eingebracht wurden

Antrag der BundesrätInnen

Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Urlaub in Österreich machen (289/A(E)-BR/2021)

Anfragen der BundesrätInnen

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Ge­plante Einstellung der Wiener Zeitung (3854/J-BR/2021)

Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirt­schaft, Regionen und Tourismus betreffend Erhöhung der Mobilfunkgebühren durch A1, Magenta und Drei (3855/J-BR/2021)

Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Investitionsprämie als Anstoß für Neuinvesti­tionen (3856/J-BR/2021)

Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Investitionsprämie als Anstoß für Neuinvestitionen (3857/J-BR/2021)

Marlies Steiner-Wieser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landes­verteidigung betreffend Folgeanfrage aktive Luftraumüberwachung (3858/J-BR/2021)

Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Kriminalfall Commerzialbank – Wo bleibt die Verantwortung von Minister Blümel? (3859/J-BR/2021)

Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Re­gionen und Tourismus betreffend „Frau Bundesministerin, warum lassen Sie den Tou­rismus sterben?“ (3860/J-BR/2021)

Anfragebeantwortung

der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Tech­nologie auf die Anfrage der BundesrätInnen Andreas Arthur Spanring, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mülldeponie Herzograd (3540/AB-BR/2021 zu 3824/J-BR/2021)


 


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 13

09.04.27Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Christian Buchmann, Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA, Vizepräsident Dr. Peter Raggl.

09.04.28*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich eröffne die 923. Sitzung des Bundesrates und begrüße alle Erschienenen.

Die nicht verlesenen Teile des Amtlichen Protokolls der 922. Sitzung des Bundesrates vom 26. Februar dieses Jahres sind aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Thomas Schererbauer, Mag. Christine Schwarz-Fuchs und Elisabeth Wolff, BA.

09.04.53Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„#comebackstronger: Das Fitnessprogramm für Österreichs Sport“

mit Herrn Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Werner Kogler. – Sehr geehrter Herr Vizekanzler, herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen beziehungsweise de­ren Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme des Herrn Vi­zekanzlers, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung des Bundesrates ohne Fraktion mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, die nach Mög­lichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. Ich erteile ihm die­ses. – Bitte, Herr Kollege.


9.06.07

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Lieber Herr Vize­kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Die Sportvereine in unserem Land haben seit einem Jahr, während dieser Covid-Krise, viele herausfordernde Situationen zu meistern. Sie mussten Präventionskonzepte erarbeiten, ihre Abläufe umgestalten, Trainingseinheiten mit Abstand und für Kleingruppen organi­sieren, zwischendurch, als dies möglich war, Zuschauer und Zuschauerinnen mit Ab­stand platzieren, Hygienevorschriften beachten, und sie mussten immer wieder ihre Pfor­ten schließen – zuletzt Anfang November.

Trotz dieser oft schwierigen Rahmenbedingungen waren die Sportvereine da immer vor­bildlich und mit viel, oft auch ehrenamtlichem Engagement bemüht, so gut es eben geht, Sportangebote für die Menschen in unserem Land zu machen. An dieser Stelle möchte ich sagen: Vielen Dank für diesen großartigen Einsatz! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Auch wenn die staatlichen Hilfen, wie zum Beispiel der NPO-Unterstützungsfonds für gemeinnützige Vereine, der jetzt wieder verlängert wird und, wie mir mehrere Vereine


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 14

aus meiner Region rückmelden, eine echte Hilfe darstellt, gut funktionieren, so braucht es doch eine Perspektive. Der Sportbereich ist natürlich keine Insel und die allgemeine Covid-Situation ist auch da die Richtschnur, aber wenn es zu Öffnungen, zu Öffnungs­schritten kommt, dann sollte der Sport vorne dabei sein.

Es freut mich daher auch sehr, dass ab Montag, 15. März, das Training für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren im Freien unter Einhaltung bestimmter Vorgaben wieder aufgenommen werden kann.

Die Regierung hält es für wichtig und notwendig, eine Initiative zu starten, die den Sport­vereinen den Weg aus der Gesundheitskrise ebnet. Unter dem Titel #comebackstronger wird ein Maßnahmenbündel geschnürt, das es dem Sport ermöglicht, ein glanzvolles, starkes Comeback zu feiern.

Eine wichtige Maßnahme, die darin enthalten ist, ist der Sportscheck. Das Sportministe­rium finanziert in den kommenden Monaten insgesamt 100 000 Jahresmitgliedschaf­ten – gedeckelt mit je 90 Euro. Ziel ist dabei, einerseits mehr Menschen in Bewegung zu bringen und andererseits die Einnahmenausfälle durch Mitgliederabgänge in den Ver­einen auszugleichen beziehungsweise zu minimieren. 100 000 Jahresmitgliedschaften lösen bis zu fünf Millionen Stunden Bewegung aus.

Im Mittelpunkt stehen jene, die zuletzt bei keinem Sportverein Mitglied waren. Es geht also um Neu- und Rückgewinnung von Vereinsmitgliedern. Der Fokus liegt dabei auf Kindern und Jugendlichen, denn sie haben zweifelsohne am meisten unter der Gesund­heitskrise gelitten. Dazu wurde auch eine eigene Arbeitsgruppe, die AG Sportscheck, gegründet.

Neben der Gewinnung und Rückgewinnung von Vereinsmitgliedern wird es ein Sportgut­scheinheft für Schnupperkurse in Vereinen geben, Bewegungsangebote für sozial Be­nachteiligte, Jungmütter, Kinder und Jugendliche.

Eine weitere Arbeitsgruppe, die ins Leben gerufen worden ist, ist die Arbeitsgruppe Schule. Da geht es um aktive Bildung und Bewegungsinterventionen – zweimal täglich 5 Minuten am Beginn einer Schulstunde, das ist in etwa 1 Stunde mehr Bewegung pro Woche.

Weiters: Distanceteaching zur besseren Vereinbarkeit von Schule, Training und Wett­kampf für unsere NachwuchsleistungssportlerInnen, Öffnung jeglicher von der öffentli­chen Hand finanzierten Infrastruktur in den Ferien und am Wochenende und die Imple­mentierung von Unterstufenrealgymnasien mit sportlichem Schwerpunkt – sozusagen als Zubringer für die Oberstufen, für den Leistungssport und für Spezialmodule; eine Arbeitsgruppe Ehrenamt, die auch Vereins- und Ehrenamtspreise ausarbeiten wird, eine Arbeitsgruppe Kommunikation – da soll eine österreichweite Medienkampagne für mehr Bewegung sorgen –, eine Arbeitsgruppe Technik mit Content- und Streamingplattform: Gemeinsam sind wir Sport!, mit dem Ziel einer besseren Sichtbarmachung des österrei­chischen Sports.

Weitere Maßnahmen sind die Verlängerung des Sportligen-Fonds für den Profi- und Semiprofiligenbereich, die Verlängerung der Möglichkeit für Vereine, die pauschale Auf­wandsentschädigung für Aktive und BetreuerInnen weiter auszubauen, eine Ausweitung der Budgetmittel für Kinder gesund bewegen sowie eine Ausweitung des Programms Bewegt im Park – da wird es dann insgesamt 700 Kurse in ganz Österreich geben, die man gratis besuchen kann, davon 25 im Bereich Behindertensport. Die Gesundheits­präventionsschiene Jackpot.fit, ein Gesundheitsangebot für Bewegungsmuffel und Sport­wiedereinsteigerinnen und ‑wiedereinsteiger, wird bundesweit ausgerollt. Wichtig ist auch die Förderung der dualen Karriere mit Schwerpunkt Leistungssport und Lehre. Der Lehrberuf Verwaltungsassistenz wird im Bundesministerium für Landesverteidigung an­gesiedelt und soll im Endausbau zwischen 64 und 80 Lehrstellen bringen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 15

Gesamt gesehen gibt es für Bewegung und Sport in unserem Land also ein breites Maßnahmenbündel, das nicht nur die finanziellen Einbußen während der Covid-Krise ausgleichen soll, sondern zukunftsgerichtet mehr Menschen in Bewegung bringen wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.12


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Heike Eder. – Bitte.


9.12.32

Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Sportminister! Einen sportlichen guten Morgen allen meinen Bundesratskol­leginnen und Bundesratskollegen, und natürlich auch den Zusehern daheim! Ich darf meine Rede heute gleich mit einem Dank an unseren Sportminister beginnen, denn das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde, nämlich Sport und das Comeback des Sports, verleiht dem Sport die notwendige Anerkennung und Wertschätzung, die er auch verdient hat.

Sport hat nicht nur einen positiven Effekt auf Gesundheit und Psyche, sondern Sport ist außerdem noch ein äußerst relevanter und zumeist auch sehr unterschätzter Wirt­schaftsfaktor. Mit einem unmittelbaren und mittelbaren Anteil am österreichischen BIP von etwa 5,75 Prozent liegt der Wertschöpfungsbeitrag des Sports zum Beispiel höher als jener der Bauwirtschaft, er ist in etwa doppelt so hoch wie der Beitrag der Finanz­dienstleister und in etwa sechsmal so hoch wie jener des Sektors Landwirtschaft.

Ungeachtet dessen, dass Sport ein so relevanter Wirtschaftszweig ist, hat man, wenn man die Presseberichte und Schlagzeilen zum Thema Corona in den vergangenen zwölf Monaten Revue passieren lässt, eines kaum gehört, nämlich lautes Jammern oder das permanente Einfordern von Unterstützungsleistungen vonseiten des Sports. Das liegt auch daran, dass der Sport trotz seiner zentralen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Bedeutung keine so große Lobby wie zum Beispiel die Unternehmer, die Landwirte, die Arbeitnehmer, die Lehrer oder auch die Pensionisten besitzt. Das fehlende Jammern und die zurückhaltende Medienpräsenz dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, wie groß die Herausforderungen im Breiten-, im Spitzen-, aber auch im Behindertensport waren und nach wie vor sind.

Im Sport aber gilt die Regel: Ärmel hochkrempeln, kreative Lösungen suchen und anpa­cken. Das haben die Dachverbände trotz dieser schwierigen Zeit bestmöglich gemacht und sich mit sehr kreativen Methoden – teilweise haben sie Onlinetrainings oder Work­shops und Vorträge abgehalten – die ganze Zeit über sehr gut um unseren Sportnach­wuchs gekümmert, und dafür ein ganz herzliches Dankeschön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Dennoch steht die ganze Sportlandschaft aktuell vor sehr großen Herausforderungen. Die Sorgen um die Zukunft der Verbände sind sehr groß. Viele Vereine im Breitensport verzeichneten bereits drastische Verluste an Mitgliedern, aber auch an Sponsoren. Bei­des bedeutet weniger finanzielle Mittel, um den Vereinsbetrieb aufrechtzuerhalten.

Drei Unterstützungsmaßnahmen waren und sind deshalb für den Sport besonders hilf­reich: erstens der NPO-Unterstützungsfonds für gemeinnützige Vereine, zweitens der Sportligen-Fonds und drittens die Möglichkeit für Vereine, die pauschale Aufwandsent­schädigung, genannt Prae, für Aktive und Betreuer weiterhin steuerfrei auszuzahlen.

Auch Maßnahmen zur Gewinnung und Rückgewinnung von Vereinsmitgliedern sind dringend notwendig und ebenso angedacht. Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Ziel kann zum Beispiel die Bewegungsförderung von Kindern im Kindergarten- und im Volks­schulalter durch Kooperationen mit Sportorganisationen leisten. Die Chance, dass Kin­der dadurch schon sehr früh in einem Verein hängenbleiben, ist sehr groß, und wir alle


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 16

wissen, dass sich, wenn Kinder im Verein sind, meist auch die Eltern und vielleicht auch noch die einen oder anderen Großeltern anmelden. Deshalb bin ich sehr froh, dass die Budgetmittel für das Programm Kinder gesund bewegen nun auch ausgeweitet werden.

Je mehr Eltern und Großeltern in unseren Vereinen tätig sind, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass diese das eine oder andere Ehrenamt übernehmen. Das ist enorm wichtig, denn sowohl im Breiten- als auch im Spitzensport zeichnet sich ab, dass ehrenamtliche TrainerInnen und FunktionärInnen nicht mehr die Energie aufbringen können und wollen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Das permanente Anpassen an neue Rah­menbedingungen, ständig von vorne anfangen zu müssen und die Frage, wofür man das überhaupt macht, lösen bei vielen Funktionärinnen und Funktionären Rückzugsgedan­ken aus.

Ich kann nur einen Wunsch und eine Bitte äußern: Liebe Trainer, liebe Betreuer, bitte kämpft weiter, ohne euch geht sehr, sehr viel im österreichischen Sport verloren! Ich würde mir als Motivationsschub für alle unsere ehrenamtlichen Funktionärinnen und Funktionäre einen kräftigen Applaus des Bundesrates wünschen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Dim.)

In der Vergangenheit wurde auch oft kritisiert, dass beim Spitzensport sehr vieles mög­lich war, im Breiten-, aber auch im Kinder- und Jugendsport nicht. Diese Beobachtung ist absolut richtig, aber ich möchte hier auch für etwas Verständnis werben, denn der Spitzensport bildet über die Einnahmen ein finanzielles Fundament für den Breitensport. Nicht zuletzt deswegen muss Spitzensport jedenfalls am Laufen gehalten werden, da sonst die finanzielle Basis und die Infrastruktur für die Ausübung des Breitensports fehlen.

Da es aber ohne Breitensport natürlich auch keinen Spitzensport gibt, muss und darf man auch über Möglichkeiten im Breitensport nachdenken. Kinder und Jugendliche, die vormittags in der Schule negativ getestet werden, sollten am Nachmittag auch am Trai­ning im Sportverein teilnehmen können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Sportvereine erfüllen aufgrund ihrer Struktur eben nicht nur gesundheitliche, sondern auch soziale Funktionen. Werte wie Teamgeist, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz, aber auch der Umgang mit Sieg und Niederlage werden geschult, und der Sport verbindet Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem sozialen Status. Genau das leistet der Sport, aber auch genau das ist für unsere Kinder in den vergangenen Monaten leider zu kurz gekommen. Experten haben vermehrt auf die physischen und psychischen Kol­lateralschäden durch den Bewegungsmangel, aber auch den Mangel an Sozialkontakten hingewiesen. Sport ist da das beste Gegenmittel. Deshalb kann ich die Öffnung von Sportmöglichkeiten im Breitensport und ganz speziell im Kinder- und Jugendsport nur unterstützen und freue mich für alle Kinder und Jugendlichen, dass sie ihre Mannschafts­kollegen bald wiedersehen können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ganz besonders freue ich mich, dass mein Heimatbundesland Vorarlberg ab dem 15. März als eines der Bundesländer mit einer aktuell relativ stabil niedrigen Anste­ckungsrate als Modellregion noch weitergreifende Öffnungsschritte im Sport – und im Übrigen nicht nur im Sport – durchführen kann. In Vorarlberg wird ab Mitte März nicht nur Outdoorsport, sondern auch Indoorsport möglich sein. Für den Indoorsport ist ein negativer Test notwendig, wobei dieser direkt vor Ort mittels digitaler Testmöglichkeit durchgeführt werden kann. Mit der digitalen Testmöglichkeit begeben wir uns auf komp­lett neues Terrain. Das hat bisher noch niemand gemacht, aber wir werden damit sehr verantwortungsbewusst umgehen und hoffen, dass sich diese Vorgangsweise bewährt und dadurch auch mehr Sport in ganz Österreich und speziell auch der Erwachsenen­amateursport wieder möglich wird.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 17

Meine Kolleginnen und Kollegen, die beeindruckenden Comebacks von Niki Lauda, Hermann Maier oder Michael Jordan haben eines gemeinsam: Sie alle lehren uns, dass Mut, eine akribische Vorbereitung und Positivität zentrale Komponenten eines erfolgrei­chen Comebacks sind. Wer, wenn nicht die Sportler, kennt sich am besten mit Come­backs aus? – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrätin Grossmann.)

9.21


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat David Egger. Ich erteile ihm dieses. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.21.33

Bundesrat David Egger (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher via Livestream! Einen schönen guten Morgen! Ich möchte ja diese morgendliche Euphorie nicht total ausbrem­sen, aber mich lässt schon ein bisschen das Gefühl nicht los, dass wir sportlich gesehen beim Fußball gerade beim 0:3-Rückstand sind oder uns beim Skifahren schwertun, in den zweiten Durchgang zu kommen.

Wir haben über 15 000 Sportvereine, die seit einem Jahr quasi stillstehen: keine Zu­schauer, Trainer, die zu Hause sitzen, die zum Daumendrehen verdammt sind, Sponso­ren, die abspringen, was dem einen oder anderen auch im Breitensport richtig wehtut – das weiß ich aus persönlichen Erfahrungen. Trainer, ob ehrenamtlich, nebenberuflich oder hauptberuflich, können ihrer Leidenschaft, ihrer Passion nicht nachgehen. Wir ha­ben im Salzburger Jugendreport bei einer Umfrage unter Zwölf- bis 20-Jährigen gehört, dass jeder Zweite, der Sport macht und/oder Mitglied in einem Verein ist, richtig frustriert ist, dass er seiner Leidenschaft, dem Sport, nicht nachgehen kann. Mir als begeistertem Hobbysportler blutet das Herz, wenn Millionen Sportlerinnen und Sportler zu Hause sitzen müssen. Jedes Mal, wenn ich am Tennisplatz oder am Fußballplatz vorbeigehe, ist dort höchstens der Platzwart anzutreffen, es finden keine Kindertrainings, keine Ju­gendtrainings statt, und die 1 b-Mannschaft ist auch nicht dort – das macht mich richtig traurig.

Finanzielle Hilfen sind gut und schön, ein Hashtag ist da aber auch ein bisschen zu we­nig. Vielleicht holen wir auf, dann machen wir das 1:3. Wenn Ihnen aber der Sport wirk­lich am Herzen liegt und wir die Zahlen nüchtern betrachten, dann sollten Sie ganz ehr­lich sagen, wie viel denn von diesem 430-Millionen-Förderungspaket, das gestern me­dial ausgeschickt worden ist, wirklich für den Sport übrig ist. Wenn man sich die 160 Mil­lionen Euro Spielgeld von Frau Schramböck, die ihre Prestigeprojekte in den Sand setzt, anschaut: Ich würde mir ein bisschen mehr Budget, ein bisschen mehr Zug aufs Tor und einen Zug auf das Ziel von Ihnen wünschen, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben das Wirtschaftliche schon angesprochen, jetzt kommen wir einmal zum Emo­tionalen: Die Sportlerinnen und Sportler vor den Bildschirmen und hier im Saal wissen wahrscheinlich, wie es den Athleten draußen geht – wenn man weg vom Trainingsplatz ist, wenn man weg von den anderen Athletinnen und Athleten ist. Es fehlt nicht nur der zwischenmenschliche Kontakt, sondern es gibt auch diese Distanz zum Messen im Wettbewerb, wer der Bessere ist. Da will man ja seinen Ehrgeiz umsetzen und auf die Laufbahn oder aufs Spielfeld bekommen, und das dürfen wir denen nicht weiterhin wegnehmen. Auch im Breitensport sollten wir ganz, ganz rasch über eine Öffnung für alle reden – das ist mir extrem wichtig. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Warum dauert es so lange, bis wir aufsperren? Wir haben schon x-mal darüber diskutiert, wir haben das Testen verschlafen, wir sind beim Impfen hintennach. Deswegen auch hier die Bitte: Drücken wir da aufs Tempo! Die Sportvereine haben es schon gezeigt: Sie können das umsetzen, sie wollen das umsetzen, sie wollen die Verantwortung überneh­men – und jetzt geben wir ihnen bitte auch die Mittel dafür!


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 18

Was passiert, wenn wir keine Alternativen zu diesem Sportlockdown haben? – Die Leu­te – ich habe es anfangs schon angesprochen – sind frustriert, sitzen zu Hause. Die Decke fällt einem auf den Kopf, man pendelt nur mehr hin und her zwischen daheim und der Arbeit und geht höchstens einmal einkaufen. Da fragen sich dann selbstverständlich viele, warum man beim Möbelhaus und beim Elektrohändler an der Kassa stehen, aber nicht in kleinen Gruppen Sporttraining machen oder eins gegen eins auf dem Tennisplatz spielen darf. Das versteht keiner, und das möchte ich jetzt auch an dieser Stelle gesagt haben. (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Arla­movsky. – Vizekanzler Kogler: Sie dürfen ja am Tennisplatz spielen!)

Wenn wir dann zurückblicken, erkennen wir, dass die Maßnahmen teilweise auch nicht gegriffen haben. Da hat neulich ein Obmann seine Spieler von der Kampfmannschaft gefragt, als sie ihre Fußballschuhe aus der Kabine geholt haben: Was macht ihr, Jungs? – Sie haben gesagt, sie dürfen ja nicht spielen und gehen in den Park zum Spie­len, weil sie nicht auf den Sportplatz gehen dürfen. Der Frühling ist da, die Temperaturen steigen, sie gehen hinaus, sie bewegen sich. Das ist wichtig so, und das ist auch gut so. Es ist wichtig für die Psyche, und es ist vor allem wichtig für den Körper und für die Gesundheit.

Was bedeutet es für einen Sportler und besonders für Kinder und Jugendliche, wenn sie ihrem Hobby so lange nicht nachgehen können? Die Drei-, Vier-, Fünfjährigen, die zum Beispiel Kinderturnen gemacht haben, können sich gar nicht mehr daran erinnern, wie das vor einem Jahr war. Oder wenn man sich Zehn-, Elf-, Zwölfjährige anschaut: Denen hängt es zum Hals heraus, die hundertste Runde zu laufen, die ganze Zeit Rad fahren zu gehen. Das ist eh wichtig, aber die wollen wieder ihre Freunde beim Sport sehen, und Gott sei Dank werden wir das in naher Zukunft auch wieder ermöglichen. Denken wir an die 16-, 17-, 18-Jährigen – wenn ich mich an meine eigene sportliche Karriere zurücker­innere –: Man will sich matchen, man will am Platz einlaufen und dieses Gefühl des Wettkampfs haben, und das sollten wir ihnen ganz, ganz schnell zurückgeben.

Da heute schon angesprochen worden ist, dass der Leistungssport auch die Sportler aus dem Breitensport herauszieht – was die sportliche Karriere betrifft –, möchte ich ein Beispiel aus meiner Heimatgemeinde bringen, dem Nachbarort Köstendorf. Da ist ein ganz guter Fußballer „entstanden“ – so kann man unter Anführungszeichen sagen –, der hat über den Breitensport seinen Weg in den Spitzensport gefunden. Er spielt jetzt bei einer Profimannschaft in Oberösterreich und ist sogar in das Nationalteam einberufen worden. Hätten wir damals in seiner Jugend ein Jahr zugesperrt, dann wäre er jetzt nicht im österreichischen Nationalteam, und das wäre wirklich, wirklich schade. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Eder-Gitschthaler und Bader.)

Was bedeutet es für die Gesundheit? – Ein Drittel macht, statistisch gesehen, weniger Sport. Wir wissen, dass wir uns durch regelmäßigen Sport 1 Milliarde Euro im Gesund­heitssystem sparen würden, das heißt, der Staat spart sich Geld. Es warnen Psycholo­gen, es warnen Ärzte, es warnen die Sportmediziner vor den Folgen, wenn wir weiterhin die Sportstätten nicht öffnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Frau Kollegin Eder, ich kann Sie zu 100 Prozent unterstützen. Wenn der Wohnzimmer­test und der Schultest als Eintrittskarte in den Sport gelten sollen, dann bitte ab sofort auch für den Indoorsport. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.) Das ist wirklich wichtig, und dafür habe ich mich in Salzburg auch immer eingesetzt. (Beifall bei der SPÖ.) Aktuell gibt es ja genügend Verhinderer, aber meine Unterstützung haben Sie. Ich war auch froh, dass Landesrat Stefan Schnöll in Salzburg meine Idee sofort aufgegriffen hat und wir da zusammen an einem Strang ziehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

Wir wollen Klarheit schaffen, und dafür stehen wir auch. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser) Wir wollen sichere Bedingungen für die Sportlerinnen und Sportler


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schaffen, damit sie ihrer Leidenschaft, ihrem Hobby und ihrem Ehrgeiz nachgehen kön­nen. Finden wir ein Rezept, liebe Regierung, Herr Vizekanzler, für eine dauerhafte Sport­öffnung, finden wir ein Rezept für ein ordentliches Coronamanagement im Vereinssport! Ich möchte auch die Gelegenheit nützen, mich bei Sport-Austria-Präsidenten Hans Niessl herzlich zu bedanken, der sich immer für den Sport in Österreich eingesetzt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Sportmediziner Josef Niebauer hat es geschrieben: „Viele haben mittlerweile Alternati­ven abseits des Sports gesucht. Der Ball wurde sozusagen gegen Sofa und Internet eingetauscht. Wir als Gesellschaft müssen alles daran setzen, den Kindern die Freude am Sport zu vermitteln“. – Ja, wir sind uns alle einig, dass es gescheiter ist, dass man sich den Fußball nimmt, dass man sich den Volleyball, den Faustball, den Tennisschlä­ger nimmt und wieder Sport betreibt, statt vor der Playstation zu sitzen. Das ist gesund, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte nicht vergessen, zu guter Letzt noch einmal auf die tägliche Turnstunde hin­zuweisen. Auch der Sportmediziner sagt, die tägliche Turnstunde sollte an den Schulen zu einer Selbstverständlichkeit werden. Das würde sich auch stark auf den sozialen Um­gang auswirken.

Sehr geehrter Herr Sportminister, bei allen Öffnungen haben Sie unsere volle Unterstüt­zung. Wir müssen, was den Sport betrifft, über die Parteigrenzen hinweg denken – Frau Kollegin, ich glaube, da sind wir einer Meinung. Ich danke allen Trainerinnen und Trai­nern und allen Funktionären in den Vereinen für die unglaubliche Arbeit, die sie geleistet haben. Ich kann das nachfühlen und sage an dieser Stelle: Bitte, bitte, bitte macht weiter so! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.31


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner: Herr Bundesrat Markus Lein­fellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


9.31.34

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Come back stronger – ein starker Titel, auch wenn ich mir persönlich in Österreich eigentlich einen deutschen Titel gewünscht hätte. Es ist trotzdem eine sehr, sehr schöne Verpackung, muss ich sagen.

Wie wir aber wissen, kommt es ja nicht nur auf die Verpackung an, sondern viel mehr auf den Inhalt. Bevor wir uns anschauen, was da drinnen ist, sollten wir aber auch die Istsituation nicht vergessen, und die ist gerade im Bereich des Sports, im Bereich des Nachwuchssports im Moment ja nicht besonders rosig, wie wir alle wissen. Genau in diesem Bereich, im Umgang mit dem Nachwuchssport, kann ich diese Bundesregierung schön langsam nicht mehr verstehen. Im Sport geht es darum, jeden Tag ein Stück besser zu werden, und das funktioniert eben nur mit hartem Training, mit intensivem Training, aber vor allem mit regelmäßigem Training. Genau dieses regelmäßige Training ist zurzeit in vielen Bereichen nicht möglich. Wenn wir aufhören, jeden Tag ein Stück besser zu werden, dann werden wir irgendwann aufhören, gut zu sein, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Und ja, dieses Training, gerade im Leistungssportbereich, beginnt bereits in den Kin­derschuhen. Das beginnt bei den Kleinsten mit einem regelmäßigen Training, mit einem Aufbautraining. Genau an dieser Stelle kommt dann auch diese Bundesregierung ins Spiel. Gerade beim Nachwuchssport hat man den Kindern, den Nachwuchssportlern jegliche Möglichkeit des Trainings, aber vor allem auch die Möglichkeit – wie es meine Vorredner schon erwähnt haben – des Wettkampfs genommen. Daran ist nicht dieses Virus schuld, denn wir haben viele, viele Möglichkeiten – auf die ich noch eingehen wer­de –, die wir hätten ergreifen können, um den Nachwuchssport, die Wettkämpfe und das


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Training zu ermöglichen. Daran ist einzig und allein diese Bundesregierung und nicht dieses Virus schuld, auch wenn wir es seit rund einem Jahr in Österreich haben.

Herr Vizekanzler, wissen Sie eigentlich, wie es den Nachwuchssportlern im Moment wirklich geht? (Bundesrat Schreuder: Ja!) 1,2 Millionen Testungen werden wöchentlich in den Schulen durchgeführt. Rund jeder Zehntausendste ist positiv; ob falsch positiv – er ist positiv, aber eines ist er auf jeden Fall: Er ist symptomlos. Neben diesem ganzen Testwahn, den wir in den Schulen eingeführt haben, drangsalieren wir unsere Kinder in den Schulen noch zusätzlich mit FFP2-Masken, mit Mundschutz. Ein normales Leben ist ja so gut wie nicht möglich. Die Kinder dürfen nach diesen Tests mit Maske in der Schule sitzen, aber wenn sie nach der Schule nach draußen gehen, dann werden sie wieder behandelt, als ob sie die tödlichste Krankheit überhaupt in sich tragen würden. Das ist einfach nicht richtig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es nach der Vorstellung dieser Bundesregierung geht, dann dürfen die Kinder nach der Schule nach Hause gehen, dürfen ihre Hausaufgaben machen, dürfen Play­station spielen, ihr Mobiltelefon bedienen, vor dem Fernseher sitzen, aber eines dürfen sie nicht: Sie dürfen ihren Vereinssport nicht ausüben. Sie dürfen spazieren gehen, sie dürfen laufen, Rad fahren, was auch immer, aber in ihrer Hauptsportart dürfen sie ihren Sport nicht ausüben.

Herr Vizekanzler, jeder Sportler setzt natürlich auf seine Grundlagen. Er geht zusätzlich zu seiner Hauptsportart laufen, spazieren, Rad fahren, was auch immer, aber der Sport, das Training in seiner Hauptsportart fehlt, und das fehlt inzwischen seit rund einem Jahr! Ich kann das nicht verstehen. Wir haben in so vielen Bereichen die Tests eingeführt. Wir haben die Tests in den Schulen eingeführt, wir haben die Tests beim Friseur eingeführt, wir haben Test bei den Arbeitsstellen eingeführt, und wenn die Gasthäuser öffnen, dann werden wir wahrscheinlich dort Tests einführen. Früher oder später, wenn es so wei­tergeht, werden wir wahrscheinlich bereits zum Einkaufen einen Test brauchen.

Ich frage Sie aber, Herr Vizekanzler: Wie wenig glaubt diese Bundesregierung an ihre eigene Teststrategie? Denn wenn Sie an diese Teststrategie glauben würden, dann kön­nen Sie mir nicht erzählen, dass es für getestete Personen nicht möglich ist, Hallensport auszuüben: für den Schwimmer in die Schwimmhalle zu gehen, für den Fußballer im Winter in die Halle zu gehen. Wenn diese Tests so großartig sind, wie diese Bundesre­gierung behauptet, dann hätten wir, glaube ich, bereits viele Möglichkeiten gefunden, um in der Wintersaison den Sport auch in der Halle weiterhin zu ermöglichen. (Beifall bei der FPÖ.) Wenn diese hochgelobten Maßnahmen so großartig wären, dann wäre das mög­lich gewesen. Wenn Sie wirklich an diese Maßnahmen glauben, dann wird der Sport bewusst vernichtet, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir schaffen gerade im Bereich des Nachwuchssports eine Generation Corona mit ei­nem geschwächten Immunsystem, mit Adipositas – in Österreich sowieso die Volks­krankheit Nummer eins –, und verhindern, dass die Jugend die Liebe zu einer Sportart findet. Das ist für mich einfach erschreckend, und dafür finde ich einfach keine Erklärung. Wir haben es heute bereits in Umrissen gehört: 50 Prozent der Kinder verbringen inzwi­schen mehr als 5 Stunden am Tag – mehr als 5 Stunden! mit dem Mobiltelefon. Ja bitte, es kann nicht der Sinn dieser Maßnahmen sein, dass man Kinder auf einmal mit einem Mobiltelefon, mit einer Playstation, mit einem Fernseher oder sonst etwas be­schäftigt. 16 Prozent der Kinder – 16 Prozent! haben regelmäßige Suizidgedanken, weil sie nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Sie können ihren Sport nicht ausüben, sie sitzen 5 Stunden am Tag und länger vor dem Handy. Man darf sich ja bitte bei all diesen Maßnahmen nicht wundern, dass Sportstätten inzwischen leer sind, aber die Kinderpsy­chiatrien übergehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


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Diese Bundesregierung propagiert den Sport als etwas Böses, als etwas Gefährliches (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na geh!), statt zu sehen, dass das Immunsystem durch den Sport gestärkt wird. Aber es passt ja genau in diese Regierungskommunika­tion hinein, nämlich die Einteilung der Österreicher in den guten Österreicher und den bösen Österreicher: das gute Kind, das nach der Schule nach Hause geht und 5 Stunden in das Handy hineinschaut, und das böse Kind, das inzwischen aufbegehrt, weil es nicht mehr Fußball spielen darf, Basketball spielen darf, Tennis spielen darf, schwimmen darf, oder was auch immer. Das sind dann die bösen Kinder, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es sind aber auch die Bösen, die wieder ins Fitnessstudio gehen wollen, weil sie jahrelang trainiert haben, um vielleicht Meisterschaften zu bestreiten. Die Türen der Fitnessstudios werden zugesperrt, diesen Menschen wird es verunmöglicht, ihr jah­relanges Training auch irgendwann einmal zur Schau zu stellen. Ich glaube, Sie wissen, wie viel Arbeit da dahintersteckt: Ernährung, Bewegung, Sport, Training in einem Fit­nessstudio und, und, und. Diese Leute teilen sich sogar den Schlaf ein, damit sie genü­gend Schlaf haben, um dementsprechend auf einer Bühne stehen zu können und einen Wettkampf zu bestreiten.

Ich glaube, nach diesen Monaten oder diesem rund einen Jahr, in dem wir dieses Trai­ning verunmöglichen, werden die Folgewirkungen dieser psychischen Schäden in die­sem Land noch aufgehen wie der sprichwörtliche Germteig, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Und ja, es gibt viele, viele Beispiele dafür, dass wir den Sport verunmöglicht oder teil­weise völlig sinnbefreite Maßnahmen geschaffen haben, zum Beispiel im Bereich des Skifahrens. Bis 24. Dezember durften unsere Nachwuchssportler gar nicht trainieren, seit 24. Dezember dürfen sie trainieren. Von den Wettkämpfen hat man einige Jahrgän­ge ausgenommen. Zusätzlich trennt man Jahrgänge. Man trennt den Jahrgang 2009/2010 vom Jahrgang 2011/2012. Veranstaltungen für sie finden an einem Wochenende, aber an verschiedenen Tagen statt. Die meisten, die ich kenne – und ich bin selbst in Ski­vereinen –, haben zwei Kinder. Zwei Kinder: Da ist der Altersunterschied eben nicht ein Jahr, sondern meistens zwei oder drei Jahre. Zusätzlich gibt man an die Tourismus­verbände, an die Hotels die Information aus, dass auch der Leistungssportler nicht mehr nächtigen darf, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich weiß nicht, ob das die grüne Handschrift in dem Ganzen ist, dass an einem Wochenende Sportveranstaltungen statt­finden und Tausende Kilometer sinnlos durch Österreich gefahren werden, statt dass man diese Menschen, die am Tag gemeinsam aus der Salatschüssel herausessen, auch in ein und demselben Zimmer nächtigen lässt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ja, es gibt viele, viele Beispiele dafür – Fußball, Handball, Volleyball, was auch immer ‑, dass man das Training verunmöglicht, Wettkämpfe verunmöglicht; und das ist schlicht und ergreifend falsch. Kinderpsychiatrien sind voll, Tennishallen, Sporthallen, Schwimm­bäder hingegen leer.

Herr Vizekanzler, Sie haben gesagt, Sie werden Österreich in fünf Jahren nicht mehr wiedererkennen. Na vielen Dank dafür, Herr Vizekanzler, ich erkenne Österreich schon heute nicht mehr wieder! Ja, Sie haben Ihr Versprechen eingelöst, aber ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich habe genug davon gesehen, und Sie können jetzt damit aufhö­ren. Herr Bundesminister, für die Öffnung - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat, die 10 Minuten sind weit über­schritten. Ich bitte Sie, zum Abschluss zu kommen.


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Ich komme bereits zum Schluss: Ja, Herr Vizekanzler, für die Öffnung der Sportsstätten ist es aus meiner Sicht fünf nach zwölf. Das trifft aber auch auf den Rücktritt dieser Bundesregierung zu. – Vielen Dank. (Anhal­tender Beifall bei der FPÖ.)

9.42



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Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort ge­meldet hat sich der Herr Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Vizekanzler.


9.42.58

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Danke an alle: Ich habe bei allen vier VorrednerInnen schon herausgehört, dass ein auf­richtiges und ehrliches Engagement für den Sport da ist, auch weil, glaube ich, durchge­hend seine Bedeutung für die Gesundheit insgesamt erkannt wird.

Es wurde auch die ökonomische Bedeutung angesprochen, die in Österreich gerne un­terschätzt wird, die ist nämlich enorm; ebenso die gesundheitsökonomische Bedeu­tung – wie es die ökonomischen Technokraten bezeichnen würden –, aber da geht es dann wirklich um das Leben. Was meine ich? – Wenn wir die Statistiken anschauen, wie das in letzter Zeit ja öfter der Fall ist, sehen wir, dass es halt nicht nur entscheidend ist, wie hoch die durchschnittliche Lebenserwartung in einem Land, in einer Region ist. Es ist viel entscheidender, wie viele gesunde Lebensjahre ein Mensch zu erwarten hat, wenn er geboren wird oder wenn er 50 Jahre alt ist. Das kann man alles statistisch vo­rausberechnen, und da haben wir in Österreich – und so interpretiere ich auch die Aus­führungen hier, dem würde ich zustimmen – Aufholbedarf, und zwar enormen Aufholbe­darf.

Deshalb ist der Sport tatsächlich sehr, sehr wichtig, aber gar nicht einmal nur der Sport in Vereinen – zu dem kommen wir ja jetzt extra –, sondern die Bewegung an sich. Ich möchte es da mit Felix Gottwald halten, der ja sagt, es geht eigentlich um die Bewegung. Man muss gar nicht ein Land des Sports, des Spitzensports sein – das wollen wir alles sein, dazu reden wir ja auch –, sondern es geht überhaupt um die Philosophie der Bewe­gung. Das ist wichtig. Er würde sich also, denke ich, wenn man es übersetzt, als Bot­schafter der Bewegung verstehen und nicht einmal als Missionar des Sports. Ich er­wähne das deshalb, weil ich mehrmals ausführlich mit ihm reden durfte, weil er ja von uns, vom Ministerium, in Kommissionen der Sportförderung entsandt wurde. Seiner Phi­losophie kann ich mich nur anschließen, und deshalb ist Bewegung – damit wieder Sport als eine spezielle Form davon –, was Kinder und Jugendliche betrifft und was die Or­ganisation über die Vereine betrifft, besonders wichtig.

Bleiben wir bei den Kindern und Jugendlichen! Natürlich ist es bei ihnen anders: Gerade die Kleineren und die Jüngeren brauchen Anleitung. Sie wollen auch in der Gruppe mehr tun als alleine. Jeder, der kleine Kinder hat oder irgendwann einmal gehabt hat, weiß, dass sozusagen alleine in der Gegend herumzutraben keine ausreichende Motivation ist. Das ist alles richtig, was vorhin gesagt wurde. Deshalb bekommen die Vereine da Bedeutung und kommen in die positive Ziehung, und jetzt könnten natürlich auch wir – und wir setzen uns, denke ich, ja auch in Verantwortung – in die Ziehung kommen. Ich will da überhaupt nicht widersprechen, denn es ist ein wichtiger Lebensbereich, der ja oft genug unterschätzt wird.

Nur bin ich mir nicht sicher, ob das eine Frage von Gut und Böse ist. Ist es nicht auch eine Frage von Vernunft und Unvernunft? Ist es eine Frage von Verantwortung oder Verantwortungslosigkeit, wenn es darum geht, wenn wir schon bei der Gesundheit sind, das Infektionsgeschehen möglichst – wir fahren in Österreich eh keine Zero-Covid-Li­nie – gering zu halten? (Bundesrat Steiner: Übernehmen Sie die Verantwortung für die Kinderpsychologie!) Das ist auch in der Abwägung.

Wissen Sie, wir hatten das hier schon einmal. Ich bin eh froh, dass wir das parteiüber­greifend diskutieren, aber es gibt natürlich auch in den Bundesländern – weil wir da ge­rade im föderalen Gremium sind – und in den Bundesparteien, unter Parteivorsitzenden,


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FraktionsführerInnen et cetera, völlig unterschiedliche Meinungen. Manchen ist das, was wir tun, auch im Sport, viel zu viel, und ich verstehe auch diese Position, denn man muss bedenken, dass bei der Sportausübung in der Regel keine FFP2-Maske getragen wird. Das wäre ja in gewisser Weise unsinnig, und deshalb ist es anders. Dass es bei be­stimmten Mannschaftssportarten – eigentlich bei so gut wie allen – zu einer Nähe, zu weniger als 2 Meter Abstand kommt, ist ja nicht so schwierig zu begreifen! (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ich sage ja nicht, dass die Lockerung deshalb nicht passieren soll, sondern die Frage muss doch sein: in welchen Schritten, mit welcher Methode, mit welcher Sicherheitsvorkehrung? (Zwischenrufe der Bundesräte Steiner und Spanring.) Das ist Verantwortung, und die übernehmen wir! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Also: Gut oder Böse – ich sage Verantwortung oder Verantwortungslosigkeit. (Bundesrat Steiner: Übernehmen Sie die Verantwortung!) – Ja, die übernehmen wir eh. Im Übrigen ist es ja eine Abwägungsfrage, das sagte ich ja, und deshalb versuchen wir ja eine Öffnung, obwohl das Infektionsgeschehen gar nicht so niedrig, sondern durchaus im Steigen begriffen ist, Gott sei Dank nicht gleich explosiv oder exponentiell. Ich weiß nicht, was der urdeutsche Ausdruck dafür ist, aber es wird jemand eine Übersetzung finden. Eine solche exponentielle Steigung darf nicht eintreten, denn sonst müssen wir insge­samt wieder zurückfahren.

Mit dieser Ansicht bin ich ja nicht allein. Ich darf auf die viel gelobte und gewürdigte Expertin Pamela Rendi-Wagner verweisen – und ich schätze sie sehr –, die überall grö­ßere Vorsichtsmaßnahmen einmahnt, als sie hier durchgehend verlangt werden. Dage­gen habe ich auch gar nichts, denn am Schluss ist Politik: entscheiden, abwägen und verantworten; analysieren, abwägen, entscheiden.

Was wird geschehen? – Es wird ja ab Montag gerade für die Kinder und Jugendlichen diese Öffnungsschritte im Freien geben; natürlich vorläufig und in der ersten Runde mit Distanz, aber man kann einmal gemeinsam trainieren, unter Anleitung – ich sagte be­reits, warum das so wichtig ist – und organsiert über die Vereine, dann kommen die sofort in eine Aufgabenstellung.

Wir werden vielleicht in der zweiten Runde Gelegenheit haben, was Come back stronger betrifft, auch noch über die speziellen Fördermaßnahmen zusätzlich zum Non-Profit-Fonds und zum Sportligen-Fonds zu sprechen. Das ist einmalig, das finden Sie in ganz Europa nicht.

Ich komme immer gerne ins Parlament, und für mich ist der Bundesrat ein wichtiger Teil des Parlaments, weil Diskussion auch immer wichtig ist; ich versuche es ja gerade fraktionsübergreifend. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kolland.) Wenn ich das nächste Mal da bin, dann kommt hoffentlich einmal ein Bundesrat oder eine Bun­desrätin und erklärt mir, in welchem europäischen Land oder in welchem Land der Welt mehr Sportförderung anlässlich der Covid-Krise ausgeschüttet wird, und die Zielrichtung gleich noch mit dazu. Ich nehme das dann sehr gerne als Vorbild. Man kann immer bes­ser werden; aber so schlecht ist das, was da geschieht, nicht.

Deshalb ist ja auch der Vergleich – obwohl ich den Beitrag sehr geschätzt habe – mit den 9 Millionen Euro für den Sportscheck völlig verfehlt, tut mir leid. Darüber werden wir noch reden. Der ist eine super Sache, das kommt da jetzt dazu. (Bundesrat Steiner: Das ersetzt nicht die Bewegung!) Gestern ist ein Wirtschaftsförderungspaket vorgestellt worden. Tatsächlich war es aber so – Stichwort: Was treiben denn die Grünen in der Regierung? –, dass halt für Kunst und Sport auch etwas rausgeschaut hat. Das ist aber zusätzlich.

Vielleicht stellen wir einmal die Grundordnung der Mathematik wieder her! Wenn wir schon so viel über Kinder reden: Die könnten Sie dabei unterstützen, da reicht nämlich die Volksschulmathematik. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Das ist einfach zusätz­lich. Wir haben die Sportligen-Fonds, wir haben die Non-Profit-Fonds. (Zwischenruf der


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Bundesrätin Steiner-Wieser.) Da gehen in der Förderung die Millionen durch die Decke, und das ist auch gut so! Das nehmen wir ja gerne in die Hand! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Also nur zur Einordnung: Jetzt haben wir leider bald – ich sage ja selber, leider – den Jahrestag des Lockdowns. Am 16. März, glaube ich mich zu erinnern, begann der erste in Österreich; aber tun wir nicht so, als ob nicht zwischendurch auch noch etwas anderes passiert wäre.

Auch bei den Öffnungen damals war es doch so, dass Österreich bei den ersten Ländern war und wir für den Spitzensport am umfassendsten immer mehr möglich gemacht haben. Wir hatten eigentlich schon mitten im Lockdown mit den sogenannten Geister­spielen begonnen; erstens, weil die Spieler davon leben; zweitens, weil Österreich beim Öffnen Vorbild sein wollte. Das ist uns auch gelungen: besser ein Geisterspiel als gar kein Spiel. Die Öffnung ist sukzessive, in Zweiwochenschritten, gelungen, und auch jetzt werden wir es wieder so versuchen.

Wir waren ab Juni eigentlich schon wieder ganz gut dabei, und das ist bis Oktober so gegangen. Also ich weiß nicht, warum man das jetzt unbedingt ausblenden sollte. Nur, was nachher gekommen ist, wissen wir auch; und ich kann mich gut daran erinnern, dass viele im Parlament dann gesagt haben: alles viel zu viel, alles viel zu spät wieder zugesperrt. Das alles kennen wir ja. Deshalb wird es immer eine Abwägung und ein Verfolgen von mehreren Zielen unter einem bleiben.

Danke an alle, die die nächsten Schritte mit ermöglicht haben! Ich möchte bei Sport Austria und bei Präsidenten Niessl beginnen, der heute schon erwähnt wurde, zu Recht positiv. Das ist wirklich eine super Zusammenarbeit, nicht nur mit den Dachverbänden, die dort ja besonders repräsentiert sind, sondern auch mit den Fachverbänden. Und mit diesen allen wird auch dieses Konzept Come back stronger, das unserer heutigen Ak­tuellen Stunde den Titel geliehen hat, umgesetzt, und da sind sogar schon viele Schritte in Umsetzung.

Ich darf Ihnen dazu sagen, dass für Kinder gesund bewegen, also alles aus diesem Zusatzprogramm, jetzt schon wieder mittlerweile 8 Millionen Euro zur Verfügung stehen. So viel war es mit Abstand noch nie. Ja, wir brauchen noch mehr. Wir werden den Betrag auch jährlich steigern und versuchen, die Budgets zu erhöhen. Ich bin da auch sehr zuversichtlich, genauso wie bei den anderen Fördermaßnahmen, auch für den Sport. Viele, die nur bis Jahreswechsel oder bis 31.3. gedacht wurden – und es gibt ziemlich viele, ich zähle sie gar nicht alle auf –, wurden bis 30.6. verlängert, fast alle, und den Rest werden wir auch noch schaffen; zu Recht: damit speziell den Vereinen geholfen wird, in diese Comeback-Situation zu kommen.

Für Bewegt im Park gilt das Gleiche, auch dieses Konzept ist bekannt. Da wird auch sozusagen ganz niederschwellig Behindertensport vorangetrieben. Wir haben da jetzt sehr, sehr viel mehr Mittel hineingebracht. Das haben wir voriges Jahr begonnen. Das wird alles nicht nur aufgegriffen und fortgesetzt, sondern verstärkt.

Ich will in dieser Runde abschließend – weil das rote Licht schon leuchtet, das muss ja auch für mich gelten – eines herausgreifen: den Sportscheck. Dazu dienen diese 9 Mil­lionen Euro, zusätzlich wohlgemerkt. Was ist das?

Wir wissen, dass es die Vereine schwer haben, da stimme ich allen zu, auch was die Depression betrifft, die damit verbunden war. Jetzt geht es darum, dass sie ökonomisch bessergestellt werden, aber nicht nur das, sondern dass wir auch eine Rückholaktion von bis zu 100 000 – 100 000! – Mitgliedern starten können. Die Mitglieder haben halt nicht alle gleich viel Geld und sind zum Teil aus den Sportvereinen ausgestiegen, weil ja das Angebot nicht mehr ganzjährig da war. Das kann man ihnen auch nicht verdenken.


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Diese Rückholaktion kostet die Vereine nichts. Die, die es betrifft, nämlich die, die zu­rückkommen und im Verein Sport betreiben wollen – alles kann man ja nicht ohne Verein machen, auch das ist richtig –, bekommen quasi eine Gratisjahresmitgliedschaft – das bekommen die Vereine ersetzt, das ist bei manchen Vereinen gar nicht so wenig – für die aktiven Angebote dort, die ja dann wieder Schritt für Schritt losgehen sollen; also eine Rückholaktion für Mitglieder, und deshalb passt der Titel Comeback stronger ja so gut.

Gerade im Sport ist ja bekannt, dass man mit einer Verletzung aus der Kurve fliegt und sehr oft – wenn auch natürlich nicht immer – und interessanterweise durch Neustart, durch Umorganisation, durch eine andere Perspektive, durch Innovation sogar stärker zurückkommt, als man vorher war. Davon kommt ja diese Chiffre Come back stronger. Und jetzt haben wir auch einen Titel für die FPÖ: stärker zurückkommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.55


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen.

Ich mache darauf aufmerksam, dass ich nach Beratung in der Präsidialkonferenz die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde auf 5 Minuten be­schränken werde.

Zu Wort gemeldet ist Herr Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundes­rat.


9.55.42

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte doch kurz auf meine Vorredner eingehen, denn man kann, glaube ich, manches nicht ganz so stehen lassen. Zum einen finde ich diesen Vergleich mit einem Fußballspiel – Kampf wir gegen Virus, und das Ganze 3 : 0 zu nennen – einfach unpassend, es tut mir leid.

Ich finde, wenn man gegen einen Virus kämpft (Zwischenruf des Bundesrates Span­ring), dann ist es nicht wie bei einem Fußballspiel, bei dem zwei gleich starke Mann­schaften aufeinandertreffen würden. Ich würde wirklich darum bitten, von diesem Bild wieder Abstand zu nehmen, denn das ist nicht das Spiel, das wir jetzt spielen. (Zwi­schenruf des Bundesrates Steiner.) Das Spiel, das wir jetzt spielen, ist, dass wir gegen ein Virus kämpfen müssen. Das tun wir auch gemeinsam, hoffe ich. Der Herr Vizekanzler hat ja auch gesagt, welche Initiativen bei diesem Sportgipfel dabei waren. Es ist auch gut, dass wir daran gemeinsam arbeiten; aber das Ganze sozusagen als ein Fußballspiel darzustellen, finde ich einfach nicht gut, es tut mir leid.

An die FPÖ: Also ein normales Leben wollen wir alle, Herr Kollege Leinfellner. (Bundes­rat Steiner: Das kommt mir nicht so vor!) Der Weg dorthin ist wirklich ein ganz schwie­riger. Da gibt es halt manche, der Herr Vizekanzler hat es gesagt, die Verantwortung übernehmen; und es gibt eine Verantwortungslosigkeit. Eine Verantwortungslosigkeit ist es, mit Menschen, die das Coronavirus überhaupt leugnen, auf die Straße zu gehen. (Die BundesrätInnen Steiner und Steiner-Wieser: Also doch Gut und Böse!) Es ist ver­antwortungslos, mit Menschen auf die Straße zu gehen, die die Coronamaßnahmen mit dem Holocaust vergleichen. (Bundesrat Steiner: Also doch Gut und Böse!) Es tut mir leid. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Es ist verantwortungslos, Testen als Testwahnsinn zu bezeichnen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ist ja ein Wahnsinn!)

Entschuldigung, jetzt erzähle ich euch einmal etwas: Ich komme – hören Sie mir zu! – aus einer Community, die auch mit einem Virus leben muss. Das ist zwar nicht auf die­selbe Weise, über Aerosole, übertragbar und nicht so gefährlich wie das Coronavirus,


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aber als ich in den Achtzigerjahren in die LGBT-Community gekommen bin, sind reihen­weise Freunde von mir gestorben. (Bundesrat Steiner: Was hat das jetzt damit zu tun? – Bundesrätin Steiner-Wieser: An was sind die gestorben?)

Wir haben eine hervorragende Medizin, wir haben eine hervorragende Wissenschaft, die Medizin finden konnte, die Therapien - - – Ja, Sie lachen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein! Ich ...!), Sie lachen, aber dabei geht es um Menschenleben. Wir haben eine hervor­ragende Medizin, eine hervorragende Wissenschaft, die Medizin entwickelt hat – leider in diesem Fall keine Impfung; wir haben ja das Glück, dass wir gegen Corona jetzt eine Impfung haben –, die sogar eine Prophylaxe entwickeln konnte, so gescheit ist die Wis­senschaft. Das haben wir nicht den Verschwörungstheoretikern oder den Virenleugnern zu verdanken. Die großen Probleme, die wir in der Community hatten, gingen von den­jenigen aus, die nicht testen gegangen sind! (Zwischenruf des Bundesrates Ofner.) Das war immer unser Problem: diejenigen, die den Kopf in den Sand stecken, so tun, als gäbe es dieses Virus nicht, und es verleugnen. Diejenigen sind es auch, die dieses Virus nach wie vor, bis heute, verbreiten.

Deswegen finde ich es absolut verantwortungslos, hier so zu tun, als wäre ein Test ein Wahnsinn – Testwahn, allein dieses Wort! (Bundesrat Ofner: Na so wie ihr es macht, ist es ein Wahnsinn!) Es tut mir leid, das geht so nicht. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Also Fußball spielen ...!) Das geht so nicht!

Was ich allerdings schon sagen möchte – weil ihr ja auch so gerne Patrioten seid –: Ich glaube an die Kraft des Sports in Österreich, übrigens auch an die der Wirtschaft und der Kultur. Es gibt hervorragende Menschen in diesem Land, die Verantwortung über­nehmen, die wissen, dass wir jetzt zusammenhalten müssen, dass wir, um dieses Virus zu bekämpfen, physisch auf Distanz gehen müssen und nicht alles tun können, was wir gerne tun würden. Die meisten wissen es, und manche halt leider nicht.

Es gibt super Initiativen, die auch zu diesem Come back stronger gehören, zum Beispiel, dass sich Menschen in Parks treffen, und zwar in ganz Österreich, von Vorarlberg bis ins Burgenland und von Niederösterreich bis Kärnten, und dort gemeinsam Sport ma­chen. (Bundesrat Steiner: Und am Fußballplatz ist es verboten! Wo ist der Sinn?) Es gibt hervorragende Initiativen, die unsere Kinder zum Bewegen animieren, auch in der Pandemie, weil man sich draußen bewegen darf.

Es ist ja nicht so, dass es ein Sportverbot gäbe. Man darf sich zu Hause - - (Bundesrat Steiner: Und am Fußballplatz ist es verboten! Überleg einmal! So ein Schwachsinn!) – Ja, aber man darf draußen laufen gehen, man darf wandern gehen, man darf Rad fahren. Man darf sehr viele Sportarten machen, es gibt die Möglichkeit. Entschuldigung, ich gehe auch gern ins Fitnessstudio! Wissen Sie, wie sehr ich mein Fitnessstudio vermisse? – Sehr. Ich weiß aber, dass es Möglichkeiten gibt, auch zu Hause zu trainieren. Es gibt Thera-Bänder, es gibt Bänder, es gibt Matten, es gibt Gymnastikbälle, es gibt auch super Apps, und es gibt sogar Zoom-Gruppen – mein Fitnessstudio bietet das auch an, und das ist super –, bei denen gemeinsam Sport gemacht wird.

Ich glaube an die Kreativität der Menschen in Österreich. Ich glaube an unser Come­back. Ich glaube an Menschen, die bereit sind, die Maßnahmen zu verstehen und zu­rückzukommen, und zwar stärker, als ihr alle glaubt. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.01


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Bernhard Hirczy. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.01.19

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 27

Stunde mit dem Thema Sport ist richtig und wichtig. Wenn ich bei mir zu Hause in die Gegend blicke, so bemerke ich Hochbetrieb auf den Lauf- und Wanderstrecken entlang der Raab, entlang der kleinen Hügel im Südburgenland. Ich denke, auch diese Stimmung müssten wir mitnehmen. Viele zittern gerade vor den Fernsehgeräten mit, egal ob es ein Fußballspiel ist, ob es alpine Meisterschaften, Weltmeisterschaften sind: Wir freuen uns mit den österreichischen Sportlern über deren Höchstleistungen, und wir freuen uns na­türlich über die Medaillen.

Diese Freude, diese Motivation müssen wir mitnehmen und mit der Kampagne Come back stronger Mut machen. Wir wollen das Spannungsfeld zwischen Gesundheitsprä­vention und dem Wunsch vieler Sportlerinnen und Sportler nach Betätigung lösen und dementsprechend mehr Bewegung ermöglichen. Ja, Sportlerinnen und Sportler wollen ihre Leidenschaft für den Sport ausleben können, und es braucht daher nach den schwierigen Monaten einen vernünftigen gemeinsamen Weg, um diese Ziele zu definie­ren und zu ermöglichen. Es wurde ein vernünftiger Weg zwischen der Politik und den Verbänden – Dachverbänden, Fachverbänden: auch diesen gebührt großer Dank – be­schritten: so viele Einschränkungen wie notwendig und so viel Bewegung wie möglich.

Ich war anno dazumal – für die länger treuen Fußballfans – selber viele Jahre im Fußball aktiv, als Libero beginnend und dann im Mittelfeld, am Schluss im Sturm, weil man mir gesagt hatte, dort ist das gegnerische Tor näher, und ich habe es aufgrund meiner Statur zur Kenntnis genommen; es war dann doch der Zug zum Tor, der Mannschaftsgeist. Ich habe das auch in meine aktive Zeit als Fußballtrainer mitgenommen. Ich darf festhalten: Wenn es bei den jungen Spielern leider da und dort einmal Verletzungen gab, wenn die Jugendlichen sich gegenseitig motivierten und in die Whatsapp-Gruppe schrieben: Come back stronger! – vor einigen Jahren bereits –, dann gab es da gegenseitiges Auf­bauen, Teamgeist. Ich denke, das will man mit dieser Kampagne vermitteln. Wir wollen alle gemeinsam zurück, wir wollen den Sport wieder ausleben, und wir wollen Sport durchführen.

In meiner derzeitigen Funktion als Obmann des USV Jennersdorf, eines kleinen Vereins im Südburgenland mit mehreren Hundert Mitgliedern, setzen wir den Schwerpunkt vor allem auf Jugend- und Kinderarbeit. Wir betreuen aber auch Gesundheitsgymnastik für alle Generationen. Wir haben auch einen Skiklub – ja, im Südburgenland! –, und da rede ich mit sehr vielen Funktionären, mit sehr vielen Mitgliedern. Ja, wir warten darauf, dass es Lockerungen und positive Zeichen gibt. Diese Zeichen vernehmen wir einerseits von unserem Vizekanzler, andererseits sind aber auch die Zeichen aus Vorarlberg sehr posi­tiv und machen uns stolz, dass es in die richtige Richtung geht.

Ich möchte mich daher ausdrücklich bei allen Sportlerinnen und Sportlern bedanken, die sich mit Disziplin an die derzeit geltenden Maßnahmen halten und gleichzeitig auch Ver­ständnis dafür aufbringen, dass diese Schritte wegen der Gesundheitskrise notwendig waren. Auch in Zukunft muss klar sein, dass der Schutz der Sportlerinnen und Sportler an allererster Stelle steht und dann der Sport Vorrang genießen muss.

Viele Vereine, Verbände haben bereits Hilfen erhalten. Diese kommen rasch und unbü­rokratisch. Ich möchte mich daher dafür bedanken, dass 115 Millionen Euro vom NPO-Fonds aus dem Jahr 2020 ins Jahr 2021 übernommen wurden – somit wurden jetzt auch die gesetzlichen Änderungen geschaffen – und 365 Millionen Euro für den NPO-Fonds zur Verfügung stehen. Es gibt viele Bemühungen auf Landes-, Bundes-, aber auch auf Gemeindeebene. Ja, wir werden die Krise im Sport natürlich noch länger merken, aber wir setzen eben unter dem Titel Come back stronger viele Maßnahmen, um dem Sport jetzt und auch nachhaltig zur Seite zu stehen. Der Sport kann sich auf die Politik verlas­sen.

Die sechs Punkte des Maßnahmenpakets: Verlängerung des NPO-Fonds, Verlängerung des Sportligenfonds – wurden bereits genannt –, Verlängerung der Möglichkeit, die pauschale


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Aufwandsentschädigung auszubezahlen, und – die Punkte, die mir sehr wichtig sind – Kin­der gesund bewegen, Bewegt im Park und auch Jackpot.fit.

Ich darf festhalten: In Österreich engagieren sich über 580 000 Menschen ehrenamtlich im Sport. Daran sieht man dessen Bedeutung – diese möchte ich noch einmal unterstrei­chen.

Es war in den vergangenen Wochen und Monaten nicht immer einfach, und auch die nächsten Wochen und Monate werden herausfordernd sein. Die klare Botschaft, um ge­meinsam die richtigen Maßnahmen für den Sport zu setzen, lautet: Wir müssen dem Sport eine Perspektive geben! Wir geben dem Sport eine Perspektive!

Die abschließende Bitte an alle: Lassen Sie sich testen! Nehmen Sie sich Zeit! Nehmen Sie an den kostenlosen Tests teil! Leisten Sie einen Beitrag dazu, dass die Infektions­zahlen sinken, denn je mehr Menschen daran teilnehmen, desto früher können wir Lo­ckerungen im Sport durchführen und entsprechende Möglichkeiten aufzeigen!

Daher richte ich meinen Dank an den Vizekanzler und an alle, die sich am Sport betei­ligen, denn es muss unser gemeinsames Ziel sein, dem Sport die richtige Perspektive zu geben, und zwar unter dem Titel Come back stronger. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

10.06


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Daniela Gruber-Pruner. – Bitte, Frau Kollegin.


10.06.57

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Herr Minister, es geht im jetzigen Stadium der Pandemie neben der Virusbekämpfung selbstverständlich auch um nichts weniger als um die psychische Gesundheit unserer Bevölkerung im umfassendsten Sinne. Welche Bedeutung die Be­wegung und der Sport in diesem Zusammenhang haben, ist schon ausreichend be­schrieben worden. Natürlich, ich gebe Ihnen recht, es ist eine Frage der Abwägung. Nimmt man in Kauf, dass die einzelnen Erkrankungen, die mitunter einen tödlichen Ver­lauf nehmen, zunehmen? Nimmt man andererseits massenhaft körperliche und psychi­sche Folgen bei einer großen Anzahl von Menschen in Kauf? – Diese Abwägung ist na­türlich keine einfache, da sind wir uns einig.

Trotzdem: Es mehren sich täglich die Studien und auch die Hilferufe, die die Belastung der Menschen, vor allem auch der jungen Menschen, betreffen. Für mich sind die Zahlen der sehr niedrigschwelligen Hotline Rat auf Draht immer ein Gradmesser, und welcher Anstieg bei den Beratungen im Bereich der Überforderung, der Angst, der Schlafstö­rungen zutage tritt, ist schon beängstigend.

Man muss aber auch sagen: Diese aktuelle Situation, die in diesem Bereich wirklich beängstigend ist, ist zu einem Teil auch selbstverschuldet, denn diese Situation hat sich seit Monaten abgezeichnet. Ich erinnere mich daran, dass schon im September Kinder- und Jugendpsychiater davor gewarnt haben, dass diese Situation eintreten wird, und es ist nicht ausreichend gegengesteuert worden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muss auch sagen, dass diese Möglichkeit der Testungen nicht früh genug erkannt wurde. Unsere Vorsitzende hat bereits im Sommer darauf hingewiesen, dass mit ausrei­chenden Testungen und einer guten Teststrategie Sicherheit und eine nachhaltige Öff­nung möglich wären. Unsere Regierung hat erst um den Jahreswechsel begonnen, sich damit auseinanderzusetzen. Das ist ein Stück weit auch fahrlässig, und darum sind wir in dieser Situation, in der wir jetzt sind. (Beifall bei der SPÖ.)


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Es ist aber gut und notwendig, dass wir nun über vorsichtige Öffnungen im Bereich Sport und Bewegung nachdenken – da sind wir uns natürlich einig. (Bundesrätin Steiner-Wie­ser: Nachdenken ist zu wenig!) Dass die Sportverbände jetzt in die Vorlage gehen, also Bedingungen dafür, wie so etwas sicher vonstattengehen kann, vorlegen, ist gut und wichtig.

Ich gehe jetzt noch einen Schritt weiter, Herr Minister, und wende mich an Sie als Sport­minister. Ich sage, nicht nur die SportlerInnen brauchen jetzt ein Angebot, sondern auch alle anderen Kinder und Jugendlichen, die vielleicht nicht im Sport organisiert sind. Wenn es für Sportvereine im Freien mit Testungen, mit Sicherheitsabstand, mit all den mögli­chen Vorgaben jetzt möglich ist, dann muss das auch für die Kinder- und Jugendarbeit insgesamt gehen. Es gibt eben auch Kinder, die nicht im Sport organisiert sind, aber auch sie brauchen die Perspektive, auch sie brauchen Sozialkontakte, auch sie brau­chen diese Möglichkeit, sich mit anderen gemeinsam zu bewegen, und es wird auch dort bewegt. Das muss jetzt möglich sein.

Ich schließe mich der Bundesjugendvertretung als Interessenvertretung aller Kinder und Jugendlichen in Österreich an. Wir müssen das in diesem Fall bei Ihnen als Sportminister deponieren, denn die neue Kinder- und Jugendministerin ist uns abhandengekommen, von ihr hört man in diesem Bereich überhaupt gar nichts. Wir hoffen, dass die außer­schulische Kinder- und Jugendarbeit mit dem verbandlichen Sport gleichziehen darf, denn es geht sozusagen um dasselbe Anliegen: dass Kinder und Jugendliche eine Pers­pektive bekommen.

Super wäre noch, wenn auch Tests für alle gratis zur Verfügung gestellt werden könnten. Mit ein bisschen weniger im Werbebudget der Regierung könnte man für alle Gratistests zur Verfügung stellen. Das wäre ein tolles Angebot.

Noch ein Blick in Richtung Sommer, Herr Minister: Wir freuen uns alle darauf, dass der Sommer bald kommt. Es geht darum, Sportcamps, Feriencamps und solche Dinge an­zubieten, denn es ist für junge Menschen jetzt so dringend notwendig, diese Perspektive zu haben. Für die Vereine ist wichtig, Planungssicherheit für den Sommer zu bekommen, und auch für die Eltern, für die Familien ist wichtig, Planungssicherheit zu bekommen, denn – seien wir ehrlich – die Urlaube sind aufgebraucht. Bei neun Wochen Sommerfe­rien müssen wir jetzt in Richtung Planungssicherheit für Vereine gehen: Können Som­mercamps stattfinden? Unter welchen Rahmenbedingungen können Sommercamps stattfinden? Dazu kann wieder gemeinsam ein Paket geschnürt werden. Alle sind sich der Verantwortung bewusst, aber diese Planung jetzt anzugehen wäre ein dringender nächster Schritt.

Wir sind froh um all diese Perspektiven, die die Menschen jetzt bekommen. Perspektiven sind jetzt die beste Medizin, und die Menschen in Österreich haben sich das sehr, sehr verdient. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

10.12


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Marlies Stei­ner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.12.58

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Vizekanz­ler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unser Sportsprecher, Bundesrat Thomas Scherer­bauer, kann aufgrund einer Verletzung heute leider nicht an dieser Bundesratssitzung teilnehmen, er hat mir aber gestern in einem Telefonat versichert, er als Spitzensportler hätte Ihnen, Herr Sportminister, einiges zu erzählen gehabt. So dürfen Sie jetzt quasi in der Aufwärmrunde mit mir Vorlieb nehmen, denn auch ich habe Ihnen einiges zu erzäh­len. (Beifall bei der FPÖ. – Vizekanzler Kogler: Ihr klatscht ja schon vorher! – Bundesrat Steiner: Wir sind ein Team!)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 30

Es ist schwer zu glauben, was Sie vorhin erzählt haben, hat doch Ende Februar ein Sportgipfel stattgefunden, dessen Ergebnissen zweieinhalb Millionen Vereinssportler entgegengefiebert haben. Was geschah? – Sie wurden wieder bitter enttäuscht, sie wur­den wieder vertröstet, und statt Ergebnissen hat es wieder keine Klarheit für die Vereine gegeben. Darum ist es schwer zu glauben, dass etwas von Ihren Vorhaben dann auch tatsächlich Realität wird.

Die österreichischen Sportvereine brauchen aber endlich Klarheit, um langfristige Pla­nungssicherheit zu haben. Gerade für Kinder und Jugendliche ist Sport wichtig für ihre Gesundheit, für ihre Psyche, für das allgemeine Wohlbefinden. Wir alle wissen, dass Sport gerade für junge Menschen so immens wichtig ist, weil er eben Prävention gegen Suchtmittel ist, weil er der Stärkung der Persönlichkeit dient, weil man im Sport einfach Durchhaltevermögen lernt und weil man beim, durch und mit dem Sport lernt, dass man nicht sofort aufgibt und die Flinte ins Korn wirft. Jeder, der in seinem Leben schon einmal Sport gemacht hat, weiß: Wenn man seinen inneren Schweinehund überwunden hat, geht es erst so richtig schön weiter, man ist stolz auf sich selbst, und das stärkt einfach die Persönlichkeit. Und das wird jungen Menschen momentan genommen.

Wir haben zuvor vom Testen gesprochen. Kollege Leinfellner hat ja versucht, es Ihnen zu erklären – ich versuche es noch einmal, obwohl es, glaube ich, eh sinnlos ist. Wir Freiheitliche sind keine Coronaleugner, wir sind keine Virusleugner und wir sind keine Testverweigerer, aber wir sehen nicht ein, warum man symptomlos testen gehen soll oder warum nicht vielleicht diese Wohnzimmertests alleine genügen. Allein dieser Ver­waltungsaufwand ist ja immens. Glauben Sie mir, jeder Sportler, jeder intensive Sportler spürt, wenn sein Puls um zwei Schläge höher schlägt, und geht dann zum Arzt.

Der Sport leidet aber ja leider Gottes seit Beginn der Pandemie an Geringschätzung und wird etwas stiefmütterlich behandelt. Gerade von Ihnen als Sportminister erwarte ich mir halt einfach vollen Einsatz.

Weil Sie vorhin so zynisch über Verantwortung und Nichtverantwortung und Gute und Böse gesprochen haben: Übernehmen Sie die Verantwortung für die überfüllten Kinder- und Jugendpsychiatrien, Herr Vizekanzler? (Beifall bei der FPÖ.) Übernehmen Sie die Verantwortung dafür, dass es dort Triagen gibt, dass es an Kinder- und Jugendpsy­chiatrien Triagen gibt? Nicht wegen Corona, nein – 16 Prozent sind dort suizidgefährdet. Übernehmen Sie die Verantwortung dafür, dass Sie den Zugang zu Sport nicht öffnen? (Bundesrat Steiner: Da will er nichts hören!)

Den Kindern fehlen die Freunde, den Kindern fehlt die Bewegung, sie wollen sich be­wegen. Teamgeist wird mit dem Sport gestärkt. Wir alle wissen, wie schwer es ist, Kon­dition aufzubauen, Muskeln aufzubauen. Wir alle wissen auch, wie schnell es geht, dass man Muskeln abbaut und dass man die Kondition abbaut. Die Allgemeinmediziner, die Fachmediziner schreien schon wegen Rückenproblemen auf, wegen Muskelschwund, wegen Übergewicht und so weiter und so fort.

Die Kinder werden dazu verdonnert, stundenlang mit Masken – sinnlos, ungesund – in der Schule zu sitzen, aber bewegen dürfen sie sich nicht. Nein, sie werden vielleicht noch dazu verdonnert, daheim vor dem Fernseher oder Computer zu sitzen. Dann essen sie vielleicht noch ein Packerl Chips oder sonstiges Fastfood dazu.

Wie sollen Ihre Öffnungsschritte nächste Woche für Sport nur im Freien denn funktio­nieren? – Es gibt Sportarten, die nur indoor durchgeführt werden können. Vorgestern hat es in Salzburg geschneit. Wie ist das, wenn die Kinder dann mit dem nassen Trainings­gewand draußen sind? Ist es wurscht, wenn sie sich dann verkühlen? Dann haben sie eine Lungenentzündung, und wahrscheinlich haben sie dann eh schon Corona und keine Lungenentzündung. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Aber es gibt ja keine Grip­pe mehr!)


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Der anhaltende Lockdown ist aber auch für erwachsene Sportler eine Zumutung. Ge­schlossene Fitnessstudios, brachliegendes Vereinsleben und die gesperrten Sportan­lagen sorgen eben auch bei Erwachsenen für Bewegungsmangel. Ich habe es schon gesagt: Die Mediziner schreien schon ganz laut auf.

Ich erwarte mir von Ihnen, Herr Vizekanzler, Herr Sportminister, dass Sie das abstellen, dass Sie mit sofortiger Wirkung die Sportanlagen aufmachen.

Folgendes verstehe ich nicht: Schön war es, dass alle Fraktionen hier eine Brandrede für den Sport gehalten haben. Kollege Egger hat gesagt, ihm blute das Herz, und hat hier eine Brandrede für den Sport gehalten. Ich hoffe, dass ihr beim nächsten freiheitli­chen Antrag im Salzburger Landtag dann endlich zustimmen werdet. Beim letzten habt ihr dagegen gestimmt, so wie auch die Grünen. Ihre Parteikollegen, Herr Vizekanzler und Sportminister, haben im Salzburger Landtag gegen einen freiheitlichen - -


Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin, die Redezeit von 5 Minuten ist überschritten. Ich bitte, zum Ende zu kommen.


Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (fortsetzend): Ich bin fertig. Es freut mich, wenn Sie sich für den Sport einsetzen, aber ich hoffe, dass ihr endlich einmal auch Taten setzt und nicht nur Worte fließen lasst. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.19


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.19.16

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor der aktuel­len Pandemie wurde Sport als selbstverständlicher Bestandteil des täglichen Lebens gesehen. Die positive Wirkung von Sport geht weit über die Steigerung körperlicher Ge­sundheit hinaus. Er dient manchen als Beruf, stellt aber vielmehr für die breite Bevölke­rung einen wichtigen Ausgleich für unser modernes, immer schneller werdendes Leben dar. Sport ist Hobby, persönliches Lebensziel, sozialer Treffpunkt, integrativer Motor und vieles mehr, und all das fehlt gerade.

Die Bewältigung dieser Pandemie kostet alle sehr viel Kraft. Wegen neu entdeckter Virusvarianten und zahlreicher Fehler der Bundesregierung im Umgang mit der Krise – vom Dauerlockdown bis zu den Verzögerungen beim Impfen – ist eine vollständige Rückkehr zur Normalität leider noch nicht in der Nähe. Die anhaltenden Restriktionen im Umgang mit anderen Menschen sind für viele immer weniger zu ertragen. Es braucht daher rasch Konzepte, wie schrittweise mehr Sport möglich sein kann.

Besonders hart sind junge Menschen von der Krise betroffen. Gerade bei vielen Jugend­lichen füllt der Sport einen großen Teil ihres Tages, sowohl im professionellen Bereich als auch im Amateursport. Ohne diese Möglichkeiten fühlen sich immer mehr von ihnen allein, sie haben keine Möglichkeit, in gewohnter Weise ihrem Hobby nachzugehen und ihre Freunde zu treffen. Diese pandemiebedingten Einschränkungen bei der Sportaus­übung belasten Jugendliche schwer.

Die bestehenden Verbote haben nicht nur einen großen negativen Effekt auf den Nach­wuchssport, der psychische Druck aufgrund des Lockdowns steigt, und die zunehmende Isolation richtet schwere Schäden an. Zusätzlich stellt die Situation auch Eltern vor Pro­bleme. Jugendliche müssen länger von ihnen betreut werden, was die Vereinbarkeit mit dem Beruf weiter erschwert und wiederum auch die Eltern psychisch belastet.

Diese lange Unterbrechung im gewohnten Sportalltag zahlreicher Menschen hat auch dazu geführt, dass viele die Gewohnheit von regelmäßiger Bewegung verloren haben.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 32

Die nachlassende Begeisterung der Jugend für Sport hat negative Konsequenzen für die Nachwuchsarbeit, aber auch für die Gesundheit des Einzelnen und letztlich für das österreichische Gesundheitssystem. (Beifall bei der SPÖ.) Die richtige Einstellung der heranwachsenden Generation zu regelmäßiger Bewegung ist auch deshalb besonders wichtig.

Ein weiterer Aspekt ist auch die inkonsequente Haltung der Bundesregierung im Um­gang mit dem Thema Sport im Freien, was Verständnis und Akzeptanz in der Bevölke­rung wesentlich beeinträchtigt. Während Skifahren und Eislaufen auch bei einem großen Menschenaufkommen erlaubt sind, können kleine Gruppen von Jugendlichen selbst bei all dem Testangebot und entsprechenden Schutzvorschriften nicht mit ihren Teamkolle­ginnen und -kollegen trainieren. Die Bundesregierung hätte die rechtlichen Möglichkei­ten, Rahmenbedingungen festzulegen, wie mit entsprechenden Sicherheitskonzepten eine schrittweise Öffnung von Sportmöglichkeiten gerade für Kinder und Jugendliche realisiert werden kann.

Wir NEOS fordern daher Öffnungen für Sport im Freien und Nachwuchssport. In einem ersten Schritt sollten Sport im Freien und der Trainingsbetrieb im Nachwuchssport rasch ermöglicht werden. Gleichzeitig sollen Pläne erstellt werden, welche sportlichen Aktivi­täten abhängig von der jeweiligen Pandemiesituation möglich sind. Auch Hobbysport­lerinnen und -sportler von jung bis alt verdienen eine Perspektive.

Es liegt auf der Hand, dass jede Öffnung nur mit entsprechender Vorsicht sinnvoll ist. Durch Formulierung klarer Auflagen soll das gesundheitliche Risiko minimiert werden. Sicherheitskonzepte für die unterschiedlichen Öffnungsschritte sollen rasch mit Gesund­heitsexpertinnen und -experten und Vereinen erarbeitet werden. Das enthält mögliche Auflagen in diesem Sicherheitskonzept für Sport im Freien und Nachwuchssport, zum Beispiel keine Benutzung von Kabinen und Garderoben, kein Kantinenbetrieb, vorerst nur Trainingsbetrieb, das heißt, noch keine Wettbewerbe beziehungsweise Meister­schaften, und regelmäßige Testnachweise analog zu den Schulen.

Sehr geehrter Herr Vizekanzler, ich ersuche Sie daher, rasch die angekündigten Rah­menbedingungen festzulegen, um mit entsprechenden Sicherheitskonzepten eine schrittweise Öffnung von Sportmöglichkeiten insbesondere für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.23


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnah­me hat sich nochmals der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und darf ihn ersuchen, die Redezeit von 5 Minuten nach Möglichkeit einzuhalten. – Bitte, Herr Vizekanzler.


10.23.52

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Zu allen Vorrednern und Vorrednerinnen wieder, gerade auch zum letzten Beitrag: Ja, das ist richtig, das darf man verlangen, nämlich schrittweise Öffnungskonzepte für den Sport. Das ist völlig richtig. Diese liegen auch vor. Sie sind schon davor vorgelegen, aber sie wurden bei dem hier angesprochenen Sportgipfel auch mit Sport Austria und den Dach- und Fachverbänden akkordiert.

Die Schrittfolge – natürlich je nach Infektionsgeschehen und immer in mehreren Wo­chenabständen – wäre ja genau Folgende: Wir beginnen jetzt aus all den Gründen, die hier genannt wurden, in diesen Möglichkeiten, die beschrieben wurden, mit den Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre. Da unterstellt werden darf, dass die meisten oder viele in die Schule gehen, dort schon zumindest einmal, die Jüngeren sogar zweimal in der Woche getestet wurden, geht das umso einfacher. Das wird sich im Schulbetrieb – das ist Sache des Bildungsministers – noch verdichten und erhöhen.


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In der Folge ist dann aber auch verstärkt – natürlich mit Eintrittstests – tatsächlich daran gedacht, dass man outdoor die Kontaktsportarten zulassen kann – na selbstverständ­lich. Da muss aber die Testkonzeption genau eingehalten werden, denn was wir nicht vergessen dürfen, ist, dass die Tests für sich genommen auch noch nicht das allein selig Machende sind.

Genau so wird es im Übrigen in Vorarlberg im Modellversuch gemacht. Das ist eine her­vorragende Konzeption, ich habe das selbst mit Landeshauptmann Wallner mit ab­schließen dürfen. Die Schnelltests, die man auch selbst anwenden kann, sind für eine Dauer von 24 Stunden eine gute Eintrittskarte, die Antigentests für 48 Stunden, und mit den PCR-Tests gibt es jetzt die Chance, dass man auch mit einem 72 Stunden alten Test zu allen möglichen – nicht nur im Sport, im Übrigen – Veranstaltungsbereichen Zu­tritt erlangt. Das wird dort genau so im wahrsten Sinne des Wortes ausprobiert, und das ist auch gut so.

Dort wird man auch Erkenntnisse gewinnen, wie das schrittweise weitergehen kann, denn wir dürfen natürlich nicht vergessen: Das Infektionsgeschehen müssen wir trotz­dem im Auge behalten. Leider ist es nicht richtig – das sagt ja jeder Bereich von sich, ich muss das einfach so wiedergeben –, dass es im Sport nicht zu Ansteckungen kommen kann. Das ist einfach so. Gerade von den angesprochenen Fitnessstudios wissen wir das, aber auch da soll es eben mit diesen Testkonzepten weitergehen. Zu den letzten Schritten wird ganz am Schluss indoor mit Kontakt gehören, wenn das Infektionsge­schehen nicht steigt und die Testeinrichtungen auch entsprechend funktionieren.

Das sind enorme Herausforderungen, und da – Stichwort föderales Gremium – sind wir sehr stark auf die Bundesländer angewiesen, weil diese ja diese Testangebote sicher­stellen müssen. Eine Spur anders ist es bei den Schnelltests, aber da geht es schon darum, sie so zu organisieren, dass sie auch eine gewisse Sicherheit bieten. Wir haben nichts davon, wenn sie eine deutlich geringere Sicherheit bieten, sei es, weil es An­wendungsprobleme gibt, seien es technische Dinge oder weil sie auch missbrauchs­anfällig sind. Genau das wird jetzt alles vorangetrieben, damit wir auch die Sicherheits­stufen erhöhen können – hundertprozentige Sicherheit gibt es eh keine – und mit gutem Gewissen und in diesem Sinne Verantwortung dafür übernehmen, dass wir uns darauf verlassen können.

Was die Tests insgesamt betrifft – es sind schon ein paar Zahlen genannt worden –, ist es richtig – und deshalb verstehe ich diese Einwände nicht –, dass diese seit vielen Wochen, eigentlich schon seit vor Weihnachten, in einer Anzahl vorhanden sind, wie wir das sonst eigentlich fast nirgendwo vorfinden. Insofern ist da jetzt schon viel geleistet worden. Ich kenne das aus den Verhandlungen und Gesprächen mit den Landeshaupt­leuten. Überall dort, wo man das noch braucht, muss auch die Kapazität erweitert wer­den. Daran wird mit Hochdruck gearbeitet. Jetzt kommt dazu, dass gleichzeitig überall die Impfstraßen et cetera auch wieder von den Bundesländern aufgebaut werden – die da sehr, sehr viel leisten, das muss man auch erwähnen. Das muss man alles in der Zusammenschau sehen. Deshalb: schrittweise, wie ich es skizziert habe, mit Vorsicht – ich glaube, so können wir vorankommen.

Im Übrigen ein Letztes, weil es immer wieder angesprochen wurde: Es ist nicht so, dass nichts möglich wäre. Ich weiß schon, dass es im Winter nicht so witzig ist, aber jetzt, wo es schon ein paarmal schön war – auch da ist etwas zu korrigieren –: Natürlich kann man am Tennisplatz im Freien Tennis spielen, und zwar schon die ganze Zeit. Das ist über viele Wochen eigentlich nie zugedreht worden, ganz im Gegenteil. (Bundesrat Stei­ner: Am Tennisplatz! Ein Wahnsinn, der Minister weiß nicht, wann ein Tennisplatz offen ist!)

Skifahren und auch Eislaufen et cetera wurden hier in den Raum geworfen: Das ist ge­nau dieser Logik gefolgt, dass diese Sportarten selbst Einzelsportarten sind. Es ist doch


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 34

völlig logisch, dass man das so angeht. Dass es dann da oder dort, am Anfang zu­mindest, unliebsame Bilder gegeben hat, hat mit den Aufstiegshilfen zu tun gehabt. Wir kennen das Problem. Auch dort haben wir aber immer Öffnung und das Eingehen eines leichten Risikos mit verschärften Maßnahmen kombiniert. Ich glaube, das war das ein­zige Mal und am schnellsten in Europa, dass FFP2-Masken für Freizeit und Sport damals schon am Weihnachtstag verpflichtend vorgeschrieben wurden, weil man eben gesagt hat: okay, Aufstiegshilfen, Gondeln – typischerweise halbe Besetzung plus FFP 2-Mas­ken. Dieses Risiko nehmen wir in Kauf, damit sich die Menschen selber im Einzelsport – beim Skifahren den Hang hinunter – betätigen können. Dann müssen sie den Hang unter Sicherheitsvorkehrungen wieder hinaufkommen. So ist das angelegt gewesen.

Ich erinnere Sie schon daran, welcher Kritik wir in Europa, aber auch innerhalb von Ös­terreich ausgesetzt waren, weil wir das ermöglicht haben. Es wird immer eine Abwä­gungsfrage bleiben: locker bleiben, vorwärts schauen, zurückkämpfen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.30


Präsident Mag. Christian Buchmann: Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.30.58Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Christian Buchmann: Hinsichtlich der eingelangten und verteilten An­fragebeantwortung verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilte Mitteilung, die dem Stenographi­schen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen wird.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

1. Anfragebeantwortung

(Anlage) (siehe auch S. 12)

2. Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union

3. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates

(siehe Tagesordnung) sowie

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder

Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2021 (korrigierte Fassung) (Zu III-737-BR/2021)

zugewiesen dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur

*****

Anlage:


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 35

B U N D E S R A T

Liste der Anfragebeantwortungen

3540/AB-BR/2021      Leonore Gewessler, BA                                                                     BMK

3824/J-BR/2021          Mülldeponie Herzograd

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Eingelangt ist ein Schreiben des Ministerrats­dienstes des Bundeskanzleramtes gemäß Art. 73 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Vertretung des Herrn Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober durch Frau Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler.

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Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Ta­gesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände, den Entschließungsan­trag 286/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Um­weltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP)“,

den Entschließungsantrag 287/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Berücksichti­gung der Länder und Gemeinden bei Entscheidungen über das humanitäre Bleiberecht“,

den Entschließungsantrag 288/A(E)-BR/2021 der BundesrätInnen Korinna Schuman, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens“ sowie

die Wahl eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Natio­nalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Christian Buchmann: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatten über die Tagesordnungspunkte 6 bis 8, sowie 11 bis 13, sowie 14 und 15, sowie 16 bis 18, sowie 19 und 20, sowie 21 bis 23 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung von Dringlichen Anfragen


Präsident Mag. Christian Buchmann: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 36

des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kriminalfall Commer­zialbank – Wo bleibt die Verantwortung von Minister Blümel?“ an den Herrn Bundesmi­nister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich weiters bekannt, dass mir ein Verlan­gen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend „Frau Bundesministerin Köstinger, warum lassen Sie den Tourismus sterben?“ an die Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.35.061. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (1206/A und 639 d.B. so­wie 10550/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Adi Gross. – Ich bitte um den Bericht.


10.35.22

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird, zur Kenntnis bringen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross. – Bitte, Herr Bundesrat, Sie sind am Wort.


10.36.15

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Wir beschließen heute eine kleine Novelle zum Ausschreibungsgesetz. Es ist eigentlich fast nur eine redaktionelle Klarstellung, die aber eine relevante Wirkung hat. Sie stellt nämlich sicher, dass künftig Ausschreibung und Arbeitsplatzbeschreibung ident sind. Das ist ein wichtiges Detail, weil die Umkehrung, was immer wieder einmal vorkommt, erstens sehr unangenehm für die BewerberInnen um eine Stelle im Bundesdienst ist und zweitens die Verfahren ver­zögert.

In so einer Arbeitsplatzbeschreibung finden sich ja – no na – sehr wichtige Informatio­nen, wie zum Beispiel die hierarchische Position des Arbeitsplatzes, die Bewertung – die ist klarerweise wichtig für das Gehalt –, die auszuübenden Tätigkeiten, Befugnisse und Anforderungen für den Arbeitsplatz wie Ausbildungserfordernisse, Erfahrungen, spe­zielle Kenntnisse und so weiter.


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Jetzt kann man sich leicht vorstellen, dass es zu Irritationen und längeren Verfahren kommen kann, wenn die Ausschreibung etwas anderes festhält, als in der Arbeitsplatz­beschreibung dann definiert ist. Die Verfahren dauern jetzt typischerweise drei bis fünf Monate, was eigentlich ohnehin zu lange ist. Eine Übereinstimmung der Ausschreibung mit der Arbeitsplatzbeschreibung kann zumindest verkürzend wirken, wiewohl es in Zu­kunft mit Sicherheit noch mehr Maßnahmen brauchen wird, um die Besetzung geneh­migter Planstellen so zügig wie möglich durchführen zu können.

Es geht bei dieser Gesetzesänderung nicht nur um den Aspekt der Verfahrensdauer, sondern ganz wichtig ist die Transparenz. Das ist ein Gebot der Fairness gegenüber BewerberInnen. Man kann leicht nachvollziehen, dass das mitunter sehr irritierend und auch nicht besonders vertrauensbildend ist, wenn man nach der Bewerbung auf Basis eines Ausschreibungstextes mit einer abweichenden Arbeitsplatzsituation konfrontiert wird.

Damit ist nun jedenfalls Schluss. Es ist ein Beitrag zur Klarheit und zu schnelleren Ver­fahren, und immerhin ist eine gut funktionierende Verwaltung eine wichtige Säule für ein dienstleistungsorientiertes Funktionieren des Staates. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

10.38


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Robert Seeber. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.38.46

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche hier über das Ausschreibungsgesetz; in der Öffentlichkeit ist dieses nicht so bekannt. Es gab auch einen einstimmigen Beschluss im Ausschuss, und ich möchte mich aufgrund der langen Tagesordnung heute darauf beschränken, das ganz kurz zu machen.

Kollege Gross hat ja schon angedeutet, dass es um Bewerbungen im öffentlichen Dienst geht. Aktuell sprechen wir von 2 200 Personen, die demnach bestellt worden sind. Nicht eine Einzelperson entscheidet über die Aufnahme, sondern eine Begutachtungskom­mission, die paritätisch aus zwei Arbeitgebervertretern und zwei Arbeitnehmervertretern besteht.

Es geht nur um eine redaktionelle Klarstellung, und die genehmigten Beschreibungen müssen dann auch die Grundlage für die Ausschreibung sein.

Was soll bezweckt werden? – Man erwartet sich eine Beschleunigung der Verfahren, eine kürzere Verfahrensdauer und auch die nötige Transparenz.

Ich freue mich, dass die genannten Anforderungen jetzt vice versa ident sein müssen, freue mich, dass der Beschluss einstimmig sein wird, und möchte auch nicht verabsäu­men, mich am Schluss bei allen öffentlich Bediensteten zu bedanken, ganz egal, wo sie jetzt arbeiten – sei es in den Schulen, in den Gemeinden, bei der Polizei, in den Kin­dergärten oder auch als jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Contacttracing tätig sind –, in einer sehr herausfordernden Situation. Dafür auch ein herzliches Dankeschön!

Ich bitte um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

10.40


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Eli­sabeth Grimling zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesrätin.


10.40.48

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuseherinnen


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und Zuseher via Livestream! Die vorliegende Änderung des Ausschreibungsgesetzes – es wurde schon erwähnt, ich möchte es nur noch einmal wiederholen – ist eine weitere Folge der jüngst erfolgten Änderung in der personellen Zusammensetzung der Bundes­regierung und der damit verbundenen Kompetenzverteilung.

Das Ziel des Ausschreibungsgesetzes ist wie bisher die Vorgabe objektiver und transpa­renter Kriterien bei der Besetzung. Die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, die für die Erfüllung der mit der ausgeschriebenen Funktion beziehungsweise dem Arbeitsplatz verbundenen Anforderungen notwendig sind, sind in der jeweiligen Arbeitsplatzbeschrei­bung festgelegt. Bei dieser Ergänzung handelt es sich um die Klarstellung, dass der Ausschreibung auch tatsächlich die jeweils zuletzt seitens der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport – denn die machen das – genehmigte Arbeitsplatzbeschreibung zugrunde zu legen ist. Es soll dadurch nun gesetzlich festgelegt beziehungsweise klargestellt werden, dass die Ausschreibung mit der Arbeitsplatzbeschreibung deckungsgleich ist. Es stimmt aber mehr als nachdenklich, dass es für eine derartige Selbstverständlichkeit einer eigenen gesetzlichen Regelung bedarf. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf mich weiters bei allen öffentlich Bediensteten – auch wenn das jetzt alles klarge­stellt ist, und sie haben es auch gemacht – ob ihrer guten Arbeit bedanken. Es erscheint aber besser, diesen Schritt der Klarstellung – oder der Selbstverständlichkeit – zu set­zen, als weiterhin missbräuchlichen Einflüssen Gelegenheiten zu bieten. Meine Fraktion wird daher dem vorliegenden Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.43


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich habe gesehen, dass inzwischen Frau Staats­sekretärin Andrea Mayer eingetroffen ist. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. – Bitte, Herr Bundesrat.


10.43.50

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Werte Damen und werte Herren! Ganz kurz – meine Vorredner haben alles Wesentliche gesagt –: Es geht hier wirklich um eine redaktionelle Änderung eines Gesetzes, und das bringt mich dazu, einfach einmal zu hinterfragen, ob man hierfür wirklich eine eigene Debatte braucht. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

Es handelt sich um eine ganz klare legistische Änderung. Es wird nicht nur so bezeich­net, sondern es ist tatsächlich eine redaktionelle Berichtigung betreffend etwas, das ei­gentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Solche Rechtsbereinigungen und ‑verbesserun­gen können aus meiner Sicht immer problemlos stattfinden, und es sollte, wenn man solche Vorhaben hat, nicht irgendeine Hürde insofern eingebaut werden, als man sich dann vor irgendeiner Debatte fürchten muss, bei der man dann über Gott und die Welt reden kann. Ich glaube, dass wir da als Bundesrat doch einen Schwerpunkt legen sollten und die Debatten dorthin verlegen sollten, wo es, ich sage einmal, strittige Gesetzesma­terien gibt, wo es Pro und Kontra gibt, wo sich die Bürger eine Meinung bilden können, ob sie bei der Thematik, die strittig ist, der einen oder der anderen Partei eher zuneigen.

Wir werden natürlich zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.44


10.44.57

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Ich bitte darum, die Plätze einzunehmen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 39

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

10.45.372. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG und das 22. COVID-19-Gesetz geändert werden (1253/A und 640 d.B. sowie 10551/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. - - (Bundesrat Schreuder begibt sich zum Rednerpult.) – Nicht Adi Gross? (Bundesrat Gross begibt sich zum Rednerpult. – Bun­desrat Schreuder kehrt an seinen Sitzplatz zurück.) – Es ist doch Herr Dipl.‑Ing. Dr. Adi Gross! – Ich bitte Herrn Bundesrat Gross um den Bericht. (Bundesrat Gross: Ich möchte nicht den Job wegnehmen!)


10.46.14

Berichterstatter Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz – K-SVFG und das 22. COVID-19-Gesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gehen in die Debatte ein.

Aber jetzt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bundes­rat. (Bundesrat Schreuder – auf dem Weg zum Rednerpult –: Dabei hatte ich mich schon gefreut, zum Diplomingenieur erhoben worden zu sein! Aber danke, Herr Kollege Gross!)


10.47.23

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen es alle, es ist trotzdem ein ernstes Thema: So ähnlich, wie wir es vorhin beim Sport hatten, gab es auch für Kunst und Kultur auf­grund der Pandemie einfach keine erfreulichen Nachrichten – das muss man so sagen –, und es gerade Künstlern und Künstlerinnen zuzumuten, das, was ihnen am wichtigsten ist – nämlich ihr Können und ihre Talente darzustellen, darzubieten, zu musizieren, zu singen –, nicht tun zu können und das Publikum dafür nicht zu haben – ich weiß es selber aus eigener Erfahrung, und viele Politiker und Politikerinnen kennen das auch: Applaus ist sozusagen eine der wichtigsten Währungen in der Kultur –, auf all das also verzichten zu müssen, ist natürlich ganz schwierig. Es war natürlich alles andere als erfreulich, den im Bereich Kunst und Kultur Tätigen das zuzumuten, was wir ihnen zugemutet haben, es war aber notwendig, und das ist eben das Dramatische und das Schlimme an dieser Situation gewesen.

Man kann ein fehlendes Publikum in keinster Weise kompensieren – das ist unmöglich. Was man aber tun kann, ist, die Existenz der Künstler und Künstlerinnen zu sichern und ihnen Pakete zu offerieren, damit sie in dieser schwierigen Zeit überleben können – und genau das machen wir jetzt. Wir haben diese Pakete eigentlich schon mehrmals hier im Bundesrat besprochen, sodass ich jetzt gar nicht mehr im Detail darauf eingehen


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möchte. Ich möchte Ihnen allerdings – und das tue ich immer gerne, wenn wir über die Kunst und Kultur in Zeiten der Pandemie sprechen; das letzte Mal habe ich, glaube ich, Nesterval, ein Onlineprojekt, ein Onlinetheater, empfohlen – auch heute etwas empfeh­len: Ganz, ganz viele künstlerische Häuser, Orchester, Gruppen bieten Online-Wohn­zimmerkonzerte an – und ich möchte Sie bitten, diese auch wirklich zu nutzen.

So bietet zum Beispiel – und das sage ich vor allem auch den Zuhörerinnen und Zuhö­rern oder den Zuschauern und Zuschauerinnen via Livestream – die Wiener Staatsoper in ihrer ganz hervorragenden App derzeit ganz viele Vorstellungen auch gratis an und gibt Ihnen die Möglichkeit, Publikum zu sein. Ich muss gestehen, bei der Wiederaufnah­me von „Le Nozze di Figaro“ und bei der Wiederaufnahme von „Carmen“ habe ich dann zumindest zu Hause applaudiert, da ich leider nicht in der Staatsoper sein konnte, weil das so unfassbar schöne Aufführungen waren.

Ich darf vielleicht noch auf ein anderes Beispiel hinweisen: Morgen um 20.15 Uhr gibt es auf der Webseite der Wiener Symphoniker das Abschlusskonzert ihrer wunderbaren Wohnzimmerorchesterserie. Morgen gibt es Mahler und Richard Strauss, und ich kann Ihnen nur empfehlen, diese zwei Komponisten an einem Freitagabend zu genießen!

Was ich damit sagen will, ist – es geht dabei um etwas Ähnliches wie vorhin beim Sport ‑: Unsere Künstler und unsere Künstlerinnen sind sehr kreativ. Sie wissen, was jetzt not­wendig ist, und sie arbeiten daran, uns jetzt schon Kunst und Kultur zugutekommen zu lassen, und sie bereiten gewissenhaft das Comeback vor, denn auch für die Kunst und Kultur kann es, so wie beim Sport, nur heißen: Come back stronger!, davon bin ich ganz fest überzeugt. Mit diesen Höherdotierungen der beiden Töpfe, die wir jetzt beschließen, sorgen wir dafür, dass die Künstler und Künstlerinnen weiter leben können, was so not­wendig ist. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.51


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


10.51.52

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren, wo immer Sie uns zuhören und zusehen! Noch ein kleiner Nachtrag zu un­serer Aktuellen Stunde: Es ist mir ein großes Anliegen, mich bei der österreichischen Seilbahnwirtschaft dafür zu bedanken, dass sie uns seit 24.12.2020 ermöglicht, Ski zu fahren, was die Kinder, Jugendlichen und Familien auch mit großem Enthusiasmus ma­chen. Das war wirklich eine ganz, ganz große, wichtige Aufgabe, dass Sie uns das er­möglichen, und dafür ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zum heutigen Thema: Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Frage an Sie zu Be­ginn: Wann waren Sie zuletzt in einem Museum? – Es gibt ja, wie wir alle wissen, seit 8.2. die Möglichkeit, die Museen wieder zu öffnen, die großen Museen hier in Wien, wie die Albertina oder das Belvedere, aber auch die vielen kleinen regionalen Museen, die wir alle in unseren Bundesländern haben und die sich gerade jetzt über Besucherinnen und Besucher freuen. In Salzburg haben wir rund 130 Museen und Sammlungen, wie zum Beispiel den Vogtturm in Zell am See, das Karl-Heinrich-Waggerl-Haus in Wagrain, das Museum Schloss Ritzen in Saalfelden, das Keltenmuseum in Hallein, das Museum Burg Golling, die Ferdinand-Porsche-Erlebniswelten Fahr(T)raum in Mattsee, das Hoch­zeitsmuseum in Göming, den Mühlenweg im Zederhaus, das Pfarr-, Wallfahrts- und Stil­le-Nacht-Museum in Mariapfarr, das Museum Fronfeste in Neumarkt und in der Stadt Salzburg natürlich das Haus der Natur, das Dommuseum, das Salzburg-Museum und so weiter und so fort.


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Ich habe jetzt einmal versucht, aus allen Gauen einige exemplarisch aufzuzählen, um die Vielfalt, die wir haben, zu zeigen. 99 davon sind in Salzburg im Salzburger Museums­verband zusammengeschlossen, und derzeit sind rund 15 regionale Museen offen. In meiner Heimatgemeinde Wals-Siezenheim ist das die Bachschmiede, die es seit 2008 gibt, eine ehemalige Schmiede – daher der Name –, die von meiner Gemeinde zu einem Kulturzentrum und einem Museum ausgebaut wurde – ich hatte damals die Ehre, als Gemeindevertreterin aktiv mitzuarbeiten –, mit großem Erfolg: Es wurden seit diesem Zeitpunkt rund 290 000 Besucherinnen und Besucher gezählt, 150 Veranstaltungen mit rund 30 000 Besuchern werden im Jahr abgehalten. Das war zumindest die erfreuliche Zahl im Jahr 2019. Es gibt auch einen Verein der Freunde der Bachschmiede mit rund 400 Mitgliedern, die sich ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel im Rahmen von Führun­gen oder auch durch die Überlassung von Leihgaben, mit Ideen für Ausstellungen und so weiter und so fort.

Meine Heimatgemeinde Wals-Siezenheim trägt die Kosten für diesen Kulturbetrieb. Ich habe dort letzte Woche die Ausstellung „Büro Büro“ besucht und mich gewundert, dass Gegenstände, mit denen ich zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit ganz normal gear­beitet habe, jetzt im Museum stehen, wie zum Beispiel elektrische Schreibmaschinen. Es war wirklich wunderschön, und ich kann es Ihnen nur zur Nachahmung empfehlen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Warum erwähne ich das heute bei diesem Tagesordnungspunkt, bei dem es ja um die Aufstockung des Budgets geht? – Wir erhöhen die SVS-Überbrückungsfinanzierung von 110 Millionen auf 120 Millionen Euro und den Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversi­cherungsfonds von 20 Millionen auf 40 Millionen Euro, und wie wir gestern erfahren ha­ben, gibt es auch noch – der Herr Vizekanzler hat es schon erwähnt – weitere 20 Millio­nen Euro zusätzlich für den Kunst- und Kulturbereich. Das ist wirklich gut und notwendig, denn ich meine, gerade diese Einrichtungen, wie unsere Museen, zeigen, dass Kunst und Kultur lebt, vielfältig ist und einen wirklich wichtigen Platz in unserer Gesellschaft einnimmt. Viele Menschen in den Regionen finden dort Erfüllung, können sich engagie­ren, miteinander gestalten, sich ehrenamtlich einbringen.

Es sind gerade die Gemeinden und die kleinen Kunst- und Kulturhäuser, die den Boden für die Hochkultur bereiten, denn: Wo werden denn die ersten Schritte gemacht, wo gibt man den jungen Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, aufzutreten? – Gerade in diesen regionalen Kunst- und Kultureinrichtungen! Daher ein großes Danke, gerade an die Gemeinden, dafür, dass sie sich immer wieder einbringen und auch die finanziellen Mittel dafür verwenden. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Durch die Erhöhung der beiden zentralen Maßnahmen zur Unterstützung freischaffender Künstlerinnen und Künstler in der Pandemie zeigt die Bundesregierung, dass ihr der Kunst- und Kulturbereich wirklich wichtig ist. Vielen Dank dafür an Sie, Frau Staatssekre­tärin! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Insgesamt werden oder wurden für den Kunst- und Kulturbereich bis jetzt 250 Millionen Euro zusätzlich zu den anderen Hilfsmitteln und zum regulären Kulturbudget in die Hand genommen – also zusätzlich! Die Überbrückungsfinanzierung bei der SVS wurde instal­liert, um den Künstlerinnen und Künstlern rasch und unbürokratisch eine Unterstützung zukommen zu lassen. Es sind – wir haben es im Ausschuss gehört – bereits 90 Millionen Euro durch die SVS ausbezahlt worden und rund 18,5 Millionen Euro im KSVF. Damit ist dieser jetzt fast vollständig ausgeschöpft, und daher war ja diese Aufstockung not­wendig.

Wir haben im Ausschuss auch gehört, dass das mit Onlineformularen wunderbar funk­tioniert und erst nachher stichprobenartig geschaut wird, ob die Mittel auch wirklich gut verwendet werden. Die SVS bearbeitet die Anträge binnen weniger Tage, und damit kommt diese Hilfe wirklich rasch bei den Künstlerinnen und Künstlern an.


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Dieser Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversicherungsfonds erfüllt ja auch noch eine andere, meiner Meinung nach wichtige Funktion: Er ist ein drittes Sicherheitsnetz, wenn alle anderen Stricke zur Unterstützung der freischaffenden Künstlerinnen und Künstler reißen, wenn sie also so wenig verdienen, dass sie aus der Sozialversicherung heraus­fallen – und das ist wichtig und gut so, denn, wie gesagt, ohne das kulturelle Leben ist es still in unserem Lande: keine Ausstellungen, keine Vernissagen, kein Theater, keine Oper, keine Lesungen, kein Chorkonzert, keine Blasmusik, keine Festivals, keine Street­art, keine Auftrittsmöglichkeiten außerhalb des Internets.

Wir müssen das immer noch schmerzlich erfahren, und daher ist die Hilfe so wichtig und notwendig, um nach der Pandemie – Come back stronger!, wie wir heute schon gehört haben – den Kulturbetrieb wieder hinauffahren zu können und den Künstlerinnen und Künstlern damit zu helfen, gut durch die Pandemie zu kommen.

Jetzt eine große Bitte an alle: Wenn man überlegt, nach Ostern den Tourismus aufzu­sperren, so ist es meiner Meinung nach auch notwendig, den Kultur- und Kunstbetrieb mitzunehmen und ebenfalls aufzusperren. Beide sind wichtig und notwendig für unser persönliches Wohlbefinden. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Bundesrat Steiner: ... auf­sperren! Das seid ihr ...!)

Für das Aufsperren braucht man eine Vorlaufzeit – no na net, das ist eh klar –, weil ja zum Beispiel im Kulturbetrieb der Kartenverkauf total eingebrochen ist. Die Menschen warten ab (Bundesrat Steiner: Ich versteh!), aber mit den besonderen Maßnahmen – die Kulturbetriebe sind alle gerüstet, sie wollen aufsperren, sie haben Präventionskon­zepte in der Schublade – wird das sicher gelingen. Die Salzburger Festspiele haben das ja im letzten Sommer eindrucksvoll bewiesen: Es konnten Festspiele in der Stadt ab­gehalten werden, was uns persönlich sehr gutgetan hat – Kultur wieder live erleben zu können –, aber auch der Wirtschaft gutgetan hat. Das war ein wichtiger Motor für den Sommertourismus in Salzburg. Daher glaube ich, dass es notwendig und wichtig ist, dass wir das beides zusammen und miteinander machen.

Wir freuen uns jetzt auf diese kulturellen Highlights – nicht nur online, lieber Marco. Das ist wichtig und notwendig, aber ich glaube, wir lechzen alle danach, die Künstlerinnen und Künstler wieder live zu sehen – in den Konzerthäusern, in den Theatern, wo auch immer. Speziell die Künstlerinnen und Künstler wollen das, denn keine Hilfszahlung der Welt kann Ihnen diese künstlerischen Tätigkeiten – welche auch immer: Singen, Tanzen, Musizieren, Lesen, Auftreten – ersetzen.

Wir können mit den heutigen Hilfsmaßnahmen nur die schlimmsten Notlagen bekämpfen und schauen, dass die freischaffende Szene diese Krise auch übersteht. Wie gesagt: Wir machen das heute, aber ich darf Sie persönlich wirklich einladen, sich aktiv ein­zubringen und auch wieder – oder gerade jetzt – ein Museum zu besuchen. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

11.02


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Eva Prischl. – Bitte, Frau Bundesrätin.


11.02.10

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lie­be Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Andrea, um deine Frage zu beantworten: Vorige Woche war ich in der Kunsthalle Krems und habe mir moderne Kunst angesehen. Ich freue mich schon sehr, wenn ich wieder mehr machen darf. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

Aber zum Thema: Die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler hat es in der Pande­mie sehr schwer getroffen. Das wissen wir alle, das haben wir auch schon gelesen. Nur:


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Das Lesen ist das eine, das Empfinden, das Fühlen, das Nachleben ist das andere. Eine aktuelle Studie zur Lage der Kultur- und Kreativwirtschaft der Verwertungsgesellschaften belegt eindeutig: Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist von der Pandemie am schwersten betroffen, stärker noch als der Tourismus – ich komme aus dem Tourismus, ich weiß, wie schwer dieser betroffen ist – und genauso stark, steht in der Studie, wie der Luftver­kehr.

Eine weitere Erhöhung der Mittel für die zentralen Maßnahmen zur Abfederung der wirt­schaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie, die meine Vorrednerin eigentlich schon angekündigt hat, sind daher mehr als notwendig. Es geht konkret um die Sozialversi­cherungsüberbrückungsfinanzierung für die selbstständigen Künstlerinnen und Künstler, die von 110 auf 120 Millionen Euro aufgestockt werden soll, und den Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversicherungsfonds, der von 20 auf 40 Millionen Euro aufgestockt werden soll, wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe. Im Ausschuss wurde auch gesagt: Das betrifft in Summe in etwa 12 000 Antragsteller und Antragstellerinnen.

Wir vonseiten der sozialdemokratischen Fraktion werden diesem Antrag natürlich zu­stimmen, aber die betroffene Branche braucht jedenfalls eine Hilfestellung. Wir denken da zum Beispiel an ein Coronagrundeinkommen. Es braucht eine grundlegende Förde­rung digitaler Formate und zukunftsträchtige Vergütungsmodelle, damit die Kunst- und Kulturschaffenden ihre Leistungen nicht auf eigene Kosten und gänzlich ohne Einnah­men zur Verfügung stellen müssen. Von Arbeit leben können: Dieser Satz muss für das Kunst- und Kulturfeld eine Selbstverständlichkeit werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Von längerfristigen Plänen, wie die Kultur nach der Pandemie wieder auf die Beine kommt, welche Weichen gestellt werden, damit Österreich sich auch weiterhin als Kultur­land bezeichnen kann, ist uns bis dato leider nichts bekannt. Die Künstlerinnen und Künstler haben sich jedoch eine Planungssicherheit verdient. In vielen Gesprächen mit Betroffenen habe ich immer wieder dieses Wort gehört: Planungssicherheit, wir brau­chen Planungssicherheit. Ich habe es jetzt dreimal gesagt, denn es wurde mir aufgetra­gen, dies auch weiterzuvermitteln. Das habe ich hiermit getan. Das ist besonders wichtig, vor allem für KünstlerInnen im internationalen Bereich. Diese brauchen natürlich eine längere Vorlaufzeit, wie die Kollegin vor mir schon angedeutet hat. Es ist uns und mir ein besonderes Herzensanliegen, dass die Hilfen rasch, unbürokratisch und im entspre­chenden Ausmaß zur Verfügung gestellt werden.

Neben den adäquaten finanziellen Mitteln zur Überbrückung der Krise braucht es aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, um den Wiederaufbau der Kunst-, Kultur- und Kreativwirtschaft zu sichern. Das wirtschaftliche Überleben der RechteinhaberInnen spielt dabei eine zentrale Rolle. Die Kulturwirtschaft braucht Anerkennung und eine Auf­wertung der verschiedenen Berufsfelder in diesem Bereich. Die Künstlerinnen und Künstler leisten eine ganz, ganz wertvolle gesellschaftliche Arbeit. Wenn uns die Krise etwas gelehrt hat, dann hat sie uns vor allem gelehrt, dass wir die Kunst mehr denn je brauchen. Sie ist ganz wichtig für unsere Seele.

Ich möchte dies mit einem Zitat von Georg Kreisler, Geburtsjahrgang 1922, geboren in Wien, Komponist, Sänger und Dichter, unterstreichen. Sein Zitat: Wer Kunst versäumt, verschenkt nicht nur einen wichtigen Teil seines Lebens, sondern leistet auch Vorschub für eine Veränderung der Gesellschaft, die meistens mit Blutvergießen einhergeht. Der Mensch braucht Kunst nicht zur Unterhaltung, da kann er auch zum Pferderennen gehen – seine Aussage –, sondern weil sie Teil seiner selbst ist. – Zitatende.

Mit diesen Worten möchte ich enden, und ich bitte um Unterstützung für unsere Kunst- und Kulturschaffenden. Sie haben es sich redlich verdient. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der Grünen sowie der Bundesrätin Eder-Gitschthaler.)

11.06



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 44

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat MMag. Dr. Michael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


11.07.04

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Damen und Herren! Ja, die Unterstützung für diese Maßnahmen, für diese weiteren Förderungen bekommen Sie auch von der Freiheitlichen Partei; aber man muss schon einmal diesen Spin durchbrechen: Was ist denn schuld daran, dass die Künstler nicht arbeiten können? – Das ist nicht die Pandemie, das sind Ihre Maßnahmen von Ihrer Bundesregierung! (Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler. – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Sie haben die Künstler gefesselt, Sie haben ihnen die Arbeit genommen, Sie haben die Arbeitsplätze vernichtet und Sie haben ihre Existenzen zerstört. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann sagen Sie: Na, jetzt müssen wir sie leider unterstützen. – Sie bedauern die Si­tuation der Künstler. Also das kann man ja nur noch als Farce bezeichnen! Das ist Ihre türkis-grüne Bundesregierung, auch mit Unterstützung der SPÖ. Da muss man die Dinge wieder ein bisschen geraderücken, denn diesen Spin, dass ein Virus dafür verantwortlich sein soll, dass man nicht mehr in die Oper gehen kann, dass man nicht ins Museum gehen kann, dass man keine Kunst und Kultur mehr betreiben kann, glaubt Ihnen ja keiner mehr, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie sollten aus meiner Sicht zwei Dinge tun: Sie sollten nicht die Lage der Künstler be­dauern und Sie sollten sich nicht bei irgendjemandem bedanken, sondern Sie sollten sich einmal bei den Künstlerinnen und Künstlern dafür entschuldigen, was Sie getan haben. (Beifall bei der FPÖ.) Und Sie sollten diese überzogenen Covid-Maßnahmen so­fort aufheben. Es braucht da keine großartigen Überlegungen und es braucht dazu keine Fördertöpfe, es braucht keinen einzigen Cent Steuergeld, sondern es braucht nur die Unterschrift. Wo ist denn Ihr Bundesminister Anschober? Eine Unterschrift von ihm unter eine Novelle zur 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung genügt. Da kann man meinetwegen reinschreiben: Bitte Abstand halten, bitte eine Maske tragen – das kann meinetwegen bleiben –, und alles andere kann normal stattfinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn der Herr Bundesminister heute schon verhindert ist – das kann einmal passieren ‑, dann warten wir wenigstens noch die Tage ab. Die Verordnung läuft ja am 14. März aus. Dann verlängern Sie sie einfach nicht! Es sind Ihre Klubkollegen im Nationalrat, die das alles im Hauptausschuss beschließen und immer wieder verlängern. Das muss man be­seitigen, dann ist die Kunst wieder entfesselt und kann wieder normal stattfinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Frau Dr. Eder-Gitschthaler, Sie haben sich vorhin bei den Gemeinden und bei der Frau Staatssekretärin bedankt. Ich bin jetzt polemisch, aber ich muss ehrlich sagen: Wenn Sie sich schon bedanken, warum bedanken Sie sich nicht beim österreichischen Steuer­zahler? Er zahlt das Ganze ja! (Beifall bei der FPÖ.)

Der österreichische Steuerzahler muss dafür herhalten, dass er Ihr Versagen als Bun­desregierung mit Steuergeld zuschüttet. Seine Arbeitsleistung wird genau dafür ver­wendet.

Schauen wir uns doch einmal die Förderlandschaft an! Da geht es jetzt nicht um die heutigen Künstlerfonds und Sozialversicherungsbeiträge, das ist ja gar nicht der Punkt. Schauen wir uns doch einmal die Förderlandschaft an! Österreich war schon immer Förderweltmeister. Warum? – Unter anderem deshalb, weil nicht nur die Bundesebene fördert, sondern weil natürlich auch die Bundesländer und die Gemeinden fördern. Natür­lich gibt es dann obendrauf noch irgendwelche Fonds der Europäischen Union, die dort dotiert werden. Wir haben eine vierfache Förderlandschaft, keine Kompetenzverteilung im Bereich des Förderwesens – aber das ist ein allgemeines Problem.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 45

Was machen Sie jetzt in dieser Coronapandemie? – Da gibt es einen Entschädigungs­anspruch nach dem Epidemiegesetz. Den hätte man ein bisschen novellieren können, da hätte man sagen können: Gut, das geht sich einfach mit der Verantwortung nicht aus – wenn man schon sagt, man muss alles zusperren –, man teilt die Verantwortung zwischen dem Staat und den betroffenen Unternehmen, man macht eine Novelle zu die­sem Entschädigungsanspruch, den man als Rechtsanspruch auch im Gesetz verankert hat, bessert da ein bisschen herum. Dann hat man für jeden gleiche und transparente und völlig einfache Regelungen.

Was machen Sie? – Nach alter ÖVP-Manier geht es los: Fixkostenzuschuss Phase eins, Fixkostenzuschuss Phase zwei, Investitionsprämien für Unternehmer, Unterstützung des AWS für Non-Profit-Organisationen, Lockdownumsatzersatz Phase eins, Lockdown­umsatzersatz Phase zwei, Ausfallsbonus, Härtefallfonds Phasen eins und zwei und oben­drauf jetzt noch diese beiden Künstlerfonds.

Also ich muss Sie ehrlich fragen: Kennen Sie sich in dieser Förderlandschaft selbst über­haupt noch aus? – Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Es kennen sich nicht einmal die Ex­perten aus. Steuerberater schreiben mir zurück, dass sie nicht dazu kommen, für jeden Einzelfall irgendeine Vergleichsberechnung zu machen, weil sich diese einzelnen Förde­rungen ja teilweise – aber nicht alle – gegenseitig ausschließen. Da muss man natürlich Vergleichsberechnungen anstellen: Steige ich jetzt besser aus, wenn ich zum Beispiel einen Verlustersatz oder einen Ausfallsbonus beantrage, oder steige ich besser mit dem Fixkostenzuschuss Phase zwei aus? – Das sind überall unterschiedliche Förderstellen, es sind überall unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen und niemand – selbst die Fachleute nicht – kennt sich in diesem ÖVP-Förderwesen noch aus. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Es ist völlig klar, warum Sie das tun: weil Sie sich damit nämlich Abhängigkeiten schaf­fen, weil die Leute Ihnen – oder der Frau Staatssekretärin oder wem auch immer – wie­der dankbar sein sollen. Ihren Leuten sollen die Leute dankbar dafür sein, dass Sie den Leuten sagen: Hände falten, Goschn halten! Das ist das Motto. Die Leute sollen von dieser ÖVP-Förderbürokratie abhängig sein und dann auch noch dankbar sein, dass sie vielleicht vom Wirtschaftsbund noch ein bisschen Information kriegen, an welche Stellen sie sich denn wenden können. Das ist ein paternalistischer Zugang, der mit einem frei­heitlichen Rechtstaat nicht vereinbar ist. Mit diesem Menschenbild können wir Freiheit­lichen gar nichts anfangen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen eines: Wir werden dieser drittklassigen Lösung heute zustimmen, weil wir natürlich die Künstler nicht im Regen stehen lassen können, aber das heißt nicht, dass wir diese drittklassige Lösung als die beste akzeptieren. (Beifall bei der FPÖ. – Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

11.12


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Staats­sekretärin Mag.a Andrea Mayer gemeldet. – Bitte, Frau Staatssekretärin.


11.12.53

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglie­der des Bundesrates! Die Pandemie hat uns alle – und es ist die Pandemie (Ruf bei der FPÖ: Auch!) – doch auf vielen Ebenen sehr belastet – physisch, psychisch, viele auch ökonomisch –, so auch die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler. Für sie hat die Pandemie besonders gravierende Auswirkungen.

Der vorliegende Initiativantrag betrifft die beiden zentralen Hilfsmaßnahmen für diesen Bereich und soll damit zumindest in ökonomischer Hinsicht Sicherheit geben. Wir er­höhen die SVS-Überbrückungsfinanzierung von 110 auf 120 Millionen Euro und den


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Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversicherungsfonds von 20 auf 40 Millionen Euro. Beide Töpfe haben wir bereits im Herbst erhöht und den Covid-19-Fonds des KSVF so­gar schon zweimal. Allein das zeigt schon, dass es die Bundesregierung mit den Hilfen und der Unterstützung für den Kunst- und Kulturbereich sehr, sehr ernst meint. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Erst gestern haben wir uns auf weitere zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen und För­derungen für den noch immer sehr, sehr stark betroffenen Kunst- und Kulturbereich ge­einigt. Wir wollen diesen Bereich damit während der Krise und in der Übergangsphase aus der Krise heraus unterstützen. Es wird eine zusätzliche Förderungsschiene geben, damit Kulturbetriebe ihre jetzt bereits fertig geprobten, aber noch nicht aufgeführten Produktionen, Theaterstücke, Konzerte und anderen künstlerischen Darbietungen pro­fessionell abfilmen, ein Video erstellen und dann auch ins Netz stellen können, sodass es für uns als Publikum auch in dieser Zeit erlebbar ist.

Wir werden zusätzliche Mittel in die Hand nehmen, um in die Renovierung von Außen­bereichen und Innenbereichen der Kulturbetriebe zu investieren. Zusätzliche Mittel gibt es für eine Publikumsgewinnung, weil viele Kulturmanager mir doch ihre Sorgen klagen, ob das Publikum wieder in der gewohnten Zahl kommen wird. Da ist es natürlich auch wichtig, von unserer Seite aus ein Zeichen zu setzen, dass wir das fördern wollen, dass wir das Publikum im Sinne einer Rückholaktion ansprechen wollen. Wir wissen, die Kul­turbetriebe sind sichere Orte, es ist vom Infektionsgeschehen her ein kalkulierbares Risiko – wenn es denn dann auch bald losgehen kann.

Wir nehmen zusätzliches Geld in die Hand, um innovative künstlerische Tätigkeit zu för­dern. Neben diesen gestern zusätzlich verhandelten Fördermitteln – Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler hat es schon erwähnt – hat es seit Beginn der Coronakrise bereits 250 Millionen Euro zusätzlich zum regulären Kunst- und Kulturbudget gegeben. Wir ha­ben auch festgelegt, dass die Hilfen bis Juni weiter fließen werden, wenn das denn not­wendig sein sollte. Ich darf an dieser Stelle noch einmal eindeutig wiederholen, wie wich­tig diese beiden Instrumente für das Überleben der Kunst- und Kulturszene in Österreich sind.

Die Überbrückungsfinanzierung bei der SVS haben wir ins Leben gerufen, um den Künstlerinnen und Künstlern, die sich vor allem zu Beginn vom Härtefallfonds der Wirt­schaftskammer nicht ausreichend angesprochen gefühlt haben, eine Alternative anzu­bieten. Dieser Topf ist eine Erfolgsgeschichte. Wir haben bereits 90 Millionen Euro aus­bezahlt. Wir haben mit dem Lockdownbonus zuerst für November und Dezember und im Anschluss jetzt für Jänner und Februar Zusatzzahlungen ermöglicht, weil es durch das Veranstaltungsverbot in diesen Monaten kaum Auftrittsmöglichkeiten gab. Schon jetzt haben wir uns in der Bundesregierung darauf geeinigt, dass es auch für März und April eine solche Zusatzzahlung geben soll. Vor allem haben wir von Anfang an das Verspre­chen eingelöst, dass das alles einfach und unbürokratisch gehen soll. (Lebhafte Heiter­keit der Bundesrätin Schartel.) Von Anfang an und bis heute sorgt die SVS dafür – und dafür bin ich ihr sehr, sehr dankbar –, dass die Anträge binnen weniger Tage bearbeitet und die Hilfen überwiesen werden. Dieses Hilfsinstrument gilt bereits jetzt international als Best-Practice-Beispiel für die Unterstützung von freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern.

Wir wissen, dass es im Kulturbereich leider viele atypische Beschäftigungsverhältnisse und prekäre Arbeits- und Lohnverhältnisse gibt. Wir wissen, dass es viele Künstlerinnen und Künstler gibt, die normalerweise wenig aus ihrer künstlerischen Tätigkeit lukrieren können – so wenig, dass sie aus der Sozialversicherungspflicht herausfallen. Genau da kommt der Covid-19-Fonds des Künstler-Sozialversicherungsfonds ins Spiel. Er hat die­ser Personengruppe bisher Soforthilfen von bis zu 5 000 Euro pro Kopf ermöglicht. Auch diese Zahlungen – und das ist schon jetzt klar – werden bis Juni weiterlaufen.


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Natürlich, und das ist der Pferdefuß an dem Ganzen, kann keine Hilfszahlung der Welt ein Berufsverbot aufwiegen, und die derzeitige Situation kommt für viele Künstlerinnen und Künstler diesem gleich. Was wir aber tun können, ist, diese coronabedingte Notlage zu bekämpfen und dafür zu sorgen, dass Österreichs freischaffende Künstlerinnen und Künstler diese Krise auch überstehen. Dass das weiter möglich ist, garantieren wir mit der erneuten Aufstockung dieser beiden Hilfsmaßnahmen.

Ich danke für die schon jetzt zugesicherte breite Zustimmung. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

11.19


11.19.54

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Die Plätze sind bereits eingenommen, wie ich sehe.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.20.223. Punkt

Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2021 (III-737 und Zu III-737-BR/2021 d.B. sowie 10548/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Ich bitte um den Bericht.


11.20.53

Berichterstatter Marco Schreuder: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Tourismus, Kunst und Kultur des Bundesrates über den Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2021.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentli­chen Dienst und Sport betreffend EU-Jahresvorschau 2021 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Danke für den Bericht. Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist sogleich wiederum Herr Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.


11.21.31

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Die EU-Jahresvorschau ist ja immer auch insofern interessant, als man dann auch so etwas wie die Zukunftsthemen herausfiltern kann, die Themen, die uns im Kunst- und Kulturbereich in der Zukunft sehr stark beschäftigen werden. Das ganz Interessante daran ist, dass sehr viele Bereiche eigentlich noch aus der Zeit vor der Pandemie stam­men, aber man eigentlich das Gefühl hat, dass die Pandemie quasi schon mitgedacht worden ist, wenn man sich anschaut, dass gerade Resilienz, Nachhaltigkeit und auch die Digitalisierung die Schwerpunkte dessen sind, was die Europäische Union im Kunst- und Kulturbereich, aber auch im öffentlichen Dienst und im Sport plant.


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Ich finde, das ist auch ganz wichtig, denn gerade wenn wir aus dieser Krise herausge­hen, wird es wieder Investitionen brauchen – und es ist ja auch kein Zufall, dass wir zum Beispiel, als es um die Investitionsprämie in der Wirtschaft gegangen ist, einen ganz klaren Fokus auf die Nachhaltigkeit, auf Förderungen im Klimaschutz und auf Digitali­sierung gelegt haben. Ja, auch der Kunst- und Kulturbereich, der Sportbereich und der öffentliche Dienst haben sehr viel zu erledigen, wenn es um diese Zukunftsgeschichten geht. Das Schöne und das Wichtige daran ist, dass die Europäische Union da in einer gemeinsamen Aktion ganz klare Ziele vorgelegt hat – und ich finde das auch sehr gut so.

Ich möchte nur ein paar Beispiele herausgreifen: Das Projekt Creative Europe läuft von 2021 bis 2027, und so sehr sich Herr Kollege Schilchegger darüber aufregt, dass es Förderungen auf so vielen Ebenen gibt (Bundesrat Spanring: ... wieder nicht verstan­den! Sinnerfassend zuhören!), bin ich sehr froh, dass die Europäische Union da ein sehr deutliches Zeichen gesetzt hat und das Ganze um 60 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro erhöht hat. Es ist – gerade auch in der Pandemie – ein ganz wichtiges Signal, dass die Europäische Union da sehr viel Geld in die Hand nimmt, um in Kunst und Kultur zu in­vestieren. Das ist keine Förderung, das ist einfach eine Investition. Das muss man auch als solche sehen.

Die Verhandlungen wurden im Dezember 2020 abgeschlossen. Die formalen Annahmen werden nun im Laufe des Frühlings passieren; dann können auch schon die ersten An­träge gestellt werden, und das ist in höchstem Maße erfreulich.

Resilienz und Nachhaltigkeit sind natürlich gerade auch im Kulturgeschehen ein großes Thema; wir kennen selbstverständlich auch die großen Herausforderungen und Proble­me. Ich nenne nur das Beispiel, dass wir uns sehr viele neue Kinofilme mittlerweile zu Hause im Wohnzimmer und nicht mehr in einem Kinosaal anschauen – obwohl der Ki­nosaal natürlich eine Atmosphäre bietet, die ein Wohnzimmersofa in dieser Form nie bieten kann. Da gibt es aber nun einmal eine Veränderung des Verhaltens der Filme­macher und -macherinnen, die durchaus auch auf Streamingportale zurückgreifen. Gleichzeitig besteht aber darüber hinaus der Wunsch von vielen, diese Filme auch im Kino erleben zu können. Das ist zum Beispiel eines dieser Digitalisierungsthemen, die einfach anstehen, auf die wir auch noch nicht alle Antworten haben, aber auf jeden Fall ist das in der Entwicklung dessen, was da passiert, auch ein Thema.

Ein weiteres großes Thema – auch für die Kultur – ist natürlich, wie man klimaneutrale Veranstaltungen organisiert. Diesbezüglich gibt es vonseiten der Europäischen Union hervorragende Maßnahmen und auch sehr, sehr viele Überlegungen und Gedanken zum Thema internationale Zusammenarbeit, weil, wie wir alle wissen, sich die Frage der Mobilität ja natürlich auch in der Kulturlandschaft stellt. Derzeit lasse ich mir von den großen Ausstellungen, die ich mir gerne anschauen wollte, die Kataloge zukommen, weil ich nicht nach London und nach Rom kann. Das ist natürlich hoffentlich nach der Pan­demie – (erheitert) am besten mit einem Nightjet – wieder möglich, dass wir uns dann die schönen Ausstellungen ansehen. Zum Beispiel wäre derzeit eine Ausstellung von Raffael in Rom, die ich mir ganz gerne anschauen würde.

Ein anderes großes Thema in der Digitalisierung ist selbstverständlich – und da arbeitet zum Beispiel auch die Österreichische Nationalbibliothek sehr intensiv im internationalen Kontext mit – die Digitalisierung der Kulturbestände, die wir in unseren Archiven haben. Da ist die digitale Plattform Europeana in Planung, und das ist wirklich eine ganz, ganz hervorragende Sache.

Im Übrigen ist natürlich beim Sport das klimaneutrale Veranstaltungswesen gleichfalls eine ganz große Herausforderung. Ich möchte auch ausdrücklich sagen, dass zum Bei­spiel auch eine Institution wie der ÖFB sehr intensiv daran mitarbeitet, wie wir in Zukunft


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Sportveranstaltungen in Sachen Mobilität, in Sachen Veranstaltungen klimaneutral ge­stalten können.

Für den öffentlichen Dienst gibt es natürlich ein Konzept der Europäischen Union, das wir auch in unserem Regierungsübereinkommen ganz stark betont haben – da hatte ich ja die große Freude, selbst aktiv zu den Verhandlungen beigetragen zu haben, das war aus meiner Sicht eine wunderbare und wichtige Sache –, nämlich die Partizipations­möglichkeiten und das Open-Government-Prinzip. Das ist bestimmt etwas, das uns auch noch sehr viel Arbeit machen wird, aber natürlich auch eine unglaubliche neue Transpa­renz ermöglichen wird.

Wir haben ja gerade eben auch das Thema Amtsgeheimnis in aller Öffentlichkeit dis­kutiert; das war ja schon seit Jahren ein sehr wichtiges Thema. Die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen sind diejenigen, die beispielsweise auch die Durchführung von Stu­dien bezahlen. Open Government ist das Prinzip, dass man dann auch sagt – und da hat Herr Schilchegger durchaus recht –, man soll diese Daten den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen zur Verfügung stellen, indem man Open-Data-Plattformen ermöglicht und es zum Prinzip erklärt, dass alle Studien öffentlich sein sollen, außer es gibt zum Beispiel Datenschutzgründe, Personenschutzgründe oder auch Gründe der Gefährdung der nationalen Sicherheit dafür, dass man das nicht tut.

Das ist ja auch ein Vorschlag der Europäischen Union, das wird ein europäischer Stan­dard sein, da wird Europa sicher auch international ein Vorreiter sein, auch global gese­hen, und das ist in höchstem Maße begrüßenswert.

Wir werden diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.28


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Sebastian Kolland. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.28.54

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch für die Europäische Union ist es eine schwierige Situation, auch in der Programmatik wird derzeit vieles durchein­andergewirbelt und natürlich von der Coronasituation überschattet. Ich denke aber, dass es trotzdem gerade derzeit wichtig ist, nicht aus den Augen zu verlieren, wie es um an­dere Themen bestellt ist, und dass man auch den Fokus darauf belässt.

In der Jahresvorschau erhält man eigentlich eine gute Übersicht, die zeigt, was im Kunst- und Kulturbereich, im Sportbereich und im öffentlichen Dienst geplant ist und wo die Schwerpunkte gesetzt werden. Ein Metathema, das Kollege Schreuder auch schon um­schrieben hat, ist die Digitalisierung, die sich durch alle Bereiche zieht. Ich glaube, das ist auch wesentlich, weil es wahrscheinlich wenige Entwicklungen gibt, die die Gesell­schaft und unser Leben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten so massiv beeinflussen werden, wie es die Digitalisierung tut.

Das sieht man in diesem Bericht deutlich im Kunst- und Kulturbereich – auch das hat Kollege Schreuder erwähnt –, wenn es um die Bewahrung von Kunst- und Kulturmate­rial, um Projekte zur Digitalisierung in diesem Bereich geht. Darüber hinaus ist das The­ma natürlich im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der Open-Government-Lö­sungen sehr präsent, und natürlich findet es sich auch im Sportbereich bei der Nutzung von digitalen Instrumenten in der Trainerausbildung. Es ist eine vielfältige Palette an Themen, alle sind wichtig.

Ich möchte aber speziell auf eines eingehen, dessen Dringlichkeit die Krise nunmehr deutlich gemacht hat, und zwar ist es die Resilienz und Nachhaltigkeit der Kultur- und


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Kreativsektoren. Ich bin schon der Meinung, dass wir es mit sehr umfangreichen Hilfen geschafft haben, auch in diesem Bereich vieles abzufangen und vielen Künstlerinnen und Künstlern, die es schwer haben, zu helfen. Es zeigt sich aber schon auch, und das ist Tatsache, dass es gerade in diesem Bereich trotz Hilfen viele gibt, die an den Rand der Existenz gedrängt sind – und das ist nicht nur eine krisenbedingte, sondern eine strukturelle Herausforderung, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa.

Die Kulturbranche steht in ganz Europa unter Druck – und es ist deshalb wesentlich, dass in diesem Programm, in dieser Vorschau und auch im Programm des portugiesi­schen Ratsvorsitzes dieses Thema einen hohen Stellenwert einnimmt. Es macht auch Sinn, dass man da einen internationalen Ansatz wählt, weil es wahrscheinlich wenige Bereiche gibt, die international so vernetzt sind wie die Kulturbranche. Die europäische Vorsitzführung möchte das Thema auch offensiv vorantreiben. Bei der Ratstagung der europäischen Kulturminister am 18. Mai sollen Initiativen in diese Richtung beschlossen werden; ich hoffe, dass diese Ratstagung auch zustande kommt. Wir hoffen es sehr, weil das Thema einfach entscheidend ist – und ich hoffe, dass da auch etwas Substanzielles für die Branche herauskommt.

Es ist vorhin ja schon erwähnt worden: Es gibt großen Druck auf die Branche, viele ha­ben es nicht leicht, und sie hätten es sich auch verdient, dass man großen Wert auf diese Branche legt, die ja im öffentlichen Diskurs oftmals nicht die Wertschätzung erfährt, wie es andere tun, und die vielleicht nach außen hin auch nicht so laut ist wie andere Branchen. Derzeit braucht es die Krisenfeuerwehr, keine Frage. Es braucht rasche und unbürokratische Hilfen. Es braucht ein Netz, das alle möglichst gut auffängt und ihnen über diese schwierige Zeit hinweghilft.

Nach der Krise – und diese Zeit wird kommen – ist es allerdings wichtig, dass wir uns auch Gedanken darüber machen, wie wir alle Branchen, aber ganz speziell die Kultur­branche, strukturell festigen und stärken, sodass sie durch zukünftige Krisen – und auch darauf müssen wir uns vorbereiten – gefestigter kommen und nicht bei jeder Krise sofort wieder unter Druck geraten und an den Rand der Existenz gedrängt werden. Das ist ganz entscheidend, Frau Staatssekretärin. Ich bin mir sicher, Sie werden sich diesem Thema auch widmen, möchte mich sehr herzlich für den Bericht bedanken und werde ihn ebenfalls gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

11.33


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.33.17

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­schätzte Frau Staatssekretärin! Europa ist nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, nicht nur eine Wertegemeinschaft, sondern auch eine kulturelle Gemeinschaft mit einem un­glaublichen Bogen, mit einer unglaublichen Spannung. Dieses Programm Creative Europe müsste man gegenwärtig eigentlich eher als Recreative Europe bezeichnen. Die Frau Staatssekretärin hat ja vorhin ein Wort verwendet, das man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen muss, weil es die gesamte Dramatik dessen, was da in Europa und bei uns geschieht, beinhaltet: Es gab und gibt noch immer ein „Berufsverbot“ für Künstler und Künstlerinnen – „Berufsverbot“! Das wurde und wird natürlich in Europa ein wenig unterschiedlich ausgelegt, aber die Ersten, die das Berufsverbot getroffen hat, waren die Künstler und Künstlerinnen, und sie werden wahrscheinlich die Letzten sein, für die das Berufsverbot auch wieder aufgehoben wird. Umso erfreulicher ist, dass es auch Mitgliedstaaten der Union wie zum Beispiel Luxemburg gibt, wo die Kulturminis­terin, die gleichzeitig Justizministerin ist, im Jänner entschieden hat, dass Konzerte und Aufführungen wieder stattfinden dürfen; daraus ergab sich kein einziges Problem – und


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Luxemburg hat die Museen nicht geschlossen. Das ist schon eine sehr spannende Ge­schichte. Klarerweise müssen wir da gemeinsam vorgehen, lieber Marco Schreuder.

Das Fehlen der Kinos hat aber einen anderen Effekt gehabt: ein Revival bei den Autoki­nos. Versuch einmal, beim Wiener Autokino einen Platz zu bekommen! Da musst du dich sehr früh anmelden. Die Autokinos waren ja eigentlich am Absterben – und nun kommen sie zurück.

Creative Europe umfasst Kulturschaffende, Musikproduktionen, aber auch Qualitätsjour­nalismus und -medien. In diesem Zusammenhang möchte ich der Regierungskoalition sagen: Die Pläne, eine der besten österreichischen Qualitätszeitungen, nämlich die „Wiener Zeitung“, einzustellen, sind eine Schande. (Beifall bei der SPÖ.) Gerade im Blät­terwald blühen nicht so viele Blüten – und deshalb darf die „Wiener Zeitung“ nicht ein­gestellt werden.

Ein anderes Kompliment geht allerdings an den öffentlich-rechtlichen ORF. Daran, wie der ORF überall versucht hat, die Kulturszene – zum Beispiel zuletzt vor allem die Auf­führungen aus den verschiedenen Landestheatern – nach Hause zu bringen, zeigt sich, wie wichtig das Betreiben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist.

Österreich hat im Rahmen von Creative Europe einen speziellen Schwerpunkt im Be­reich der Filmbranche gesetzt und ist damit ganz gut gefahren. Man hat bisher 30 Mil­lionen Euro daraus lukrieren können. Da geht es vor allem um die interdisziplinäre Zusammenarbeit, und – der 8. März ist noch nicht so lange her – es geht auch in diesem Bereich um die Geschlechtergleichstellung und um Kohäsion.

Resilienz und Nachhaltigkeit wurden bereits von Vorrednern angesprochen, da will ich gar nicht weiter in die Tiefe stoßen.

Wichtig ist aber die Finanzierung des Kulturerbes und auch des audiovisuellen Sektors. Wir haben gesehen, wie kreativ manche Museen waren, die bei der Onlinezugänglichkeit wirklich interessante Programme aufgestellt haben, um den Interessierten eine Möglich­keit zu geben, durch die Welt und durch die Geheimnisse der österreichischen Museen und gewisser Ausstellungen zu gehen. Ich muss ehrlich sagen: Ein aufrichtiges großes Kompliment dafür, was da passiert!

Im gesamten Bereich Creative Europe vollzieht sich natürlich auch die digitale Trans­formation. Das ist ein ganz wichtiger Bereich. Auch wenn wir alle danach lechzen und die Sehnsucht haben, ein Theaterstück, eine Musikaufführung, eine Oper und so weiter wieder live zu erleben, ist die digitale Transformation hier nicht zu unterschätzen.

Was diesen Bereich betrifft, ist auch der öffentliche Dienst zu nennen, der sich auch auf das Thema moderne Verwaltung und Digitalisierung einstellt, wobei ich immer davor warne, Digitalisierung nur im Zusammenhang mit Jobabbau zu sehen – das wäre der falsche Plan! –, sondern die Digitalisierung ist im Gegenteil eine große Hilfe.

Was noch zu diesem Programm beim öffentlichen Dienst gehört, ist Open Government: die Teilnahme über einen digitalen Weg. Da gibt es derzeit ein Vorbildland, und zwar Finnland. In Finnland ist die Bevölkerung dazu aufgerufen, pro Jahr 600 Gesetzesvor­schläge einzubringen. In einem Prozess der digitalen Diskussion über ein halbes Jahr werden 50 daraus, und aus den 50 – das ist ein eisernes Versprechen, und jedes Mi­nisterium muss das unterstützen – werden fünf Gesetze. Diese fünf Gesetze werden in einem Open-Government-Dialog, und das garantiert die Regierung, auch Wirklichkeit. Sie werden natürlich in dem Rahmen auch abgestimmt, denn die Bevölkerung macht da nur mit, wenn das kein Schmähfu ist – und das ist in Finnland nicht der Fall.

Die gute Nachricht dabei ist aber – weil Korinna Schumann mich so anschaut (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann) –: Es gibt (Bundesrat Steiner: Wehe, du sagst ...!) so et­was auch in der Stadt Wien. Jedes Jahr ist eine Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern


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der Stadt Wien eingeladen, ihre Ideen einzubringen, sogenannte Leuchtturmprojekte zu identifizieren und in diesem Rahmen zu entscheiden – und die Stadt Wien setzt dies auch um. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist moderne Interessenfindung, moderne Teilhabe. Ich weiß, es gibt auch noch einige andere Städte in Österreich, die diesem Wiener Bei­spiel gefolgt sind, aber dieses Open Government ist etwas ganz Wichtiges, weil die Men­schen immer mehr mitsprechen wollen.

Ein wichtiger Punkt ist die Lernmobilität: Das Zuckerstück der Europäischen Union geht weiter, Erasmus geht weiter. Das ist etwas, denke ich, bei dem wir alle auf einer Linie sind.

Im Bereich des Sports, der hier auch angeführt wird, geht es natürlich darum, die UN-Agenda 2030 zu Nachhaltigkeit, Gesundheitsförderung, Innovation, Integrität und so weiter auch im Rahmen der Europäischen Union zu erfüllen.

In diesem Sinne: Ja zu Creative Europe, ja zu diesem großartigen Programm der Euro­päischen Union, diesem Zusammenwirken von Künstlern und Künstlerinnen in ganz Europa und dazu, dass wir alle dieses „Berufsverbot“ bald als Vergangenes sehen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Ofner. – Bitte, Herr Bundesrat.


11.42.16

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatsse­kretärin! Werte Kollegen! Verehrte Zuhörer vor den Bildschirmen! Es ist fast ein schönes Bild – wenn es nur etwas näher an der Wahrheit wäre! –, wenn jeder von der ÖVP, von den Grünen und der SPÖ hier herausgeht und sagt: Wir möchten die Öffnung der Kunst- und Kulturszene, die Öffnung des Sports. – Ja machen Sie es bitte! Sie beschließen nur immer das Gegenteil von dem, was Sie hier heraußen sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Wenn man sich diese EU-Vorlage und dieses Programm anschaut, so ist es auf knapp 20 Seiten zusammengefasst. Das ist nun mei­nes Erachtens nicht der große Wurf, aber worauf ich eingehen möchte, das sind die Grundlagen, auf die diese EU-Vorschau aufgebaut ist, das ist nämlich das Arbeitspro­gramm der Europäischen Kommission, das Achtzehnmonatsprogramm des Rates oder auch das portugiesische Arbeitsprogramm. Wenn man sich diese Berichte und Pro­gramme entsprechend durchliest, so müsste der Arbeitstitel eigentlich lauten: in Brüssel nichts Neues – denn außer fortgeschriebenen Floskeln, formulierten Widersprüchlichkei­ten und Willensbekundungen ist nichts Greifbares zu erkennen, und die Kunst und Kultur wird, so wie ich es bereits erwähnt habe, eigentlich nur am Rande gestreift.

Was hingegen zu erkennen ist, und Kollege Schreuder hat das ausgeführt, das ist das Wort Resilienz, das wirklich zum Unwort des Jahres 2021 avancieren und sogar den Anschober-Spruch, die nächsten zwei Wochen werden entscheidend sein, mit Abstand in den Schatten stellen dürfte. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Daher möchte ich ein paar Dinge aufzeigen, die nicht beleuchtet wurden – und zwar ist auch in der Vorschau von der Schaffung nachhaltiger Zukunftsperspektiven oder der Schaffung einer modernen Verwaltung mittels einer verbesserten Digitalisierung die Rede. Ja, das wäre auch notwendig, denn gerade im Zusammenhang mit der Corona­pandemie hat es den Anschein gegeben, als wäre die ganze Europäische Union vom Netz genommen worden, da es monatelang um diese EU eigentlich sehr still war und eine entsprechende Zusammenarbeit, die es gebraucht hätte, nicht stattgefunden hat. Ein Beispiel ist ja nur, wie toll etwa die Organisation bei der Impfstoffbeschaffung funk­tioniert hat – ein weiteres Beispiel ist natürlich auch, was Solidarität in dieser Situation ausmacht.


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Da heißt es im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission – ich zitiere –: „Europa hat gezeigt, dass es im Krisenfall zu raschem Handeln fähig ist, echte Solidarität zeigen kann, wenn dies nottut, und kollektiv Dinge verändern kann, wenn es nur will.“ – Entwe­der wollte es also nicht, oder es ist ein Widerspruch in sich, oder gewisse Funktionsträger haben leichte Wahrnehmungsstörungen in Bezug auf die Realität, denn wir können uns noch gut an das Vorjahr erinnern, als medizinische Hilfsgüter von Mitgliedstaaten an den Grenzen aufgehalten und nicht weitervermittelt wurden. Vielleicht ist das gar kein Wider­spruch, sondern es ist einfach die gelebte Solidarität à la EU, das mag auch sein.

Was wir noch erkennen – und das hat auch Kollege Schreuder angesprochen –: Green Deal, das ist das Wichtigste in Zeiten, in denen die Wirtschaft am Boden ist. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Ich glaube, dass das Hauptaugenmerk künftig auf andere Bereiche gelegt werden sollte – und zwar dass der Aufbau der Wirtschaft forciert werden sollte, so rasch wie möglich Arbeitsplätze geschaffen werden sollten, der Arbeitsmarkt stabilisiert werden sollte und man sich in dieser EU endlich seiner sozialen Verantwor­tung widmet. (Beifall bei der FPÖ.) Es ist schließlich genau diese EU, die ebenso wie die österreichische Bundesregierung aufgrund ihrer zahlreichen überzogenen Maßnahmen Mitverantwortung und Mitschuld an der Herbeiführung dieser wirtschaftlichen Krise trägt.

Dieselbe Situation lässt sich ja auch, wenn man sich das anschaut, in den Bereichen der europäischen Asyl- und Migrationspolitik erkennen, denn anstatt die illegale Migration und auch das Schlepperwesen effektiv zu bekämpfen, arbeitet man mit einem neuen Migrations- und Asylpaket, um die legale Migration zu ermöglichen. Ja, was das bedeu­tet, das können wir uns natürlich gegenwärtig schon ausmalen. Da sieht man aber auch wieder deutlich die Parallelen zwischen der EU und dieser Bundesregierung, weil man auf der einen Seite bis heute keinen effektiven Außengrenzschutz zusammengebracht hat, um Leute auszusperren, die in unserem Land nichts zu suchen haben, aber die eigene Bevölkerung und die eigenen Bürger in unserem Land einzusperren ist auf der anderen Seite sehr gut gelungen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zahlen belegen das ja auch: um die 20 000 Aufgriffe von Illegalen im Jahr 2020. – Und wir können uns noch an die Situation im Februar des Vorjahres erinnern: eine ge­fährliche Situation an der griechisch-türkischen Grenze, bei der die Menschen davon abgehalten werden mussten, einzureisen. Und nach dem Ende des Lockdowns, ja schau, sind alle verschwunden. Da ich nun nicht glaube, dass diese Menschen gesagt haben: Ui, die haben da in Europa Corona, wir gehen wieder nach Hause!, glaube ich – und die Aufgriffe belegen es –, dass die einfach durchgeschleust worden sind. Daher ist die Dunkelziffer wohl auch wesentlich höher, als es die Aufgriffe mit 20 000 in Österreich alleine darstellen. Da zeigen sich abermals die Widersprüche, denn während man be­teuert, man wolle die illegale Migration stärker bekämpfen, wird sie in der Realität noch gefördert, weil man daran arbeitet, sie zu legalisieren.

Gleich interessant ist es, wenn dann im Achtzehnmonatsprogramm des Rates die Rede vom Schutz der Bürger und ihrer Freiheiten, der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhän­gigkeit der Medien ist. Wenn es nicht um so ein ernstes Thema wie um den Erhalt der Grund- und Freiheitsrechte ginge, müsste man ja regelrecht schmunzeln, denn wieder wird von dieser EU und auch von der österreichischen Bundesregierung genau das Gegenteil gemacht: Die Freiheiten der Bürger werden massiv eingeschränkt, die Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen getreten und die Medien für die eigenen Zwecke beinhart mit Inseraten und Förderungen gekauft. (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir nun zu diesem schönen Begriff der Resilienz: Man hat sich das Ziel gesetzt, die Resilienz der Bevölkerung zu stärken, aber unternimmt gegengleich alles – und mitt­lerweile belegen es ja auch Studien –, dass die psychische Gesundheit der Menschen Tag für Tag belastet wird. Man will die Resilienz der wirtschaftlichen Souveränität von Europa fördern, indem man kleinere und mittlere Unternehmen stärkt, und bringt sie


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gleichzeitig durch vollkommen überzogene Maßnahmen um. Man spricht zudem davon, dass die Resilienz der Landwirtschaft und die Vitalität des ländlichen Raums von zentra­ler Bedeutung sind. Die Formulierung trägt den Widerspruch schon in sich, weil man ständig die Zentralisierung forciert und den ländlichen Raum völlig ignoriert.

Diese Vorschau einerseits und die entgegengesetzten Handlungen andererseits in der EU haben, wie gesagt, viel Ähnlichkeit mit dieser schwarz-grünen Regierungs-Demokra­tur. Wen wundert es daher, dass diese Regierung und auch die Regierungsmitglieder diese EU-Vorschau ausdrücklich begrüßen? Wir begrüßen diese keinesfalls. Wir werden den vorliegenden Bericht lediglich zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.50


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Inzwischen eingetroffen ist die Frau Bundes­ministerin für EU und Verfassung, Frau Mag.a Karoline Edtstadler. Herzlich willkommen im Bundesrat!

Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Frau Staatssekretärin Mag.a Andrea Mayer zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


11.50.55

Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich möchte kurz auf Herrn Abgeordneten Schennach replizieren, ich glaube nämlich, er hat mich falsch verstanden: Es ist natürlich nicht so, dass es ein Berufsverbot für die Künstler und Künstlerinnen in Österreich gibt. Vielmehr war es mir immer wichtig, die Berufstätigkeit der Künstlerinnen und Künstler während des Lockdowns möglich zu machen, und es war natürlich immer so, dass in den Theaterhäusern, Konzerthäusern und Kulturinitiativen, also in allen Kul­turbetrieben, eine Probe möglich ist und dass auch künstlerische Darbietungen ohne Publikum möglich sind, denn sonst hätten wir ja nicht diese tollen schon angesprochenen Übertragungen aus der Staatsoper und anderen Häusern gehabt.

Bei dieser Gelegenheit, sehr geehrte Damen und Herren, darf ich Ihnen die Theater­abende am Freitag in ORF III ans Herz legen, die jetzt an elf Freitagen elf Produktionen österreichischer Theater quer durchs Land – von freien Theatern bis zu großen Thea­tern – in unsere Wohnzimmer bringen. Das ist eine ganz tolle Aktion und ein wichtiges Lebenszeichen auch für die österreichische Theaterszene.

Aber nun, sehr geehrte Damen und Herren, zum gegenständlichen Bericht des Bundes­ministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, der die Vorhaben der Euro­päischen Kommission und des Rates im Jahr 2021 umfasst. Die Schwerpunkte sind auch auf europäischer Ebene vor dem Hintergrund der Pandemie gesetzt. Der Fokus liegt in allen drei Bereichen auf einem verstärkten europäischen Erfahrungsaustausch und auf den Themen Resilienz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die EU-Dossiers in den Bereichen Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, die in diesem Bericht erläutert wer­den, werden bislang plangemäß umgesetzt. Seit einem Jahr finden Tagungen auf EU-Ebene grosso modo im digitalen Raum statt. Das hat sich ganz gut eingespielt, und die Verhandlungen schreiten auch zügig voran.

Unter dem portugiesischen EU-Ratsvorsitz werden derzeit Ratsschlussfolgerungen, die voraussichtlich am 18. Mai 2021 verabschiedet werden, zu den folgenden drei Themen verhandelt: Resilienz und Nachhaltigkeit der Kultur- und Kreativsektoren, Medien und der audiovisuelle Sektor im Wandel sowie Innovation und Digitalisierung im Sportbe­reich. Ganz oben auf der Agenda steht auch der Start der EU-Förderprogramme Creative Europe und Erasmus plus mit dem Sportkapitel. Die Budgeterhöhung für beide Programme im Finish der Verhandlungen Ende letzten Jahres war ein wirklich deutli­ches, wichtiges Signal für die von der Pandemie stark betroffene Kultur-, Film- und Sport­branche.


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Auch die Diskussionen zum öffentlichen Dienst drehen sich um Digitalisierung, Partizi­pation und Open Government. Das Ziel ist klar, nämlich die Schaffung einer modernen und flexiblen öffentlichen Verwaltung im Dienste der Bürgerinnen und Bürger Europas. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.54


11.54.21

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Die Plätze sind bereits eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.54.494. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz über die Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes (Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz – ÖJKG) (605 d.B. und 641 d.B. sowie 10552/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Ich bitte um den Bericht.


11.55.16

Berichterstatterin Dipl.-Ing. Andrea Holzner: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesge­setz über die Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes (Österreichisch-Jü­disches Kulturerbegesetz).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile dieses. – Bitte.


11.56.06

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das Thema, das wir heute behandeln, ist ein sehr erfreuliches, obwohl die Geschichte sehr unerfreulich ist. Ich glaube, so muss man das zusammengefasst formulieren.

Warum ist das ein so wichtiges Thema? – Das reiche jüdische Leben und die Kultur, die auch viel mit dem Alltagsleben der Juden und Jüdinnen in unserem Land zu tun hat, haben sehr viele Spuren, historische Spuren und auch sehr viele historische Wunden in unserem Land hinterlassen. Genau deswegen ist das, was wir heute beschließen, so wichtig.

Ich möchte – ich glaube, ich habe das hier schon einmal gemacht, aber Erinnerung ist manchmal ganz hilfreich – nur ein Beispiel der jüdischen Gemeinde in Wien nennen, weil ich doch ein Wiener Abgeordneter bin, sodass ich darauf den Fokus legen möchte.


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Wie reich war das jüdische Leben in dieser Stadt? – Wir hatten in Wien vier jüdische Gemeinden. Warum haben wir jetzt die vierte jüdische Gemeinde? Warum gibt es da keine historische Kontinuität? – Der Grund dafür ist, dass es in diesem Zusammenhang auch eine Geschichte der Vertreibung, der Verfolgung und der Ermordung gibt. Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass das sehr oft passiert ist.

Die erste jüdische Gemeinde, die wir kennen, stammt noch aus dem Mittelalter. Wir wis­sen, dass das die Zeit der Babenberger ist, als Richard Löwenherz entführt worden ist und in Dürnstein saß. Damals gab es schon Berater und Finanzberater der Babenberger. Einen kennen wir sogar namentlich, nämlich Schlomo, der übrigens der erste Jude in Wien ist, den wir auch namentlich kennen, aber es gab sicherlich eine jüdische Tradition schon viel länger davor. Wer sich übrigens das kulturelle Erbe dieser ersten jüdischen Gemeinde anschauen möchte, kann das beispielsweise in der Dependance auf dem Judenplatz machen. Unterhalb des Schoah-Denkmals kann man sich die Synagoge des Mittelalters anschauen. Es gibt da eine ganz tolle Videoinstallation des Jüdischen Mu­seums, wo man sehen kann, wie die jüdische Community in Wien damals ausgeschaut hat und wie die Menschen gelebt haben. Damals gab es noch das Wort Ghetto, und man sieht, wie diese Stadt in der Stadt ausgesehen hat. Das ist sehr spannend.

Warum gibt es diese erste Gemeinde nicht mehr? – Man hat im 14. Jahrhundert die Juden vertrieben, und danach hat es keine Juden mehr in der Stadt gegeben.

Dann gab es eine zweite Gemeinde in der Neuzeit, bis zum Barockzeitalter. Wenn man sich die historischen Spuren dieser Gemeinde anschauen will, dann geht man in den 9. Bezirk. Damals mäanderte die Donau noch ganz anders durch die Stadt, damals waren der 9. Bezirk und der 2. Bezirk sozusagen eine Insel, und die Wiener haben diese Insel auch als Mazzesinsel bezeichnet. Auf dieser Mazzesinsel hat es auch einen Fried­hof gegeben. Dieser Friedhof liegt heute im 9. Bezirk in der Seegasse. Dort ist jetzt ein Pensionistenwohnheim der Stadt Wien, und wenn man dort durchgeht, sieht man hinten im Hof die Grabsteine aus der Neuzeit und dem frühen Barock. Dort kann man sich das Erbe der zweiten jüdischen Gemeinde anschauen. Im Übrigen kann man sich in der Mauer rundherum auch Stücke aus der ersten jüdischen Gemeinde anschauen. Als man nämlich im Zuge des Baues der Ringstraße uralte Grabsteine aus dem Mittelalter gefunden hat, hat man sie dort in der Mauer eingelassen, um das auch der Bevölkerung zu zeigen.

Warum gibt es diese zweite Gemeinde nicht mehr? – Weil um 1670 ein gewisser Kaiser Leopold – weswegen der 2. Bezirk, den man früher Mazzesinsel nannte, auch heute noch Leopoldstadt heißt – die Juden vertrieben hat: Deswegen gibt es keine zweite Ge­meinde mehr.

Die dritte Gemeinde haben wir Josef II. zu verdanken, der mit dem Toleranzpatent er­möglichte, dass auch andere Konfessionen in dieser Stadt leben konnten. Zu dieser Zeit gab es eine ganz reiche Geschichte und ein ganz reiches kulturelles Erbe, das zu schil­dern hier den Rahmen total sprengen würde. Diese Gemeinde existierte auch während des Fin de Siècle, als diese wunderbare Kultur rund um 1900 hervorgebracht wurde, die wir ja zu Recht lobpreisen und weswegen hoffentlich nach der Pandemie wieder Mil­lionen Menschen als Touristinnen und Touristen nach Wien kommen werden. Auch das beinhaltet ein reiches jüdisches Erbe. Dieses jüdische Erbe und deren Schöpfer wurden 1938 vernichtet, ermordet, verfolgt, getötet.

Warum ist das, was wir heute beschließen, so wichtig? – Wir haben heute die vierte jüdische Gemeinde, und in diesem Zusammenhang ergibt sich eine Frage, die wir uns immer wieder stellen müssen. Wir hatten vor 1938 hier 200 000 Juden und Jüdinnen, jetzt hat die Kultusgemeinde in Wien etwa um die 8 000 Mitglieder, und auch wenn man die Juden und Jüdinnen, die nicht organisiert sind – weil es ja auch Juden und Jüdinnen


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hier gibt, die nicht Mitglied in der Kultusgemeinde sind –, mitzählt, ist das trotzdem eine überschaubare beziehungsweise kleine Zahl von Menschen, die gleichzeitig dieses rie­sige Erbe bewältigen muss. Das könnte eine so kleine Gemeinde von sich aus gar nicht bewältigen. Deswegen haben wir zum Beispiel betreffend die Friedhöfe immer so lange diskutiert, wie wir das finanzieren.

Eine ganz wichtige Frage ist, welches jüdische kulturelle Erbe wir heute für die zukünftige Generation schaffen. Diese wichtige Gemeinde wird und muss immer ein Bestandteil dieses Landes sein. Das betrifft ja eigentlich nicht nur jüdisches Erbe, sondern das ist ja unser österreichisches Erbe, das auch eine jüdische Facette hat. Das ist auch wichtig zu betonen. Und die Frage lautet: Wie schaffen wir es, den Menschen eine Möglichkeit zu geben, auch heute eine jüdische Identität und eine jüdische Kultur für die zukünftigen Generationen zu schaffen?

Da geschehen ja tolle Dinge. Ich erwähne etwa das jüdische Filmfestival und andere Veranstaltungen. Das Jüdische Museum macht hervorragende Ausstellungen auch im zeitgenössischen Kontext. Das ist meines Erachtens ganz, ganz wichtig, und daher ist es so gut, dass wir das heute beschließen.

Noch etwas Interessantes möchte ich festhalten, denn ich habe ja auch sehr viel Kontakt mit einer jungen jüdischen Generation: Es gibt eine Parallele zwischen – ich drücke das einmal so aus – der Tätergeneration und der Opfergeneration, wiewohl ich weiß, dass das ein bisschen generalisierend ist. Das Jahr 1988 war das Gedenkjahr an 50 Jahre Anschluss. Ich erlebte das damals in der Schule, und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass wir als junge Generation angefangen haben, die ältere Generation zu fragen: Was ist denn da eigentlich geschehen? (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Ich dachte immer, dass dieses Verschweigen beziehungsweise dieses Nicht-darüber-reden-Wollen eine typische Reaktion der sogenannten Täter und Täterinnen gewesen sei, bis ich dann die junge jüdische Generation kennengelernt habe, und diese jungen Menschen sagten mir, dass sie dieses Nicht-darüber-reden-Wollen auch in ihrer Ge­meinde ganz stark wahrgenommen haben. Da gibt es auch ein Generationengefälle. Die Menschen der jungen jüdischen Generation sind ganz selbstbewusst jüdisch. Sie sagen ganz selbstbewusst: Ich bin Jüdin, ich bin Jude, ich bin Österreicher, ich bin Österrei­cherin, und ich bin beides. Sie sagen: Ich bin beides gerne. Ich bin in dieser Stadt und ich will auch leben können und meine Kultur hier haben. Ich will meine Sichtbarkeit hier haben.

Ich finde es gut, dass wir dieser Generation heute diese Sichtbarkeit auch gewährleisten. Deswegen freue ich mich über diesen Akt. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, und wir stimmen natürlich gerne zu. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.04


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Se­bastian Kolland. Ich erteile es ihm. – Bitte.


12.04.27

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Bundesgesetz über die Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes um­fasst zwei Seiten und sechs Paragrafen. Das Gesetz, das wir heute hier diskutieren, ist ein kurzes Gesetz, aber die Bedeutung dieses Gesetzes geht weit über den Textumfang hinaus. Es sagt nämlich sehr viel über uns als Gesellschaft aus, wie wir mit dem jüdi­schen Erbe in unserem Land umgehen.


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Die Geschichte des Judentums in Europa ist ganz eng auch mit der Geschichte unseres Landes verknüpft. Ganz vieles, auf das wir heute in Österreich in vielen Bereichen – in der Kunst, in der Kultur, in der Wissenschaft – stolz sind, trägt die Handschrift der jüdi­schen Gemeinde in Österreich. Eigentlich sollte man der Meinung sein, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass eine Gemeinschaft, die auch so viele Beiträge in unse­rem Land geleistet hat, sicher und frei in diesem Land leben kann.

Das war aber in der Vergangenheit nicht so, und es ist leider auch heute nicht so, weil das Gift des Antisemitismus nicht kleinzukriegen ist, nicht in Österreich und nicht in Eu­ropa. Lange Zeit bestand vor allem eine glaubensbedingte Feindschaft gegenüber dem Judentum, und auch die katholische Kirche hat sich in diesem Zusammenhang oftmals nicht rühmlich verhalten, wie man sagen muss, und hat Fehler gemacht. So ist es, und auch heute gibt es, parallel zur gesellschaftlichen Fragmentierung, vielfältige Formen des Antisemitismus aus vielen Richtungen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Im Antisemitismusbericht der Parlamentsdirektion wurde das sehr genau beleuchtet und dieses Problem aufgezeigt. Es gibt einen Antisemitismus aus dem muslimisch-arabi­schen Bereich, sehr stark genährt vom Palästinakonflikt. Es gibt einen linksextremen Antisemitismus, ebenfalls oftmals verschnitten mit dem Palästinakonflikt, aber dieser nimmt auch finanz- und kapitalismuskritische Töne mit hinein. Außerdem gibt es einen rechtsextremen Antisemitismus, der ganz stark darauf setzt, die Gräueltaten des NS-Regimes zu relativieren, sie herunterzuspielen oder sie vielleicht auch gänzlich zu leugnen.

Die sozialen Medien sind für all diese Extremismen quasi ein Brandbeschleuniger. Auch das bescheinigen alle Studien. Die sprachliche Radikalisierung und die Polarisierung, die wir alle auch beobachten, bleiben aber nicht im Internet. Sie machen nicht halt im digitalen Raum, sondern sie schwappen in die reale Welt über. Wie evident das ist, das haben wir auch am Wochenende bei der Demonstration gesehen. (Ruf bei der FPÖ: Was?)

Etwas ist mir ganz wichtig, und ich möchte das auch sofort klarstellen: Ich differenziere sehr genau zwischen jenen Menschen, die Angst haben und sich Sorgen – um ihren Arbeitsplatz, um ihr Unternehmen beziehungsweise um die Bildung ihrer Kinder – ma­chen, und jenen, denen es nur darum geht, Chaos zu säen, die Gesellschaft zu spalten und aufzuwiegeln. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wenn nämlich jemand mit der Reichsflagge in der Hand durch Wien marschiert oder bei der Kundgebung „Sieg Heil!“ brüllt – und all diese Dinge sind an diesem Wochenende geschehen –, dann kann mir auch Herr Kickl nicht einreden, dass diese Bürger mit sol­chen Aktionen nur ihren Sorgen Ausdruck verleihen wollen. (Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)

Es ist auch kein Zufall, dass dort immer dieselben Personen auftreten, wie etwa der Neonazi Gottfried Küssel oder die rechtsextremen Identitären. (Zwischenrufe des Bun­desrates Leinfellner.) Auch Generalsekretär Schnedlitz hat kürzlich in Richtung der Identitären festgehalten, dass die Zeit des Distanzierens vorbei ist. Außerdem ist es ebenfalls kein Zufall, dass Aktivisten der deutschen AfD, der Schwesterpartei der FPÖ, dort waren. Einer von denen hat – das muss man sich vorstellen! – im Vorfeld der Demo vor dem KZ Mauthausen ein Video aufgenommen, in dem er Zyklon B, das Gift, mit dem Millionen von Juden ermordet worden sind, mit dem Coronaimpfstoff verglichen hat. Und seit heute wissen wir, dass Herbert Kickl dem auch ein Interview gegeben hat. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schumann.)

Auch ist es nicht normal, dass Leute gegen die Coronamaßnahmen protestieren, indem sie sich den Judenstern auf die Brust heften. Und leider ist es auch kein Zufall, dass Herbert Kickl bei dieser Demo in der Rede, die er dort gehalten hat, minutenlang gegen


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Israel gehetzt hat. (Bundesrat Steiner: Gegen die Regierung!) Das ist kein Zufall – das ist Berechnung und Kalkül! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich sage euch: Solange eine Partei glaubt, dass sie mit dem Spielen auf diesem Klavier politisches Kleingeld wechseln kann, so lange sind alle anderen gefordert, klar dagegen aufzustehen und die Brandmauer dagegen zu verteidigen. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bernard.)

Abschließend noch etwas: Lassen wir uns von niemandem einreden, dass solche Vor­kommnisse normal sind! (Lebhafte Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das sind sie nämlich nicht. Vielmehr ist das radikal und extrem und gefährdet das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft, und jeder, der das leugnet und sich weigert, das auch klar zu benennen und das zurückzuweisen, tut dies ebenso. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.09


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile es ihr. – Bitte.


12.10.13

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Die Zahl der jüdischen Bevölkerung in Wien wird derzeit auf ungefähr 15 000 Personen geschätzt, davon sind ungefähr 8 000 aktive Mitglieder in der Reli­gionsgemeinschaft. Wir haben das schon gehört.

Ich möchte heute zwei Persönlichkeiten ins Spiel bringen, die beide als Kinder gar nicht wussten, dass sie Jude oder Jüdin sind, und die das dann brutal in ihrer Kindheit in ihrem Umfeld zur Kenntnis nehmen mussten. Über eine dieser Personen ist vor ungefähr zwei Monaten ein Buch erschienen, und in diesem Buch wird das Leben und Wirken dieses Wieners beschrieben, und es wird geschildert, wie er dann erleben musste, dass er jüdi­scher Wiener ist.

Er hat in den 1940er-Jahren ungefähr 260 jüdische Kinder mit den sogenannten Kinder­transporten aus Wien nach Amerika gerettet und wurde damit nicht nur der Retter dieser jungen Menschen, sondern er wurde auch so etwas wie eine Vaterfigur für diese Kinder. Die Überlebenden sind jetzt weit über 90 Jahre alt, die meisten von ihnen leben in den USA, und er selbst ist nie wieder nach Österreich zurückgekehrt. Er hat sich nicht will­kommen gefühlt, er hat sich nicht eingeladen gefühlt, zurückzukommen, wie das so vie­len widerfahren ist.

Erstaunlicherweise ist dieser Mann in Österreich gar nicht so bekannt. Es gibt wohl einen Gemeindebau in Wien, der nach ihm benannt ist, aber wahrscheinlich wissen die we­nigsten der BewohnerInnen, warum dieser Gemeindebau diesen Namen trägt: Es geht um Ernst Papanek. Dieser sehr beeindruckende Mann ist in diesem neulich erschiene­nen Buch beschrieben, und ich möchte heute ausnahmsweise eine Leseempfehlung für dieses Buch aussprechen.

Das Interessante dabei ist: Die Autorin, eine junge Frau namens Lilly Maier, ist deshalb auf diese Geschichte gestoßen, weil sie an der Aktion „A Letter To The Stars“ teilge­nommen hat. Sie werden sich vielleicht erinnern können: Das war eine ganz groß ange­legte Mitmachaktion für Schulen, um eben mit solchen Biographien und Lebensge­schichten in Kontakt zu kommen. Und die Schülerin Lilly Maier war so beeindruckt von dieser Biographie, dass sie dann später dieses Buch darüber geschrieben hat. – So viel zum Thema Bewusstseinsbildung und der Konfrontation von Schülern und Schülerinnen damit.

Die zweite Person, die ich ins Spiel bringen möchte, ist Frau Susanne Bock. Sie ist eine liebe Bekannte von mir. Sie feiert am 13. Mai ihren 101. Geburtstag. Sie ist Wienerin und


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lebt in einem Pensionistenwohnheim. Derzeit ist sie sehr einsam und isoliert, erstaunli­cherweise schreiben wir einander aber E-Mails. Susanne Bock musste 1938, am Tag nach ihrer Matura, Wien verlassen. Sie ist ins englische Exil gegangen, ist aber der Liebe wegen ein paar Tage nach Kriegsende wieder zurück nach Wien gekommen. Auch sie schildert, dass sie, entgegen ihrer Erwartung, dass man hier entschädigt oder willkom­men geheißen wird, nicht recht willkommen war und dass das nicht geschehen ist.

Wenn sie aus ihrer Jugend erzählt, ist vor allem auch die Schilderung sehr einprägsam, wie sie erleben musste, dass sie eine jüdische Frau ist. Sie hat das so erlebt, dass sie in der Schule irgendwann in die letzte Reihe gesetzt wurde. Irgendwann gab es dann separate Klassen, und irgendwann wurde sie auf dem Schulhof von den Mitschülern mit Steinen beworfen. Dieses schrittweise Versetzen von Grenzen und dieses schrittweise erst verbal und dann in Taten Brutaler-Werden ist das, wovor sie mich immer warnt. Sie mahnt, dass wir diesbezüglich sehr achtsam sein sollen, denn Antisemitismus oder Faschismus kommen nicht mit einem Schlag, sondern Schritt für Schritt, und deshalb müssen wir wachsam sein. (Beifall bei der SPÖ sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und Grünen.)

Zum Thema Wachsam-Sein: 2019 hat die Israelitische Kultusgemeinde rund 550 antise­mitische Vorfälle in einem Jahr dokumentiert. Das sind doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren, und man geht davon aus, dass einige dieser Vorfälle aus Scham oder Resig­nation nicht einmal gemeldet oder dokumentiert werden. Daher geht es eben um dieses Wachsam-Sein und darum, solche Ereignisse zu dokumentieren und den Fokus darauf zu lenken. Es geht aber natürlich auch um ein Brücken-Bauen, um kulturübergreifende Aktivitäten und um die Begegnung zwischen Menschen und im Idealfall auch schon zwischen Kindern und Jugendlichen.

An dieser Stelle möchte ich zwei herausragende Institutionen erwähnen, die in diesem Bereich wirklich tolle Arbeit leisten: Die eine Institution ist das Jüdische Museum in Wien, mein Wiener Kollege hat es schon erwähnt. Übrigens gibt es dort aktuell eine Sonder­ausstellung unter dem Titel „Hans Kelsen und die Eleganz der österreichischen Bundes­verfassung“. Auch das ist für uns sehr interessant. Als ursprüngliche Vorarlbergerin möchte ich aber auch das Jüdische Museum in Hohenems speziell erwähnen. Auch dort wird hervorragende Arbeit schon mit Kindergartenkindern und Schulkindern und wirklich extrem innovative Arbeit geleistet, wofür es europaweit hohe Anerkennung gibt.

Die antisemitischen Vorfälle nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa haben es notwendig gemacht, in Europa eine Antisemitismusstrategie zu entwickeln. Es liegt uns jetzt ein umfangreiches Werk mit 38 Maßnahmen dazu vor, was in Österreich in den nächsten Jahren geplant ist, um dem Antisemitismus entgegenzuwirken. Alle EU-Staa­ten sind aufgefordert, das zu tun. Österreich hat diese Strategie nun vorgelegt, und jetzt gilt es, das wirklich penibel und mit voller Energie abzuarbeiten, damit die jüdischen Menschen in Österreich eine sichere und blühende Zukunft haben, denn das muss in unser aller Interesse sein, und das ist unser aller Verantwortung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.17


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als weiterer Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Markus Leinfellner. Ich erteile es ihm. – Bitte.


12.17.34

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Minister! Ho­hes Haus! Liebe Österreicher! Kollege Kolland, manche Dinge kann man einfach nicht so im Raum stehen lassen. Ich möchte es fast mit den Worten unseres Bundeskanzlers sagen: Es widert mich an, wenn ich das höre, was du da an diesem Rednerpult von dir gibst! (Beifall bei der FPÖ.) Das ist schlicht und ergreifend schäbig, schmutzig und wi­derwärtig!


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 61

Ich war bei dieser Demonstration beziehungsweise Kundgebung selbst dabei, und wisst ihr, was ich mich wirklich frage? – Warum finden nur der „Kurier“ und die ÖVP permanent diesen Küssel? (Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.) Ich kenne diesen Men­schen nicht einmal! Sie binden 30 000 friedlichen Bürgern, die mit dieser Regierungslinie nicht einverstanden sind, sozusagen das Antisemitismusmascherl um. Das ist nämlich die Wahrheit: Immer, wenn es für die ÖVP vorne und hinten nicht mehr zusammengeht, dann kommt man mit der Antisemitismuskeule, dann erfindet man Dinge wie den Sturm aufs Parlament, den Sturm auf ein Versicherungsgebäude oder zeichnet ein Bild, bei dem man das vielleicht noch mit dem Sturm auf das Kapitol vergleicht. (Bundes­rat Schreuder: Ja!)

Manchmal fehlen mir wirklich die Worte. (Zwischenruf des Bundesrates Schreuder.) Kollege Schreuder, dass das aus deiner Ecke kommt, überrascht mich ja nicht. Man darf aber auch einmal die Augen öffnen und die Bürger ernst nehmen. Ich weiß aller­dings, dass es weder den Grünen noch der ÖVP gelingt, die Bürger und deren Sorgen und Ängste wirklich ernst zu nehmen, und das, meine sehr geehrten Damen und Her­ren, ist nämlich wirklich widerlich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Kollege Leinfellner! Ich bitte Sie, bei aller Emotion auch auf die Würde und den Anstand dieses Hauses zu achten. (Zwischenruf der Bun­desrätin Steiner-Wieser.)


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Danke, Herr Präsident! Auch dazu fehlen mir jetzt die Worte, muss ich sagen.

Nichtsdestotrotz: Wir sind beim Tagesordnungspunkt - -


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Herr Kollege Leinfellner, Sie haben die Worte schäbig und widerwärtig verwendet, und das geht in Richtung Ruf zur Ordnung. (Bundesrat Steiner: Das ist parteiische Vorsitzführung!)


Bundesrat Markus Leinfellner (fortsetzend): Widerwärtig? – Na okay.

Kommen wir zu Tagesordnungspunkt 4! Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schutz unserer Kultur, der Schutz unseres Kulturerbes: Dieses ist ja ein Teil unserer Geschichte, und natürlich gibt es da jüdische Größen, die unzählige Beiträge zu unserer Kultur geleistet haben und unsere Kultur mitgeprägt haben. Ich denke nur im Bereich der Musik an Gustav Mahler oder im Bereich der Medizin an Sigmund Freud und die Psy­choanalyse oder auch an Carl Sternberg. Es gibt in vielen Bereichen unzählige Größen, die unsere Kultur mitgeprägt haben: Arthur Schnitzler, der damals seiner Zeit voraus gewesen ist, dafür sogar zum Teil geächtet wurde, aber trotzdem kompromisslos und bedingungslos zu seinen Werken gestanden ist, oder Stefan Zweig mit „Die Welt von Gestern“, einem Werk, das man jedem nur ans Herz legen kann; es beleuchtet die Kultur des alten Europa. Auch unsere Jugend kann sehr, sehr viel von ihm lernen: die Abnei­gung gegen den Krieg, den Einsatz für den Frieden, die Ablehnung der Obrigkeitshö­rigkeit, die Ablehnung der Heuchelei und mit viel Willen, Fleiß und frischem Mut seinen eigenen Weg zu gehen und zu den wahren Werten Europas zu stehen. Also wenn un­sere Jugend das lernt, na dann gehen wir wirklich in eine rosige Zukunft. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schutz all dieser Kulturgüter muss uns wirklich wichtig sein. Diese Sonderförderung soll ja auch zum Schutz der Einrichtungen beitragen und diesen auch gewährleisten. Wie wichtig dieser Schutz und diese Sicher­heit in Österreich sind, glaube ich, haben wir erst unlängst beim Terroranschlag in Wien gesehen. Da haben wir aber auch gesehen, dass die wirkliche Gefahr für diese Einrich­tungen nicht von den Österreichern, wie wir es heute auch schon gehört haben, ausgeht,


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sondern von den vielen, vielen propagierten Atomphysikern, Ärzten und Raketenwissen­schaftlern, wie Sie es uns 2015 bereits vorgegaukelt haben und die seit diesem Zeitpunkt unaufhaltsam in unser Land strömen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zahlen aus dem Vorjahr – mehr als 20 000 Asylanträge – haben wahrscheinlich auch nicht zur Erhöhung der Sicherheit beigetragen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das darf ich unserem ÖVP-Noch-Innenminister auch sagen: Das ist kein Ruhmesblatt für seine Arbeit.

Eines kann ich Ihnen sagen: Ich bin 2015 selbst am Grenzübergang gestanden und habe diese Kulturbereicherer in unser Land kommen gesehen. Da waren aber sehr, sehr we­nige dabei, sondern da waren ganz andere Experten, die über diese Grenze gekommen sind, nämlich die wahren und echten Gefährder unseres europäischen Kulturguts. Das zeigt ja auch der jährliche Sicherheitsbericht. Ich glaube, ein Blick in diesen Sicherheits­bericht reicht bereits aus, um zu sehen, wofür wir unser Geld für die Sicherheit in Ös­terreich ausgeben und wie immens das inzwischen, seit dem Jahr 2015, gestiegen ist.

Ja, das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz ist ein gutes, dem wir auch unsere Zustimmung geben werden. Die Frage für mich ist aber auch: Was ist mit den Altkatho­liken? Was ist mit den Protestanten? Wie schaut es mit den Förderungen in diesem Bereich aus? Allein im Bereich der evangelischen Kirche hat man um rund 3 Prozent sinkende Mitgliederzahlen pro Jahr. Pfarren sind da gefährdet. Wir erwarten uns natür­lich auch in diesem Bereich Förderungen und eine Unterstützung, denn auch diese Men­schen haben es aus unserer Sicht wirklich verdient.

Die Frage ist auch: Wie schaut es eigentlich mit der Zahlungsfähigkeit der Mitglieder der IKG im Vergleich zu den anderen Glaubensrichtungen aus? Auch darauf habe ich bis jetzt noch keine Antworten gefunden. Dem Innenminister kann ich nur raten, auch in seinem Bereich alles zu tun, um die Sicherheit der IKG und vor allem von uns Österrei­chern zu gewährleisten. Da hat er in der Vergangenheit, wie wir es bereits mehrmals gesehen haben, kläglich versagt. Nehammer importiert Terroristen und inhaftiert Pensio­nisten. Das kann nur der falsche Weg sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

12.24


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet hat sich nunmehr Frau Bundesmi­nister Karoline Edtstadler. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


12.25.03

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, ich bin emotionalisiert, zum einen, weil ich mich freue, dass Ihnen dieses Gesetz heute vorliegt, und weil ich hoffe und davon ausgehe, dass dieses Gesetz auch hier einstimmig beschlossen wird, indem nicht dagegen vorgegangen wird und kein Einspruch dagegen erhoben wird, so wie es auch im Verfassungsausschuss der Fall war, so wie es auch im Nationalrat der Fall war. – Das ist die Freude.

Zum anderen bin ich aber bei Bundesrat Schreuder, wenn ich sage, dass der Anlass für dieses Gesetz ein trauriger ist: Die Anzahl antisemitischer Vorfälle ist in den letzten Jah­ren in ganz Europa gestiegen, sie steigt in Österreich, und es zeigt sich, dass es mehr denn je notwendig ist, gegen jede Form des Antisemitismus vorzugehen (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky), egal ob er von rechts oder von links kommt, egal ob er importiert ist oder ob er autochthon ist, egal ob er antisemitisch oder antizionistisch ist. Wir haben die historische Verantwor­tung, gegen Antisemitismus in jeder Form vorzugehen. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)


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Ich bin emotionalisiert, wenn ich dieser Debatte hier folge, wenn ich hier ein Murren aus den Reihen der FPÖ höre, wenn Bundesrat Kolland hier darüber berichtet, was bei den Anticoronademonstrationen am Wochenende vor sich gegangen ist (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Der hat uns nur angeschüttet! Angeschüttet hat uns der!), wenn er berichtet, Frau Bundesrätin, dass Reichsfahnen geschwenkt worden sind, dass Sieg-Heil-Rufe ertönt sind, dass eine Covid-19-Impfung, auf die wir alle hingearbeitet haben, mit dem Zyklon-B-Gift, das zum Massenmord in der NS-Unrechtszeit verwendet worden ist, ver­glichen wird. Dann bin ich emotionalisiert, wenn hier ein Murren aus den Reihen der FPÖ kommt und wenn man das kritisiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich eines sagen! Als Verfassungs­ministerin stehe ich zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wie ist das mit dem Richter­posten?) Es ist wichtig, in einer Demokratie Kritik zu üben, es ist wichtig, dass Menschen die Möglichkeit haben, auf die Straße zu gehen, ihre Meinung kundzutun.

Nein, es muss nicht jeder mit allem, was die Regierung macht, einverstanden sein. Die Regierung hat mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu kämpfen, in welcher der Entscheidungsdruck jeden Tag groß ist, auf der einen Seite Menschenleben zu ret­ten, Gesundheitssysteme erhaltungsfähig zu machen und zu erhalten und auf der an­deren Seite größtmögliche Sicherheit und auch wieder Mobilität zu ermöglichen. Der Entscheidungsdruck ist groß, und es mag sein, dass nicht jede Entscheidung sich im Nachhinein als die richtigste herausgestellt hat. Das mag sein, es passieren auch Fehler, wenn gearbeitet wird.

Wenn es bei Demonstrationen aber plötzlich offensichtlich zumindest stillschweigend geduldet wird, dass Antisemiten und Neonazis, wegen Wiederbetätigung verurteilte Straftäter auf die Straße gehen, und der Zug unter anderen auch von gewählten Abge­ordneten dieses Hauses, von einem stellvertretenden Klubobmann angeführt wird, dann erwarte ich mir zumindest eine Distanzierung. Das hat dieses Land nicht verdient! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Wir sind uns offensichtlich alle einig, Gott sei Dank (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, ja!), dass Jüdinnen und Juden dieses Land kulturell, geschichtlich, wissenschaftlich ge­prägt haben. Aus Ihren Reihen (in Richtung FPÖ) ist das auch gekommen. Ich sage, wir sind uns hier einig: von Hans Kelsen, der als Architekt der Bundesverfassung genannt worden ist, über Sigmund Freud, den Begründer der Psychoanalyse, bis hin zu den Gründern der Salzburger Festspiele, Hugo von Hofmannsthal etwa und Max Reinhardt. Ich möchte aber auch eine Frau nennen, zum Beispiel Hedy Lamarr. All das sind Be­rühmtheiten, die dieses Land dorthin gebracht haben, wo es heute ist. Darüber sind wir uns einig, und das ist gut.

Deshalb gehe ich auch davon aus, dass hier Einigkeit darüber besteht, dass man dieses österreichisch-jüdische Kulturerbe fördern muss, es sichtbar machen muss, damit es florieren kann. Das, meine Damen und Herren, ist der Grund dieses Gesetzes. Ich möch­te gleichzeitig folgende Message in die Welt senden: Wir sind ein Österreich, das sich der Verantwortung bewusst ist und das macht, was viele andere uns tatsächlich mittler­weile nachmachen wollen: Wir stellen langfristig im Sinne eines Gesetzes eine Förde­rung für die Israelitische Kultusgemeinde und die Religionsgesellschaft zur Verfügung. Darauf können und sollen wir stolz sein – das möchte ich an dieser Stelle auch einmal ganz deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der Grünen sowie der Bundesrätin Grimling.)

Frau Bundesrätin Gruber-Pruner hat es erwähnt: Es ist eine Maßnahme von insgesamt 38 – und, meine Damen und Herren, das ist nicht abschließend –, um gemeinsam mit einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus (das genannte Schriftstück in die Höhe


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haltend) in Europa voranzugehen, denn, ja, es ist auch ein Auftrag der Europäischen Kommission an jeden Mitgliedstaat der Europäischen Union, das zu machen. Wir sind eines der ersten Länder, und das hat die Europäische Kommission tatsächlich auch posi­tiv zum Ausdruck gebracht.

Ich sage es Ihnen ganz offen: Ich bin stolz darauf, weil der Prozess nämlich schon im Jahr 2018, während der österreichischen Ratspräsidentschaft, mit einer allgemeinen De­finition von Antisemitismus begonnen hat. Das ist nämlich die Voraussetzung: dass wir wissen, wogegen wir ankämpfen, wofür wir umgekehrt eintreten, nämlich für die Freiheit, auch für das Recht zu demonstrieren, aber bitte mit einer klaren Abgrenzung zu Dingen, die in die dunkelsten Kapitel der Geschichte zu verbannen sind und nie wieder, meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Land auferstehen dürfen.

Ich danke Ihnen, dass Sie diesen Gesetzentwurf mittragen und keinen Einspruch erhe­ben. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.31


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bundesrat Steiner. – Bitte, ich erteile dieses.


12.31.24

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Frau Minister! Kollegen! Mir ist das jetzt ein bisschen so vorgekommen, als ob die Frau Ministerin aus ihrer Zeit als Staatssekretärin noch eine Rechnung mit dem ehemaligen Innenminister offen hätte. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein!)

Wir haben heute aber auch gehört, dass die Kultur und die Theatervorstellungen sehr wichtig sind. – Gratuliere, das war eine tolle Theatervorstellung von der Ministerbank! Ich würde mich schämen, so aufzutreten und Tatsachen so zu verdrehen. Waren Sie bei der Demonstration? War Herr Kolland bei der Demonstration? Wo ist er denn? – Ah, da hinten in der letzten Reihe sitzt er.

Da heraußen gescheit zu reden, den Klubobmann einer gewählten Partei im Parlament auf eine Stufe mit Rechtsnationalen zu stellen – ja sagen Sie einmal: Wo sind wir denn überhaupt?! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Glauben Sie wirklich, Sie können sich alles erlauben?!

Dann stellt sich ein Redner von uns heraus und verwendet dieselben Worte wie Ihr ÖVP-Bundeskanzler und kriegt fast einen Ordnungsruf, wird während seiner Rede unterbrochen, aber bei Herrn Kolland war es egal. – Das ist parteiische Vorsitzführung sondergleichen, Herr Vizepräsident! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind jetzt darin bestätigt, dass wir Sie damals nicht zum Vizepräsidenten gewählt haben. Das ist eine Show, die sich dieser Bundesrat nicht verdient hat. (Beifall bei der FPÖ.)

12.33


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wünscht dazu noch jemand das Wort? – Bundesrat Schreuder. – Bitte, ich erteile dieses.


12.33.09

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Ich möchte diese Diskus­sion nicht hochschaukeln, sondern ich möchte hier nur festhalten: Es passiert jetzt gera­de etwas in dieser Republik, und zwar weil es eine Krise gibt. Es gibt sogar mehrere Krisen – wir wissen es –, es gibt die Klimakrise und so weiter, und die FPÖ hat eine Ibi­zakrise.


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Die FPÖ war es (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ) – nein, lachen Sie jetzt nicht! ‑, die in einer Krise war. Dann, weil Ihr Feindbild abhandengekommen ist – der Feind war nämlich plötzlich ein Virus und nicht mehr irgendwelche Menschen, gegen die man het­zen konnte –, waren Sie eine Zeit lang schmähstad und wussten überhaupt nicht mehr, wie Sie Ihre Rolle finden sollten. Jetzt haben Sie Ihre Rolle gefunden, indem Sie sich mit irgendwelchen merkwürdigen Coronaleugnern, Verschwörungstheoretikern, mit Men­schen, die die Erkenntnisse der Wissenschaft leugnen, die Fakten leugnen und die dazu beitragen, dass wir - - (Bundesrat Steiner: Diese Überheblichkeit tut euch nicht gut!) Nicht wir stellen Sie auf diese Ebene, sondern Sie tun es selbst. Das wollte ich damit sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Diese Überheblichkeit tut euch nicht gut! Glaubt mir das!)

Sie sind es, die mit diesen Leuten auf die Straße gehen. Wenn ich die Judensternsym­bolik sehe, kann ich nicht anders, als dass mir sehr übel wird. Ich kann mich bei diesen Bildern nur erbrechen – es tut mir leid, das so drastisch sagen zu müssen –, und ich finde es hochgefährlich, dass sich eine parlamentarische Partei in dieses Fahrwasser begibt, mit diesen Faktenleugnern, mit denen keine politische Basis mehr möglich ist.

Worauf basieren politische Entscheidungen? – Es braucht Daten, es braucht Fakten, es braucht Wissenschaft, und auf dieser Basis macht man Politik. Wenn Sie die Faktenlage allerdings verlassen, wenn Sie diese gemeinsame Basis, die wir in einer Demokratie brauchen, verlassen (Bundesrat Steiner: Diese Überheblichkeit tut euch nicht gut! Glaubt mir das!), dann stellen Sie sich auf diese Stufe, und nicht wir stellen Sie auf diese Stufe. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

12.35


12.35.19

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. Bitte nehmen Sie die Plätze ein. – Das ist in der Zwi­schenzeit geschehen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich darf die in der Zwischenzeit eingelangte Bundesministerin Elisabeth Köstinger begrü­ßen. Ein herzliches Grüß Gott im Bundesrat! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

12.36.115. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefall­fondsgesetz) geändert wird (657 d.B. sowie 10549/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Be­richt.


12.36.31

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Werte Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Tourismus, Kunst und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Errichtung eines Härtefallfonds (Härtefallfondsgesetz) geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.


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Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.37.27

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Ich möch­te mich – auch aufgrund der überlangen Tagesordnung – kurz halten. Wir waren im Aus­schuss vorgestern einer Meinung – einstimmig. Ich freue mich aber trotzdem, zu diesem Tagesordnungspunkt einen Beitrag leisten zu können.

Die Coronapandemie beschäftigt uns seit ganz genau einem Jahr intensiv, einem Jahr, das sich so niemand hätte vorstellen können. Es gibt kaum einen Tagesordnungspunkt – ob in der Regierung, im Nationalrat, im Bundesrat –, der nicht direkt oder indirekt mit dieser Pandemie zu tun hat. Die Bundesregierung und auch die Parlamente tun wirklich alles, um allen Menschen, die wirtschaftlich betroffen sind, zu helfen – eine schwierige Aufgabe, da die Entwicklung der Virusmutationen weder vorhersehbar noch abschätzbar ist und die Situationen in den Bundesländern und in den Regionen sich wirklich wö­chentlich, ja fast täglich sehr unterschiedlich verändern.

Ich denke, die größte und wichtigste Aufgabe, um dieser Pandemie entgegenzuwirken, ist mit Sicherheit, sicherzustellen, dass unser erstklassiges Gesundheitssystem trotz Krise funktioniert und nicht zusammenbricht. Das ist der konsequente Weg unserer Bun­desregierung und aller, die positiv bei der Bekämpfung dieser Gesundheits- und Wirt­schaftskrise mithelfen; das sind die Sozialpartner, das sind die Fachexperten, die Lan­deshauptleute, Teile der Opposition – ja, leider nur Teile der Opposition.

Trotz der verschiedenen Meinungen führt uns nur Zusammenhalt zurück zur soge­nannten Normalität, die wir uns alle wünschen. Ja, die Menschen sind müde. Das kann man gut nachvollziehen. Wir alle sehnen uns nach Freiheit und Normalität. Ich bin aber überzeugt: Zur richtigen Zeit notwendige Opfer zu bringen wird uns doch in absehbarer Zeit zu Gewinnern machen.

Jetzt aber zum heutigen Beschluss: Beim heutigen Beschluss geht es um eine Abän­derung des Härtefallfondsgesetzes. Dies betrifft die Privatzimmervermieter und –ver­mieterinnen, bei denen die touristische Nutzung über die Zehn-Betten-Grenze hinaus­geht und die nach § 28 des Einkommensteuergesetzes veranlagt sind. Die Richtlinien dazu werden entsprechend abgeändert, und in der Folge haben auch diese touristischen Betriebe die Möglichkeit, Unterstützung aus dem Härtefallfonds zu beantragen. Gerade auch dieser spezielle Teil der Zimmer- und Ferienwohnungsvermietung ist neben der Gastwirtschaft, neben der Hotellerie, neben vielen anderen Branchen von der Pandemie wirklich sehr stark betroffen. Deshalb möchte ich mich bei dir, liebe Frau Bundesminister, und bei allen, die mitgewirkt haben, die es möglich gemacht haben, diese Lücke zu schließen, bedanken.

Besonders hervorheben möchte ich, dass es sich in Österreich um circa 10 000 Betriebe handelt und zum größten Teil Frauen die Vermietung managen. So hoffe ich auch, dass dieses Einkommen, dieses Zubrot den Frauen und ihren Familien zugutekommt.

Diese Art der Vermietung ist wirklich etwas ganz Besonderes: Herzlichkeit, persönlicher Kontakt zu den Gästen, so mancher Plausch am Abend, die familiäre Atmosphäre. Dies alles – das sie sonst nicht so bekommen – schätzen viele Gäste ganz besonders. Dieses Segment ergänzt das gesamte Tourismusangebot in ganz Österreich und darüber hi­naus.


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Mit diesem Beschluss helfen wir vielen Kleinbetrieben, die ihre Vermietung mit Leiden­schaft machen. Dies hat auch für den Erhalt der Arbeitsplätze – damit ist auch weniger Abwanderung aus dem ländlichen Raum verbunden – eine wesentliche Bedeutung. Somit bin ich wirklich großer Freude und Zuversicht, dass diese kleinen Betriebe eine Unterstützung erhalten können und bitte natürlich um breite Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.42


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Günther Novak. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.42.28

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Gfrerer hat es ja jetzt schon ausführlichst erläutert. Tatsache ist: Das Förderprogramm des Bundes zum Härtefallfonds ist erweitert worden, und zwar zu einem Sicherheitsnetz für Härtefälle, für Ein-Personen-Unterneh­mer, es ist erweitert worden für Kleinstunternehmer und für Non-Profit-Organisationen. Anspruchsberechtigt sind auch die Vermieter von privaten Gästezimmern im eigenen Haushalt mit höchstens zehn Betten, die nicht der Gewerbeordnung 1994 unterliegen, gewerbliche und sonstige touristische Vermieter, die aus dieser Tätigkeit Einkünfte er­zielen.

Wir haben im Ausschuss gestern darüber noch mit Mitarbeitern des Bundesministeriums diskutiert, und es wurde mitgeteilt, dass derzeit die Erweiterung des Härtefallfonds – ich bin mir nicht sicher, ob es 10 000 Personen oder Betriebe in Österreich sind, die geför­dert werden sollen; man redet von 30 000, aber dazu konnte keine Antwort gegeben werden – gerade ausgearbeitet wird. Das Wichtigste dabei ist, glaube ich, auch, dass es in weiterer Folge rückwirkend bis November zu Auszahlungen kommt.

Ich weiß nur, dass zum Beispiel in Salzburg – Kollege David Egger, der sich sehr bemüht hat, mit den Betrieben Kontakt aufzunehmen, sitzt ja bei uns im Bundesrat – von in etwa 8 000 Anspruchsberechtigten gesprochen wird. Also die Zahl an und für sich ist nicht so, wie sie dargestellt wird. Es werden wahrscheinlich viel mehr sein als zuletzt angenom­men.

Was passiert mit jenen Betrieben, von denen wir heute reden? Vom 12. März an, glaube ich, hat es einen Lockdown gegeben (Bundesrätin Schumann: 16.!), vom 16. März bis zum November. Da sind die Betriebe eigentlich durch den Rost gefallen, und das hat Kollege Egger in Salzburg auch ganz klar und deutlich aufgezeigt. Es ist nicht gegangen, ohne dass von einzelnen Bundesländern darum gekämpft worden ist, aber trotzdem ein Danke im Namen dieser Betriebe, dass das in weiterer Folge so umgesetzt wird. Wir werden natürlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte. Ich erteile ihm dieses.


12.45.29

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Ich mache es ganz kurz. Es ist eine wichtige Sache, die wir heute beschließen, weil es um die Ferienwohnungen geht, die kleiner sind als die, die vorher dran waren. Das ist eine sehr erfreuliche Sache.

Ich möchte Herrn Kollegen Gfrerer zustimmen. Ich bin selber auch ein begeisterter Fe­rienwohnungsbucher, das muss ich auch sagen. Großarl steht noch bevor, das habe ich noch nicht geschafft, aber da komme ich auch noch hin.


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Ich möchte die Gelegenheit nützen, weil wir doch auch Zuschauer und Zuschauerinnen via Onlinestream haben: Es gab bei diesem Gesetzentwurf ja auch durchaus die Be­fürchtung, dass wir damit indirekt Airbnb fördern oder so. Also dem haben wir einen Riegel vorgeschoben, das möchten wir schon auch sagen.

Ich möchte hier einen Appell formulieren: Urlaub bei österreichischen Familien zu ma­chen, am Bauernhof, in Ferienwohnungen, zum Beispiel in Großarl, wo man dann auch die Tiere im Stall besuchen kann und so weiter, ist wirklich eine sehr schöne Sache, und man kommt den Leuten sehr nahe. Man lernt auch das Land ganz anders kennen. Es gibt österreichische Buchungsplattformen, man muss nicht auf große, amerikanische, zentralisierte, globale Plattformen gehen. Es gibt urlaubambauernhof.at, es gibt huetten.com, es gibt tiscover, und es gibt ganz viele heimische Anbieter und Anbieterinnen, die das zu sehr viel faireren Bedingungen machen. Ich wollte einfach nur einmal appellieren, das in Anspruch zu nehmen und manchmal ein bisschen genauer im Internet zu schauen, bevor man etwas bucht. Das war es eigentlich schon. Wir stimmen natürlich gerne zu. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.47


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich unsere Bun­desministerin Elisabeth Köstinger. Ich erteile es ihr. – Bitte.


12.47.36

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Die Coronapandemie hält uns mittlerweile schon seit einem Jahr felsenfest im Griff. Wir hatten in den letzten zwölf Monaten durchaus eine sehr, sehr schwierige Situation, vor allem im Bereich des Tou­rismus und der Gastronomie in Österreich. Wenn man aber über die Ländergrenzen hi­nausblickt, sieht man, dass die Situation in allen Ländern de facto gleich ist. Vor allem Gastronomiebetriebe müssen geschlossen halten. Tourismus, Reisefreiheit, all das ist in ganz Europa und auch weltweit eingeschränkt.

Unsere Branchen sind besonders hart davon betroffen, weil Österreich schon seit vielen Jahren eine der Topurlaubsdestinationen der Welt ist. Wir erwirtschaften rund 15 Pro­zent unserer Wirtschaftsleistung aus Tourismus und Freizeitwirtschaft, haben insgesamt 700 000 Beschäftigte in diesen Bereichen. Es ist für uns alle wirklich eine sehr, sehr schwierige Situation.

Wir – und vor allem ich – hätten nichts lieber getan, als in den letzten Tagen zusätzlich neue Öffnungsschritte zu verkünden, aber ich glaube, Sie alle können die Infektionslage mitverfolgen. Vor allem im Osten Österreichs steigen die Infektionszahlen wieder. Es werden nicht nur die Infektionszahlen im Auge behalten, sondern vor allem auch die Lage im Gesundheitssystem, die Auslastung der Intensivbetten, der Intensivstationen, und gleichzeitig auch der Fortschritt beim Impfen.

Mittlerweile ist es zumindest so, dass im Westen die Infektionszahlen sehr niedrig sind, vor allem in Vorarlberg. Deswegen konnte auch vor einigen Wochen eine regionale Öff­nung und eine regionale Lösung für das Bundesland Vorarlberg zur Verfügung gestellt werden. An dieser Stelle sage ich ein ganz großes Dankeschön an Landeshauptmann Wallner, dass es möglich ist, dass die Betriebe in Vorarlberg am 15. März öffnen können und dass wir uns vor allem auch unser ganz wichtiges Konzept des Testens, der Ein­trittstests betreffend Veranstaltungen, dort einmal im Detail anschauen.

Vor allem in der Gastronomie wird es notwendig sein, einen negativen Covid-Test vor­zulegen – das wird auch ein Schritt hin zu mehr Normalität sein. Wir wollen auch im Außenbereich in ganz Österreich Richtung Ostern einen weiteren Öffnungsschritt voll­ziehen können. Ich glaube, das wird zum Teil durchaus für ein gewisses Aufatmen bei der Gastronomie und zum anderen in der Bevölkerung sorgen. Ich glaube aber, da brau­chen wir uns nichts vorzumachen, es wird der schönste Tag in unserem Leben sein,


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wenn wir alle Wirtschaftsbereiche, alle Gesellschaftsbereiche, alle Bereiche Kunst und Kultur, Gastronomie und Tourismus  wieder vollständig werden öffnen können, sie nicht wieder schließen müssen und diese Pandemie überwunden haben. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Bis dorthin wird es leider noch etwas dauern. Das ist auch der Grund dafür, warum wir als Bundesregierung gestern eine Erweiterung der Hilfen in der Höhe von insgesamt 430 Millionen Euro beschlossen haben. Wir werden zum einen einen Kurzarbeitsbonus für die Betriebe zur Verfügung stellen, die jetzt vom Lockdown betroffen sind vor allem ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in einer besonders schwierigen Situation –: Urlaubsansprüche laufen weiter, trotzdem fehlt das Geschäft. Deswegen wird es einen Bonus zur Kurzarbeit geben.

Insgesamt steht für jeden Mitarbeiter, der auch von der Trinkgeldpauschale umfasst ist, ein Betrag von 1 000 Euro zur Verfügung, 175 Euro für den Mitarbeiter direkt, 825 Euro für den Betrieb, damit allfällige Zahlungen getätigt werden können. Wenn der Mitarbeiter den Urlaub konsumieren will, ist das auch möglich, das wird von der individuellen Verein­barung abhängen. Ich glaube, das ist ein weiterer, ganz wichtiger Schritt, dass wir die Betriebe entlasten, dass wir sie weiter unterstützen und dass wir auch zeigen, dass wir sie nicht im Stich lassen.

Der zweite Punkt, den wir gestern auch beschlossen haben, ist eine Erhöhung des Aus­fallbonus für März; wir erhöhen die Vorauszahlung von 15 Prozent auf 30 Prozent. Dazu kommt noch der Fixkostenzuschuss, das wird vor allem auch jetzt in diesen Wochen für die notwendige Liquidität sorgen.

Wir haben es schon angesprochen, dass wir im Gastronomiesektor die Außenbereiche öffnen wollen. Dazu haben wir auch ein spezielles Förderprogramm vorgelegt. Wer in den Gastgarten, in den Schanigarten investieren will, wer ihn vielleicht erneuern oder aufbauen will, bekommt damit wir den Betrieben wirklich unter die Arme greifen – als Unterstützung einen Zuschuss von bis zu 20 Prozent.

Ein Thema, das die Branche seit mehreren Wochen bereits sehr intensiv beschäftigt, ist die Frage der Liquidität. Ich habe unterschiedliche Gesprächsrunden mit Branchenver­tretern geführt; das, was extrem positiv ankommt, sind die Überbrückungsfinanzierungen und die Überbrückungskredite der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank, die wirk­lich in einem sehr hohen Ausmaß in Anspruch genommen werden. Sehr oft hakt es dann aber an der Zustimmung der Hausbanken. Gemeinsam mit dem Finanzminister haben wir uns dazu entschlossen, zu einem runden Tisch der Bankwirtschaft einzuladen, um für mehr Bewusstsein zu sorgen, wie wichtig es ist, jetzt vor allem unsere kleinen und mittelständischen Betriebe zu unterstützen, quasi auch dem Kerngeschäft der Hausban­ken nachzukommen, und für Liquidität zu sorgen.

Jetzt aber zum eigentlichen Tagesordnungspunkt, der vor allem den Bereich der Privat­vermieter betrifft. Herr Bundesrat Novak hat schon angesprochen, dass es sehr schwie­rig ist, die genaue Zahl zu definieren. Diese Schwierigkeit hatten wir in den letzten Mo­naten, weil es nämlich keine klare Abgrenzung zwischen Privatvermietern zu touristi­schen Zwecken und der normalen Raumvermietung gibt. Das ist auch der Hintergrund, warum es etwas länger gedauert hat, bis wir eine haltbare rechtliche Lösung gefunden haben.

Insgesamt haben wir rund 40 000 Privatvermieter in Österreich, bereits 30 000 sind von den Entschädigungszahlungen, die wir über die Agrarmarkt Austria seit Monaten abwi­ckeln, umfasst. Die bekommen auch alles vom Umsatzersatz und dergleichen jetzt schon ausbezahlt. Es ging nur mehr um den einen Bereich der Privatvermieter, für die es bisher keine rechtliche Abgrenzung gab. Wir haben auch intensiv mit den Bundes­ländern zusammengearbeitet, weil uns de facto Zahlen, Daten und Fakten fehlen. Wir


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wissen schlichtweg nicht, wer diese Betriebe sind, wir haben jetzt ein Modell erarbeitet, anhand dessen das funktionieren kann. Es wurde auch bereits angesprochen: Ganz notwendig ist die Abgrenzung zu Airbnb-Vermietern, die sich bisher nicht registriert und auch keine Abgaben gezahlt haben. All jene, die das tun, sind natürlich auch erfasst, und das ist die Grundlage dieses Modells.

Voraussetzung wird sein, dass man die Meldung der touristischen Vermietung nachwei­sen kann. Es wird in Zukunft auch die Möglichkeit geben, dass Private, die außerhalb des eigenen Wohnsitzes vermieten, in den Genuss dieser Entschädigungszahlungen kommen. Das war eine sehr wichtige Novellierung, die wir getroffen haben. Ich darf mich ganz herzlich bei allen bedanken, die uns dabei unterstützt haben, vor allem auch beim Finanzministerium, von dem wir sehr wichtige Hilfe erhalten haben.

Die entsprechende Richtlinie wird nach Inkrafttreten des Gesetzes erlassen, sie wird gerade erarbeitet und wir werden ehestmöglich in die Umsetzung gehen. Auch da wird die Beantragung wieder über die Agrarmarkt Austria erfolgen. An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AMA, die seit Monaten in allen Bereichen sei es in der Landwirtschaft oder bis hin zum Bereich der Privat­zimmervermieter, der Urlaub-am-Bauernhof-Betriebe  Tag und Nacht arbeiten, um den Betrieben die Entschädigungszahlungen zukommen zu lassen, und damit eine maßgeb­liche Unterstützung leisten.

Sehr geehrte Damen und Herren BundesrätInnen! Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Novelle heute Ihre Zustimmung findet. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

12.56


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Otto Auer. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.56.48

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Gäste hier und zu Hause vor den Fernsehern! Danke, Frau Minister, dass du versucht hast, alle ins Boot zu holen, um allen die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie brauchen.

Es ist wichtig, dass alle Zugang zur Unterstützung und zu Entschädigungen haben, auch im Tourismus, denn nur Betriebe, die diese Pandemie und diese wirtschaftlichen Turbu­lenzen gut überstehen, werden danach auch wieder dazu beitragen können, dass wir zur alten Kraft und Stärke zurückfinden.

Egal, ob Härtefallfonds, Kurzarbeit, Ersatz der Einnahmenausfälle oder andere Unter­stützungsmöglichkeiten: Die Privatzimmervermietung ist nur ein kleiner Bereich, aber trotzdem ein wichtiger Bereich. Es muss eine klare Abgrenzung zwischen privater Zim­mervermietung und Ferienzimmervermietung geschaffen werden, damit da keine miss­bräuchliche Verwendung passieren kann.

Die Sorgfalt ist notwendig, um einfach zu garantieren, dass die unterstützt werden, die eine Unterstützung auch nötig haben. Betroffen sind, wie wir schon gehört haben, an die 10 000 Betriebe, die jetzt zusätzlich Fördermittel bekommen. Diese Betriebe sind vor­wiegend von Frauenhand geführt und tragen maßgeblich zum Einkommen dieser Fami­lien bei. Natürlich tragen sie auch wertbestimmend zur Absicherung in der Gesellschaft bei. Außerdem sind diese Betriebe meistens in ländlichen Regionen und sichern dort wertvolle dezentrale Arbeitsplätze ab.

Ein weiterer positiver Effekt ist, dass in diesen Regionen die Abwanderung gebremst wird, das ist wichtig für die Erhaltung der Regionalität und der Bewirtschaftung von Al­men und Wiesen. Auch für eine entsprechende Ausweitung und Abrundung des touris­tischen Angebots sind diese Ferienwohnungen und Zimmer unbedingt notwendig, denn


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viele Gäste schätzen gerade die bäuerliche und familiäre Atmosphäre bei diesen Ange­boten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe es daher als sehr wichtig an, dass diese Betriebe durch diese Unterstützung bestehen bleiben, ihre Attraktivität gesteigert wird und sie weiterhin einen positiven Beitrag zum BIP-Anteil des Tourismus leisten kön­nen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

12.59


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weiters zu Wort gemeldet ist Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


12.59.32

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Vizepräsident! Frau Minister! Herr Minister! Nur kurz: Das ist ein wichtiges Gesetz. Aber zu meinen beiden Vorrednern Gfrerer und Auer: Ich schätze euch beide wirklich sehr, nur soll man vielleicht schon bei der Wahrheit bleiben.

Dieses Gesetz kam nur deshalb zustande, weil der Obmann des Tourismusausschusses Gerald Hauser seit elf Monaten – seit elf Monaten! – für die Privatvermieter und touris­tischen Vermieter kämpft. Im Tourismusausschuss des Nationalrates hat es dazu drei Anträge gegeben und im Nationalrat hat es genau zu dieser Materie auch drei Anträge gegeben.

Wissen Sie, was Sie, von ÖVP und Grünen, gemacht haben? Sie haben das Ganze sechsmal abgelehnt: dreimal im Ausschuss und dreimal im Nationalrat. Also bitte, schmücken Sie sich jetzt nicht mit fremden Federn! Seit März 2020 gilt das Härtefall­fondsgesetz und all jene, die nach § 28 Einkommensteuergesetz abrechnen müssen, wurden einfach vergessen. Der Obmann des Tourismusausschusses hat euch elf Mona­te lang  bitte, das muss man sich einmal vorstellen, elf Monate lang!  versucht zu er­klären, dass über 10 000 wichtige, kleine Traditionsvermieter durch die Finger schauen. Das war euch elf Monate lang völlig egal. Ich verstehe Sie schon, Frau Ministerin, wenn Sie sagen, es war schwierig, das zu erheben, aber Sie brauchen mir nicht zu erzählen, dass man für eine Erhebung elf Monate braucht und ganze sechsmal einen diesbezüg­lichen Antrag im Nationalrat und im Ausschuss dazu ablehnt. Sicherlich nicht! (Beifall bei der FPÖ. Zwischenbemerkung von Bundesministerin Köstinger.)

Diese über 10 000 bekamen nämlich keinen Umsatzersatz, keinen Fixkostenersatz. Ihr habt das elf Monate lang blockiert. Es gibt aber einen tollen Spruch: Steter Tropfen höhlt den Stein. – Somit haben wir es jetzt geschafft, dass wir endlich elf Monate danach  auch diese Lücke schließen konnten. Ich stehe gar nicht an, Gerald Hauser von hier aus noch einmal herzlichen Dank zu sagen, dass er elf Monate lang so hartnäckig dafür gekämpft hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sind wir ja alle noch auf die Richtlinien gespannt. Frau Minister, ich habe die Aus­kunftsperson im Ausschuss gefragt, wie es mit den Richtlinien ausschaut. Ich hoffe nicht, dass da von den 10 000 wieder ein paar rausfallen. Sie hat gesagt, nein, sie sind fast fertig, es ist jetzt noch ein Politikum, bis die Richtlinien veröffentlicht werden. Also, Frau Ministerin, geben Sie Gas, raus mit den Richtlinien, dass nicht noch ein Monat umsonst ins Land zieht!

Wir stehen jetzt bei elf Monaten seit Maßnahmenbeginn und es gibt noch weitere Lü­cken. Es gibt Lücken im Bereich der Sportartikelhändler, auch diese stehen mit dem Rücken zur Wand, und es gibt Lücken im Bereich der Zulieferer, auch diese stehen mit dem Rücken zur Wand. Das predigen, das muss ich jetzt dazusagen, die SPÖ, aber auch wir seit Monaten und es passiert nichts. Ich verstehe es einfach nicht, Frau Mi­nisterin, warum Sie da nicht endlich einmal hinschauen und auch denen helfen. Warum


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lässt man die Sportartikelhändler, die Zulieferer einfach so im Regen stehen? Ich ver­stehe es nicht, aber wir werden Ihnen helfen, Frau Ministerin. Mir ist das jetzt völlig egal, ob Sie dann wieder sagen, das kommt von Ihnen, darum geht es mir gar nicht.

Wir bringen jetzt folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Un­terstützung für vom Lockdown massiv betroffene Sportartikelhändler und Skiverleiher sowie Zulieferbetrieben und indirekt von Negativeffekten betroffenen Unternehmen (Wä­scherein, Reinigungsfirmen, Veranstaltungstechnikunternehmen, etc.) in Tourismusre­gionen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend sicherzustellen, dass insbesondere Sportartikelhändlern und Skiverleihern sowie Zulieferbetrieben und indirekt von Negativ­effekten betroffenen Unternehmen (Wäscherein, Reinigungsfirmen, Veranstaltungstech­nikunternehmen, etc.) in den vom Lockdown betroffenen Tourismusregionen im Sinne der Sicherung der Liquidität einen entsprechenden Umsatzersatz für die gesamte Dauer des Betretungsverbots von Beherbergungsbetrieben gewährt wird.“

*****

Liebe Frau Ministerin, wir geben Ihnen damit eine Steilvorlage. Ich gebe Ihnen den An­trag auch gerne, Sie können dann mit einem Stift drübermalen, dass das nicht der Steiner von der FPÖ war, sondern irgendjemand von der ÖVP, wenn das Ihrem Herzen besser tut – das ist mir egal. Mir ist nur wichtig, dass auch diesen Menschen endlich geholfen wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.05


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Ich darf zwischendurch unseren Bundesminister Martin Kocher in unserer Mitte im Bundesrat begrüßen. Ein herzliches Grüß Gott! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „dringende Unterstützung für vom Lockdown massiv betroffene Sportartikelhändler und Skiverleiher sowie Zulieferbetrieben und indirekt von Negativeffekten betroffenen Unternehmen (Wäscherein, Reinigungsfirmen, Veranstal­tungstechnikunternehmen, etc.) in Tourismusregionen“ ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung. (Bundesrat Steiner hebt die Hand.)

Es gibt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Bitte, Herr Abgeordneter.

*****


13.06.00

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Vizepräsi­dent! Wenn dieser Antrag nun zur Abstimmung kommt, verlange ich eine Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses in Für- und Gegenstimmen. – Herzlichen Dank.

13.06

*****


13.06.11

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Das wird von uns gemacht.


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Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze wurden bereits eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „dringende Unterstützung für vom Lockdown massiv betroffene Sportartikelhändler und Skiverleiher sowie Zulieferbetrieben und indirekt von Negativeffekten betroffenen Unternehmen (Wäscherein, Reinigungsfirmen, Veranstaltungstechnikunternehmen, etc.) in Tourismusregionen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. Jetzt bitte die Hände oben halten! Der Schriftführer macht vom Stimmrecht Gebrauch. (Schriftführer Spanring nimmt gemeinsam mit Vize­präsident Raggl die Stimmenzählung vor.)

In der Zwischenzeit können die Hände gesenkt werden. Danke schön. (Bundesrat Stei­ner: Haben wir ein Ergebnis jetzt? Zwischenrufe bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner: Na das gibt’s ja nicht!)

Bitte, eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung.

*****


13.12.03

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Bitte im Protokoll nachzulesen – oder um Bereitstellung des Protokolls –, ob der Präsident von seinem Stimmrecht Gebrauch gemacht hat! (Rufe: Zur Geschäftsordnung!)

13.12


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Die erste Meldung zur Geschäftsbehandlung ist von Kollegen Steiner gekommen. – Bitte.


13.12.30

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Vizeprä­sident! Ja, ich glaube, es haben alle mitgekriegt, der Herr Schriftführer hat von seinem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Das hat der Herr Präsident nicht getan. Somit gehe ich davon aus, dass die Auszählung so ausgehen muss, dass die Abstimmung für diesen Antrag ausgeht, da der Präsident von seinem Stimmrecht nicht Gebrauch gemacht hat. Die ÖVP hat es versucht, ihm öfter mal raufzuschreien, er hat es wahrscheinlich nicht oder zu spät gehört. Somit hat der Herr Präsident von seinem Stimmrecht nicht Ge­brauch gemacht.

13.13


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Kollege Buchmann, zur Geschäftsbehandlung. – Bitte.


13.13.05

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach den einschlägigen Bestim­mungen unserer Geschäftsordnung ist vom Vorsitzenden und von der Schriftführung vor Eingang in die Abstimmung zu verkünden, ob vom Stimmrecht Gebrauch gemacht wird


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oder nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, es ist nicht der Fall gewesen. (Bundes­rätin Steiner-Wieser: Schauen wir im Protokoll nach! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) – Darf ich ausreden, bitte? – Der Präsident hat den Abstimmungsvorgang eingeleitet, und dann hat der Schriftführer aufgezeigt. Das ist nicht ausreichend. Es muss vor Eingang in die Abstimmung verkündet werden, ob der Vorsitz und der Schriftführer von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Das war immer Usus in diesem Hause. (Beifall bei der ÖVP.)

13.13


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Es liegen mir weitere Wortmeldungen zur Geschäfts­behandlung vor. – Bitte.


13.14.00

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Vizeprä­sident! Herr Präsident Buchmann! Der Herr Präsident hat es extra erwähnt und hat gesagt, die Schriftführung macht von ihrem Stimmrecht Gebrauch, vor Eingang in die Abstimmung. Sonst lassen wir uns das Protokoll kommen, auf jeden Fall verdrehen wir jetzt nicht die Tatsachen.

Und Usus oder nicht: Es ist schon so, dass, wenn der Präsident es auch noch erwähnt, dass die Schriftführung vom Stimmrecht Gebrauch nimmt, ich davon ausgehe, dass wir das jetzt nicht unterbinden wollen. (Bundesrätin Schumann hebt die Hand.)

13.14


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Es gibt eine weitere Wortmeldung zur Geschäftsbe­handlung. – Kollegin Schumann, bitte.


13.14.40

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich darf mich neuerlich zur Geschäftsordnung zu Wort melden und ersuche darum, dass wir für eine Stehpräsidiale unterbrechen.

13.14


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Die Sitzung wird für eine Stehpräsidiale unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 13.14 Uhr unterbrochen und um 13.21 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****


13.21.11Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich darf noch einmal feststellen: Wir befinden uns noch im Abstimmungsverfahren, und das Ergebnis der Stehpräsidiale war eine Nachschau in der Geschäftsordnung.

Ich darf § 53 Abs. 3 zitieren, wo es heißt: „Der Präsident nimmt an Abstimmungen in der Regel nicht teil. Er kann jedoch, bevor er das Ergebnis einer Abstimmung bekannt gibt,“ – also: bevor er das Ergebnis bekannt gibt – „durch mündliche Erklärung sein Stimmrecht ausüben.“

Also: Er kann vor Bekanntgabe des Ergebnisses sein Stimmrecht ausüben. – Das werde ich in diesem Fall jetzt nachholen, und ich unterstütze den Entschließungsantrag nicht.

Damit haben wir ein Ergebnis der Abstimmung. – Ich danke für die Unterstützung, auch wenn es ein bisschen kompliziert war; vielen Dank dem Präsidium. – Das Ergebnis der


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Abstimmung ergibt Stimmengleichheit: 29 Stimmen – Zustimmung: vonseiten der Frak­tion SPÖ 19 und vonseiten der Fraktion FPÖ 10; Ablehnung: vonseiten der Fraktionen ÖVP 23, Grüne 5 und NEOS 1. Damit haben wir Stimmengleichheit. Der Entschlie­ßungsantrag ist somit abgelehnt. (Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP. – Widerspruch bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Na, habt ihr das jetzt notwendig?!)

13.23.096. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (1238/A und 647 d.B. sowie 10546/BR d.B. und 10566/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird (1237/A und 648 d.B. sowie 10547/BR d.B. und 10567/BR d.B.)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilli­gengesetz – FreiwG) geändert wird (1173/A und 655 d.B. sowie 10568/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 6 bis 8, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Ernest Schwindsackl. – Ich bitte um die Berichte.


13.23.56

Berichterstatter Ernest Schwindsackl: Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungs­gesetz 1977 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich setze fort: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Aller guten Dinge sind drei: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement geändert wird.


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Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Isabella Kaltenegger. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.26.21

Bundesrätin Ing. Isabella Kaltenegger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zusehe­rinnen und Zuseher! In diesen Tagesordnungspunkten geht es um die Verlängerung von Maßnahmen, die aufgrund der Coronapandemie notwendig sind. Ich möchte in aller Kür­ze auf die Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes eingehen.

Dieser Gesetzesbeschluss ermöglicht die Covid-19-bedingte Kurzarbeit zu den gel­tenden Rahmenbedingungen auch im zweiten Quartal 2021. Da zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie weiterhin Betriebsbeschränkungen und -schließungen erforderlich sind, können Betroffene während dieser Zeit in Beschäftigung gehalten werden. Solange es behördliche Schließungen im Bereich der Wirtschaft gibt, muss es auch eine großzü­gige Coronakurzarbeit geben.

Da diese Krise am Arbeitsmarkt noch lange nicht überwunden ist, ist es wichtig, dass alle Beschäftigten und alle Betriebe für die nächsten Monate Planungssicherheit haben. Die Kurzarbeit in Österreich ist im internationalen Vergleich einzigartig. In keinem ande­ren Land ist die Ersatzrate, die der Staat zahlt, sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so hoch wie bei uns. Ich denke, wir alle wis­sen, dass die Kurzarbeit ein sehr, sehr wichtiges Instrument ist, um Beschäftigung zu sichern, aber wir wissen auch, dass es kein Instrument auf Dauer sein kann. – Danke, Herr Minister, es ist sehr erfreulich, dass der Kurzarbeitsbonus im Ministerrat beschlos­sen wurde.

Nun noch ein paar Worte zum Freiwilligengesetz: Es geht um die Möglichkeit eines außerordentlichen Freiwilligen Sozialjahrs und um Vorkehrungen, damit Teilnehmerin­nen und Teilnehmer an einem Freiwilligendienst im Falle einer notwendigen vorzeitigen Rückkehr nach Österreich ihren Dienst dann auch im Inland fortsetzen können. Für die­jenigen, die den Zivildienst in Österreich angerechnet bekommen, wird die Möglichkeit geschaffen, den Zivildienst in Österreich fertig zu machen. Diese Maßnahme soll bis 31. August 2021 befristet werden und rückwirkend ab 1.1.2021 gelten. Absolvierten im Jahr 2012 zwischen 300 und 400 Freiwillige dieses Freiwillige Sozialjahr, so sind es jetzt schon über 1 200 Personen – in erster Linie junge Menschen.

Sehr geehrte Damen und Herren, vielleicht noch etwas zum Schluss: 3,3 Millionen Men­schen engagieren sich in Österreich Tag für Tag ehrenamtlich. Mit diesem Wert liegen wir an der Europaspitze, wenn nicht gar an der Weltspitze. Darauf können wir richtig stolz sein, und deshalb zum Abschluss nur noch ein großer Dank an alle Freiwilligen, die in Österreich ihren Dienst leisten. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)


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13.29


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächste ist Bundesrätin Korinna Schumann zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


13.29.43

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir als sozialdemokratische Fraktion werden all den Gesetzesvorlagen, die hier jetzt behandelt werden, unsere Zustimmung geben.

Ich muss aber ein bisschen die schöne und dankbare Stimmung trüben: Fakt ist, wir haben eine Arbeitslosigkeit, die erdrückend hoch ist, und wir haben Kurzarbeit in einem Ausmaß, das den Menschen das Leben sehr, sehr schwer macht. Wir können alle nicht so tun, als wäre das nichts. Es geht um fast 480 000 Menschen, die derzeit keine Arbeit haben. Das ist bedrückend und das ist schwerwiegend. Wir können es gar nicht genü­gend oft wiederholen: Das ist ein Zustand, der geändert werden muss, und es müssen Lösungen gefunden werden.

Ja, die Wut der Menschen, die Verunsicherung und der Ärger sind groß, aber es gilt nicht, diese Wut abzuholen und in Hass und in eine weitere Spaltung der Gesellschaft zu verwandeln, sondern es gilt, Lösungen zu finden und den Menschen Perspektiven zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir können die jetzige Situation nicht schönreden, sondern wir müssen sagen, was ist, und wir müssen sagen, welche Möglichkeiten es gibt, damit wir aus dieser Krise wieder herauskommen. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben sehr viele Lösungsansätze, sei es in der Frage der Testungen oder sei es auch die Frage, wie man den Arbeitsmarkt wieder beleben kann. Wir werden heute – und ich werde ihn dann ein­bringen – einen Antrag dazu stellen, dass wir fordern, eine Aktion 40 000 ins Leben zu rufen. Wir haben eine extrem hohe Zahl an Menschen, die langzeitarbeitslos sind. Das sind Menschen, die niemals damit gerechnet haben, dass sie in diese Lage kommen werden. Es sind junge Menschen, es sind Menschen in mittlerem Alter, es sind aber auch Menschen über 50, die am Arbeitsmarkt als ältere MitarbeiterInnen gelten und die keine Chance haben, jetzt einen Arbeitsplatz zu finden.

480 000 Arbeitslose und 65 000 offene Stellen: Da muss man doch handeln und da muss man doch schauen, was der Staat machen und welche Maßnahmen er setzen kann, damit diese Menschen eine Chance haben! Wir fordern, eine Aktion 40 000 umzu­setzen. Gerade für den ländlichen Bereich ist das eine so wichtige Aktion. Es gäbe viele Arbeitsplätze in den verschiedensten Bereichen, in der Betreuung älterer Menschen, im Einkaufsservice, in der Arbeit in den Gemeinden. Die verschiedensten Tätigkeitsfelder könnten mit einer Unterstützung geöffnet werden. Wir wissen: Arbeitslosigkeit ist we­sentlich teurer als Beschäftigung. (Beifall bei der SPÖ.)

Geben wir den Gemeinden das Geld in die Hand und schaffen wir Arbeitsplätze! Das rentiert sich x-mal, weil das, was diese Menschen dann verdienen, ja wieder in den Wirtschaftskreislauf eingeht, wieder in Steuern umgesetzt wird und damit unserer Wirt­schaft und unserer Gesellschaft hilft.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ak­tion 40.000“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, ein Beschäftigungsprojekt für 40.000 geförderte Arbeitsplätze bei öffentlichen und ge­meinnützigen Trägern für die Beschäftigung von Langzeitbeschäftigungslosen und unter


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Bereitstellung der erforderlich zusätzlichen finanziellen Mittel auszuarbeiten und bis spätestens Juni 2021 umzusetzen.“

*****

Es ist Zeit, es ist mehr als dringend, dass am Arbeitsmarkt gehandelt wird und dass etwas passiert. Wir wissen, es muss sorgsam mit Steuermitteln umgegangen werden, aber in dieser unendlichen Krise mit dieser großen Zahl von Menschen, die keine Arbeit haben, muss man Lösungen finden, und darum brauchen wir die Aktion 40 000. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Sehr wohl!)

Es gilt, immer wieder zu sagen: Wir brauchen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Wir können nicht bei den Menschen sparen, die arbeiten wollen und arbeiten sollen. Wir können nicht mit kleinen Einmalzahlungen ein bisschen etwas hergeben, sondern sie brauchen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, damit sie in Würde leben können. Da­für werden wir uns immer wieder einsetzen, und, Herr Bundesminister, es wäre mehr als an der Zeit. (Beifall bei der SPÖ. – Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich auch noch etwas zum Thema Frauen und Arbeitslosigkeit sagen – der Internationale Frauentag ist nur wenige Tage her! Wir wissen, dass in Österreich Frauen besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Frauen haben uns durch diese Krise getragen, sie haben mit Homeschooling, Homeoffice, der sozialen Arbeit zu Hause und in systemerhaltenden Berufen unglaubliche Lasten getragen – und noch mehr. Sie ha­ben Arbeitszeit reduziert und Arbeitsplätze verloren. Jetzt gilt es, Antworten für die Frau­en zu geben, Möglichkeiten, Stiftungen, um ihnen wieder einen Weg zu mehr Beschäf­tigung und in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Das gilt es, zu tun! Da kann man am Frau­entag nicht nur Zahlen präsentieren. 60,5 Millionen Euro: Das ist schön, aber es braucht wirklich Perspektiven, an denen sich die Frauen orientieren können. Es braucht für sie Beratung und die Möglichkeit, wieder gut in den Arbeitsprozess eingegliedert zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade weil wir hier im Bundesrat sind, ist zu sagen: Der Jobverlust von Frauen am Land ist besonders hoch. 70 000 Frauen sind in den ländlichen Gemeinden auf Jobsuche; das sind 65 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Frauen wurden zuerst gekündigt – das geht aus den entsprechenden Zahlen hervor –, weil sie oft zur Randbelegschaft gehören. Das ist dieser kalte Fachbegriff, der aber in Wirklichkeit bedeutet, dass Frauen haupt­sächlich Teilzeit arbeiten und vor der Kernbelegschaft gekündigt wurden. Da muss ge­handelt werden. Herr Bundesminister, da kann man nicht wegschauen, da gilt es, etwas zu tun! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Vorrednerin hat es schon erwähnt: Das Kurzarbeitsmodell ist das Erfolgsmodell, um Arbeitsplätze zu retten, auch jetzt noch. Das ist ganz, ganz wichtig. Es hat die Kraft und die Möglichkeiten der Sozialpartner gezeigt. Ein Kurzarbeitsbonus allerdings, bei dem die Unternehmerseite 825 Euro und die Arbeitnehmerin 175 Euro kriegt, sozusagen als Trinkgeldersatz, ist verfehlt. 175 Euro für jene, die Kurzarbeitsgeld bekommen, aber wie in der Gastronomie und so weiter auf Trinkgeld angewiesen sind, sind da eindeutig zu wenig. Es muss auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etwas getan werden. Wir dürfen nicht nur auf die Unternehmen schauen, auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen unterstützt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich Ihnen noch etwas zum Thema Hygiene Austria und diesen Masken mitgeben, gerade Ihnen als Arbeitsminister: Es zeigt sich immer mehr, dass das, was da bei diesen Masken made in Austria passiert ist, dieser wirklich sehr bedenkliche Fall, dringend einer Aufklärung bedarf – einer Aufklärung auf vielen Ebenen und auch in den politischen Verwobenheiten und Zusammenhängen. Herr Minister, bitte äußern Sie sich


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als Arbeitsminister dazu! Es darf nicht sein, dass Lohn- und Sozialdumping und am Ende sogar auch noch Schwarzarbeit zum Geschäftsmodell gemacht werden. Das darf nicht vorkommen, auf keinen Fall. (Beifall bei der SPÖ.)

Sozialbetrug ist kein Kavaliersdelikt! Wenn wir heute hören müssen, dass es in Öster­reich, angehängt an die verschiedensten Branchen, 435 Scheinarbeitsfirmen gibt, so ist das nicht die Form, wie man mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ordentlich um­geht, genauso wenig, wie man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern per Whatsapp kündigt. Dazu muss es eine ganz klare Ansage des Arbeitsministers geben. So kann man mit ArbeitnehmerInnen gerade jetzt in der Krise, in der viele Menschen um ihren Arbeitsplatz fürchten, nicht umgehen. Das ist nicht fair! (Beifall bei der SPÖ.)

Es sei noch zusätzlich gesagt, und das darf ich Ihnen auch noch mitgeben – Bundesrätin Grossmann wird dann noch ausführlicher zum Mutterschutz sprechen –, dass ich ein bisschen enttäuscht bin. Alle Gewerkschaften und die Arbeiterkammer haben unter an­derem Ihnen einen offenen Brief geschrieben und zum Gespräch darüber eingeladen, wie man die Schwangeren, und zwar alle Schwangeren, besser schützen kann. Die Mög­lichkeit zum vorzeitigen Mutterschutz muss allen Frauen eröffnet werden und nicht nur jenen in körpernahen Arbeitsbereichen.

Bitte, Herr Bundesminister, ich muss meiner Enttäuschung Ausdruck verleihen: Wir ha­ben diesen offenen Brief vor drei Wochen geschrieben. Es gab keinerlei Reaktion, nicht von Ihnen als zuständigem Minister, genauso wenig von der Frauenministerin und auch vom Vizekanzler nicht, der für den öffentlichen Dienst zuständig ist, in dem die Frauen auch keine Chance auf vorzeitigen Mutterschutz haben. Die Pandemie ist gefährlich, das wissen wir – die Zahlen steigen –, und gerade Schwangere brauchen einen besonderen Schutz. Herr Bundesminister, vielleicht könnten Sie doch noch auf unseren Brief reagie­ren! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Aktion 40.000“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


13.40.35

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Verlängerung der Kurzarbeit, Verlängerung der Not­standshilfe in Höhe des Arbeitslosengeldes – zwei Maßnahmen, die Menschen jetzt in dieser Situation, in dieser schwierigen Situation unter die Arme greifen und sie unter­stützen sollten. Die Maßnahmen wären jedoch eigentlich gar nicht mehr in dieser Art und Weise notwendig, wenn diese schwarz-grüne Regierung die Wirtschaft sich endlich wie­der voll ankurbeln ließe, die Wirtschaft wieder volle Fahrt aufnehmen ließe, die Men­schen wieder arbeiten ließe, denn dann hätten die Unternehmer vollen Umsatz und die Arbeitnehmer ihr volles Einkommen.

Der positive Effekt wäre, dass die Arbeitslosenzahlen nach unten gingen. Sie, Herr Mi­nister, haben ja, als der Handel wieder öffnen durfte, auch sofort eine OTS-Mitteilung rausgegeben und sich gefreut, dass die Arbeitslosigkeit runtergeht. Ja – no na net –, wenn ich Menschen in Arbeit bringe, dann geht ja zwangsläufig oder Gott sei Dank die Arbeitslosigkeit runter. Genau das ist es! Diese Forderung haben wir Freiheitliche: dass Sie sich dafür einsetzen, dass die Gastronomie, die Hotellerie, die Fitnessstudios, alle Betriebe, die Arbeitnehmer einstellen und beschäftigen, wieder voll arbeiten können. Wir Österreicher sind eh so fleißig, wir schaffen das, aber nur dann, wenn wir wirklich arbei­ten können. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 80

Seit genau einem Jahr wurschtelt aber diese schwarz-grüne Regierung herum, und es wird nichts besser. Sie sind relativ spät als sogenannter Unabhängiger dazugekommen, aber wenn ich mir manche Sachen anschaue, Herr Minister: Bitte seien Sie vorsichtig, dass Sie nicht die gleiche Marionette von Herrn Kurz werden wie die anderen ÖVP-Minister! Bitte seien Sie vorsichtig und bewahren Sie sich Ihre Unabhängigkeit! (Beifall bei der FPÖ. – Heiterkeit des Abg. Seeber.)

In diesem einen Jahr Herumwurschteln hat man es tatsächlich dahin gebracht, dass Österreich jetzt die schlechtesten Wirtschaftsdaten in der gesamten EU hat. Österreich musste den stärksten Wirtschaftseinbruch in der Europäischen Union hinnehmen. Von Oktober bis Dezember ist die Wirtschaft achtmal so stark geschrumpft wie im EU-Durchschnitt! Da müssten doch, bitte gar schön, bei jedem Minister die Alarmglocken läuten! Gerade bei Ihnen als Experten, Wissenschafter und Wirtschafter würde ich mir erwarten, dass Sie da auf die Barrikaden steigen und sagen: So geht es nimmer! Wir müssen die Wirtschaft voll ankurbeln. Es ist höchste Zeit und dringend notwendig, dass auf die katastrophalen Entwicklungen reagiert wird und die Wirtschaft wieder in vollem Umfang laufen kann. Aber stattdessen produziert diese Regierung anscheinend nur heiße Luft, und Österreich wird in immer größere Probleme hineinmanövriert. Ich habe es vorhin eh schon erwähnt: PR, Werbung und Schreckensgeschichten. Bitte, lassen Sie sich davon nicht anstecken, dass Ihnen das wichtiger ist als Ihre eigentliche Arbeit, für die Sie in dieses Amt gehoben wurden! (Beifall bei der FPÖ.)

Die Arbeitslosenrate ist immens hoch. Sie haben das ja auch selber in einer Ihrer OTS-Mitteilungen gesagt, sogar von 10 Prozent habe ich irgendwo etwas gelesen, was ich nicht recht glauben konnte – so hoch wie noch nie in diesem Land. Es sind keine Lösun­gen da, und AMS-Kurse als Lösung zu sehen, das ist keine Lösung. Die Drop-out-Rate dort ist nämlich sehr, sehr hoch, weil eben die Menschen nur eine sehr geringe DLU, also die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts während eines Kurses, bekommen.

Beim Arbeitslosengeld haben wir eine Nettoersatzrate von 55 Prozent. Haben Sie den Mut, erhöhen Sie diese Nettoersatzrate für das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent für die Menschen, die von Corona betroffen und dadurch in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir wissen ganz genau, dass Arbeitslose momentan wenige Chancen haben, gute Stel­len zu finden, wenn die Betriebe alle zu sind. Beim AMS sind rund 60 000 offene Stellen gemeldet, und denen stehen 500 000 Arbeitslose gegenüber; nur jeder Neunte hat also die Chance auf einen Arbeitsplatz. Wie soll sich das denn rein rechnerisch ausgehen? Und darum hier nochmals: Noch einmal fordere ich Sie auf, Herr Minister: Setzen Sie sich ein, machen Sie Ihre Hausaufgaben, Ihre Arbeit, bitte, damit die Betriebe aufsperren können, dass Arbeitnehmer eingestellt werden können! Diese von ÖVP und Grünen her­beigeführte Wirtschafts- und Sozialkrise dauert schon zu lange, und sie wird nicht besser werden. Die nächsten Generationen werden das noch zahlen müssen, denn irgendwann kommt dann genau diese Regierung daher und sagt: Na ja, das hat jetzt alles so viel gekostet, wir müssen jetzt schon alle solidarisch sein. Jetzt müsst ihr einmal alle zusam­men zur Kasse gebeten werden. (Bundesrätin Schartel: Genau!) Nein! Die Menschen sind durch eure Maßnahmen unverschuldet in diese Situation geraten.

Die Menschen brauchen jetzt Optimismus, Perspektiven, Zuversicht und Planungssi­cherheit, aber was sie sicherlich nicht brauchen, ist diese schwarz-grüne Angst-, Schre­ckens- und Panikpolitik. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 81

13.46


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Kollege.


13.46.27

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren drei Maßnahmen, die sich bisher in der Krise sehr bewährt haben und deren Verlängerung, um die es dabei eigentlich geht, vor zwei Tagen, am Dienstag, auch im zuständigen Ausschuss einhellige Zustimmung erfahren hat. Zum einen geht es um die Verlängerung der Covid-bedingten Übergangs­regelung für den Gedenkdienst beziehungsweise für das Freiwillige Sozialjahr, zum an­deren geht es um die Verlängerung der Kurzarbeit beziehungsweise eigentlich um die Phase vier dieser sehr wichtigen Maßnahme, die wieder gemeinsam mit den Sozialpart­nern ausgestaltet wurde und ab April in Kraft treten soll – es befindet sich noch immer knapp eine halbe Million Menschen in Österreich in Kurzarbeit, und daher ist es auch richtig, dieses sehr bewährte Instrument weiter zur Verfügung zu stellen –, und schließ­lich geht es um die Verlängerung der Anhebung der Notstandshilfe auf das Niveau des Arbeitslosengeldes. Angesichts der derzeit sehr hohen Arbeitslosigkeit – circa eine hal­be Million Menschen ist derzeit ohne Job und 140 000 davon sind langzeitbeschäfti­gungslos – ist gerade die Anhebung der Notstandshilfe ein wichtiges sozialpolitisches Instrument, um der Armutsgefährdung entgegenzuwirken.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen es gesehen hat, aber gestern gab es in der „ZIB 2“ einen Bericht aus Italien. Es wurde berichtet, dass die Zahl der armutsgefährdeten Personen innerhalb des letzten Jahres um 20 Prozent gestiegen ist. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Das hat die Caritas bei uns im Sommer auch gesagt!) Ein solches Szenario ist in Ös­terreich dank mehrerer sozial wirksamer Maßnahmen dieser Regierung in dieser Krise Gott sei Dank noch nicht eingetreten. In diesem Zusammenhang spielt eben auch die Notstandshilfe eine wichtige Rolle, und ich bin froh, dass wir sie haben.

Langzeitarbeitslosigkeit ist angesichts der Covid-19-Krise und der schwierigen Situation am Arbeitsmarkt ein Phänomen, das im Augenblick sehr viele Menschen betrifft. Es hat sich gerade in dieser Krise wieder gezeigt, wie wichtig die Notstandshilfe ist und welch wesentlichen Beitrag sie zur Stabilisierung der Einkommen und zum Kampf gegen die Armut in diesem Land leistet, und es zeigt sich auch ihr Vorteil gegenüber der Sozialhilfe.

Es wurde ja schon einige Male von unterschiedlichen Parteien angedacht, ob man die Notstandshilfe nicht abschaffen und mit der Sozialhilfe zusammenlegen sollte. Gerade jetzt hat sich gezeigt, wie falsch das gewesen wäre. Die Notstandshilfe ist schließlich nicht nur ein Instrument, wobei keine Vermögensverwertung, keine Verwertung der Er­sparnisse anfällt, sie ist vor allem auch ein Instrument, das seit dem Juli 2018 nicht mehr nur unter Berücksichtigung des Haushalts- beziehungsweise Partnereinkommens aus­bezahlt wird, sondern jedem und jeder zusteht, der/die diese Leistung aus der Arbeits­losenversicherung tatsächlich bezieht.

Sie ist damit eine wesentliche und zentrale Stärkung der Haushaltseinkommen, und so­mit ist auch die Erhöhung der Notstandshilfe eine wesentliche Stärkung dieser Haus­haltseinkommen, was bei der Sozialhilfe eben nicht möglich wäre, weil da die Einkom­men des Partners oder der Partnerin angerechnet würden.

Es ist für uns daher ganz klar, dass wir uns allen Versuchen, die Notstandshilfe mit der Sozialhilfe zusammenzulegen, klar entgegenstellen, und dass wir für den weiteren Erhalt der Notstandshilfe als wesentliches Sicherungsinstrument einstehen werden. Gegebe­nenfalls, falls die Krise noch länger andauert, werden wir auch weitere Schritte setzen müssen, um diese Form von Einkommen weiter zu stabilisieren.

In der Diskussion um Arbeitslose wird vonseiten einiger immer wieder zwischen den Guten und den Schlechten unterschieden: zwischen solchen, die angeblich nichts dafür können, und solchen, die angeblich nicht wollen. So auch am Dienstag im Ausschuss, als Kollegin Steiner-Wieser den als Experten anwesenden AMS-Verwaltungsratsvorsitzenden


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 82

Mag. Sauer fragte, ob es denn eine Möglichkeit gäbe, bei den NotstandshilfebezieherInnen zu unterscheiden, ob diese Covid-bedingt in die Notstandshilfe fallen oder nicht.

Abgesehen davon, dass die Kosten, die dabei durch den technischen und bürokrati­schen Aufwand entstünden, wahrscheinlich die Summe dessen übersteigen würden, was dabei eingespart werden würde – im Übrigen erinnert mich das an die Aktion der ehemaligen Sozialministerin Hartinger-Klein, alle E-Cards mit Fotos auszustatten, um einen sogenannten Missbrauch zu verhindern, wobei sich dann aber herausgestellt hat, dass die Kosten dieser Aktion bei Weitem höher waren als das, was durch weniger Miss­brauch eingespart wurde –, also abgesehen davon: Was soll das überhaupt?

Wir haben derzeit eine halbe Million Arbeitslose, davon 140 000 Langzeitbeschäfti­gungslose, und dem gegenüber ungefähr 60 000 offene Stellen. Da reichen eigentlich die Grundkenntnisse der Mathematik, um klar zu erkennen: Das geht sich nicht aus. Wir haben derzeit eine sehr angespannte Lage am Arbeitsmarkt, und das, was wir jetzt am wenigsten brauchen, ist eine Diskussion um schuldige und unschuldige Arbeitslose. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Bekämpfen wir die Arbeitslosigkeit und nicht die Arbeitslosen! (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.52


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu einer ersten Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister für Arbeit Dr. Martin Kocher zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundes­minister.


13.52.33

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Bundesräte und Bundesrätinnen! Es ist angesprochen worden: Die Lage am Ar­beitsmarkt ist weiter sehr herausfordernd. Wir haben – die Zahlen sind bekannt – im Moment gut 400 000 Personen, die arbeitslos und nicht in Schulung sind, und zusätzlich noch einmal gut 70 000 Personen in Arbeitslosigkeit und in Schulung. Das ist glücklicher­weise im Vergleich mit dem Höchststand, den es um die Weihnachtszeit beziehungs­weise Anfang des Jahres gegeben hat, nämlich mit 530 000 Personen insgesamt in Ar­beitslosigkeit und in Schulung, ein Rückgang in den letzten Wochen, aber natürlich kein so großer Rückgang, wie wir ihn uns wünschen würden.

Wir sehen natürlich, dass Öffnungsschritte, wenn sie nachhaltig und ohne Rückschläge möglich sind, zu einer Verringerung der Arbeitslosigkeit führen. Wir schätzen, dass gera­de im Bereich des Handels und bei den körpernahen Dienstleistungen die Arbeitslo­sigkeit in den letzten Wochen um ungefähr 20 000 Personen gesunken ist, weil eben diese Öffnungsschritte möglich waren, aber ein Auf-Zu brächte dem Arbeitsmarkt klarer­weise auch nichts.

Die Kurzarbeit – sie wurde schon angesprochen – ist aus unserer Sicht, aus Sicht der Bundesregierung, die wichtigste Maßnahme, um die negativen Folgen der Pandemie am Arbeitsmarkt abzufedern. Wir haben, glaube ich, ein beispielloses Modell der Kurzarbeit in Österreich. Es ist mittlerweile anerkannt, dass es das großzügigste Modell ist, was die Ersatzrate betrifft, aber auch, was die Höhe des Lohnes, den man bekommt, betrifft; es ist jedenfalls das großzügigste Modell in Europa.

Wir haben damit 1,2 Millionen Beschäftigungsverhältnisse nachhaltig gerettet. Wir ha­ben auch gesehen – ich glaube, das ist auch wichtig, dazuzusagen –, dass am Ende dieser Phase der Kurzarbeit – letztes Jahr im Sommer zum Beispiel, als Phase eins ausgelaufen ist – die Leute nicht in Arbeitslosigkeit gekommen sind, sondern dass die Kurzarbeit diese Beschäftigungsverhältnisse weitgehend gerettet hat.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 83

Wir haben über 6 Milliarden Euro, mittlerweile sind es, glaube ich, 6,5 Milliarden Euro, tatsächlich an Kurzarbeitsbeihilfen ausbezahlt, und es sind ungefähr 11 Milliarden Euro zugesagt. Es gibt im Moment 485 000 Personen – ich glaube, 486 000 Personen sind es genau –, die für Kurzarbeit vorangemeldet sind. Da es Öffnungen gegeben hat, wird ein Teil nicht abgerechnet werden. Das wissen wir allerdings erst ein, zwei Monate nach der Voranmeldung, also wahrscheinlich Anfang April.

Wir haben genug Mittel für die Kurzarbeit, deswegen wird sie in die Phase vier verlängert. Ich glaube, es ist wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass die Phase vier notwendig ist. Solange es großflächige Schließungen gibt – und im Moment haben wir noch einen Lockdown im Bereich der Gastronomie, im Tourismus –, braucht es diese Form der Kurzarbeit.

Zur Form der Kurzarbeit, zur Erinnerung: Sie sieht eine Nettoersatzrate für die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer von 80 Prozent bis 90 Prozent vor, je nach Lohnniveau und Arbeitszeit. Die Arbeitszeit kann im Normalfall auf 30 Prozent reduziert werden, aber natürlich in geschlossenen Bereichen und in Ausnahmefällen bis auf 0 Prozent – ich glaube, das ist in diesen Zeiten auch sehr wichtig. Ganz, ganz wichtig ist aus meiner Sicht auch die zusätzliche Möglichkeit, Weiterbildungen im Betrieb mit Mitteln des AMS zu fördern; bis zu 60 Prozent werden rückerstattet, wenn die Kurzarbeit für Weiterbildung genutzt wird.

Wir brauchen die Kurzarbeit, weil es noch sehr, sehr viele Personen gibt, denen sonst die Arbeitslosigkeit drohen würde. Es gibt 129 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Beherbergung und Gastronomie, die noch in Kurzarbeit sind, und 30 000 in sonstigen Branchen. Also gerade die Branchen, die jetzt noch zum Teil von behördlichen Schließungen oder von massiven Einschränkungen betroffen sind, nutzen die Kurzar­beit, und das ist, glaube ich, ein wichtiges Instrument, um Arbeitslosigkeit zu verhindern.

Gleichzeitig habe ich auch betont, sage ich jetzt dazu, dass die Phase vier der Kurzarbeit notwendig ist, es aber hoffentlich nach der Phase vier in einer Phase fünf ab dem dritten Quartal nicht mehr in der gleichen Form notwendig sein wird, die Kurzarbeit fortzuführen. Es wird nach der Kurzarbeitsphase vier, auf jeden Fall aus meiner Sicht, eine Kurzar­beitsphase fünf geben, diese wird aber angepasst sein, weil wir natürlich hoffen, dass, wenn der Impfplan eingehalten wird, weitere Öffnungsschritte möglich sein werden und die Kurzarbeit nicht mehr so großflächig notwendig sein wird.

Im Moment halte ich die Kurzarbeit für sehr, sehr wichtig. Wir brauchen sie, um den Arbeitsmarkt einigermaßen zu stabilisieren. Sie sichert das Einkommen für die betrof­fenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und sie ermöglicht es den Menschen, im Betrieb zu bleiben und damit alle negativen Folgen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch für die Betriebe, die entstünden, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Ar­beitslosigkeit gingen, zu reduzieren.

Wenn die Kurzarbeit nicht mehr notwendig sein wird, dann werden wir hoffentlich sehr rasch zu einer Normalisierung kommen und die Dynamik am Arbeitsmarkt in Richtung Beschäftigungsaufbau neu entfachen können. Das wird als nächster Schritt ganz wichtig sein. Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

13.57


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner: Herr Bundesrat Otto Auer. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.


13.57.54

Bundesrat Otto Auer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi­nister! Geschätzte KollegInnen! Liebe Gäste hier und zu Hause! Mit diesem Gesetz wer­den die Schwachen unterstützt, denn wenn man arbeitslos ist, gehört man in unserer


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 84

Gesellschaft zweifelsohne zum Teil der Schwächeren. Dieses Gesetz schützt uns vor Armut. Wenn es passiert, dass jemand arbeitslos wird, dann sollte möglichst schnell die Wiedereingliederung erfolgen, damit dieser Teil der Gesellschaft wieder zu einer nor­malen Lebensführung zurückkommen kann. Das ist unser Ziel, denn damit sichern wir den sozialen Frieden in der Gesellschaft und den Wohlstand ab.

Die Folgen und die Auswirkungen von Corona können wir positiv beeinflussen. Das Virus selbst, die Infektionszahlen und die Krankheitsverläufe stellen uns aber vor große He­rausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können.

Die Kurzarbeit bleibt bei einem Nettoersatz von 80 Prozent bis 90 Prozent ein wesentli­cher Faktor in der Unterstützung, man kann damit sogar – wie der Herr Minister schon gesagt hat – mit 0 Prozent Arbeit zu seinem wohlverdienten Geld kommen. Die Arbeits­zeitgestaltung kann individuell für jeden Mitarbeiter separat durchgeführt werden. Es werden auch sehr viele Weiterbildungsmaßnahmen für diese Gruppen angeboten und auch genutzt. Die Kurzarbeit sichert Arbeitsplätze und hilft beziehungsweise ermöglicht es den Firmen, alle Mitarbeiter zu behalten, um bei Bedarf sofort mit der vollen Pro­duktion beginnen zu können. Das ist für die Betriebe, für den Wirtschaftsstandort und für die Wirtschaftsleistung in unserem Land sehr, sehr wichtig.

Doch nun zu einem wichtigen Thema beziehungsweise einer wesentlichen Säule in der Funktionalität unserer Gesellschaft, nämlich zur Freiwilligkeit: Da gibt es die klassischen Betätigungen wie bei der Feuerwehr oder in Vereinen, aber jetzt in der Pandemie haben wir auch in den Teststraßen den Beweis, dass die Menschen sehr, sehr viel leisten kön­nen, sich da sehr gut betätigen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Gesunderhal­tung und zur Risikominimierung in der Pandemie beitragen können.

Rund 3,5 Millionen Menschen in unserem schönen Land engagieren sich ehrenamtlich für unsere Gesellschaft. Die Schaffung von Rahmenbedingungen und Unterstützung, wo sie nötig ist, das ist Aufgabe der Politik. Ein großes und herzliches Dankeschön an alle Ehrenamtlichen und Freiwilligen! Ohne euch wäre vieles in unserem Land und in unserer Gesellschaft nicht möglich. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundes­rates Lackner.)

14.00


Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann hat sich zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.


14.00.32

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich darf folgende tatsächliche Berichti­gung vornehmen: Bundesrat Auer hat in seiner Rede behauptet, dass die Arbeitslosen schwach sind. – Das ist unrichtig.

Fakt ist: Menschen, die arbeitslos sind, haben einfach keine Arbeit. Menschen, die ar­beitslos sind, brauchen Unterstützung, damit sie ihre Existenz führen können. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) Menschen, die arbeitslos sind, haben Talente und Fähigkeiten. (Bundesrat Himmer: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Das ist eine Berichtigung, denn es muss erklärt werden: Menschen, die arbeitslos sind, sind nicht schwach! (Beifall bei der SPÖ.) Dafür stehen wir und das muss im Namen aller Arbeitslosen aufgezeigt werden: Sie sind nicht schwach!

14.01


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.01.34

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Wir


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 85

stimmen heute über drei wichtige Verlängerungen, bezogen auf die Notstandshilfe, auf Kurzarbeitsregelungen und das Freiwilligengesetz ab.

Die Erhöhung der Notstandshilfe auf die Höhe des Arbeitslosengeldes ist in dieser schwierigen Zeit eine dringende Notwendigkeit. Es stellt sich nur die Frage: Warum nur bis März und nicht gleich bis Ende des Jahres? Die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt werden sich leider nicht so schnell von der Krise erholen, und wir sollten unserer Bevöl­kerung ihre Existenzängste, soweit es möglich ist, nehmen. Wir haben die höchste Ar­beitslosenzahl in der Zweiten Republik, das sollten wir nicht vergessen. Die Menschen haben Angst.

Kurz in Zahlen die momentane Situation bundesweit: 436 982 Personen befinden sich derzeit in Arbeitslosigkeit – das ist eine Steigerung von 30,8 Prozent –, davon sind 186 740 Frauen, dies ist ein Plus von 40,2 Prozent. 250 242 Männer sind ohne Beschäf­tigung, dies ist ein Anstieg von 24,6 Prozent.

Allein in Tirol gibt es 38 471 Arbeitsuchende; dies ist ein Anstieg von 151,3 Prozent zum Februar 2020. Es sind 17 794 Frauen davon betroffen – dies ist im Vergleich zu 2020 ein Anstieg von 267 Prozent, mehr als eine Verdoppelung –, bei Männern liegt die Ar­beitslosigkeit in Tirol in Zahlen bei 20 677; da sind es 97,7 Prozent mehr als im Februar des Vorjahres.

Direkt auf meinen Bezirk, den Bezirk Reutte, bezogen, sind momentan 1 927 Personen ohne Beschäftigung – dies ist ein prozentueller Anstieg von 441,3 Prozent zum Februar des Vorjahres –, 944 davon sind Frauen, ein Plus von 863,3 Prozent. 983 Männer sind in diesem Bezirk arbeitslos; dies ist eine Erhöhung von 281 Prozent.

Es gibt auch immer mehr Sozialmärkte, die dank vieler Spenden und Unterstützer Hilfe leisten. Leider ist vielen Menschen, die durch die Krise arbeitslos wurden, der Weg in den Sozialmarkt wegen ihrer öffentlichen Hilflosigkeit mit innerlichem Unwohlsein ver­bunden. Viele schämen sich, ihn in Anspruch zu nehmen.

Die Belebung der Wirtschaft, die Förderung des normalen Lebens, die Schaffung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen sollten uns ein stärkeres Anliegen sein. Einer unserer Ansätze dazu wäre die Aktion 40 000 für Langzeitarbeitslose.

Ja, durch Kurzarbeit wurden viele Arbeitnehmer vor der Arbeitslosigkeit geschützt, den­noch dürfen wir auch da nicht vergessen: Egal, wie gut dieses Modell erscheint, es ist keine Dauerlösung und es ist nicht für die Ewigkeit gedacht. Wir brauchen wieder eine stabile Wirtschaft, einen stabilen Arbeitsmarkt und sinkende Arbeitslosenzahlen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass allen beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos registrierten Personen inklusive Krankengeldbe­zieherInnen, ein ‚COVID-19-Ausgleich‘ in Form eines 30-%igen Zuschlages zu allen Ar­beitslosenversicherungsleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe inklusive der Familienzuschläge) rückwirkend mit 1. April 2020 gewährt wird.“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.06



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 86

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Stefan Zaggl, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erhöhung der Leis­tungen aus der Arbeitslosenversicherung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste ist Frau Bundesrätin Bettina Anna Lancaster zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Kollegin.


14.06.51

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuse­her und Zuseherinnen via Livestream! Es passt nicht ganz zum Thema Arbeitsmarkt, aber auch das Freiwilligengesetz wird in diesem Paket behandelt. Es ist richtig und wichtig, dass wir den außerordentlichen Freiwilligendienst heute mit einer Sunsetklausel in die Verlängerung bis zum 31. August bringen.

Es geht um junge Menschen, die als Zivil- beziehungsweise Gedenkdiener in der Welt wertvolle Freiwilligenarbeit leisten. Sie sammeln Erfahrungen in sozialen, ökologischen und kulturellen Projekten. Sie lernen andere Kulturen kennen und verstehen, sie erwer­ben Schlüsselqualifikationen für eine globalisierte Welt.

Auch im Falle eines Abbruchs der Freiwilligendienstes muss es zu einer Anrechnung beim in Österreich abzuleistenden Zivildienst kommen. Dazu brauchen die jungen Men­schen und die entsendenden Organisationen Rechtssicherheit. Wir Sozialdemokraten stehen voll hinter dieser Änderung des Freiwilligengesetzes und legen Wert darauf, dass rechtzeitig geprüft wird, ob eine Verlängerung bis Ende 2021 notwendig ist. Zivildiener leisten in diesen herausfordernden Covid-19-Zeiten einen wichtigen Beitrag für uns alle. Danke dafür aus vollem Herzen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Kolland.)

Ich möchte noch eine Kategorie im Bereich der Freiwilligenarbeit erwähnen, die von die­sem Gesetz zwar nicht direkt betroffen ist, aber eine wichtige Säule der Pandemiebe­kämpfung in unseren Gemeinden war und ist, nämlich die freiwilligen Feuerwehren. Die freiwilligen Feuerwehren in meinem Bezirk, es sind 43, hatten im letzten Jahr über 400 Covid-19-Einsätze. 4 692 ehrenamtliche Stunden wurden zur Unterstützung der Co­vid-Maßnahmen erbracht.

Die freiwilligen Feuerwehren waren in der Vortriage beim Eingang zum Pyhrn-Eisenwur­zen-Klinikum Kirchdorf dabei, sie haben bei der Testung der Pädagoginnen und Päda­gogen mitgewirkt, sie haben bei den Massentests unterstützend mitgewirkt, sie waren auf Abruf dabei und erbrachten ihre vielfältigen Leistungen von administrativen Tätigkei­ten bis zur Verkehrsregelung.

Während sich die Einsatzstunden im Vergleich zu den Vorjahren kaum verändert haben, kam es bei den Stunden für Jugendarbeit, Lehrgängen beziehungsweise Ausbildung zu drastischen Rückgängen. Auch die für die Einsatzbereitschaft so wichtigen Übungen wurden stark zurückgefahren.

Die freiwilligen Feuerwehren müssen schnell wieder zu ihrer Qualifizierungs- und Ju­gendarbeit zurückkommen können. Es geht um die Sicherheit in unseren Gemeinden. Die freiwilligen Feuerwehren wurden im nationalen Impfplan der Bundesregierung nicht einmal erwähnt – ein großer Fehler. Nach dem Aufschrei der freiwilligen Feuerwehren kümmern sich jetzt die Bundesländer darum. Jugendarbeit, Schulungen, Lehrgänge und Übungen müssen so schnell wie möglich wieder in die Gänge kommen. Die Freiwilligen brauchen Sicherheit, das Ansteckungspotenzial muss niedrig gehalten werden. Dazu gehören Eigenanwendungstests für die Feuerwehren nach dem Modell der Schulen im Vorfeld von Übungen und dergleichen. Vielleicht sollte die Regierung weniger Geld für die mediale Präsenz ausgeben und mehr für die Sicherheit der Feuerwehren, indem sie


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 87

ins Testen und Impfen investiert. (Beifall bei der SPÖ.) Aber die Regierung hat ja nicht einmal die Grundversorgung mit Eigenanwendungstests organisieren können.

Noch ein weiterer Punkt betreffend die Feuerwehren: Die finanzielle Situation ist bedroh­lich für die Sicherheit in unseren Gemeinden. Unser Bezirkskommandant sagte in einem Zeitungsinterview, dass nur ein kleiner Teil des Einnahmenausfalls durch den NPO-Fonds ersetzt wurde. Und jetzt die Frage: Wer zahlt die zu erneuernden Einsatzkraft­fahrzeuge, die Sicherheitsbekleidung der Freiwilligen und dergleichen in den nächsten Jahren? Die Feuerwehren werden wohl kaum Eigenmittel aufbringen können. Mit den Ansparmitteln der Gemeinden schaut es schlecht aus – siehe Gemeindefinanzierung in der Pandemie. Die Landesfeuerwehrkommandos werden wohl kaum die hundertpro­zentige Finanzierung übernehmen können. Es braucht dringend Geld zur Absicherung der Einsatzbereitschaft der freiwilligen Feuerwehren. Es braucht neues Geld. Bitte ver­gessen Sie unsere freiwilligen Feuerwehren nicht wieder! – Danke für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.12


14.12.15

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen.

Ich ersuche, die Plätze einzunehmen, und weise noch einmal darauf hin, dass eine Ab­stimmung nur von den Plätzen aus möglich ist. Die Schriftführung und der Vorsitz machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Erhöhung der Leistungen aus der Arbeitslosenversiche­rung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen. (336/E-BR/2021)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Aktion 40 000“ vor. Ich lasse über diesen Ent­schließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 88

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Freiwilligengesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.15.179. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird (1240/A und 651 d.B. sowie 10569/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Bernhard Hirczy. – Ich ersuche um die Berichter­stattung.


14.15.40

Berichterstatter Bernhard Hirczy: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Feb­ruar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 geändert wird.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Andrea Holzner. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


14.16.28

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen via Livestream! Mit diesem Beschluss verlängern wir die Sonder­freistellung von schwangeren Frauen, die in körpernahen Berufen arbeiten, bis zum 30.6.2021.

Schwangere Frauen sind einem höheren Risiko ausgesetzt, dass eine Covid-Infektion schwerer verläuft. Werdende Mütter in körpernahen Berufen – wie Physiotherapeutin­nen, Friseurinnen oder Kindergartenpädagoginnen – können keinen Abstand einhalten, deshalb werden sie und das ungeborene Kind in dieser Zeit durch eine Freistellung ge­schützt, falls kein anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden kann. Lohn und Lohnneben­kosten werden dem Arbeitgeber ersetzt. Sollte die Pandemie ab Juli noch nicht einge­dämmt sein, wird diese Freistellung verlängert.

Kollegin Schumann, schon vor der Krise haben wir in vielen Bereichen unsere schwan­geren Frauen und ihre Kinder frühzeitig geschützt. Wenn nämlich ein Facharzt eine Ge­fährdung für die Gesundheit von Mutter und Kind feststellt, so darf die werdende Mutter zu keiner Tätigkeit mehr herangezogen werden. Auch das Tragen einer FFP2-Maske ist einer Schwangeren generell nicht zumutbar und führt zu einer frühzeitigen Karenzierung. Das war vor der Krise so, das ist jetzt so und wird so bleiben.

Ich freue mich auf breite Zustimmung zu dieser Fristverlängerung und wünsche allen werdenden Müttern einen guten Verlauf ihrer Schwangerschaft. (Beifall bei der ÖVP so­wie des Bundesrates Lackner.)

14.18



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 89

Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Elisa­beth Grossmann. – Bitte, Frau Kollegin.


14.18.12

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir wissen es, die Krise trifft Frauen ganz besonders. Heute geht es um die besonders schutzwürdige Gruppe der schwangeren Frauen.

Meine Vorrednerin Kollegin Holzner hat hier Vergangenes aufgezählt und uns als beson­dere Leistungen nähergebracht, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, aber es hat in der Krise schon lange gebraucht, die Regierungsparteien davon zu überzeugen, dass schwangere Frauen besonderen Schutz brauchen, weil die Gefahr für das unge­borene Kind und für die schwangere Frau selbst im Falle einer Ansteckung eben be­sonders hoch ist. Die Appelle, die von verschiedensten Seiten gekommen sind – in erster Linie natürlich von der Gewerkschaftsbewegung und von uns hier im Parlament –, wur­den dann gehört und haben auch in Form des zitierten Freistellungsanspruches zu einer Reaktion geführt.

Dieser ist aber sehr, sehr lückenhaft, werte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister – wirklich sehr, sehr lückenhaft. Die Verlängerung, die uns heute vorgelegt wird, enthält auch einige Tücken. Ich habe schon in meinem letzten Redebeitrag davor ge­warnt – da war Herr Minister Anschober anwesend und hat mitgeschrieben –, aber es hat wenig bewirkt.

Da sind wirklich, möchte ich sagen, auch gefährliche Fehler unterlaufen – ich kann es nur als Fehler bezeichnen, ich glaube nicht, dass da absichtlich solche Fallstricke einge­baut wurden. Erstens gilt die Freistellung nur für definierte Berufe mit Körperkontakt – die Kollegin hat sie aufgezählt –, und alle, die in anderen Berufen beschäftigt sind und auch Körperkontakt haben und diesen auch nicht vermeiden können – zum Beispiel eine Verkäuferin im Bekleidungshandel, die KundInnen beim Umziehen helfen muss; natür­lich entsteht auch in einer Gesprächssituation entsprechender Kontakt und es können Ansteckungen passieren –, all diese schutzwürdigen Frauen sind davon nicht erfasst.

Der zweite Fehler ist eher ein Formalfehler, der aber gravierende Auswirkungen haben kann: Wer ab 1. April eine Freistellung bekommt, muss nach dem Wortlaut der gesetzli­chen Regelung mit 1. Juli wieder arbeiten gehen, wenn dann nicht sowieso schon der Mutterschutz greift – dann gilt das natürlich nicht. Diejenigen, bei denen der Mutterschutz noch nicht greift, müssen wieder arbeiten gehen, weil der Freistellungsanspruch nur bis 30. Juni gilt. Also ich weiß nicht, was man da vorgehabt hat: Wollte man per Gesetz die Pandemie mit 30. Juni für beendet erklären, unabhängig davon, wie die Faktenlage ist? Nach der alten Regelung, die besser formuliert war, hat diese Verlängerung fortgewirkt.

Unsere Warnungen sind bisher ignoriert worden, Kollegin Schumann hat auch den offe­nen Brief erwähnt – all das ist ignoriert worden. Wir wollten Sie zu einer Korrektur dieser Fehler bewegen.

Ich versuche es heute noch einmal und bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wirkungsvoller Mutterschutz in Zeiten von Corona“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit sowie der Bundesmi­nister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 90

Nationalrat und dem Bundesrat umgehend eine Gesetzesvorlage zuzuleiten, in der ein wirkungsvoller Schutz werdender Mütter vor einem Ansteckungsrisiko mit Sars-Cov-2 sichergestellt und das Mutterschutzgesetz 1979 dahingehend geändert wird, dass insbe­sondere überall dort, wo bei einem Beschäftigungsverhältnis von einem erhöhten Anste­ckungsrisiko auszugehen ist, auf Verlangen der Schwangeren ab Beginn der 14. Schwan­gerschaftswoche ein vorzeitiger Mutterschutz und damit ein vorzeitiges Beschäftigungs­verbot erfolgt.

Eine erfolgte Freistellung wirkt auch über ein mögliches Ende der Pandemie, bis zum Beginn der Achtwochenfrist hinaus fort.“

*****

Bitte lassen wir diese Frauen nicht im Stich. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.23


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Mag.a Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Wirkungsvoller Mutterschutz in Zeiten von Corona“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. – Bitte, Frau Kollegin.


14.23.43

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Meine beiden Kolleginnen haben schon die wesentlichen Inhalte dieses Tages­ordnungspunktes dargelegt. Ich möchte auf einen für mich sehr wichtigen Punkt hinwei­sen. Wir alle wissen, dass Schwangerschaft etwas Besonderes und etwas sehr Schönes ist. Wir alle wissen aber auch – vor allem wir Frauen können uns natürlich daran erin­nern –, dass sich die Frauen, wenn es sich um eine erste Schwangerschaft handelt, in einem sehr emotionalen Zustand befinden.

Frau Kollegin Holzner zum Beispiel hat bestätigt, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass bei Frauen, die während der Schwangerschaft mit Corona angesteckt werden, ein erhöhtes Risiko einer schweren Erkrankung besteht. Ich kann daher nicht verstehen, warum man einen Unterschied zwischen jenen werdenden Müttern und anderen wer­denden Müttern macht, denn wir alle wissen – und das ist mehrfach wissenschaftlich erwiesen –, dass das Wichtigste während einer Schwangerschaft ist, dass sich die Mut­ter wohlfühlt und keine seelischen Stresssituationen durchleben muss. Das verstehe ich also nicht!

Ich hatte bereits bei der Sondersitzung im März 2020, als die ersten Covid-Maßnahmen beschlossen wurden, gehofft, dass man, da wir Frauen in der Regierung haben und Frauen für genau diesen Bereich zuständig waren, das macht. Passiert ist nichts! Und die vorliegende Regelung ist wieder ein super Beispiel dafür, dass alles so einfach, so locker und so leicht ist. Erstens ist es, finde ich, eine Sauerei, dass man es wieder den Unternehmern umhängt, dass diese die Entscheidung treffen müssen und die Verant­wortung dafür zu tragen haben, die werdende Mutter zu schützen oder nicht zu schützen. Himmel noch einmal! Wieso sagt man nicht: Aus dem Versicherungsschutz steht es jeder werdenden Mutter zu, dass sie aus ihrer Versicherungsleistung der Krankenversi­cherung ein Wochengeld beziehen darf!? (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wir haben auch jetzt schon die Möglichkeit, wie schon erwähnt wurde, dass man, wenn die Umstände es rechtfertigen – und das ist keine Willkürentscheidung einer werdenden


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 91

Mutter oder eines Unternehmens, sondern das entscheidet der zuständige Amtsarzt oder das Arbeitsinspektorat –, in ein vorverlegtes Beschäftigungsverbot gehen kann. Und ab diesem Zeitpunkt hat man dann das Recht, aus seiner Versicherungsleistung ein Wochengeld zu bekommen. Aber nein, wir müssen es wieder kompliziert machen, wir müssen schwammig Berufe definieren, und dann muss man wieder bei der ÖGK einen Antrag stellen und muss als Unternehmer unbedingt wieder beweisen, dass es ja gar keine andere Möglichkeit gibt. Warum kann man die Dinge nicht einfach machen, wenn sie einfach sind? Ich verstehe es nicht! (Beifall bei der FPÖ, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Natürlich werden wir genau aus diesem Grund sehr gerne Ihrem Entschließungsantrag zustimmen. Und wenn Sie, Herr Minister, es ganz sachlich und fachlich betrachten, müssten Sie als Fachminister sofort ins Amt gehen und diese gesetzliche Regelung ent­sprechend ändern. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schachner.)

14.27


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gelangt Andreas Lackner. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.27.27

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Niemand von uns möchte mit dem Coronavirus infiziert werden und viele Menschen in Österreich machen sich in dieser Hinsicht auch Sorgen. Für Schwangere ist die Situation noch einmal eine andere, denn sie sorgen sich ja nicht nur um ihre eigene Gesundheit, sondern auch um die Gesundheit ihres Kindes. Gerade Schwangere, die in körpernahen Berufen tätig sind, sind einem höheren Infek­tionsrisiko ausgesetzt, was natürlich zu einer vermehrten psychischen Belastung führen kann. Es kann somit zu einer emotionalen Belastung kommen, was sich dann wiederum negativ auf den Verlauf der Schwangerschaft auswirken könnte. Das sollten wir auf jeden Fall verhindern.

Sicherheit und Gesundheit haben insbesondere dann, wenn es um den Schutz von Schwangeren geht, oberste Priorität. Es gilt daher, alles daran zu setzen, um das Risiko im Vorfeld für die Mutter und natürlich auch für das Kind zu minimieren. Wir nehmen die Sorgen und Ängste ernst, und daher müssen wir allen Schwangeren, die in einem kör­pernahen Beruf arbeiten, weiterhin den besten Schutz bieten. Wenn es Schwangeren nicht möglich ist, ihre Beschäftigung mit einem Mindestabstand, im Homeoffice oder an einem anderen Ort auszuüben, dann besteht eben der Anspruch auf Freistellung mit voller Lohnfortzahlung. Die ArbeitgeberInnen werden dadurch finanziell nicht belastet und bekommen die Lohnkosten in vollem Umfang ersetzt. Mit der Verlängerung dieser Regelung schaffen wir also weiterhin Klarheit und Sicherheit für eine in dieser Covid-Situation besonders vulnerable Gruppe. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.29


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Martin Kocher. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.29.22

Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Natürlich ist es für mich als Arbeitsminister mein obers­tes Ziel, Menschen in Beschäftigung zu halten und in Beschäftigung zu bringen. Aller­dings ist der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch eine besondere Herausforderung in Krisenzeiten; natürlich auch in normalen Zeiten, aber jetzt ganz be­sonders. Das betrifft vor allem die vulnerablen Gruppen, die Risikogruppen. Und heute sprechen wir über eine gesetzliche Regelung, die vor allem Schwangere betrifft.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 92

Wie ist der Status quo? – Seit Anfang des Jahres können sich werdende Mütter, die in Berufen beschäftigt sind, in denen der Mindestabstand eben nicht eingehalten werden kann – darunter fallen zum Beispiel Friseurinnen, Physiotherapeutinnen, aber auch Ele­mentarpädagoginnen –, ab der 14. Schwangerschaftswoche freistellen lassen. Mit Ende März würde diese Regelung auslaufen. Dieses Auslaufen widerspricht aus unserer Sicht der epidemiologischen Realität, weil natürlich weiterhin das Risiko besteht und – das wurde schon angesprochen – es auch wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass Covid-Infektionen bei Schwangeren zu einem schwereren Verlauf führen können. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Ich habe mich daher persönlich dafür starkgemacht, dass wir die Möglichkeit der Sonder­freistellung von Schwangeren in körpernahen Berufen um weitere drei Monate verlän­gern. Das bedeutet, dass werdende Mütter in den Berufen, in denen die Einhaltung der allgemeinen Hygiene- und Schutzmaßnahmen und vor allem der Mindestabstand nicht möglich ist, weiterhin verstärkt geschützt werden. Schwangere können durch diese Re­gelung bis Ende Juni 2021 – das ist der Status quo – auf den Anspruch auf Sonderfrei­stellung zählen. Der Bund übernimmt 100 Prozent der Entgeltkosten für die Freistellung, damit werden die Arbeitnehmerinnen unterstützt.

Bei der Regelung der Antragstellung – es ist wichtig, auch das zu erwähnen – haben wir sichergestellt, dass Dienstgeberinnen und Dienstgeber ein gewisses Maß an zeitlicher Flexibilität haben. Die Dienstgeberinnen und Dienstgeber können den Antrag bis zu sechs Wochen nach Beendigung der Freistellung stellen. Damit ist aus meiner Sicht eine Lösung gefunden, die sowohl die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen als auch jene der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber berücksichtigt, und wir tragen damit dazu bei, dass in einer sehr schwierigen Zeit am Arbeitsmarkt eine gute Lösung für Schwangere gefunden wurde. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

14.31


14.31.58

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Ich ersuche, die Sitzplätze einzunehmen.

Schriftführung und Vorsitz machen vom Stimmrecht Gebrauch.

Wir gelangen damit zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mag.a Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kolle­gen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Wirkungsvoller Mutterschutz in Zeiten von Corona“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das sind 29 Stimmen. (Bundesrätin Schartel: Traurig! Traurig!) Wir machen eine Gegenprobe: Ich ersuche jene, die diesem Antrag nicht zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das sind ebenfalls 29 Stimmen. Der Antrag ist damit abgelehnt. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

14.33.3310. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geändert wird (1239/A und 653 d.B. sowie 10570/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 93

Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Andreas Lackner. – Ich ersuche um die Berichter­stattung.


14.33.58

Berichterstatter Andreas Lackner: Herr Präsident! Herr Minister! Kolleginnen und Kol­legen! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alterssicherungskommissions-Gesetz geän­dert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Karl Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.


14.34.55

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Alterssicherungskommission soll­te regelmäßig Prognosen zum Pensionssystem erarbeiten und der Öffentlichkeit vorle­gen. Das mögen aber die meisten Politiker gar nicht gerne, da würde dann nämlich drin­nen stehen, dass sich das alles nicht ausgeht. Beispielsweise steigt allein in dieser Le­gislaturperiode des Nationalrates der Zuschuss zum Pensionssystem um 20 Prozent von 20 auf 24 Milliarden Euro im Jahr. Wir finanzieren also alle zwei Jahre das Pensions­system mit Steuergeld im Volumen einer Coronakrise.

Da die meisten Politiker diese Wahrheit nicht so gerne hören und sie den Bürgern und Bürgerinnen auch nicht so gerne sagen, darf die Alterssicherungskommission nicht ar­beiten. Seit 2017 bereits sollte es diese Kommission geben, sie wurde aber sehr lange nicht konstituiert. Erst die Übergangsregierung Bierlein hat den gesetzwidrigen Zustand beendet und die Kommission eingesetzt. Jetzt könnte sie arbeiten, aber die Regierungs­parteien beschließen nun schon zum zweiten Mal einen Gesetzentwurf, sodass die Kom­mission kein Gutachten vorzulegen hat. Die Regierungsparteien, wohlgemerkt auch mit Unterstützung der SPÖ und der FPÖ, trauen sich nicht, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken.

Die Alterssicherungskommission sollte ein Langfristgutachten für Pensionen vorlegen, mit einem Zeithorizont bis 2050. Bisher wurden alle diese Pensionsgutachten verscho­ben, dieses Mal mit der Begründung, man müsse noch die Entwicklung der Coronakrise abwarten, man wolle noch eine neue demografische Prognose abwarten. Was macht man in einem solchen Fall normalerweise? – Man macht erstens eine Prognose mit ver­schiedenen Szenarien, und zweitens ist die Frage, wie sehr eine hoffentlich kurzfristige Krise wie die Coronakrise einen Einfluss auf das Pensionssystem bis 2050 haben kann.

Wir haben derzeit nur den Ageing Report der EU-Kommission, der regelmäßig aufzeigt, dass in Österreich das Pensionsloch massiv ansteigt, weil unser Pensionssystem nicht nachhaltig ist und auf Kosten der folgenden Generationen geht. Der Steuerzuschuss zu den Pensionen in Prozent des BIPs wird allein bis 2035 von bisher 4,2 Prozent auf 5,5 Prozent ansteigen. Das sind die Daten des Finanzministeriums.

Diesbezüglich war die Abschaffung der abschlagsfreien Frühpension mit Ende 2021 zwar gut, aber der als Ersatz geschaffene Frühstarterbonus wird vermutlich genauso


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 94

teuer, wie unlängst in der „Wiener Zeitung“ berichtet wurde. Was wir daher dringend brauchen, ist eine Pensionsreform, zum Beispiel nach schwedischem Vorbild mit einem Pensionsautomatismus, und ein erster Schritt dazu wäre das Pensionsgutachten der Alterssicherungskommission. – Danke.

14.38


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ernest Schwind­sackl. – Bitte, Herr Kollege.


14.38.21

Bundesrat Ernest Schwindsackl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Arlamvosky hat eher über die Zahlen und die Belastungen gesprochen, ich möchte nun die Chance wahrnehmen, vor allem etwas über jene Personengruppe auszuholen, die das betrifft, und das ist die ältere Generation, das sind die älteren Menschen.

Für Wirtschaftshistoriker beginnt ja das Altern bereits vor der Geburt. Altern ist kein plötz­liches Ereignis, sondern ein biologischer Prozess, der uns das ganze Leben, von der Geburt bis zum Lebensende, begleitet. Gegen das Altern als solches können wir nichts tun, außer ihm diese positiven Seiten, die es auch gibt und die Gott sei Dank vorhanden sind, abzugewinnen. Schließlich ist alt zu werden die einzige Möglichkeit, ein langes Leben zu führen.

Ich möchte auch prinzipiell auf die Alterssicherungskommission eingehen, denn es ist doch wesentlich, noch ein bisschen mehr zu erfahren, da die Alterssicherungskom­mission natürlich nicht in aller Munde ist. Das ist ja auch nicht die Aufgabe dieser Kom­mission, da sie ein beratendes Gremium an die Bundesregierung ist und ihre Berichte und ihre Arbeit dann entsprechend der älteren Generation zugutekommen.

Mit dem Alter wächst natürlich auch der wertvolle Erfahrungsschatz des Lebens. Wichtig ist, dass die Gesundheitsspanne im Alter möglichst groß ist, damit ältere Menschen auch lange aktiv am Leben teilhaben können.

2020 war ein Jahr mit vielen Einschränkungen und Reglementierungen, die wir alle mit­erlebt haben, in dem gewisse Gewohnheiten zu Irritationen und unerwarteten Reflexio­nen führten. Seniorinnen und Senioren sind in ihren sozialen Kontakten und auch in ihren Möglichkeiten, im Lockdown etwas Gutes für die Gesundheit zu tun, sehr eingeschränkt.

Die ältere Generation war aber bereits am Anfang der Pandemie einer öffentlichen Altersdiskriminierung ausgesetzt, man las von der Unfinanzierbarkeit der Pensionen oder den explodierenden Pflegekosten. Hinter immerhin 2,3 Millionen Seniorinnen und Senioren in Österreich steht eine hohe Wirtschafts- und Arbeitsleistung für die Gesell­schaft. Die Zuschüsse zu den ASVG-Pensionen zahlen sich ja bitte die Seniorinnen und Senioren durch direkte und indirekte Steuern und Abgaben in Höhe von 17 Milliarden Euro selbst.

Auch die Pflege birgt neben Kosten vor allem großes Potenzial für den Wirtschaftszweig: Jeder in der Pflege investierte Euro rentiert sich 1,7-fach – die ältere Generation ist daher kein Kostenfaktor, sondern ein lebender Wirtschaftsfaktor.

Neben den Vertretungsorganisationen für die ältere Generation wurde eine Kommission zur langfristigen Finanzierung der Alterssicherungssysteme – kurz Alterssicherungs­kommission, und das ist der Begriff, der uns hier beschäftigt – eingerichtet. Sie über­wacht die Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung und der Pensionen des öffentlichen Dienstes, das ist ihre Aufgabe.

Diese Kommission, also die Alterssicherungskommission, folgt der Kommission zur langfristigen Pensionssicherung. Diese war im Jahr 2000 gegründet worden und war ein


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 95

Gremium von Vertretern der Nationalratsparteien, Sozialpartnern, Pensionisten- und Se­niorenvertretern sowie Experten und Expertinnen.

In der Alterssicherungskommission sind neben den Sozialpartnern auch das Wirt­schafts‑, das Finanz- und das Beamtenministerium mit Stimmrecht vertreten. Es wurde daher, wie bereits gesagt, ein wichtiges Beratungssystem für die Bundesregierung ein­gerichtet und geschaffen. Aufgabe dieser Kommission ist es, ein Gutachten über die mittel- beziehungsweise langfristige Entwicklung des Pensionssystems zu erstellen, um das Absichern der Lebensqualität, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und das Sichern des Lebens im Alter in Sorgenfreiheit für die ältere Generation zu gewährleisten.

Die Erstellung eines Langfristgutachtens, die die Aufgabe der Kommission darstellt, soll auf Basis einigermaßen valider ökonomischer Daten eine Projektion über die Entwick­lung des Pensionssystems und der Kostenstruktur über die nächsten Jahre und Jahr­zehnte darstellen.

Es ist jetzt nicht die richtige Zeit, seriöse Prognosen abzugeben, denn wir wissen noch nicht, wie sich die Pandemie weiter entwickelt. Aufgrund der steigenden Zahl von Impf­willigen und der verantwortungsvollen Impfabwicklung durch die Bundesländer – hoffent­lich auch absehbar – weiß man nicht, wie sich die Produktivität und der Arbeitsmarkt weiter entwickeln. Pensionssysteme müssen aber immer wieder Reformen unterzogen werden, die sozial gerecht sind und auf möglichst gesicherten Fakten basieren.

Geben wir der Alterssicherungskommission bis November dieses Jahres Zeit, der Bun­desregierung einen Bericht vorlegen zu können, der ziel- und zukunftsorientiert auf ak­tuellen Zahlen und Fakten basiert, damit die wohlerworbenen Pensionen für die leidvoll geprüfte ältere Generation gesichert sind! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

14.44


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


14.44.40

Bundesrat Horst Schachner (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich habe jetzt gehört, dass es schon heißt, Pensionen könnten wir uns nicht mehr leisten und wie das weitergehen solle. Der Kollege von den NEOS hat gesagt, dass das jetzt in die Höhe schieße, dass wir uns das nicht mehr leisten könnten und dass wir vielleicht darüber nachdenken sollten, länger zu arbeiten.

Ganz ehrlich, ich frage euch: Wie soll das funktionieren? Wenn ein Mensch schon 45 Jahre gearbeitet hat, welche Firma übernimmt so einen Mitarbeiter? Ich habe zum Beispiel noch nie bei einem Friseur eine Mitarbeiterin gesehen, die älter als 45 oder 50 wäre, weil die gar keinen Job bei einem Friseur kriegen. Ich habe als Kellnerin noch nie eine gesehen, die älter als 45 oder 50 ist. (Ruf bei der ÖVP: Sie gehen ja zum Herren­frisör! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Nein, nein, ich sage nur, was ich gesehen habe – kann schon sein, dass ihr etwas anderes gesehen habt, aber ich kann es euch nur sagen: Diese Menschen finden nicht einmal mehr einen Job, wenn sie den falschen Beruf gelernt haben! Ich muss euch deshalb ganz ehrlich sagen, wenn jemand 45 Jahre gearbeitet hat, muss das genug sein, da muss er abschlagsfrei in Pension gehen kön­nen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wir werden daher heute einen Entschließungsantrag einbringen – und wir werden den Menschen draußen genau sagen, wer da dagegen ist! (Ruf bei der ÖVP: ... werden ja älter auch!)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 96

Ich sage euch ehrlich – und ich bin jeden Tag draußen bei den Menschen –: Wenn je­mand 45 Jahre gearbeitet hat, kann der oder die nicht mehr, das ist genug! Man muss einfach irgendwann sagen, okay, es ist genug.

Ich habe mir jetzt die Diskussion darüber angehört, dass manche sich Gedanken ma­chen, man könnte vielleicht nach 50 oder 55 Jahren abschlagsfrei in Pension gehen, dann fange ich an zu rechnen. Fängt mit 15 Jahren jemand eine Lehre an, dann ist er schon 65 oder 70, wenn er in Pension gehen kann, und wie lange lebt er? – Seien wir einmal ganz ehrlich, so kann es nicht funktionieren! Ich möchte euch dazusagen: Wir sind das fünftreichste Land in der Europäischen Union und tun bei den Pensionen so, als wären wir das ärmste – das kann es einfach nicht sein! (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Noch eine Frage: Wie soll die Wirtschaft, wie soll die Konjunktur in die Höhe kommen, wie sollen sie sich derrappeln? Sie derrappeln sich ja nicht, wenn man bei den Pen­sionen streicht, wenn man für die Arbeitslosen kein Geld lockermacht, damit sie wieder einkaufen gehen können. Ich habe es hier schon einmal gesagt: ein Arbeitsloser mit 1 000 Euro – das schaue ich mir an, wie sich das ausgeht, das geht sich nämlich nicht aus. Wenn sich jemand mit 1 000 Euro am Leben erhalten, seine Miete zahlen und ein­kaufen muss, was er für den täglichen Bedarf braucht, dann geht sich das nicht aus.

Es ist daher ganz, ganz wichtig, dass wir jetzt für die Arbeitslosen, für diese 500 000 Men­schen etwas tun und dort das Arbeitslosengeld von 55 Prozent auf 70 Prozent erhöhen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Wenn man dann fragt, wo das Geld ist, braucht man nicht darüber nachzudenken, den Pensionisten und zukünftigen Pensionisten das Geld wegzunehmen – sondern da sollte man darüber nachdenken, wie man Geld hereinbekommen kann.

Schauen wir uns die Krisengewinner einmal an, was jetzt geschehen ist: ob das Amazon oder Twitter ist oder wie sie alle heißen, die haben nichts getan, die haben nichts gear­beitet – da ist einfach das Geld gekommen! Warum geht man das jetzt nicht an? Warum geht man das nicht in der Europäischen Union oder bei uns in Österreich an? Die österreichische Bundesregierung müsste nur ein Gesetz vorlegen und sagen, so viel ist bei uns zu zahlen, dann würde schon wieder Geld hereinkommen, so schaut die Welt aus. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Es ist für die Menschen draußen nicht einzusehen, dass sie länger als 45 Jahre arbeiten sollen, und wenn sie mit 45 Jahren in Pension gehen, dann möchten sie abschlagsfrei in Pension gehen.

Ich bringe deshalb jetzt folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „abschlags­freie Pension nach 45 Arbeitsjahren beibehalten und Rücknahme der Kürzung der Pen­sionen durch die Aliquotierung der ersten Anpassung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Abschaffung der abschlagsfreien Pension bei 540 Beitragsmonaten und damit die Wiedereinführung von hohen Abschlägen für diese Versichertengruppe zurückzunehmen und die abschlagsfreie Pension mit 45 Ar­beitsjahren, so wie sie bis Ende 2021 gilt, soll folgendermaßen adaptiert werden:

-         Die Regelung soll für alle Berufsgruppen und für alle Pensionsarten gelten,

-         es sollen Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes als Beitragsmonate der Erwerbs­tätigkeit für den Pensionsanspruch anerkannt werden, und


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 97

-         es soll eine Neuberechnung aller Pensions- und Ruhegenussleistungen, die auf § 15 APG (Kontoerstgutschrift) beruhen oder die mit einem Stichtag ab 1.1.2014 und vor 1.1.2020 gewährt wurden und somit Abschläge bis zu 12,6 Prozent trotz 540 Beitragsmonaten aufweisen, mit 1.1.2021 durchgeführt werden, damit diese Leistungen ab dem 1.1.2021 ohne Abschläge ausbezahlt werden.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, die Kürzung der Pensionen durch die Aliquotierung der ersten Anpassung wieder zurückzunehmen.“

*****

(Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

Vielleicht noch einen Abschlusssatz: Also ich schaue mir einen Bauarbeiter an, der mit 60 oder 65 Jahren auf dem Gerüst steht! Ich schaue mir einen 60-jährigen Asphaltierer an – denn falls ihr es nicht wisst, der Asphaltierer wird gar keine 60, denn vorher stirbt er an Lungenkrebs! Ich könnte euch noch viel mehr solche Geschichten aufzählen, und deshalb sollte man darüber nachdenken, was man hier beschließt. – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

14.50


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „abschlags­freie Pension nach 45 Arbeitsjahren beibehalten und Rücknahme der Kürzung der Pen­sionen durch die Aliquotierung der ersten Anpassung“ ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


14.50.44

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Ich schätze Leidenschaft total, und vor allem auch Leidenschaft, bei der man wie bei dir, Kollege Schachner, merkt, dass es da um etwas geht. Ich muss euch aber schon eine Erinnerung ins Gedächtnis rufen, dass nämlich damals, gerade unter einer rot-schwarzen Regierung, die roten Sozialminister angefangen haben, bei der vorverlegten Alterspension die Abstriche einzuführen. – Das darf man auch nicht vergessen, also wenn schon, denn schon! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, ich schätze Leidenschaft sehr, und natürlich sind wir absolut derselben Mei­nung und werden daher diesem Entschließungsantrag auch zustimmen.

Jetzt zum Tagesordnungspunkt: Ich gehe einmal davon aus, dass der Antrag auf Frist­verlängerung für die Erstattung des Gutachtens wirklich mit der vermehrten Arbeit, be­dingt durch die Coronakrise, zusammenhängt – und nicht, weil Sie wahrscheinlich jetzt schon wissen, dass die Zahlen für die Zukunft nicht unbedingt sehr optimistisch anmuten werden. Natürlich sagt man, man muss gewisse Prioritäten setzen, und das ist diesbe­züglich dann sicherlich in Ordnung.

Weil wir jetzt gerade beim Thema Pensionen sind, möchte ich auch für eine andere Art der Pension sensibilisieren. Bedingt durch die Coronakrise werden vor allem sehr, sehr viele kleine Gewerbetreibende, die unter Umständen gerade vor Ausbruch dieser Krise im letzten Jahr oder in den letzten beiden Jahren vor ihrer Pensionierung gewesen sind, ein trauriges Erwachen erleben. Dies deshalb, weil wir alle wissen, dass bei den kleinen Gewerbetreibenden als Pensionsbemessungsgrundlage immer das einkommensteuer­pflichtige Einkommen zugrunde gelegt wird.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 98

Denken wir an das Jahr 2020! Denken wir an die kleine Cafébetreiberin, den kleinen Marktfahrer, an all diese wirklich sehr, sehr Kleinen, die selbstständig sind und dadurch nicht das etwas bessere soziale Netz der Arbeitnehmer haben! Die werden aus dem Umstand heraus, dass sie ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten, dass sie keine Einnah­men lukrieren konnten, vielleicht ihr restliches Leben lang um 100 Euro netto weniger Pension haben.

Ich möchte jetzt deshalb dafür sensibilisieren, Herr Arbeitsminister, dass man sich viel­leicht auch überlegt, wie man diese ganz kleinen Gewerbetreibenden unterstützen kann, so wie man es ja jetzt bei den Künstlern gemacht hat. Vielleicht überlegt man sich, ob man jetzt zur Pensionsbemessung wirklich das Veranlagungsjahr 2021 heranzieht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.53


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet: Andreas Lack­ner. – Bitte, Herr Kollege.


14.53.48

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Werter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gerade bei langfristigen Prognosen ist die Qualität der Datenbasis für eine Projektion hinsichtlich der Entwicklung der Wirtschaft, des Wachstums, der Beschäftigung und der Produktivität über die nächsten Jahrzehnte besonders wichtig. Jede Ungenauigkeit führt dabei zu wesentlich stärkeren Verzerrun­gen als bei kurzfristigen Prognosen.

Was ist der Zweck des Langfristgutachtens der Alterssicherungskommission? – Es soll auf Basis einigermaßen valider ökonomischer Daten und einigermaßen aussagekräftiger und verallgemeinbarer ökonomischer Daten eine Projektion der Entwicklung des Pen­sionssystems und der Kostenstruktur des Pensionssystems über die nächsten Jahr­zehnte abgebildet werden.

Wie wir alle wissen, befinden wir uns seit einem Jahr in einer Ausnahmesituation, die, gerade auch was die ökonomischen Auswirkungen betrifft, nicht nur von einer Rezession gekennzeichnet ist, sondern eben auch mit einem hohen Grad an Unsicherheit behaftet ist. Kurz gesagt: Die derzeitige Lage ist denkbar ungünstig, um als Basis für eine seriöse langfristige Prognose dienen zu können. Da ist es nur vernünftig und auch logisch, das Langfristgutachten über die Entwicklung der Pensionskosten auf November 2021 zu ver­schieben. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

14.55


14.55.39

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen damit zu den Abstimmungen. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich gebe bekannt, dass Schriftführung und Vorsitz von ihrem Stimmrecht Gebrauch ma­chen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Horst Schachner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren beibehalten und Rücknahme der Kürzung der Pensionen durch die Aliquotierung der ersten Anpassung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 99

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.

14.56.5811. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (1213/A und 675 d.B. sowie 10553/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung geändert wird (676 d.B. sowie 10554/BR d.B.)

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Führerscheingesetz und das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz geändert werden (1252/A und 679 d.B. sowie 10555/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 11 bis 13, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschber­ger. – Ich ersuche Sie um die Berichterstattung.


14.57.45

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung geändert wird, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf auch den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das MTD-Gesetz, das Bundespflegegeldgesetz, das Kraftfahrgesetz 1967, das Führer­scheingesetz und das 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz geändert werden, zur Kenntnis bringen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 100

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen damit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Schilchegger. – Bitte, Herr Kollege.


14.59.39

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Es geht hier im We­sentlichen um ein Sammelgesetz, also es wurden mehrere Materien in verschiedenen Gesetzen zu einer gemeinsamen Debatte und Abstimmung zusammengefasst. Grund­sätzlich ist dagegen nichts einzuwenden – wogegen aber schon etwas einzuwenden ist, ist Ihre Praxis dabei.

Ich spreche vor allem die Vertreter auf Nationalrats- und Bundesratsebene an, die die türkis-grüne Regierungsmehrheit stützen. Es geht da um ein rechtstechnisches Problem, aber auch um ein Problem im Bereich des Begutachtungsverfahrens, und ich komme gleich darauf zu sprechen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Sie sind von der guten alten parlamentarischen Praxis abgegangen, so ein Regierungs­vorhaben erst einmal als Ministerialentwurf in Begutachtung zu schicken – und zwar nicht nur für drei Tage, wie das jetzt bei diesen Gesetzentwürfen im Gesundheitsbereich immer wieder der Fall war, sondern grundsätzlich für sechs Wochen. Das ist auch eine eigene gesetzliche Anordnung, die da immer wieder missachtet wird: Begutachtungs­verfahren sollen sechs Wochen dauern.

Sie unterlaufen diese gute parlamentarische Praxis – also nicht Sie als Bundesräte, das ist mir schon klar, sondern die Abgeordneten zum Nationalrat –, indem damit gearbeitet wird, irgendwelche Trägerentwürfe einzubringen und die dann im Ausschuss abzuän­dern, damit man halt möglichst schnell zu einem Gesetz kommt – und das rächt sich. Das rächt sich auf legistischer Ebene, und ich komme damit schon zum Punkt: Man sieht es auch in diesem Sammelgesetz wieder.

Die Änderung des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes enthält beispielsweise eine Son­derregelung für die Insolvenzanfechtung. Das ist ein klassisches insolvenzrechtliches Thema, das ist das tägliche Brot eines Insolvenzverwalters, eines Anwalts, der darauf spezialisiert ist. Ja glauben Sie denn wirklich, dass dieser Kollege sich jetzt neben der Insolvenzordnung unbedingt auch noch mit dem 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz be­schäftigen will? – Nein, das ist eine klassische Novelle, die man eigentlich in die IO schreiben muss! Das ist jetzt nur eine Kleinigkeit, wenn man so etwas schon macht, aber das gehört dazu.

Jetzt frage ich Sie etwas ganz Einfaches – das sind jetzt immer so juristische Themen, aber jetzt frage ich Sie etwas ganz Einfaches: Was hat denn bitte die Zulassung eines Medizinprodukts mit der Bundesabgabenordnung zu tun? Da geht es um die Frage, was in Österreich in Apotheken überhaupt verkauft oder in Verkehr gebracht werden darf. Das leuchtet ja jedem ein, dass nicht einfach alles als Medizinprodukt verkauft werden darf. Da gibt es bestimmte Vorschriften, die uns davor schützen, dass beispielsweise in Apotheken der größte Müll verkauft wird. Die Rechtsordnung schützt uns da also, indem es bestimmte Verfahren gibt, die eingehalten werden müssen, etwa das Zulassungsver­fahren bei einem Impfstoff, damit da sauber gearbeitet wird.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 101

Was hat denn jetzt das Medizinproduktegesetz mit der Bundesabgabenordnung zu tun? Okay, natürlich müssen auch Apotheken Steuern zahlen – aber ich meine, was hat denn das inhaltlich damit zu tun? – Genau gar nichts!

Warum findet sich eine Regelung zum Medizinproduktegesetz, bei der es um die Zu­lassung von Tests für Apotheken oder für den Eigengebrauch geht, überhaupt in der Bundesabgabenordnung? Darum geht es heute: Sie wollen das jetzt wieder korrigieren, und warum müssen Sie es korrigieren? – Weil Sie es schon ursprünglich hätten richtig machen sollen! Mit dem Husch-Pfusch-Verfahren, das diese türkis-grüne Bundesregie­rung zu ihrem Leitprinzip erhoben hat, geht das dann aber natürlich nicht. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Bleiben wir vielleicht bei diesen Schnelltests: Worum geht es bei dieser einen Norm, die jetzt von der Bundesabgabenordnung – vollkommen absurd – ins Medizinproduktege­setz verschoben wird?

Der Hersteller dieser Antigenschnelltests sagt ganz klar, die seien nicht zur Eigenan­wendung bestimmt – was ja auch logisch ist, das sind ja Medizinprodukte, dafür gibt es befugtes medizinisches Personal, dafür gibt es ärztliche Ausbildungen und, und, und. Jetzt sagen Sie in diesem Gesetz, nein, das ist egal. Egal, was der Hersteller sagt – der das Produkt selbst produziert hat und weiß, welche Risiken und Gefahren mit der An­wendung verbunden sind –, diese Tests sind trotzdem zur Eigenanwendung geeignet. So arbeiten Sie: Sie schreiben solche Dinge immer ganz unterschwellig in die Gesetze hinein. Das, was nämlich gute Praxis im Medizinrecht, im Ärzterecht ist, unterlaufen Sie einfach, wenn es um die Covid-19-Pandemie geht. Sie haben da vielleicht gute Ab­sichten, aber es ist einfach eine Katastrophe, wenn man sich das einmal durchdenkt.

Auch diese Testungen können nämlich schwere Nebenwirkungen bei Anwendungsfeh­lern und so weiter haben. Da bekommt man vielleicht im leichtesten Fall Nasenbluten – und im schlimmsten Fall tritt dann Hirnflüssigkeit aus. Das ist jetzt nicht eine Erfindung von mir, sondern dazu gibt es Medienberichte, das kann gefährlich sein. Ich frage mich daher schon, warum der österreichische Gesetzgeber, warum Sie als Regierungsmehr­heit dafür sind, dass man diese Eigenanwendung so mir nichts, dir nichts ohne Risiko­hinweise zulässt.

Das setzt sich ja fort: Bei der Covid-19-Impfung machen Sie ja auch beide Augen zu, wenn es darum geht, die Leute über die Risiken aufzuklären, und darum, dass Sie es verabsäumt haben, im Impfschadengesetz eine ordentliche Haftungsregelung einzufüh­ren. Das ist ein Thema, über das Sie nicht sprechen wollen. Sie machen Werbung dafür: „Österreich impft“ – das kann ja durchaus ein Weg aus der Pandemie sein, das gestehe ich Ihnen schon zu, ich lasse mich vielleicht selbst impfen. Es geht uns immer nur um die Impffreiheit: Die Bürger sollen eine informierte Entscheidung treffen können, so wie es auch bei jeder anderen Impfung immer gute Praxis und immer der Fall war: Gehe ich dieses Risiko ein? Ist es mir das wert, dass ich dann vor der Krankheit geschützt bin? Das ist ja wohl das Selbstverständlichste und Normalste auf der Welt.

Sie brechen diese Grundregel und reden den Leuten ein: Nein, nein, das passt schon, lasst euch impfen! Auf jeden Fall impfen, impfen, impfen, das hat keine Risiken – und wenn doch einmal etwas passiert: Nein, das ist nicht auf die Impfung zurückzuführen, diesen Fall gibt es gar nicht. Wenn Sie dann einmal nicht auskommen, dann sagen Sie: Gut, okay, da gibt es jetzt vielleicht einen Zusammenhang, aber trotzdem haben wir nichts damit zu tun. Wir drehen uns einfach um, weil wir, wenn wirklich lebenslängliche Schäden auftreten, nicht dafür haften wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist genau der Vorwurf, den ich Ihnen mache, weil Sie das Impfschadengesetz immer noch nicht novelliert haben. Das ist ja nicht einfach eine freiheitliche Verschwörungs­theorie – lesen Sie bitte einmal die Zeitungen! –: Zwei Krankenschwestern des Landes­klinikums Zwettl wurden mit dem Astra-Zeneca-Impfstoff geimpft und erlitten schwere


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 102

Nebenwirkungen. Das würde ich mir auch nicht wünschen, ich meine, das ist ein trau­riger Fall! Das muss man untersuchen – aber dazu hört man von Ihnen als Regierungs­fraktion nichts.

Da heißt es nicht: Wir stoppen einmal die Astra-Zeneca-Impfungen, um zu untersuchen, was passiert ist, und das noch einmal zu überprüfen. Dänemark hat das jetzt gemacht, Dänemark schützt seine Bürger – Sie schützen sie nicht, Sie lassen die Bürger ins offene Messer laufen. (Beifall bei der FPÖ.)

15.06


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.06.50

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnungspunkte 11, 12 und 13 betreffen notwendige gesetzliche Anpassungen aufgrund der Sars-Cov-2-Pandemie, im Wesentlichen handelt es sich um Verlängerungen von Fristen. So werden die bisherigen Befristungen bestimmter berufs­rechtlicher Sonderbestimmungen im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz sowie im MTD-Gesetz bis 31. Dezember 2021 verlängert.

Das hat zur Folge, dass beispielsweise Tätigkeiten des gehobenen Dienstes für Gesund­heits- und Krankenpflege für die Dauer der Pandemie auch von Personen ausgeübt wer­den können, die nicht in das Gesundheitsberufsregister eingetragen sind. Vorausset­zung ist, dass sie über einen entsprechenden Qualifikationsnachweis verfügen oder ein im Ausland erworbener Qualifikationsnachweis anerkannt wurde, auch wenn allfällig vor­geschriebene Ausgleichsmaßnahmen oder Ergänzungsausbildungen noch nicht absol­viert wurden.

Auch im Bereich der privaten Fahrausbildung mit Übungs- und Ausbildungsfahrten wird die Gültigkeit der Bewilligung bis 30. September 2021 verlängert. Ziel ist es, den Führer­scheinwerberInnen bis zum Termin der Fahrprüfung weitere Fahrpraxis zu ermöglichen. Dazu erfolgen die entsprechenden Änderungen im Kraftfahrgesetz und im Führerschein­gesetz.

Die Änderungen im Bundespflegegeldgesetz erfolgen vor dem Hintergrund, dass auf­grund der Covid-19-Pandemie ausländische Personenbetreuungskräfte nur unter er­schwerten Bedingungen nach Österreich einreisen können. Aus diesem Grund sollen insbesondere die Ämter der Landesregierungen und der Fonds Soziales Wien bei den pflegebedürftigen Personen beziehungsweise den Förderwerberinnen und Förderwer­bern erheben können, ob die Betreuung weiterhin gewährleistet ist oder ob Unterstüt­zung erforderlich ist.

Zu diesem Zweck sollen an die Ämter der Landesregierungen und an den Fonds So­ziales Wien von den jeweiligen Landesstellen des Bundesamtes für Soziales und Behin­dertenwesen personenbezogene Daten – Name, Adresse, Telefonnummer, Pflegestu­fe – der pflegebedürftigen Personen sowie der Förderwerber übermittelt werden können. Diese Daten sind natürlich unverzüglich wieder zu löschen, wenn sie zu diesem Zweck nicht mehr benötigt werden.

Ähnliches gilt für Informationen zur Inanspruchnahme der kostenlosen Impfung gegen Sars-Cov-2: Auch da sollen Menschen mit Pflegebedarf über ihr erhöhtes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, und über die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme einer kos­tenlosen Impfung informiert werden. Die für diesen Zweck an die Ämter der Landesre­gierungen und an den Fonds Soziales Wien übermittelten Daten dürfen ebenfalls nur für diesen Zweck verwendet werden, und auch diese müssen anschließend sofort wieder gelöscht werden.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 103

Schließlich erfolgt noch eine redaktionelle Änderung des 2. COVID-19-Justiz-Begleitge­setzes, die Fristen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung zu er­strecken.

Im Medizinproduktegesetz wird ein neuer § 113b eingefügt, der die Verwendung von Sars-Cov-2-Schnelltests zur Eigenanwendung im anterior-nasalen Bereich ermöglichen soll.

Dieser Passus war bisher in der Bundesabgabenordnung geregelt und wird nunmehr dort gestrichen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.10


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Dipl.-Ing.in Andrea Holzner. – Bitte, Frau Bundesrätin.


15.10.42

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Gesetz geht es um Fristverlängerungen und Anpassungen, damit wir die Krise einfach besser han­deln können. Es geht um die Verlängerung der Sonderbestimmungen für Berufsgrup­pen – Sanitäter dürfen jetzt auch ohne ärztliche Aufsicht Abstriche durchführen –, es geht um Anpassungen beim Medizinproduktegesetz, eben dass Schnelltests auch zur Eigenanwendung verwendet werden können. Das Ganze wird in Schulen schon 1,5 Mil­lionen Mal in der Woche angewendet. Das ist ein sehr innovatives Konzept, sodass die Schulöffnungen bei uns unter Einschränkungen wieder möglich sind, worauf Nachbar­länder auch neidisch schauen.

Wir haben überhaupt in kurzer Zeit eine Infrastruktur fürs Testen aufgebaut, die von der Bevölkerung sehr gut angenommen wird, weil die Bevölkerung sich und ihre Mitmen­schen schützen möchte. Wir liegen mittlerweile auch beim Impfen an siebter Stelle in Europa. Dies erlaubt uns vorsichtige Öffnungsschritte trotz zunehmender Mutationen. Im Zuge dessen ist Vorarlberg jetzt eine Modellregion, wo die Gastronomie am 15. März öffnet, und es wird in Vorarlberg ein Pilotversuch gestartet, wo man die Verwendung von Selbsttests als Eintrittstests begleitet und evaluiert – etwas, was unser Bundessparten­obmann im Tourismus Robert Seeber schon lange gefordert hat, und wo die Wirtschaft sicher erleichtert aufatmet, wenn man da ein Konzept findet, mit dem Öffnungen hoffent­lich möglich sein werden.

Wir stehen mit Wirtschaftshilfen und bei der Unterstützung der Kurzarbeit europaweit an erster Stelle, und ich verstehe nicht, warum die Sozialdemokratie mit pauschalem Schlechtreden der destruktiven Energie der FPÖ Vorschub leistet. Warum findet die Sozialdemokratie keine Worte im Nationalrat, wenn der Klubobmann der Freiheitlichen Partei am Wochenende mit seinen Hetzreden Neonazis unter den Demonstranten ansta­chelt, nazistische Parolen zu schreien? Spätestens seit dem Wochenende sieht jeder, woran man mit Herbert Kickl ist. Die Zeiten einer bürgerlichen FPÖ sind mit ihm vorbei. (Heiterkeit des Bundesrates Hübner. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kollege Steiner, ich befürchte, dass das leider auch auf die Fraktion im Bundesrat ab­färbt. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Herr Kunz schreibt in der „Presse“: „Die Ver­rohung der Sprache steht [...] am Anfang einer Verrohung der Politik.“ – Dem werden wir uns entschieden entgegenstellen. Kommen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen doch zurück zu einer konstruktiven Oppositionspolitik (Zwischenruf der Bundesrätin Schu­mann) und helfen Sie mit, diese Krise zu bewältigen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desrätInnen der Grünen.)

15.13



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 104

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ingo Appé zu Wort gemeldet. Herr Bundesrat, - - (Bundesrat Schilchegger: Zur Geschäftsordnung!) – Herr Bundesrat Schilchegger hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

*****


15.13.44

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich) (zur Geschäftsbe­handlung): Ich bitte darum, der Kollegin der ÖVP, die gerade gesprochen hat, einen Ordnungsruf für die Aussage – die wahrheitswidrige Aussage – zu erteilen, der Klubob­mann der FPÖ Herbert Kickl hätte anlässlich der Demonstration Neonazis dazu aufge­stachelt, antisemitische Parolen zu rufen. Das ist ein Vorwurf einer strafbaren Handlung, und dafür gibt es nach der Geschäftsordnung einen Ordnungsruf. (Beifall bei der FPÖ.)

15.14

*****


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es steht Ihnen frei, eine tatsächliche Berichti­gung zu diesem Tagesordnungspunkt und zu diesem Redebeitrag zu machen. (Bundes­rat Schilchegger: Ist damit jetzt das Begehren des Ordnungsrufs abgelehnt? Das ist ja eine ganz andere Schiene! Sind das jetzt die Maßstäbe? Wenn man eine strafbare Hand­lung begeht im Plenum ... nicht straffrei ... Immunität!)

Frau Bundesrätin! Ich ersuche Sie, Ihre Aussage ein bisschen umzuformulieren, um ei­nem Ordnungsruf entgegenzuwirken.


15.14.52

Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner (ÖVP, Oberösterreich): Herbert Kickl hat in Hetzreden Israel dämonisiert und damit eine Stimmung bereitet, die Neonazis dazu ermutigt hat, nazistische Parolen zu schreien. – Das wäre meine Berichtigung zu diesem Tagesordnungspunkt. (Bundesrat Hübner: Na was heißt, das ist ja - -!)

15.15


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ingo Appé. – Bitte.


15.15.27

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Betreffend die Tagesordnungspunkte 11 bis 13 kann ich eingangs bemerken, dass wir diesen unsere Zustimmung erteilen werden.

Wie ich schon am 22. Jänner dem damals anwesenden Bundesgesundheitsfinanzmi­nister mitgeteilt habe, wurde der damalige Gesetzesbeschluss ja nur aus Verlegenheit in der Bundesabgabenordnung geparkt. Kollege Schilchegger hatte in seiner Rede auch schon darauf hingewiesen. Dies wird nunmehr repariert und die gleichlautende Bestim­mung in der Bundesabgabenordnung außer Kraft gesetzt. Im TOP 13 zu beschließende Verlängerungen und Regelungen sind sinnvoll, und daher erfolgt auch unsere Zustim­mung zu diesen drei Punkten.

An sich wäre ich jetzt fertig – aber: Leider wurde es trotz der angesprochenen Änderun­gen verabsäumt, bei den Änderungen des Medizinproduktegesetzes eine Korrektur be­treffend die kostenfreien Antigentests für die gesamte österreichische Bevölkerung zu berücksichtigen. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 105

Wie bekannt ist, haben ja die Krankenversicherten bis inklusive Jahrgang 2005 die Mög­lichkeit, in den Apotheken pro Monat fünf Gratisantigentests unter Vorlage der E‑Card zu erhalten. Voraussetzung ist allerdings, dass sie sich nicht von der Elektronischen Ge­sundheitsakte Elga abgemeldet haben. Bürgerinnen und Bürger, die sich von Elga ge­samt oder vom Service E-Medikation abgemeldet haben, sowie nicht krankenversicherte Personen können dieses Service nicht nutzen und sind von der Verteilung der kosten­freien Tests ausgenommen.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass Patientinnen und Patienten, die das ihnen zustehende Recht wahrgenommen haben, aus Elga zu optieren, nun genau dafür benachteiligt, ja bestraft werden. Rund 300 000 der 8,8 Millionen E-Card-Besitzer in Österreich werden von dieser Gratisabgabe ausgeschlossen. Damit schafft die Regierung wieder eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der Versicherten und missachtet auch die Patienten- und Gleichheitsrechte. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

Auch der Ausschluss nicht krankenversicherter Personen ist unverständlich, denn Anti­gentests im großen Umfang sind die einzig wirkungsvolle Maßnahme, gegen die Pan­demie anzukämpfen. Der Lockdown kostet den Staat Millionen, und jetzt spart diese Regierung völlig unverständlicherweise an den kostenfreien Ausgaben für Antigentests. Außerdem erscheint es uns, dass diese Vorgangsweise völlig gesetzes- und verfas­sungswidrig ist.

Aber vielleicht ist es auch dem geschuldet, dass bereits beim Beschluss der Verteilungs­aktion bekannt war, wie dies auch die Experten im Gesundheitsausschuss bestätigt ha­ben, dass derzeit nur 600 000 Tests zur Verfügung stehen. Die Realität hat dies auch bewiesen, da derzeit keine Tests für Testwillige in den Apotheken zu haben sind. Von der Panne mit den falschen Beipackzetteln rede ich jetzt gar nicht. Etwas irritierend finde ich zum Beispiel auch einen Brief des Gesundheitsministeriums an eine Beschwerde­führerin, die sich von Elga abgemeldet hat, vom 4. März. Diesen Inhalt möchte ich Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, nicht vorenthalten. Er lautet:

Zu Ihrem Anliegen der Gratisselbsttests: Seit 1.3.2021 werden sogenannte Gratistestkits in den öffentlichen Apotheken ausgegeben. Bis inklusive 11.3. – da schau her! – be­kommen die Personen, die der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich unterlie­gen, eine E-Card beziehungsweise eine Sozialversicherungsnummer haben und deren Geburtsjahr vor dem Jahr 2006 liegt, kostenlos fünf Selbsttests für zu Hause. In diesem Zeitraum ist eine Teilnahme an der Elektronischen Gesundheitsakte nicht Vorausset­zung für den Erhalt der Testkits.

Sie haben von Ihrem Recht, Elga zu widersprechen, Gebrauch gemacht. Dieses Recht ist gesetzlich verankert. Einen direkten Zwang aus der Abgabe von Selbsttestkits abzu­leiten, ist verfehlt. Vielmehr wurde diese Lösung gewählt, um eine geordnete und nach­vollziehbare Abwicklung gewährleisten zu können. Hierfür werden soweit wie möglich Standardprozesse der E-Medikation verwendet. Wir weisen abschließend darauf hin, dass nach wie vor die Möglichkeit besteht, sich direkt in einer Apotheke oder Teststraße kostenlos testen zu lassen. – Zitatende.

Danke, so schaut es mit den Tests für zu Hause für alle aus! Wir Sozialdemokraten sind auch der Ansicht, dass diese Tests keine Belastung für die Bevölkerung sind, sondern eine Entlastung für jeden Einzelnen (Beifall bei der SPÖ), und dass es sich hierbei um keine Pflicht der Österreicherinnen und Österreicher handelt, sondern um ein Recht für alle, das sie in Anspruch nehmen können, wenn sie wollen.

Die vorher von mir angeführten Fakten sind nur ein weiterer Beweis dafür, dass die angekündigten Aktionen dieser Regierung nicht funktionieren, so wie bei den Masken, Antigentests und Impfungen. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 106

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend „kostenfreie Anti­gentests für die gesamte Bevölkerung“

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird auf­gefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat umgehend die Reparatur der Bestim­mung über den kostenfreien Bezug von Antigentests zu übermitteln, wodurch der ge­samten Bevölkerung diese Antigentests kostenfrei monatlich zur Verfügung gestellt werden.“

*****

Abschließend möchte ich noch kurz Bezug auf den Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das Covid-19-Maßnahmengesetz geändert werden soll, eingehen. Auch wenn der zuständige Bundesminister heute nicht persönlich anwe­send ist – ich wünsche ihm auf diesem Wege baldige Besserung –, darf ich feststellen: Trotz kurzer Begutachtungsfrist sind die über 30 000 eingelangten Beanstandungen ein vernichtendes Zeugnis dafür, wie verheerend diese Gesetzesvorlage tatsächlich wieder einmal ist. Vonseiten der SPÖ können wir daher nur eines fordern: diese gesetzes- und verfassungswidrige Vorlage zu verwerfen und mit der Planung an den Start zurück­zukehren. Von Husch-pfusch-Gesetzesvorlagen haben wir im letzten Jahr genug ge­habt, damit soll jetzt Ende im Gelände sein. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Arlamovsky.)

Dazu zitiere ich auszugsweise zwei Passagen aus der Stellungnahme des Österreichi­schen Städtebundes. Zum Epidemiegesetz: „Diese Norm scheint inhaltlich und auch ver­fassungsrechtlich höchst bedenklich. Sie ermöglicht einen Eingriff in Zusammenkünfte ab einem Treffen von 4 (!) Personen aus zwei verschiedenen Haushalten. Dies träfe dann so gut wie auf alle Zusammenkünfte von Personen zu und vor allem auch auf fa­miliäre Zusammenkünfte [...].“

In den Abschlussbemerkungen: „Der vorliegende Entwurf zur Novelle des Epidemiege­setzes und des Covid-Maßnahmengesetzes ist wohl als Versuch zu sehen, die vermu­teten ,verfassungsrechtlichen Unzulänglichkeiten‘ der bestehenden Not- und Schutz­maßnahmenverordnungen nachträglich zu korrigieren“, und: „Zusammenfassend ist der vorliegende Gesetzesentwurf wegen in hohem Maße gegebener verfassungsrechtlicher Bedenken und wegen der damit verbundenen massiven Zusatzbelastungen für die Be­zirksverwaltungsbehörden, die Gemeinden und den Polizeiapparat abzulehnen und be­darf dringend einer Verbesserung.“

Abschließend noch eine Botschaft an die FPÖ: Auch von eurer Seite, liebe Kollegen, brauchen wir über Presseaussendungen keinen Hinweis auf unser Abstimmungsver­halten hier im Bundesrat. Wir Sozialdemokraten sind Bundesräte, die auch so sehr wohl wissen, wie wir uns bei Abstimmungen im Parlament zu verhalten haben. Da sind lehr­meisterliche Zurufe vollkommen entbehrlich. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.24


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „kostenfreie Antigentests für die gesamte Bevölkerung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 107

15.24.50

Bundesrätin Johanna Miesenberger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher! Da heute hier schon von Gut und Böse, Vernunft und Unvernunft, Verantwortung und Verantwortungs­losigkeit und von Kollegen Schilchegger vorhin von einem „offenen Messer“ gesprochen worden ist, möchte ich zu Beginn ganz kurz auf die Ereignisse vom Wochenende einge­hen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Nein, nicht schon wieder!)

Die Bilder und Szenen, die uns am Wochenende aus unserer schönen Bundeshaupt­stadt Wien erreicht haben, sind meiner Meinung nach sehr bedenklich. (Bundesrat Spanring: Warst du dabei, Johanna?! Hab ich mir gedacht! – Zwischenrufe der Bun­desrätInnen Steiner-Wieser und Ofner.) Eine Ansammlung von Menschen, die ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringt, als Bühne zu nutzen, ist eine Sache, aber mit Reden und Parolen die Stimmung der Versammlung auch noch anzuheizen, ist meiner Meinung nach schon brandgefährlich und im Sinne der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land verantwortungslos. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesra­tes Schreuder.)

Ich kann Ihnen sagen, mich haben schon viele Zuschriften und Anrufe ereilt, in denen mir Bürgerinnen und Bürger ihr Unverständnis und ihren Ärger über das Verhalten so mancher Politiker einer Oppositionspartei zum Ausdruck gebracht haben. Ich finde, sol­che Szenen schaden nicht nur der Sicherheit in unserem Land, sondern solche Bilder schaden auch dem Ansehen der Republik Österreich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Da müsst ihr den Minister aus­tauschen! Der schadet der Sicherheit!)

Nun erlauben Sie mir noch ein paar erfreuliche Worte zum Weltfrauentag, den wir diese Woche zum 100. Mal begangen haben. Wir Frauen leisten tagtäglich in den unterschied­lichen Rollen, in denen wir im Leben und im Alltag stehen, Enormes. Wir Frauen sind in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, in der Familie nicht nur eine wesentliche Stütze, son­dern wir haben im letzten Jahr auch bewiesen, dass wir diese auch zusammenhalten.

Wir Frauen sind diejenigen, die nicht nur in der jetzigen Krise, sondern auch davor und danach nach vorne schauen und weiter für unsere Rechte und Herzensanliegen kämp­fen. In den letzten 100 Jahren ist dank vieler mutiger und vor allem starker Frauen sehr viel gelungen, und das lässt mich persönlich selbstbewusst und positiv in die Zukunft schauen. Die Coronakrise hat uns aber aufgezeigt, dass wir Frauen noch immer einen Großteil der unbezahlten und der weniger bezahlten Arbeit in sogenannten Frauenbe­rufen machen, die sich gerade in einer Gesundheitskrise als systemrelevant herausge­stellt haben – da müssen wir noch an einer Gleichstellung arbeiten.

Besonders erfreulich ist, dass durch verschiedenste Initiativen, wie den Girls’ Day oder das Mint-Programm, viele Mädchen und Frauen ihre Berufs- und Rollenbilder aktiv ver­ändern. Ich würde mir aber nicht nur mehr Mädchen in sogenannten Männerberufen wünschen, sondern auch mehr Jungs in sogenannten Frauenberufen (Beifall bei der ÖVP, bei BundesrätInnen der Grünen sowie der Bundesrätin Schumann), denn ich per­sönlich bin der festen Überzeugung, das würde die Wertschätzung dieser Arbeit und das Einkommen in solchen Berufen wesentlich verbessern.

Leider vermisst frau auf vielen Ebenen noch den wertschätzenden, respektvollen Um­gang (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Schumann und Grimling – Bundesrat Schen­nach: In eurer Regierung!), es werden noch zu viele Frauen mit physischer und psy­chischer Gewalt konfrontiert, und dagegen müssen wir entschieden auftreten. (Bundes­rätin Grimling: Das haben wir gerade erwähnt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, es gibt noch genug zu tun. Ich bin aber optimistisch. Es kommt eine jüngere Generation von selbstbewussten Frauen nach, die


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sich viele Felder in der Gesellschaft bereits zurückerobert haben, wie zum Beispiel in der Bildung, bei der sie auch schon gleichgezogen haben. Ich bin zuversichtlich, dass die nächsten Generationen die kommenden Weltfrauentage sicher mit Leben erfüllen werden.

Nun zu den vorliegenden Beschlüssen noch ein paar Sätze: Sie betreffen die Zulassung der Nasenvorhoftests zur Selbstanwendung, die Bestimmung dazu wird wie schon angesprochen aus der Bundesabgabenverordnung in das Medizinproduktegesetz über­nommen.

Weiters beschließen wir eine Verlängerung der Sunsetklausel im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, die durch die Entwicklung der Covid-19-Pandemie notwendig ist, um damit einem personellen Engpass in diesen Berufen entgegenzuwirken.

Zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Betreuung von pflegebedürftigen Personen im Besonderen durch ausländische 24-Stunden-Pflegekräfte soll das Bundespflegegeldge­setz dahin gehend geändert werden, dass personenbezogene Daten von den jeweiligen Landesstellen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen an die zuständigen Ämter der Landesregierung und den Fonds Soziales Wien übermittelt werden können. Natürlich müssen die Informationen, wenn sie nicht mehr benötigt werden, unverzüglich gelöscht werden, spätestens aber mit Ablauf des Jahres 2021.

Als wichtig und notwendig erwähnen möchte ich noch die Änderungen im Kraftfahrge­setz und im Führerscheingesetz. Für unsere junge Generation gerade in ländlichen, peripheren Gebieten ist die Mobilität eine enorm wichtige Frage. Weil dort der öffentliche Verkehr nicht derart ausgebaut ist wie im urbanen Raum, ist der Führerschein für Lehr­linge, für Jugendliche, für junge Erwachsene einfach lebenswichtig, um gut in die Arbeit, in die Schule zu kommen oder sich in der Freizeit bewegen zu können.

Der eingeschränkte Fahrschulbetrieb und die Einstellung der Fahrprüfungstätigkeit auf­grund der Coronasituation haben Rückstände bei den Fahrschulen und bei den Behör­den zur Folge, und diese Verzögerungen führen auch dazu, dass die Gültigkeit der Be­willigung von Ausbildungs- und Übungsfahrten verlängert werden muss, um eine adä­quate Fahrpraxis der Führerscheinwerber bis zur Prüfung gewährleisten zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinne hoffe ich auf Ihre Zustimmung. – Herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

15.31


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dominik Reisinger. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.31.27

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Bundesrat! Vor allem liebe Zuhörerinnen und Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Zu diesen Tagesordnungspunkten wurde be­reits vieles, darunter auch viel Wichtiges und Richtiges, gesagt, vor allem von meinem Kollegen Ingo Appé, aber es wurde noch nicht alles angesprochen. Deshalb möchte ich in meiner Rede schwerpunktmäßig auf die Antigentests zur Eigenanwendung – um­gangssprachlich auch als Wohnzimmertests bezeichnet – eingehen.

Seit Monaten werden diese absolut vernünftigen Eigentests oder Selbsttests von uns, der SPÖ, gefordert. Erst – wer zurückdenkt – vor 14 Tagen haben wir hier im Bundesrat beschlossen, dass diese Tests auch über die E-Card in den Apotheken gratis bezogen werden können – mit dem Pferdefuß, dass leider nicht alle Menschen bezugsberechtigt sind. Das muss unbedingt noch repariert werden, und da werden wir auch nicht locker­lassen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 109

Unsere zweite wichtige Forderung ist und bleibt, dass diese Eigentests auch rechtlich als Eintrittstests anerkannt werden. Zuerst müssen aber auch genug da sein. Wir wissen, dass die Regierung da wieder einmal säumig ist. Wir haben dazu schon in der letzten Bundesratssitzung einen Antrag eingebracht, der leider von der ÖVP und auch von den Grünen abgelehnt – und ich sage vorsichtig dazu: noch abgelehnt – wurde. Wir werden heute abermals einen Antrag einbringen, ganz einfach deshalb, weil es ja völlig wider­sinnig und absolut unverständlich wäre, diese unkomplizierte und niederschwellige Test­möglichkeit nicht zu den Menschen, also in die Breite, zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei unserem neuerlichen Vorstoß habe ich daher ein gutes Gefühl, dass wir eine Mehr­heit finden könnten. Alles andere wäre meiner Meinung grotesk, unverständlich und nicht nachvollziehbar, sind es doch zunehmend Vertreter der Wirtschaftskammer wie Wolf­gang Ecker, der Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich – um einen zu nen­nen –, die Präsidentin des Seniorenbundes oder auch namhafte ÖVP-Politiker wie Ge­meindebundpräsident Alfred Riedl sowie auch die Landeshauptleute Markus Wallner aus Vorarlberg und Thomas Stelzer aus Oberösterreich, die ebenfalls die Umsetzung unseres SPÖ-Vorschlags fordern.

Wer die Zeitung gelesen hat: Noch einen Schritt weiter ging die ÖVP-Landwirtschafts- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger in einem Interview am 3. März, in dem sie erklärte – ich darf sie zitieren –: „Wir haben uns mit dem Gesundheitsministerium darauf verständigt, dass es die rechtlichen Voraussetzungen zur Verfügung stellt, dass ein Reintesten mit den Wohnzimmertests in der Gastronomie möglich sein wird.“

Nochmals untermauert wurde diese Haltung vorgestern im Finanzausschuss, in dem un­sere Bundesratskollegin Sonja Zwazl und unser Kollege Robert Seeber unmissverständ­lich die Anerkennung dieser Selbsttests in der Gastronomie, in der Hotellerie und auch in Dienstleistungsbetrieben wie zum Beispiel bei Friseuren forderten, obwohl sie vor zwei Wochen hier im Bundesrat noch dagegengestimmt hatten. Ich dachte mir: Wow, das ist doch ein Meinungsschwenk um 180 Grad!, den ich aber absolut gut finde und der meine vorhin geäußerte Hoffnung, dass wir doch heute eine Mehrheit für unsere Initiative finden werden, in die Höhe schießen lässt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Mehrheitsfindung bei diesem Thema ist das eine, die schnelle und praktikable Umsetzung das andere. Deshalb fordere ich von der Regierung, insbesondere von Gesundheitsminister Anschober, dass wir da sofort, wirk­lich unverzüglich, in die Gänge kommen. Es darf nicht wieder so sein wie in der Ver­gangenheit, dass es Wochen oder gar Monate dauert, bis ein sinnvoller Beschluss im Parlament auch in der realen Welt ankommt. Wir brauchen auch keine Wortklauberei in Gesetzestexten, sondern praxisnahe Umsetzungsmodelle. (Beifall bei der SPÖ.)

Da setzen wir als SPÖ ganz klar auf die Eigenverantwortung der Menschen. Nicht das Misstrauen, sondern das Vertrauen in die Bevölkerung sollte uns dabei leiten. Deshalb schlagen wir vor, dass das Selbsttesten nach dem Vieraugenprinzip ein rechtmäßiges Zustandekommen von Testergebnissen sicherstellen muss. Warum bitte soll das nicht funktionieren? Die Tests sind gratis und niederschwellig und ganz einfach in wenigen Minuten anzuwenden. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Genau, Herr Kol­lege. Wenn mir sozusagen jemand über die Schulter schaut, dann muss das als Ein­trittstest gelten. – Punkt.

Deshalb stelle ich jetzt abschließend folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Anerken­nung von Wohnzimmertests als Eintrittstests“


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 110

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat um­gehend eine Gesetzesvorlage zur Beschlussfassung vorzulegen, in dem die Antigen­tests zur Eigenanwendung als Eintrittstestungen zugelassen sind. Zur Sicherstellung der Richtigkeit der Ergebnisse und der klaren Zuordnung zur getesteten Person, sind die Durchführung vor Ort und die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips vorzusehen, um die technischen Hürden so gering wie möglich zu halten und eine flächendeckende Test­strategie in greifbare Nähe rücken zu lassen, die den Menschen in Österreich ein Stück Normalität und Freiheit zurückgibt und um eine möglichst breite Öffnung der Wirtschaft und eine Sicherung von Arbeitsplätzen zu befördern.“

*****

Ich bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

15.38


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Anerkennung von Wohnzimmertests als Eintrittstests“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Bundesrat Bader hebt die Hand.) – Herr Bun­desrat Bader, bitte.


15.38.55

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich möchte ganz kurz zum Entschließungsantrag hinsichtlich der Tests Stellung nehmen. Es ist ein Thema, bei dem ich denke, dass es heute keinen Entschlie­ßungsantrag und keine Aufforderung an die Bundesregierung braucht (Zwischenrufe bei der SPÖ), weil die Bundesregierung an diesem Thema ohnehin arbeitet.

Wir haben ja einige Meinungen dazu gehört. Wir wissen, wie der Stand ist, wir wissen, dass jetzt auch in Vorarlberg Schritte gesetzt werden, wo auch Öffnungen vorbereitet werden (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), und dort soll eben auch dieses Projekt der Selbsttests als Pilot versucht werden, und wenn das gut verläuft, dann wird das si­cher auch eine Grundlage für weitere Entscheidungen in diese Richtung sein. Daher sehen wir es als nicht notwendig an, dass wir heute einen Auftrag für etwas erteilen, das ohnehin schon in Vorbereitung ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Heiterkeit der Bundes­rätin Schumann.) – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

15.39


15.39.56

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr dazu vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (1213/A und 675 d.B. sowie 10553/BR d.B).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 111

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „kostenfreie Antigentests für die gesamte Bevölkerung“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Anerkennung von Wohnzimmertests als Ein­trittstests vor“.

Hiezu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“ oder „Nein“. Ich bitte um eine deutliche Äußerung.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Miesenberger geben die BundesrätInnen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche zur Stimmenauszählung kurz die Sitzung.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 15.46 Uhr unterbrochen und um 15.47 Uhr wieder aufgenommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den gegenständlichen Entschließungsantrag bei 58 abgegebe­nen Stimmen 19 „Ja“-Stimmen und 39 „Nein“-Stimmen.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer;

Egger;


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 112

Gerdenitsch, Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kahofer, Kovacs;

Lancaster;

Novak;

Prischl;

Reisinger, Riepl;

Schachner, Schennach, Schumann;

Zaggl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Arlamovsky, Auer;

Bader, Berger-Grabner, Bernard, Buchmann;

Dim;

Eder, Eder-Gitschthaler;

Gfrerer, Gross;

Hauschildt-Buschberger, Himmer, Hirczy, Holzner, Hübner;

Kaltenegger, Kittl, Köck, Kolland, Kornhäusl;

Lackner, Leinfellner;

Mattersberger, Miesenberger;

Ofner;

Preineder;

Raggl, Ringer;

Schartel, Schilchegger, Schreuder, Schwindsackl, Seeber, Spanring, Steiner, Steiner-Wieser;

Zeidler-Beck, Zwazl.

*****

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Bundesabgabenordnung geändert wird (676 d.B. sowie 10554/BR d.B.).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz und weitere Gesetze geändert werden (1252/A und 679 d.B. sowie 10555/BR d.B.).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 113

15.48.4614. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz geändert wird (GBRG-Novel­le 2020) (608 d.B. und 680 d.B. sowie 10556/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapiegesetz, das Apothekengesetz, das Kardiotechnikergesetz und das Sanitätergesetz geändert werden (Berufsaner­kennungsgesetz Gesundheit 2020) (644 d.B. und 681 d.B. sowie 10557/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 14 und 15, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschber­ger. – Ich bitte um die Berichte.


15.49.31

Berichterstatterin Claudia Hauschildt-Buschberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Feb­ruar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998, das Musiktherapie­gesetz, das Apothekengesetz, das Kardiotechnikergesetz und das Sanitätergesetz ge­ändert werden.

Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Gesundheit stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Danke.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Markus Leinfellner. – Bitte, Herr Bundesrat.


15.50.51

Bundesrat Markus Leinfellner (FPÖ, Steiermark): Frau Präsident! Herr Bundesminis­ter! Hohes Haus! Liebe Österreicher! Es ist für mich bemerkenswert, dass wir uns stän­dig mit irgendwelchen Gesetzesreparaturen und Verbesserungen aufgrund von Fehlent­scheidungen aus der Vergangenheit beschäftigen. Warum Fehlentscheidungen? – Die in Gesundheitsberufen Tätigen hat man in Angestellte und Selbstständige geteilt. Die Angestellten sind bei der Arbeiterkammer, die Selbstständigen haben sie bei der Wirt­schaftskammer nicht haben wollen, inzwischen hat man sie zur Gesundheit Österreich GmbH gegeben. Und anstatt dieses Tohuwabohu aus der Vergangenheit endlich aufzu­räumen und endlich diese Berufsgruppen zusammenzufassen, schafft man wieder ir­gendwelche Placebolösungen. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 114

Jetzt kommt man auch noch drauf, dass die Geschlechtsbezeichnung nirgendwo mehr aufscheinen darf. Es darf niemand mehr wissen, ob jemand ein Männlein, ein Weiblein oder irgendwo dazwischen ist. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das war ja Ihr Wunsch, genau diese Geschlechter zusätzlich einzuführen. Ich hoffe, dass sich jetzt Männlein, Weiblein und auch das dazwischen irgendwo zugehörig fühlen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

All das darf aber jetzt nicht mehr öffentlich einsehbar sein. Eines können Sie mir glauben: Ich kenne keinen einzigen Mann und keine einzige Frau, die sich für ihr Geschlecht schämen würden. Noch eines kann ich Ihnen sagen: Bei den meisten brauche ich kein Register, um zu erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend kann ich nur sagen: Schaffen Sie endlich Ordnung im Bereich der Gesund­heitsberufe und hören Sie auf, mit diesen Placebolösungen von den wirklichen Proble­men abzulenken. (Beifall bei der FPÖ.)

15.53


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte.


15.53.17

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherin­nen und Zuseher! Mit dieser Regierungsvorlage sollen Änderungen im Gesundheitsbe­ruferegister-Gesetz erfolgen, um eine bessere Vollziehbarkeit gewährleisten zu können. Konkret erfolgt eine Klarstellung betreffend das Registrierungsverfahren bei Höherquali­fizierung in einem Gesundheits- und in einem Krankenpflegeberuf.

Im Gesundheitsberuferegister wird nun ausschließlich die höchste Qualifizierung ange­führt, die Kategorie Geschlecht wird nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Juni 2018 aus dem öffentlichen Teil des Registers gestrichen. Auch in die Be­rufsausweise wird diese Kategorie in Zukunft nicht mehr eingetragen.

Schließlich soll auf eine ausländische Disziplinarstrafbescheinigung als Voraussetzung für die Eintragung in das Gesundheitsberuferegister verzichtet werden, da diese meist nur unter großem Aufwand beigeschafft werden kann beziehungsweise von vielen Staa­ten gar nicht ausgestellt wird, wie es auch im Gesundheitsausschuss von der Expertin gesagt worden ist. Stattdessen soll im Rahmen des Eintragungsverfahrens jedenfalls eine Strafregisterbescheinigung aus jenen Ländern vorgelegt werden, in denen sich die Pflegeperson in den letzten Jahren über einen längeren Zeitraum aufgehalten hat.

Die Regierungsvorlage zum Berufsanerkennungsgesetz Gesundheit 2020 hat die Um­setzung von EU-Richtlinien zum Ziel, um eine EU-konforme Rechtslage zur Anerken­nung von Berufsqualifikationen in bestimmten Gesundheitsberufen herzustellen. Vor die­sem Hintergrund erfolgen Änderungen im Ärzte- und Apothekengesetz, indem die Vor­lage einer beglaubigten Übersetzung von fremdsprachigen Urkunden entfällt. Ähnlich verhält es sich bei der Änderung im Musiktherapiegesetz, wo auf die Verwendung eines Formblattes, in dem genaue Angaben zu Zeit, Dauer, Art, Ort der Dienstleistung zu ma­chen wären, verzichtet wird. Die Änderungen im Kardiotechnikergesetz und Sanitäterge­setz ermöglichen in Zukunft einen partiellen Zugang, so wie ihn die EU-Richtlinien vorse­hen. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

15.55


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Karlheinz Kornhäusl. – Bitte, Herr Bundesrat.

Ich weise darauf hin, dass wir für die Durchführung der Dringlichen Anfrage die Debatte um 16 Uhr zu unterbrechen haben.



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 115

15.55.54

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Dann werde ich mich beeilen, liebe Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren, die noch via Livestream zugeschaltet sind! Wir haben schon gehört, worum es in dieser Debatte geht: Um zwei wichtige Anpassungen, und zwar zum einen im Gesundheitsberuferegister-Gesetz und zum Zweiten im Berufsanerkennungsgesetz. Ich möchte kurz auf beide eingehen.

Bleiben wir beim Gesundheitsberuferegister-Gesetz: Es ist etwas Gutes und Positives und es hat sich bewährt, dass sich seit 2018 Kolleginnen und Kollegen in mittlerweile zehn Gesundheitsberufen in ein Register eintragen müssen. Das umfasst mittlerweile knapp 190 000 Kolleginnen und Kollegen. Das ist deshalb gut, weil diese Kolleginnen und Kollegen jetzt auch sichtbar werden, weil wir genau wissen, wer wo arbeitet, weil man damit genau ersehen kann, wer was kann. Und gerade in Zeiten wie diesen, in Zeiten einer Pandemie, ist das sinnvoll.

Natürlich muss man im Lauf der Zeit die eine oder andere Verbesserung vornehmen und nachjustieren. Heute geht es um drei Dinge.

Das Erste ist: Das Geschlecht wird herausgenommen. Herr Kollege Leinfellner – er ist leider Gottes wieder draußen, ich habe Pech, wenn ich ihn anspreche –, das ist nichts, was wir uns einfallen haben lassen, sondern das ist etwas, was der VfGH uns vorgege­ben hat. Deine Redenschreiber haben vergessen, dir das ins Manuskript zu schreiben.

Das Zweite ist, dass die ausländischen Disziplinarstrafbescheinigungen herausgenom­men werden. (Bundesrat Bernard: Ah, ihr habt Redenschreiber! Alles klar!) Auch das ist etwas, was sinnvoll ist, weil viele andere Länder kein Disziplinarstrafrecht haben.

Und zum Dritten soll nur mehr die höchste Qualifikation im Register abgebildet werden.

Die Freiheitlichen sind wie immer dagegen. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, bei der immer kleiner werdenden Gruppe der Rest-FPÖ wundert mich mittlerweile schon gar nichts mehr. (Bundesrat Spanring: Hochmut kommt vor dem Fall, Kollege!)

Beim Berufsanerkennungsgesetz geht es eigentlich im Wesentlichen nur um die Umset­zung einer EU-Richtlinie, die es seit 2012 gibt und die bis 2016 befristet worden ist.

Ich muss ganz ehrlich sagen, da hat sich weder die Fraktion zu meiner Linken noch die Fraktion weit rechts außen in den letzten Jahren sonderlich mit Ruhm bekleckert (Bun­desrätin Schartel: Jetzt reicht es aber! – Zwischenrufe der BundesrätInnen Dim und Steiner-Wieser), denn es waren Gesundheitsminister der Sozialdemokratie und der Freiheitlichen Partei, die das nicht umgesetzt haben. Da sind klingende Namen dabei – Alois Stöger, Pamela Rendi-Wagner oder Beate Hartinger-Klein –, die das einfach liegen haben lassen. Wir jedenfalls, diese Bundesregierung, setzt das endlich um. (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel.)

Es geht dabei um nichts anderes, als um eine EU-konforme Rechtslage für die Anerken­nung von ausländischen Qualifikationsnachweisen aus dem EU-Raum, aus dem EWR-Raum und aus der Schweiz. Ich bekenne mich ja immer wieder als glühender Europäer, der ich wirklich bin, und es ist etwas Schönes, dass man jetzt quasi ohne Grenzen, wenn man so will, von einem Land in das andere berufsmigrieren kann. Das formt und stärkt auch den Wettbewerb, dass wir nämlich in Österreich versuchen, noch bessere Arbeits­bedingungen zu schaffen, damit Menschen aus den Gesundheitsberufen erstens gerne nach Österreich arbeiten kommen und zweitens unsere Österreicherinnen und Österrei­cher gerne hier bei uns bleiben.

In diesem Sinne wünsche ich alles Gute und bleiben Sie gesund. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

15.59



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 116

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Es ist nunmehr 16 Uhr. Ich bin aber soeben informiert worden, dass sich der Herr Bundesminister für Finanzen noch nicht im Haus befindet und noch ein paar Minuten braucht.

Wenn Einhelligkeit darüber besteht, würde ich vorschlagen, dass wir die Debatte noch beenden. Es wäre noch ein Redner am Wort. Das würde sich ausgehen. Was meinen die Fraktionen dazu?

Es liegt eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor. Die nehmen wir auf alle Fälle noch dran. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.00.25

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Kol­lege Kornhäusl hat behauptet, wir sind weit rechtsextrem außen.

Ich berichtige tatsächlich: Ich bin weder weit rechts noch weit rechts außen, ich bin ein überzeugtes Mitglied der Freiheitlichen Partei Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

16.00


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Da keine Einhelligkeit besteht, die Debatte fort­zusetzen, unterbreche ich hiermit die Sitzung und wir warten auf den Herrn Bundesmi­nister.

*****

(Die Sitzung wird um 16.01Uhr unterbrochen und um 16.04 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Der Minister für Finanzen Gernot Blümel ist inzwischen eingetroffen. Herzlich willkom­men im Bundesrat, Herr Minister! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

16.04.55Dringliche Anfrage

der BundesrätInnen Mag. Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Kriminalfall Commerzialbank – Wo bleibt die Verantwortung von Minister Blümel?“ (3859/J-BR/2021)

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dringliche Anfrage der Bundesräte Mag.a Sandra Gerdenitsch, Kolleginnen und Kol­legen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mag.a Sandra Gerdenitsch als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Bundesrätin.


16.05.32

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Hohes Präsidium! Herr Minister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause! Hiermit darf ich die Dringliche Anfrage betreffend „Kriminalfall Commerzial­bank – Wo bleibt die Verantwortung von Minister Blümel?“ begründen. Ich erlaube mir, dass ich den Titel ausdehne, und zwar um: Wo bleibt die Hilfe für die Geschädigten?


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 117

Vor acht Monaten wurde die Commerzialbank Mattersburg geschlossen. Im Zuge des­sen wurden unglaubliche Umstände und grobe Missstände bekannt. Seither hüllt sich der Finanzminister in Schweigen. Es kam bis jetzt kein einziges Wort dazu. Das erstaunt die Anlegerinnen und Anleger, also die Geschädigten, und ist gleichzeitig auch sehr gro­tesk. Das wirkt weder professionell noch seriös.

Wir haben vom Finanzminister, also jenem Minister, der die politische Verantwortung für das System der Bankenaufsicht – also Wirtschaftsprüfer, OeNB, FMA, BMF – trägt, kein einziges Wort der Entschuldigung, des Bedauerns gehört, kein einziges Wort dazu, wie den Geschädigten geholfen werden kann, kein einziges Wort, wie der Schaden begrenzt werden kann.

Im Burgenland wurde ein U-Ausschuss eingesetzt, und in diesem U-Ausschuss wurde alles untersucht, was untersucht werden konnte. Mit der heutigen Befragung des Finanz­ministers ist der Fall dort, wo er hingehört, denn der U-Ausschuss im Burgenland kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um ein kollektives Versagen der Bundesbehörden handelt.

Herr Minister, wieso hat das Kontrollsystem so viele Jahre versagt? Wie kann es sein, dass diese Malversationen jahrzehntelang unbemerkt blieben? Wie kommen die schwer geschädigten Kundinnen und Kunden nun zu ihrem Geld?

Das negative Beispiel der Commerzialbank Mattersburg, dieser Kriminalfall einer Privat­bank, zeigt, dass solch ein Kriminalfall nur dann verhindert werden kann, wenn auch die Bankenaufsicht funktioniert. Das hat sie im gegenständlichen Fall absolut nicht getan. Das Ergebnis: 870 Millionen Euro Schaden. Das bedeutet die drittgrößte Bankenpleite der Republik Österreich.

Um endlich Licht in diesen Kriminalfall zu bringen und im Interesse aller aus dieser Ban­kenpleite Geschädigten, stellen wir Ihnen heute hier eine Vielzahl offener Fragen. Die Geschädigten haben endlich ein Recht auf die Antworten.

Lassen Sie mich exemplarisch einige der Fragen herausgreifen – natürlich trägt jede einzelne Frage und klarerweise die Beantwortung jeder einzelnen Frage zur Aufklärung bei und ist wichtig –:

Zum Beispiel Frage 11: „Es ist für praktisch alle Experten und Juristen unerklärlich, wa­rum die Malversationen nicht schon bei der Vor-Ort-Prüfung 2015 aufgedeckt wurden, trotz der konkreten Whistleblower-Hinweise und trotz der krassen Auffälligkeiten in den Bilanzen der CBM. Haben Sie sich dazu berichten lassen, wenn ja, mit welchen Ergeb­nissen?“

Dazu passend auch Frage 20: „Wie erklären Sie sich, dass die FMA und die von ihr beauftragte OeNB trotz konkreter Whistleblower-Hinweise im Jahr 2015 die Malversa­tionen nicht aufdecken konnten?“ – Ich bin schon sehr gespannt auf die Beantwortung.

Oder Frage 13: „Viele Kunden der Commerzialbank haben den Großteil ihrer Ersparnis­se verloren, Existenzen wurden zerstört und Arbeitsplätze vernichtet. Von Ihnen als Verantwortlichem für die Bankenaufsicht gab es noch kein öffentliches Statement der Entschuldigung oder des Bedauerns. Werden Sie oder andere Bundesbehörden noch Maßnahmen setzen oder planen, um den Betroffenen zu helfen?“ – Es sind sehr viele via Livestream zugeschaltet und freuen sich jetzt schon auf die Antworten.

Auch Frage 14 ist sehr interessant. „Das BMF hat sich geweigert, dem U-Ausschuss in Eisenstadt Akten zu liefern. Sie haben Folgendes ausgesagt: ‚Abschließend möchte ich festhalten, dass – soweit mir bekannt – im Finanzministerium keine Akten und Unterla­gen betreffend die Vollziehung der Organe des Landes Burgenlandes zum Beispiel im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Landes Burgenland als Revisionsverband geführt werden. Eine Lieferung von Akten und Unterlagen scheint daher unabhängig von der Frage, ob eine Vorlagepflicht überhaupt besteht, schon rein aus faktischen Gründen nicht möglich.‘


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 118

Aus einem Erkenntnis des VwGH vom 28.02.2000, Geschäftszahl 95/17/0192, geht hervor, dass das BMF Partei im Verfahren um die Zuständigkeit des Revisionsverbandes für die Genossenschaft war. Dazu muss es demnach Aktenbestand geben. Warum ha­ben Sie den U-Ausschuss in Eisenstadt über den Aktenbestand im BMF falsch infor­miert?“ – Wir erwarten hier wirklich gespannt die Beantwortung aller eingebrachten Fra­gen.

Sie haben im August zwar eine Arbeitsgruppe eingesetzt, von der wir aber auch nichts mehr gehört haben, außer dass sie gegründet wurde. Was sind die Ergebnisse aus der Arbeit dieser Gruppe?

Die Pleite der Commerzialbank ist mit einer Überschuldung von 870 Millionen Euro die drittgrößte Pleite in der Geschichte der Zweiten Republik. 13 500 Menschen, Unterneh­men und Gemeinden sind oder waren betroffen. Diese Zahl muss man sich bitte einmal vorstellen! Viele Kunden der Bank haben den Großteil ihrer Ersparnisse verloren. Es war das Geld für die Kinder, für den Hausbau, für die Altersvorsorge. Ganze Lebenswerke gehen da drauf! Unternehmen mussten zusperren, Gemeinden können dringend not­wendige Investitionen nicht umsetzen.

Sie alle warten auf Antworten, Herr Finanzminister, die Sie bis heute nicht gegeben ha­ben: Wer trägt die Verantwortung für diesen enormen Schaden? Wer trägt die Verant­wortung für das offensichtliche Versagen der Bankenaufsicht in diesem Fall? Und schließlich: Wer ist bereit, Hilfe zu leisten für jene Menschen, deren Existenzen und de­ren Ersparnisse aus lebenslanger Arbeit von einem Tag auf den anderen vernichtet wurden?

Die Betroffenen sind zu Recht fassungslos und verstehen nicht, wie es passieren konnte, dass unter den Augen der Aufsichtsorgane, nämlich des Aufsichtsrats, der Wirtschafts­prüfer, der FMA und der Nationalbank, ein derartig riesiger Betrug stattfinden konnte und 20 Jahre lang niemand etwas bemerkt hat. Manche der Aufsichtsräte haben gar nicht gewusst, dass sie diese Funktion innehaben. Je mehr Hintergründe bekannt werden, desto mehr Fragen stellen sich: Warum wurde der Skandal nicht schon 2015 aufgedeckt, als der bereits erwähnte Whistleblower auf den Plan trat und konkrete Hinweise auf die Malversationen geliefert hat? Wie kann es sein, dass ein Prüfer der OeNB auf der Ge­schenkeliste der Commerzialbank steht?

Herr Bundesminister, bis heute haben Sie jegliche Mitwirkung an der Aufklärung dieses Kriminalfalls – und es ist eindeutig ein Kriminalfall! – und des dahinter liegenden Behör­denversagens verweigert. Im Untersuchungsausschuss des burgenländischen Landta­ges haben Sie behauptet, es gäbe in Ihrem Ministerium keine Akten zur Commerzialbank Mattersburg. Sie haben zu wichtigen Fragen die Aussage verweigert – mit der Begrün­dung, es gehe nur um die Verantwortlichkeiten der burgenländischen Behörden. Sie ha­ben das intensive Ersuchen des unabhängigen Verfahrensrichters, dem Untersuchungs­ausschuss Akten der Bundesbehörden zur Verfügung zu stellen, schlichtweg abgelehnt. Bitte sagen Sie den Geschädigten hier und heute, an dieser Stelle, warum Sie das ge­macht haben! Uns alle interessiert Ihre Antwort.

Es geht auch um die Verantwortung für den enormen wirtschaftlichen Schaden, den der Kriminalfall Commerzialbank in der Region verursacht hat. Leitbetriebe sind in Bedräng­nis geraten, Bauvorhaben und andere Projekte der öffentlichen Hand und von den Pri­vaten können nun nicht mehr umgesetzt werden. Die Unternehmen der Region verlieren fix eingeplante Aufträge. Sie heften sich die Wirtschaftstreibenden ja immer auf Ihre Fahnen – helfen Sie jetzt diesen Unternehmen! Aber auch dazu haben Sie bis heute geschwiegen, Herr Minister! Bis heute haben Sie nicht erklärt, welche Maßnahmen Ihr Ministerium oder andere Bundesbehörden setzen wollen, um da rasch Hilfe zu leisten.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 119

Dies ganz im Gegensatz zum Land Burgenland, das sofort Hilfe durch die Übernahme von Haftungen und Forderungen zugesagt und sich an Unternehmen beteiligt hat. Die ÖVP im Burgenland versucht seit dem Auffliegen dieses Kriminalfalls die Verantwortung des Bundes für das Versagen der Aufsicht auf das Land Burgenland abzuwälzen, aber die ÖVP täte gut daran, bei ihren Parteikollegen im Bund für die Aufklärung auf Bun­desebene zu sorgen. Arbeiten Sie konstruktiv, Herr Kollege Hirczy – vielleicht richten Sie das Ihren Kolleginnen und Kollegen im Burgenland aus –, um für Aufklärung auf Bundes­ebene zu sorgen! Hören Sie auf, das Land Burgenland immer wieder anzupatzen!

In einem Untersuchungsausschuss des burgenländischen Landtages wurden 63 Aus­kunftspersonen und ein Sachverständiger befragt, und das Ergebnis ist eindeutig: Das Land Burgenland hat seine Pflichten als Revisionsverband völlig ordnungsgemäß wahr­genommen. Bei den Behörden des Bundes ist es leider genau umgekehrt: In 15 Klagen gegen die Republik und in mehreren Gutachten wird das Versagen des Systems der Bankenaufsicht klar herausgearbeitet. Allein die Einlagensicherung und der Massever­walter haben Amtshaftungsklagen über zusammen 793 Millionen Euro eingebracht.

Wie gesagt: Die Einlagensicherung – sie ist zum überwiegenden Teil im Besitz von Raiff­eisen – hat Klage eingebracht, und das Gutachten des gerichtlich beeideten Sachver­ständigen des Untersuchungsausschusses im Burgenland besagt, dass FMA und OeNB diesen Kriminalfall verhindern und aufklären hätten können. Hätte Martin Pucher nicht ein Geständnis abgelegt, dann wäre die Bank heute noch offen.

Nicht zuletzt, Herr Minister, geht es auch um den Finanzplatz Österreich. Daher die Auf­forderung an Sie: Tun Sie dem Finanzplatz Österreich etwas Gutes, beantworten Sie unsere Fragen, aber bitte ernsthaft und seriös. Die SPÖ steht auf der Seite der Geschä­digten, und wir fordern eine umgehende Aufklärung dieses Kriminalfalles. Sorgen Sie nun endlich für die Aufklärung auf allen Ebenen, um im Sinne aller Geschädigten zu handeln!

Es geht hier nicht darum, dass ein paar Eier aus dem Hühnerstall gestohlen wurden, sondern es ist wirklich ein Kriminalfall! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


16.16.00

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Meine sehr geehrten Da­men und Herren Bundesräte! Frau Präsidentin! Vielen Dank für die Dringliche Anfrage. Ich finde es wichtig, dass heute auch über die Commerzialbank Burgenland gesprochen wird, denn wir wissen alle – und auch die Begründerin der Dringlichen Anfrage hat es gesagt –, es handelt sich da um einen großen und besorgniserregenden Kriminalfall in einer Bank im Burgenland, der restlos aufgeklärt gehört, und dabei sollten alle, die dazu etwas beitragen können, das auch tun.

Ergänzend dazu sind natürlich alle Institutionen auch gut beraten, mögliche Schlüsse in ihren Bereichen aus der Causa Commerzialbank zu ziehen, um ähnliche Fälle bestmög­lich zu verhindern. Daher ist es wichtig, dass auch hier im Bundesrat und nicht nur im Untersuchungsausschuss im Burgenland das Mögliche getan wird, um politische Ver­antwortlichkeiten zu klären. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass das in diesem Fall von der Justiz und den unmittelbar verantwortlichen politischen Organen im Burgenland zu aufzuklären ist.

Nach allem, was wir bisher wissen, handelt es sich nicht nur um einen Bankenskandal, sondern offensichtlich auch um einen Kriminalfall, wie das auch meine Vorrednerin be­reits festgestellt hat. Wie viele Personen an diesem Betrug beteiligt waren, werden die


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 120

Gerichte endgültig klären müssen. Der verursachte Schaden ist jedenfalls enorm, und die daraus resultierenden Gerichtsverfahren werden Jahre dauern. Die Gerichte müssen auch entscheiden, ob und wo es Verfehlungen gegeben hat, denn immerhin gibt es be­reits diverse Klagen, die anhängig sind.

Das Land Burgenland ist als Revisionsverband der Genossenschaft für die Auswahl der Prüfer zuständig. Das war den Entscheidungsträgern auch von Beginn an bewusst, denn nur deshalb war ja auch die Vorinformation des Vorstandes der FMA an den Landes­hauptmann des Burgenlandes über die bevorstehende Schließung der Bank zulässig. Das heißt, wenn das Land Burgenland da keine Verantwortung gehabt hätte, wäre das im Wege der Amtshilfe gar nicht zulässig gewesen.

Klar ist auch: Im Fall Mattersburg wurde ein und dieselbe Wirtschaftsprüfungskanzlei über Jahrzehnte hinweg sowohl von der Bank als auch vom Land Burgenland beauftragt. Warum das Land so gehandelt hat, gilt es auch da im Bundesrat zu hinterfragen.

Klar ist, dass alle Institutionen und Körperschaften sich bemühen sollten, Beiträge zu leisten, damit es zu etwaigen Verbesserungsvorschlägen kommt, damit so etwas mög­lichst nicht mehr passieren kann. Ich habe das in meinem Verantwortungsbereich un­mittelbar nach Bekanntwerden dieses Skandals getan, indem ich eine Arbeitsgruppe ge­meinsam mit der FMA und der OeNB in Auftrag gegeben habe. Das Ziel dieser Ar­beitsgruppe ist, in einer Gesamtschau die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen, die Arbeitsabläufe, die Zuständigkeiten und die Zusammenhänge zu analysieren und auch Überlegungen über mögliche zusätzliche Instrumente zu treffen. Also genau das, was auch von Ihnen zu Recht gefordert worden ist, wird im Bereich des Finanzminis­teriums getan.

Auch diese Arbeitsgruppe hat mittlerweile schon die Doppelrolle der Wirtschaftsprüfer thematisiert und auch klargemacht, dass so etwas in Zukunft vermieden werden muss. So etwas darf es in dieser Konstellation nicht mehr geben. So wie bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern ein gleichzeitiges Erstellen von Jahresabschlüssen und der Ab­schlussprüfung nicht zulässig ist, soll auch da keine Doppelfunktion mehr möglich sein. Das ist eines der ersten Zwischenergebnisse. Mit dem Endbericht rechne ich in Kürze. Dafür laufen derzeit die finalen Arbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl es sich um einen burgenländischen Bankenskandal handelt, zieht der Bund aus dem Fall Mattersburg Schlüsse, und ich hoffe, dass auch das Land Burgenland die Konsequenzen aus diesem Skandal ziehen wird, denn letztlich ist dieser burgenländische Bankenskandal ein Schaden nicht nur für den Finanzplatz Österreich und für das Burgenland, sondern vor allem auch für die vielen kleinen Sparerinnen und Sparer.

Damit komme ich auch schon zur Beantwortung der von Ihnen an mich gerichteten Fragen.

Zur Frage 1:

Die FMA hat das Finanzministerium am 14. Juli 2020 um circa 15.30 Uhr auf Fachebene mündlich im Hinblick auf die Bestimmungen des § 22 Abs. 12 FMABG informiert, dass Malversationen bei der Commerzialbank Mattersburg aufgedeckt wurden und ein Regie­rungskommissär bestellt werden wird. Diese Informationen wurden in weiterer Folge an mein Büro weitergegeben.

Das Prozedere in so einem Fall ist klar geregelt und erfolgt direkt durch die FMA und OeNB und nicht durch das Finanzministerium.

Zur Frage 2:

Ich habe es aus den Medien erfahren. Die offiziellen Unterlagen sind Ende September an das BMF übermittelt worden.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 121

Zur Frage 3:

Da es keine regelmäßigen Berichtspflichten der FMA gegenüber dem Finanzministerium zu einzelnen Aufsichtsfällen gibt, lagen vor dem 14.7.2020 keine Informationen zur Com­merzialbank Burgenland vor.

Zur Frage 4:

Im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht liegen im BMF keine Unterlagen von der Commerzialbank Mattersburg vor dem 14. Juli 2020 auf.

Zur Frage 5:

Nach derzeitigem Wissensstand war das in meinem Wirkungsbereich nicht der Fall.

Zur Frage 6:

Die Bankenaufsicht ist in Österreich unabhängig und weisungsfrei organisiert, und das ist auch gut so.

Zu den Fragen 7 bis 10:

Für meine Amtszeit darf ich auf die eingesetzte Arbeitsgruppe verweisen.

Zur Frage 11:

Die Bankenaufsicht ist in Österreich unabhängig und weisungsfrei organisiert – das ist gut so –, demnach hat das BMF auch keinen Einblick in einzelne Prüfvorgänge.

Zur Frage 12:

Im Zuge dessen darf ich auf die laufenden Verfahren verweisen. Über mögliche Malver­sationen und Entschädigungen haben die unabhängigen Gerichte zu entscheiden.

Zur Frage 13:

Wir haben einen Termin mit der Einlagensicherung und mit Bankenvertretern gemacht und ersucht, den gesetzlichen Aufgaben möglichst schnell nachzukommen. Es ist wich­tig, dass die Sparerinnen und Sparer auch weiterhin auf unsere Banken und die rechtli­chen Sicherungsmechanismen vertrauen können.

Zu den Fragen 14 bis 19:

Ich darf in diesem Zusammenhang auf das Schreiben der Finanzprokuratur vom 2. No­vember 2020 verweisen, das an den Untersuchungsausschuss im Burgenland übermit­telt wurde und in dem festgehalten ist, dass zum einen die Akten faktisch nicht vorhan­den sind und zum anderen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Übermittlungen auch nicht gegeben sind.

Zu den Fragen 20 bis 22:

Das BMF ist nicht zuständig und in die operative Aufsicht nicht involviert. Diese erfolgt durch FMA und OeNB.

Zur Frage 23:

Der Vorstand der FMA hat seinen Aufsichtsrat informiert, dass es Ermittlungen gibt. Da in diesem Gremium auch Vertreter des BMF sitzen, ist auf diesem Wege auch das Fi­nanzministerium informiert worden.

Zur Frage 24:

Das Finanzministerium erfüllt grundsätzlich alle seine Aufsichtspflichten.

Zu den Fragen 25 bis 27:

FMA und OeNB sind weisungsfreie und unabhängige Behörden, daher war das BMF über Einzelaktivitäten dieser beiden Institutionen am 13. und 14. Juli 2020 – also unmit­telbar vor Bestellung der Regierungskommissäre – nicht zu informieren. Aufgrund der


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 122

Medienberichte wurde seitens des BMF von der FMA eine entsprechende Auskunft ein­geholt. Die Kernaussage der FMA ist es, dass die Vorabauskunft an den burgenländi­schen Landeshauptmann im Rahmen eines Amtshilfeersuchens erfolgt ist, da das Land über die Genossenschaft der zuständige Revisionsverband war.

Zur Frage 28:

Diese Frage unterliegt nicht dem Interpellationsrecht und ist an die FMA zu richten.

Zu den Fragen 29 bis 31:

Nein. Nach meinem Wissensstand liegt kein derartiges Gutachten vor.

Zur Frage 32:

Ich kenne das Thema aus den Medien, und nach meinem Wissensstand gibt es keine detaillierten Informationen aus dem Finanzministerium.

Zur Frage 33:

Die Fit-und-Proper-Anordnungen für Aufsichtsräte von Banken haben in den letzten Jah­ren zahlreiche Verschärfungen erfahren. Mit der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie CRD IV im Jahr 2013 wurden im Bankwesengesetz umfangreiche und sehr konkrete ge­setzliche Vorgaben betreffend die Qualifikation von Aufsichtsräten geschaffen. Auf euro­päischer Ebene wurden diese Vorgaben mit Leitlinien der europäischen Bankenauf­sichtsbehörde zur internen Governance und zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen ergänzt.

Ob es darüber hinaus sinnvoll ist, weitere Gesetzesänderungen in diesem Bereich zu veranlassen, ist unter anderem Thema in der von mir beauftragten Arbeitsgruppe.

Zu den Fragen 34 und 35:

Diese Frage betrifft keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundesministers für Finan­zen und ist daher an die FMA zu richten.

Zur Frage 36:

Das ist Angelegenheit der unabhängigen Gerichte. Natürlich steht es dem Land Burgen­land frei, unabhängig von einer späteren Entscheidung der Gerichte Maßnahmen zu setzen.

Abschließend darf ich mich für die vierminütige Verspätung meines Erscheinens bei Ih­nen allen entschuldigen. Verzeihung. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.25


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gehen somit in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. – Bitte, Herr Bundesrat.


16.26.07

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die dringliche Behandlung dieser Anfrage aus einem Grund verlangt, nämlich um den Minister zu befragen. Es geht um den dritt­größten Bankenskandal in der Zweiten Republik, meine Damen und Herren! 870 Millio­nen Euro wurden bei diesem Kriminalfall im Burgenland an Schaden verursacht. Ich wie­derhole: Es geht um den drittgrößten Bankenskandal.

Die Menschen im Burgenland, vor allem die vielen Sparerinnen und Sparer, die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, warten auf Antworten. Ich muss schon sagen, Herr


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 123

Minister: Sie haben jetzt diese Fragen beantwortet, in 6 oder 7 Minuten haben Sie sämt­liche Fragen beantwortet. Für die Unternehmer, für die vielen Mitarbeiter ist das eigent­lich unglaublich – bei diesem riesengroßen Schaden.

Das war es dann? Sie haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt? – Ich möchte Ihnen und auch den Herrschaften von der ÖVP sagen – das werden Sie vielleicht noch gar nicht wissen –: Diese Arbeitsgruppe tagt seit August vorigen Jahres. Da haben Sie diese Gruppe einberufen. Heute hören wir: Wir schauen in die Zukunft! Wir werden etwas dazu ausarbeiten, wer die Zuständigkeiten hat! – Es kommt also nichts Klares heraus.

Ich bin heute hier quasi als Anwalt unserer Sparerinnen und Sparer. Das sind Zigtausen­de Betroffene in einem Bezirk, im Bezirk Mattersburg, die bei diesem Kriminalfall unter die Räder gekommen sind. Ich möchte Ihnen das heute vielleicht ein bisschen näherbrin­gen, damit Sie das empathischer sehen: Ich habe eine Dame kennengelernt, die ihr Le­ben lang gearbeitet hat, die bei dieser Bank einige Wochen vor Schließung 500 000 Euro auf ein Konto einbezahlt hat, um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen, ein Haus zu bauen, ihren Enkelkindern etwas zu geben, ihren Kindern etwas zu geben – Geld –, und übrig geblieben ist lediglich die Einlagensicherung: 100 000 Euro.

Ich bitte Sie, ein bisschen in sich zu gehen und zu überlegen, was das für einen Men­schen bedeutet. Ich habe jetzt einen Einzelfall herausgezogen, einen Fall bei einer Ge­samtsumme von 870 Millionen Euro. Für die Jüngeren ist das vielleicht nicht mehr so greifbar, aber für die Älteren unter uns – die meisten wissen es –: Das waren ungefähr 10 bis 11 Milliarden Schilling, die da verlorengegangen sind.

Jetzt geht man als normale Kundschaft davon aus, dass, wenn man in eine österreichi­sche Bank geht und sein Geld dort anlegt, dieses Geld sicher ist. Oder, Herr Bader, Hand aufs Herz: Gehen Sie in Ihre Bank – ich nehme an, das wird in Ihrem Fall die Raiffeisen­bank sein – - - (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Apropos: Die Raiffeisenbank ist jene Bank, die in diesem Fall der Hauptkläger ist, die den Bund, die Republik Österreich, klagt. Das sage ich nur, damit wir wissen, wo die Zuständigkeiten sind. Die Raiffeisenbank klagt die 490 Millionen Euro Einlagensiche­rung ein.

Noch einmal zum Beispiel mit Herrn Bader – ich weiß es ja nicht genau, vielleicht ist es eh eine andere Bank, aber ich nehme es an –: Er geht zur Raiffeisenbank und legt sein Geld an. Herr Bader spart sein ganzes Leben lang, und am Schluss seines Erwerbsle­bens hat er dann ordentlich angespart, dann kommt er zur Bank und dann heißt es: Na ja, es ist halt nichts mehr da! – Das ist ein Kriminalfall. Sie kriegen 100 000 Euro, der Rest ist weg.

Jetzt ganz ehrlich: Haben Sie schon einmal bei Ihrer Bank hinterfragt, ob die Prüfungen passen? Können Sie das selber? Und wenn Sie dann als Kundschaft noch 20, 30 Jahre lang die Auskunft bekommen, dass diese Banken geprüft werden, dass alles in Ordnung ist – und auf einmal ist alles weg? Also da möchte ich mich gar nicht hineinfühlen. (Vi­zepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Wir reden hier die ganze Zeit im gleichen Slang: ja, die Pandemie, die größte Pandemie seit hundert Jahren. Versetzen Sie sich in folgende Lage: Sie sind durch die Pandemie in die schwierigste Lage Ihres Lebens gekommen, und jetzt kommt das mit der Bank dazu. Dann gibt es eine Arbeitsgruppe, die im August eingerichtet worden ist, und heute hören wir: Ja, wir werden weiterschauen und wir werden bald ein Ergebnis haben! (Bun­desrätin Gerdenitsch: Ich bin neugierig, was drinnen steht!)

Ich sage Ihnen etwas, Herr Finanzminister: Diese Gnade werde ich nicht walten lassen, wir werden Sie bei der nächsten Sitzung des Bundesrates wieder einberufen und nach­fragen, was ist. Mir geht es nämlich heute nicht um politisches Kleingeld – das möchte


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 124

ich gleich einmal vorausschicken. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein! Nein! – Bun­desrat Seeber: Na geh! Na geh! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich werde das gleich begründen. Kollege Hirczy aus dem Burgenland hat schon gestern medial Burgen­landbashing betrieben und einem Altlandeshauptmann, Karl Stix (Rufe bei der SPÖ: Der ist verstorben!), der verstorben ist, quasi die Schuld gegeben – das ist nicht in Ordnung. Einen Menschen anzuprangern, der sich nicht einmal mehr wehren kann, ist, glaube ich, letztklassig. (Bundesrat Spanring: Beim Haider war es okay!) Aber das ist die Marke ÖVP, das kennen wir eh schon. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Spanring: Beim Hai­der war es okay! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt kommen wir einmal zum Ergebnis des Untersuchungsausschusses. Ich habe mir das zusammengeschrieben, damit wir das punktuell festhalten können. Also: Was sind die Ergebnisse? – Es ist ein Kriminalfall einer Privatbank. Es stehen hier die Geständ­nisse der Vorstände. Auch noch einmal für die ÖVP-Mitglieder der anderen Bundeslän­der: Diese Vorstände waren allesamt ÖVP-Mitglieder! (Bundesrätin Gerdenitsch: Ge­nau! Genau!), nur damit wir das alle wissen. – So viel also zur Prüfung.

Zahlreiche Beschuldigte sind aus diesem Kriminalfall hervorgegangen. Ich wiederhole es noch einmal, damit es ein bisschen wirkt: 870 Millionen Euro Schaden! Frau Dr. Gitschthaler, das ist gar nicht so lustig, wie Sie das empfinden, Sie lachen da vor mir. (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Nein! Nein!) Da geht es wirklich um Existenzen, um Menschen, die kein Geld mehr haben und die jetzt auf Antworten warten.

Was wäre das Leichteste? Ich habe mir gestern „Fellner! Live“ angeschaut und habe mir gedacht: Jetzt kommt der Herr Finanzminister und teilt wieder Geld aus, er sagt uns: Ja, es gibt Geld genug! 63 Milliarden Euro haben wir bereits ausbezahlt! Ich weiß nicht, ob das ganz genau stimmt. Die Unternehmer sagen eigentlich etwas anderes. Ich höre nicht, dass alle Unternehmer das Geld schon bekommen haben. Viele Arbeitslose haben wir, glaube ich, auch. – Und der Finanzminister kam gestern mit der Überraschungsmel­dung: Wir werden in Zukunft mit den Reisepassgebühren nicht in die Höhe gehen!

Aufgrund dieser Aussage habe ich gemerkt: Wie weit muss man eigentlich schon von irgendwo weg sein, dass man sagt, man wird die Gebührenerhöhung für den Reisepass für eine Million Österreicher aussetzen – das macht ungefähr 15 Millionen Euro aus –, wenn wir in der größten Pandemie sind, in der momentan gar niemand wegfahren kann, weil wir ja noch nicht einmal die Impfungen haben?! Das ist unfassbar! (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Heiterkeit bei der FPÖ.) Es ist unfassbar, wie weit Sie schon von der Realität weg sind!

Dann reden Sie von 15 Millionen Euro Ersparnis! Jetzt lachen Sie (in Richtung Bundes­rätin Eder-Gitschthaler) schon wieder! (Heiterkeit bei der FPÖ. – Kopfschütteln von Bun­desrätin Eder-Gitschthaler.) Das ist schon arg, diese Aussage alleine! Dann wird ganz lässig gesagt: 63 Milliarden Euro haben wir ausbezahlt!

Dazu wollte ich eigentlich kommen: 63 Milliarden Euro haben wir ausbezahlt, wir haben aber im nächsten Jahr noch eine Schuldenquote von 85 Prozent und dann 88 Prozent!, haben Sie gesagt. Also wenn man so galant ist und 63 Milliarden Euro so locker für die Unternehmer, für die Mitarbeiter hinaushaut – wir haben eh fast keine Arbeitslosen, es passt eh alles in unserem Land (Bundesrat Seeber: Für Mitarbeiter!) –, ja dann macht es eh nichts mehr aus, wenn man sich zusammenreißt und sagt: die Prüforgane haben bei der Commerzialbank 20, 30 Jahre lang völlig versagt!, und man diesen Menschen jetzt aus der Patsche hilft und ihnen ihr Geld zurückgibt. Das steht ihnen zu. So einfach ist das. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir schlagen heute kein politisches Kleingeld (Rufe bei der ÖVP: Nein! Nein! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) mit irgendwelchen politischen Aktionen, es geht um die Ge­schädigten. Ihr könnt euch heute entscheiden, die ÖVP kann sich heute entscheiden:


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 125

Seid ihr auf der Seite der Geschädigten oder seid ihr auf der Seite des Finanzministers, der keine Kohle für diese Menschen, für diese Geschädigten, herausrücken will? So ein­fach ist es.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit, ich melde mich heute sicher noch ein zweites Mal zu Wort. (Allgemeine Heiterkeit.) – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desrätInnen der FPÖ.)

16.35


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Bernhard Hirczy. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


16.35.14

Bundesrat Bernhard Hirczy (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Finanzminister! (Bundesrat Spanring: „Geschätzter“ trifft es richtig!) Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen und Damen und Herren vor den Bildschirmen! Die heutige Dringliche Anfrage an den Finanzminister macht eines sehr klar: Der SPÖ geht es um eine Politshow hier auf Bundesebene (Bundesrätin Gerdenitsch: Nein! Nein, nein!), es geht ihr nicht um Aufklärung. Uns als Volkspartei geht es um Aufklärung (Rufe bei der FPÖ: Ja, ja, ja! Die ÖVP und Aufklärung! – weitere Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ), um Aufklärung des größten Finanzskandals des Burgenlandes: Es gibt über 13 500 Geschädigte.

In meinem Heimatbundesland Burgenland ist vor Kurzem der Untersuchungsausschuss zur Commerzialbank zu Ende gegangen. Er wurde im Landtag von ÖVP, FPÖ und den Grünen eingesetzt. Die Befragung der 63 Auskunftspersonen hat eines ganz klar ge­zeigt: Ohne die SPÖ hätte es diese Commerzialbank nie gegeben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

Die Tatsache: Die SPÖ war Geburtshelferin dieser Bank. Sie hat auch von der Commer­zialbank jahrzehntelang profitiert und war gleichzeitig für die Aufsicht verantwortlich. (Bundesrätin Gerdenitsch: Das ist gar nicht absurd! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die Bankkonzession wurde damals vom zuständigen SPÖ-Finanzminister erteilt. Und ja, der damalige SPÖ-Landeshauptmann – er war damals auch Finanzreferent –, er wurde schon genannt: Karl Stix (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), hat die Revision für die Haupteigentümerin, die Kreditgenossenschaft, übernommen. Somit kann man klar sagen: Ohne die SPÖ hätte es diese Commerzialbank nie gegeben. (Neu­erlicher Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

Ein spannendes Detail zu der Aussendung der SPÖ Burgenland vom 10.3.2021, also gestern: Wenn alle Prüfsysteme 20 Jahre lang nicht funktionieren, dann – Klartext! – möchte ich es auf den Punkt bringen: „Die Befragung im U-Ausschuss hat deutlich ge­zeigt, dass die SPÖ ihrer Verpflichtung als Aufsichtsbehörde nicht nachgekommen ist und jahrzehntelang einfach weggeschaut hat.“ (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.)

„Ein brisantes Detail am Rande: Das Land Burgenland hätte jederzeit die Revision ab­geben können. Tat sie aber nicht. Stattdessen blieb die Revision in SPÖ Händen. In den Händen jener [...] Politiker, die weiterhin weggeschaut haben. Und diese SPÖ hat nach der Pleite nicht einmal die Verantwortung [...] übernommen, sondern hat versucht, jede Schuld von sich zu weisen.“

Erkenntnisse aus der Befragung im Untersuchungsausschuss: Es gab am 14. Juli eine SPÖ-interne Sitzung, „in der Doskozil sein engstes politisches Umfeld über die bevor­stehende Schließung [...] informiert hat“. Da waren SPÖ-Granden, unter anderem Lan­desrat Christian Illedits, SPÖ, Landtagspräsidentin Verena Dunst, SPÖ, Klubobmann Robert Hergovich, SPÖ, und viele weitere Granden dabei.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 126

SPÖ-Landeshauptmann Doskozil hat sich auch laufend in Widersprüche verwickelt. In Interviews wurden rund zehn unterschiedliche Angaben getätigt, wie und wann er von der Schließung erfahren hat. Gleiches gilt für Aussagen rund um den SPÖ-nahen FMA-Vorstand Ettl unter Wahrheitsplicht im Untersuchungsausschuss.

Ein Beispiel dazu: Abgeordneter Patrik Fazekas fragt den Landeshauptmann: „haben Sie Herrn Ettl kontaktiert? Hat Herr Ettl Sie kontaktiert? Wie war da die Abfolge bezie­hungsweise wer hat wen kontaktiert?“ Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, SPÖ, antwortet: „ich wurde um 18.29 Uhr vom Finanzmarktaufsichtsvorstand Ettl angerufen.“

In einer weiteren Befragung fragt – es wurde Helmut Ettl befragt – Abgeordneter Ewald Schnecker, SPÖ: „Also, das heißt, das kann sein, dass Sie den Herrn Landeshauptmann angerufen haben oder im Büro angerufen haben?“ Vorstandsdirektor Helmut Ettl: „Nein. Das kann nicht sein, dass ich den Herrn Landeshauptmann angerufen habe.“ Ewald Schnecker fragt nach: „Wen haben Sie angerufen?“ Vorstandsdirektor Helmut Ettl ant­wortet: „Ich habe niemanden angerufen. Ich habe nicht den Herrn Landeshauptmann angerufen, der Herr Landeshauptmann hat mich angerufen, und so war es.“

Wenn dies der Herr Ettl unter Wahrheitspflicht aussagt, so wird das stimmen. Doskozil hat versprochen, dass er seine Telefonprotokolle dieser Pleitenacht offenlegen wird. Bis heute ist dies nicht geschehen. Warum nicht? Was hat der Landeshauptmann zu ver­heimlichen?

Die Nummer zwei der SPÖ Burgenland, Landesrat Christian Illedits, musste wegen eines von Martin Pucher erhaltenen Goldgeschenks gehen. Er ist zurückgetreten. Er war somit das erste Bauernopfer, damit dieses SPÖ-Insidernetzwerk nicht auffliegt. (Zwischenrufe bei der SPÖ. Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

SPÖ-Vorsitzender Landeshauptmann Doskozil hat im August erklärt, dass jeder, der bei Martin Pucher anstreift, gehen muss. Der Untersuchungsausschuss hat herausgefun­den, dass auch der ehemalige Landeshauptmann Niessl und die amtierende Mattersbur­ger Bürgermeisterin Ingrid Salamon, beide SPÖ, Goldbarren oder Goldgeschenke be­kommen haben. Das hat Martin Pucher unter Wahrheitspflicht im Untersuchungsaus­schuss bestätigt und sich damit selbst belastet. Aufgrund all dieser Tatsachen ist es verständlich, dass die SPÖ nervös wird und versucht, jede Verantwortung von sich zu weisen. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.) Dies wird mit dieser Inszenierung nicht gelingen.

Liebe Kollegin Gerdenitsch, lieber Kollege Kovacs! Ich sehe es so wie Sie: Zurück zur Sachlichkeit. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) Helfen wir alle mit, diesen Ban­kenskandal im Burgenland aufzuklären. Das Ausmaß des Mattersburger Bankenskan­dals ist erschreckend. Viele Bürgerinnen und Bürger, Betriebe, Gemeinden sind massiv von diesem Skandal betroffen. Wir fordern volle Aufklärung (Bundesrätin Gerdenitsch: Genau!) und wollen wissen, wer vom System Martin Pucher im Burgenland profitiert hat. Das sind wir den fleißigen und ehrlichen Bankkunden schuldig.

Ich möchte mich beim Finanzminister für die Beantwortung der Fragen bedanken. Er ist gekommen und hat dies gemacht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir haben bereits im August des Vorjahres Landeshauptmann Hans Doskozil gebeten, hierherzukommen, dem Bundesrat Rede und Antwort zu stehen. Es ist im Rahmen seiner Möglichkeiten, wir warten auf diese Möglichkeit. Lieber Herr Finanzminister, herzlichen Dank für deine Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP.)

16.42


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile dieses. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 127

16.42.21

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte von dem politischen Geplänkel ein biss­chen Abstand nehmen. Offensichtlich ist es in Österreich immer noch üblich, dass Pos­ten wie Aufsichtsräte politisch besetzt sind. Ich möchte heute die Angelegenheit Com­merzialbank Burgenland (Ruf bei der SPÖ: Mattersburg!) aus der Sicht eines Aufsichts­rates einer österreichischen Bank, also aus meiner Sicht, beleuchten und einige Fragen dazu stellen.

Seit mittlerweile 17 Jahren bin ich Aufsichtsrat einer kleinen Genossenschaftsbank und seit fünf Jahren durch eine Fusion Aufsichtsrat in einer mittelgroßen österreichischen Bankaktiengesellschaft. Ich kann also auf eine gewisse Erfahrung in Aufsichtsgremien zurückgreifen. Waren es am Anfang meiner Tätigkeit hauptsächlich die Kreditrisiken, die wir zu bewerten hatten, so wurde es in der Folge viel differenzierter, diese Bankge­schäfte zu beleuchten. Nicht erst seit der Pleite von Lehman Brothers 2008 wissen wir auch von gewissen Anlagerisiken; das hat auch die Bawag 2006 schmerzlich zur Kennt­nis nehmen müssen.

Durch Schulungen, die der Aufsichtsrat jährlich zu absolvieren hat, wird man auch in die Bewertung und in die Berechnung verschiedener Risikoarten eingeführt. Man soll zumin­dest die Bewertungsarten – wie sie berechnet werden – im Ansatz verstehen, auch wenn dahinter hochmathematische Programme laufen. Ich vergleiche das immer mit einem Taschenrechner: Man sollte zumindest schätzen können, ob man sich vielleicht vertippt hat oder ob das Ergebnis stimmen kann. Darauf wird ein Aufsichtsrat geschult.

Mit den Schulungen, aber auch in der Praxis wird man darauf hingewiesen, dass es Mindestanforderungen gibt, ein Vieraugenprinzip des Vorstandes zum Beispiel. Es gibt auch Instrumente und sehr gute Hilfsorgane für Aufsichtsräte – auf die großes Augen­merk gerichtet wird –, wie zum Beispiel die interne Revision, die quartalsmäßig einen Tätigkeitsbericht vorlegen muss, aber auch jährliche Berichte der externen Kontrolle, sei es durch den Genossenschaftsverband oder durch andere Prüfinstitutionen, die ja auch einen Bestätigungsvermerk unter eine Bilanz einer Bank setzen müssen.

All diese Personen – Vorstand, Aufsichtsrat, externe Prüfung – bestätigen mit ihrer Un­terschrift die Richtigkeit der Bilanz. Aufsichtsräte bestätigen im Vorfeld einer Prüfung sogar, ob es Verdachtsfälle gibt. Wenn es keine gibt, müssen sie das schriftlich bestäti­gen oder offenlegen.

Aufsichtsräte sind, wie schon angesprochen, auch jährlich zu einer Weiterbildung ver­pflichtet, um die sogenannte Fit-and-proper-Policy gegenüber der FMA vorlegen zu kön­nen. Mir selbst ist da sogar im letzten Jahr ein Versäumnis passiert. Aufgrund der Coro­nasituation konnten Fortbildungen leider nur sporadisch abgehalten werden und dann auch nur virtuell. Von der Mindestanforderung von zwei Tagen Schulung habe ich leider nur eineinhalb Tage absolviert, denn ich habe eine Halbtagesschulung übersehen, und es wurde kein weiterer Termin mehr angeboten. Ich wurde Anfang dieses Jahres darauf hingewiesen, dass die Schulung ehestmöglich nachzuholen sei, weil die Fit-and-proper-Policy und die Bestätigung für die FMA noch nicht vorgelegt werden konnte.

Das gilt für den gesamten Aufsichtsrat, das heißt, ist einer nicht fit und proper, ist der gesamte Aufsichtsrat nicht fit und proper. Ich habe die Schulung dann nachholen müs­sen, selbstverständlich, auch mein kläglicher Versuch, dass ich als Finanzsprecher mei­ner Partei hier im Bundesrat die Neuerungen ja zum Großteil mitbeschließe und mich in der Materie auskennen sollte, also Schulungen aus erster Hand erfahre, half nichts: Die FMA würde das nicht anerkennen. Ich habe die Schulungen nachgemacht und ich finde, die Vorgangsweise ist richtig und auch gut so. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 128

Jetzt frage ich mich, bei all den Erfordernissen, die ein Aufsichtsrat mitbringen muss: Wie gibt es das, dass unter zehn Personen im Aufsichtsrat der Commerzialbank Burgen­land nicht ein Einziger war, der das Geschäftsmodell hinterfragt hat? Das heißt, wenn höhere Zinsen für Sparguthaben bezahlt werden und auf der anderen Seite weniger Zinsen oder geringere Zinsen für Ausleihungen verlangt werden, dann wird vermutlich schon ein Bankkaufmannslehrling im ersten Lehrjahr feststellen können, dass sich das unter dem Strich nicht ausgeht. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Wie gibt es das, dass das Vieraugenprinzip versagt hat? Wie gibt es das, dass die interne Revision, die ja vier Mal pro Jahr einen Bericht bringt, keine Auffälligkeiten vorlegt? Wie gibt es das, dass der externen Prüfung seit 20 Jahren nichts auffällt?

Laut Aussage Martin Puchers war die Bank ja schon im Jahr 2000 praktisch pleite. Wie gibt es das, dass niemandem in den Kontrollgremien Unregelmäßigkeiten bei der Risiko­vorsorge und den Eigenkapitalerfordernissen aufgefallen sind? Wie gibt es das, dass die FMA nicht eine einzige Querprüfung unternommen hat, ob die Bankguthaben der Com­merzialbank bei anderen Banken in Österreich auch als Passiva in den Bilanzen ver­bucht sind? Wie gibt es das, dass offensichtlich derart unqualifizierte Aufsichtsräte bei dieser Bank tätig waren? Oder waren sie vielleicht selbst von dieser Bank in irgendeiner Form abhängig oder wurden sie gar angefüttert? Ich weiß es nicht.

In Summe ist jedenfalls nicht nur für die Kunden der Commerzialbank ein enormer Scha­den entstanden, sondern über die Einlagensicherung allen Banken, nicht nur der Raiff­eisenbank. Meine kleine Bank trifft es allein mit 8 Millionen Euro, das halbiert das Jahres­ergebnis 2020. Ich verrate da kein Bankgeheimnis, die Bilanzen sind offenzulegen, üb­rigens auch die Bilanzen der Commerzialbank.

Die Möglichkeit für Risikovorsorgen, gerade was Ausfälle in Zeiten von coronabedingt verordneten Betriebsschließungen und daraus resultierenden Insolvenzen betrifft, wer­den für alle Banken stark eingeschränkt. Die Erfüllung der Eigenkapitalerfordernisse nach Basel III und den Erfordernissen der EZB werden natürlich auch erschwert.

Meine Damen und Herren, man braucht einerseits sicher eine gewaltige kriminelle Ener­gie, um so etwas 20 Jahre am Laufen zu halten. Andererseits braucht es aber auch ein bewusstes Wegschauen aller Kontrollorgane. Bei allem politischen Geplänkel: Für mich ist diese Angelegenheit ein Fall für die Gerichte, wobei natürlich auch eine gewisse politische Verantwortung im Raum steht. Kollege Kovacs, wenn bei jedem Bankraub in Österreich ich bezeichne es einmal so  den Schaden dann der Steuerzahler zahlen muss, dann bin ich bereit, mein Aufsichtsratsmandat in einer Bank zurückzulegen. (Bei­fall bei der FPÖ.)

16.49


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als weitere Rednerin zu Wort gemeldet ist Frau Mag.Eli­sabeth Kittl. – Bitte.


16.50.04

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen vor den Bildschir­men! Zuallererst: Kontrolle der Verwaltung durch das Parlament ist wichtig und in keiner Weise zu kritisieren. Die Frage nach der Verbesserung der Bankenaufsicht durch ver­antwortliche Finanzminister aber entbehrt nicht einer gewissen Komik oder gar Dreistig­keit.

Wir wissen heute, dass es die Probleme der Bank schon seit mehr als 30 Jahren gibt und nicht erst seit den 13 Jahren ÖVP-Finanzminister. Vergessen Sie daher nicht Ihre eigenen SPÖ-Finanzminister – bis ins Jahr 2000 – zu fragen, oder Herrn Grasser, der bis 2007 verantwortlich war. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Nach dem Frauentag am 8. März fällt hier natürlich auf, dass keine einzige Frau diese Funktion bisher innehatte.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 129

Die Frage nach der Verbesserung der Bankenaufsicht ist natürlich eine richtige. (Zwi­schenruf des Bundesrates Novak.) Werner Kogler stellte sie schon im Jahr 2000, da gab es gerade einen Untersuchungsausschuss zur Bank Burgenland. Kogler sagte damals als Vorsitzender des Rechnungshofausschusses im Nationalrat: „Vor dem Hintergrund des Milliardenskandals rund um die Bank Burgenland erscheint die Rolle der Bankenauf­sicht zunehmend fragwürdig“. Er kritisierte damals schon die Vorgehensweise der Oes­terreichischen Nationalbank und forderte in den Jahren seither wiederholt eine Reform der Bankenaufsicht.

Die KollegInnen Gerdenitsch und Kovacs wollen den, ich zitiere, „Kriminalfall“ auf die Ebene, wo er hingehört – nämlich auf Bundesebene – erheben. Dort ist, wie gesagt, eine Prüfung wichtig, aber es bedarf der Fragenbeantwortung und der Übernahme von Ver­antwortung auf allen Ebenen. Sie erwähnen, dass es um ein kollektives Versagen geht und fragen nach der Vorortprüfung. (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

Ja, Fragen an die burgenländische Landesregierung vor Ort sind genug offen, nämlich: Warum hat die burgenländische Landesregierung überhaupt und ohne Prüfung der Hin­tergründe als Revisionsverband der Personalkreditgenossenschaft, die den größten An­teil der Commerzialbank Burgenland innehat, bei der Überführung der Raiffeisen Schat­tendorf des Martin Pucher in die damalige Commerzialbank Mattersburg überhaupt die Revision übernommen? Was war der Nutzen für das Land Burgenland? Warum wollten die Raiffeisen Schattendorf und andere überhaupt aus dem Revisionsverband der Raiff­eisen Landesbank ausscheiden? Wie und was prüfte der Revisor der Personalkreditge­nossenschaft in den Jahren seit 1994 eigentlich? Warum wollte das Land Burgenland die Revision 2015 zurücklegen und warum hat es das dann doch nicht getan? Das und anderes fragten die burgenländischen Grünen im U-Ausschuss, und das fragten auch die MasseverwalterInnen und bekamen nur wenig zufriedenstellende Antworten.

Auch Frage 22 sollte vielleicht an die burgenländische Landesregierung oder an die Lan­deshauptmänner, die seit 1964 von der SPÖ kommen, gestellt werden. Die SPÖ spricht unter anderem die Geschenkelisten an. Diese werden in der Tat eine wichtige Unterlage für weitere Aufklärung, denn es steht noch immer im Raum, welche Politikerinnen und Politiker Geschenke mit welchem Wert von Martin Pucher beziehungsweise der Bank erhalten haben. Schauen wir diese Listen für eine vollständige Aufklärung ohne Scheu­klappen, ohne parteipolitische Brille an.

Auch wird die Frage immer im Raum stehen bleiben, warum es niemandem in den bur­genländischen Machtgefilden vor Ort auffiel, was in dieser Bank vor sich ging, in einem Land, in dem man sich kennt, wo Vorstandsvorsitzende und Bank die burgenländische Veranstaltungs-, Vereins- und besonders die Sportwelt sehr großzügig subventionierten, Geschenke verteilten, dubios gute Kredite und hohe Zinssätze für Guthaben vergaben.

Daher frage ich nochmals: Fielen die außergewöhnlich guten Zinsen, die leicht zu be­kommenden Kredite und die immens hohen Subventionen niemandem auf oder wollte das nach österreichischer Manier niemandem auffallen, da es ja vor allem vor Ort nur Vorteile – jedenfalls so lange, bis sie nicht platzten – brachte? Jetzt stehen die, die nichts dafür können, Unternehmen und Private vor Ort, vor dem Aus. Das hätte früher verhin­dert werden können, wenn auch vor Ort genauer hingeschaut worden wäre, und die Bankenaufsicht schon früher verbessert worden wäre. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

16.54


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl Ba­der. – Bitte.


16.54.32

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Fi­nanzminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 130

Herren via Livestream! Kollege Kovacs von der SPÖ fällt ja immer wieder mit großen Ankündigungen und Überraschungen auf Facebook auf. Im Vorfeld der Dringlichen An­frage hat er groß angekündigt: Reden wir Klartext hier herinnen im Hohen Haus!

Ja, reden wir tatsächlich Klartext, lieber Herr Kollege! Ich möchte Kollegen Dim Danke für seinen sachlichen Beitrag sagen. Es ist ja wohl ein sehr, sehr, durchsichtiges Manö­ver, dass die Kollegin und der Kollege aus dem Burgenland sich hierherstellen und einen Kriminalfall, einen Bankenskandal so präsentieren, als wäre das das Versagen der Re­publik, der Finanzmarktaufsicht und als hätte das Burgenland, die politischen Verantwor­tungsträger in diesem Bundesland, damit überhaupt nichts zu tun. Das ist eine dreiste Vorgangsweise, die ich klar zurückweisen möchte. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich möchte hier auch sagen, dass ich das Ganze schon sehr empathisch sehe, weil es ja viele Menschen gibt, die geschädigt wurden. Da ich bereits persönlich angesprochen wurde: Ich oute mich hier ganz gerne, ich bin Kunde der Sparkasse, aber auch der Raiff­eisenbank. Ich war in meinem Leben noch nie Kunde bei einer Bank, die unerhört hohe Zinsen angeboten hat, weil mir der Hausverstand sagt, dass das nicht stimmen kann und dass das nicht funktionieren kann. (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

Ich habe bei keiner dieser Banken mehr als 100 000 Euro eingelegt, weil ich weiß, dass es eine Einlagensicherung bis zu 100 000 Euro gibt. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Reden wir Klartext, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Steiner: Wo ist der ganze Rest?)  Ja, das bereden wir dann unter vier Augen. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner.) Reden wir Klartext: Es ist Tatsache, dass nach jahrzehntelangen Versäumnissen und Wegschauen versucht wird, die Verantwortung dem Bund zuzu­schieben. Der Herr Bundesminister, dafür möchte ich Danke sagen, hat auch schon klar gesagt, dass es einen Auftrag von ihm gibt, in der Finanzmarktaufsicht und überall dort, wo es notwendig ist, hinzuschauen, zu schauen, wie das in Zukunft verhindert werden kann. Das ist einmal die erste Aufgabe, die es auf dieser Ebene zu erfüllen gibt. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.)

Ja, reden wir Klartext, meine sehr geehrten Kollegen aus dem Burgenland! Vor 25 Jah­ren übernahm das Burgenland die Revision der Kreditgenossenschaft, ermöglichte da­mit die Gründung dieser Bank. Reden wir Klartext – es gibt ein Rechtsgutachten, das vom renommierten Universitätsprofessor Dr. Raschauer vorgelegt wurde, in dem er fest­stellt, dass der burgenländischen Landesregierung alle Rechte und Pflichten eines Revi­sionsverbandes zukommen. Hätte man das getan, dann hätte man die Malversationen der Bank vielleicht früher klar und deutlich erkannt, wie auch Kollege Dim ausgeführt hat. Reden wir Klartext – die Revision und die Verantwortung dafür lag ausschließlich in SPÖ-Händen. Daher ist es ein untaugliches Mittel, aus dem Burgenland reinzufahren und diese Verantwortung einfach in Wien abzugeben. Das kann es nicht sein, das ist nicht in Ordnung, das ist auch nicht anständig, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sie haben, und das möchte ich schon auch noch mitgeben, in der Begründung der Dring­lichen Anfrage geschrieben, dass der Commerzialbank-Skandal, ein Riesenproblem, die drittgrößte Pleite in der Geschichte der Zweiten Republik ist. Bei den Redebeiträgen haben Sie es dann auf Bankpleite ausgebessert. Dazu muss ich sagen, es gab schon eine Bankpleite, die größer war, das war die Bawag, es gab noch eine Pleite, die größer war, das war der Konsum. Das sind ja scheinbar doch alles SPÖ-Pleiten, die da passiert sind. Die Aufzählung dieser SPÖ-Pleiten, die ich jetzt gemacht habe, erhebt bei Weitem nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. (Bundesrat Novak: Hypo!)

Reden wir Klartext, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Von Schuld und Versagen auf SPÖ-Seite abzulenken, wird Ihnen nicht gelingen. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Der Herr Bundesminister hat gesagt, dass es entsprechende Unterstützung geben wird, dass entsprechende Arbeiten zur Aufklärung mitgetragen


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 131

werden, aber auch Schlüsse für die Zukunft gezogen werden. Die Volkspartei Burgen­land hat das auch angeboten. Mein Kollege hat das hier deutlich gesagt, die Volkspartei wird unterstützen, das vollumfänglich auf Landes- und auch auf Bundesebene Aufklä­rungsarbeit geleistet wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.00


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Michael Schilcheg­ger. Ich erteile dieses. – Bitte.


17.00.18

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Ein komplexes Thema: Wo fängt man da am besten an? Ich versuche es einmal historisch. Es hat schon immer, natürlich auch vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, eine Bankenaufsicht gegeben. Das ist dann immer komplizierter und komplizierter geworden, das hat ver­schiedene historische Gründe. Ich möchte Sie gar nicht langweilen, ich komme dann gleich zum Punkt, ich sage nur, in der Fachliteratur ist das Problem schon immer aufge­taucht. Mein geschätzter ehemaliger Chef, Univ.-Prof. Nicolas Raschauer, hat Ende 2009 eine 1000 Seiten starke Habilitationsschrift – und das hat einen Grund, warum die so dick ist – mit dem Titel „Aktuelle Strukturprobleme des europäischen und österreichischen Bankenaufsichtsrechts“ geschrieben.

Man muss sich ja nur einmal anschauen, wer überhaupt mit solch einer Kontrolltätigkeit einer Bank beschäftigt ist. Jetzt haben wir schon einmal das Vieraugenprinzip des BWG, wonach man ja als Bankvorstand alleine gar nichts machen kann, dann hat man den Aufsichtsrat darüber, man hat den Revisionsverband, den Wirtschaftsprüfer, der natür­lich die Bilanzen prüft, man hat dann auf Behördenebene die FMA, man hat die OeNB, man hat natürlich die Staatsanwaltschaften für Strafdelikte, Korruptionsdelikte und na­türlich dann auch noch die übergeordnete europäische Bankenaufsichtsstruktur.

So, jetzt kann man sich vorstellen, alle diese Behörden tun ja auch etwas, die beaufsich­tigen ja nicht nur, die erlassen ja auch Regeln, Richtlinien, Vorschriften, die dann neben dem Gesetz hinzukommen. Das führt dazu, dass diese Fit-and-proper-Prüfung, wie sie Thomas Dim, mein Kollege im Bundesrat, als Aufsichtsrat in seinem Bereich unterlaufen musste, natürlich auch entsprechend ein Qualitätssiegel ist.

Ich habe bei meiner Aufzählung von zuständigen Aufsichtsbehörden eine vergessen, nämlich das Finanzministerium. Ich muss schon sagen, liebe Kollegen von der SPÖ, seit 1 Stunde diskutieren wir eure dringliche Anfrage an den Herrn Bundesminister (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach), und wir von den Freiheitlichen müssen das jetzt retten und müssen zeigen, dass die Anfrage völlig zu Recht gestellt wurde. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätinnen Grimling und Schumann.)

Herr Bundesminister, so einfach können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Wenn ich mir anschaue, was Sie auf ganz, ganz berechtigte Fragen der SPÖ geant­wortet haben, zum Beispiel auf die Frage hinsichtlich der Malversationen: Im Jahr 2015 hat es ja schon einen Whistleblower gegeben, bleiben wir vielleicht dabei. Fangen wir so an: Ein Whistleblower aus der Bank heraus also einer, der sozusagen Einblick in diese Struktur hat – hat der WKStA, der Staatsanwaltschaft sozusagen einen Hinweis auf diese Malversationen, auf Bargeldtransaktionen, Schwarzgeldflüsse zum SV Mat­tersburg und so weiter gegeben.

Die WKStA hat dann Folgendes gemacht: Sie hat gesagt: Gut, wir beauftragen die FMA die zuständige Bankenaufsichtsbehörde mit Ermittlungen! Die FMA hat gesagt: Gut, wir haben ja Vor-Ort-Prüfer der Oesterreichischen Nationalbank, die werden gebeten, diesen Malversationen nachzugehen! Warum ist die OeNB nicht fündig geworden? Ganz einfach, sie hat gesagt, mit den erlaubten gesetzlichen Befugnissen konnte sie das


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 132

im Rahmen einer Vor-Ort-Prüfung gar nicht finden. Sie ist damals mit dem Hinweis ver­tröstet worden: Na ja, zwei Banker aus dieser Bank haben gerade Unterlagen daheim!

Gut, die OeNB ist ja keine Strafermittlungsbehörde, sie kann ja da nicht einfach eine Hausdurchsuchung machen, das ist der OeNB nicht erlaubt. Der WKStA wäre es erlaubt, aber im Bericht der FMA an die WKStA ist gestanden, diese Vorwürfe konnten nicht erhärtet werden, damit gibt es keinen Anfangsverdacht, die Ermittlungen werden einge­stellt.

So haben sich diese verschiedenen Institutionen dann in ihrer Prüfbefugnis einfach auf­einander ausgeredet, ob zu Recht oder zu Unrecht, das werden dann natürlich die Ge­richte zu beurteilen haben. Es gibt ja schon erste Prüfungen, Vorwürfe des Amtsmiss­brauchs wurden erhoben, nicht gegen Sie, Herr Bundesminister, das ist mir schon klar – in diesem Fall nicht –, es wurden da natürlich auch Mitarbeiter der FMA unter Verdacht gestellt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Aber jetzt kommen wir zum Punkt: Ich habe das unabhängig von Ihrer Anfrage schon vor Wochen in österreichischen Medien gelesen und habe mir gedacht, na ja, das ist wieder typisch Österreich, typisch ÖVP-geprägtes Österreich, sage ich einmal, denn die­se Strukturen, diese Doppelgleisigkeiten kommen ja nicht von ungefähr, das war der Gesetzgeber, meistens mit Ihrer ÖVP-Mehrheit. Mit den Vorlagen aus dem Finanzminis­terium ist ja diese komplizierte rechtliche Struktur erst geschaffen worden. Da kann man sich dann nicht als Minister hinstellen und sagen: Das ist ja eine weisungsfreie Behörde, mit der habe ich nichts zu tun!

Worum geht es denn überhaupt? Weisungsfreiheit, Herr Minister, heißt ja nicht, dass Sie keine Verantwortung mehr dafür haben. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.) Weisungsfreiheit heißt ganz klar, Sie können nicht zu einem bestehenden Prüffall der FMA eine konkrete Weisung erteilen. In ihrer Prüfung ist die FMA unabhängig, aber wenn Ihnen so ein Krimi­nalfall bekannt wird und solche Medienberichte bekannt werden, dann haben Sie sofort von Ihren Befugnissen nach § 16 FMABG Gebrauch zu machen. Da hat die SPÖ na­türlich schon einen Punkt, wenn sie dann fragt: Was ist jetzt mit § 16 FMABG? – Das war Frage 24, da sind Sie ganz klar gefragt worden: Was haben Sie in Bezug auf diese Aufsichtsbefugnisse denn getan? – Da haben Sie aus meiner Sicht wirklich ganz frech geantwortet: „Das Finanzministerium erfüllt grundsätzlich alle seine Aufsichtspflichten.“ – Das ist eine völlig unzureichende Beantwortung dieser berechtigten Anfrage der SPÖ.

Somit komme ich zum Schluss: Reden Sie sich bitte nicht auf irgendwelche Kommis­sionen aus, Herr Minister, Sie haben die Führungsverantwortung. Die Kommissionen machen auch nur das, was Sie ihnen auftragen, Sie sind das oberste Organ in diesem Bereich. Sie müssen das Tempo vorgeben, Sie müssen da die Berichte einfordern und Sie müssen sich dann vor allem auch mit den Legisten Ihres Hauses zusammensetzen, um gesetzliche Verbesserungen auf den Weg zu bringen, um diese Doppelgleisigkeiten zu vermeiden, zu vermeiden, dass sich die Behörden und zuständigen Gremien – auch von OeNB, FMA und so weiter – und auch die Staatsanwaltschaften nicht mehr gegen­seitig aufeinander ausreden können, nicht sozusagen konkurrierende Zuständigkeiten haben, sondern dass die Amtshilfe richtig gelebt wird. Sie haben dann diese legistischen Verbesserungen auch auf den Weg zu bringen und Mehrheiten dafür zu finden. (Beifall bei FPÖ und SPÖ.)

17.06


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Andreas Arthur Span­ring. – Bitte.


17.07.16

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen!


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 133

Wir haben sonst immer kritisiert, wenn Minister hier sitzen und mit dem Handy spielen. Man kann das irgendwie erklären, denn jeder hat sein Handy mit und man kann natürlich einmal kurzfristig drauf schauen, wenn eine Nachricht kommt; das kann jedem passie­ren, das passiert uns auch. Sich aber als Minister provokativ hierher in den Bundesrat zu setzen, heute schon das zweite Mal, und dann eine Zeitung zu lesen – jetzt haben Sie sie gerade weggelegt, heute ist es eine Zeitschrift, beim letzten Mal war es eine Zeitung –, das zeigt halt ganz demonstrativ, was man vom Bundesrat hält. Danke für diese Respektlosigkeit. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

Abraham Lincoln sagte einmal: „Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täu­schen, und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“ – Meine Damen und Herren der ÖVP, Sie täuschen das Volk nun schon seit geraumer Zeit und nun kommt Ihr Handeln langsam, Stück für Stück, ans Licht. Auf die vorhergehende Rede von Kollegen Kornhäusl replizierend, sage ich es Ihnen jetzt noch einmal, ich schreie es nur nicht raus, Sie können die Maske ruhig unten lassen, das ist mir egal: Herr Kollege Kornhäusl, Hochmut kommt vor dem Fall! (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Steiner: Jawohl!)

Im Grunde genommen unterscheidet sich die heutige Argumentation der ÖVP nicht von Argumentationen bei sonstigen Vorwürfen: Die SPÖ ist schuld, alle anderen sind schuld, die ÖVP kann nichts dafür! Das einzige, das heute noch gefehlt hat, war: Der Kickl ist schuld! Darauf habe ich noch gewartet. (Beifall bei der FPÖ. Heiterkeit des Bundesra­tes Steiner.)

Eine Zeit lang, meine Damen und Herren, geht das natürlich auch gut und aufgrund der mit Steuermillionen gut angefütterten Medien vielleicht sogar noch etwas länger. Auf lan­ge Sicht können Sie aber den schwarzen Peter nicht immer jemand anderem zuschie­ben, noch dazu, wenn man tatsächlich so viel Dreck am Stecken hat, wie genau eben die ÖVP. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Buchmann.)

Wir brauchen ja nur zu schauen, meine Damen und Herren, in welche Skandale die ÖVP in der Vergangenheit verwickelt war. Ich sage nur, weil es noch nicht angesprochen wurde: Notverstaatlichung ohne Not der Hypo Alpe-Adria – Notverstaatlichung ohne Not durch den damaligen ÖVP-Finanzminister Josef Pröll, der damit vielen Banken auf Steu­erzahlerkosten Milliardenverluste abgenommen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Unter anderem hat die ÖVP damals – und da schließt sich wieder der Kreis – auch Mil­liardenverluste der Raiffeisen Bank International, welche die Banken schlucken hätten müssen, einfach auf die Steuerzahler abgewälzt. Lesen Sie den Griss-Bericht! Es wird ja niemand behaupten wollen, dass Irmgard Griss der FPÖ nahesteht. Im Griss-Bericht steht auch dezidiert drin: Es gab keinen ausreichenden Grund für eine Verstaatlichung. – Ja, es hat schon einen Grund gegeben, einen Grund für die ÖVP (Heiterkeit des Bundes­rates Ofner): Die wird ja immer und überall von der Raiffeisen gesponsert. Normaler­weise müsste hier drin jeder Bundesrat der ÖVP ein Giebelkreuz am Revers tragen, damit man weiß, wer sie sponsert. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner. – Beifall bei der FPÖ.)

Wir können uns alle daran erinnern, meine Damen und Herren, wie das dann 2011 wei­tergegangen ist: Herr Josef Pröll hat aus gesundheitlichen Gründen aufhören müssen; er ist zurückgetreten, um nur kurze Zeit später ganz sanft als Chef bei einer Raiffeisen-Tochter aufgefangen zu werden. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Chef bei der Raiffeisen-Toch­ter: So ein Glück aber auch, das Herr Pröll da wieder gehabt hat; wieder einer dieser ÖVP-Zufälle. Oder doch eher ein schwarzes Netzwerk? Oder besser gesagt: Freunderl­wirtschaft!?

Wie kommt man nun zur Commerzialbank im Burgenland, in Mattersburg? – Das beginnt damit, dass der dortige Chef auch ursprünglich aus der Raiffeisen Bank kommt. Was


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sich in dieser Commerzialbank nach derzeitigem Wissensstand abgespielt hat, das ist völlig unfassbar. Ja, meine Damen und Herren von der SPÖ, ich verstehe, wenn Sie die Schuld etwas gleichmäßiger verteilen wollen. Nur eines muss ich Ihnen auch sagen: Ungeschoren kommen Sie bei dieser Geschichte sicher nicht davon, das muss Ihnen schon auch klar sein.

Man wollte in den Neunzigerjahren unbedingt eine Bank im SPÖ-Umfeld schaffen, und das hat man auch gemacht. Die politische Verantwortung hat sehr wohl die SPÖ zu tragen, denn bei der SPÖ gab es ja dann auch genügend Profiteure: die Stadtgemeinde Mattersburg unter Bürgermeisterin Ingrid Salamon, die Gemeinde Draßburg unter dem damaligen Bürgermeister Christian Illedits, der dann später als Landesrat zurückgetreten ist, und – der Name ist hier im Bundesrat vielleicht etwas bekannter – die Gemeinde Hirm unter Bürgermeisterin Inge Posch-Gruska, ehemalige SPÖ-Bundesratspräsidentin. In diesen drei Gemeinden gab es Profiteure der Commerzialbank Mattersburg, angefan­gen von unüblichen Finanzierungen, Posten und natürlich diversen Sponsorings (Zwi­schenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), bis hin zu Geschenken in Form von Gold- und Silberbarren. (Beifall bei der FPÖ.) Andererseits gab es auch große Verluste – und auch da ist das System immer wieder gleich: Einige wenige haben kassiert und viele tragen nun den Schaden und die Verluste.

Ja, es stimmt, es haben sämtliche Aufsichtsinstanzen versagt – unser Bundesrat Dim hat ja sehr eindrucksvoll (Bundesrätin Gerdenitsch: Das ist alles nicht ...!) und auch sehr ausführlich erklärt, wie eine korrekte Aufsicht eigentlich abzulaufen hätte. Genau darum ist es ja noch viel unglaublicher, dass solch ein Betrug mehr als zwei Jahrzehnte lang hat funktionieren können. Meine Damen und Herren, da haben einige schon ganz bewusst ignoriert (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch) oder bewusst wegge­schaut, oder sie wollten halt manches ganz bewusst nicht sehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Bereits 2015 und auch 2017 hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde, die FMA, bei soge­nannten Vorortprüfungen Unregelmäßigkeiten festgestellt. Es hat dann Folgeprüfungen gegeben, und die liefen so ab, dass man gesagt hat: Na, das ist jetzt alles ausgeräumt, da hat es gar keine Unregelmäßigkeiten gegeben! – Und das, obwohl es damals sogar einen Whistleblower gegeben hat, den man offenbar nicht ernst genug genommen hat. In einem Protokoll ist zu lesen: Im Rahmen der Ermittlungen gab P. an, dass er und seine Vorstandskollegin K. schon 1992, also bereits vor der Abspaltung der Bank vom Raiffeisen-Sektor, begonnen hatten, mittels gefälschter Saldenbestätigungen die Bilanz zu beschönigen. Dies sei dann aus dem Ruder gelaufen und ab einem gewissen Punkt nicht mehr rückgängig zu machen gewesen. Faktisch sei die Bank seit dem Jahr 2000 pleite gewesen. – Zitatende.

Und keiner hat es bemerkt – wir haben jetzt 2021, 2020 ist es aufgetaucht. 20 Jahre lang hat es keiner gemerkt: kein Aufsichtsrat, kein Wirtschaftsprüfer, auch nicht die FMA, die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde, die ja dem Finanzministerium unterstellt ist. Wäre ich polemisch, dann würde ich jetzt sagen: Vielleicht hat da auch Herr Blümel persönlich geprüft, denn ihm fällt ja auch nicht auf, wenn irgendwo sechs Nullen fehlen. (Heiterkeit des Bundesrates Steiner. – Beifall bei der FPÖ.)

Apropos Minister Blümel: Landeshauptmann Doskozil hat sich im Untersuchungsaus­schuss auch nicht mit Ruhm bekleckert. Doskozil hatte ebenfalls große Erinnerungslü­cken und er wollte – obwohl es vorher versprochen war – seine Telefonprotokolle dann auf einmal nicht offenlegen. Wie gesagt, da ist so viel passiert, was Spekulationen zu- und Fragen offenlässt.

Als Niederösterreicher – Herr Bader hat das angesprochen – kann ich auch noch eines sagen: Man braucht ja gar nicht unbedingt eine Bank, um Milliarden zu versenken, das schafft auch ein gewisser Herr Sobotka. Der hat das geschafft, indem er mit Wohnbau­darlehen spekuliert hat – oder besser gesagt: sich verspekuliert hat. Wir reden da auch


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von mehr als 2 Milliarden Euro. Welche Konsequenzen hat das für ihn gehabt? – Zuerst wurde er Innenminister und heute ist er Nationalratspräsident.

Passend dazu, meine Damen und Herren, abschließend ein Zitat von Bertolt Brecht: „Der Bankraub ist eine Initiative von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.“ – Diesen Ausspruch möchte ich ein bisschen an die heutige Zeit anpassen: Der Bankraub ist eine Initiative von Dilettanten! (Heiterkeit des Bundesrates Bernard.) Wahre Profis gründen eine Bank oder gehen zur ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

17.17


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wie bereits angekündigt: Ein weiteres Mal zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile dieses. – Bitte.


17.17.50

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf noch ganz kurz ein paar Bemerkungen zu meinen Vorrednern machen: Herr Bader schafft es immer wieder, bei jeder Sitzung – er hat schon diese Trademark drauf –, dass er Leute anpatzt oder sehr schlechtmacht. (Bundesrat Bader: Hallo?!) – Sie wissen jetzt noch nicht, was Sie gemacht haben, gell? Das wissen Sie noch nicht? – Okay: Sie haben vorhin die Sparer quasi beschuldigt, dass sie naiv sind und nicht überrissen haben, dass sie bei einer Bank einen zu hohen Zins­satz bekommen. (Bundesrätin Zwazl: Na, na ...!) Die Sparer sind schuld, dass sie so naiv waren und das Geld angelegt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ja Wahnsinn! Das ist unglaublich! Wie kann man das machen, dass man jetzt praktisch die Kundschaft, die sich auf die Bank verlassen hat, indem sie hingegangen ist und eben das Geld angelegt hat, schuldig werden lässt? Herr Bader, ist das in Ord­nung? – Natürlich nicht! (Bundesrat Steiner: Peinlich, Bader! – Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.)

Ich darf Dr. Schilchegger erwähnen: Das war wirklich hervorragend gemacht. Sie haben das wirklich gut gesagt und auch gut rübergebracht, dass der Herr Minister eine große Verantwortung trägt. Herrn Spanring muss ich zugutehalten: Der hat halt, was das Bur­genland betrifft, nicht den Einblick. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Hätte er ihn, hätte er so nicht reden können. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.) Ich möchte mich aber nicht mit Kleingeld verzetteln, das habe ich schon beim Eingang in diese Debatte gesagt. Statt Hickhack wollen die Leute, die Geschädigten, ein Ergebnis haben. Wir pochen auf ein Ergebnis. Dieses Ergebnis soll aber nicht irgendwann kommen, in­dem uns das Jahre beschäftigen wird. Nein! Wir wollen ein Ergebnis, dass die Geschä­digten entschädigt werden, das ist unser Anspruch als Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPÖ.)

Das war auch heute gut zu sehen: Welche Partei steht denn nun hinter den Geschädig­ten? Machen Sie sich selbst ein Bild! Ich glaube, dass die SPÖ, wir Sozialdemokraten, hinter den Geschädigten stehen. Ich darf festhalten, dass auch Teile der FPÖ hinter den Geschädigten stehen. (Bundesrat Steiner: Alle!) Anders sieht es bei der ÖVP aus, und vor allem bei den Grünen, die ja schon immer mehr der Anwalt der ÖVP werden und die ÖVP besser verteidigen als die ÖVP sich selbst (Zwischenrufe bei der ÖVP) – das ver­stehe ich ja überhaupt nicht mehr. Das liegt nicht nur an Ihnen, Herr Bader, aber es ist halt so, dass Frau Mag. Kittl heute wirklich wieder einmal gezeigt hat, dass man der Anwalt der ÖVP ist.

Ich möchte noch einmal ein paar Punkte festhalten: Wir haben es heute mit einem sehr, sehr ernsten Thema zu tun, nämlich mit der drittgrößten Bankenpleite in der Höhe von 870 Millionen Euro. Wir sehen einen immens großen wirtschaftlichen Schaden in der Region, in der Dimension von 35 000 bis 37 000 Einwohnern im Bezirk. Wir haben es vorhin gehört, es gibt circa 13 000 bis 14 000 betroffene Unternehmer und Sparer.


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Wir sehen grundsätzlich – das möchte ich als Sozialdemokat auch festhalten – eine ver­nünftig aufgestellte Bankenaufsicht. Die hat aber in diesem Fall, und das ist nachweis­bar, völlig versagt. Das sagen nicht nur die meisten Juristen und die meisten Experten. Wir haben Dr. Herbert Motter, einen gerichtlich beeideten Sachverständigen, bei uns im Burgenland gehabt, der gesagt hat: Das Land Burgenland hat keine Schuld, sondern Schuld tragen eindeutig die OeNB, die FMA und eben der Bund! (Bundesrat Bader: Richtig ....!)  Das gehört angesprochen, so deutlich muss man das auch sagen.

Wie gesagt: Wir sehen die Verantwortung beim Finanzminister. Die Antworten waren heute – wie üblich – kurz und bündig, ich kann Ihnen aber versprechen (Zwischenrufe der Bundesräte Schennach und Bader), als Bundesrat des Burgenlandes werde ich mich für unsere Leute und für unsere Geschädigten im Burgenland einsetzen. Wir wer­den Sie noch einmal hierher holen und uns anhören, was die von Ihnen einberufene Arbeitsgruppe bis zum nächsten Mal erledigt hat. – Herzlichen Dank für die Aufmerksam­keit. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.22


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Frau Bundesrätin Zasl hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses. (Ruf bei der FPÖ: Zwazl!) – Zwazl. – Entschuldigung, Frau Präsi­dentin! Ich erteile dieses. (Bundesrat Spanring: Ich weiß auch noch nicht, wie alle in meiner Fraktion heißen! – Bundesrätin Zwazl – auf dem Weg zum Rednerpult –: Bei meinem Namen ist das erlaubt! – Bundesrat Schennach: Immer diese neuen Gesich­ter! – Allgemeine Heiterkeit.) – Herr Kollege, das kann ich jetzt als Angriff betrachten! (Bundesrat Schennach: Nein, nein, nein, nein!) Bei meinem Alter ist das mit dem neuen Gesicht eigentlich eine Verunglimpfung, das muss ich schon sagen! (Ruf: Oh!)


17.22.48

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich war sehr überrascht, und ich bin Herrn Kollegen Dim wirklich sehr dankbar, dass er das so auf den Punkt gebracht hat. Nach der letzten Rede stellt sich nun schon die Frage: Wer hat eigentlich diese kriminelle Energie gehabt? Der Herr Minister, die FMA (Zwischenruf des Bundesrates Novak) oder die Leute, die dort die Entscheidungen fällen? Ich bin auch in der Aufsicht – und ich meine, es heißt schon: Entweder handelt es sich um kriminelle Energie oder um Unwissenheit. (Bundes­rat Steiner: Ja, meistens bei der ÖVP ist die kriminelle Energie!) Das schützt nicht! Ich denke – Kollege Dim hat das aufgezeigt (Zwischenruf des Bundesrates Bader) –, wir sind alle verpflichtet, unsere Ausbildungen zu machen; wir alle haben fit und proper zu sein. Wenn ich diese Verantwortung übernehme und mich mit dem Titel Aufsichtsrat oder Aufsichtsratsvorsitzende schmücke, dann muss ich auch eine Ahnung von dem Ge­schäft haben und mir das anschauen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrä­tin Gerdenitsch.) – Nein, nein, nein, nein!

Eines muss ich schon sagen: Wenn ich eine falsche Buchhaltung lege, wenn ich mit Vorsatz und mit Absicht betrüge, dann kann ich nicht den anderen den Vorwurf machen; und man kommt, wie man sieht, immer wieder drauf! Leider ist es so, dass es diesem Fall sehr viele Geschädigte gibt – das tut uns auch leid (Zwischenruf bei der ÖVP), aber man kann ganz einfach Menschen, die so kriminell und verantwortungslos handeln, auch mit Gesetzen und Verordnungen oft nicht in die Pflicht nehmen. Ich muss schon sagen – ich habe das alles mitgemacht, Basel III, Basel IV in der Pipeline –: Es gibt genug Ge­setze und Verordnungen, aber wenn Menschen sich nicht daran halten – und das wissen Sie, Herr Kollege Dim –, kann man gar nichts machen! Diese sollte man zur Verantwor­tung ziehen (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn), und man sollte sich auch nicht verha­bern lassen, sodass man gewisse Dinge nicht hinterfragt und aufdeckt. (Beifall bei der ÖVP.)


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Daran, dass angesprochen wurde, dass Raiffeisen eine Klage eingebracht hat, sieht man schon, dass ihr nicht wisst, dass man das ganz einfach zu machen hat. Das ist ganz einfach so (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch), dass man es als geschädigte Geschäftsleitung zumindest versucht und eine Klage einreicht – auch wenn man weiß, dass dabei nichts hereinkommt. Ob die Klage Erfolg hat, weiß man nicht, aber man ist von den kaufmännischen Richtlinien her verpflichtet, das zu tun. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn sich alle an die Verordnungen halten, wieso sind dann unsere Gefängnisse voll? – Ich glaube, wir haben Gesetze und Verordnungen genug, aber es gibt verantwor­tungslose Menschen, die ganz einfach nicht mehr aufhören, wenn sie ins Strudeln kom­men, und dann gibt es andere, die sie schützen und mitmachen und genauso drinhän­gen. (Zwischenruf der Bundesrätin Gerdenitsch.) Nun sind wir da, um diesen Schaden zu minimieren.

Weil Sie von den kleinen Anlegern gesprochen haben: Ich bin sehr froh, dass es die Haftung von 100 000 Euro gibt, weil viele der Kleinen, die ihr vertretet, keine Millionen auf der Bank haben. Mir tun auch unsere Betriebe leid, die da verlieren. (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Gerdenitsch und Grimling.) Ich denke ganz einfach: Lassen wir die Kirche im Dorf! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Wenn ich Auf­sichtsrat bin (Zwischenrufe bei der SPÖ), dann habe ich ganz einfach das Wissen zu haben und die Verantwortung zu übernehmen. Geht in die Bank im Burgenland und schaut euch an, wer dort die Entscheidungsträger sind (Zwischenrufe bei der SPÖ), die dieses Desaster verursacht haben! Das sind diejenigen, die vor den Vorhang zu holen sind! (Beifall bei der ÖVP.)

Derzeit ist es so: Wenn jemand derart geschickt manipuliert und da ganz falsche Daten liefert, dann braucht man Zeit, um das nachzuprüfen. (Bundesrat Ofner: Zwanziger ...!) Das geschieht jetzt. Wartet daher bitte ab!

Noch einmal: Es tut uns allen leid, dass so etwas vorkommt, weil es das Vertrauen in die Banken nicht stärkt. Das tut mir besonders weh, aber ich denke, wir sollten schauen, welche Möglichkeiten wir haben, um bei der Personenauswahl andere Maßstäbe anzule­gen, damit solche Sachen nicht vorkommen. Das heißt, wie es auch derzeit schon ist: laufende Ausbildung, immer wieder hinterfragen und prüfen! Dann wird es solche Dinge nicht geben. Lassen wir aber nicht die Leute hängen, die momentan den Schaden zu tragen haben! Man muss schauen, dass man das wieder in Ordnung bringt! Schaut euch also an, wer das verursacht hat! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wäre ganz einfach wichtig, dass das geschieht. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

17.27


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist somit geschlos­sen.

Ich darf heute zum zweiten Mal Elisabeth Köstinger im Bundesrat begrüßen! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

17.28.04Dringliche Anfrage

der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus betreffend „Frau Bundesministerin Köstinger, warum lassen Sie den Tourismus sterben?“ (3860/J-BR/2021)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die Dring­liche Anfrage der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen an die Frau Bun­desministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.


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Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Josef Ofner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


17.28.32

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Werte Kollegen! Geschätzte Zuseher vor den Bildschirmen! Mit der heutigen Dringlichen Anfra­ge und der Fragestellung an Sie, Frau Minister, warum Sie den Tourismus sterben las­sen, sind drei Intentionen verbunden, die für die österreichische Bevölkerung und für Zigtausende in der Tourismusbranche tätige Unternehmer, deren Familien und Mitarbei­ter von größter Relevanz sind.

Erstens wollen wir genau diesen Unternehmern und deren Mitarbeitern eine Stimme ver­leihen, denn sie sind es, die von dieser Bundesregierung seit Monaten total im Ungewis­sen gelassen werden und denen sie kein Gehör schenkt. Sie sind es, deren Existenz aufgrund der ständigen Hinhaltetaktik und der Täuschungsmanöver dieser Bundesregie­rung massiv gefährdet ist.

Zweitens erwarten wir von Ihnen heute klare Ansagen und Perspektiven mit konkreten Öffnungsdaten, damit endlich Planbarkeit und Planungssicherheit für den Tourismus ein­treten.

Drittens – diesen Punkt haben Sie zumindest mit Ihrer heutigen Anwesenheit abgehan­delt und bestätigt –: Wir waren uns nicht mehr ganz sicher, ob Sie überhaupt noch die für den Tourismus zuständige Ministerin sind und ob es Sie überhaupt noch gibt. Das haben Sie aber, wie gesagt, mit Ihrer Anwesenheit nun bestätigt, diesen Punkt hätten wir also abgehandelt. (Beifall bei der FPÖ.)

In den letzten Wochen und Monaten waren Sie schließlich geradezu abgetaucht, anstatt sich auf die Seite der Tourismusbetriebe zu stellen, für diese einzutreten und sich für rasche und vollständige Öffnungen einzusetzen. Da hat man am 1. März wieder einmal eine Pressekonferenz des unsäglichen Regierungscoronaquartetts ohne die zuständige Ministerin gesehen: ein Quartett oder oft ein Quintett, das in all seinen Metamorphosen der österreichischen Bevölkerung mehr Krankheit im finanziellen, im wirtschaftlichen und – nunmehr ist es auch erwiesen – im sozialen und gesundheitlichen Umfeld bringt als die Krankheit selbst. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Daher ist unsere Anfrage mehr als berechtigt, denn wenn man seitens der Bundesregie­rung, aber auch seitens der Wirtschaftskammer – und somit dieser ÖVP – als angebliche Interessenvertretung den Betroffenen ständig vorgaukelt, man würde sich für die Touris­musbranche einsetzen, so hat das mit der Realität aber schon ganz und gar nichts zu tun.

Führen wir uns einmal die Realität vor Augen und vergessen wir dabei nicht, dass rund 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Österreich direkt oder indirekt der Tourismus- und Freizeitwirtschaft zuzurechnen sind und in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft rund 15 Prozent unseres BIPs erwirtschaftet werden. Bei all diesen Menschen werden durch die Bundesregierung und diese ÖVP mit einem unvergleichlichen politischen Spiel seit Monaten Hoffnungen geschürt, welche dann unerfüllt bleiben, weil Versprechungen schlichtweg nicht eingehalten werden. Damit sind diese Betriebe und Unternehmen wei­terhin in ihrer Existenz bedroht, und mit den Menschen wird einfach nur gespielt.

Leider haben auch Sie, Frau Bundesminister, zu diesem Schauspiel und zu dieser An­kündigungspolitik beigetragen, denn noch Anfang Dezember vergangenen Jahres ha­ben Sie gesagt, dass Sie fix davon ausgehen, dass der 7. Jänner für das Aufsperren der Hotellerie- und Gastronomiebetriebe hält, um dies zwei Wochen später zu relativieren.


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Auch Wirtschaftskammerpräsident Mahrer hat noch Ende Feber gemeint: „Was nicht geht, ist keine Perspektive.“ Wenige Tage später hat er die Ankündigung, die Gastgärten zu öffnen, begrüßt, obwohl er vorher eigentlich gegen diesen Schritt war, aber begrüßt hat er somit auch das Fehlen der Perspektive, die er zuvor noch selbst gefordert hat – aber das ist eben Interessenvertretung à la ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Gerade die Gastronomiebetriebe sind, was die Interessenvertretung anlangt, im wahrs­ten Sinne des Wortes ein schwarz gebranntes Kind: Zuerst hat man sie bei der Nicht­raucherschutzverordnung dazu genötigt, maßgebliche Investitionen zu tätigen und ge­trennte Räumlichkeiten einzurichten, dann hat man ihnen 2014 die Allergenverordnung aufgezwungen, um ihnen 2016 die Registrierkassenpflicht zu verordnen, und im Jahr 2019 hat man ihnen schließlich ein Rauchverbot in den Lokalen verordnet.

Gerade beim Nichtraucherschutz ist das passiert, was sich im Zuge der Coronamaßnah­men widergespiegelt hat: Die Gastronomie war auch damals von Anfang an bereit, die auferlegten Maßnahmen mitzutragen, und so hat sie nun auch im Zuge von Corona sämtliche Voraussetzungen geschaffen – von der reduzierten Anzahl der Sitzplätze bis hin zu den Zutrittsregelungen mit Anmeldungen oder dem Angeben der Personalien für ein Contacttracing, das in Folge lediglich die Bezirkshauptmannschaften und die Magis­trate lahmgelegt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Was ist allerdings wieder passiert? – Man hat genau diese Gastronomie als Erstes ge­schlossen, und das trotz niedriger Infektionszahlen, die damals bei rund 2 Prozent gele­gen sind; und bis heute haben die Unternehmen keine Perspektive, wann sich dieser existenzbedrohende Zustand zum Besseren verändern wird.

Was hat die Interessenvertretung, die Wirtschaftskammer, gemacht? – Nichts. Was ha­ben Sie als Ministerin gemacht? – Nichts. Daher ist es nur verständlich, dass die Gastro­nomen die Lage im Gegensatz zu dieser Bundesregierung natürlich besser und vor allem betriebswirtschaftlich realistisch einzuschätzen wissen und sich bewusst sind, dass diese Gastgartenlösung ab dem 27. März für viele der endgültige finanzielle und wirt­schaftliche Genickbruch sein wird, weil sie mehr kostet, als sie bringt. (Beifall bei der FPÖ.)

Da helfen auch die heute großspurig angekündigten Förderprogramme und die Abgel­tung des Trinkgeldausfalls nichts, denn dann kommen Sie wieder gemeinsam mit dem Herrn Gesundheitsminister – und dann muss natürlich jeder auch für den morgendlichen Kaffee oder das Feierabendbier im Gastgarten einen Test vorlegen. Der Schutz der Ge­sundheitsdaten ist dabei natürlich wieder völlig irrelevant. Und dem Herrn Coronaminis­ter könnte dann auch noch einfallen, dass es sich vielleicht bei diesem abendlichen Bier um eine Veranstaltung nach dem Veranstaltungsgesetz handelt, weil da vielleicht vier Personen zusammenkommen. Der Wirt als Veranstalter und die Gäste als Veranstal­tungsteilnehmer könnten sich dann eventuell auch noch strafbar machen.

Frau Ministerin, das sind Ansätze und Vorgaben für die Gastronomie, die eine Arbeits­platz- und Unternehmensvernichtung und ein Wahnsinn sind! (Beifall bei der FPÖ.)

Nicht anders ergeht es der Hotellerie: Auch in der Hotellerie hat man sämtliche Präven­tionskonzepte umgesetzt und die Infektionszahlen haben auch da überhaupt keinen Anlass für eine vollständige Schließung gegeben. Auch in diesem Bereich hat man aller­dings den Unternehmen den wirtschaftlichen Boden unter den Füßen weggezogen und bis heute warten sie ebenso auf die notwendige Planungssicherheit, vor allem aber auf die Öffnung. Sie werden ebenso im Stich gelassen wie die über 72 000 Mitarbeiter, die aufgrund Ihrer überzogenen Maßnahmen arbeitslos sind, oder die 130 000 Beschäftig­ten in Kurzarbeit, die sehenden Auges tagtäglich um ihre Existenz und um ihren Arbeits­platz bangen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Die einzige der getroffenen Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang wirklich greift, das sind die Anrufe des AMS, so wie in Tirol, wo man Gastroarbeitslosen zu Umschu­lungen rät, da ihr Beruf ohnehin keine Zukunft hätte. – Das ist wirklich eine hervorragend nachhaltige Schädigung einer Branche, die sowieso schon unter einem immensen Fach­kräftemangel leidet.

Bei solchen Voraussetzungen darf es nicht wundern, dass eine Modellrechnung der OeNB im vergangenen Dezember ergeben hat, dass bis 2022 rund 30 Prozent der Gastronomie- und Hotelleriebetriebe pleite sein werden. Diese Befürchtungen werden ebenso vom Wifo sowie von zahlreichen Tourismusexperten bestätigt, weil viele Betriebe eben eine niedrige Eigenkapitalquote haben, jedoch einen hohen Verschuldungsgrad aufweisen. Daher stellen die Rückzahlungen dieser Überbrückungskredite die Unterneh­men vor enorme Herausforderungen.

Übrigens ist das ein Umstand, auf den wir seitens der Freiheitlichen seit Monaten hinwei­sen, und heute Vormittag haben Sie das erste Mal bestätigt, dass dieser Fall gegeben ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Betroffen sind im Zusammenhang mit Gastronomie und Hotellerie aber auch viele an­dere Branchen, die von dieser Bundesregierung diesbezüglich außer Acht gelassen werden, beispielsweise der Handel. Die Sportartikelhändler haben Umsatzeinbußen von bis zu 90 Prozent und volle Warenlager, werden aber in dieser Situation allein gelassen. Heute hat man wieder einmal gesehen, wie die ÖVP dazu steht: Wenn es einen entspre­chenden Entschließungsantrag gibt, so wird dieser abgelehnt.

Ebenso geht es den Handwerksbetrieben: Der Tischler, der Installateur oder auch der kleine Elektriker, genau diese kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat un­serer heimischen Wirtschaft darstellen, haben aufgrund der nicht getätigten Investitionen in der Hotellerie enorme Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Für viele dieser Betriebe ist der verantwortungslose Umgang mit dem Tourismus ebenso ein finanzieller Faustschlag ins Gesicht wie für die zahlreichen Zulieferbetriebe. (Beifall bei der FPÖ.)

Davon, dass diese entgangenen Wirtschaftsleistungen am Ende des Tages von allen Steuerzahlern berappt werden müssen, will ich jetzt gar nicht sprechen, denn die öster­reichische Bevölkerung wird diesbezüglich dem Messias und seinen Jüngern, um es mit den Worten der Frau Kollegin Zeidler-Beck zu sagen, noch auf Jahre hin ein aufrichtiges Danke sagen können. (Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit des Bundesrates Steiner.)

Eine wichtige Branche im Tourismus, die auch seit einem Jahr de facto darniederliegt, sind aber vor allem die Reisebüros und die Busbranche. Die Reisebüros müssen bei den Buchungen Einbußen von bis zu 95 Prozent verzeichnen; eine Situation, die angesichts der getroffenen Maßnahmen aber nicht verwundert, denn wenn man es schafft, für ei­gene Bundesländer Reisewarnungen auszugeben – zufällig wurde jene für Tirol gerade am heutigen Tag aufgehoben –, wenn man es schafft, Bezirke und Gemeinden abzurie­geln, sich aber dann fragt, warum keine Touristen, beispielsweise aus Deutschland und Italien, kommen, dann frage ich mich: Wo ist der Aufschrei von Ihnen als zuständiger Ministerin in den letzten Wochen geblieben? Es ist für ein Tourismusland wie Tirol, aber ebenso für die Gemeinden und die Bezirke, die vom Tourismus leben, ein unfassbarer Imageschaden, der da angerichtet wurde, und eine Vorgehensweise, die ihresgleichen sucht. (Beifall bei der FPÖ.)

Andererseits braucht man sich aber auch nicht zu wundern, denn was sollte man im österreichischen Schließ- und Sperrgebiet auch buchen können? Die Beherbergungsbe­triebe und die Hotels haben geschlossen, die Freizeiteinrichtungen sind geschlossen, die Busreisen finden nicht statt, und der Städtetourismus ist tot. Genau deshalb wäre es mehr als notwendig, so rasch wie möglich die vollständige Öffnung zu erwirken, denn andernfalls ist das Jahr 2021 gelaufen, wenn man bedenkt, dass man beispielsweise bei


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den Busreisen eine Vorlaufzeit von vier bis sechs Monaten benötigt, um Reiseprogram­me zu erstellen, Buchungen vorzunehmen und entsprechende Destinationen anbieten zu können. Wenn Sie diesen Stillstand nicht beenden, werden viele dieser Unternehmen keine Programme mehr zu erstellen brauchen, weil es sie einfach nicht mehr gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Erklären Sie bitte auch Ihrem Coronaministerkollegen, dass das mit halb vollen Bussen – oder nach dem Veranstaltungsgesetz womöglich auch zu viert – für Busunternehmen betriebswirtschaftlich einfach tödlich wäre, falls er wieder eine gute Idee aus der Schub­lade ziehen möchte! (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Es wird aber auch viele Unternehmen im Bereich der Freizeitwirtschaft nicht mehr geben, weil sie einfach nicht noch ein Jahr ohne Gäste überleben können. Gerade darum ist auch die Öffnung für den Tages- und Seminartourismus von besonderer Relevanz. Ich bringe Ihnen da gerne ein Beispiel aus meiner eigenen Gemeinde.

Die Kollegen Schreuder und auch Eder-Gitschthaler sind heute hier – es ist auch ein Denkansatz für die ÖVP und die Grünen, denn sie laden speziell zu Kulturevents ein, sie laden zu Veranstaltungen ein; was könnte man nicht alles besuchen? –, und ich muss ihre Vorstellung, vor allem jene der Grünen, von der Finanzierung von kulturellen Einrich­tungen etwas trüben.

Kultureinrichtungen wie beispielsweise Museen sind auch in finanzieller Hinsicht ergeb­nisorientiert, wenn sie nicht gerade im Eigentum von Staat oder Land sind. So ist es auch bei unserer Gemeinde im Falle von zwei Museen. Und ja, ich würde Sie gerne einladen, dass Sie unsere Museen besuchen, aber ich kann Ihnen noch nicht sagen, ob es aufgrund Ihrer Politik möglich ist, dass ich Sie einlade, weil wir noch nicht wissen, ob wir in der diesjährigen Saison öffnen können. Rund 60 Prozent unserer Besucher sind Gruppenreisende, ob Schüler- oder Vereinsgruppen, und wenn wir dieses Besucherseg­ment nicht akquirieren können, dann ist es uns nicht möglich, Personalkosten, Betriebs­kosten und sonstige Aufwendungen zu decken und somit den Fortbestand zu gewähr­leisten.

Genau dieser Situation sehen sich unzählige Betriebe in der Tourismus- und Freizeitwirt­schaft ausgesetzt, einer Situation, die für Private und Gemeinden im touristischen Be­reich einfach existenzbedrohend ist und die bei Ihnen eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen müsste, aber das scheint Ihnen ebenso nebensächlich zu sein wie die Frage, die sich bei den Betrieben auftut: Wo bleibt unser Geld?

Das fragen sich nämlich mehr als 1 000 Betriebe allein in Kärnten, das fragen sich mehr als 10 000 Betriebe in Salzburg und Tirol, die immer noch auf die Entschädigungen für die Zeit vom 15. bis 30. März des vergangenen Jahres warten. Da zeigt sich auch wieder einmal die Effektivität der Wirtschaftskammer: Das, was man gewollt hat, hat man ge­kriegt, und das waren die Daten, und um mehr ist es ja nicht gegangen. (Beifall bei der FPÖ.)

Derselben Situation sind natürlich Tausende Reisebüros ausgesetzt, die noch immer auf die Auszahlung des Fixkostenzuschusses warten. Ich kann das in einem Fall von einem Busunternehmer sagen. Auch der hat jetzt eine Ablehnung des Fixkostenzuschusses bekommen. Und jetzt kommt die tolle Begründung der Ablehnung: Er hat nämlich genau in jenem Jahr – zufällig hat auch er nicht wissen können, dass durch Corona sein Un­ternehmen einbrechen wird – expandiert und hat zusätzliche Busse angekauft und Li­nien aufgenommen, und dann hat er natürlich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nicht plausibilisieren können, warum er jetzt im Prinzip mehr Busse hat, warum er jetzt mehr Ausgaben hat als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. – Ich meine, da greift man sich ja wirklich aufs Hirn. Das kann ja wohl nicht wahr sein! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Schennach: ... Unternehmen?)


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Frau Minister, da wären Sie gefordert, nicht nur für Kärntner Unternehmen, so wie es Kollege Schennach sagt, sondern für alle österreichischen Unternehmen entsprechend auf Ihre Regierungskollegen einzuwirken, damit diese fleißigen Unternehmer und ihre Mitarbeiter nicht noch länger im Regen stehen gelassen werden. Es ist einfach un­geheuerlich, wie abschätzig diese ÖVP mit unseren Betrieben umgeht. (Beifall bei der FPÖ.)

Dabei wäre es relativ einfach: Ein paar unnötige Pressekonferenzen weniger und etwas mehr Energieaufwand für die Bevölkerung und die Unternehmen, und solche Situationen würden gar nicht entstehen.

Übrigens ist auch das die Realität – jetzt höre ich witzigerweise keine Rufe bei der ÖVP ‑, jetzt, am Vormittag, hat die Ministerin genau das gesagt, was wir Freiheitliche seit Mona­ten sagen und was Sie mantraartig negiert und wovon Sie gesagt haben, dass es nicht die Realität ist. Doch, es ist die Realität, und es zeigt sich, dass wir bei diesen Fehlent­wicklungen von Anfang an leider Gottes auch recht behalten haben und dass diese An­nahmen sich vollinhaltlich bewahrheitet haben –: Ihre Hilfspakete kommen bei den öster­reichischen Unternehmen einfach nicht an! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Falsch! Falsch! Unwahrheit! Sie sagen die Unwahrheit!)

Herr Kollege Seeber, du kannst dich dann gerne melden. Ich werde dann deine E-Mail-Adresse bekannt geben, dann können sich alle Unternehmer, die nichts gekriegt haben, bei dir melden (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Seeber: Geh! Ich weiß, von was ich rede! Ich glaube, ich weiß es besser als ihr!)

Daher ist es notwendig, geschätzte Damen und Herren, vor allem Frau Bundesministerin und die gesamte Bundesregierung, dass Sie sich endlich von der Vision des hundertjäh­rigen Lockdowns verabschieden. Es ist notwendig, dass Sie ein weiteres Sterben unse­rer Tourismusbetriebe verhindern, dass Sie Perspektiven und Planungssicherheit für un­sere Betriebe sicherstellen und nicht weiterhin Tausende Arbeitsplätze gefährden und vernichten, und es ist notwendig, dass Sie sich für eine sofortige Öffnung der Tourismus­betriebe einsetzen.

Geben Sie unseren Betrieben und Unternehmen die Möglichkeit, das zu tun, was Sie als Bundesregierung sowieso nicht können, nämlich erfolgreich für Österreich zu arbeiten! (Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Bundesrates Steiner.)

17.47


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Bevor wir zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage durch die Bundesministerin kommen, kommt es zu einer tatsächlichen Berichtigung durch Bundesrätin Sonja Zwazl. – Bitte.


17.48.08

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Eine tatsächliche Berichtigung: Herr Kollege! Wir sind keine „angebliche Interessenvertretung“, sondern eine gesetzliche Interessenvertretung. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Betreffend den Existenzsicherungsfonds: Bitte schön, her mit den Unterlagen! (Bundes­rat Steiner: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, Herr Vizepräsident!)

17.48


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich die Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


17.48.36

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Wir hatten ja schon heute


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Vormittag einen sehr entscheidenden Tagesordnungspunkt zum Tourismus und vor allem auch zu notwendigen Unterstützungen der Tourismusbranche. Noch einmal ein großes Dankeschön für die Unterstützung, sodass wir eine Lücke im Härtefallfonds schließen konnten, um damit mehr Betriebe zu unterstützen, die jetzt, in Zeiten dieser Coronapandemie, unsere Hilfe brauchen.

Speziell der Tourismus, die Gastronomie, aber auch die gesamte Reisewirtschaft, die Reisebranche, die Kunst, die Kultur, die Veranstalter, die Kongresse und Messen leiden unter den Reiseeinschränkungen und vor allem auch den Kontakteinschränkungen sehr.

Wir haben nach dem ersten Lockdown im Frühjahr des letzten Jahres durchaus einen relativ guten Sommer vor allem in den Ferienregionen verzeichnen können. Besonders schwierig ist die Situation in Österreich aktuell nach wie vor im Städtetourismus. Vor allem fehlen da ja auch die internationalen Gäste. Wenn man sich beispielsweise Wien anschaut und weiß, was normalerweise an internationalen Gästen speziell im Frühjahr da ist, was beispielsweise an Kongressen stattfindet, so weiß man auch, dass diese Pandemie entgegen dem, was man zum Teil als Eindruck vermittelt bekommt, nicht nur in Österreich stattfindet, sondern dass sie, wie es das Wesen einer Pandemie ja ist, die ganze Welt umspannt.

Das heißt, unsere Branchen sind besonders stark betroffen, sind vor allem seit Novem­ber des letzten Jahres wieder in einem Lockdown, weil im Herbst die Infektionszahlen derart schnell gestiegen sind. Wir befinden uns nach wie vor in einer sehr schwierigen Zeit, bis wir vollständig aus dieser Pandemie herauskommen.

Ich sage auch klipp und klar, dass die Beschränkungen, die wir verhängen mussten, eigentlich alternativlos sind. (Widerspruch bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wir haben im letzten Jahr viele Länder in ihrem Tun beobachten können, dabei, wie sie mit der Pandemie umgehen. In ganz Europa haben wir unterschiedliche Modelle gese­hen, haben gesehen, wie die Pandemie auftritt, dass es aber im Endeffekt immer die gleichen Wellenbewegungen sind. Es hat mit Schweden ein Land gegeben, das sehr lange versucht hat, quasi keine Maßnahmen zu setzen. Dort ist fast die dreifache Anzahl an Todesopfern zu beklagen, und der Wirtschaftseinbruch ist im selben Ausmaß passiert wie bei uns in Österreich. (Bundesrat Hübner: Das stimmt doch überhaupt nicht! Das ist doch vollkommen falsch!) Das sind schon Fakten, die man auch anerkennen muss.

Bei allem Verständnis für die Frustration speziell in Branchen wie Tourismus, wie Gastro­nomie, wie in der Veranstaltungswirtschaft: Es gibt kein Entweder-oder zwischen Ge­sundheit und Wirtschaft, sondern in diesen Zeiten gibt es immer nur ein Miteinander.

Speziell als Tourismusland Österreich wäre es fatal, zu glauben, dass wir da jetzt nichts zu tun brauchen – es ist uns dann vielleicht egal, wie es im Gesundheitssystem aus­schaut; die Äußerung hier habe ich so verstanden –, dass die Gäste trotzdem kommen, aber die Infektionszahlen gehen dann durch die Decke. – Das wäre also wirklich ein fataler Irrglaube. Das, was da gesagt wird, grenzt wirklich an absolute Verleugnung der Fakten, was diese Coronapandemie betrifft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir haben vollstes Verständnis für die Situation der Be­triebe, der Unternehmen. Wir haben vollstes Verständnis vor allem auch für die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es wird der schönste Tag sein, den man sich nur irgendwie vorstellen kann, wenn wir diese Pandemie überwunden haben und wenn wir wissen, dass wir aufsperren können, ohne wieder schließen zu müssen.

Das sei vielleicht auch noch dazu gesagt, weil jetzt mitgeschwungen ist, man müsste ja eigentlich nur trommeln, es müsse alles wieder aufgehen, und die Pandemie sei quasi eh schon vorbei: Die Schwierigkeit, die wir haben, ist: Wenn die Infektionszahlen wieder 6 000, 7 000, 8 000 erreichen, so wie es im Herbst war, die Intensivbettenkapazitäten


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sich wieder ihrer Erschöpfung zuneigen, das Gesundheitssystem an die Belastungs­grenze kommt, dann müssen wir wieder in einen Lockdown gehen. Was das wirtschaft­lich für Gastronomie- und vor allem Hotelleriebetriebe bedeutet, was das für Messever­anstalter, die für die Organisation viel Geld in die Hand nehmen, bedeutet, ich glaube, das kann man sich vor allem in diesem Kreis durchaus vorstellen. In einem anderen Kreis wird das geleugnet, aber wir tragen die Verantwortung dafür. Wir tragen die Ver­antwortung für die Menschen in diesem Land, für die Gesundheit der Menschen in die­sem Land und vor allem auch für die wirtschaftliche Zukunft der Menschen in diesem Land, und die nehmen wir wirklich ernst. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Wir haben ja in den letzten Wochen sehr intensive Diskussionen auch darüber geführt, wie Öffnungsschritte stattfinden können. Wir haben speziell rund um Weihnachten ver­sucht, auch im Tourismus wieder zu öffnen. Dann ist die britische Virenmutation aufge­treten, die um ein Vielfaches infektiöser ist als das Coronavirus, das uns die Monate zuvor beschäftigt hat. Wir haben trotzdem versucht, ab 1. März eine Perspektive zu geben.

Es gibt mit Vorarlberg quasi ein gallisches Dorf im Westen Österreichs, wo die Infektions­zahlen so niedrig und vor allem so stabil sind, dass sich Landeshauptmann Wallner drü­bertraut, weitreichende Öffnungsschritte in Aussicht zu stellen, die ab 15. März umge­setzt werden – aber nie einfach nur so drauflos und indem man so tut, als ob nichts mehr passieren könnte, sondern durchaus sehr behutsam und vor allem auch verantwortungs­voll. Das heißt, in Vorarlberg werden wir nicht nur die Gastronomie im Außenbereich öffnen können, sondern auch wieder in geschlossenen Räumen, und vor allem wird es die Möglichkeit geben, Veranstaltungen durchzuführen.

Da wollen wir vor allem auch die Möglichkeit nutzen, uns einmal anzuschauen, wie diese Selbsttests in der Praxis funktionieren. (Beifall der Bundesrätin Schumann.) Es gibt ja unterschiedliche Einschätzungen, auch von Expertinnen und Experten, aber ich sage ganz ehrlich: Als Tourismusministerin bin ich überzeugt davon, dass wir einen Weg fin­den müssen, wie diese Selbsttests auch als Eintrittstests gelten, nicht nur, um den Bran­chen ein Aufsperren zu ermöglichen, sondern vor allem auch, um den Gästen maximale Sicherheit zu bieten.

Ich habe selbst in meinem persönlichen Umfeld eine sehr, sehr schwere Coronaerkran­kung bei einem sehr jungen Menschen erlebt, der sportlich und eigentlich gesund ist. Es wird Monate dauern, bis der sich wieder erholt. Ich möchte jedem dieses Erlebnis und diese Erfahrung ersparen. Wenn es die Möglichkeit gibt, mit flächendeckenden Tests eine gewisse Art von Sicherheit zu bieten, dann müssen wir sie ergreifen und müssen alles dafür tun, dass das auch umgesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrä­tInnen der Grünen. – Bundesrätin Schumann: Tests wurden ... abgelehnt!)

Wir haben gestern, geschätzte Damen und Herren, die Wirtschaftshilfen, die es in Öster­reich schon in einem sehr umfassenden Ausmaß gibt, noch einmal erweitert. Vor allem das Thema Kurzarbeit, vor allem das Thema Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterurlaubsan­spruch beschäftigt uns sehr. Wir konnten mit dem Kurzarbeitsbonus, den wir gestern beschlossen haben, eine zusätzliche Unterstützung in Aussicht stellen, mit der vor allem die Betriebe unterstützt werden, wo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit Ur­laubsansprüche angesammelt haben, indem diese entweder ausbezahlt werden oder der Urlaub konsumiert wird, und mit der vor allem in trinkgeldintensiven Betrieben und Branchen die Mitarbeiter zusätzlich unterstützt werden.

Wir schaffen eine Verdoppelung des Ausfallsbonus. Das wird vor allem im Bereich der Liquidität maßgeblich helfen. Dazu kommt nämlich noch der Fixkostenzuschuss, und der Fixkostenzuschuss bedeutet, dass wir nahezu alle Kosten, die der Betrieb laufend hat, übernehmen, plus die Abschreibungen, plus frustrierte Aufwendungen für Reisebüros


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und dergleichen. Wir haben wirklich versucht, die Unterschiedlichkeit und die Gegeben­heiten aller Branchen aufzunehmen und entsprechende Wirtschaftshilfen aufzubauen.

Wenn wir beim Thema Wirtschaftshilfen sind, kann man es absolut nicht so stehen las­sen, als ob wir – speziell in Österreich – den Tourismus und die Gastronomie im Stich gelassen hätten. Das Gegenteil ist der Fall: In ganz Europa gibt es kein Land, das so weitreichende Wirtschaftshilfen zur Verfügung gestellt und auch schon ausbezahlt hat wie Österreich. Das ist ein Faktum, das auch anzuerkennen ist! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Bei allem Verständnis für die extrem schwierige wirtschaftliche Situation – darüber brau­chen wir nicht zu reden – und vor allem auch bei allem Verständnis für die extrem schwierige emotionale und menschliche Situation – jeder von uns würde sich wünschen, wieder ganz normal in ein Gasthaus zu gehen, sich an die Theke zu stellen und ein kleines Bier zu trinken oder auch komplett unbeschwert um vier Uhr in der Früh auf einer Hochzeit zu tanzen –, aber wir befinden uns nach wie vor in einer Pandemie, und das ist anzuerkennen.

Ich verstehe vor allem die schwierige Situation der Gastwirte, der Hoteliers, der Touristi­ker, die leben ja dafür, dass Leute um sie herum sind. Die arbeiten an all den Feiertagen, die arbeiten über Weihnachten, über Ostern, stellen vor allem oft auch das Familienleben hintan und sind es einfach gewohnt, dass sie mitten unter den Leuten stehen. Es ist aktuell eine extrem schwierige Situation, und wir versuchen vor allem auch deswegen, alles wirtschaftlicher Natur – eben durch Wirtschaftshilfen – zu tun, um diese Betriebe bestmöglich durch diese Pandemie zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Man muss sich nur anschauen, was wir schon aufgelegt haben. Erlauben Sie mir einen kurzen Überblick vom Härtefallfonds speziell auch für kleine Betriebe, Einpersonenunter­nehmen – auch die gibt es in der Gastronomie; das sind zum Teil wirklich manche, die jeden Tag von der Früh bis zum Abend selber drinnen stehen, das Essen hinausgeben und alles tun, um über die Runden zu kommen – bis hin zum Fixkostenzuschuss, der permanent adaptiert worden ist! (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben für Gastronomie und Hotellerie, für alle besonders betroffenen Branchen ei­nen Umsatzersatz von 80 Prozent – dazu kommt noch die Kurzarbeit – im November geschaffen, von 50 Prozent im Dezember. Wir haben jetzt den Ausfallsbonus geschaf­fen, der bis zum Ende der Krise die wirtschaftliche Unterstützung sicherstellt, aber nicht nur für Gastronomie und Tourismus, sondern auch für den gesamten Zulieferbereich, auch für die Sportartikelhändler, auch für all jene, die sonst von der Pandemie betroffen sind. Wenn es einen Umsatzrückgang von 40 Prozent gibt, dann kommt der Ausfallsbo­nus zum Tragen und wird entsprechend an die Betriebe ausbezahlt. Dazu – und das muss man noch einmal sagen – kommt eben noch der Fixkostenzuschuss. Das ist das Modell, wie wir durch diese Wirtschaftskrise kommen werden.

Bitte reden Sie einmal mit Kollegen in Deutschland! Fragen Sie einmal, wer die Wirt­schaftshilfen dort schon bekommen hat! Wir wissen um die schwierige Situation, in der befinden wir uns alle, aber da waren wir in Österreich um ein Vielfaches schneller und um ein Vielfaches besser, und ich erwarte mir auch, dass das anerkannt wird. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Neben dem gesamten Bereich der Wirtschaftshilfen, die alternativlos sind – wir werden alles dafür tun, die Betriebe, die unverschuldet in die Krise gekommen sind, da wieder herauszubringen –, arbeiten wir auch intensiv am Restart des Tourismus und am Wie­deraufsperren.

Damit Tourismus in Österreich funktioniert, braucht man vor allem eines: Gäste. Die Gäste sind auf jeden Fall einmal unter den Österreicherinnen und Österreichern zu su­chen. Ich glaube, wir haben im letzten Jahr gesehen, wie viele sich wieder in das eigene


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Land verliebt haben, weil sie im Sommer keine Fernreise angetreten haben, sondern in Tirol wandern waren oder in Kärnten an einem wunderschönen See waren. Das wird sich im heurigen Jahr noch fortsetzen, davon bin ich überzeugt. Wir haben viele neue Freunde des Österreichurlaubs gewinnen können, aber wir sind eine der Topurlaubs­destinationen und wir hängen auch davon ab, dass sich die Grenzen wieder öffnen.

Wenn es bis zum Sommer keine stabile Situation bei den Infektionszahlen gibt, wird es nicht mehr die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung sein, ob Grenzen aufgehen, sondern es wird in Berlin, in Kopenhagen und generell in anderen Ländern entschieden, ob Reisewarnungen aufrechterhalten bleiben oder nicht. Auch das ist ein Faktum, von dem ich mir erwarte, dass es anerkannt wird. Es ist nicht unsere Entschei­dung, ob eine andere Regierung in Europa sagt: Für Österreich gibt es eine Reisewar­nung, weil es für die Menschen in unserem Land zu gefährlich ist, dort Urlaub zu machen und vielleicht mit einer Infektion zurückzukommen. Das müssen wir anerkennen.

Wir haben auch ein Modell geschaffen, wie wir aus dieser Situation herauskommen, und zwar mit dem digitalen grünen Pass, der auf europäischer Ebene einheitlich sein soll und damit wieder Reisefreiheit und vor allem Grenzübertritte, Urlaub, Geschäftsreisen mög­lich machen soll. Darin soll vermerkt sein, ob man schon geimpft ist, ob man nach einer Coronainfektion Antikörper hat oder ob man einen negativen Test bei sich hat, um so in Richtung Sommer auch wieder entsprechend Urlaub und Reisetätigkeit zu ermöglichen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir haben in Österreich in den letzten Monaten wirklich sehr viel Erfahrung sammeln können. Wir haben nichts unversucht gelassen, was Wirt­schaftshilfen betrifft, um den Betrieben unter die Arme zu greifen, was – wie die Massen­tests – zusätzliche Unterstützung beim Aufsperren betrifft, um Schritt für Schritt wieder ein sicheres Öffnen zu ermöglichen. Und genau diesen Weg werden wir auch weiterge­hen.

Wie gesagt, ich habe vollstes Verständnis für die schwierige Situation, vor allem auch für die Frustration, die sich breitmacht, denn jeder würde sich gerne einfach wieder frei bewegen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir gut durch diese Krise kommen werden, dass wir als Urlaubsland Österreich wieder zu alten Erfolgen zurückkehren kön­nen, und ich glaube, jeder in diesem Land freut sich schon wieder darauf, wenn er dann am Sonntag im Kreis der Familie am Wirtshaustisch sitzen, sich bekochen lassen und genießen und dazu ein Achtel guten österreichischen Weins trinken kann. – Vielen herz­lichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen. – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf die heutige Anfrage darf ich wie folgt antworten:

Zu den Fragen 1 bis 9, 32 und 33:

Diese Maßnahmen waren und sind alternativlos. Wir müssen auf aktuelle Entwicklungen reagieren, entsprechend Maßnahmen setzen, und das muss manchmal eben auch kurz­fristig erfolgen.

Angesichts der neuen Mutationen kurz vor Weihnachten konnten wir die angedachten Öffnungsschritte so, wie wir sie geplant hatten, nicht durchführen. Mittlerweile, glaube ich, ist auch bekannt, wie infektiös die britische Virenmutation aktuell in Österreich ist. (Bundesrat Steiner: In Tirol die südafrikanische!) Das sieht man sehr gut auch an der Infektionslage und dem Unterschied zwischen dem Osten und dem Westen Österreichs.

Wenn wir die Lage nicht permanent evaluieren und auf Basis aktueller Daten das Infek­tionsgeschehen beurteilen, würde dies zulasten des Gesundheitssystems gehen und vor allem auch zu Engpässen in der medizinischen Versorgung führen.


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Darüber hinaus haben wir als eines der ersten Länder eine umfassende Teststrategie entwickelt, um die uns andere Staaten durchaus beneiden. Speziell Deutschland hat jetzt auch begonnen, in Richtung Massentests zu gehen und eine entsprechende Infra­struktur aufzubauen. Wir sind da absolute Vorreiter und führen aktuell 2,5 Millionen Tests pro Woche durch, sei es in Teststraßen, sei es in Schulen. Hinzukommen soll die Mög­lichkeit der Selbsttests. (Bundesrätin Schumann: Danke! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Bitte? (Bundesrätin Grimling: Wir haben sie eingebracht, die Selbsttests! – Bundesrätin Schumann: Vorher habt ihr es nicht gemacht! Wir haben uns als Partei großartig eingebracht, als Sozialdemokratie! Das wollten wir bemerken! Vielen Dank!) – Okay.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Die Frau Bundesministerin ist am Wort!


Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger (fortsetzend): Zur Frage der Entscheidungsfindung auch bei partiellen Öffnungsschritten: Ich glaube, diese sollte nach einem Jahr Pandemie durchaus umfassend bekannt sein: Zuerst gibt es eine fachliche Einschätzung, zum Zweiten eine permanente Evaluierung der Lage durch Expertinnen und Experten, danach gibt es die Beratung mit den Ländern und vor allem auch mit den Parlamentsfraktionen, daneben einen intensiven Austausch mit den betroffenen Branchen. Das bildet die Entscheidungsgrundlage der Bundesregie­rung.

Die Öffnungs- und Evaluierungsschritte im Zwei-Wochen-Takt haben den Hintergrund, dass wir zum erstmöglichen Termin, an dem Öffnungen aus epidemiologischer Sicht möglich sind, diese auch vollziehen wollen. Es ist ja mittlerweile auch relativ bekannt, dass jeder Schritt in Richtung Öffnung oder auch ein Lockdown circa zwei bis drei Wo­chen braucht, um im Infektionsgeschehen seinen Niederschlag zu finden. Genau das ist auch das Intervall, in dem wir evaluieren, welche Art von weiteren Schritten wir setzen.

Zu den Fragen 10 bis 13 und 20:

In Vorarlberg kann man erste Öffnungsschritte setzen, da das Infektionsgeschehen dort deutlich geringer ist als im Rest Österreichs. Das ist meiner Ansicht nach ein Schritt in die richtige Richtung.

Was die Frage angeht, ob es sich auszahlt, Gastgärten zu öffnen: Ich glaube, das hat man in den vergangenen Wochen schon ganz gut bei der Frage, ob man Take-away anbietet oder nicht, gesehen: Das ist in letzter Konsequenz eine unternehmerische Entscheidung, die jeder für sich zu treffen hat. Wir wollen die Möglichkeit geben und unterstützen eine Öffnung, bieten ergänzend auch eine entsprechende Förderung an, wenn man jetzt investieren will, vielleicht auch einen Schanigarten oder Gastgarten neu bauen will. Letztendlich bleibt es eine unternehmerische Entscheidung, ob man aufsperrt oder nicht.

Ich darf, ohne dass ich diese Frage gestellt bekommen habe, hinzufügen, dass die ent­sprechenden Wirtschaftshilfen weiterlaufen. Das heißt, kein Betrieb hat einen Verlust beispielsweise der Wirtschaftshilfen, wenn er den Bereich Gastgarten aufsperrt. Ganz im Gegenteil: Wenn der Umsatzrückgang weiterhin 40 Prozent umfasst, wird auch der Ausfallsbonus in voller Höhe ausbezahlt. Das heißt, man bekommt das zusätzlich noch dazu. Es soll ja auch durchaus ein Anreiz sein.

Ich darf vielleicht auch noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir einen reduzierten Mehr­wertsteuersatz von 5 Prozent auf alle Speisen, auf alle Getränke für das gesamte Jahr 2021 beschlossen haben. Das ist durchaus auch als eine entscheidende Unterstüt­zung zu werten. (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Zur Frage der Selbsttests ist festzuhalten: Ich spreche mich ausdrücklich für die Möglich­keit der Selbsttestungen aus. (Bundesrätin Schumann: Aber!) Selbsttests werden in


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Vorarlberg noch nicht in der Gastronomie, aber aktuell bei Kunst- und Kulturveranstal­tungen und im Sport eingesetzt.

Zu digitalen Selbsttests als Zutrittsbescheinigung zu Veranstaltungen wurde vom Land Vorarlberg eine eigene Onlineplattform entwickelt. Auf dieser Plattform muss nach Re­gistrierung der Selbsttest hochgeladen werden. Nach einer Kontrolle durch das System wird die Bestätigung samt QR-Code an ein Handy geschickt.

Wenn das in Vorarlberg bei Veranstaltungen funktioniert, kann es auch in ganz Öster­reich angewandt werden. Deswegen sind wir zurzeit auch sehr intensiv in Kontakt mit der Vorarlberger Landesregierung, um das dann als ein zukünftiges Modell, wie gesagt, auf ganz Österreich auszurollen.

Zu den Fragen 14 bis 19 und 39 bis 45:

Die Bundesregierung hat am 1.3.2021 den weiteren Fahrplan beschlossen. Dazu gehö­ren die Öffnungsschritte in Vorarlberg. Weitere Öffnungsschritte werden, sofern es epi­demiologisch vertretbar ist, natürlich vollständig von mir unterstützt. Letztendlich wird es immer vom Infektionsgeschehen abhängen. Aktuell – und ich glaube, das ist auch hin­länglich bekannt – steigen die Zahlen wieder kontinuierlich, vor allem auch im Osten Österreichs.

Ziel muss meiner Meinung nach eine baldige Öffnung von Gastronomie, Tourismus und vor allem auch der Freizeit- und der Veranstaltungswirtschaft sein. Wir wollen vor allem Möglichkeiten wie Selbsttests nutzen, um das zu unterstützen, arbeiten aber auch an praktikablen Maßnahmen für besonders betroffene Branchen.

Es soll frühzeitig feststehen, unter welchen Rahmenbedingungen ein Öffnen möglich ist. Wir haben jede Woche zahlreiche Videokonferenzen mit den diversen Branchenvertre­tern, arbeiten sehr intensiv mit den Praktikern zusammen und wollen bestmögliche Pla­nungssicherheit, sofern das in einer Pandemie möglich ist, bieten. Wir müssen immer wieder auch auf aktuelle Entwicklungen und das Infektionsgeschehen reagieren.

Zu den Fragen 21 bis 28:

Wir haben natürlich großes Verständnis für alle Betriebe und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dass das eine absolute Ausnahmesituation ist, ist uns allen, glaube ich, be­wusst. Natürlich wollen die Unternehmerinnen und Unternehmer gerade das tun, was sie am besten können, und das ist, Gäste zu bewirten, für Gastlichkeit und ein schönes Urlaubserlebnis zu sorgen.

Aufgrund der umfangreichen Sicherheitskonzepte in der Gastronomie und im Bereich der Beherbergung sind zumindest abseits der bekannten Cluster, und da sind ja durch­aus in den vergangenen Monaten, im Sommer, im Herbst beispielsweise Hochzeiten, einige eben geschlossene Veranstaltungen in der Gastronomie dazugekommen, ich glaube, die Beispiele sind ja auch medial bekannt - - (Unruhe bei der FPÖ.) – Darf ich die Herren, die die Anfrage gestellt haben, vielleicht um Aufmerksamkeit bitten, denn das sind jetzt Ihre Fragen, die ich für Sie beantworte?! (Bundesrätin Steiner-Wieser: Die können nicht aufmerksam sein, weil wir nicht wissen, wo wir jetzt genau sind ...!)

Wir haben kein Problem in der Gastronomie – lassen Sie mich das bitte hier noch einmal ausdrücklich so festhalten – beim Infektionsgeschehen zwischen Mitarbeitern und Gäs­ten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen bereits seit dem Herbst verpflichtend Mund-Nasen-Schutz; der Schutz wurde auch in dem Bereich auf FFP2-Masken erhöht. Der entscheidende Unterschied zum Friseurbesuch beispielsweise ist aber, dass man, wenn man in ein Gasthaus geht, dann am Tisch sitzt und etwas konsumiert, die Maske natürlich abnimmt. Bei einer Personengruppe von zehn Personen beispielsweise ist es vor allem bei der britischen Virenmutation so, dass es, ist eine Person davon infiziert,


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alle treffen kann. Das ist einfach ein Faktum, das wir nicht wegleugnen können, und das ist auch der Grund, warum wir Gastronomie und Tourismus nicht nur in Österreich, son­dern in nahezu allen Ländern in Europa aktuell geschlossen halten, weil das der Bereich ist, wo man sich trifft, wo man zusammensitzt, wo man dann vor allem auch mit und in unterschiedlichen Personengruppen zusammenkommt. Und das ist wiederum anders als im Familienbereich oder am Arbeitsplatz; und das sind eben die Besonderheiten der Gastronomie.

Tourismus braucht notwendigerweise Mobilität, das ist die Grundvoraussetzung, dass das funktioniert, quer durch Europa und quer durch Österreich, und dies kann angesichts der Mutationen derzeit so noch nicht stattfinden. Es wird auf jeden Fall wieder schritt­weise Öffnungen geben. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass das sicher ge­schieht und dass wir dann vor allem auch Richtung Sommersaison eine Situation herge­stellt haben werden, die ein dauerhaftes Öffnen ermöglicht und nicht wieder in einem weiteren Lockdown endet. Das ist das Letzte, was wir wollen.

Zu den Fragen 29 bis 31:

Bis 2019 war der Tourismus in Österreich wirklich eine absolute Erfolgsgeschichte mit 46,2 Millionen Gästen und rund 153 Millionen Nächtigungen im Jahr. Aufgrund der Coro­napandemie wurden weltweit Maßnahmen zur Einschränkung der Reisefreiheit gesetzt. Sie werden ähnliche Werte wie bei uns in Österreich in Griechenland, in Italien, in Spanien, in allen Urlaubsdestinationen der Welt vorfinden, weil die Reisefreiheit, die Grundlage des Tourismus, aktuell eingeschränkt ist.

Die fortbestehenden Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie während der Wintersaison stellen alle vor große Herausforderungen. Um die Auswirkungen der Be­schränkungen abzumildern, wurden vonseiten der Bundesregierung entsprechende Wirtschaftshilfen auf den Weg gebracht: der Fixkostenzuschuss Phase eins und zwei, der Umsatzersatz, der Ausfallsbonus, der Verlustersatz vor allem für größere Unterneh­men und Betriebe – da haben wir ja vor Kurzem auch die Ausweitung und Aufstockung auf 10 Millionen Euro vonseiten der EU-Kommission erhalten –, die Steuersenkungen, die Steuerstundungen, die Kurzarbeit in den unterschiedlichen Phasen, das Wirtepaket zur besonderen Unterstützung, die Pakete für Privatzimmervermieter, der Schutzschirm für die Veranstalterbranche, der jetzt vor allem in die Zukunft wirkt, die Insolvenzabsiche­rung für Reisebüros und der Härtefallfonds.

Konkrete Zahlen von Wirtschaftsforschern liegen aktuell noch nicht vor, weil eben noch keine wirklich gesicherte Prognose abgegeben werden kann.

Zu den Fragen 34 und 35:

Regionale Beschränkungen erweisen sich immer mehr als zielführend. Je früher und konsequenter regionale Beschränkungen – dort, wo sie notwendig sind – gesetzt wer­den, desto eher kann man dann auch wieder Öffnungsschritte setzen. Das ist das, was wir in den letzten Monaten der Pandemie am härtesten haben lernen müssen: dass es immer wieder Wochen dauert, bis man Einschränkungsmaßnahmen als Einschlag im Infektionsgeschehen wiederfindet.

Die Tiroler Bevölkerung hat auf die Reisewarnungen und -beschränkungen mit sehr gro­ßer Disziplin und mit großem Verständnis reagiert. Wir haben in Österreich schon mehre­re regionale Maßnahmen setzen müssen, um verschärfte Maßnahmen in Restösterreich zu verhindern und die Ausbreitung diverser Virusmutationen einzudämmen.

Von einem Imageschaden durch regionale Maßnahmen kann keine Rede sein. Im Ge­genteil, auch alle anderen Länder setzen auf diese Möglichkeit, weil das eben das Ziel­führendste und das Effizienteste ist.


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Zu den Fragen 36 bis 38:

Wir müssen alles daransetzen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tourismus zu halten. Gerade die Coronakurzarbeit hat sich als erfolgreiches Kriseninstrument bewährt, und wir haben diese gemeinsam mit den Sozialpartnern bis Ende Juni verlängern können. Durch Kurzarbeit statt Kündigung konnten wir im Tourismus mit Stand 1. März über 147 000 Arbeitsplätze sichern. Mit dem bereits angesprochenen Kurzarbeitsbonus von 1 000 Euro schaffen wir zusätzlich noch Erleichterung auf betrieblicher Seite und Mitar­beiterseite. Dazu kommt dann noch der Trinkgeldbonus.

Um den Erhalt von Lehrstellen zu unterstützen, wird die Kurzarbeit für Lehrlinge bis zum 30. Juni verlängert.

Zu Tirol vielleicht noch ganz kurz: Gerade in und nach Zeiten der Krise ist es wichtig, Menschen, die ohne Beschäftigung sind, eine Perspektive zu bieten. Deswegen haben wir das Thema touristischer Arbeitsmarkt als ganz großen Jahresschwerpunkt 2021 defi­niert. Wir sind gemeinsam mit Arbeitsminister Martin Kocher da schon in sehr intensiven Gesprächen und haben einige gute Ideen, die wir für den Tourismusarbeitsmarkt umset­zen können.

Mit der Joboffensive schaffen wir die größtmögliche arbeitspolitische Programmplanung für Aus- und Weiterbildung, die es jemals in der Zweiten Republik gegeben hat. Speziell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Bereichen Tourismus und Gastronomie neh­men das aktuell sehr gerne an. Einige Landesgeschäftsstellen des AMS, wie beispiels­weise Salzburg, machen in diesem Zusammenhang eine Tourismusjoboffensive, um Ab­wanderung in andere Branchen zu vermeiden.

Die erst kürzlich erfolgte Verlängerung der Einstellungszusagen war ebenfalls ein sehr wichtiger arbeitsmarktpolitischer Schritt, um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten zu können, und kommt aktuell rund 10 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mern zugute.

Mit dem Neustartbonus haben wir nach dem ersten Restart Beschäftigungsaufnahmen vor allem in der Tourismusbranche erleichtert und sehr oft erst ermöglicht. Ähnliches planen wir jetzt auch für die nächsten Wochen.

Die genannten Maßnahmen zeigen, wie wir an allen Ecken und Enden intensiv daran arbeiten, die Menschen im Tourismus zu halten und sie für den Tourismus zu begeistern. Aber glauben Sie mir eines, und davon bin ich wirklich überzeugt: Wenn wir wieder zur alten Normalität zurückkehren, werden auch der Tourismus, die Gastronomie und die Hotellerie als Arbeitgeber wieder einen ganz großen Aufschwung erfahren. Davon bin ich überzeugt, denn es gibt eigentlich nichts Schöneres und nichts Besseres, als für andere Menschen da zu sein, und das ist die ganz, ganz große Qualität, die die Tou­rismusberufe aufweisen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bun­desrates Schreuder.)

18.17


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Re­dezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Johannes Hübner zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.18.07

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Minister! Frau Mi­nister, Sie haben als Begründung dafür, dass die Coronamaßnahmen der Regierung alternativlos sind, erklärt, dass im einzigen Land Europas, das solche Lockdownmaß­nahmen nicht gesetzt hat, nämlich in Schweden, erstens die Zahl der Todesopfer dreimal


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so hoch sei und zweitens der Einbruch der Wirtschaftsleistung genauso hoch gewesen wäre wie im Rest Europas. – Diese Ausführungen sind unrichtig.

Erstens: die Todeszahlen in Schweden liegen genau im europäischen Durchschnitt und nur geringfügig über denen in Österreich. Zweitens: Die Wirtschaftsleistung in - - (Bun­desministerin Köstinger: Es wurden ja dann dort auch Lockdownmaßnahmen gesetzt! Das war ja nur in der ersten Zeit so!) Ich rede von den bisherigen Maßnahmen während der lockdownfreien Zeit. Sie haben das damit begründet, dass in Schweden als einzigem Land, das keine Lockdownmaßnahmen gesetzt hat, erstens die Todeszahlen dreimal so hoch sind und zweitens die Wirtschaftsleistung genauso eingebrochen wäre.

Das Erste ist unrichtig, weil zwischen: im europäischen Schnitt, und: dreimal so hoch, ein eklatanter Unterschied liegt. Das Zweite ist noch unrichtiger, denn in Schweden ist die Wirtschaftsleistung 2020 um 2,8 Prozent eingebrochen, also minus 2,8 Prozent, im europäischen Durchschnitt um 7,2 Prozent, daher mehr als zweimal so hoch, und in Ös­terreich sogar um 7,8 Prozent.

Die Grundlagen, die Sie zur Begründung der Alternativlosigkeit der getroffenen Maßnah­men heranziehen, sind daher falsch und ein Beweis, dass diese Grundlagen nicht Fak­ten, sondern Desinformation sind. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.19


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


18.20.01

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Was Frau Minister Köstinger da jetzt von sich gegeben hat, erschüttert mich, aber eigentlich verwundert es mich nicht, weil wir solche Aussagen und solche Antworten von der ÖVP gewohnt sind. Die Anfragebeantwortung war dürftig.

Auf die Fragen 1, 9 und 32, in denen persönliche Anfragen an die Frau Ministerin ge­richtet wurden, hat sie einfach nur geantwortet, die Maßnahmen sind alternativlos, was ja nicht stimmt, denn Alternativen hätte es gegeben. Also in den Fragen 1, 9 und 32 wäre sie persönlich angesprochen gewesen, und sie hat darauf nicht geantwortet.

Die Antwort auf die Fragen 10, 13 und 20 war bla, bla, bla.

Hinsichtlich der Fragen 14 bis 19 und 39 bis 45 hören wir, dass am 1.3. ein weiterer Fahrplan beschlossen wurde; jetzt öffnet man halt in Vorarlberg etwas. Dafür hat man vorhin gehört, dass die Frau Minister von der Verantwortung gesprochen hat, von der Verantwortung für die Gesundheit. Ich habe es heute Vormittag schon dem Sportminister gesagt, denn auch er hat von der Verantwortung gesprochen: Ich hoffe, Sie übernehmen auch die Verantwortung dafür, dass die Jugend- und Kinderpsychiatrien überlaufen sind, dass 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen dort suizidgefährdet sind, weil sie diese Situation, die diese schwarz-grüne Regierung den Menschen eingebrockt hat, nicht mehr aushalten können! (Beifall bei der FPÖ.)

Zu den Fragen 21 bis 28, in denen es um die Cluster geht, haben Sie damit angefangen, dass Sie großes Verständnis haben, Sie sind aber nicht auf die Fragen eingegangen. Ich darf Ihnen auf die Sprünge helfen: Laut Ages – das sind Zahlen von der Ages – lagen im Oktober die Clusterzahlen in der Gastronomie bei weniger als 2 Prozent. Das heißt, es war völlig unnotwendig, dass man die Gastronomie und die Hotellerie zugesperrt hat. Unter 2 Prozent waren das im Oktober, und Sie sperren im November zu, und als Touris­musministerin scheren Sie sich um nichts und man hört auch nichts von Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben auch heute, jetzt in der Anfragebeantwortung, wieder einmal keine Antworten gegeben, sondern leere Worthülsen in Dauerschleifen abgeliefert, als ob eine Schallplatte


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hängengeblieben wäre. (Bundesrat Seeber: Die Intensivbetten waren voll!) – Kollege! Kollege aus Oberösterreich! Die Intensivbetten sind voll. Als ob die Situation so schlimm wäre! Ich habe das schon letztes Jahr im Juli gesagt, als der Landeshauptmann von Salzburg da war: In Salzburg sind vor einem Jahr im Lockdown eins im Messezentrum 600 Betten eingerichtet worden. Wir haben ein eigenes Covid-Haus gehabt. Das ist alles aufgelöst worden. Also so schlimm dürfte die Situation nicht sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Weiter zu den Ausführungen der Frau Minister Köstinger, und ich wiederhole mich da: wieder leere Worthülsen, Dauerschleifen, als ob eine Schallplatte hängengeblieben wäre, und wieder einmal wird kein konkretes Öffnungsdatum für alle Gastronomiebe­triebe bekannt gegeben, stattdessen spalten Sie die Branche. Sie spalten die Branche dadurch, dass Sie die Gastronomie lediglich in einem Bundesland aufsperren lassen wollen. In den restlichen Bundesländern verteilt man ein paar Brotkrumen beziehungs­weise sollen die restlichen acht Bundesländer anscheinend dort bleiben, wo der Pfeffer wächst. Soll das der große Wurf sein, den Sie gestern und heute in den Medien verkün­det haben? Also zum Jubeln ist dieser Erfolg wohl nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Für mich ist das eine Pflanzerei! Und auch die Vorarlberger Lösung ist eigentlich nur ein Almosenverteilen. Ich aber sage Ihnen: Unsere Wirte und unsere Gastronomen wollen keine Almosen haben, unsere Wirte und Gastronomen wollen ihre Betriebe aufsperren, die wollen arbeiten! (Beifall bei der FPÖ.)

Warum sperren Sie nicht alle Betriebe auf? Seit Monaten werden die Tourismusbetriebe vertröstet und vertröstet, seit Monaten lassen Sie Reisebüros und Busunternehmen im Unklaren. Was Sie momentan verabsäumen, kostet unserem Land Millionen, ja wahr­scheinlich sogar Milliarden Euro. Das ist ein nicht wiedergutzumachender Schaden. Es hat den Anschein, dass die wirtschaftlichen, die existenziellen und die psychischen Fol­gen von Ihnen nicht ernst genommen werden. Es deutet ja auch alles darauf hin, zum Beispiel auch, dass Ihnen jetzt das Handyscrollen und -spielen wichtiger ist, als sich ordentlich einer Debatte zu stellen. Sie können jetzt gerne zu mir herschauen, aber das Handy können Sie wegtun! (Beifall bei der FPÖ.)

Am 5. November habe ich es Ihnen bereits von dieser Stelle aus gesagt: Das, was Sie mit dem Tourismus, mit der Gastronomie, mit der Hotellerie und mit der Freizeitwirtschaft angestellt haben, das war keine Vollbremsung, wie es in Ihrem Bericht steht, sondern das war ein Horrorcrash mit Totalschaden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie überhaupt, was es bedeutet, wenn Existenzen vernichtet werden? Wissen Sie, was es bedeutet, wenn Arbeitgeber Mitarbeiter kündigen müssen? Wissen Sie, wie es Mitarbeitern geht, die durch Ihre Husch-pfusch-Politik die Arbeit verloren haben? – Anscheinend nicht, ansonsten würden Sie anders agieren, es würden die ÖVP und die Grünen anders agieren.

Wie wichtig der Tourismus in Österreich ist, das wissen wir ja. Sie haben es vorhin selbst gesagt: 2019 haben wir noch 153 Millionen Übernachtungen bei 46 Millionen Gästen in diesem Land gehabt. Doch das ist alles Vergangenheit; unser Tourismus liegt am Boden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Mit einem Handstreich hat diese schwarz-grüne Regierung die Wirtschaft an die Wand gefahren und für viele Jahre beschädigt. Sie weigern sich, die Gastronomie, die Hotel­lerie und die Freizeitwirtschaft arbeiten zu lassen. Das ist eine absolute Katastrophe, was Sie da angerichtet haben, und das geht auf keine Kuhhaut mehr. Sperren Sie die Gastronomie und die Hotellerie auf – aber ohne eure unverhältnismäßigen Maßnahmen und ohne eure Schikanen! Es gibt keine Cluster! Wir haben das gerade vor ein paar Minuten geklärt. Es gibt keine Cluster in der Gastronomie! Unsere Gastronomie kann gewährleisten, dass die Hygienebestimmungen und die Sicherheitsvorgaben eingehal­ten werden. Sie kann gewährleisten, dass das Contacttracing funktionieren wird, aber mit euren hilflosen Aktionen erreicht ihr nur das Gegenteil. (Beifall bei der FPÖ.)


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Kopfschütteln muss ich aber schon, wenn ich höre und lese, dass die Wirtschaftskammer gegen diese Schließungen alibihalber Sturm läuft und die Öffnung der Gastro fordert. Das ist doch auch nur ein Placebo, und es ist doch ein absolut falsches Spiel von der Wirtschaftskammer, denn Ihr Wirtschaftsbund, der ja mit 80 Prozent die Wirtschaftskam­mer dominiert, täuscht die Leute. In meinem Heimatbundesland Salzburg inseriert of­fiziell die Wirtschaftskammer, inoffiziell aber der ÖVP-Wirtschaftsbund die Forderung, dass die Tourismus- und Freizeitbetriebe umgehend wieder aufmachen sollten. Im Salz­burger Landtag aber stimmen die ÖVP-Wirtschaftsbundkämmerer gegen die Öffnung! – Ja, das klingt doch nicht mehr gesund, wenn ich da einmal das tue und einmal das. Das klingt nicht mehr gesund! Das sind doch bipolare Störungen oder irgendetwas. (Beifall bei der FPÖ.) Für wie dumm hält denn die ÖVP und der Wirtschaftsbund die Menschen in diesem Land?

Und immer wieder hört man von Öffnungsschritten. Was soll denn das bedeuten: Öff­nungsschritte? Das, was da passiert, sind doch keine Öffnungsschritte, das ist doch ein Begräbnis auf Raten. (Beifall bei der FPÖ.) Statt dass man endlich wesentliche Er­leichterungen für die Geschäftsausübung vornimmt, baut man auf weitere Schikanen, die einen regulären Betrieb ja fast unmöglich machen. Sie wollen ab März, April die Gastgärten aufmachen, die Schanigärten öffnen lassen. Ja, das ist aber sehr interes­sant, Frau Minister. Was soll denn das? Das ist doch eine Farce, das ist doch ein Witz. – Und schon wieder spielt sie mit dem Handy. (Beifall bei der FPÖ.)

Denken Sie, Frau Minister, auch nur einen Millimeter über den Tellerrand hinaus? Im März, im April die Gastro öffnen? – Da ist Kälte, Regen, Schnee, Wind! Ja, geht es denn noch, bitte? Sie dürfen nicht indoor ausweichen, aber nach draußen schon. Mit 20 Pro­zent werden sie abgespeist, haben Sie uns heute Vormittag gesagt. 20 Prozent kriegen die Gastrobetriebe und 80 Prozent müssen ja doch wieder die Wirte selber zahlen. Ich freue mich schon auf den Redebeitrag des Kollegen aus Oberösterreich! (Heiterkeit des Bundesrates Seeber.) Was machen Gastrounternehmen, die keine Schanigärten errich­ten können? Und dazu dann noch der ganze Behördendschungel mit dem Freitesten. Kein Mensch kann mehr spontan und ungeplant zum Wirt gehen. Kein Mensch kann mehr nach einer Radtour oder nach einer Bergtour gemütlich, spontan beim Wirt zu einer Jause einkehren, weil er ja vielleicht gerade nicht getestet ist.

Wie schauen denn eigentlich Ihre Pläne für die Hüttenwirte aus? Die gesamte Branche lebt vom unbeschwerten und niederschwelligen Zugang, die Branche lebt von der Lauf­kundschaft. Und ein zeitintensiver Behördenparcours und ein Testmarathon sind doch falsche, ungeeignete Mittel, dass man Gäste halten und der Gastronomie und dem Tou­rismus wieder Leben einhauchen kann. Ihr habt es mit eurem ganzen Verordnungswirr­warr tatsächlich geschafft, dass sich kein Mensch mehr auskennt. Diese schwarz-grüne Regierung setzt permanent Maßnahmen, welche völlig überzogen sind. Es reicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Seit 130 Tagen ist die Gastro und ist die Hotellerie geschlossen. Jeder Tag der Schlie­ßung kostet Millionen Euro. Es können sich die Unternehmer schon gar nicht mehr leis­ten, was ihr da für eine Pallawatsch aufführt.

Was macht eigentlich der Bundeskanzler? – Der Bundeskanzler ist ja völlig außer Rand und Band. Nicht nur, dass er sich am Weltfrauentag im Nationalrat völlig daneben und – um es mit seinen Worten zu sagen – widerlich benommen hat, wirft er – Stichwort Maischberger – vor einem deutschen Millionenpublikum unseren deutschen Gästen den Fehdehandschuh hin, nämlich dass diese nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedin­gungen kommen können. Das ist ein Wahnsinn! Und Sie erklären uns in der Anfrage­beantwortung, dass es im Städtetourismus so schwierig ist?! Reden Sie doch bitte zuerst mit Ihrem Parteikollegen und Kanzler Kurz, damit ihr euch einmal einig seid! (Beifall bei


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der FPÖ.) Ich fahrt ja alles an die Wand! Vor einem Millionenpublikum in Deutschland draußen wirft er den Fehdehandschuh hin.

Das sind gefährliche Botschaften, welche Herr Kurz da im Ausland von sich gibt und damit Österreich noch weiter in den Abgrund reißt. Das ist ein diplomatisch-touristischer Supergau! Das sind Alleingänge von einem größenwahnsinnigen Bundeskanzler. Oder ist das mit Ihnen abgesprochen worden – denn dagegenreden habe ich Sie nicht gehört, also Gegenworte wahrgenommen? Nur sind Sie, wenn Sie das so tolerieren, wie das der Herr Kanzler macht, leider Gottes genauso an diesem traurigen Spiel beteiligt, wel­ches unsere Wirtschaft in den Abgrund reißt. Ist denn der Schaden nicht schon groß genug? War das notwendig?

Diese ganzen Beschränkungen, Verbote und Gebote haben ausschließlich bittere Ne­benwirkungen für die Wirtschaft und für den Tourismus, aber werden zur Bekämpfung einer Pandemie sicherlich nichts beitragen.

Ihr fahrt drüber über die Menschen, dass es nimmer lustig ist. Ihr greift in Lebensbereiche ein, welche den Staat gar nichts angehen, aber schon überhaupt nichts angehen, und die neueste Idee, dass man ein Zusammentreffen ab vier Personen schon als Veranstal­tung anmelden muss, das ist ja wohl der Gipfel des Unmöglichen.

Wir haben jetzt ein Jahr lang Erfahrungen sammeln können. Wir müssen alles sehen: dass die überzogenen Maßnahmen dieser ÖVP-Grünen-Regierung nichts gebracht ha­ben außer einen großen wirtschaftlichen Schaden, an dem wohl unsere Kinder und Kin­deskinder noch werden kiefeln müssen. Wir werden auf eine Pleitewelle zusteuern, und wie man hinter vorgehaltener Hand aus Wirtschaftskammerkreisen – aus schwarzen Wirtschaftskammerkreisen! – hört, rechnet man schon jetzt mit mindestens 30 Prozent Insolvenzen in Gastronomie und Hotellerie.

Frau Minister, machen Sie es nicht noch schlimmer! Öffnen Sie sofort die Gastronomie, die Hotellerie – aber ohne eure Schikanen, ohne eure unverhältnismäßigen Maßnahmen sowohl für die Wirte als auch für die Gäste! Die Menschen haben von diesen Zwangs­maßnahmen der ÖVP und der Grünen die Nase gestrichen voll. Lassen Sie unser Land nicht endgültig den Bach runtergehen, retten Sie es! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

18.34


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Sebastian Kolland. Ich erteile es ihm. – Bitte.


18.34.30

Bundesrat Sebastian Kolland (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Situation für den Tourismus ist schwierig, so weit sind wir uns noch einig. Sie ist in Europa schwierig, sie ist in Ös­terreich schwierig und sie ist auch in meinem Heimatbundesland Tirol schwierig, das wahrscheinlich wie kein zweites Bundesland in Österreich vom Tourismus abhängig ist, das den Tourismus braucht, wo es viele Arbeitsplätze im Tourismus gibt. Der Tourismus ist als Wertschöpfungs- und als Konjunkturmotor wichtig.

Und ja, es ist leider eine Tatsache, dass eine Pandemie, die weltweit die Reisetätigkeit fast zum Erliegen bringt, den Tourismussektor am härtesten trifft. Aber tun wir, liebe FPÖ, bitte nicht so, als wäre das ein österreichisches Phänomen. Das gibt es doch nicht, dass man nach einem Jahr der Pandemie weiterhin mit solchen Scheuklappen durch die Gegend rennt. Es ist eine weltweite Pandemie, alle sind betroffen, und Österreich trifft es als Tourismusland eben auch. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Kittl.)

Und tun wir bitte auch nicht so, als hätte irgendjemand eine Freude, wenn er solche Maßnahmen setzen muss. (Ruf bei der FPÖ: Außer euch!) Wir alle sind pandemiemüde, es ist anstrengend, es nervt uns, und wir alle wünschen uns, dass das vorbei ist. Ich


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lasse mir aber den Optimismus auch von der FPÖ nicht nehmen, und zwar deshalb nicht, weil wir jetzt – nach einem Jahr der Pandemie – mit der Impfung endlich den Schlüssel für die Wende in dieser Pandemie in der Hand halten.

Das sehen auch die Menschen so. Das zeigt auch die riesige Beteiligung, die wir derzeit im Bezirk Schwaz bei der Durchimpfung gegen die südafrikanische Mutation haben. 48 500 Menschen von 64 000 haben sich dort für die Impfung angemeldet, 76 Prozent. (Ruf bei der FPÖ: Gezwungen!)

Heute Früh um 7 Uhr hat das Ganze begonnen, bis Montag möchten wir alle durchge­impft haben. Die Resonanz ist hervorragend. Die Menschen machen mit und tragen bei, weil sie wissen, dass wir das nur gemeinsam bewältigen können. (Bundesrat Ofner: Nicht weil sie wissen, sondern weil sie müssen!) Innerhalb von einer Woche ist da eine perfekte Infrastruktur entstanden. 26 Impfstationen gibt es im Bezirk, eine übrigens auch in Zell am Ziller, in der Heimatgemeinde unseres Kollegen Christoph Steiner. Ich hoffe, dass er die Gelegenheit nutzt – schade, dass er jetzt nicht da ist – ich hoffe, dass er die Gelegenheit nutzt, sich auch impfen zu lassen. (Bundesrat Schennach: Er hat das gan­ze Wochenende Zeit!) Er hat das ganze Wochenende Zeit, richtig. Also ich hoffe, dass er von dieser Gelegenheit auch Gebrauch macht. (Bundesrat Schennach: Wir melden ihn an!)

Diese Impfaktion ist auch für den Tiroler Tourismus eine große Chance. Warum? – Die Frau Bundesministerin hat es erwähnt: weil es im Tourismus in hohem Maße um Ver­trauen geht. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie in den Destina­tionen, in die sie sich begeben, sicher sind, dass sie gesund bleiben. Deshalb ist dieses Vertrauen wichtig, und deshalb ist die Impfung auch richtig. Diese südafrikanische Muta­tion war für uns in Tirol keine einfache Situation. Wir sind hart dagegen vorgegangen, wir haben die Situation auch immer ernst genommen.

Auch diese Ausreisetestpflicht war nicht einfach, aber für uns war es wichtig, diese Muta­tion einzudämmen, und das gelingt uns auch. Wir haben bis zu 280 positive Muta­tionsfälle gehabt. Derzeit haben wir noch 50, ein bisschen drüber, ich glaube, 52 sind es heute, also um 75 Prozent haben wir das eindämmen können. Das ist für uns als Touris­musland wesentlich, vor allem auch deshalb, weil Deutschland nach wie vor harte Grenz­maßnahmen gegen Tirol verhängt hat. Die sind nach wie vor aufrecht.

Dazu darf ich schon auch ein Wort verlieren: Diese Maßnahmen ärgern uns auch des­halb, weil sie schon ein bisschen aufzeigen, dass da mit unterschiedlichem Maß gemes­sen wird, nämlich bei der französischen Grenzregion Moselle mit einem wesentlich höhe­ren südafrikanischen Mutationsanteil, mit einer wesentlich höheren Siebentageinzidenz. Der Mutationsanteil liegt dort bei über 60 Prozent, die Siebentageinzidenz bei 300. In Tirol haben wir immer unter 10 Prozent Mutationsanteil und eine Siebentageinzidenz von 100 gehabt – trotzdem gab es gegenüber Tirol harte Grenzmaßnahmen, gegenüber der französischen Region Moselle nicht. (Bundesrat Schennach: Dort ist nicht Bayern!) Also die Argumentation, dass es nur um Gesundheit geht, die scheint da ein wenig brüchig zu werden; aber gut, es ist so, wir bemühen uns und hoffen, dass das ab 17. März dann ebenfalls vom Tisch ist.

Um eines klarzustellen: Trotz aller Herausforderungen ist eines ein Faktum – das lässt die Opposition gerne unter den Tisch fallen, aber die Frau Bundesministerin hat es er­wähnt –: Es nimmt kein europäisches Land so viel Geld in die Hand, um die Tourismus­branche in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Das sage nicht ich, sondern das sagt der Internationale Währungsfonds. Reden Sie mit Hoteliers in Deutschland, in Ita­lien, und die sagen Ihnen alle einhellig, dass sie sich ein solches Unterstützungssystem, wie wir es haben, wünschen würden! (Beifall bei der ÖVP. – Die Bundesräte Gfrerer und Seeber: Richtig!)


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Natürlich würde jeder einzelne Unternehmer lieber für sein Geld arbeiten als auf Unter­stützung angewiesen zu sein. Das verstehe ich und ich habe auch Respekt davor, keine Frage. Ich verstehe auch, dass der Wunsch nach Öffnungen groß ist, aber etwas dürfen wir nicht aus den Augen verlieren: Wenn wir jetzt schnell aufmachen und die Zahlen nach oben rauschen, dann riskieren wir damit auch die Sommersaison, weil andere Län­der, vor allem Deutschland, ganz genau beobachten, wie wir mit dieser Situation umge­hen und wie sich die Zahlen bei uns entwickeln. Auch wenn wir immer wieder mit Deutschland und vor allem mit Bayern Sträuße ausfechten, am Ende des Tages schaut es in vielen Tourismusregionen düster aus, wenn keine deutschen Gäste da sind. Auch das muss man also in die Überlegungen miteinbeziehen.

Wir haben mit Südtirol ein mahnendes Beispiel direkt vor der Haustür. Auch dort hat man vorschnell aufgemacht und auch dort sind dann die Zahlen rapide gestiegen. Man hat einen harten Lockdown verhängen müssen, der, wie es derzeit ausschaut, auch wieder verlängert werden muss. Tirol hat erst Mitte Februar wieder Intensivpatienten aus Süd­tirol übernehmen müssen, weil die Krankenhäuser dort an der Kapazitätsgrenze sind.

Deshalb plädiere ich für Folgendes: Öffnungsschritte ja, aber mit Verantwortungsbe­wusstsein, mit Augenmaß und nicht mit der Brechstange, denn das würde am Ende des Tages auch für die gesamte Tourismuswirtschaft mehr Schaden anrichten, als es nützen würde. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

18.41


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Bundesrat Günther No­vak. – Bitte, Herr Kollege.


18.41.21

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr viel gesagt und so viel an Angriffen geführt worden, dass man versuchen sollte – das hat der Vorredner eh auch schon gemacht –, auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen und noch einmal darüber nachzudenken und darauf zu fokussieren, wo wir in der derzeitigen Situation stehen.

Diese Coronapandemie hat die österreichische Wirtschaft in eine tiefe Rezession geführt. Nicht alle Branchen sind davon so betroffen wie die Tourismusbranche. Wir wis­sen, dass wir, was das BIP für 2020 betrifft, um 6,6 Prozent rückläufig sein werden – diese Zahl wurde von der Statistik Austria erhoben. Der Rückgang ist zwar weniger als ursprünglich befürchtet, aber dennoch alarmierend, denn er ist immerhin doppelt so hoch wie bei der Finanzkrise im Jahr 2009.

Dass Österreich stärker betroffen ist als manche Nachbarländer liegt daran, dass der Tourismus bei uns eine so große wirtschaftliche Rolle spielt, wobei gerade diese Bran­che genauso wie die Kultur- und Unterhaltungsbranche durch diesen langen Lockdown, wie schon mehrfach erwähnt, besonders leidet und zu den größten Verlierern dieser Pandemie zählt.

Nicht zu Unrecht kommen gerade aus diesen Bereichen die lautesten Rufe nach einer Öffnung – wir haben es ja jetzt ausführlich gehört, wie intensiv diese Rufe sind. Wir wissen, dass da die Verzweiflung und der Zorn groß sind, und das ist auch verständlich. Was besonders benötigt würde, ist eine Perspektive – auch das wurde heute schon mehrfach erwähnt – der Planungssicherheit. Diese Planungssicherheit – ich glaube, das ist der wichtigste Punkt, der uns alle hier herinnen vereint – müsste wirklich ermöglicht werden; ich werde später noch dazu kommen. Die ständigen Vertröstungen zehren ein­fach an den Nerven, das ist das Problem, und natürlich auch an den finanziellen Re­serven, das ist auch keine Frage.


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In Kärnten, dem Bundesland, aus dem die Frau Bundesministerin wie auch ich kommen, haben aktuelle Umfragen in der Hotellerie und der Gastronomie ergeben – die Sparten­obmänner der Wirtschaftskammer haben sich getroffen und auch ein Pressegespräch geführt –, dass mittlerweile drei von vier Betrieben in ihrer Existenz massiv bedroht sind. Sollte dieser Lockdown noch länger anhalten, sehen sich die Betriebe definitiv vor dem Aus – so drastisch wurde das also formuliert, sonst hätte ich es nicht so gesagt.

Zu Aktionen wie den Öffnungen von Gastgärten muss ich sagen – auch das wurde heute schon gesagt –: In Kärnten wird das sicher problematischer sein, weil es meist kleine Gastgärten sind, die nicht überdeckt sind. Da wird es sicher Probleme mit der Wetterfes­tigkeit der Gastgärten geben. In der Stadt ist das ganz anders, das muss man auch dazusagen. Wien ist auf diese Situation ausgerichtet. Ich habe soeben eine Pressemel­dung gesehen, ich glaube – ich weiß die genaue Zahl nicht mehr –, 40 Gastgärten wer­den demnächst öffnen.

Ich freue mich darüber, dass es in der Stadt geht, denn es ist ja traurig genug, wie die Situation in der Stadt ist. Das weiß ich, weil ich ja oft da bin. Dabei muss ich an dieser Stelle sagen, über die Stadt hat heute kein Mensch geredet. (Bundesrat Ofner hebt die Hand. – Bundesrat Steiner – auf Bundesrat Ofner zeigend –: Doch, bei der Begrün­dung!) – Entschuldigung, Herr Kollege. Der internationale Tourismus hat in dieser Stadt bisher sehr gelitten. Wenn man noch bedenkt, dass man in Gastgärten unter Umstän­den – ich hoffe, ich bin da richtig informiert – den 2-Meter-Abstand auch noch einhalten sollte, dann wird das Problem wahrscheinlich ein großes werden.

Da ich selbst lange Touristiker war, war ich oft genug auf der größten Messe der Welt, der ITB. Die Bundesministerin war, glaube ich, auch vor zwei Jahren dort, als diese Mes­se noch geöffnet war; wir haben uns dort ja auch getroffen. Heuer findet diese Messe nur virtuell, also digital statt. Dort wurde festgestellt – und das ist für uns, glaube ich, ein Zeichen für die Zukunft –, dass es eine große Sehnsucht nach dem Reisen gibt, und zwar nicht unbedingt nach Flugreisen. Das ist unsere Chance, die wir schon im vorigen Jahr im Sommer gehabt haben. Wir haben ja wirklich, die Städte wieder ausgenommen, am Land und in den Tourismusorten – ich kann es jetzt nur für Kärnten sagen – eine wunderbare Tourismussaison gehabt. Die Chance für Österreich liegt einfach auch da­rin, in diesem Bereich wieder zu reüssieren.

Ich habe mir dann aber auch Deutschland ein bisschen angeschaut – es ist ja heute auch schon über Deutschland gesprochen worden. In Deutschland liegt die Siebentage­inzidenz bei 65,4. Bei uns liegt sie derzeit, da wir heute sogar circa 2 900 neue Fälle zu vermelden haben, bei 186 beziehungsweise bald schon bei 190. Die Kärntner Gastrono­mie, Hotellerie und Freizeitwirtschaft ist der Meinung, dass man irgendwann einmal, um Planungssicherheit zu erreichen, die Inzidenz für die Öffnung hernehmen sollte, bei 100, bei 80 oder wo auch immer. Das wäre zumindest ein Bereich, an den man sich festhalten könnte, um in diese Richtung Planungssicherheit zu geben. Unsere Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat immer gesagt – das werden die Freiheitlichen jetzt nicht gerne hö­ren –: Testen, testen, testen, testen! Impfen, impfen, impfen, impfen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: So ist es!) – So werden wir, glaube ich, in Zukunft wirk­lich einmal sagen können: Jetzt geht es wieder richtig weiter!

Dabei sind die Deutschen beim Testen besser. In Deutschland kriegt man das Tester­gebnis nämlich – digital – nach 15 Minuten aufs Handy und man weiß dann, ob man negativ oder positiv ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesministerin Köstinger: Bei uns auch!) Das werden wir hoffentlich auch noch irgendwann einmal schaffen.

Was mich beziehungsweise unsere Fraktion heute ein bisschen gestört hat, ist, dass der Entschließungsantrag, den wir eingebracht haben, wieder abgelehnt worden ist. Wir haben vor drei Wochen den Entschließungsantrag für Wohnzimmertests eingebracht,


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der wurde aber abgelehnt. Die Frau Bundesministerin hat zu oe24.at gesagt: „Wohnzim­mer-Test als Eintritts-Test für Schanigarten erlaubt“. – Liege ich richtig? Ich habe das irgendwo herausgenommen. (Der Redner hält einen Ausdruck in die Höhe. – Bundesrat Steiner: Das hat sie heute auch gesagt! – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Köstinger.) Es ist ein Inserat dabei und es ist auch das Parlamentslogo nicht drauf.

Diesen Antrag haben wir heute wieder eingebracht und er ist wieder abgelehnt worden. Im Ausschuss hat zum Beispiel Frau Zwazl gesagt, sie stimmt dem zu – wo ist sie denn?; da ist sie ja –, und heute hat sie dagegengestimmt. Ich meine, wo sind wir denn jetzt? Das ist ja eine Pflanzerei. Oder ist sie der Parteiräson unterlegen? Es wird wohl so gewe­sen sein – wie auch immer.

Tatsache ist: Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wir haben einen Antrag einge­bracht und dieser ist abgelehnt worden. Heute hat auch der Fraktionsvorsitzende, Herr Bader, gesagt, sie arbeiten daran. (Zwischenruf der Bundesrates Bader.) Es wird ja auch so sein, denn die Frau Bundesministerin hat ja auch darüber gesprochen. Dann lehne ich das aber doch nicht ab – das ist ja eine traurige Angelegenheit –, da sage ich: Ja, machen wir es! (Beifall bei der SPÖ.)

Das sind halt diese Dinge, die uns ein bisschen entzweien, wobei es in dieser Zeit wahr­scheinlich gescheiter wäre, wenn wir sie gemeinsam machen würden. Wir machen das ja nicht für uns als Politiker. Wir machen das für die Menschen draußen, von denen die einen wieder ins Gasthaus gehen und die anderen ihre Gasthäuser, die Freizeitanlagen und Hotels wieder aufsperren wollen.

Ich weiß nicht, wie diese Gastroöffnung ab dem 15. März in Vorarlberg vor sich gehen soll, das sind ja nur noch ein paar Tage. Das hat mich dazu veranlasst, ein bisschen nachzudenken. Es sollen Indoorveranstaltungen mit bis zu 100 Personen stattfinden dürfen. Das kann ich mir bei aller Liebe nicht so recht vorstellen. Wie gesagt, man muss einen Inzidenzwert festlegen; das wäre der richtige Schritt in die richtige Richtung.

Damit komme ich schon zum Ende. Ich möchte noch folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Urlaub in Österreich machen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ein geeig­netes Maßnahmenpaket vorzulegen, um eine Förderaktion für die heimischen Beher­bergungsbetriebe unter der Bezeichnung ,Bonusticket in der Höhe von 75 Euro für jeden in Österreich lebenden volljährigen Menschen beschließen zu können. Notwendig dafür ist die Buchung von drei aufeinanderfolgende Nächtigungen in ein und demselben Be­herbergungsbetrieb über eine speziell für diese Förderaktion einzurichtende Buchungs­plattform. Die Förderung ist pro Person einmalig bis Ende 2021 zu gewähren.“

*****

Das ist wichtig, um die Tourismuswirtschaft wieder in die richtige Richtung zu bringen. Im Burgenland wurde das schon durchgeführt. Ich würde mir das bei dieser Gelegenheit einfach noch einmal wünschen.

Abschließend: Bitte schauen wir auf die Inzidenzzahl, dann können wir öffnen! Machen wir das mit dem Tourismus und den dafür zuständigen Verantwortlichen aus! Damit würde die Tourismus- und Freizeitwirtschaft für die Zukunft eine gewisse Planungssi­cherheit bekommen. So würden wir diese Branche unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.52



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 159

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Günther Novak, Kolle­ginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Bonusticket für in Österreich lebende Menschen, die Urlaub in Österreich machen“ ist genügend unter­stützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der nächste Redner ist Herr Fraktionsvorsitzender Marco Schreuder. – Bitte, Herr Bun­desrat.


18.52.36

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Diskussion hier nicht wesentlich verlän­gern, sondern nur noch ganz kurz ein paar Punkte, die mir wichtig sind, dazu sagen.

Da sehr oft das Wort Planungssicherheit fällt: Ich finde das in einer Pandemie ausge­sprochen schwierig. Wir alle würden gerne eine Pandemie planen (Heiterkeit des Red­ners), nein, die würden wir nicht gerne planen, aber wir würden gerne den Umgang mit einer Pandemie planen können. Gerade heute, und wir alle hatten gehofft, die Zahlen gehen runter, aber genau heute sind sie noch ganz knapp unter 3 000 Neuinfektionen – niemand von uns will das.

Immer wieder wird irgendetwas suggeriert. „Frau Bundesministerin Köstinger, warum lassen Sie den Tourismus sterben?“, steht als Titel der Dringlichen Anfrage. (Bundesrat Steiner: ... zuständige Ministerin! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Ist ja so!) Als ob es irgendwie ein Plan der Bundesregierung wäre, die Wirtschaft kaputtzumachen! Entschul­digung, seid ihr von allen guten Geistern verlassen? (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Ja, genau!)

Kein Mensch will irgendjemandem das Leben schwermachen, sondern es ist eine Pan­demie. Ich weiß nicht, ob ihr das begreift.

Mich würde interessieren: Was ist denn euer Plan? Was würdet ihr denn machen? – Wenn ich es richtig verstehe, sollen wir alle keine Masken mehr tragen und Testen ist sowieso ein Wahnsinn, testen sollen wir schon gar nicht. Impfen: Man geht mit Impfgeg­nern und Impfskeptikern demonstrieren, denn Impfen ist scheinbar auch nichts, aber wir sollen alles aufmachen, ganz egal. Dann sollen die Leute sterben, wir erfahren es eh nicht, denn Testen tun wir eh nicht (Zwischenruf des Bundesrates Steiner); alles wun­derbar, die Sache ist erledigt, eine Pandemie gibt es ja gar nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Ofner: Es ist pietätlos, was ihr macht!)

Ich denke mir: Was ist das für eine infame Unterstellung, dass das irgendwie eine ge­plante Sache wäre? Ich möchte das wirklich aufs Schärfste zurückweisen, wirklich! (Bei­fall bei Grünen und ÖVP.) Es wurde sogar politisches Spiel genannt. Also ich würde sehr gerne die Fähigkeit haben, zu wissen, welche Infektionszahlen wir morgen haben wer­den, welche wir übermorgen haben werden, welche wir nächste Woche haben werden, welche wir in einem Monat haben werden. (Bundesrat Steiner: Gescheiter nicht!) Wir alle würden es gerne wissen.

Eines sage ich Ihnen aber auch: Ich glaube nicht, dass es der Plan der Oberösterreichi­schen Landesregierung war, dass sie nicht komplett tagen kann. Ich wünsche den FPÖ-Landesräten, die jetzt erkrankt sind, gute Besserung, es möge diese Infektion so symp­tomfrei wie möglich über die Bühne gehen! (Bundesrat Steiner: ... noch nicht bestätigt!) Sie sehen es: Es kann morgen Sie treffen, es kann morgen Sie treffen, es kann mich treffen, es kann die Frau Ministerin treffen, es kann den Herrn Präsidenten treffen – es kann jeden von uns treffen, weil es nicht planbar ist.

Das Einzige, das hilft – und dagegen sind Sie –, ist, Masken zu tragen, zum Beispiel, wenn Sie, Herr Steiner, mit Mitarbeitern des Parlaments sprechen. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Er hat’s schon gehabt!) Sie sind da hingegangen und haben ohne Maske mit


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den Mitarbeitern gesprochen (Bundesrat Steiner: Ich hab’s schon hinter mir!), obwohl wir vereinbart haben, dass wir, wenn wir uns Mitarbeitern des Parlaments nähern, eine Maske tragen. (Bundesrat Steiner: Ich hab’s schon hinter mir!) Sie sind ohne Maske da hingegangen und haben ganz nah mit den Mitarbeitern des Parlaments gesprochen (Bundesrat Steiner: Ich habe Antikörper!), wir haben das alle gesehen. (Bundesrat Stei­ner: Ich habe Antikörper!)

Maske tragen, sehr geehrte Kollegen, sich an die Maßnahmen halten und uns bei unse­ren Teststrategien und Impfstrategien unterstützen, das ist die beste Methode. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Steiner: Ich bin getestet! Wie ich aus Tirol ...!)

18.56


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner: Bundesrat Karl-Arthur Arla­movsky. – Bitte.


18.56.33

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Da wir praktisch in jeder Sitzung mindestens einen Tagesordnungspunkt zu Coronamaßnahmen haben, möchte ich mich dieses Mal tatsächlich nur auf das Thema konzentrieren, das bei dieser Dringlichen An­frage im Fokus steht, nämlich Tourismus und Freizeitwirtschaft, insbesondere Gastrono­mie- und Beherbergungsbetriebe.

Was die Coronamaßnahmen in diesen Bereichen betrifft, muss ich sagen: Welche Maß­nahmen notwendig sind, welche Maßnahmen erforderlich sind, sollte, so wie eigentlich bei allen Maßnahmen, davon abhängen, bei welchen Ereignissen, bei welchen Kontak­ten, in welchen Situationen welche Risikofaktoren für die Ansteckung bestehen. Das sollten wir in der Zwischenzeit alle wissen.

Es macht einen Unterschied, ob man einen Kontakt hat, bei dem man spricht oder viel­leicht sogar singt, oder ob eine oder mehrere der Personen, die sich in diesem Raum befinden oder einander gegenüberstehen, nicht reden oder sehr wenig reden. Es macht einen Unterschied, ob man sich in einem geschlossenen Raum oder im Freien befindet. Es macht einen Unterschied, wie die Personendichte im geschlossenen Raum oder auch im Freien, wie zum Beispiel bei einer Kundgebung, ist. Es macht einen Unterschied, wie die Lüftungssituation im geschlossenen Raum ist. Es macht einen Unterschied, ob man Masken trägt oder nicht. Es macht einen großen Unterschied, ob man sich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne vor dem Kontakt hat testen lassen und das Ergebnis ne­gativ ausgefallen ist. Falls es bei diesem Kontakt doch zu einer Ansteckung gekommen ist, macht es dann im Nachhinein auch einen Unterschied, ob eine Kontaktnachverfol­gung leicht möglich ist, zum Beispiel deswegen, weil man eine personalisierte Eintritts­karte für die Veranstaltung oder eine Sitzplatzreservierung in einem Restaurant gehabt hat.

Legt man das auf Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe um, lässt sich ziemlich ein­fach erkennen, welchen Stufenplan es geben kann, welche Branchen oder welche Teile der Branchen einfacher und schneller geöffnet werden können und welche eher später drankommen werden. Bei den Beherbergungsbetrieben, bei denen momentan über­haupt nicht differenziert wird, ist es sicher leicht, Ferienwohnungen und Selbstversorger­appartements zuzulassen, denn dort kommt es ja höchstens bei der Schlüsselübergabe beim Ein- und Auschecken zu einem Kontakt mit haushaltsfremden Personen, und nicht einmal das ist unbedingt notwendig. Eine Übernachtung in einem Hotel selbst ist auch sehr kontaktarm. Die Frage ist: Wie regelt man das mit einem eventuellen Frühstück, wenn es sich nicht um ein Selbstversorgerappartement handelt? – Frühstück aufs Zim­mer gab es nicht erst seit Corona, so etwas ließe sich also auch regeln.


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Bei der Gastronomie macht es einen Unterschied, ob man im Freien, wie wir das jetzt schon oft gehört haben, im Schanigarten oder – im Westen Österreichs – im Gastgarten, oder in einem geschlossenen Raum zusammensitzen kann. Somit wäre der Stufenplan ziemlich einfach und es ist nicht notwendig, sämtliche Gastronomie- und Beherber­gungsbetriebe gleichermaßen zuzusperren.

An diesem Punkt möchte ich auch auf den Mythos eingehen, dass die Hilfen für die geschlossenen Betriebe wirksam wären, wie wir das heute auch schon gehört haben. Ich habe eine druckfrische Anfragebeantwortung des Finanzministers von heute vor mir, in der man zum Beispiel sieht, dass zum Verlustersatz erst 99 Anträge gestellt worden sind, von denen 67 abgeschlossen werden konnten. In der Fixkostenzuschussphase zwei wurden erst 7 877 Anträge gestellt, von denen 4 610 Anträge bearbeitet worden sind, was bei ungefähr 350 000 Unternehmen in Österreich wirklich keine Erfolgsge­schichte ist. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Das Fazit ist daher, dass, anstatt mit der Rasenmähermethode branchenübergreifend Betriebe zu schließen, eine smarte Differenzierung gemäß den jeweiligen Ansteckungs­risiken erforderlich ist. Mithilfe solcher stufenweisen Öffnungsschritte wird es auch mög­lich sein, Menschen zu Tests zu bewegen, die bisher gar nicht oder nur selten diese Testangebote wahrgenommen haben. Auf diese Weise können wir die Neuinfektionen nachhaltig verringern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02


Präsident Mag. Christian Buchmann: Der nächste Redner ist Fraktionsvorsitzender Christoph Steiner. – Bitte.


19.02.19

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Herr Präsident! (Bundesrat Schennach: Jetzt kommt das Zillertal!) Wo ist er jetzt, der Herr Kollege Schreuder, der Fraktionsvor­sitzende? Da lässt er einen Schreikrampf los, und dann verschwindet er, sodass man nicht einmal reagieren kann. Wo ist er denn?

Ich erkläre Ihnen jetzt einmal etwas – stellvertretend für deinen Fraktionsvorsitzenden (in Richtung Bundesrätin Hauschildt-Buschberger) –: Ihr redet von der Teststrategie. Ich bin ein Tiroler und kann ohne Test nicht ausreisen. Das heißt, ich bin getestet. Ich habe eine Viruserkrankung durchgemacht und habe richtig hohe Antikörperwerte. Wo ist nun das Problem, wenn ich keine Maske aufhabe? Was passiert jetzt? Ja, sind eure Tests nicht aussagekräftig? Ich kenne mich nicht mehr aus! Muss ich trotz Test und Antikörper auch noch alles aufsetzen? (Zwischenruf der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger.) Ich verstehe es nicht! Ich verstehe es nicht!

Die Ministerin hat vorhin gerade gesagt, man setzt auf die Strategie Testen, Antikörper und Impfung. Ja, was ist denn die Impfung? – Ein Aufbau von Antikörpern im Körper. Etwas anderes habe ich ja jetzt auch nicht! Herr Schreuder, wo liegt Ihr Problem? (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir aber zur Dringlichen Anfrage betreffend unsere Tourismuswirtschaft zu­rück! Vielleicht passt dieser Satz ganz gut: Alles, was diese Regierung anfasst, endet im Chaos. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Köstinger.) – Ja, genau, Sie haben es selber gesagt. Ich darf Sie, Frau Ministerin, an den ÖVP-Wahlspruch erinnern, mit dem ihr hinter dem Sebastian durch ganz Österreich getingelt seid, denn das war der Wahlspruch: Wir, die Wirtschaftspartei ÖVP, bringen Österreich auf die wirtschaftliche Überholspur zurück! – Ja, wo sind wir jetzt? – Wir tragen die rote Laterne in Europa; gratuliere, ÖVP! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Das ist die traurige Realität vom Besten aus zwei Welten.

Ich frage mich Folgendes, Frau Ministerin: Sie haben die Fragen beantwortet (Bundesrä­tin Steiner-Wieser: Nein, eben nicht!), ohne dass herausgekommen wäre, dass Sie als


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Tourismusministerin ein Konzept oder eine Vision hätten. Frau Ministerin, wo sind Ihre positiven Ansagen, wo ist der notwendige Rückhalt für unser Tourismusland Öster­reich? – Sie haben bis heute keinen Plan! Wie schaut die Zukunft im Tourismus aus? Sie, Frau Ministerin – wenn Sie einmal vom Handy aufschauen! –, sind die oberste Tou­ristikerin in Österreich, zumindest auf dem Papier, also ist es Ihre verdammte Pflicht, unseren Familienbetrieben Mut zu machen, und zwar Mut mit zukunftsweisenden umfas­senden Tourismuspaketen für Hotellerie, Gastronomie, Reisebüros, Busunternehmen und die Veranstaltungsbranchen mit ihren Zigtausenden Mitarbeitern. (Beifall bei der FPÖ.)

Nur dieser Aufgabe – das müsste oberste Priorität haben – müssten Sie sich jetzt mit aller Kraft widmen! Wenn Sie das nicht tun, Frau Ministerin, dann, muss ich sagen, sind Sie halt – so leid es mir tut – fehl am Platz. Es ist nun wirklich an der Zeit, Frau Ministerin, dem Tourismusland Österreich zu beweisen, was die angebliche Wirtschaftspartei ÖVP tatsächlich kann – außer Schlagzeilen und Seifenblasen zu produzieren. Beweisen Sie uns, Frau Ministerin, dass Sie in der Lage sind, das beste Paket für den Tourismus in Österreich auf die Welt zu bringen, aber bitte etwas Positives aus den zwei Welten von ÖVP und Grünen!

Es drängt nämlich, Frau Ministerin, die Zeit. Wir haben jetzt März, und im Mai beginnt die Saison. Unsere Familienbetriebe stehen mit dem Rücken zur Wand und werden an den Rand ihrer Existenz getrieben, aber Ihnen, Frau Ministerin, fällt seit Monaten nichts ein, um unseren Touristikern endlich einmal die nötige Perspektive aufzuzeigen. Sie ma­chen das Gegenteil, Sie pflanzen die Touristiker in unserem Land. (Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Wenn ich die Aussagen von Ihnen, aber auch von der Wirtschaftskammer – der angeb­lichen Interessenvertretung – oder aber auch vom Herrn Kanzler einmal Revue passie­ren lasse, muss ich sagen, frage ich mich schon, ob das wirklich alles ernst gemeint ist. Am 3. September haben Sie im Ö1-„Morgenjournal“ gesagt – ich darf zitieren, Frau Köstinger –: „Ich gehe fix davon aus, dass der 7. Jänner für das Aufsperren der Hotelle­riebetriebe und Gastronomiebetriebe hält“. – Die Unternehmer haben sich darauf verlas­sen, haben alles vorbereitet, und zwei Wochen später dann – wiederum Zitat Ministerin Köstinger –: „Wir müssen nun davon ausgehen, dass die Wintersaison eine sehr, sehr schwierige wird.“ – Was dann passiert ist, wissen wir: verwaiste Dörfer, verwaiste Hotel­lerie, verwaiste Gastronomie.

Dieses Spiel spielen aber leider Gottes nicht nur Sie (Ruf: Die ganze Welt!), sondern dieses Spiel spielt auch die Wirtschaftskammer. Der oberste Interessenvertreter Mah­rer – Multifunktionär der ÖVP –, spricht am 25. Februar davon: „Was nicht geht, ist keine Perspektive!“ – Dass wir aber weiterhin ohne Perspektive leben müssen, führt uns Kurz am 1. März wieder vor Augen, denn dann war Mahrer auch jener Präsident, der ausrich­ten ließ, nur Gastgärten zu öffnen, sei betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll. Ich gebe ihm eh recht, aber der Interessenvertreter ist halt kurz darauf wieder umgefallen, denn dann hat er plötzlich gesagt: Ja, ja, mit den Schanigärten haben wir halt jetzt einmal „den Fuß in der Tür“! (Beifall bei der FPÖ.)

Was für ein toller Wirtschaftskammerpräsident! Was für ein toller Interessenvertreter! Also wie der sich für seine Zwangsmitglieder einsetzt, alle Achtung! (Beifall bei der FPÖ.) Eine Frotzelei aller betroffenen Wirte: Nichts anderes ist das.

Herr Kollege Seeber, Sie kommen ja nach mir dran – ich freue mich schon auf Ihre Aus­führungen (Bundesrat Seeber: Kannst eh du zu mir sagen!) –: Vielleicht bauen Sie in Ihrer Rede dann das ein, was ich Ihnen jetzt vorlesen werde, nämlich was Ihre ÖVP-Wirtschaftsvertreter so sagen.

Ich darf zitieren: „Unter Salzburgs Gastronomen gärt es“. „,Es gibt keinen nachvollzieh­baren Grund, nicht schon früher – mit Vorsichtsmaßnahmen natürlich – zu öffnen‘, sagt etwa Sternbräu-Wirt und ÖVP-Gemeinderat Harald Kratzer.“


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„,Eine Wirtin ist am Telefon in Tränen ausgebrochen, weil sie nicht mehr weiß, wie sie das noch weiter schaffen soll‘, berichtet er.“

Krimpelstätter-Wirt Hannes Bachmann: „Meine Geduld ist am Ende [...]. Schön langsam geht mir die Kraft aus. Ich brauche keine Förderungen, ich will unsere Gastronomie end­lich wieder öffnen. Jetzt muss Schluss sein.“ – ÖVP, Wirtschaftsbund.

Klaus Friedl, ÖVP, Wirtschaftsbund, WKO-Obmann der Fachgruppe Gastronomie, sagt Folgendes: „Die Betriebe sind mittlerweile über die Belastungsgrenze angelangt. Die ak­tuellen finanziellen Hilfen reichen bei weitem nicht aus, um den Betrieben das wirtschaft­liche Überleben zu sichern!“

Alfred Grabner, WKO-Obmann der Fachgruppe Hotellerie, Wirtschaftsbund, ÖVP: „Man kann uns nicht monatelang immer um zwei Wochen vertrösten. Personalplanung und Wareneinkäufe brauchen einen entsprechenden Vorlauf. Die Ungeduld der Betriebe wächst von Tag zu Tag.“

Und der ÖVP-Politiker, der mir ja mittlerweile am besten gefällt, ist der Zillertaler Kollege von mir im Nationalrat, Seilbahner, Zillertalbahnchef (Bundesrat Schennach: Franz Hörl!) – auch so ein Multifunktionär –, Wirtschaftskammer- und natürlich Wirtschafts­bundchef in Tirol, der da sagt: „,Das akzeptiere ich so nicht‘, [...] Ende Februar müsse die Situation erneut bewertet werden [...]. Dann brauche es Klarheit.“ Und dann sagt er noch: Mir fehlen die Worte – mehr gebe es zu dieser Regierung nicht zu sagen. – Zitat­ende. Und recht hat er, der Herr Kollege Hörl: Mehr gibt es zu dieser Regierung auch nicht zu sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Seeber, jetzt können Sie sich dann nach mir da herausstellen und das erklären. Sie brauchen es nicht uns zu erklären, aber erklären Sie es Ihren eigenen ÖVP-Wirtschafts­kammer-, -Wirtschaftsbund- und -Parteibonzen.

Eines ist nämlich klar, Frau Ministerin: Wenn Sie jetzt nicht beginnen, zu arbeiten, und nicht endlich Schluss machen mit diesen ÖVP-Schönredereien und -Sonntagsreden und -Schönmalereien, dann ist es wirklich zu spät. Sie haben in Ihrer Beantwortung der Anfrage und zuvor in Ihren Ausführungen gesagt, Sie tragen die Verantwortung. Frau Ministerin, hoffentlich wird diese Regierung bald zur Verantwortung gezogen. (Beifall bei der FPÖ.)

19.12

19.12.35*****


Präsident Mag. Christian Buchmann: Ich habe mir das vorläufige Stenographische Protokoll über die Ausführungen der Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser vorlegen las­sen. Gegen circa 18.30 Uhr hat die Frau Bundesrätin in Bezugnahme auf den amtieren­den Bundeskanzler gesagt: „Das sind Alleingänge von einem größenwahnsinnigen Bun­deskanzler.“ (Bundesrat Steiner: Ja!) Für die Worte „größenwahnsinniger Bundeskanz­ler“ erteile ich ihr einen Ordnungsruf. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Na bitte gar schön! – Bundesrätin Steiner-Wieser: Darf man jetzt gar nichts mehr sagen? – Zwischenruf der Bundesrätin Schartel. – Bundesrätin Steiner-Wieser: Das ist ja un­glaublich! ... Rechtsradikale! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

*****

Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Robert Seeber zu Wort. – Bitte.


19.13.21

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zur Dringlichen Anfrage des heutigen Tages


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komme, noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Es hat heute einen Entschließungs­antrag der SPÖ betreffend Wohnzimmertests gegeben. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ja, es stimmt, wir haben das seitens der Bundeswirtschaftskammer auch von der Bundesre­gierung gefordert. Inhaltlich stehen wir nach wie vor dazu. (Bundesrat Schennach: Nur zustimmen ...!) Wir stimmen also nicht gegen den Inhalt, wir stimmen gegen das Organi­satorische, denn Sie wissen alle, es läuft bereits ein Pilotprojekt in Vorarlberg, und nach der Evaluierung wird das wahrscheinlich umgesetzt. Das heißt, die von uns aufgestellte Forderung bleibt aufrecht. Wir stimmen nicht gegen den Inhalt, aber gegen die Vor­gangsweise – so viel dazu. (Beifall bei der ÖVP.)

Bevor ich nun auf die Dringliche Anfrage eingehe, die in einer tiefen, polemischen Art und Weise gipfelt, zu der ich mich hier sicherlich nicht herablasse (Bundesrat Spanring: Gott sei Dank!), so wie es fast immer von der FPÖ gepflegt wird und was ich sicher nicht machen werde - - (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) – Ja, ja, klatscht! Klatscht bei dem, das passt ins Bierzelt, aber nicht hier herein. (Bundesrat Ofner: Das ist halt das Problem, wenn man euch erwischt!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das, was hier gesagt wurde, dass Frau Bundesminister Köstinger den österreichischen Tourismus gefährdet (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Ja, stimmt ja!), weise ich zurück, auch als eine Person, die in zwei Welten politisch beheimatet ist: auf der einen Seite als Bundesobmann des Tourismus in Österreich und auf der anderen Seite als Mitglied dieses Bundesrates. Das ist eine in­fame politische Unterstellung, weil ich in der täglichen Arbeit sehr viel mit der Frau Mi­nister in Kontakt bin. Es stimmt einfach nicht. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schreuder.)

Was ich schon gewohnt bin, und ich habe eigentlich gar nichts anderes erwartet, ist diese Polemik, die hier an den Tag gelegt wird – und die sich nicht nur hier abspielt, sondern auch draußen auf der Straße. Ich persönlich, das können Sie mir glauben, würde lieber gestern als heute aufsperren. Ich bin mit vier Gastronomiebetrieben auch ein Betroffener der Pandemie, ich weiß, wovon ich spreche, aber die Pandemie, die es nicht nur in Ös­terreich gibt, sondern weltweit, macht uns halt leider einen Strich durch die Rechnung.

Und wenn dann hier Worte wie „größenwahnsinniger Bundeskanzler“ fallen, für die be­rechtigterweise ein Ordnungsruf erteilt wird (Bundesrätin Steiner-Wieser: Aber wir dür­fen beschimpft werden auf das Übelste! Wir dürfen beschimpft werden auf das Übelste!), dann sind wir zumindest auf einem richtigen Weg.

Das, was ich insbesondere bei der FPÖ beobachte – nicht nur jetzt in der Opposition generell, sondern speziell bei der FPÖ –, ist: Es hat einmal Ibiza gegeben. Da hat es eine gewisse Schockstarre gegeben und man war eine Zeit lang damit beschäftigt, die Wunden zu lecken. Dann ist man zur Partei der sogenannten Besserwisser, wie ich im­mer sage, gewechselt. Jetzt, da sich das Ende einer weltweiten Pandemie abzeichnet, ist man zu den Besserwissern gewechselt. Am Anfang war man bei den Befürwortern. (Bundesrat Steiner: Wir sind gescheiter geworden! – Bundesrat Spanring: Das erste Monat!) Ich erinnere an Herrn Obmann Kickl, der im März gesagt hat: Schnell zusperren! (Bundesrat Spanring: Nach einem Jahr Pandemie habt ihr nichts gelernt!), aber jetzt, am Ende, weiß man natürlich, wie es funktioniert. (Bundesrat Spanring: Ein Jahr Pan­demie und nicht dazugelernt, das ist ÖVP!)

Ich sage hier eines, meine Damen und Herren: Die Regierung – das kann niemand ab­streiten, es gab keine Erfahrungswerte (Bundesrat Spanring: Ja, nach einem Jahr!), nicht in Österreich, nicht weltweit (Bundesrat Steiner: Ein Jahr lang!) – ist seit einem Jahr im Dauereinsatz und versucht, das Schiff durch die Wellen zu lenken und die In­fektion in den Griff zu bekommen. (Bundesrat Spanring: Euer Schiff ist schon lange untergegangen! Hört auf!) Das ist nicht einfach, keine Frage, aber man versucht es


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redlich und man bemüht sich, die Existenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch von den Unternehmen zu sichern. Das ist eine Tatsache. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das sei euch ins Stammbuch geschrieben: Tau­sende Entscheidungen müssen innerhalb kürzester Zeit getroffen werden, um die Pan­demie in den Griff zu bekommen, und dafür gebührt der Regierung Dank und Anerken­nung. Das ist nicht einfach. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Pandemie und die Umgangsweise der FPÖ damit betrifft, habt ihr eine mona­telange Orientierungslosigkeit an den Tag gelegt. (Bundesrat Steiner: Ja, so wie die Bundesregierung nach einem Jahr noch immer!) Jetzt seid ihr erwacht und jetzt seht ihr am Ende die große Chance, Instabilität in die österreichische Bevölkerung hineinzutra­gen. (Bundesrat Steiner: Das macht ihr! Ihr macht das mit eurer Politik!) Für mich ist ein Beweis dafür die Hetzpropaganda. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wir sind nicht im Bierzelt, ihr könnt euch nachher noch melden!

Nach einer monatelangen Orientierungslosigkeit geht ihr nun auf die Straße und ver­sucht, die Bevölkerung entsprechend aufzuwiegeln und zu spalten. (Bundesrat Span­ring: Das ist eine ganz miese Unterstellung, eine ganz miese Unterstellung, Herr Kol­lege! Ganz mies! ... aber zumindest keine Bierzeltparolen bringen!) Das ist letztklassig und verabscheuungswürdig! (Bundesrat Steiner: Red zum Tourismus! Oder fällt dir nichts ein, was ihr aufführt mit deinen Kollegen?! Red zum Tourismus!) – Das hängt mit dem Tourismus zusammen, aber das wirst du intellektuell wahrscheinlich nicht verste­hen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist letztklassig und verabscheuungswürdig, eine weltweite Pandemie zu missbrau­chen (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ordnungsruf!) und aus dieser Katastrophe Kapital zu schlagen. Das sage ich auch als Gastronom, der davon betroffen ist, ganz zu schwei­gen – Kollege, pass auf! –, ganz zu schweigen von dem verheerenden Imageschaden, den ihr mit eurer Politik am Tourismus in Österreich und weltweit auslöst. Das sei euch ins Stammbuch geschrieben. (Beifall bei der ÖVP. – Heiterkeit bei der FPÖ.Bundesrat Steiner: Landesrat Tilg in Tirol: „alles richtig gemacht!“)

Die Regierung hat Fakten geschaffen. Man hat Hilfen versprochen. (Ruf bei der FPÖ: Vergesst nicht immer alles!) Natürlich musste auch nachgebessert werden, keine Frage (Bundesrat Steiner: Andauernd!), das ist nun einmal in einer Pandemie so, und man hat aus diesen Fehlern auch gelernt. Im Nachhinein in der ersten Reihe fußfrei in der Oppo­sition zu sagen: Das hätte ich alles anders gemacht!, das ist eine leichte Übung und das durchschauen auch die Österreicherinnen und Österreicher. (Bundesrat Spanring: Wir haben euch vor einem halben Jahr schon gesagt, was ihr machen sollt, und ihr habt nicht gehört! Das ist die Wahrheit!) Natürlich hätten wir vieles besser machen können, aber man hat durch viele Schritte auch den Zugang zu den Hilfeleistungen ganz klar und schnell bereinigt.

Das Letzte, was wir jetzt im Tourismus brauchen, ist Destabilisierung und Chaos, wie ihr es macht. Seid ein bisschen positiv und nicht so destruktiv, das brauchen wir! (Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt sind wir auf dem Weg, die Pandemie zu überwinden. Wir haben Impfungen, wir haben Testungen, wir haben Präventionskonzepte. (Bundesrat Ofner: Ja, die nächsten zwei Wochen werden entscheidend sein!) Ich sage auch heute hier an dieser Stelle, auch im Namen meiner Branche: Ja, ich wünsche mir eine baldige Öffnung, so um Os­tern. Wir haben Werkzeuge, die es, wie ich meine, unter einem kalkulierten Risiko er­möglichen sollten, die Betriebe zu öffnen. Und ja, mir ist es auch lieber, es findet etwas in einem kontrollierten gewerblichen Umfeld statt als in einem unkontrollierten privaten Bereich, in dem nachweislich die Infektionen entstehen.


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Dazu bekenne ich mich, und es ist natürlich zu einfach, zu sagen: Das ist eh alles nur ein ganzer Verhau! – So kommen wir nicht weiter. Wir brauchen Reglements, die – es ist schon einmal gefallen – auch auf internationaler Ebene Reisefreiheit gewährleisten, um auch die Reisen und die Reisefreiheit wiederherzustellen. Natürlich brauchen wir auch weitere Hilfsmaßnahmen, darauf habe ich immer gedrängt, und die Regierung hat uns da immer, muss ich sagen, zu fast 100 Prozent erhört. Das letzte Beispiel war jetzt wieder der Ausfallsbonus, der von 15 auf 30 Prozent erhöht wurde. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das ist ein Faktum, wofür ich mich auch ganz herzlich bei dir, liebe Frau Ministerin, bedanken möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

Und weil ich Besserwisser gesagt habe – und das hat etwas mit dem Tourismus zu tun ‑: Nehmen wir an, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierung hätte alles anders ge­macht, aber es gäbe Tausende Tote mehr. (Bundesrätin Schartel: Das ist eine Vermu­tung!) Wo sind eure Argumente, wo das eine oder andere Argument 1 000 Tote mehr rechtfertigt? (Bundesrat Steiner: Polemisch! Polemisch!) Liebe Opposition, ich habe das noch nicht gehört. (Bundesrat Spanring: Ihr verursacht in der Zeit ... 1 000 Tote!) Wenn es so ist, dann sagt es vor der österreichischen Bevölkerung (Bundesrat Spanring: Ha­ben wir eh gesagt!), dass euch das wurscht ist, aber stellt euch nicht her und macht solche Meldungen! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das ist genau diese Schiene, die jetzt auf dem Rücken des österreichischen Tourismus gefahren wird – so wie von Herrn Kickl am Sonntag. Vorsicht, liebe Opposition, das sage ich auch in diese Richtung (in Richtung SPÖ), aufpassen, mit wem man sich politisch ins Bett legt! Ich habe noch niemanden von der Opposition dazu gehört (Zwischenrufe bei der SPÖ); der Herr Bundeskanzler hat gesagt, das widert ihn an. Ich habe sonst nichts gehört und sage es nur: Vorsicht, mit wem man sich politisch ins Bett legt! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir haben es bei Kickl mit einer Person zu tun, die Folgendes sagt – ich habe mir das aufgeschrieben, weil das so viele Dinge sind –: „verseuchte Pressekonferenz“, autoritä­rer Ständestaat, erinnert an Dollfuß (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr habt den Dollfuß im Klub ...!), „Schutzhaft“, „Testapartheid“ (Zwischenruf des Bundesrates Spanring– wissend, dass Apartheid ein Symbol der Unterdrückung durch eine weiße Minderheit über eine schwarze Mehrheit war –, „Hausarrest“, „Zwangstestung“. (Bundesrätin Stei­ner-Wieser: Wo sind wir denn? Ihr macht ja nichts anderes!?) Freunde, Ibiza, Trump und die Reichsbürger lassen grüßen, die Demokratie wird zerstört – darauf könnt ihr stolz sein! (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Jetzt sage ich euch noch etwas anderes aus der Perspektive des Tourismus, für den ich hier stehe und für den ich auch kämpfe: Für diese Vorgehensweise, liebe FPÖ, zahlen die Zeche – merkt euch das! – alle, speziell jene, die sich aus Überzeugung an die Maß­nahmen gehalten haben, auch wenn es schwerfällt. Ich meine hier Gastronomie, Hotel­lerie und die Unternehmen aus der Veranstalterbranche. (Ruf bei der FPÖ: Stimmt, alle zahlen die Zeche, die ihr gemacht habt!) Alle, auch die Kulturbetriebe, haben sich daran gehalten. Ihr geht auf die Straße, Tausende werden angesteckt. (Bundesrat Steiner: Wo?) Würde die FPÖ nicht so verantwortungslos agieren (Bundesrat Steiner: Wo denn?), dann wären wir schon viel weiter (Bundesrat Spanring: Wo sind die Cluster? Ihr Träumer!), aber ihr tut nirgends mit und dann schreit ihr, wenn die Infektionszahlen steigen. (Bundesrat Steiner: Wo denn?) Glaubt ihr vielleicht, das horchen die Wirte nicht aus? Dann seid ihr auf der Suppe dahergeschwommen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundes­rat Steiner: ... wahnsinnig!)

Das heißt, ich bin der festen Überzeugung, auch in diesem Haus: Die Hetzer gehören beim Namen genannt! (Bundesrat Spanring: Richtig!) So ungeschoren dürft ihr da nicht davonkommen (Bundesrat Steiner: Aber, Herr Präsident! Jetzt reicht es dann!), in einer Phase, in der alles stabil ist.


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Jetzt sage ich euch noch etwas (Bundesrat Spanring: Wer ist der Hetzer? – Bundesrat Steiner: Reichsbürger sind wir ...! – Zwischenruf des Bundesrates Schennach): Kommt einmal herunter und nehmt euch ein Beispiel am FPÖ-Klub in Oberösterreich! Da gibt es einen stellvertretenden Landeshauptmann, der nennt sich Haimbuchner, der macht eine konstruktive Sachpolitik (Rufe bei der SPÖ: Ja!), der sieht seine Partei auch als Wirtschaftspartei (Rufe bei der SPÖ: Ja!), der trägt auch Maske, liebe Kollegen der SPÖ. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.) Ich weiß nicht, ob ihr das mitkriegt, darum sage ich es euch jetzt. Das heißt, er ist konstruktiv. Natürlich hat ihn jetzt leider Gottes das mit dem Virus erwischt – kein Vorwurf –, aber ich glaube, dort hat man auch erkannt, dass es das Virus gibt, dass das keine Erfindung der ÖVP ist. Dieses Virus gibt es, und des­halb muss man da gegensteuern. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Jetzt sage ich euch noch etwas: Ich stehe hier auch als Wirt. Ein Freund von mir, 65 Jah­re alt – ich sage jetzt etwas Ernstes, bitte ein bisschen aufpassen –, sitzt nach der Virus­infektion im Rollstuhl. Das ist sogar in der Zeitung gestanden. Er hat zu mir gesagt: Sag denen einmal im Bundesrat: Seid ihr denn alle wahnsinnig geworden?! (Bundesrat Of­ner: Da hat er die ÖVP gemeint, wahrscheinlich!)

Und jetzt sage ich euch noch ein Beispiel, ich wollte es nicht sagen: Meine Frau war vier Monate im Spital, davon fünf Wochen auf der Intensivstation. Ich kann euch nur eines sagen – mehr möchte ich nicht sagen –: Das ist keine Influenza, das greift die Organe an. Wenn ihr das einmal mitmacht, dann redet ihr anders. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Ofner. – Bundesrat Schennach: Ihr seid alle wahnsinnig?! Herr Präsident, klären Sie das bitte!) – Der Wirt hat zu einer Politik, in der man betreffend das Virus nur schreit, dass es das nicht gibt, gesagt – das war seine Aussage –: Seid ihr denn alle wahnsinnig! – Das hat er so ge­sagt – aus, Ende, da brauche ich nichts mehr zu erklären. (Zwischenruf der Bundesrä­tin Schumann.)

Es ist mir auch noch ein Bedürfnis, etwas zu den letzten Äußerungen zu sagen. Herr Kollege Ofner hat gesagt, die Regierung habe die Wirtschaft und auch die Gastronomie, die Hotellerie und den gesamten Tourismus im Regen stehen gelassen. (Bundesrat Of­ner: Ja, eh!) Es gebe keine Hilfen, es komme nichts davon an. (Bundesrat Ofner: Habe ich nicht gesagt!)

Ich sage Ihnen eines: Ich bin da drinnen, ich habe selber Hilfen bekommen, ich weiß, wie es der Kollegenschaft geht. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Eigenar­tigerweise, das beobachte ich in der täglichen Arbeit, kommen von diesen Beschwerden zwei Drittel aus dem Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender, das ist ganz eigenartig. Ein Faktum ist, dass 95 Prozent der Hilfen ausbezahlt wurden, ab und zu spießt es sich, aber wir sind Weltmeister. Ihr habt es heute eh schon gehört: Härtefallfonds, Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz, Ausfallsbonus, reduzierte Mehrwertsteuer, die Pau­schalierung hat man erhöht, Überbrückungsgarantien – wir sind Weltmeister, was die Hilfen betrifft. Das muss man auch einmal offen sagen. Da bedanke ich mich auch sei­tens des Tourismus bei der Wirtschaft. Das heißt also nicht, dass da nichts gekommen ist. Das ist nicht nichts, und dafür habe ich auch als Interessenvertreter gekämpft: Wir haben bestellt, liebe Frau Minister, und es wurde auch geliefert. Danke dafür. (Bundesrat Steiner: Zur Geschäftsordnung!)

Ich sage auch dazu: Das war in einem konstruktiven Miteinander. Für mich ist das kons­truktive Miteinander entscheidend. Ich persönlich freue mich auch, wenn ich bald wieder aufsperren kann, keine Frage. Meine Profession ist es, Gastgeber zu sein, und das mit Freude. Ich bin überzeugt, dass es bald wieder losgehen wird. Indem man etwas ver­leugnet und Unwahrheiten verbreitet, wird es nicht besser. (Ruf bei der FPÖ: Ja, ge­nau! – Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Kommen wir bitte alle zur Vernunft! Agieren wir nicht destruktiv, sondern positiv! (Bundesrat Spanring: Kehr vor der eigenen


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 168

Türe!) Wenn wir positiv agieren (Bundesrat Ofner: So wie du jetzt gerade!) und das miteinander machen, wie wir das in der Interessenvertretung mit der Regierung machen, kommen wir weiter. – Danke, Frau Minister, danke schön. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

19.29


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Bundes­rat Steiner zu Wort gemeldet. – Bitte.

*****


19.29.08

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich muss mich zur Geschäftsordnung melden, denn genug ist genug. Sie haben vorhin meiner Kollegin einen Ordnungsruf erteilt, weil sie den Herrn Bundeskanzler größen­wahnsinnig genannt hat.

Jetzt kommen wir zur Rede des Herrn Kollegen Seeber: Der nennt uns Hetzer, fragt, wie dumm muss man sein, und nennt uns Reichsbürger. – Herr Kollege Seeber, dagegen verwahre ich mich und dagegen verwahre ich mich für die ganze freiheitliche Fraktion. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Kolland hat vorhin wieder gesagt, dass wir alle Rechtsradikale sind, und auch da gab es keinen Ordnungsruf. Herr Präsident, damit Sie beweisen können, dass Sie keine parteiische Vorsitzführung ausüben, fordere ich jetzt von Ihnen mindestens einen Ordnungsruf für Herrn Seeber! Ich fordere auch, das Protokoll der Rede von Herrn Kollegen Kolland kommen zu lassen, denn wir sind keine Rechtsradikalen. – Wo sind wir denn hier?! (Beifall bei der FPÖ.)

19.30


Präsident Mag. Christian Buchmann: Herr Bundesrat Steiner, ich habe den Bundes­ratsdienst beauftragt, die vorläufigen Stenographischen Protokolle der beiden Reden dem Präsidium vorzulegen.

*****

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr das Wort – Bitte, Frau Kollegin.


19.30.36

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Wir stehen am Beginn der Frühjahrssaison, der Nebensaison, und bis zur Sommersai­son dauert es nicht mehr so lange. Ich möchte mich jetzt deshalb ganz besonders auf den Bereich des Sommertourismus konzentrieren und dabei nicht so sehr in die Vergan­genheit, sondern mehr in die Zukunft blicken, denn in Hinblick auf die Zukunft können wir etwas verändern, etwas besser machen, etwas neu machen. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Für mich war es schon sehr beeindruckend, zu sehen, wie sich der Sommertourismus in Österreich entwickelt hat: In der Sommersaison 2011 gab es in Österreich 64 Millionen Nächtigungen – diese Zahl hat sich bis zum Jahr 2019 auf 79 Millionen gesteigert, das ist enorm! Das ist einerseits sicherlich der wunderschönen Landschaft unseres Heimat­landes, unserer Republik geschuldet. „9 Plätze – 9 Schätze“ – noch viel, viel mehr als neun gibt es, unendlich viele. Vor allem ist diese Steigerung aber den qualitativ hochwer­tigen Dienstleistungen der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Touristiker und ih­rer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken, das ist nicht zu vergessen.


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Noch vor einem Jahr waren wir alle hoffnungsvoll – jetzt sind die Hoffnungen sehr ge­dämpft. Im letzten Jahr kam es in der Sommersaison zu einem Einbruch der Nächtigun­gen auf 53,8 Millionen, das ist ein Rückgang von 31,8 Prozent. Dabei gab es regional große Unterschiede: Besonders Wien und der Städtetourismus mussten aufgrund der internationalen Situation enorme Einbrüche hinnehmen, ländliche Regionen und die Re­gionen rund um die Seen haben natürlich besser abgeschnitten.

Was den Touristikern, was uns allen in der letzten Sommersaison vor allem geholfen hat, war der Inlandstourismus, waren die Österreicher, die in der Heimat Urlaub gemacht haben. Jetzt stehen wir wieder vor dem Beginn der Sommersaison, und die Branche ist in Unsicherheit. Was am allermeisten fehlt, sind Perspektiven. (Beifall bei der SPÖ.)

Inmitten dieser Gesundheitskrise braucht diese Branche Perspektiven: die Hotellerie, die Gastronomie, die Busunternehmer, Kunst und Kultur sowie alle Zulieferer. Natürlich brauchen sie auch Förderungen – aber was diese Branche will, ist arbeiten! Die Men­schen wollen arbeiten, sie wollen ihren Beruf ausüben, sie wollen ihre Berufung leben. Sie wollen bewirten dürfen, sie wollen Gäste willkommen heißen. Es geht ihnen, glaube ich, nicht nur die Geduld aus, es geht ihnen wirklich die Kraft aus, das ist eine Tatsache – das ist schwer –, und diese Kraft fehlt enorm.

Es gibt in dieser Branche auch extrem hohe Arbeitslosenzahlen: Ende Februar waren es rund 78 000 Arbeitslose in der Tourismusbranche. Natürlich ist die Regierung da aufgefordert, zu handeln, und ich betone noch einmal: Die Regierung ist nicht nur aufge­fordert, mit finanziellen Förderungen zu helfen – die sind wichtig, die sind richtig, aber es braucht noch so viel mehr! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht durch Abwanderung der qualifizierten Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter das Fachwissen, die Kompetenz und die Erfahrung in dieser Branche verlieren. Frau Ministerin, Sie haben heute über Maßnahmen gesprochen be­ziehungsweise uns mitgeteilt, dass Sie mit dem Arbeitsminister in Gesprächen seien, dass 2021 das Thema touristischer Arbeitsmarkt ein Jahresschwerpunkt sein werde – da ist jetzt zu handeln!

Die Unternehmerinnen und Unternehmer erzählen mir nämlich etwas anderes: Ihre Mit­arbeiter gehen jetzt verloren, die sind bereits auf dem Weg in andere Branchen, und mit ihnen das Wissen, die Erfahrung, die Fertigkeiten und die Fähigkeiten. Das ist ein nach­haltiger Schaden, den diese großartige Branche in Österreich lange spüren wird. Bitte, bitte: Es ist ganz wichtig, da schnell zu handeln – nicht in ein paar Wochen, sondern jetzt! (Beifall bei der SPÖ.)

Was auch wichtig ist – und das ist für mich einer der wichtigsten Punkte –: Die Unterneh­merinnen und Unternehmer erzählen mir sehr oft, dass ihnen nicht vertraut werde. Diese Regierung muss Vertrauen in unsere Unternehmerinnen und Unternehmer setzen: Glau­ben Sie mir, die können ihre Betriebe sicher – und das im doppelten Sinn des Wortes – führen, aber sie brauchen das notwendige Werkzeug dazu, wenn sie öffnen.

Ich sehe das so wie Herr Kollege Arlamovsky: Das muss differenziert geschehen. Es gibt einen Unterschied zwischen der Diskothek und dem Restaurant; es gibt einen Unter­schied zwischen einer Jugendherberge und einem Hotel. Man muss differenzieren und Chancen ermöglichen, dort, wo sie mit dem Infektionsgeschehen aus virologischer Sicht verantwortungsvoll vereinbar sind – und nicht alles von Haus aus ablehnen. Das braucht die Wirtschaft, das braucht die Branche, und das brauchen die Menschen in unserem Land.

Wenn Sie die letzten Monate in einer kleinen Wohnung in der Stadt verbracht haben, brauchen Sie die Hoffnung auf ein bisschen Auszeit. Das braucht auch die Gesundheit der Menschen, denn es gibt auch gesundheitliche Aspekte abgesehen von Corona. Na­türlich muss eine Öffnung immer unter dem Aspekt der virologischen Verantwortung


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geschehen – aber es gibt Möglichkeiten, und da frage ich mich jetzt schon, was da ge­macht wird.

Es wäre sehr nett (in Richtung Bundesministerin Köstinger), wenn man sich vielleicht nicht nebenbei unterhält, das wäre ein Zeichen der Wertschätzung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege, die Frau Ministerin hat sicher im Anschluss Zeit für das Gespräch, nehme ich an. Da geht es wirklich um Wertschätzung. (Beifall bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Steiner – in Richtung eines sich auf dem Weg zur Regierungsbank befindlichen Bundes­rates –: Da kommt der Nächste!)

Was macht die Regierung mit der Verantwortung? Da möchte ich mich jetzt ganz direkt an Kollegen Seeber wenden: Ihr habt dem Entschließungsantrag wegen der Vorgehens­weise nicht zugestimmt. Können Sie mir bitte sagen, wohin ein solcher Antrag gehört, wenn nicht ins Parlament? (Zwischenrufe der Bundesräte Bader und Seeber.) Welche Vorgehensweise hätte es sein sollen? Es war auch schon längst an der Zeit, diese Selbsttests endlich zuzulassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ebenfalls längst an der Zeit, den Menschen in unserem Land nicht ständig zu unterstellen, dass sie nicht fähig wären, Verantwortung zu tragen – die können das! Die SPÖ und unsere Vorsitzende haben das schon seit langer, langer Zeit gefordert – diese Zeit ist ungenutzt verstrichen. Das sind jedoch Wege, die beschritten werden müssen, um Sicherheit auf beiden Seiten zu gewährleisten: für die Gesundheit und für die Wirt­schaft, das fordere ich ein, und das fordert meine Fraktion ein.

Impfen ist das nächste Thema: Das ist die einzige Chance, um diese Pandemie endlich zurückzudrängen. Das ist unsere einzige Chance, und da muss jetzt etwas weitergehen. Da muss etwas geschehen, das muss schneller gehen – aber es gehört auch dazu, die Arbeitssituation, die Situation der Menschen in dieser Branche jetzt zu verbessern.

Diese Branche hat schon vor der Krise sehr viel Platz auf der Mangelberufsliste einge­nommen. Das wird jetzt schlimmer werden, und wir müssen schauen, dass wir diese Lücke mit inländischen Mitarbeitern, die jetzt auf dem Arbeitsmarkt frei sind und Beschäf­tigung brauchen, auffüllen. Längst hätten diese zusätzlich qualifiziert werden können, längst hätte man da Programme starten können. (Bundesrat Steiner: Zu denen sagt man ja, dass der Beruf keine Zukunft hat!)

Ich finde auch, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, um den Motor anzukurbeln, daher der Antrag betreffend das Bonusticket, den wir heute einbringen. Bitte denkt darü­ber nach: Das bringt den UnternehmerInnen etwas, aber auch den KonsumentInnen. Das sind Maßnahmen, die greifen.

Ich sage es noch einmal: Es ist nicht Zeit – es wäre schon längst an der Zeit gewesen, solche Dinge in Angriff zu nehmen! Das Vertrauen in die Vernunft, in die Eigenverantwor­tung der UnternehmerInnen, der MitarbeiterInnen und der Menschen muss wieder in den Fokus gerückt werden. Wir wollen keine riskanten Öffnungen, keine unkontrollierten Öff­nungen, aber wir leben von der Wirtschaftsleistung dieser Unternehmerinnen und Unter­nehmer. Wir trauen ihnen nicht zu, dass sie einen Selbsttest kontrollieren? – Das kann doch nicht wahr sein! Ich kann das nicht verstehen, denn das sind Dinge, die notwendig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir dürfen nicht warten, warten und wieder warten; nicht vertrösten, nicht Unsicherheiten noch größer werden lassen. Wir müssen kontrolliert – mit Vertrauen, aber kontrolliert – nächste Schritte gehen. Sie sagen, die Entwicklungen in Vorarlberg sollen abgewartet werden. Dort gelten die Selbsttests in der Gastronomie gar nicht. Sagen Sie mir, wofür das ein Vorbild sein soll! Sie versuchen es dort nicht einmal mit der Gastronomie, also


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ist die Hoffnung, dass die Selbsttests im Rest des Landes zum Eintritt berechtigen wer­den, wohl von Anfang an sehr gering – auch, wenn Sie medial dafür eintreten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Hübner.)

19.42


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Michael Bernard. – Bitte, Herr Bundesrat.


19.43.05

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Vizepräsidentin! Frau Minister! Werte Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Im Dezember 2018, als die Bundesregierung noch freiheitlich besetzt war, trafen wir Beschlüsse über die Entwicklung und Weiterentwicklung des Wirtschafts­standorts Österreich, zum Beispiel das Standort-Entwicklungsgesetz.

Mit dem damals neuen Standort-Entwicklungsgesetz verlangten wir von den Behörden schnellere Entscheidungen sowie raschere Klarheit und Rechtssicherheit für beide Sei­ten zu gewährleisten. Rechtssicherheit und Planungssicherheit: Dies benötigt ein funk­tionierender Wirtschaftsstandort. Ein funktionierender Wirtschaftsstandort ist auf mehre­re Fundamente zur Absicherung gebaut. Kaum vorstellbar, aber das türkis-grüne Bestat­tungskomitee für unsere Wirtschaft hat aus mehreren sich gegenseitig absichernden Be­tonfundamenten innerhalb nur eines Jahres einen undefinierbaren türkis-grünen Schleim­pudding gemacht. (Beifall bei der FPÖ.)

Dieser nicht definierbare, gegen den Wind stinkende türkis-grüne Schleimpudding ist ein Mix aus verschiedenen zusammengemischten Schleimen, bei denen Freunderlwirt­schaft, Korruption und vieles mehr in einer schwarz-türkis-grünen Masse zusammenflie­ßen. Auch hier im Bundesrat gibt es anscheinend bereits einen türkisen Bakterien­stamm – Leidtragende sind die Bevölkerung und die Wirtschaftstreibenden. (Zwischen­ruf des Bundesrates Schreuder.) Sie als Ministerin sind mitverantwortlich für die vielen bedrohten Existenzen!


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Herr Bundesrat, ich würde Sie bitten, den Aus­druck „Bakterienstamm“ noch einmal zu überdenken und anders zu formulieren, sonst sehe ich mich gezwungen, einen Ordnungsruf zu erteilen.


Bundesrat Michael Bernard (fortsetzend): Ja, dann geben Sie mir halt einen Ordnungs­ruf. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Ich nehme es zur Kenntnis.

Wir Freiheitliche fordern Sie als Ministerin auf, endlich Planungssicherheit und eine klare Perspektive mit einem konkreten Öffnungsdatum zu geben! Beenden Sie Ihre monate­lange Hinhaltetaktik und Chaospolitik auf dem Rücken der betroffenen – zum Teil am Rande ihrer Existenz stehenden – Unternehmer, ihrer Familien und Mitarbeiter!

Die bereits mehrfach erfolgten Vertröstungen hinsichtlich einer möglichen Öffnung der Tourismusbetriebe sind jedes Mal erneute Schläge ins Gesicht der ohnehin schon unter massiven Liquiditätsengpässen und Zahlungsschwierigkeiten leidenden Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitlichen sind gegen das Schächten – egal, ob bei Tieren oder, wie die türkis-grüne Bundesregierung dies seit 16.3.2020 tut, bei den Gastronomen, den Hoteliers und all den Mitarbeitern. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der BundesrätInnen Schu­mann und Schennach.)

Was passiert, wenn die ÖVP längere Zeit für einen Bereich zuständig ist, sieht man am Beispiel der Landwirtschaft, wenn man sich das Bauernsterben als Folge von über 30 Jahre ÖVP-Verantwortung für die Bauern anschaut: 1970 gab es in Österreich unge­fähr 366 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, 1990 waren es 282 000 Betriebe und 2017 gab es nur mehr 162 000 Betriebe. Ich denke, die Zahlen sprechen für sich.


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Nun hat sich die türkis-grüne Bestattungsgesellschaft anscheinend vorgenommen, die Gastronomie- und Hotelbetriebe zu vernichten – aber nicht langfristig, so wie in der Landwirtschaft, sondern in einem kürzeren Zeitraum. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenru­fe der BundesrätInnen Kittl und Schreuder.)

Ich habe in den letzten Monaten unzählige Mails von Menschen aus den Bereichen Gast­ronomie und Hotellerie erhalten, die inhaltlich in die gleiche Richtung gehen. Eines davon möchte ich Ihnen, Frau Minister, wortwörtlich zur Kenntnis bringen:

„Heute ist ein Tag, an dem ich meinem inneren Frust ein Ventil geben muss. Ich arbeite seit mehr als 30 Jahren, meist 70 Stunden die Woche, als Wirt. Ich war es gewohnt für mein Einkommen selbst zu sorgen. Momentan hat man mich und meine Kollegen zu Bittstellern degradiert. Seit vielen Jahren engagiere ich mich auch für unsere Branche in der Kammer, ehrenamtlich! Doch was haben wir alle bewirkt: Nichts!

Wie kann es sein, dass wir Wirte zum Bundeskanzler kriechen und betteln müssen, dass wir aufsperren dürfen? Für die Wirte am Verhandlungstisch: der Herausgeber eines Gourmetmagazins und der Wirtschaftskammerpräsident, der ein Wirtshaus nur als Gast kennt. Von uns ‚normalen‘ Gasthäusern, die ländlich geprägt sind, war niemand geladen. Warum war kein Wirt aus dem Fachverband der Gastronomie der Wirtschaftskammer dabei, der die Probleme der ländlichen Gastronomie kennt?

Seit vielen Jahre wird in unsere Lokale hineinregiert. Allergenverordnung, Registrierkas­se, Rauchverbot usw. sind nur die jüngsten Beispiele. In all den Jahren hat mich niemand gefragt, wie es schaffe, Gewinn zu machen und meine Abgaben zu zahlen. Es kamen nur Briefe von den diversen Stellen, die mir sagten, was ich zu zahlen habe. Heute ent­scheiden Menschen über meinen Betrieb, die noch nie einen Tag in der realen Wirtschaft gearbeitet haben und die ihren Lohnscheck pünktlich überwiesen bekommen. Sie haben keine Ahnung, wie es ist, mit eigenem Geld zu investieren, Risiko zu übernehmen und sich über Jahre täglich zu beweisen.“ (Beifall bei der FPÖ.)

„Es etabliert sich unserem Land zunehmend eine Politik des Law and Order. In der Pan­demie zeigt sich sehr schön, wie viel Verantwortung, Miteinander oder auch Gewissen man den Bürgern zutraut. Die Eigenverantwortung des Menschen wird zurückgedrängt, die gesetzlichen Regelungen mit Strafandrohungen stehen im Vordergrund. Das Ver­trauen des Staates in seine Bürger ist gelinde gesagt überschaubar. Nun ist herausge­kommen, was bei dieser Gastroverhandlung herauskommen musste! Wirte sollen als Sheriff der Regierung unsere Gäste überprüfen. Der Wirt als Kontrollorgan: Prüfung der Testergebnisse, Prüfung des Zeitpunktes des Testes, Prüfung der Identität der Person, Prüfung der Wohnorte der Gäste (damit wir feststellen können, ob auch nur 2 Haushalte am Tisch sitzen), Prüfung der Maximalanzahl im Lokal, Prüfung der Rauchgewohnhei­ten, Prüfung der Allergene. Eigenverantwortung?

Die Öffnungszeiten (Einschränkung auf Tages Geschäft) sind für viele Wirte am Land unakzeptabel. Wie sollen wir jemals Geld verdienen? Ich kann auch die Worte ‚Wir sind froh, dass wir überhaupt aufsperren dürfen.‘ nicht mehr hören. Man hat uns unsere Arbeit verboten, man hat unseren Mitarbeitern verboten, zu arbeiten!

Zuerst waren es die Intensivbetten, die ein Aufsperren verhinderten, nun sind es Muta­tionen, die als Bedrohung dargestellt werden. Es ist unser Recht, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Wir sind auch Menschen und müssen unseren Unterhalt finanzieren. Es ist die Pflicht der Regierung, der Gesellschaft auch ein finanzielles Leben zu ermögli­chen. Es ist auch die Pflicht der Regierung, uns Mitbürger als verantwortungsvolle Men­schen zu sehen, die durchaus mit Eigenverantwortung umgehen können. Wir haben nicht das Privileg, beim Staat oder in Branchen tätig zu sein, die trotz der Krise weiter­laufen.


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Wir, in der realen Wirtschaft sind es, die Steuern zahlen, die Arbeitsplätze sichern, die das soziale Leben prägen und auch Verantwortung übernommen haben. Wir haben auch alle Eltern, Geschwister und Kinder, die uns am Herzen liegen. Weg mit Strafandrohun­gen hin zur Eigenverantwortung, das wünsche ich mir.“

Ich habe einige solcher Mails bekommen.

Nun zum eklatanten Rückgang der Wirtschaftsleistung in Beherbergung und Gastrono­mie. Wie katastrophal gesamtwirtschaftlich betrachtet gerade der Stillstand im Bereich Tourismus in Österreich ist, veranschaulichen die jüngsten Zahlen nur allzu drastisch. Dass Österreichs Wirtschaft im europäischen Vergleich echt hart getroffen wurde, liegt laut Tobias Thomas, Generaldirektor von Statistik Austria, insbesondere am kräftigen Rückgang der Wirtschaftsleistung in den Bereichen Beherbergung und Gastronomie. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Beherbergung und Gastronomie um real 35,2 Pro­zent im Jahr 2020 war im Vergleich zu den anderen Dienstleistungsbranchen der stärkste.

In der Tourismusbranche gibt es eine enorm hohe Arbeitslosigkeit: Der totale Stillstand im Tourismus seit Anfang November hat dazu geführt, dass mittlerweile rund 72 000 Per­sonen aus der Tourismusbranche auf Jobsuche sind – das ist eine Steigerung um rund 50 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die über 70 000 Arbeits­losen im Tourismus entsprechen einem Anteil von etwa 16 Prozent an der gesamten Arbeitslosigkeit in Österreich. „Wir haben im Tourismus eine große Herausforderung“, so hat es auch Arbeitsminister Kocher am 19.1.2021 bezeichnet.

Zur Bedeutung des Tourismus in Zahlen: 2019 gab es in Österreich 152 Millionen Näch­tigungen, der Tourismus spielte in der österreichischen und der regionalen Volkswirt­schaft eine bedeutende Rolle. Im Jahr 2018 betrugen laut geschätzten TSA-Ergebnissen die Gesamtausgaben für Urlaubs- und Geschäftsreisen sowie Verwandten- und Bekann­tenbesuche rund 37 Milliarden Euro. Die Gesamteffekte, direkt und indirekt, beliefen sich 2018 auf weitere 28,3 Milliarden Euro.

Die Tourismuswirtschaft in Österreich generierte damit unglaubliche 7,3 Prozent des BIPs, und zum Beispiel werden 25 Prozent der Bruttowertschöpfung im Bereich Touris­mus und Gastronomie in Tirol erwirtschaftet. Ungefähr jeder siebente Euro, der in Tirol verdient wird, kommt aus Beherbergung und Gastronomie.

2018 wurden rund 19,5 Milliarden Euro von ausländischen Touristen nach Österreich gebracht, also frisches Geld für die Wirtschaft. Verursacht durch die türkis-grünen Initia­tiven, gibt es nun enorme Kollateralschäden auch in anderen Branchen: Der anhaltende Stillstand von Gastronomie- und Beherbergungsbetrieben hat natürlich enorme negative Auswirkungen auf Handel und Wirtschaft.

Nun kurz zur geplanten Verordnung für Vorarlberg: Zugang nur mit negativem PCR-Test, 2 Meter Abstand zwischen den Tischen, Sperrstunde 20 Uhr, keine Konsumation im Ste­hen. Selbst für die vom türkis-grünen Bestattungsunternehmen namens Bundesregie­rung zum runden Tisch beigezogenen Unternehmen – zum Beispiel waren da Plachutta oder Sacher dabei, die keinesfalls den durchschnittlichen Gastronomiebetrieb perfekt widerspiegeln – wird die 20 Uhr-Sperrstunde ein K.-o.-Schlag sein.

Ein paar weitere Beispiele: Eine Gastwirtin ist schwanger, die Empfehlung lautet, in der Schwangerschaft keine FFP2-Maske zu tragen – ohne Maske darf sie aber nicht arbei­ten, ihr gehört aber der Betrieb. Darf sie jetzt den Betrieb gar nicht mehr betreten, wenn geöffnet ist? Wie soll das gehen? Es gibt auch sehr viele Betriebe, die im Regelbetrieb mit nur einer Servicekraft geführt werden. Wie soll diese garantieren, dass kein Unge­testeter das Lokal betritt? Mehr Personal bei weniger Geschäft wird schwer möglich sein.

Aufgrund der späten Stunde werde ich meine Rede etwas abkürzen. (Allgemeiner Bei­fall. – Heiterkeit bei der ÖVP.)


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Tourismusbetriebe stehen wirtschaftlich am Abgrund, enorme Pleiten drohen. Wie alar­mierend, existenzgefährdend und arbeitsplatzvernichtend das neuerlich verlängerte Auf­sperrverbot insbesondere für den Bereich Tourismus ist, belegt unter anderem eine Modellrechnung der Oesterreichischen Nationalbank von Dezember des Vorjahres. Die­se prognostiziert, dass bis Ende 2022 fast 10 Prozent der heimischen Unternehmen plei­tegehen könnten – im Bereich Gastronomie und Hotellerie sogar 29 Prozent, und dabei sind die nunmehr verlängerten Verschärfungen noch gar nicht eingerechnet!

Es geht auch um nicht verkraftbare Einnahmenverluste: Wie sehr die heimischen Touris­musbetriebe mittlerweile mit dem Rücken zur Wand stehen, bestätigt auch drastisch die jüngste Tourismusanalyse des Wifo. Sie geht für das gesamte Winterhalbjahr 2020/2021 von einem Nächtigungseinbruch von 83 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau aus. Die bereits schlechte Sommersaison 2020 mit einem Nächtigungsminus von 31,8 Pro­zent wird damit noch weit übertroffen.

Ohne Berücksichtigung der Covid-19-Unterstützungen müssen die heimischen Touris­musbetriebe einen Einnahmeneinbruch von rund 90 Prozent verkraften. Wir sprechen da von einem Umsatzminus im Tourismus von etwa 14 Milliarden Euro, von denen 8 Mil­liarden Euro zulasten der Hotellerie und Gastronomie gehen. Allein der österreichischen Hotellerie entgehen im Lockdown wöchentlich 255 Millionen Euro, so die Hotelleriespre­cherin Susanne Kraus-Winkler.

Wir Freiheitliche fordern Sie und die gesamte Bundesregierung auf, den Gastronomiebe­trieben, den Hotels mit sofortiger Wirkung das Aufsperren ohne Eintrittstest und weitere Schikanen zu ermöglichen! Die noch ausstehenden und zugesagten Ausfallsentschädi­gungen beziehungsweise Förderungen sind sofort auszuzahlen. Nur durch diese Maß­nahme können Sie verhindern, dass der derzeit geschätzte Anteil von 30 Prozent der Gastronomie- und Hotelleriebetriebe, die nicht mehr aufsperren werden, nicht auf 50 Pro­zent und mehr steigt, wie es bei den landwirtschaftlichen Betrieben der Fall war.

Wichtig wäre auch, dass sich die türkis-grüne Bundesregierung um die österreichische Wirtschaft und die Grundrechte der österreichischen Bevölkerung kümmert, etwa um das Thema der ordnungsgemäßen Kennzeichnung österreichischer Produkte und Quali­tätssicherung, Stichwort ÖVP und Hygiene Austria. Die Regierung soll nicht ihre Ar­beitskraft und Ressourcen dafür verwenden, unschuldige Österreicher finanziell zu ver­nichten.

Österreichs Wirtschaft, insbesondere die Tourismuswirtschaft, wurden und werden durch die Covid-19-Krise massiv geschwächt. Die Tourismusbranche als Österreichs Vi­sitenkarte für Millionen ausländischer Gäste sieht einer düsteren Zukunft entgegen, dro­hende Insolvenzen können insbesondere ausländische Schnäppchenjäger auf den Plan rufen.

Österreichs Tourismus könnte sein weltweit geschätztes Gesicht, für das herzliche Gast­geber in unserer wunderschönen Natur sorgen, auf Dauer verlieren. Ein McDonald’s auf der Schmittenhöhe, ein Starbucks auf der Planai oder ein Hilton-Hotel in Bad Gastein sind Beispiele dafür, wie sich dieser drohende Ausverkauf auswirken würde – dies gilt es, rechtzeitig und mit aller Entschlossenheit zu verhindern. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich bringe folgenden Antrag ein (Zwischenruf des Bundesrates Schennach):

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausverkauf der heimischen Wirtschaft nach bevorstehender Pleitewelle im Tourismusbereich verhin­dern“

Der Bundesrat wolle beschließen:


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 175

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat Regierungsvorlagen zuzuleiten bzw. Maßnahmen zu setzen, die durch die Umsetzung nachstehender Forderungen ei­nen Ausverkauf Österreichs durch Übernahmen heimischer Unternehmen durch Inves­toren aus Drittstaaten verhindern bzw. erschweren:

Festlegung eines Vorkaufsrechts für österreichische Investoren bzw. Investoren aus Mit­gliedstaaten der Europäischen Union

Nachweispflicht eines Masseverwalters oder Veräußerer, dass kein Käufer aus Öster­reich bzw. der Europäischen Union gefunden werden konnte

Einführung einer Genehmigungspflicht für Transaktionen insbesondere im Bereich von Hotellerie und Gastronomie, sodass die Verträge aufschiebend bedingt gültig durch die Genehmigung abgeschlossen werden

Einsetzen auf Europäischer Ebene für die rasche Beschlussfassung von Richtlinien, die einen Ausverkauf von österreichischen und EU-Unternehmen an Drittstaats-Hedge-Fonds und Konzerne verhindern oder zumindest erschweren

Neben gesetzlichen Maßnahmen Auf- und Ausbau der notwendigen Ressourcen bei den zuständigen Behörden.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.59


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Ausverkauf der heimischen Wirtschaft nach bevorstehender Pleitewelle im Tourismusbereich verhin­dern“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte, Herr Bun­desrat.


20.00.05

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin, was ich jetzt sage, ist nicht despektier­lich: Ich bin dagesessen, habe Ihnen (in Richtung Bundesministerin Köstinger) zuge­hört – ich höre Ihnen immer zu, aber diesmal speziell –, und dann ist mir ein Bild gekom­men. Die Haarfarbe stimmt nicht und die Länge stimmt nicht, aber ich habe das Gefühl gehabt, Sie leben ein bisschen Pippi Langstrumpf aus: Ich habe die Kraft, ich male mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt. – Das war heute durchgehend mein Eindruck.

Kollege Schreuder war ja da und hat gemeint, er ärgere sich so, weil er die Unterstellung fühle, dass alles geplant sei. Das wäre ja eine enorme Leistung, Kollege Schreuder. Es ist umgekehrt! Ich glaube, dass wir im Krisenmanagement eine enorme Planlosigkeit haben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Diese Planlosigkeit ist auch noch mit einer Herzlosigkeit verknüpft. Einer der großen Fehler, Frau Bundesministerin, ist, dass man Beherbergungsbetriebe von Anfang an un­ter einen Generalverdacht gestellt hat. Das wäre nicht notwendig. (Beifall bei Bundes­rätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Ich frage immer meine Kolleginnen und Kollegen, die, wenn sie an einer Bundesratssit­zung teilnehmen wollen, ja in einem Hotel schlafen müssen – das ist ja notwendige Infrastruktur für Geschäfte, für Business und so weiter. Die sagen und erzählen mir im­mer von fantastischen Konzepten und dass es in den Hotels funktioniert. Ich selber war


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beruflich mitten in der Pandemie als Leiter der internationalen Wahlbeobachtungskom­mission in Warschau. Jedes Mal, wenn ich dort ins Hotel gegangen bin, hat das penibelst funktioniert. Der Generalverdacht für alle war also ein schwerer Fehler, und man muss das Schritt für Schritt und mit Hirn angehen. Ja, liebe FPÖ, eine Pandemie ist eine Pandemie. Liebe Frau Bundesministerin, das ist so, wie wenn man sich die Welt, die man gerne hätte, zeichnet. Sie haben das Wort gesagt: Wir wollen zurück in die „alte Normalität“. Diese alte Normalität wird es nicht mehr geben. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Die gibt es genauso wenig, wie Ihre Ankündigung, ab dem 7. Jänner würden wir wieder aufsperren, real wurde. (Bundesrat Ofner: Ja! – Bundesrat Steiner: Danke, danke, dass das jemand sagt!) Das eine hat es nicht gegeben und die alte Normalität wird es nicht mehr geben. Wir werden damit leben müssen. Es ist eine weltweite Pandemie. Das heißt, sehr wohl macht es die Europäische Union – und Sie waren ja auch lange in Brüs­sel – richtig, indem sie feststellt, dass der industrialisierte Norden dermaßen viele Impf­kapazitäten aufgekauft hat, dass eine Verpflichtung da ist, diese auch an ärmere Staaten und Gesellschaften zu verteilen. Sonst kommen wir in der Bekämpfung dieser weltweiten Pandemie überhaupt nicht weiter. Sie wird immer bleiben und es werden, wie Experten und Expertinnen sagen, in der nächsten Zeit neuere, andere solcher Pandemien kom­men, weil das auch mit dem Leben zusammenhängt. Deshalb müssen wir lernen – da lernt die Regierung, da lernen wir als Opposition, und es lernen die Menschen –, wie man damit umgeht, damit man schneller ist.

Zum Beispiel war der Kardinalfehler in der gesamten Bekämpfung überhaupt, dass die Regierung ein erprobtes, ein gutes Epidemiegesetz einfach aufgekündigt hat. Das war erprobt – einerseits durch die Spanische Grippe, andererseits durch die Kinderlähmung und so weiter – und wird einfach gestrichen. Dann setzen wir uns ununterbrochen zu­sammen, um Covid‑Gesetze, Anlassgesetze zu erlassen, weil die Basis weggebrochen ist. Das war einer der großen Fehler. Mittlerweile muss man ja schon ziemlich gut sein, um durch all diese Covid‑Gesetze überhaupt noch den roten Faden zu finden. (Beifall des Bundesrates Dim.)

Schauen wir zum Beispiel allein den heutigen Tag an! Ich habe deshalb die Herzlosigkeit angesprochen, die oft auch mit Hirnlosigkeit verbunden ist, aber ich sage jetzt Herz­losigkeit. Wenn man das nicht versteht: Wenn wir jetzt, da die Geschäfte offen sind, da auch der Handel wieder anspringt, das Arbeitslosengeld nicht erhöhen, dann bekommen wir keine Kaufkraft. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Wissen Sie, was mich am meisten erschreckt, wenn wir die Arbeitslosenzahlen anschau­en? Dass wir Langzeitarbeitslose im Alter zwischen 18 und 21 Jahren haben. Das ist alarmierend. Deshalb brauchen wir die Aktion 40 000. Sie haben diese heute im treuen Schulterschluss abgelehnt. Das war ein Fehler. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesminister, wir können einen kurzen Schulterschluss machen. Was wir brau­chen – es wurde ja heute hier abgelehnt –: einen wirkungsvollen Mutterschutz.

Weiters, was wir heute durch Horst Schachner in einer sehr emotionalen Rede präsen­tiert bekommen haben: Wir brauchen nach 45 Jahren endlich bitte eine abschlagsfreie Pension. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Ja, wenn wir das mitziehen, dann halten wir die Arbeitslosenzahlen künstlich hoch – aber wir wollen ja weg davon.

Zwei, drei Monate lang haben wir gesagt: Bitte, bitte testen, testen! Nach zwei, drei Mo­naten hat die Bundesregierung gesagt: Na ja, was Frau Rendi-Wagner sagt, ist gar nicht so blöd, also das werden wir jetzt machen. Dann kommen sie wieder: Mah, Elga oder nicht? Dann kommt das endlich über die Apotheken, und zack, nach nicht einmal 24 Stun­den gab es keine Tests mehr. Wie wollt ihr, dass euch die Bevölkerung wieder vertraut?


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Wie wollen wir die Gastronomie und die Beherbergungsbetriebe wieder in Schwung bekommen?

Selbst das, was Sie heute so toll dargestellt haben: Ich meine, es wundert mich ja bei einer Tourismusministerin, dass sie nicht genau weiß, dass derzeit die supergefragten Fachkräfte im Tourismus abwandern. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Sie gehen entweder in die Pflege oder ganz woanders hin – und das trotz des Köche- und Köchinnenmangels, den wir in der gesamten Branche haben. Das ist fatal. Sie er­höhen jetzt den Trinkgeldersatz um 175 Euro, aber die Wirte bekommen 825 Euro. Spürt ihr nicht, dass das eine Disharmonie sondergleichen ist?

Weiter: Steuerstundungen und Kredithilfen – das kommt ja irgendwann zurück, gestun­dete Steuer ist irgendwann einmal zu zahlen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Bitte?

Was wir jetzt brauchen, ist eine spartenweise Öffnung oder ein sehr kluges Öffnungskon­zept mit natürlich allen notwendigen Vorsichtsmaßnahmen. In Wien hat nicht jeder Gast­ronomiebetrieb einen Gastgarten. Daraufhin hat der Bürgermeister entschieden: Man macht zuerst 23 und dann 46 Gastroinseln. Die sind oben gedeckt, und jene Wirte, die es sonst nicht schaffen würden, haben jetzt die Möglichkeit, in diesen Gastroinseln auf­zusperren. (Beifall bei der SPÖ.) Das Wichtige daran: Wir machen es nicht so wie eure Gastgartenförderung – für die einen 20 und für die anderen zehn; schon wieder ganz komplizierte Sachen –, nein, sondern das gesamte Equipment stellt die Stadt Wien den Wirten und Wirtinnen zur Verfügung. (Rufe bei der SPÖ: Genau!) Wir brauchen da nicht mit Quadratmetern herumzutun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein ganz klares Zeichen der Unterstützung ist, dass auch die Infrastruktur für dieses Projekt von der Stadt Wien gesponsert wird. Ich denke, das ist etwas Schnelles, das ist etwas Klares.

Ich weiß nicht, was die Vorarlberger dazu sagen, aber heute wurde ja ganz Vorarlberg als gallisches Dorf bezeichnet. Sagen wir: eine gallische Region – verstehen wir uns da auch? Die Frage ist, ob das Kleinwalsertal über Deutschland davon profitiert? Das wird der bayerische Ministerpräsident nicht wertschätzen, weil er ja im deutschen Fernsehen fast nur kritische Worte über die österreichische Bundesregierung findet. Ich kann mich erinnern, in einer Pressekonferenz hat er gesagt: Kann denn irgendjemand der Wiener Regierung ein bisschen Hirn einflößen? – Also das ist schon eine starke Aussage.

Was ist aber denn das jetzt wieder mit Handy und QR-Code? Wir sagen: Akzeptieren wir den Wohnzimmertest! Warum schicken wir jetzt unsere alten Leute wieder auf neue technische Abenteuer, weshalb viele nicht teilnehmen können? Das ist so wie die Inter­netanmeldung für die Impfungen, die dann ganz schön zu Problemen geführt hat.

Nun kommen wir aber dorthin zurück, wo die Regierung beim Geldausgeben allerdings absolute Superklasse ist. Alleine wenn wir uns das anschauen: Die Regierung Kern/Mit­terlehnerhat 25 Millionen Euro für Werbung ausgegeben, die Regierung Kurz/Strache hat da ein bisschen etwas draufgesetzt und auf 31,3 Millionen Euro erhöht, aber jetzt geht die Regierung Kurz/Kogler über zu 32,7 Millionen Euro! Das bedeutet am Tag 90 000 Euro für Werbung, aber es gibt keine Erhöhung für irgendjemanden, der in der Arbeitslosigkeit ist, keine für Menschen, die 45 Jahre geschuftet haben und endlich das Recht auf eine Pension haben sollten. Nein, da wird das Geld verbraten. Jetzt kommt noch dazu: Wo wird denn das verbraten? Wir sind ja alle schon von Regierungsspots im ORF abgefüllt. Nur: Da steht immer, dass die kostenlos sind. Also: Wo gibt man 90 000 Eu­ro aus? Das würde ich gerne einmal sehen! 90 000 Euro am Tag, die man nicht für Fern­sehwerbung im ORF ausgibt – da lade ich alle ein, kreativ mitzudenken.

Zum Schluss an Herrn Präsident Buchmann: Wir sind hier irgendwie kein Jungmädchen­pensionat. Wenn jemand größenwahnsinniger Bundeskanzler sagt, dann sagt er ja nicht größenwahnsinniger Seeber oder größenwahnsinnige Schumann, sondern er nimmt


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einen Titel und stellt größenwahnsinnig davor. Was daran hat die Qualität für einen Ord­nungsruf? Meiner Meinung nach nichts, null. (Beifall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Irgendjemand hat danach gesagt, irgendetwas ist infam. Das ist meiner Meinung nach in einem Streitgespräch auch richtig. Ich glaube, du versteht etwas intellektuell nicht. (Bundesrat Steiner: Seeber zu mir!) Ja, das ist eine harte Diskussion. Lieber Kollege Buchmann! Vielleicht sollten sich alle Fraktionsvorsitzenden und das Präsidium einfach einmal einen Tag lang die Debatte im Deutschen Bundestag anschauen, die ist auf Deutsch und verständlich. Ich denke, wir lernen einfach (Bundesrat Steiner: Manche!), dass die Würze in der politischen Suppe eine klare und deutliche Sprache ist, aber sie darf nicht persönlich diffamierend sein. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Also: Niemand hat der größenwahnsinnige Seeber oder die größenwahnsin­nige Frau Schumann gesagt, sondern er hat das zu dem Titel gesagt. Ich kann auch sagen: der größenwahnsinnige Jäger auf dem Forsthof. (Zwischenruf des Bundesrates Himmer.) Auch das kann sein.

So, und jetzt zum Abschluss: Ich bekenne mich sehr dazu, dass wir schrittweise vor­sichtig öffnen. Eines darf aber nicht passieren: Wir dürfen nicht so konzeptlos und unvor­sichtig, wie wir in den letzten Sommer gestürzt sind, vorgehen, als wir gedacht haben: Wir kommen da schon durch! Das darf es nicht sein.

Ich gratuliere Kärnten, ich gratuliere der Steiermark und dem Burgenland, die ein Plus in den Tourismuszahlen hatten. Die anderen haben ein bisschen weniger gute Zahlen. Die Seen helfen auch mit. Man hat sich aber einfach planlos und konzeptlos in etwas ge­stürzt und am Ende nur gehofft: Augen zu und wir kommen schon durch. – Darauf hoffe ich nicht! Darauf hoffe ich auch nicht für die Zeit um Ostern herum. Ich hoffe aber, dass wir mit guten Konzepten der Gesellschaft ein bisschen etwas davon zurückgeben, nach dem sie sich sehnt und das wir auch für die Betriebe und für die Beschäftigten in den Betrieben brauchen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15

20.15.48*****


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Inzwischen ist das Stenographische Protokoll der Rede von Herrn Bundesrat Seeber eingetroffen. Ich darf aus der beanstandeten Stelle zitieren: „Das heißt, ich bin der festen Überzeugung, auch in diesem Haus: Die Hetzer gehören beim Namen genannt! So ungeschoren dürft ihr da nicht davonkommen, in einer Phase, in der alles stabil ist.“

In diesem Zusammenhang der beiden Sätze muss ich Ihnen, Herr Bundesrat Seeber, einen Ordnungsruf erteilen. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Steiner: Das ist nur ge­recht!)

*****

Als Nächster ist Herr Bundesrat Josef Ofner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.16.34

Bundesrat Josef Ofner (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Werte Kollegen! Ich muss schon auf Aussagen von ein paar Kollegen einge­hen, weil da Worte fallen und vor allem ein Zugang gegenüber uns Freiheitlichen gewählt wird, der einfach falsch ist.

Ich möchte aber mit der Rede von Frau Zwazl beginnen, denn die hat mir wirklich sehr gut gefallen. Frau Kollegin Zwazl, wenn Sie als Vertreterin der Wirtschaftskammer schon betonen müssen, dass das die gesetzlichen Interessenvertretung ist, dann freut mich


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das aus dem Grund, weil es nämlich in Österreich nicht spürbar ist. Das heißt, klar müs­sen Sie betonen, dass es so etwas gibt. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.) Ich bin auch überzeugt davon: Freiwillig wird wahrscheinlich auch niemand Umlage zahlen – nicht? –, aber dazu sind sie halt gezwungen, da hilft nichts. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Herr Kollege Schreuder – Kollege Schennach hat es schon etwas ausgeführt –, bei Ih­nen spürt man direkt, dass Sie merken, dass Ihnen und Ihrer Politik die Felle davon­schwimmen. Deswegen üben Sie sich einfach in Unterstellungen und Unwahrheiten und geben gerade auch in Bezug auf uns Freiheitliche hier ein Bild ab – ein Sittenbild! –, über das sich die Zuschauer dann ihre eigenen Gedanken machen können. Ich sage Ihnen aber eines – und da bin ich nicht ganz beim Kollegen Schennach –: Sie planen sehr wohl, und zwar leider in einer Form, die eigentlich perfide und pietätlos ist. Ich darf Sie erinnern – vielleicht kennen Sie diesen Erlass nicht, aber der kommt aus dem von Ihnen geführten Gesundheitsministerium –, Sie arbeiten sogar mit Todeszahlen, nämlich dort, wo Sie darauf aufmerksam machen, dass maximal 28 Tage zuvor Covid-positiv Getes­tete unabhängig von ihrer Todesursache als Covid- und Coronatote zu zählen sind und die Schlussanzeigen entsprechend zu berichtigen sind. So arbeiten Sie in dieser Pande­mie. Wenn Sie sagen, Sie planen nichts, dann frage ich mich, warum Ihr Minister An­schober uns immer erklärt, die nächsten zwei Wochen werden entscheidend sein. (Bei­fall bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Herr Kollege Seeber! Was Sie abgeliefert haben, ist ein peinliches Schauspiel, aber dass die ÖVP natürlich die Inszenierung wirklich in vollendeter Ausprägung gelernt hat, hat man bei Ihnen gesehen.

Es ist aber nichts anderes als billige Polemik, zu Kollegin Kahofer zu sagen – das trifft ja auch uns Freiheitliche –: Ja, ihr könnt ja Anträge stellen. Natürlich, wir haben sehr wohl konstruktiv während dieser ganzen Zeit dazu beigetragen, indem wir entsprechende An­träge gestellt haben, nur nutzt es halt nichts, wenn Sie die Anträge ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und dann sagen Sie, wir zerstören die Demokratie! – Bitte, dann müssen Sie einmal schauen, wer im letzten Jahr die Grund- und Freiheitsrechte eingeschränkt hat, wer die Medien gekauft hat und wer die Bürger weggesperrt hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Es hat auch die Frau Bundesminister wieder davon Gebrauch gemacht und muss uns immer darauf hinweisen, dass es eine Pandemie gibt. Jetzt darf ich einmal festhalten: Ja, uns Freiheitlichen ist auch bekannt und bewusst, dass es Corona gibt, dass es diese Krankheit gibt – selbstverständlich. Sie behaupten das immer, und mir kommt schon vor und ich vermute fast, Sie behaupten bewusst fälschlicherweise, wir würden das verleug­nen: Nein, das tun wir nicht, aber im Gegensatz zu dieser Bundesregierung und zu den ÖVP/GrünInnen (Heiterkeit der Bundesrätin Schartel) haben wir einen anderen Ansatz. Uns ist bewusst, dass es auch spätestens dann, wenn wir sämtliche Namen von Staaten aufgebraucht haben, aus denen eine mögliche neue Mutation kommen könnte, vielleicht trotzdem weiterhin wieder eine neue Mutation dieses Virus geben kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist eben der Unterschied im Zugang und in Bezug auf den Umgang mit dieser Krank­heit. Da bin ich bei Kollegen Schennach: Ja, wir werden mit dieser Krankheit entspre­chend leben müssen. Daher spielen wir auch hier nicht so wie die ÖVP die moralische Instanz, tragen hier im Plenarsaal auch nicht pseudomäßig die Masken und verhüllen uns nicht fast ganzkörpermäßig, um dann, wenn man irgendwo zusammensteht oder zusammensitzt, ohne Mindestabstand und ohne alles vielleicht sogar auch einen ge­sperrten Bereich aufzumachen, weil es dort einfach gemütlicher ist. Das ist einfach diese Doppelmoral der ÖVP. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt komme ich noch kurz zur Dringlichen Anfrage: Frau Minister, Sie wissen, dass ich Sie persönlich schätze, aber Sie haben heute unsere Dringliche Anfrage mit einer


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Werbeveranstaltung für Regierungsmaßnahmen verwechselt. Es wird keinem in Öster­reich, keinem einzigen Unternehmen nutzen und es wird auch nicht wahrer, wenn Sie hier ständig behaupten, wie toll die Unterstützungsmaßnahmen sind, obwohl wir heute auch unzählige Beispiele gehört haben, bei denen sie eben nicht entsprechend ankom­men.

Und Sie haben keine Antwort auf die Situation des AMS in Tirol gegeben. Sie haben die Antwort gegeben, Sie sind mit Kollegen Kocher im Gespräch und in Verhandlungen und werden entsprechende Maßnahmen erarbeiten, um den Tourismus nach vorne zu bringen und die Arbeitslosenzahlen zu senken. Das hat aber nichts damit zu tun gehabt, dass gerade das AMS Tirol sagt, der Tourismus hat keine Zukunft. Das heißt, eigentlich widerspricht Ihnen das AMS, denn wenn Sie jetzt gerade mit Kollegen Kocher neue Perspektiven ausarbeiten, das AMS aber sagt, der Tourismus hat eh keine Zukunft, dann ist das nicht der Zugang, den wir von Ihnen heute hören wollten, beziehungsweise auch einen Ordnungsruf hin zum AMS nach Tirol. (Beifall bei der FPÖ.)

Es hat aber auch keine Antwort für Kollegen Hörl gegeben, außer dass Sie gesagt ha­ben, Sie sind sich sicher, dass von einem Imageschaden keine Rede sein kann. Na ja, Kollege Söder aus Bayern sieht das etwas anders, denn er hat gleich einmal davor ge­warnt. Herrn Kollegen Kolland ist es heute wahrscheinlich unbewusst passiert, dass er gesagt hat, wir haben eigentlich noch immer große Probleme mit Bayern. Das heißt, es war sehr wohl ein Imageschaden, sonst müssten wir nicht darüber diskutieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Schade ist, dass Sie eben keine Antwort auf die Planbarkeit und die Planungssicherheit gegeben haben, dass Sie keine Antwort darauf gegeben haben, worauf sich die Unter­nehmen in der nächsten Zeit vielleicht mit einem konkreten Ziel einstellen können. Ich möchte Ihnen aber schon sagen: Es kann nicht das Ziel sein, dass wir die Vision haben, dass wir den Tourismus stark zurückbekommen. Das wollen wir alle, aber wir wollen es nicht mit einem Ausverkauf von Österreich, womit vielleicht ein paar in China eine Freude haben, weil sie jetzt noch unsere Hotels aufgekauft haben, ein paar Russen und vielleicht die Tiroler Adlerrunde eine Freude haben. Das bringt Österreich nicht weiter, das ist eigentlich ein Armutszeugnis und keine Perspektive für Österreich. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher bringen wir auch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe sofort aufsperren“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend die sofortige Öffnung aller Gastrono­mie- und Beherbergungsbetriebesicherzustellen.“

*****

Ich hoffe, dass dieser Entschließungsantrag auch eine entsprechende Zustimmung fin­det. Die österreichischen Unternehmen im Tourismus sollten es uns wert sein und sollten es vor allem Ihnen, Frau Ministerin, wert sein. (Beifall bei der FPÖ.)

20.25


20.25.41

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Josef Ofner, Kollegin­nen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Gastronomie- und Be­herbergungsbetriebe sofort aufsperren“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.


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Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Bonusticket für in Österreich lebende Men­schen, die Urlaub in Österreich machen“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und möchte hinzufügen, dass Schriftführung und Vorsitz von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Ich bitte um genaue Zählung. – Das ist die Stimmen­minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit ab­gelehnt.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Christoph Steiner, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Ausverkauf der heimischen Wirtschaft nach bevorstehender Pleitewelle im Tourismusbereich verhindern“ vor. Ich lasse auch über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Josef Ofner, Kolleginnen und Kollegen auf Fas­sung einer Entschließung betreffend „Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe sofort aufsperren“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Entschließungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fas­sung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt.

20.27.50Fortsetzung der Tagesordnung


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich nehme die Verhandlungen zur Tages­ordnung wieder auf. Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 14 und 15 betreffend Gesundheitsberuferegister-Gesetz und Berufsanerkennungsgesetz Gesundheit fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Wolfgang Beer. – Bitte, Herr Bundesrat.


20.28.30

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um wieder ein bisschen zu unserer ursprünglichen Tagesordnung zurückzukommen, für all jene, die schon vergessen haben, worüber wir eigentlich vor der Diskussion geredet haben: Es geht also um die Gesundheitsberufe im Registergesetz und das Berufsanerkennungsgesetz. (Beifall bei der SPÖ.)

Beim Gesundheitsberuferegister-Gesetz ist es eigentlich nur das Registrierungsver­fahren bei Höherqualifizierungen, das Herausnehmen der Geschlechterbezeichnung, damit es also ganz einfach neutral dargestellt wird, und der Verzicht auf ausländische Disziplinarbescheinigungen, die ja sowieso von sehr, sehr vielen Ländern überhaupt nicht ausgestellt wurden, was wir hier abstimmen.

Beim Berufsanerkennungsgesetz Gesundheit stellen wir eigentlich eine EU-konforme Rechtslage her, weil wir verpflichtet sind, diese Gesetze anzupassen. Es kommt in die­sem Bereich zu einer Erleichterung der Migration von Angehörigen von Gesundheitsbe­rufen aus der EU, den EWR-Vertragsstaaten und der Schweiz.


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Das sind eigentlich die wesentlichen Punkte. Ich will es auch dabei belassen, denn wir haben noch über 30 Redner und es könnte heute noch ein bisschen später werden. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Seeber: Das vermute ich auch!)

Nur noch eine kurze Anmerkung dazu: Da es eine Erleichterung der Migration von Ange­hörigen von Gesundheitsberufen geben wird, hoffe ich doch sehr, dass Österreich wei­terhin im eigenen Land ausbildet und schaut, dass wir nicht so viele Menschen aus dem Ausland heranziehen müssen. Wir sehen in der Pandemie, wie schwierig es ist, diese Menschen dann zu uns zu bekommen, weil wir sie einfliegen oder mit Korridorzügen zu uns bringen müssen. Wir haben ganz einfach auch keine Erntehelfer, und meine ge­liebten Gurken kann ich mir dann auf den Bauch hauen. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

20.31


20.31.33

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die über die gegenständlichen Tagesordnungspunkte getrennt erfolgt. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein! Wie ich sehe, ist das bereits erfolgt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheitsberuferegister-Gesetz ge­ändert wird (608 d.B. und 680 d.B. sowie 10556/BR d.B.).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 und weitere Gesetze geändert werden (644 d.B. und 681 d.B. sowie 10557/ d.B.).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

20.32.5716. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Depotgesetz geändert wird (596 d.B. und 668 d.B. sowie 10558/BR d.B.)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gebührengesetz 1957, die Bun­desabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Alkoholsteuergesetz, das Um­satzsteuergesetz 1994 und das Investitionsprämiengesetz geändert werden (2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz – 2. COVID-19-StMG) (1241/A und 669 d.B. sowie 10559/BR d.B.)

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Förderung für betriebliche Testun­gen (Betriebliches Testungs-Gesetz – BTG) erlassen wird (1264/A und 670 d.B. so­wie 10560/BR d.B.)



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunk­ten 16 bis 18, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatter zu diesen Punkten ist Herr Bundesrat Otto Auer. Ich bitte den Herrn Bundesrat um die Berichte.


20.33.54

Berichterstatter Otto Auer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich erstatte Bericht über den Be­schluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Depotgesetz geändert wird.

Die Unterlagen haben Sie erhalten, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Gebüh­rengesetz 1957, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Alkoholsteuer­gesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Investitionsprämiengesetz geändert wer­den.

Die Unterlagen liegen Ihnen vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

Weiters erstatte ich Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über eine COVID-19-Förde­rung für betriebliche Testungen erlassen wird.

Die Unterlagen sind Ihnen zur Verfügung gestellt worden, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ingo Appé. – Herr Bundesrat, Sie sind am Wort. – Bitte.


20.36.01

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesmi­nister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Beginnen wir mit dem Beschluss des Na­tionalrates, mit dem das Depotgesetz geändert werden soll. Inhaltlich geht es um so etwas Unverfängliches wie digitale Sammelurkunden, in denen physische Wertpapiere en bloc verwahrt werden können.

Wie anscheinend heutzutage alles mit Covid begründet wird, wird auch da in den Erläu­terungen schon mit der Behauptung argumentiert, man wolle das Ansteckungsrisiko ver­mindern. Diese Begründung ist gelinde gesagt an den Haaren herbeigezogen.

Unsere Kritik ist dahin gehend, dass eine analoge Mindestinfrastruktur bei Finanzdienst­leistern erhalten bleiben muss. Eine vollständige Digitalisierung liegt weder im Interesse der Konsumenten noch der Sicherheit des Finanzplatzes. Zudem sollen die Finanz­dienstleister selber und nicht die AnlegerInnen die Risken der Digitalisierung tragen. Au­ßerdem muss bei den digitalen Sammelurkunden die Datenschutz-Grundverordnung


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eingehalten werden. Aus den angeführten Gründen können wir dem Tagesordnungs­punkt 16 nicht unsere Zustimmung erteilen.

Zum Tagesordnungspunkt 17: Mit 31.3. laufen zahlreiche steuerliche Maßnahmen für gesetzliche Fristverlängerungen aus, diese werden nun bis Ende Juni 2021 verlängert. Aus unserer Sicht erscheint diese Befristung als zu kurz. Auch wenn wir uns alle wün­schen würden, dass diese Krise bis zur Jahreshälfte vorbei wäre, entspricht dies an­scheinend dem türkisen Wunschdenken. Dies sollte jedoch keine Grundlage für realpoli­tische Legistik sein.

Mit dem Abänderungsantrag wurden auch wichtige Stundungen im Steuerrecht bis 31.5. verlängert und gleichzeitig auch die Sozialpartnereinigung zur Homeofficeregelung er­gänzt. So gibt es 300 Euro Homeofficepauschale des Arbeitgebers sowie zusätzliche Ermäßigungen für ergonomische Büromöbel. Daher erfolgt zu diesem Tagesordnungs­punkt unsere Zustimmung.

Abschließend noch zum Tagesordnungspunkt 18, zum Bundesgesetz über eine COVID-19-Förderung für betriebliche Testungen: Wie wir nunmehr im Finanzausschuss erfahren haben, bekommen Betriebe für jeden durchgeführten Test 10 Euro. Diese Entschädi­gung für die Betriebe wird über die Wirtschaftskammer abgewickelt. – Ja, es ist wirklich schön, dass die ÖVP dabei nicht auf die Wirtschaftskammer vergessen hat.

Wir sind uns darüber einig, dass Testungen in Betrieben gut sind, und es soll für die Testung auch Entschädigungen geben. Was ist aber ein Betrieb? – Es gibt in unserer Republik mehr als nur Betriebe, die Mitglieder bei der Wirtschaftskammer sind. Diese können Förderungen nicht in Anspruch nehmen. Wie sieht es aber mit den Universitäten, den Fachhochschulen, Theatern und Museen, dem Tourismus, Gastronomie, Hotellerie, den Gemeinden und deren Grundversorgungseinrichtungen aus? Da wurden wieder viele im Stich gelassen. Schaffen wir doch die Grundlage dafür, dass die Selbsttests im Vieraugenprinzip auch da anerkannt werden! Das war ja heute schon einmal länger das Thema, und leider konnte unser Antrag keine Mehrheit finden.

Ich kann euch das Thema jetzt nicht ersparen: Im Finanzausschuss waren wir alle einer Meinung; auch Kollegin Zwazl und Kollege Seeber, die ich persönlich sehr schätze, wa­ren der gleichen Meinung wie wir, wurden aber heute eigentlich von ihren Fraktionsvor­sitzenden desavouiert. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ein eigenes Sittenbild, bei dem Antrag mit der Begründung, es komme dann eh irgendwann einmal in die Regierung, nicht mit uns mitzugehen. Das ist enttäuschend für den Parlamentarismus hier in diesem Haus, und es war auch für die Österreicherinnen und Österreicher enttäuschend, dass hier nichts einstimmig über die Bühne gehen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben vonseiten der ÖVP immer das Motto gehört: gemeinsam und miteinander. Wenn von uns die Vorschläge kommen, gilt dieses hehre Ziel offenbar nicht. Die Forde­rungen der SPÖ dürfen halt nicht umgesetzt werden, sondern werden dann selbst er­funden und präsentiert. Wenn es wirklich und schnell kommen sollte, können wir auch damit leben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Das ist ja schon öfter vorge­kommen!)

Es ist wieder einmal typisch, dass es verschiedene Abrechnungsmodelle für die Ent­schädigungen für die durchgeführten Tests gibt. Für die betrieblichen Testungen gibt es zum Beispiel eine Entschädigung von 10 Euro, die Apotheker erhalten 29 Euro und die Ärzte zwischen 50 und 60 Euro für die Tests. Natürlich unterstützen wir diese Förderung, da sie im Sinne der gesundheitlichen Sicherheit der Arbeitnehmer, der Unternehmer, aber auch der Kunden in den Betrieben ist.


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Herr Bundesminister, eine offene Frage möchte ich schon noch ansprechen: Wir be­schließen hier im Parlament im Zuge der Pandemie Zuschüsse und Ausgaben in Milliar­denhöhe. Es ist höchst an der Zeit, sich raschest darüber Gedanken zu machen, wer diese Krise bezahlen soll. Es gibt wie in jeder Krise Gewinner, und diese sollten auch ihren entsprechenden Anteil abliefern. Es kann nicht sein, dass es sich die Reichen wie­der richten und die Kleinen es dann wieder bezahlen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister, kommen Sie aus Ihrem Schneckenhaus heraus und gehen Sie die Themen Steuerabgaben von internationalen Konzernen und Millionären endlich an! Es ist höchst an der Zeit!

Als kleiner Denkanstoß dazu: Die reichsten 1 000 Menschen weltweit haben ihre wirt­schaftlichen Verluste aus der Pandemie innerhalb von neun Monaten ausgeglichen. Die 100 reichsten Männer – in diesem Fall brauche ich nicht zu gendern, denn es gibt dabei keine einzige Frau – haben seit Feber 2019 ihr schon bestehendes Vermögen um 0,5 Billiarden US-Dollar vermehren können.

Wie gesagt, es ist höchst an der Zeit, neue Umverteilungsmaßnahmen zu setzen. Herr Bundesminister, Sie sind in der Verantwortung, Sie sind am Zug. Wir sind schon sehr gespannt auf Ihre innovativen Vorschläge. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.43


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: In der Zwischenzeit ist das Stenographische Protokoll mit dem zweiten beanstandeten Redebeitrag von Kollegen Sebastian Kolland eingetroffen. Ich habe mir die beiden beanstandeten Stellen des Protokolls genau ange­sehen und bin zu dem Schluss gekommen, dass es sich in beiden Fällen um sehr all­gemeine, wenn auch subjektive Äußerungen handelt, die aber keines Ordnungsrufes bedürfen.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


20.44.01

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause via Livestream! Wir verhandeln die Tagesordnungspunkte 16 bis 18 unter einem. Kollege Appé hat dazu schon einiges ausgeführt. Ich werde zum Tagesord­nungspunkt 17, dem 2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, einiges ausführen.

Vorausgesetzt, dass wir die vorliegenden Gesetzesänderungen heute beschließen, wer­den richtige und wichtige Covid-19-Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen sowie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit dem heutigen Tag verlängert und verbes­sert.

Mit dem 2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz sollen zum Beispiel die Gebührenbe­freiung bei abgesagten Veranstaltungen, die Alkoholsteuerbefreiung für die Herstellung von Desinfektionsmittel, die steuerfreie Reiseaufwandsentschädigung für Sportler, Schiedsrichter und Sportbetreuer, die Sonderregelung bei Amtshandlungen sowie die Gebührenbefreiung im Zusammenhang mit der Bewältigung der Covid-19-Krise bis 30. Juni 2021 verlängert werden. Zudem gibt es zum Beispiel bei den steuerfreien Zula­gen und bei der Pendlerpauschale durch die Coronakrise keinen Nachteil für Dienstneh­merinnen und Dienstnehmer. Die Pendlerpauschale und die steuerfreien Zulagen kön­nen trotz Kurzarbeit, Quarantäne oder Telearbeit auch bis Ende Juni so wie vor der Pan­demie, vor der Krise abgerechnet werden.

Zudem werden Anträge auf Steuerstundungen und Ratenzahlungen um weitere drei Monate bis Ende Juni verlängert. Das Ratenzahlungskonzept beginnt anschließend mit Anfang Juli und dauert bis 30. Juni 2024. Das ist eine besonders wichtige Maßnahme,


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da die Unternehmen in der immer noch andauernden Gesundheitskrise und dadurch ausgelösten Wirtschaftskrise mehr finanziellen Spielraum brauchen und diesen Spiel­raum unter anderem durch die Verlängerung der Stundungen jetzt auch bekommen.

Die Arbeitswelt hat sich durch die Coronakrise teilweise grundlegend geändert. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden in der Zeit des Lockdowns ins Homeoffice geschickt. Homeoffice hat das Infektionsrisiko unter den Mitarbeitern verringert, Home­office bringt durch den Wegfall der Fahrzeiten zum und vom Arbeitsplatz mehr Freizeit und weniger Treibhausgasemissionen. Homeoffice trägt, wenn man viel Disziplin und Motivation an den Tag legt und nicht gerade für die Kinderbetreuung und den gesamten Haushalt alleine zuständig ist, zur besseren Work-Life-Balance bei.

Homeoffice ist ein relativ neues Arbeitsmodell und wird auch in Zukunft unabhängig von der Coronapandemie eine größere Bedeutung bekommen. Deshalb ist es wichtig, auch steuerrechtlich auf die neuen Arbeitswelten zu reagieren. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch die Unternehmen bekommen mit der Gesetzesänderung rück­wirkend per 1.1.2021 Rechtssicherheit. Die Kosten, die für die Betriebe und Arbeitneh­merInnen entstehen, werden steuerlich abgesetzt beziehungsweise anerkannt. Es kön­nen zum Beispiel digitale Arbeitsmittel, die vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt werden, steuerfrei bleiben. Zusätzlich können Zuwendungen vom Dienstgeber an die Dienstnehmer in Höhe von bis zu 300 Euro steuerfrei abgerechnet werden. Diese Rege­lungen gelten vorerst bis 2023 und sollen dann evaluiert werden.

Meine Damen und Herren, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Homeoffice werden unterstützt und mit circa 150 Millionen Euro im Jahr entlastet.

Zum Schluss noch ein Wort zur überaus attraktiven und besonders gut angenommenen Investitionsprämie: Die Unternehmen konnten die Prämie bis 28. Feber beantragen, müssen aber – und diese Übergangsregelung werden wir heute beschließen – den Nachweis einer ersten gesetzten Maßnahme, zum Beispiel der Bestellung oder einer Anzahlung, erst bis Ende Mai erbringen.

Durch die Investitionsprämie, die von unserer Wirtschaftsministerin und unserem Fi­nanzminister auf den Weg gebracht und von den beiden Parlamentskammern beschlos­sen wurde, haben viele Unternehmen trotz Coronakrise ihre Investitionen vorgezogen. Diese Prämie löst ein riesiges Investitionsvolumen aus. Die Investitionsprämie setzt An­reize, um sich aus der Krise hinauszuinvestieren, sie stärkt den Wirtschaftsstandort und sichert damit Arbeitsplätze.

Zusammengefasst ist zu sagen, dass wir mit diesen Gesetzesänderungen weiterhin Un­ternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützen und damit für eine kraftvolle Abfederung der krisengeschuldeten Auswirkungen sorgen.

Stimmen Sie diesen Gesetzesänderungen zu! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.49


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundes­rätin Elisabeth Kittl. – Bitte, Frau Bundesrätin. – Das war ein Irrtum, ich entschuldige mich dafür. Als Nächster zu Wort gemeldet ist natürlich Herr Bundesrat Thomas Dim– Bitte.


20.50.18

Bundesrat Thomas Dim (FPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe natürlich, dass man den kurzen Na­men leicht überliest. Ich werde versuchen, die Debatte ein bisschen zu beschleunigen, aber da es um drei Tagesordnungspunkte geht, bei denen wir differenziert abstimmen, werde ich diese kurz erläutern.


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Zum Tagesordnungspunkt 16: Mit der Digitalisierung der Sammelurkunden für Schuld­verschreibungen und Investmentzertifikate wird sinnvollerweise die Papierflut reduziert. Allein im Jahr 2019 wurden beim österreichischen Zentralverwahrer 7 756 Sammelur­kunden von Emittenten eingeliefert. Die physische Erstellung, Einlieferung und Lagerung birgt natürlich auch Sicherheitsrisiken und belastet den Emissionsprozess dieser Wert­papiere. Die Änderung des Depotgesetzes trägt somit auch zur Attraktivierung des Wirt­schaftsstandortes Österreich bei und ist zu befürworten.

Zum Tagesordnungspunkt 17: Mit dem vorliegenden Covid-19-Steuermaßnahmenan­trag 1241/A sollen steuerliche Maßnahmen, die zur Bewältigung der Covid-19-Krise befristet eingeführt wurden und Ende März enden würden, bis Ende Juni verlängert wer­den. Im Konkreten geht es – wir haben es zum Teil schon gehört – um weitere Gewäh­rung der Pendlerpauschale, steuerbefreite Behandlung von Zulagen und Zuschlägen trotz Telearbeit, Quarantäne und Kurzarbeit, Sonderregelungen im Zusammenhang mit abgabenrechtlichen beziehungsweise finanzstrafrechtlichen Amtshandlungen, Sonder­regelungen im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung von Ethanol zur Herstellung von Desinfektionsmitteln, Verlängerung der Frist für die Setzung erster Maßnahmen – wir haben es gerade gehört, etwa Bestellung, Lieferung, Anzahlung – im Investitionsprä­miengesetz um weitere drei Monate bis 31. Mai 2021. Die Mehrwertsteuerbefreiung für die Schutzmasken wird bis zum 30. Juni beibehalten. Steuerfreie Ausbezahlung von pauschalen Reiseaufwandsentschädigungen an Sportler, Schiedsrichter und Sportbe­treuer: Ja, das kann man leicht machen, wenn man den Amateursport einschränkt oder gar nicht erlaubt.

Apropos Amateursport: Ich habe meiner Tochter versprochen, zu fragen, ob mir vielleicht jemand erklären kann, warum eine pubertierende Schülerin einer Sport-HAK am Sport­unterricht nicht teilnehmen darf, obwohl ihre Klassenkollegen, die Fußballer sind, teilneh­men dürfen. Diese dürfen also trainieren, die Turner, Leichtathleten, Tennisspieler dür­fen das nicht, obwohl dort die Abstandsregeln wahrscheinlich leichter einzuhalten wären. Ich habe es ihr leider nicht erklären können, ich habe ihr sagen müssen: weil es sich die Regierung so einbildet. (Beifall bei der FPÖ.)

In Summe kann man jedenfalls sagen, dass diese Maßnahmen zu befürworten sind, wobei man bezüglich der Steuerbefreiung der Masken auch kritisch anmerken muss, dass der Antrag 1242/A in derselben Sitzung des Nationalrates eingebracht wurde, in der die Steuerstreichung in der Bundesabgabenordnung geregelt wurde. Das heißt, zu dem Zeitpunkt, als diese Regelung vom Nationalrat gerade beschlossen war, aber noch kein Beschluss im Bundesrat und auch keine Unterschrift des Bundespräsidenten erfolgt waren, hat man das beschlossen. Man kann also sagen, man hat einen gewissen rechtsfreien Raum geschaffen; aber wir sind ja nur der Bundesrat. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Tagesordnungspunkt 18, zum Antrag 1264/A, also zur Förderung von betrieblichen Testungen in Betriebsstätten und an Arbeitsorten in Österreich: Da wäre eigentlich posi­tiv anzumerken – die SPÖ hat es schon gesagt –, dass es da vielleicht zu mehr Testun­gen kommt. Es fehlen aber wieder einmal die Richtlinien. Gestern im Ausschuss haben wir zumindest erfahren, wie viel Entschädigung an die Betriebe geht – 10 Euro ‑, wir wissen aber bis jetzt nicht, da es noch keine Richtlinie dazu gibt, wie die Tests behandelt werden. Gelten sie vielleicht nur zur Befriedigung der eigenen Neugier oder gelten sie auch für Friseurbesuche, Kinobesuche, Gastronomiebesuche, den Besuch von Sport- und Kulturveranstaltungen? – Wir wissen es wieder einmal nicht.

Es ist also wieder einmal ein unausgegorener Entwurf, wie wir sie in der letzten Zeit schon öfter gehabt haben. Der Antrag ist wieder einmal nicht zu Ende gedacht und wird von uns deshalb auch nicht unterstützt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

20.55



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Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Nun ist aber tatsächlich Frau Bundesrätin Mag.a Elisabeth Kittl zu Wort gemeldet. – Bitte.


20.55.22

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen vor den Bildschirmen! Es wurde jetzt schon viel gesagt, deswegen habe ich sehr viel gestrichen, auch aufgrund der Zeit. Ich würde gerne ergänzend noch ein bisschen etwas zum Home­officepaket sagen.

Derzeit arbeiten circa 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen zu Hause, und für sie wurden mit diesen Gesetzesnovellen Steuererleichterungen ausgearbeitet. Das sind mehr Wer­bekostenabsetzbarkeit bei Homeoffice ohne absetzbares Arbeitszimmer und mehr Leis­tungen der ArbeitgeberInnen, die steuerlich nicht als Arbeitslohn qualifiziert werden. Bei­des – das wurde von den NEOS, kann ich mich erinnern, kritisiert – bedarf der schriftli­chen Vereinbarung, das dient der Absicherung von ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebe­rInnen.

Wichtig ist – es wurde schon gesagt –: Diese Regelungen des Homeofficepakets gelten bis 2023. Sie gelten zwar ab 1.1.2021, aber manche Dinge wie zum Beispiel das Mobiliar können schon für 2020 abgesetzt werden, zwar ein geringerer Betrag, aber bis 2023 aufgeteilt in der Höhe von 900 Euro. 2023 werden diese Regelungen evaluiert und, wie wir natürlich hoffen, gegebenenfalls verbessert.

Was jetzt gerade auch noch in Ausarbeitung ist, ist die Absetzbarkeit eines im Woh­nungsverband liegenden Arbeitszimmers, welches von Selbstständigen benutzt wird und derzeit noch nicht abgesetzt werden kann. Wie gesagt, das ist aber in Ausarbeitung, wir freuen uns auf diese Regelung.

Warum sind uns Grünen die Regelungen des Homeofficepakets wichtig und warum freuen sie uns? – Weil sie nicht nur dem Gesundheitsschutz, sondern auch dem Umwelt­schutz dienen. Wir wissen, ein Drittel der CO2-Emissionen verursacht der Verkehr, in den letzten Jahren leider mit steigender Tendenz. Knapp 15 Prozent der gesamten CO2-Emissionen verursacht allein der Pkw-Verkehr, und die Hälfte des Pkw-Verkehrs ma­chen die Fahrten von zu Hause in die Arbeit und wieder zurück aus, also knapp 8 Pro­zent. Es erschließt sich von selbst: Bleiben nun mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer zu Hause, verringert sich der PendlerInnen-Pkw-Verkehr und damit der CO2-Aus­stoß. Damit trägt diese Maßnahme auch dazu bei, die Treibhausgasbilanz um ein paar Prozentpunkte zu senken.

Der von der Umweltministerin vorangetriebene Öffi- und Bahnausbau sowie das heuer fertiggestellte 1-2-3-Österreichticket tun ihr Weiteres hierfür, und das tut uns und unserer Umwelt gut.

Die Erfolge der Investitionsprämie überlasse ich gern dann noch den RednerInnen von der ÖVP. Ganz kurz noch zum betrieblichen Testungsgesetz, das ist TOP 17: Mit diesem Gesetz werden die betrieblichen Testungen bei Einhaltung der Voraussetzungen und Meldung den behördlichen Testungen gleichgestellt. Über die Testplattform des Bundes können automatisierte Teilnahmebestätigungen ausgestellt werden, die als Zutrittstests anerkannt werden. Dieses Gesetz ist vorerst einmal für größere Unternehmen begrü­ßenswert, denn es wird den betreffenden Unternehmen erleichtert, die Arbeit im Unter­nehmen sicherer zu machen und die Gesundheit der MitarbeiterInnen und ihrer arbeits­technischen, aber auch privaten Kontaktpersonen zu schützen. Das ist eine gute Sache. (Vizepräsident Raggl übernimmt den Vorsitz.)

Zusätzlich dürfen die Unternehmen auch betriebsfremde Personen testen. All diese Tests müssen gratis sein, wenn eine Förderung dafür beantragt wird. Das ist gerade in


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kleineren Gemeinden eine zusätzliche Möglichkeit, ein sicheres Miteinander zu gewähr­leisten und mehr anerkannte Zutrittstests zu generieren. Insgesamt ist das eine gute Sache, und ich würde mich freuen, wenn Sie dem zuzustimmen. Die Investitionsprämie wird sicher noch einmal kommen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

20.59


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Gernot Blümel. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


20.59.52

Bundesminister für Finanzen Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die vorlie­genden Tagesordnungspunkte werden zu einem Teil, glaube ich, einstimmig befürwor­tet, wenn ich das richtig gesehen habe, was mich freut. Es gibt da und dort noch Mei­nungsverschiedenheiten – vielleicht gibt es ja auch generell Einstimmigkeit, denn ich glaube, gerade beim Depotgesetz ist es gut, wenn man digitalisiert. Ich sehe da keinen Bedarf, dass weiterhin Teile davon in Hardcopy bereitgehalten werden müssen. Ich glau­be, das kann man sich, im wahrsten Sinne des Wortes, gut sparen.

Ich darf, bevor ich auf die vorliegenden Tagesordnungspunkte weiter eingehe, vielleicht auf Herrn Bundesrat Appé eingehen. In seinem ersten Redebeitrag, in dem aus meiner Sicht auch viel Richtiges dabei war, hat er ein Thema angesprochen, das uns, glaube ich, die nächsten Jahre noch sehr intensiv beschäftigen wird, nämlich die Frage: Wer zahlt die krisenbedingte Verschuldung, die Neuverschuldung zurück, und wie werden wir das finanzieren können? Das ist heute zwar kein Tagesordnungspunkt, und ich möchte auch nicht zu lange darauf eingehen, aber ich möchte, weil Sie es angesprochen haben, ein paar Worte dazu sagen.

Nun, was mit Sicherheit der Fall ist, ist, dass wir möglichst viel dafür tun müssen, dass nach dieser Pandemie das Wachstum zurückkehrt, dass Unternehmen die Möglichkeit haben, Arbeitsplätze zu schaffen, dass möglichst viele Menschen wieder Arbeitsplätze bekommen und dass dadurch auch Steuern gezahlt werden und wir mit Wachstum den Großteil des Schuldenberges reduzieren können.

Was wir im letzten Jahr gut gemacht haben, ist aus meiner Sicht, dass wir uns die Fi­nanzierung wirklich leisten können. Wir zahlen seit einem Jahr für die zehnjährigen Staatsanleihen keine Zinsen. Das ist unter anderem nicht nur auf die Zentralbank und auf die Geldpolitik zurückzuführen, sondern auch auf die Budgetpolitik der letzten Jahre, in denen wir es geschafft haben, von einem Höchststand des Schuldenbergs der Re­publik von circa 84 Prozent 2015 bis Anfang 2020 auf circa 70 Prozent herunterzukom­men, und zwar ohne dass wir jemandem etwas weggenommen haben, sondern indem wir eine gute Standortpolitik gemacht haben, die es den Unternehmen ermöglicht hat, Arbeitsplätze zu schaffen und dadurch Wachstum zu generieren. Das muss auch der Weg für die Zukunft sein. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

In einem weiteren Punkt muss ich Ihnen aber recht geben: Es gibt einige internationale digitale Konzerne, die aus meiner Sicht unfair wenig Steuern zahlen, obwohl sie auch hier in Österreich Gewinn erwirtschaften. Wir sind aber eines der wenigen Länder in Europa, die zumindest schon eine kleine Besteuerung der digitalen Wirtschaft haben, das haben wir in der Zeit der letzten Regierung eingeführt. (Bundesrätin Schumann: Ganz klein! Bundesrat Schennach: ... Homöopathie!) Ich gebe Ihnen recht, es sollte mehr sein, aber es ist das, was auf nationalstaatlicher Ebene möglich war; auch das steht in harter Kritik von einigen anderen Ländern.

Wenn die Kollegen von der Sozialdemokratie da einen Beitrag leisten wollen, dann wür­de ich sie ersuchen, auf die Kollegen in Schweden einzuwirken, denn Schweden ist eines jener Länder, die sehr, sehr gegen eine digitale Besteuerung der Konzerne sind,


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und dort sind die Sozialdemokraten in der Regierung. Ich bitte also um Werbung dafür, dass die Schweden da mitmachen, dann hätten wir es alle leichter und könnten das schneller einführen. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling, Schennach und Schumann.)

Ich darf nun zu den vorliegenden Tagesordnungspunkten kommen: Die Digitalisierung erlebt einen Schub, auch durch Corona, das sehen wir an den neuen Formen der Arbeit, an den Arbeitsverhältnissen. Die Möglichkeit für Homeoffice muss natürlich aus mehre­ren Gründen ausgebaut werden: einerseits weil es in vielen Bereichen ohnehin überfällig ist, die Möglichkeit zu schaffen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch fle­xibler von zu Hause aus arbeiten können, andererseits aber auch, um in der jetzigen Situation Kontakte möglichst zu reduzieren, damit auch die Virusinfektionen eingedämmt werden.

Wir haben gemeinsam mit den Sozialpartnern eine aus meiner Sicht gute Lösung ge­funden. Wichtig war dabei, dass für die Betroffenen keinesfalls ein Nachteil entsteht. Da geht es um die Bereitstellung der erforderlichen digitalen Arbeitsmittel durch den Arbeit­geber, die eben keinen steuerpflichtigen Sachbezug auslösen sollen, ebenso wie bei der Zuwendung einer Homeofficepauschale für digitale Arbeitsmittel durch den Arbeitgeber keine Steuern anfallen sollen.

Die steuerfreie Pauschale kann, falls sie nicht voll genutzt wird, dann auf einen maxi­malen Steuerfreibetrag von 300 Euro als Werbungskosten geltend gemacht werden. Auch die Kosten für ergonomisches Mobiliar können im Rahmen der Arbeitnehmerveran­lagung bis zu einer Höhe von 300 Euro berücksichtigt werden, allerdings sollte man dann zumindest 26 Tage im Homeoffice verbracht haben.

Eine weitere wichtige Maßnahme gerade für das Überleben der Betriebe und damit das Erhalten von vielen Arbeitsplätzen ist, dass wir, solange die Krise nicht vorbei ist, auch Maßnahmen wie Steuerstundungen verlängern. Es ist angesprochen worden, und auch da danke ich für die Zustimmung. Im Übrigen ist das eine Maßnahme, die vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommt. Circa 77 Prozent aller Stundungen beziehungsweise Herabsetzungen sind von Unternehmen beantragt worden, die einen Jahresumsatz von bis zu 700 000 Euro haben. Es sind also keine Großkonzerne, son­dern vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die davon profitieren. Dadurch, dass die Krise eben noch nicht vorbei ist, wird diese Maßnahme bis Juni 2021 verlängert.

Darüber hinaus haben wir bereits im letzten Jahr ein sehr attraktives Ratenzahlungsmo­dell für die Zeit danach konzipiert: Die Steuerschuld muss nicht wie bisher innerhalb eines Jahres mit doch recht hohen Zinsaufschlägen auf den Basiszinssatz von 4,5 Pro­zent zurückgezahlt werden, sondern man hat dafür bis zu drei Jahre Zeit, mit einem wesentlich reduzierteren Zinssatz. Das soll dazu beitragen, dass nach der Krise mög­lichst alle Unternehmen, die es vor der Krise geschafft haben, gut zu wirtschaften, und die es durch die Krise geschafft haben, auch danach weiter wirtschaften können. Vie­len Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.05


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Kahofer. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.


21.06.13

Bundesrätin Andrea Kahofer (SPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Herr Minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte mich in diesem Redebeitrag jetzt auch auf diese drei Bundesgesetze beziehen, die zur Be­schlussfassung vorliegen.

Nachdem schon sehr, sehr viel gesagt worden ist, auch inhaltlich schon sehr viel ge­sagt worden ist, möchte ich nur zum betrieblichen Testungsgesetz noch ein paar Worte


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verlieren: Es ist ein gutes Gesetz – dank der Sozialpartner auch sehr gut verhandelt, danke schön , das Möglichkeiten für Förderungen schafft.

In den Betrieben ist auch wirklich die Bereitschaft vorhanden, diese Testungen durchzu­führen wir haben in Neunkirchen schon Betriebe besichtigt , und das wird auch pas­sieren. Das ist wiederum ein Zeichen dafür, dass Unternehmerinnen und Unternehmer sehr wohl Interesse daran haben, verantwortungsbewusst Tests durchzuführen, für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu sorgen. Letztlich würde alles andere auch dem ureigenen Sinn des Unternehmerseins, nämlich wirtschaftlich zu arbeiten, widersprechen. Das geht halt nun einmal nur, wenn auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund sind und der Betriebsablauf aufrechterhalten werden kann. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Zwazl.)

Was für mich diesbezüglich aber auch noch zu erwähnen ist: Man sieht diese Bereit­schaft, und diese Bereitschaft, die Selbsttests durchzuführen, wäre auch in der Bevöl­kerung gegeben, aber mit 600 000 verfügbaren Tests kommen wir halt nicht gar weit – das gehört auch einmal gesagt.

Die Richtlinien haben wir noch nicht gesehen, vom Experten wurden uns einige Eck­punkte davon genannt. Ich muss sagen, ich denke, dass es im Großen und Ganzen gut ist. Wichtig wäre, dass auch beim betrieblichen Testen nicht unbedingt medizinisches Personal da sein muss, um das auch zu bestätigen. Diese Selbsttests, die Tests, die da zur Anwendung kommen, sind wirklich schon sehr einfach anzuwenden. Es sind auch im Ausschuss dem Experten ein bisschen die Empfehlung und die Bitte mitgegeben worden, zu berücksichtigen, ob man diesbezüglich nicht im Betrieb eigene Beauftragte schaffen kann, die das verantwortungsvoll begleiten, denn es ist nicht immer ganz so einfach, das medizinische Personal bereitzustellen. Ich darf das an dieser Stelle auch mitgeben, bitte.

Zum Steuermaßnahmengesetz: Es geht um viele Fristverlängerungen, inhaltlich hat Frau Kollegin Kittl da schon sehr viel gesagt. Dass die Befristung jetzt bis Ende Juni, also bis 30. Juni, ist, hat mich ein bisschen bedenklich gestimmt. Wir werden bis dorthin weder die gesundheitliche noch die wirtschaftliche Krise bewältigt haben. Der Experte im Ausschuss hat uns bestätigt, dass jetzt schon begonnen wird, doch an Verlänge­rungen zu arbeiten und darüber nachzudenken. So traurig es ist, ich befürchte, es wird notwendig sein.

Zum letzten Bundesgesetz, zum Depotgesetz: Herr Minister, Sie haben es angespro­chen: ja zur Digitalisierung. Was mich bedenklich stimmt, was unsere Fraktion sehr be­denklich stimmt, ist, dass Banken es sich aussuchen können – dass sie die alternativen Möglichkeiten haben, entweder zu digitalisieren oder auch nicht –, es aber ohne die Zustimmung des Hinterlegers tun dürfen. Das, finde ich, geht gar nicht. Ich weiß auch nicht, wie das in der Realität umzusetzen ist: Es muss ja eine digitale Signatur oder sonst irgendetwas dafür geben. Ohne die ausdrückliche Zustimmung des Hinterlegers, die Sammelurkunden zu digitalisieren, können wir uns das nicht vorstellen, deshalb lehnen wir das ab. Es wird keine Zustimmung geben. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.10


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


21.10.52

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich nur auf das Steuer­maßnahmengesetz beziehen und dort auch nur auf die steuerliche Regelung für das sogenannte Homeoffice, das übrigens ein Wort ist, das nur vermeintlich Englisch ist, weil das auf Englisch work from home heißt.


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Positiv ist, dass jetzt erstmals Regelungen geschaffen werden, die sich nicht ausschließ­lich auf das steuerliche Arbeitszimmer beziehen. 2021 musste es werden, damit es so weit kommt. Ein bisschen zu kurz greift uns das Ganze, da es sich ja nur auf Kosten aus Tätigkeiten in der Wohnung – also Arbeit in der Wohnung – bezieht und nicht auf Arbeit, die auch an beliebigen anderen Stellen außerhalb der Arbeitsstätte durchgeführt wird. Wir begrüßen grundsätzlich die meisten dieser Vorschläge, zum Beispiel das Home­officepauschale: 3 Euro pro Tag, Zahlungen durch den Arbeitgeber, steuerfrei. Wenn das nicht vom Arbeitgeber in diesem Ausmaß bezahlt wird, kann es dem Werbungskos­tenpauschale zugeschlagen werden. Das ist ein guter Anreiz.

Dann die Ausgaben für die ergonomische Einrichtung des häuslichen Arbeitsplatzes außerhalb eines steuerlich zu berücksichtigenden Arbeitszimmers: Das sind bis zu 300 Euro pro Kalenderjahr. Da ist das einzige Problem, dass das ein bisschen spät kommt. Die Regierung hat etwas lange für diese Regelung gebraucht, es ist jetzt schon März 2021. Die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 kann ja durchaus schon durchgeführt worden sein. Es ist die Frage, wie lange es noch dauert, bis das Formular für die Arbeitnehmerveranlagung so umgestellt wird, dass das miteinbezogen werden kann.

In weiterer Folge begrüßen wir die Erhöhung der Grenze für geringwertige Wirtschafts­güter für digitale Arbeitsmittel; es ist nicht steuerbar, wenn digitale Arbeitsmittel vom Ar­beitgeber zur Verfügung gestellt werden.

Grundsätzlich muss man darauf hinweisen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen klaren Vorteil daraus ziehen, dass sie im sogenannten Homeoffice tätig sind. Der größte ist die vielfach große Zeitersparnis durch den Wegfall des Weges von und zur Arbeitsstätte. Würde man diese Zeit mit dem Stundenlohn oder Gehalt der Arbeitneh­merin und des Arbeitnehmers bewerten, so verblasst auf der anderen Seite die teilweise geäußerte Forderung nach einem Kostenersatz für etwas höhere Betriebskosten da­heim. Man darf auch nicht zumindest nicht kurzfristig  gegenrechnen, dass sich Ar­beitgeberinnen und Arbeitgeber Büroräumlichkeiten ersparen würden, denn das ist keine kurzfristige Maßnahme für die Arbeitgeber.

Es ist grundsätzlich ebenfalls zu begrüßen, dass versucht wird, die heutigen Arbeits­realitäten beziehungsweise Trends, die nicht erst seit Covid bestehen, gesetzlich zu un­terfüttern. An manchen Stellen gewinnt man aber den Eindruck, dass die Lösung alles noch komplizierter macht, da die gewählte Systematik den teils wichtigen diesbezügli­chen Forderungen im Regierungsprogramm, nämlich Vereinfachung und Bürokratieab­bau  die scheinen oft Lippenbekenntnisse zu bleiben –, entgegensteht. Eines davon ist etwa das Ziel, die Lohnverrechnung zu vereinfachen.

Generell ist die getroffene Regelung in der Gesamtheit häufig zu bürokratisch gestaltet und belastet damit alle beteiligten Parteien, nämlich nicht nur Arbeitgeber, Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die Finanzverwaltung. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.15


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Robert Seeber. – Bitte.


21.15.23

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr verehrter Herr Minister! Ich darf mich auch einem der Vorredner anschließen, der gesagt hat, wir haben eine sehr umfassende Tagesordnung. Ich werde diesen Tagesordnungspunkt also relativ knackig und kurz abhandeln. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Heute wurde auch schon von mehreren Vorrednern gesagt, dass die Wirtschaftsleistung in Österreich zurückgegangen ist. Nicht der Hauptgrund, aber einer der Gründe ist natür­lich auch, dass der internationale Reiseverkehr zum Erliegen gekommen ist und dass


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die Lieferketten unterbrochen wurden. Man muss dazu schon auch sagen: Ein Land, das sehr vom Tourismus anhängig ist, in dem der Tourismus einen großen Teil – fast 15 Pro­zent des Bruttoinlandsprodukts – ausmacht, spürt das natürlich mehr als andere Länder. Abgesehen davon – und das steht damit in Zusammenhang – sind wir Exportweltmeis­ter. Wenn die Lieferketten unterbrochen werden und es keine Reisetätigkeiten gibt, dann spürt man das natürlich auch dementsprechend.

Auch der private Konsum hat gelitten, es wurde mehr gespart, weniger ausgegeben. Die beruflichen und die privaten Investitionen sind zurückgegangen. Daher ist dieses Kapitel, dieses Paket, welches wir heute hier verabschieden, eine sehr gute Sache. Kollege Haubner hat das einmal sehr gut zusammengefasst. Was mir unter diesen Punkten sehr gut gefallen hat: Wir digitalisieren, wir unterstützen und wir motivieren. Das Digitalisieren betrifft das Depotgesetz, darüber haben wir heute schon von mehreren Kolleginnen und Kollegen gehört. Es ist ein Schritt in Richtung Modernität und auch, wie ich das sehe, zur Attraktivierung eines internationalen, attraktiven Finanzplatzes.

Beim Unterstützen will man einfach raus aus der Pandemie. Diese Teststrategie finde ich persönlich richtig. Ich finde es auch richtig, Betriebe, die sich an diesem Testpro­gramm der Regierung beteiligen, finanziell zu unterstützen.

Was die Motivation betrifft, hat Frau Kollegin Kittl gesagt, das kann ihr Nachredner also meine Person  machen. Die Investitionsprämie ist auch deswegen so interessant, weil sie einen wirtschaftlichen Boost auslösen wird, denn die Anträge, die jetzt 4 Milliarden Euro ausmachen, werden in Summe dann eine Auswirkung in Höhe von 40 Milliarden Euro erreichen. Das, glaube ich, ist es wert, erwähnt zu werden.

Als Oberösterreicher darf ich dazusagen, dass Oberösterreich das Exportbundesland Nummer eins ist. Landeshauptmann Stelzer sagt ja auch immer, wir sind das Zukunfts­land (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), und wir spüren auch heute schon auf­grund dieser vielen Anträge, dass es da noch im heurigen Jahr einen entsprechenden Boost in der wirtschaftlichen Entwicklung geben wird.

Liquiditätshilfen hat es auch gegeben, der Herr Finanzminister hat es gesagt, auch steu­erliche Begünstigungen. Die Regelungen betreffend Tätigkeiten im Homeoffice wurden, glaube ich, auch schon erwähnt.

Was haben wir gemeinsam erreicht, liebe Kolleginnen und KollegenWir sind auf je­den Fall – das kann ich sagen – Testweltmeister; das sieht man, wenn man sich das anschaut. (Bundesrätin Schumann: Dank der Sozialdemokratie!) Ja, danke, Sozialde­mokratie, ist alles klar. Warum nicht? (Beifall bei der SPÖ.) Wir sind auch eines der Länder mit einer eher niedrigen Jugendarbeitslosigkeit – ich bin nicht zufrieden, aber im Vergleich mit anderen Ländern, im europäischen Kontext bin ich zufrieden. Jeder jugendliche Arbeitslose ist einer zu viel, aber wir befinden uns immerhin unter den top vier ich habe mir das genau angeschaut und möchte das nur erwähnen , aber wenn es keine oder weniger gäbe, wäre es mir auch lieber. (Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)

In Summe sind diese Punkte also sehr gute Mosaiksteine, die jetzt der Koalition zur Verfügung stehen, um diese Krise abzufedern.

Ich darf mich auch abschließend noch bei dir, lieber Herr Finanzminister, für die Wirt­schaftshilfen bedanken. Ich habe es heute schon einmal gesagt, aber ich kann es noch einmal wiederholen: Wir sind im absoluten Spitzenfeld, was die Wirtschaftshilfen pro Kopf betrifft – danke im Namen der Wirtschaft, danke auch im Namen des Tourismus! Durch diese Hilfen war es möglich, unsere Mitarbeiter, Beschäftigten durch die Krise zu bringen – und ich bin überzeugt davon, dass das sehr viel dazu beitragen wird, dass die Wirtschaft wieder anspringen wird und es mit Österreich bergauf geht. – Danke und bitte um Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

21.20


21.20.33


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 194

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Bevor wir nun zur Abstimmung kommen, darf ich unseren Bundesminister Alexander Schallenberg hier im Bundesrat begrüßen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. – Bitte nehmen Sie alle die Plätze ein.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Depotgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein 2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Betriebliches Testungs-Gesetz erlassen wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

Ich danke dafür.

21.22.4019. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung Österreichs als internationaler Amtssitz- und Konferenzstandort (Amtssitzgesetz – ASG) erlassen wird und das Ausländer­beschäftigungsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Internationale Steuer­vergütungsgesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Meldegesetz 1991 geändert werden (609 d.B. und 665 d.B. sowie 10561/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuzgesetz – RKG) geändert wird (1172/A und 666 d.B. sowie 10562/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 19 und 20, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck. – Ich bitte um die


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Berichte.


21.23.21

Berichterstatterin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem ein Bundesgesetz zur Stärkung Österreichs als internationaler Amtssitz- und Konferenzstandort erlassen wird und das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Internationale Steuervergütungsgesetz, das Niederlas­sungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Meldegesetz 1991 geändert werden.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich berichte des Weiteren über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes, Rot­kreuzgesetz – RKG, geändert wird.

Auch dieser Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher auch da sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


21.24.46

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schallenberg! Grüß Gott! Zuerst zum Rotkreuzgesetz, das ist ja das einfachere: Es gibt da zwei wesentliche Punkte, die die bisherigen, ersetzten Gesetze vielleicht er­gänzen. Das Erste ist die nunmehr gesetzliche Einrichtung einer Nationalen Kommission zur Umsetzung des Humanitären Völkerrechts. Ich weiß nicht, ob wir in der Situation, in der wir sind, unbedingt eine neue gesetzlich verankerte Kommission brauchen und ob das ein zentrales Thema ist – aber gut, das können wir so lassen.

Etwas anderes ist aber der zweite Teil des Gesetzes: Da wird gesetzlich festgelegt, dass das Rote Kreuz im Jahr 2 Millionen Euro Zuwendung aus dem Bundesbudget bekommt. Im Gesetz selbst steht, das ist zur Deckung seiner internationalen Aufgaben. Warum braucht es das auf einmal? – Das Rote Kreuz gibt es lange, die internationalen Aufgaben sind seit Jahrzehnten durch internationale Verträge festgelegt.

In den erläuternden Bemerkungen finden wir auch den Hinweis darauf, dass das Rote Kreuz durch die Covid-Pandemie derzeit zusätzliche Aufgaben hätte. Na ja, die zusätz­lichen Aufgaben durch die Covid-Pandemie hätten auch der Arbeiter-Samariter-Bund, das Grüne Kreuz, die Malteser. (Bundesrat Schennach: Malteser ...!) Da wüsste ich eine lange Liste, wer diese auch hat. Dass das Rote Kreuz jetzt gesetzlich verankert 2 Millionen Euro bekommen muss, das sehen wir – bei aller Wertschätzung für dessen ehrenamtliche Mitglieder – nicht ein. Daher: Nein zu diesem Gesetz!

Besser und diskussionswürdiger ist aber das zweite Gesetz, das Gesetz zur Stärkung des Amtssitz- und Konferenzstandortes Österreich, so wie das heißt. (Heiterkeit des Bundesministers Schallenberg.) Es klingt ja gut, wenn man schaut, welche Gesetze


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dieses Gesetz ersetzt. Das ist ja nicht ganz neu, es hat zwei Gesetze gegeben, die da außer Kraft treten, und zwar das Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen und das Bundesgesetz über die Einräu­mung von Privilegien an nichtstaatliche internationale Organisationen. Da denkt man sich: Na ja, da fallen einmal Privilegien und Immunitäten weg, zumindest im Gesetzes­namen, das klingt ja ganz gut. Wenn ich dann im Gesetz weiterblättere – da werden ja in vier weiteren Gesetzen Änderungen vorgenommen – und diese Änderungen genau anschaue, sehe ich, es sind im Wesentlichen der Entfall der Worte Privilegien und Immu­nitäten.

In manchen Fällen wird das Wort Privilegien durch Vorrechte ersetzt. Immerhin kann man sagen: eine Eindeutschung, vielleicht auch etwas Positives, volksnäher. (Heiterkeit bei der FPÖ sowie des Bundesministers Schallenberg.) In anderen Gesetzen werden sie durch sich dem juristischen Laien nicht erschließende Verweise auf das neue Gesetz ersetzt. Damit sind aus den diversen Gesetzen, in denen die Worte Immunität und Pri­vilegien im Zusammenhang mit internationalen Organisationen vorkommen, die Worte Immunität und Privilegien verschwunden. Auch im Gesetz selbst gibt es natürlich keine Immunitäten und Privilegien mehr. Wenn man die Gesetze liest, dann stellt man jedoch fest, dass es da wieder nur darum geht, den Leuten etwas vorzutäuschen, und das Ge­genteil von dem gemacht wird, was behauptet wird.

Man ist nicht mutig genug zu sagen: Ja, wir schaffen hier ein noch engeres Immunitäts-und Privilegiensystem für eine gewisse Kaste, möchte ich fast sagen, für eine Gruppe von Leuten, nämlich alle, die bei internationalen Organisationen und Konferenzen mitar­beiten, vergleichbar mit den Immunitäten und Privilegien, die Diplomaten genießen. Das wäre eine ehrliche Herangehensweise, das tut man aber nicht.

Schauen wir uns an, was dieses Gesetz an Privilegien und Immunitäten für die Betroffe­nen einräumt! Es geht da um die Mitarbeiter der internationalen Organisationen und Kon­ferenzen.

Zum Beispiel handelt es sich um eine Kleinigkeit wie die Befreiung von der Gerichts­barkeit und von Vollzugshandlungen. Das ist ja nicht so schlecht – es gibt also keine österreichische Gerichtsbarkeit und vor allem keine Vollzugshandlungen. Das heißt, man kann da nicht einmal ein Strafmandat ausstellen oder eine Parkometerabgabe vor­schreiben und dann vollziehen. Man kann aber auch nicht einmal die Bauordnung in Liegenschaften internationaler Organisationen oder Konferenzen vollziehen – wenn die­se ein denkmalgeschütztes Haus kaufen, umbauen oder abreißen, kann man keine Voll­zugsmaßnahmen setzen. Man kann höchstens auf diplomatischem Wege im Heimatland intervenieren und dort schlimmstenfalls durch den Entzug der Anerkennung oder durch die Erklärung zur Persona non grata bewirken, dass jemand abgezogen wird. Es ist eigentlich erstaunlich, dass es im Jahr 2021 Leute gibt, die solche Privilegien haben und brauchen.

Dass man als Mitarbeiter einer solchen internationalen Organisation oder Konferenz von einer Besteuerung generell ausgenommen wird, versteht sich sozusagen von selbst. Es wird alles an Bezügen, Einkommen, Gehältern – egal, ob im In- oder Ausland, aus wel­chen Quellen auch immer – von der Besteuerung ausgenommen. Sogar Kraftfahrzeuge sind von der Besteuerung ausgenommen, sodass man, wenn man sich eines kauft, we­der Mehrwertsteuer noch NoVA entrichten muss. Das ist auch interessant.

Selbstverständlich besteht das Recht, zoll- und abgabenfrei und frei von allen Ein- und Ausfuhrverboten und Beschränkungen Einrichtungsgegenstände und sonstige Waren für den eigenen Gebrauch zu importieren. Das heißt, es gilt zum Beispiel auch das Ge­setz zur Ausfuhr von Kulturgütern nicht. Wenn man da in diesem privilegierten Stadl drin ist, dann kann man eine gotische Madonna erwerben, die man ansonsten nie ausführen dürfte, und darf sie, wie es früher ein amerikanischer Botschafter mit vielen Kunstschätzen


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ausführlich vorexerziert hat, in die USA zu Sotheby’s bringen, aber natürlich auch nach Burkina Faso, wenn man es sich leisten kann und von dort stammt.

Sozialversicherungsgesetze sind natürlich für Mitarbeiter solch internationaler Organisa­tionen nicht anzuwenden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist zu gewähren, das war schon bisher so – aber weil das Privilegium nicht ausreicht, wird es diesmal um das Privilegium ergänzt, dass auch die Angehörigen eines Mitarbeiters, also die Söhne, Eltern und so weiter (Bundesrat Schennach: Ehefrauen!), freien Zugang zum Arbeitsmarkt bekom­men und hier arbeiten können. Die Mitarbeiter der internationalen Organisationen sind ja normalerweise Sozialfälle, deswegen müssen die Kinder und Frauen auch arbeiten. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Heiterkeit des Bundesrates Schennach.)

Das ist im Jahr 2021 erstaunlich, ich will einmal dieses Wort verwenden. Es ist erstaun­lich, vor allem weil wir in einer Welt und in einer Organisation wie der Europäischen Union leben, die sich ja ständig bemüht, wettbewerbsverzerrenden Steuernachteil, Steu­er- und Sozialdumping zu bekämpfen. Wir haben das ja bei den Covid-Maßnahmen selbst gesehen. Da war zum Beispiel der Fixkostenzuschuss mit 800 000 Euro begrenzt. Mehr durften wir nicht auszahlen. Nein, das wäre eine Wettbewerbsverzerrung und ein unzulässiger Subventionswettlauf. Inzwischen ist das gelockert worden, doch es hat im­merhin acht Monate gedauert, bis diese EU-Vorschrift aufgehoben werden konnte. (Zwi­schenruf des Bundesrates Schennach.)

Wir werden dafür natürlich eine Erklärung hören, entweder von einem der Nachredner oder vom Herrn Minister selbst. Er wird uns sagen, dass Österreich durch diese interna­tionalen Organisationen und Konferenzen einen Mehrwert von 1,4, 1,45, 1,39 – es gibt verschiedene Zahlen – Milliarden Euro erzielen wird. Das klingt ja schön; das heißt aber nicht, dass das in die Kasse des österreichischen Staates fließt, sondern das ist eine Brutto-Netto-Rechnung. Von allem, was die in Österreich ausgeben, werden die einge­sparten Steuern und Abgaben abgezogen – und das ist dann der Mehrwert in Österreich.

Wenn sich eine Niederlassung zum Beispiel bei Wein & Co fünf Flaschen französischen Champagner, die beste Marke, um 5 000 Euro bestellt, dann sind das 5 000 Euro (Bun­desrat Seeber: Geh, hören Sie auf!) Leistung in Österreich. Das ist österreichische Wert­schöpfung. (Bundesrat Steiner: Ja, Robert, du ...! – Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und ÖVP.) Ja, weil die Vorleistung da nicht abgezogen wird, aber das ist ja egal.

Nehmen wir an, damit die Diskussion einfacher wird, diese 1,4 Milliarden Euro sind wirk­lich Wertschöpfung in Österreich: Dafür schaffen wir ein solches System von einzigartig privilegierten Personen. Da könnten wir andere Dinge machen. Da könnten wir die Schweiz nachahmen, wenn wir einen Wettbewerb veranstalten, wer mehr bietet, wer mehr Privilegien gibt, wer mehr Steuerbefreiungen ermöglicht. Da können wir Kanton Zug spielen (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling), da können wir zum Beispiel die internationalen Rohstoffhändler anziehen.

Kollege Schennach, Sie werden das vielleicht wissen: Wissen Sie, welche Wertschöp­fung allein die fünf großen internationalen Rohstoffhändler, die in der Schweiz sitzen – Glencore, Vitol und so weiter –, in die Schweiz bringen? Das sind nur Rohstoffhändler. – Die Beträge liegt derzeit bei etwa 31 Milliarden Euro im Jahr – 31 Milliarden Euro. (Bun­desrat Schennach: Da haben Sie die Diamanten dabei!) – Nein, das ist nicht dabei, das sind nur Rohstoffhändler. Die Diamantenbörse ist in der Schweiz irrelevant. Da gibt es kaum Umsätze.

Was wollen wir eigentlich? Wollen wir ein Dumping, wer schafft mehr Privilegien, wer gibt einer kleinen Kaste von internationalen Mitarbeitern einen Sonderstatus, der allen normalen Bürgern die Augen herausfallen lässt, und behauptet dann, er kreiert 1,4 Mil­liarden Euro Mehrwert, oder wollen wir ein faires System, in dem sich die Länder nicht durch Sozialdumping und durch Steuerbefreiung um Organisationen bemühen? Das


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kann man nicht einmal mehr als Steuerdumping bezeichnen, das ist die vollständige Befreiung von allen Rechten des Inlandes, mit der wir uns da um zusätzliche Organisa­tionen bemühen. Wir sagen dabei: Ja, im harten internationalen Wettbewerb müssen wir das Dumping auf die Spitze treiben und nun auch noch die Angehörigen der Mitarbeiter von allen arbeitsrechtlichen Zugangsbestimmungen befreien.

Ich glaube, liebe Kollegen, Herr Minister, Sie werden sich nicht wundern, dass meine Gruppe da nicht die Zustimmung gibt. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

21.35


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke schön.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Harald Himmer. Ich erteile ihm die­ses. – Bitte. (Bundesrat Steiner: Jetzt zu Privilegien ...! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser. – Bundesrätin Schartel: Ich an seiner Stelle täte ...!)


21.35.26

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr überrascht es mich nicht, dass die freiheitliche Fraktion auch da dagegen ist. Für die, die sich vielleicht fast nicht mehr daran erinnern können: Vor etwa zwei Jahren hat die Freiheitliche Partei noch die Außenministerin gestellt. Sie war zwar kein Mitglied der Freiheitlichen Partei (Bun­desrat Spanring: Ist sie noch immer nicht!), aber es war den Freiheitlichen die Außen­politik zumindest so wichtig, um eine Nominierung für die Bundesregierung zu bean­spruchen.

Wenn damals zwei so vergleichsweise selbstverständliche Gesetzesvorlagen gekom­men wären, hätte Kollege Hübner eine andere Rede gehalten; da bin ich mir ganz sicher. Es wäre ihm eingefallen, dass Wien ein wichtiger internationaler Amtssitz für sehr viele, nämlich für 51 internationale Organisationen ist. Er hätte vielleicht gelobt, dass hier auch Initiativen wie etwa das Atomabkommen Boden gefunden haben – auch wenn dieses nun in Probleme gekommen ist, aber vielleicht könnte es ja auch wieder in Wien sein, wo es wieder in Schwung kommt. (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich habe schon den Eindruck, man kann natürlich vieles kritisch zerreden, wenngleich ja da auch wirklich Ansatzpunkte wären, über die man diskutieren kann. Die genannten Beispiele – Champagner für 5 000 Euro im Wein & Co oder das Risiko, dass jemand in Döbling ein Hochhaus baut – sind, glaube ich, nicht die Beispiele, die konterkarieren sollten, dass wir Österreicher, dass Österreich weltweit einen hervorragenden Ruf hat, ein Ort des Dialogs und der Zusammenführung, ein Ort, an dem höchste Diplomatiekunst stattfindet, zu sein und auch immer gewesen zu sein.

Ja, wir befinden uns da in einem internationalen Wettbewerb. (Bundesrat Steiner: ... su­per!) Es gibt andere Städte: Doha, Dubai et cetera, die auch um solche Rollen, wie sie Wien innehat, mitwerben, zu denen wir in Konkurrenz stehen. (Bundesrat Spanring: ... Privilegien ...!) Es geht dabei nicht nur darum, dass auch diese Städte Orte wichtigen Weltgeschehens sein wollen, sondern natürlich auch um das Faktum, dass es auch ein Wirtschaftsfaktor ist. Daher denke ich, dass dieser breite Konsens, den es ja hier doch auch gibt, sehr gerechtfertigt ist und dass wir unsere gute Rolle, die wir über viele Jahre gespielt haben – auch in den zwei Jahren mit einer freiheitlichen Außenministerin –, weiter spielen können.

Was den zweiten Teil, das Rote Kreuz, betrifft: Auch da kann man natürlich kritisch sein, aber ehrlich: Wir wissen, wir leben in einer Welt (Zwischenrufe bei der FPÖ), in der es leider auch eine Vielzahl von militärischen Auseinandersetzungen gibt. Sie alle sind Menschen, die das politische Geschehen bestens mitverfolgen. Sie wissen, was in Afrika los ist, Sie wissen, was in Asien los ist, und ich glaube (Bundesrat Steiner: ... und überall


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ist das Rote Kreuz zuständig, richtig? Das Österreichische Rote Kreuz!), die Sonder­stellung des Roten Kreuzes und die wichtige Rolle, die das Rote Kreuz bei der Durch­setzung des humanitären Völkerrechtes hat, sind auch bekannt. Wir wissen ja schließ­lich, dass das Rote Kreuz eben auch direkt ins Kriegsgebiet hinein kann – und dass dem humanitären Völkerrecht da zum Durchbruch zu verschaffen die Voraussetzung dafür ist, dass humanitäre Hilfe geleistet werden kann.

Ja, es geht bei diesem Gesetz tatsächlich auch darum, die Leistungen des Roten Kreu­zes anzuerkennen und zu zeigen, dass es der Republik Österreich wichtig ist und dass es Wertschätzung für die Leistungen des Roten Kreuzes beziehungsweise im Nahen Osten des Roten Halbmondes gibt.

In dem Sinne zu fortgeschrittener Stunde: Es sind zwei gute Gesetzesvorlagen, denen zumindest wir, aber, wie ich ja weiß, auch andere Fraktionen guten Herzens die Zustim­mung geben können. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

21.40


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke schön.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grimling. – Bitte.


21.40.50

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat zu später Stunde! Ob es noch jemanden via Livestream gibt, weiß ich nicht, aber falls ja, dann sei auch er herzlich begrüßt. Die heute zur Beschlussfassung vorliegenden zwei Gesetzes­materien betreffen beide die Stellung und den Beitrag Österreichs in Bezug auf das hu­manitäre Völkerrecht und die diesbezüglichen Einrichtungen und internationalen Organi­sationen.

Die Schaffung eines zeitgemäßen und umfassenden Amtssitzgesetzes soll die Attraktivi­tät des Standortes Österreich beziehungsweise Wiens als Sitz internationaler Organisa­tionen und Ort für internationale Konferenzen fördern. Die derzeit 51 in Wien angesiedel­ten internationalen Organisationen stellen jedenfalls auch einen bedeutenden wirtschaft­lichen Faktor dar. Das Amtssitzgesetz vereinheitlicht die bisherigen gesetzlichen Rege­lungen der Vorrechte dieser Bereiche.

Mit dem Entwurf zum Rotkreuzgesetz soll für die bestehende österreichische Nationale Kommission zur Umsetzung des Humanitären Völkerrechts eine formelle Rechtsgrund­lage geschaffen werden. Auf informeller Basis besteht diese Kommission bereits seit vielen Jahren. In diese Kommission können alle Bundesministerien Vertreterinnen und Vertreter entsenden. Außerdem können interessierte Wissenschaftler und Wissen­schaftlerinnen zur Teilnahme eingeladen werden. Die Kommission soll die Bundesregie­rung bei der Wahrnehmung der Verpflichtungen der Republik Österreich aus dem Genfer Abkommen beraten und die Umsetzung der im Zuge der Internationalen Konferenzen vom Roten Kreuz und vom Roten Halbmond abgegebenen Zusagen der Republik Öster­reich und des Roten Kreuzes koordinieren.

Zur Sicherung der Funktionsaufgaben der nationalen Gesellschaft des Roten Kreuzes und zur Umsetzung ihrer internationalen Verpflichtungen leistet der Bund rückwirkend ab 1. Jänner 2020 eine jährliche Zuwendung von 2 Millionen Euro.

Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.43


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 200

21.43.54

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja interessant, dass wir gerade vorhin eine Dringliche Anfrage hatten, bei der beklagt wurde, dass man so wenige internatio­nale Gäste nach Österreich einlädt und wir das alles kaputtmachen würden. Auf der anderen Seite: Wenn wir jetzt darüber sprechen, was nun wirklich eine hohe Anzie­hungskraft gerade einer Stadt wie Wien, aber auch von Graz, Salzburg oder Innsbruck sein kann, dann sind das internationale Organisationen. Die ganze Wertschöpfungs­kette, die damit verknüpft ist, wenn internationale Konferenzen herkommen, ist enorm. Das ist auch für die Stadt Wien beispielsweise ein ganz, ganz, ganz wichtiger Faktor, auch wegen der internationalen Gäste in der Hotellerie, in der Gastronomie und so wei­ter. Deswegen finde ich es schon ein bisschen absurd, dass hier zuerst gesagt wird: Ihr tut nichts für den Tourismus!, und wenn jetzt etwas getan wird, ist es auch wieder nicht gut. Die sollen nicht kommen!, heißt es dann. Also ich kann das nicht ganz nachvollzie­hen. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.)

Wir sind da in einem internationalen Wettbewerb. Es gibt sehr viele Länder, die durchaus erkannt haben, dass das Ansiedeln von internationalen Organisationen ein sehr wich­tiger Faktor ist, wie beispielsweise die Schweiz, Städte wie Kopenhagen, Amsterdam oder auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die sich ja auch ganz intensiv um die Ansiedlung von internationalen Organisationen bemühen. Österreich hatte bisher schlicht und ergreifend einen ganzen Haufen an verschiedenen Gesetzen, die jetzt zu­sammengeführt werden, sodass es eine einheitliche und übersichtliche Regelung gibt. Das finden wir gut, und wir wünschen uns tatsächlich internationale Organisationen in einem weltoffenen Land wie Österreich.

Zum Tagesordnungspunkt betreffend das Rote Kreuz: Meine Vorredner haben es voll­kommen richtig gesagt: Da geht es um das humanitäre Völkerrecht. Warum das Rote Kreuz da eine besondere Rolle hat, Herr Kollege Hübner, müssten Sie eigentlich wissen. Das liegt am internationalen Status des Roten Kreuzes, einem ganz eigenen völkerrecht­lichen Status. Den haben andere Organisationen nicht, auch der Rote Halbmond nicht. Deswegen ist es so wichtig, dass wir es auch dementsprechend ausstatten.

Es steht wirklich im Entwurf, dass die Ausgaben auch evaluiert werden. Also ich habe Vertrauen in das Rote Kreuz, Sie (in Richtung FPÖ) offensichtlich nicht. (Bundesrat Spanring: Das ist einfach eine Unterstellung! Der Herr Schreuder muss irgendein Pro­blem haben, aber es gibt Ärzte, die können helfen! – Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) Ich finde es richtig, dass wir das heute beschließen.

Zudem ist es ja ein wichtiger Bestandteil eines ganz großen Pakets für eine humanitäre Offensive, die diese Regierung setzt, und das ist auch wichtig. Wir haben den Katastro­phenfonds eingesetzt. Von ursprünglich 15 Millionen Euro haben wir ihn auf 52,5 Millio­nen Euro erhöht, und am Ende der Periode wird er sogar noch auf 60 Millionen Euro aufgestockt. Das ist eine Vervierfachung, und das kommt den Katastrophengegenden zugute. Das ist wirklich eine ganz wichtige Sache, die die Bundesregierung macht, und deswegen finde ich, man kann dem auch getrost zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.47


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zu einer Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Alexander Schallenberg. Ich bitte darum.


21.47.42

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bun­desrates! Das meiste wurde jetzt gerade von Bundesrat Schreuder eigentlich schon


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gesagt. Nur ein paar Bemerkungen von meiner Warte aus: Gerade dieser Tage wird wieder augenscheinlich, dass sich das außenpolitische Rad – Pandemie hin oder her – nicht aufgehört hat zu drehen. Denken wir nur an Russland, Myanmar, den Iran, aber auch an Äthiopien, Belarus, Hongkong! Allein diese Woche habe ich Treffen und Telefo­nate beziehungsweise Videokonferenzen mit den Außenministern von China, Bosnien und Herzegowina, Marokko, Armenien, Spanien, Portugal sowie der Tschechischen Re­publik und der Slowakei. Das heißt ganz einfach, die Welt bleibt nicht stehen.

Es wurde auch von der Frau Bundesrätin (in Richtung Bundesrätin Grimling) sehr richtig schon gesagt: Wir müssen auf die langfristigen Perspektiven achten. Die dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Genau die zwei Tagesordnungspunkte, die heute hier vorlie­gen, behandeln solche langfristigen Perspektiven.

Es geht einerseits um die Absicherung des Amtssitzes und des Orts des Dialoges, wo­rüber an sich – und darüber war ich immer sehr froh – ein parteiübergreifender Konsens bestand. Ich bedauere sehr, dass eine Partei der Meinung ist, dass sie sich aus diesem Konsens verabschiedet, weil das eine der wesentlichen Trademarks Wiens und Öster­reichs ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

Das Zweite ist natürlich die Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz.

Beides sind einfach Tagesordnungspunkte, die unserer internationalen Wahrnehmung entsprechen. Wir sind nun einmal Amtssitz von 51 internationalen Organisationen. Wir sind ein Hub für Sicherheit und Nachhaltigkeit. Gerade Zukunftsthemen wie Energie, Entwicklung, Klimadiplomatie stehen hier im Vordergrund.

Es wurde von Herrn Bundesrat Schreuder schon sehr richtig gesagt: Die Konkurrenz schläft nicht. Es geht nicht nur darum, dass wir Ansiedlungen neuer internationaler Or­ganisationen erreichen wollen, sondern auch darum, das Bestehende abzusichern. Die Konkurrenz, zum Beispiel aus den Golfstaaten, ist massiv. Aber ich denke auch an Bonn, an Kopenhagen und Amsterdam und andere Städte. Die Konkurrenz schläft nicht.

Was wir hier machen – und das stimmt überhaupt nicht, Herr Bundesrat (in Richtung Bundesrat Hübner), es wird weder vertuscht noch Dumping betrieben, mitnichten –, was wir machen, ist, in einem modernen Gesetz zusammenzufassen, so wie es im 21. Jahr­hundert üblich ist, wo sichtbar ist, was wir leisten. Es wird auch nichts Neues hinzugefügt. Eine einzige Ausnahme: den Arbeitsmarktzugang für Familienangehörige von quasiin­ternationalen Organisationen. Da ziehen wir mit Genf gleich, unserem wichtigsten Kon­kurrenten diesbezüglich.

Es ist nun einmal so – ich kann Ihnen erzählen –: Vor einigen Jahren hat eine sehr namhafte amerikanische Institution privater Natur gedacht, sie will gerne für 200 Mil­lionen US-Dollar einen Nexus für Umwelt in Wien ansiedeln. Einzige Bedingung: Die fünf, sechs Österreicher – wohlgemerkt –, die dort gearbeitet hätten, müssen sozusagen von der Einkommensteuer befreit sein, weil sie die 200 Millionen US-Dollar ausschließ­lich für Umweltprogramme einsetzen wollten. Ging nicht, sie sind heute in Genf ange­siedelt. Das heißt, es macht Sinn, sich da zu engagieren. Was wir machen, ist nichts anderes als das, was im internationalen Bereich üblich ist.

Sie (in Richtung Bundesrat Schreuder) haben zu Recht darauf hingewiesen: Es gibt einen massiven Wertschöpfungseffekt, aber nicht nur das: Es werden 19 000 Arbeits­plätze gesichert. Also das ist nicht etwas, das irgendwie auf einem blauen Papier irgend­wo in Blue-Sky-Debates stattfindet, sondern es ist ein ganz massiver Vorteil.

Ja, Wien kriegt den Löwenanteil davon. Ich muss auch sagen, die Zusammenarbeit mit der Stadt Wien funktioniert in diesem Zusammenhang wirklich tadellos. Aber auch die anderen Bundesländer erhalten 483 Millionen Euro brutto Wertschöpfung daraus. Das ist also etwas, das nicht nur auf ein Bundesland beschränkt ist.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 202

Ich sage einmal ganz klar: Die Kosten-Nutzen-Rechnung – weil Sie das auch angespro­chen haben – geht bitte mehr als auf. Die jährlichen direkten und indirekten Ausgaben für den Amtssitz betragen weniger als 100 Millionen Euro. Die Steuer- und Abgabenein­nahmen betragen 527 Millionen Euro. Also auch ohne die Wertschöpfung ist es ein Su­pergeschäft. Verzeihung!

Wenn ich jetzt umgekehrt sage: wir als Außenministerium sind ein Ministerium mit plus/minus 550 Millionen Euro Jahresbudget und wir, meine Mitarbeiterinnen und meine Mitarbeiter, erzeugen eigentlich eine Wertschöpfung vom Dreifachen davon. Also ich glaube, da kann man durchaus stolz darauf sein und wir sollten diese Politik, die wir seit den Siebzigerjahren führen, hier weiterführen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Vielleicht nur ganz kurz zum Rotkreuzgesetz: Die wesentlichen Punkte wurden schon angesprochen. Wir alle haben wahrgenommen, dass im Schatten der Pandemie eigent­lich die Krisen nicht abgenommen, sondern vielmehr zugenommen haben und wir in Wirklichkeit die Problematik haben, dass wir bei den SDGs vielleicht sogar um Jahre zurückfallen. Laut UNO-Angaben hat sich die Zahl der von Hungersnot betroffenen Men­schen im letzten Jahr auf 270 Millionen Menschen fast verdoppelt. Das erste Mal seit 20 Jahren ist die extreme Armut wieder im Ansteigen. Das heißt, unser humanitäres Engagement darf nicht nachlassen, und da sind – und das ist nun einmal ein Faktum – sowohl das Internationale Komitee vom Roten Kreuz auf globaler Ebene als auch das Österreichische Rote Kreuz in Österreich wesentliche Partner für uns.

Wir haben allein seit 2010 13,1 Millionen Euro – über das Österreichische Rote Kreuz wohlgemerkt – in Projekten abgewickelt, und derzeit laufen mit dem Roten Kreuz 13 Pro­jekte mit über 6,3 Millionen Euro. Es ist für die Austrian Development Agency der we­sentlichste und verlässlichste Partner, ganz abgesehen von den großen Aufgaben, die es auch im Rahmen mit der Pandemie übernommen hat.

Wenn ich jetzt an die Einrichtung der Nationalen Kommission zur Umsetzung des Huma­nitären Völkerrechts denke: Die Kommission gibt es seit Jahren. Der einzige Unterschied zwischen Österreich und anderen Staaten war: Sie hatte keine Rechtsgrundlage, und die wird jetzt hergestellt. Das heißt, es wird auch da nichts Neues geschaffen.

Die Einführung der Basisfinanzierung: Dahinter stehe ich total, weil wir damit eigentlich nicht nur eine Anerkennung der Leistung des Roten Kreuzes haben, sondern diese Zu­sammenarbeit auch auf eine stabile Basis stellen und für die nächsten Jahre und Jahr­zehnte absichern.

Ich glaube, beides, wie ich am Anfang gesagt habe, sind genau solche Engagements, bei denen wir einen breiten Konsens haben, dass wir uns international positionieren wol­len, als Amtssitz, als Ort des Dialoges, als Ort des humanitären Engagements. Ich hoffe da doch auf breiteste Zustimmung, auch hier im Bundesrat. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Schennach.)

21.54


21.54.07

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist damit ge­schlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. Bitte nehmen Sie die Plätze ein!

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Amtssitzgesetz erlassen wird und das Ausländerbeschäftigungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 203

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Rotkreuzgesetz geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

21.55.3621. Punkt

Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2021 (III-740-BR/2021 d.B. sowie 10563/BR d.B.)

22. Punkt

Außen- und Europapolitischer Bericht 2016/2017 und 2018 der Bundesregierung (III-696-BR/2019 d.B. sowie 10564/BR d.B.)

23. Punkt

Außen- und Europapolitischer Bericht 2019 der Bundesregierung (III-720-BR/2020 d.B. sowie 10565/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 21 bis 23, über welche die Debatten unter einem durchgeführt werden.

Berichterstatterin zu diesen Punkten ist Frau Bundesrätin Johanna Miesenberger. – Ich bitte um die Berichte.


21.56.13

Berichterstatterin Johanna Miesenberger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2021.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 den Antrag, den Bericht des Bundesministers für europäische und interna­tionale Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2021 zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2016/2017 und 2018 der Bundesregierung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 den Antrag, den Außen- und Europapolitischen Bericht 2016/2017 und 2018 der Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

Zudem bringe ich noch den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2019 der Bundesregierung.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstel­lung.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 den Antrag, den Außen- und Europapolitischen Bericht 2019 der Bundes­regierung zur Kenntnis zu nehmen. – Danke.



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 204

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. – Bitte.


21.58.06

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Ich stehe hier jetzt als Kontraredner. Das heißt nicht, dass wir jetzt hier kontra reden, aber wir nehmen einen Bericht nicht zur Kenntnis; auf den komme ich noch. Wenn ich aber schon als Kontraredner hier stehe, liebe Kollegen und Kolleginnen, dann können wir ja wirklich etwas bereden. Sie sind nicht ressortzuständig, aber ich hoffe, Sie werden innerhalb der Bundesregierung Erinnerungen auslösen.

Wir haben im EU-Ausschuss, wir haben hier im Plenum schon ausführlich über den Recoveryfund, den Wiederaufbaufonds der Europäischen Kommission, gesprochen. Die Europäische Kommission hat entschieden, 390 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, nicht als Kredit, sondern als Geschenk an verschiedene Mitgliedstaaten. Liebe Frau Zwazl! Wie viel macht denn das für Österreich aus? – 3,3 Milliarden Euro. Warum schenkt die Kommission Österreich 3,3 Milliarden Euro, um die Wirtschaft und die Kon­junktur um mindestens 1,5 Prozent anzukurbeln?

Die Kommission ist aber nicht dumm, und sie weiß um diese Konjunktur. Da müssen die Mitgliedsländer für diese Summe auch etwas tun. 37 Prozent dieser Summe – vielleicht horchen da die Grünen einmal kurz auf – sind für Klimaziele bestimmt, 20 Prozent für den digitalen Wandel.

Die Kommission hat aber gesagt: Ihr bekommt zwar so viel Geld, es gibt aber ein paar Grundvoraussetzungen dafür: Es darf keine Hygiene Austria stattfinden. Man darf also nicht etwas, das schon existiert, umetikettieren, es muss etwas Neues sein.

Als zweite Bedingung nennt die Europäische Kommission – und da trifft es sich gut, dass Sonja Zwazl mir direkt gegenübersitzt und die Frau Supergewerkschafterin unserer Fraktion auch (allgemeine Heiterkeit) –: Ihr müsst in eurem Land mit den Sozialpartnern, mit den Ländern, Gemeinden und Städten einen öffentlichen Dialog führen und ihr müsst uns diesen Dialog auch darstellen. Da gibt es aber nichts. Wir haben beim Gemeinde­bund, beim Städtebund und bei den Ländern nachgefragt, aber es gibt nichts. Ich habe bei meinem Teil der Sozialpartner nachgefragt. – Nichts, niente! Wenn wir da nichts tun, gehen 3,3 Milliarden Euro flöten. Im Augenblick gibt es nur drei Länder, die noch nichts eingereicht haben, und das erste der drei ist Österreich.

Wisst ihr, wie das andere machen? In Portugal zum Beispiel hat Costa einen Vorschlag in diesem Dialog gemacht und stellt ihn in der Öffentlichkeit zur Diskussion. (Beifall bei der SPÖ.) Das viel gescholtene Griechenland hat einen Nobelpreisträger gebeten, die­se große öffentliche Debatte zu führen; und Frankreich war so schnell in der öffentli­chen Diskussion, dass es schon im September einen Teil eingereicht hat. – Und wir schweigen.

Zuständig ist nicht der Außenminister, aber, Herr Außenminister, jetzt egal, ob Opposi­tion oder Regierung, wir können uns in dieser Situation 3,3 Milliarden Euro nicht entge­hen lassen! (Beifall bei der SPÖ.) Deshalb ersuche ich Sie dringend, Ihre dafür zustän­digen Kollegen dazu zu bewegen, in diese Richtung tätig zu werden. Mit zuständigen Kollegen meine ich Herrn Finanzminister Blümel – okay, er hat jetzt vielleicht wieder ein bisschen mehr Zeit für Ministerarbeit (Heiterkeit des Bundesrates Ofner) – und Frau Europaministerin Edtstadler. Es muss jetzt irgendein Dialog kommen. Vielleicht sollte man nächste Woche schon die Sozialpartner dazu einladen. Ich glaube, Ideen gäbe es genug.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 205

Jetzt kommen wir zu dem Punkt, warum wir etwas nicht zur Kenntnis genommen haben. Prinzipiell sind alle Berichte, die das Außenministerium erstellt – und das sage ich ganz gezielt den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Ministeriums –, fantastische Nach­schlagwerke. Für uns, die wir in der Außenpolitik tätig sind, sind sie quasi die Bibel, die wir dabei haben.

Bei der Debatte bin ich aber von einem Kollegen etwas provoziert worden. Wir haben nämlich gesagt, es hat in dieser Zeit viele Dinge gegeben, aber unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft ist die Außenpolitik dann eher schwach gewesen. Wir haben in dieser Zeit das EU-Afrika-Forum veranstaltet. Liebe Grüne, ihr habt gegen diesen Afrika-Gipfel enorm demonstriert und protestiert, sage ich nur; die SPÖ auch, die NEOS auch. Bei diesem Afrika-Gipfel waren unter anderem der Herr Diktator al-Sisi und noch sechs Leute da, allerdings fehlten die Staatschefs jener europäischen Staaten, die eine ganz spezielle Bedeutung für Afrika haben, zum Beispiel Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien und Deutschland. Beispielsweise Macron und Merkel sind gar nicht gekommen, sondern haben niedriger qualifizierte Leute geschickt. Dafür ist allerdings Orbán dage­wesen, und das war dann schon ganz gut.

Zweitens: Südwestbalkan, unser Schwerpunkt, den haben wir immer. In dem Jahr ist aber ein gewisser Sobotka mit einem Reiseding gekommen und musste irgendwie jedes einzelne Land dort bereisen. Und das ist eine Südwestbalkaninitiative? – Also da gehört ein bisschen mehr Substanz dahinter.

Es kam auch die berüchtigte Ablehnung des UN-Migrationspaktes, eine Schande, die uns bis heute nachhängt. Ich hoffe, dass wir diesem Pakt irgendwann doch beitreten werden.

Aus diesen Gründen werden wir den Bericht nicht zur Kenntnis nehmen – Herr Bun­desminister, Sie werden es überleben (Heiterkeit des Bundesrates Ofner) –, trotzdem geht mein Dank an Ihr Haus.

Kommen wir zur Vorschau! Dazu möchte ich vielleicht ein paar Punkte sagen. Es war eines der wichtigsten Dinge, dass die EU-Kommission entschieden hat, die Impfdosen für alle Mitgliedsländer gemeinsam zu besorgen, sodass es hier nicht untereinander zu Egoismen gekommen ist.

Es ist nicht so – und jetzt schaue ich zu euch, weil ihr ganz gern die EU-Kommission kritisiert –, dass die EU-Kommission hier fehlerhaft ist. Nein, jede Woche findet in der Kommission ein Lenkungsausschuss statt (Zwischenruf der Bundesrätin Schartel), und da sitzt aus jedem Mitgliedsland jemand dabei, je nachdem, wer entsandt wird. Ich habe mit Stella Kyriakides acht Jahre aufs Engste zusammengearbeitet. Diese Frau weiß, was sie tut, und ich bin immer wieder schwer beeindruckt, wie gut Stella die Dinge immer auf den Punkt bringt. Also dass hier die Nationalstaaten außen vor sind und nur die Kommis­sion das Problem hat, stimmt nicht.

Außerdem möchte ich nur daran erinnern, dass am Anfang der Pandemie Frau Kyria­kides an alle Mitgliedsländer geschrieben hat: Wenn wir das gemeinsam ankaufen, dann fehlt uns Geld!, und es hat vier Monate gedauert, bis die Mitgliedstaaten geantwortet haben. Also diese Zeit gehört nicht der Kommission, sondern die gehört den Mitglied­staaten, wenn wir das alles aufarbeiten.

Herr Bundesminister, ich mache es jetzt ganz kurz. (Allgemeine Heiterkeit.) Wir sind froh darüber, dass die Themen Stärkung der Grundrechte, Durchsetzung der Istanbulkon­vention, Rechtsstaatlichkeit, Migration und Dublin Agreement, dass all das im Bericht wieder drinnen ist. Ganz wichtig ist auch der Kampf gegen Antisemitismus.

Von großer Bedeutung ist natürlich auch die EU-Erweiterungsstrategie. Die EU hat das Nordmazedonien versprochen. Dass Macron diese Entwicklung gebremst hat, ist einfach


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unfair. Aber Nordmazedonien, Albanien und Serbien, das sind die Themen, in denen ich unseren Beitrag sehe.

Vielleicht noch ein Letztes: Zwei Dinge haben wir schon abgearbeitet. Das Thema Cybersicherheit haben wir gestern im Ausschuss gehabt und zugestimmt, und auch das Thema Mandat für Europol hat den EU-Ausschuss schon passiert. Das sind alles Dinge, die hier drinnen stehen. Einen Teil haben wir schon erfüllt, vieles wird noch kommen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.08


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Weiters ist Herr Bundesrat Eduard Köck zu Wort ge­meldet. Ich erteile es ihm. – Bitte.


22.08.44

Bundesrat Ing. Eduard Köck (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zu­seher! Wir haben hier, denke ich, auf der einen Seite einen guten Vorhabensbericht un­serer Regierung auf EU- und außenpolitischer Ebene und auf der anderen Seite auch ein paar Berichte über die vergangenen Jahre vor uns liegen.

Die Schwerpunkte sind definiert. Gerade in einer Sache sind wir schon aktiv unterwegs, und zwar in der Sache der Bekämpfung der Pandemie. Auch da hat der Vorhabensbe­richt natürlich einen Schwerpunkt. Unser Kanzler hat hier wieder Leadership bewiesen. Er hat am 25. Februar einen Gipfel initiiert, nämlich mit einigen anderen Ländern, die stark an einer Rückkehr zur Normalität gerade im Bereich Tourismus interessiert sind. Dabei wurde vereinbart, dass ein europäischer Impfpass kommen soll, der Urlaubern und Geschäftsreisenden eben wieder die Möglichkeit geben soll, zu reisen. Da gab es anfänglich noch Widerstand, aber dieser ist mittlerweile abgeflaut. Auch Deutschland ist jetzt auf diesen Zug aufgesprungen, und so soll es bereits am 17. März einen Gesetz­entwurf für einen derartigen Impfpass geben. Ich denke, damit haben wir wieder gezeigt, dass wir wichtige EU- und Außenpolitik betreiben und wichtige Akzente im gemeinsamen Wirken der Länder setzen.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Vergangenheit und möglicherweise auch in der Zukunft ist der Brexit. Es waren doch sehr langwierige Verhandlungen, die dann zu Ende ge­bracht worden sind; aber schon während der Verhandlungen hat Premierminister Boris Johnson zum Vertragsbruch aufgerufen, und jetzt gibt es bereits wieder einseitige Än­derungen durch die Engländer. Hier werden wir noch sehr viel Arbeit vor uns haben, denke ich. Es muss verhindert werden, dass die Engländer alle Vorzüge des freien Mark­tes haben, aber eben keine Beiträge in einen gemeinsamen Markt zahlen.

Die Erweiterung am Balkan ist uns immer ein starkes Anliegen. Da gibt es noch verschie­dene Problemstellungen mit einzelnen Ländern. Die Verhandlungen mit Nordmazedo­nien sind, glaube ich, zu einem guten Ende geführt worden, was den Namen betrifft. Zumindest in dieser Hinsicht sollte es keinen großen Widerstand gegen eine EU-Erwei­terung in diese Richtung geben. Auf der anderen Seite gibt es immer noch den Konflikt mit Serbien und dem Kosovo. Gerade auch da hat unser Außenminister große Initiative gezeigt und gemeinsam mit anderen Ländern, den Central 5, wiederum einen Prozess angestoßen, damit dieses Thema beim Rat Auswärtige Angelegenheiten auf der Agenda ist, weiter diskutiert wird. Österreich bietet sich diesbezüglich als Diskussionsort an, wo diese Konflikte beseitigt werden können, damit ein EU-Beitritt auch für diese Länder möglich wird.

Wichtig sind auch die Verbesserungen der Beziehungen zu Amerika, um gemeinsam eine Achse aufzubauen und China am Weltmarkt entgegenzutreten, das dort sehr ag­gressiv agiert. Ich habe ein Zitat gelesen, das, glaube ich, alles auf den Punkt bringt: „China hat die Größe, die Macht und die Wirtschaftskraft, um unseren Lebensstil und die


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westlichen Werte zu bedrohen.“ – Hier müssen wir wachsam sein, gemeinsam agieren, eine Achse schmieden und Möglichkeiten auf dem Wirtschaftsfeld suchen und finden, damit wir in vielen Bereichen wieder zu Eigenständigkeit kommen. Wir haben im Bereich der Medizin und in vielen anderen Bereichen gesehen, dass wir in Krisen oft gar nicht mehr fähig sind, uns selbst zu versorgen.

Zum angesprochenen Gipfel mit Afrika: Dieses EU-Afrika-Forum war, denke ich, ein sehr großer Erfolg. Es waren sehr viele hochrangige Politiker und zahlreiche Wirtschaftsver­treter dort. Es ist dort sehr viel Hilfe für Afrika auf den Weg gebracht worden, sehr viele Investitionen; und wenn der Koinitiator, Ruandas Präsident Kagame, sagt, die Diskus­sionen seien auf die richtige Ebene gehoben worden, wäre das schon früher geschehen, wären wir schon sehr viel weiter – Zitatende –, so sagt das doch einiges darüber aus, dass dieses Treffen sehr wohl auch ein Erfolg war.

Diese Berichte dokumentieren auch eine sehr umfangreiche Arbeit des Außenministe­riums. Da wären zum Beispiel 4,2 Millionen Websiteaufrufe wegen Reiseinformationen, 120 000 Reiseregistrierungen, 33 000 telefonische Auskünfte an Reisende, 350 000 Vi­saanträge, und es sind 18 000 Rechts- und Amtshilfeansuchen erledigt worden. Danke an alle, die daran beteiligt sind, für die Arbeit! Danke für diese guten Berichte! Wir hoffen auf eine gute außenpolitische Arbeit im Jahr 2021. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grü­nen.)

22.14


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Zusätzlich zu Wort gemeldet ist Bundesrat Johannes Hübner. Ich erteile es ihm. – Bitte.


22.14.25

Bundesrat Dr. Johannes Hübner (FPÖ, Wien): Liebe Kollegen! Ich begrüße Sie noch einmal, diesmal zusammen mit Herrn Minister Schallenberg! Ich bin jetzt als Proredner zu einem Bericht, den man nur zur Kenntnis nehmen kann, zu Wort gemeldet. Es ist auch schwer anders möglich; da kontra zu sein, ihn nicht zur Kenntnis zu nehmen, ist ein bisschen komisch. Ich bin auch insoweit pro, als die Berichte wie immer sehr, sehr ausführlich und sehr, sehr informativ sind. Wer Interesse an außenpolitischen Dingen hat, der findet da wirklich viele Informationen über das, was in den letzten vier Jahren vorgegangen ist.

Ich will aber jetzt nicht nur Danke sagen und Dankesbotschaften ausrichten, ich glaube, das ist nicht so sehr die Aufgabe eines Oppositionsredners. (Rufe bei der SPÖ: Doch! Doch!) – Doch, ist es unsere Aufgabe? Also ich sehe das nicht so. Sie meinen, die Oppo­sition muss danken und Danke, Danke sagen. Ich glaube, nicht so ganz. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe schon Danke gesagt, den Dank habe ich ausrichten lassen. Al­lerdings bin ich als Oppositionsredner im Gegensatz zu Rednern von ÖVP und Grünen, die ja kein kritisches Wort verlieren dürfen – die dürfen ja nur danken –, von dieser Mo­nopolverpflichtung befreit und kann mich daher frei äußern. (Beifall bei der FPÖ. – Zwi­schenruf des Bundesrates Köck.)

Um es positiv zu formulieren, damit auch Sie zufrieden sind (erheitert), werde ich jetzt sagen, was am Bericht oder an der Haltung der österreichischen Bundesregierung und des Außenministeriums und der Verantwortlichen in Bezug auf die internationale Koope­ration mit der EU aus unserer Sicht vielleicht verbesserungsfähig ist.

Gehen wir vielleicht – Kollege Schennach hat das ja auch schon angesprochen – zum Migrationspakt! Der nimmt ja im EU-Bericht eine sehr prominente Rolle ein und ist sehr wichtig. Neben dem Kampf gegen die Nichtrechtsstaatlichkeit in den immer gleichen zwei Staaten – darauf komme ich auch noch zurück – ist das sicher das Interessanteste. Ich habe mir kurz herausgeschrieben, was die EU da über sich selbst berichtet, wie sie das angeht.


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Hintergrund ist ja, dass die EU bestrebt ist, eine neue Agentur zu schaffen, weil es das Wichtigste ist, die eigene Bürokratie auszubauen und noch Hunderte Schreibtische und Mitarbeiter zu schaffen; das Beste ist da eine Agentur. Die EU kämpft hier an zwei Fronten: Das eine ist die Asylagentur, die sicherstellen soll, dass die einzelnen National­staaten nichts mehr zu sagen haben, was die Zuwanderung in ihr Staatsgebiet betrifft, sondern dass das von außen gemacht wird, weil eine Entscheidung auf nationalstaatli­cher Ebene zu demokratisch oder zu volksnahe wäre und vielleicht nicht zu den ge­wünschten Ergebnissen führen würde. Deswegen sind die Entmachtung der nationalen Parlamente, die Verhinderung von Volksabstimmungen zu diesen Fragen und die Dele­gation an eine EU-Agentur von zentraler Wichtigkeit.

Das Zweite ist, natürlich unter dem Covid-Vorwand, eine Agentur zur Zentralisierung der Gesundheitsvorsorge zu schaffen. Wir waren eh in einem Ausschuss, in dem das schon thematisiert wurde. Das ist der sogenannte Hera Incubator – ich habe jetzt vergessen, wofür Hera steht, aber der Minister wird es wissen. Hera Incubator wird jedenfalls unter dem Vorwand der derzeitigen Pandemie in Zukunft eine zentrale Krisensteuerung für die Gesundheit werden. Auch da darf man mit Hunderten neuen Schreibtischen und Arbeits­plätzen und einer weitgehenden Entmachtung der Nationalstaaten rechnen, sodass sich auch die Präsidentin als sehr zufrieden zu dieser Initiative geäußert hat.

Was im Bericht natürlich fehlt, ist ein Hinweis darauf, wieso eine Organisation wie die EU, die 12 Prozent ihrer Mitglieder und 16 Prozent des Gesamtbruttosozialproduktes verliert, nicht gezwungen wird, ihr Budget anzupassen, wieso diese EU mit dem gleichen Budget auskommen darf, mit dem sie vor dem Brexit ausgekommen ist. Auch das ist eine interessante Frage. Österreich hat zwar mitverhandelt, als Teil der sogenannten frugalen vier, drei weitere Staaten haben mitunterstützt, und eine exzessive Ausweitung des Budgets verhindert, aber das Budget ist gleich geblieben, ist sogar leicht ange­stiegen.

Jetzt gibt es, wie Kollege Schennach schon gesagt hat, offenbar die Möglichkeit, Geld zu verschenken. Wir haben jetzt gehört: 390 Milliarden Euro wird die Kommission nicht als Darlehen geben, sondern verschenken. (Bundesrat Schennach: ... hat ja mit dem anderen nichts zu tun!) – Na ja, ich sage nur, dieses Geld wird wahrscheinlich aus der Steckdose kommen oder, ich weiß nicht, vielleicht aus der Notenpresse, aber offenbar nicht von den Mitgliedstaaten.

Da Ihr Kollege sehr zufrieden damit ist, dass von diesen 390 Milliarden Euro – ich weiß nicht, ob die Zahl genau stimmt – 3,3 Milliarden Euro eventuell an Österreich fließen, muss ich sagen: Das ist nicht erfreulich von den Zahlen her, denn, wie Sie wissen, haben wir ja 2,8 Prozent des EU-Gesamtbruttosozialproduktes, zahlen daher Beiträge in dieser Höhe, bekommen aber nur etwa 0,75 Prozent dieses Geschenks. Also für Österreich ist es kein großes Geschenk, würde ich sagen, auch nicht im besten Fall. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Egal, woher das Geld kommt, ob es aus der Luft kommt, ob die EU das selbst verdient und es verschenkt – wir sind sehr arm dran. Statt 2,8 Prozent, die wir - - (Bundesrat Schennach: 3,3 Prozent!) – Herr Kollege! 390 Milliarden Euro – wie viel Prozent davon sind 3,3 Milliarden Euro? 0,75 Prozent, 0,78 Prozent!

Wir haben aber 2,8 Prozent des Gesamtbruttosozialproduktes, zahlen daher in etwa auch 2,8 Prozent der Beiträge und haben auch Rechte für 2,8 Prozent. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das heißt, diese Regelung, wenn sie so wäre, wie Sie sie schildern – so ist es nicht genau –, wäre ja für uns nichts zum Jubeln, denn wenn man 2,8 einzahlt und 0,75 bekommt, jubelt man normalerweise nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

Lassen wir aber dieses Zahlenvoodoo mit den Geldern, die uns die Kommission von wo auch immer schenkt, einmal weg und kommen wir noch einmal zum Migrationspakt zu­rück! Ich habe mir da die wichtigsten Argumente dafür, dass man das alles EUisieren


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muss, angeschaut. Die Wörter, die man da mehr als fünf Mal findet, sind folgende: Kohä­renz, Transparenz, Effizienz, Solidarität, Wirksamkeit, Beschleunigung, Resilienz, Flexi­bilität und dergleichen. Das ist die klassische Ausdrucksweise, in deren Wolken man alles verstecken kann.

Was kommt hinein? – Wir haben es eh schon angesprochen: eine neue Agentur, die die Kompetenzen an sich zieht und lobend feststellt, was alles erreicht wurde, was man beim Grenzschutz, bei der Küstenwache alles Positives getan hat; das muss man verstärken und resilienter werden.

Was hat zum Beispiel die Frontex-Küstenwache im Mittelmeer gemacht? – Da gibt es verschiedene EU-Initiativen, in denen Militärschiffe der Mitgliedsländer, die Mittelmeer­häfen haben, zusammengefasst werden, die Operationen heißen Sophia, Poseidon, Eu­navfor Med und ähnlich und dienen alle der Zerschlagung von Schleusernetzen und Ähnlichem. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Tatsächlich haben diese Schif­fe bis heute die größte Schleuserleistung in der Weltgeschichte erbracht! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Schiffe, diese EU-Aktionen, die ich aufgeführt habe, haben nach eigenen Angaben mit Stand Ende 2020 – das heißt, die Zahlen sind gar nicht aktuell! – mehr als 600 000 Per­sonen kostenfrei in die Europäische Union gebracht, all das unter dem Aufhänger der Rettung. Das heißt, Leute, die mit auch noch so untauglichen Booten etwa die maritimen Zonen Tunesiens oder Libyens verlassen haben, setzen einen Hilferuf ab, dann kommen die Schiffe und bringen die Leute auf das Gebiet der Europäischen Union, wo sie in Erstaufnahmelager kommen. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Eine gewalti­ge Leistung! Diese sehr erfolgreiche Form der Küstenwache und Einwanderungskontrol­le soll jetzt institutionalisiert und in eine eigene, zentral gesteuerte Agentur übertragen werden, und als Nebenprodukt kommt dann endlich – unter dem Aufhänger Solidarität – das, was sich ja viele wünschen, leider auch in Österreich: die zwangsweise Verteilung der von der EU ausgesuchten und geholten Einwanderer auf alle Mitgliedstaaten. (Neu­erlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Das ist dann das gesamteuropäische solidarische Projekt. Das mag auch einigen Leuten hier gefallen, gebe ich durchaus zu; aber das ist etwas, was wir, soweit es in unserer Macht steht, bekämpfen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Abschluss noch die rechtsstaatlichen Verfahren: Es ist sehr interessant, dass die­se in den letzten Jahren immer gegen zwei Staaten gehen: Polen und Ungarn. Die sind absolut nicht rechtsstaatlich, die haben vier schwere Fehler gemacht, wodurch sie nicht rechtsstaatlich sind: Erstens einmal machen sie bei der Einwanderungspolitik und bei der Quotenzuteilung nicht mit. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ganz schlimm! Sie blockieren verschiedene Initiativen.

Zweitens machen sie nicht bei Gender- und LGBT-Programmen mit, da macht man sich - - (Bundesrat Schennach: Aber! – Bundesrat Schreuder: Also geh bitte!) – Soll ich Ihnen den Bericht über Gender- und LGBT-Missstände in Ungarn und Polen vorle­sen? (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Machen sie nicht. (Bundesrat Schreu­der: Ja, zu Recht steht das da drin! Zu Recht!)

Drittens sind sie in der Kulturpolitik inakzeptabel. Da setzen sie Schritte, entlassen Direk­toren und so weiter, das geht gar nicht.

Viertens haben sie nach wie vor nach dem Mehrheitsprinzip gewählte demokratische Regierungen, die diese Politik durchführen, und das scheint überhaupt der zentrale Feh­ler in der Rechtsstaatlichkeit zu sein, dass die Leute drei Mal hintereinander eine Regie­rung wie die Fidesz-Regierung Orbáns wählen. Da muss die EU einschreiten. Da weiß sie noch nicht genau, wie vorgegangen wird, aber Sanktionen sind ja gegen Ungarn


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schon versucht worden, da gibt es sicher die Möglichkeit des Abschneidens von Finanz­transfers und Ähnliches, um die sogenannte Rechtsstaatlichkeit im EU‑Sinn herzustel­len. (Bundesrat Schennach: Das werden wir auch machen!) – Ja, das glaube ich, dass Sie das gerne machen würden, das glaube ich gerne. (Bundesrat Schennach: Na wir werden!) – Ja, ich glaube, dass Sie das machen werden. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Ich weiß, dass auch hier viele davon träumen, dass nicht mehr demokratische Entschei­dungen und gewählte Regierungen die Rechtsstaatlichkeit verkörpern, sondern über­staatliche Institutionen, die politisch korrekte Ziele verfolgen und die Völker lehren, wen sie wählen dürfen. Das ist aber, lieber Kollege Schennach, nicht unsere Politik. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

22.25


Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Marco Schreuder. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


22.25.37

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Also die Einschränkung von Medien- und Pressefreiheit, den Umbau der Justiz in der Form, dass sie nicht mehr unabhängig sein kann (Bundesrat Steiner: So wie in Österreich, oder? Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft!), als rechtsstaatlich zu bezeichnen, das halte ich schon für eine sehr gewagte These, die hoffentlich in diesem Haus keine Mehrheit hat.

Wir nehmen natürlich gerne Berichte aus den Vorjahren als historisch zur Kenntnis, ich möchte das auch gar nicht weiter vertiefen. Ich glaube, die Aufmerksamkeitsspanne ist aufgrund der vorgeschrittenen Stunde auch nicht mehr allzu groß, daher spreche ich nur ganz kurz ein paar wesentliche Punkte an, die uns im EU‑Arbeitsprogramm 2021 wichtig sind – uns allen gemeinsam wichtig sind. (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

Ganz toll ist auf jeden Fall einmal, dass die Verhandlungen über den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention aufgenommen wurden, wie es auf Seite 4 im Arbeitsprogramm auch steht; das ist sehr begrüßenswert.

Die Rechtsstaatlichkeit – ja, Herr Kollege Hübner! – ist eines der Grundprinzipien der Europäischen Union, und diese Rechtsstaatlichkeit muss mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln hochgehalten werden, denn die Identität der Europäischen Union be­inhaltet das. Rechtsstaatlichkeit ist ein Grundwert, unabdingbare Voraussetzung für ei­nen Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im europäischen Rechtsraum.

Österreich unterstützt daher die Europäische Kommission in ihrem Ziel der Wahrung der europäischen Grundwerte. Und ja, Herr Kollege Hübner, die Zeit, in der man eine Men­schengruppe als Menschen zweiter Klasse und eine andere Gruppe als Menschen erster Klasse definiert hat, ist auch vorbei, und daher gehören Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung von LGBTIQ-Grundrechten unbedingt zu dieser Rechtsstaatlichkeit dazu! (Beifall bei den Grünen.)

Es tut mir leid – das sage ich Ihnen auch als schwuler Mann –: Nein, ich bin nicht zweiter Klasse; ja, ich habe Rechtsstaatlichkeit genauso verdient wie meine Freundinnen und Freunde in Ungarn oder in Polen, die jetzt in sogenannten LGBT-freien Zonen, wie das dort genannt wird, leben müssen und drangsaliert, verfolgt und diskriminiert werden. Da muss klarer gesagt werden: Nein, das entspricht nicht dem europäischen Grundrecht! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Eine umfassende Positionierung in Abrüstungsfragen, die auch in diesem Bericht steht, ist sehr positiv zu bemerken. Österreich nimmt diesbezüglich tatsächlich eine Vorreiter­rolle auf EU-Ebene ein. Weil dieser konsequente Einsatz für die nukleare Abrüstung in


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Österreich so ein Grundkonsens ist, vergisst man manchmal, dass das woanders nicht so ist. Wir setzen uns dafür gemeinsam etwa mit Malta und Irland ein. Das gilt ebenso für die Nuklearfrage im gesamten Klima- und Umweltbereich, also die nukleare Sicher­heit. Man muss wirklich sagen: Ohne Österreich gäbe es oft keine so laute Stimme, wenn es um diese Fragen geht, und es ist wirklich enorm wichtig, dass wir das hier verankern. Ebenso wichtig ist das starke österreichische Engagement im Bereich chemische, biolo­gische, aber auch konventionelle Waffen. Ich verweise nur auf die sogenannten Killerro­boter – in diesem Bereich haben wir eine ganz starke Stimme.

Wir könnten jetzt noch viel über den Westbalkan diskutieren, das ist natürlich auch ein ganz wesentlicher Bestandteil: die EU-Perspektive der Länder dort, die Entwicklungszu­sammenarbeit, das ist ja auch in unserem Regierungsübereinkommen ein Schwerpunkt, ein ganz wichtiger Punkt, der auch in diesem Bericht steht.

Es ist auch sehr wichtig, die Zusammenarbeit mit Afrika und die Stärkung Afrikas als Wirtschafts- und Sicherheitspartner der EU auf allen Ebenen zur Kenntnis zu nehmen, auch das ist aktive Entwicklungszusammenarbeit. Wir werden daher das EU-Arbeits­programm, ebenso wie die historischen Berichte, gerne zur Kenntnis nehmen. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

22.30


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Außenmi­nister. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


22.30.06

Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Mitglieder des Bundesrates! Es wurde ja schon mehrmals gesagt: Die Berichte, die hier vorliegen, das EU-Arbeitsprogramm, sind eine Art Leistungsschau. Herr Bundesrat Hübner, sozusagen zitiert frei nach Kreisky: Sie haben keine Ahnung, wie viel Lob wir im Außenministerium vertragen können.

Das ist, wie richtig gesagt wurde, ein Nachschlagewerk, eine Faktendarstellung, und ich finde es bedauerlich, dass eine solche reine Faktendarstellung von einer Fraktion abge­lehnt wird, weil sie mit den Inhalten nicht einverstanden ist. Ich will gleich zu Beginn auf ein paar Punkte eingehen, die jetzt angesprochen wurden.

Punkt eins, zum Budget: Es stimmt einfach nicht, was gesagt wird. Es ist nicht so, dass da mehr Geld rausgekommen ist. Der Anteil – und ich habe selber verhandelt – ist der Anteil am BIP. Es war klar, dass die Mitgliedstaaten hinsichtlich des BIPs gewachsen sind, daher haben wir von Anfang an gesagt, es wird im Mehrjährigen Finanzrahmen auch mehr Finanzmittel geben; aber gerade Österreich mit den Frugal Four, den sparsa­men vier, hat darauf geschaut, dass es nicht überbordend ist, und wir haben da sogar einen sehr großen Erfolg eingefahren.

Bei den maritimen Missionen, die Sie angesprochen haben, war es ebenfalls gerade Österreich, das bei der Irini-Mission vor der libyschen Küste festgestellt und sicherge­stellt hat, dass der Pullfaktor in das Mandat Eingang findet und dass sichergestellt wird, falls es zu einer Situation kommt, dass man das Gefühl hat, diese Missionen werden von Schlepperbanden missbraucht, dass die Schiffe sich verlagern. Letztlich geht es darum, Waffenschmuggel aus dem östlichen Mittelmeer – ich lasse es einmal so allgemein dar­gestellt – hintanzuhalten.

Beim Recovery Fonds ist mir Folgendes wichtig: Ich glaube, die Wahrheit liegt irgendwo zwischen SPÖ und ÖVP. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Diese Bundesre­gierung wird sich die Chance nicht entgehen lassen, diesen Recovery Fonds voll aus­zuschöpfen, auch wenn es nicht meine Zuständigkeit ist. Der Budgetschlüssel ist aber


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nicht der normale Budgetschlüssel, sondern bei der Verteilung wird ausdrücklich Bezug auf die Bevölkerungsrate genommen, das BIP pro Kopf, die durchschnittliche Arbeitslo­senrate und, das ist sehr wichtig, den BIP-Verlust 2020/2021, also genau während der Krise. Es ist also ein eigener Schlüssel.

Zuletzt, da kann ich mich eigentlich nur auf Bundesrat Schreuder beziehen: Rule of Law. Es war damals gerade der österreichische EU-Vorsitz, der 2018 im Rat in der alten türkis-blauen Bundesregierung sehr professionell – ich war selber dafür zuständig – die Artikel-7-Verfahren Rule of Law gegen Ungarn und Polen durchgeführt hat. Also da müssen wir, glaube ich, auch bei den Fakten bleiben und sagen, dass wir das als Vorsitz sehr pro­fessionell und in Anerkenntnis dessen, was einfach die Fakten sind, durchgeführt haben.

Vielleicht nur ganz kurz, weil es vom einen oder anderen angesprochen wurde: Diese Berichte sind natürlich ein Blick nach hinten. Wir alle wissen aber jetzt schon, dass es uns nicht an Themen mangeln wird, wenn es dann darum geht, die Berichte 2020/2021 und folgende zu schreiben. Wenn ich sozusagen einen geopolitischen Ausblick in einem Satz machen müsste, dann würde ich sagen: Nach der Krise ist vor der Krise. Man hat sogar eher das Gefühl, dass Covid-19 ein Brandbeschleuniger ist, und wir müssen davon ausgehen, dass die massiven sozioökonomischen Folgen dieser Pandemie in Wirklich­keit politische Instabilitäten, die schon präsent sind, noch weiter anheizen und verstärken werden, gerade in den schwächsten Staaten.

Wenn man nur die Themenliste durchgeht, die momentan einen Außenminister massiv beschäftigen:

Äthiopien, ethnische und soziale Bruchlinien, die aufbrechen: Ich zitiere jemanden, der nicht zitiert werden will, einen internationalen Kollegen, der sagt: Äthiopien droht, das nächste Syrien zu werden. Die Situation ist zum Teil dramatischer, als sie in der Öffent­lichkeit dargestellt wird. Grenzstreitigkeiten mit dem Sudan werden militärisch ausge­fochten. Eritreische Truppen haben schon längst Fuß gefasst, wir haben weiterhin kei­nen humanitären Zugang in die Region und Vermittlungsbemühungen stoßen weiterhin auf taube Ohren.

Jemen: die größte humanitäre Katastrophe weltweit; 80 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung von circa 30 Millionen Menschen hat nicht genügend zu essen. Ja, wir Österreicher haben unsere Hilfe doch auf namhafte 6 Millionen Euro aufgestockt, aber wir wissen, das ist nur ein Notverband, eine Notfallmaßnahme, ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Wunde, die im Jemen seit Jahren geschlagen wird, wird nicht durch humanitäre Hilfe zu heilen sein, sondern es braucht hier in Wirklichkeit eine politische Lösung, die noch in weiter Ferne liegt.

Myanmar: Sie alle lesen das in den Medien. Wenn man Myanmar beobachtet, fühlt man sich in die Vergangenheit versetzt, sozusagen ins Zentral- oder Lateinamerika der Sech­zigerjahre. Die Militärjunta wird immer aggressiver, immer brutaler. Die Proteste werden immer brutaler niedergeschlagen. Trotz Ausnahmezustand, trotz Verhaftungen, trotz täglicher Berichte über Tote gehen die Proteste aber weiter, und ich glaube, es ist ganz richtig, dass die Europäische Union da eine sehr klare Linie gefunden hat und einmal als ersten Schritt die gesamte EU-Entwicklungshilfe auf Eis gelegt hat, Sanktionen in den Raum gestellt und die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen, natürlich allen voran jene von Aung San Suu Kyi, gefordert hat. (Zwischenruf des Bundesra­tes Schennach.)

Hongkong, Belarus, Russland: Auch da stehen die demokratiepolitischen Ampeln klar auf Rot, und ja, ich stehe auch dazu: Wir haben uns nach einer langen, sehr intensiven Debatte beim letzten EU-Außenministerrat auf weitere sehr präzise, gezielte Sanktionen


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gegen Russland, gegen Personen im Bereich der Staatsanwaltschaft und des Strafvoll­zugs geeinigt, aber wir müssen hier weiterhin doppelgleisig fahren: einerseits Kante dort, wo notwendig, andererseits Dialog dort, wo möglich.

Ich will aber nicht nur negative Entwicklungen erwähnen, es gibt auch einige Bereiche, in denen es durchaus positive Entwicklungen gibt. Ein Bereich wurde hier schon er­wähnt: zum Beispiel Libyen. Dort gibt es jetzt zum ersten Mal wieder eine Übergangsre­gierung. Die Waffen schweigen vorübergehend, im Dezember sollen Wahlen stattfinden. Die Regierung wurde jetzt gerade vom Parlament bestätigt und, was schon bemerkens­wert ist, es gibt fünf weibliche Ministerinnen, auch das Außenministerium wird künftig von einer Frau geleitet. Das halte ich für ein sehr encouragierendes Signal, aber man darf nicht allzu optimistisch sein: Es gibt noch keine Regelung zum Abzug der Söldner und der internationalen und ausländischen Truppen, die dort aktiv sind, und wir sind weiterhin nicht in der Lage, dem massiven Waffenschmuggel, der in Richtung Libyen stattfindet, wirklich Einhalt zu gebieten.

Zweites sehr vorsichtig positives Zeichen: Iran. Ich muss wirklich dem Leiter der Interna­tionalen Atomenergiebehörde hier in Wien, Rafael Grossi, Dank und Lob aussprechen, der es in seinen Verhandlungen vor zwei Wochen in Teheran sozusagen 5 Minuten vor 12 geschafft hat, eine dreimonatige Atempause zu verschaffen. Jetzt haben wir für drei Monate ein kurzes Mondfenster, in dem vielleicht noch die Diplomatie einsteigen kann. Noch haben wir eine Pattstellung, noch haben wir die Situation, dass beide Seiten nicht nachgeben wollen, aber es gibt zumindest die Möglichkeit, dass hier Diplomatie wieder greift. Wien steht natürlich als Austragungsort für diese Gespräche zur Verfügung.

Letzter Punkt, der schon angesprochen wurde und der mir – und ich glaube, uns allen hier – sehr wichtig ist: Auch da, glaube ich, gibt es einen breiten Konsens in diesem Haus: der Westbalkan, unsere Nachbarschaft im weitesten Sinne. Ich freue mich sehr, dass da wieder Bewegung reingekommen ist. Offen gestanden, 2020 war ein verlorenes Jahr für diese Region. Es ist mir sehr wichtig, und das merke ich auch in den Gesprä­chen: Wir dürfen nicht den Eindruck vermitteln, dass Europa nur auf sich selbst schaut, mit sich selbst beschäftigt ist und wir auf diese Region vergessen.

Das dürfen wir schon als Österreicher gar nicht zulassen. Nicht nur, dass wir Investor Nummer eins dort sind, wir haben auch eine halbe Millionen Menschen hier in Öster­reich, die familiären Hintergrund in dieser Region, die Beziehungen dorthin haben. Wir sind kulturell verflochten. Für uns ist es also eine wesentliche Wahrnehmung von Eigen­interesse, dass wir uns für diese Region einsetzen, und ich freue mich sehr, dass wir jetzt, neun Mitgliedstaaten gemeinsam, eine Initiative gestartet haben, dass wir eine strategische Diskussion – oder ich sage einmal, eine strategischere Diskussion – auf Ratsebene in der EU zum Westbalkan haben wollen.

Ich habe gerade diese Woche gemeinsam mit meinem tschechischen und slowakischen Kollegen im Rahmen des sogenannten Slavkov-Formats oder Austerlitz-Formats, wo gerade wir – Österreich – den Vorsitz führen, mit dem portugiesischen Kollegen gespro­chen, und er hat mir zugesichert, dass sie dieser Region dieses Jahr wieder mehr Auf­merksamkeit schenken wollen. Auch die slowenische Präsidentschaft ab Juli hat da ein sehr großes Ambitionsniveau.

Ich glaube, wir müssen – und da sind wir uns in diesem Haus vermutlich einig – alles daransetzen, dass 2021 nicht wieder ein verlorenes Jahr für diese Region wird, denn es gibt in der Politik kein Vakuum. Wenn sich Europa abwendet, werden andere, dritte Staa­ten, dritte Akteure in dieses Vakuum hineinstoßen. Wir sehen es jetzt teilweise auch schon bei der sogenannten Impfpolitik, dass da China oder Russland versuchen, klar ihre Narrative vorzubringen. Also ich glaube, da haben wir ein gemeinsames Interesse, und ich freue mich, dass Österreich sich da auf jeden Fall weiterhin engagiert zeigen


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wird und dass die Hoffnung besteht, dass 2021 für die EU-Annäherung des Westbalkans ein besseres Jahr werden wird. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.39


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächster Redner ist Bundesrat Peter Raggl. – Bitte, Herr Vizepräsident.


22.39.50

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Außenminister! Wir haben schon sehr umfangreiche Ausführungen zu den drei vor­liegenden Berichten gehört, ich als Tiroler darf noch zwei Punkte ansprechen, einen sehr positiven Punkt, in dem man die Außenpolitik Österreichs, glaube ich, als Meisterstück loben kann, und einen zweiten Punkt, wo man durchaus ein bisschen kritischer hin­schauen kann, vor allem in Zusammenhang mit der EU-politischen Vorschau auf das Arbeitsprogramm 2021.

Als Tiroler freut es mich wirklich sehr, dass im Außen- und Europapolitischen Bericht der Bundesregierung das Thema Südtirol in einem eigenen Kapitel erwähnt und abgearbei­tet wird. Das ist, glaube ich, das Musterbeispiel, weil Österreich seit dem Pariser Vertrag 1946 eine Schutzmachtstellung gegenüber Südtirol einnimmt, und dies sehr erfolgreich. Diese Schutzfunktion wird, glaube ich, von Anfang an mit der notwendigen Diplomatie gegenüber Italien zum Schutz der Autonomie von Südtirol wahrgenommen. Die Autonomie ist ein Modellfall oder wird als Modellfall in Europa gesehen, wie ein friedliches Zusammenleben von Minderheiten, von unterschiedlichen Sprachgruppen er­folgen kann, und diese Autonomie hat eben zum friedlichen Zusammenleben zwischen den Deutschen, Ladinern und Italienern auf dem Südtiroler Staatsgebiet geführt.

Zumindest außerhalb von Coronazeiten gibt es ja kaum mehr Beschränkungen in den engen Beziehungen zwischen Tirol und Südtirol. Der EU-Beitritt hat uns sehr massiv geholfen, da noch vorhandene Barrieren abzubauen, um ein besseres Wiederzusam­menwachsen der zwei Länder, die historisch ja sehr lange eine Einheit dargestellt haben, zu ermöglichen.

Dass dies, und das muss ich jetzt einfach noch einmal sagen, möglich war, war ein großes Verdienst der österreichischen Außenpolitik, und ich bedanke mich als Tiroler für dieses Meisterstück, das da in den letzten 80 Jahren gelungen ist. – Das war jetzt das Positive.

Ein bisschen Kritik möchte ich im Zusammenhang mit der Vorschau anbringen, die sich auch mit dem Kapitel der Covid-Zusammenarbeit auf EU-Ebene auseinandersetzt. In diesem Zusammenhang darf ich als Tiroler Kritik anbringen, und zwar zu diesem Punkt: Kollege Kolland hat es heute nicht irrtümlich angesprochen, er hat es bewusst ange­sprochen, nämlich unsere derzeitige Situation mit der Grenzschließung an der gemein­samen Grenze zwischen Bayern, also Deutschland, und Tirol und die dabei zu beobach­tende vornehme Zurückhaltung der EU.

Wir beobachten eine Ungleichbehandlung durch Deutschland im Umgang mit Tirol, das ganz andere Infektionszahlen hat. Das Südafrikavirus haben wir leider vor allem im Bezirk Schwaz, wo derzeit 10 Prozent der Infizierten dieses südafrikanische Virus in sich tragen, bei einer Inzidenz von 100. An der deutsch-französischen Grenze im Départe­ment Moselle gibt es dieses südafrikanische Virus ebenfalls, dort weisen 60 Prozent der Infizierten diese Variante auf, und das gleichzeitig mit einer Inzidenz von 300; das sind also auf keinen Fall vergleichbare Zahlen.

Zwischen Tirol und Bayern - - (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.– Bitte? (Bun­desrat Schennach: Dort ist nicht Bayern!) Nein, ist nicht Bayern, ich weiß. Entschuldi­gung! Ich sagte ohnedies: Wir sind mit Deutschland nicht zufrieden. Zwischen Tirol und


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 215

Bayern werden die Grenzen geschlossen, verbunden mit allen möglichen Nachteilen. Da gibt es familiäre Nachteile – es gibt Familien, die haben sich seit Wochen schon nicht mehr gesehen. Es gibt wirtschaftliche Nachteile, weil der Warenaustausch nicht möglich ist, es in Tirol sehr viele Firmen gibt, die fixe Aufträge in Bayern, im Allgäu zu erledigen haben, und es dann von heute auf morgen nicht mehr möglich war, die Grenze zu pas­sieren. Es gibt aber auch viele Arbeitnehmer, die in Tirol wohnen und täglich Richtung Allgäu, Richtung Bayern ausreisen. Das war dann von heute auf morgen nicht mehr möglich. Diese Leute müssen in Kurzarbeit, obwohl es von der wirtschaftlichen Lage her in den Firmen, in denen sie tätig sind, überhaupt nicht notwendig wäre.

Gegipfelt hat dieses Aussperren darin, dass selbst unserem Landeshauptmann Platter der Transit über das Deutsche Eck zu einem Treffen mit Vertretern der österreichischen Bundesregierung untersagt wurde. (Bundesrat Steiner: Warum ist er nicht mit dem Zug gefahren?) Ein Skandal an sich, dass das möglich ist, dass es dazu keinen diplomati­schen Austausch gibt.

Du wirst den Hintergrund nicht kennen, warum die Fahrt mit dem Auto notwendig war. Vielleicht hat es noch zwei, drei Termine auf der Fahrt nach Wien gegeben. Das weißt du nicht, und ich weiß es auch nicht, und darum möchte ich über das eigentlich nicht lange diskutieren müssen.

Unser eigentlich sehr renommierter Europarechtsexperte, Dr. Obwexer von der Universi­tät Innsbruck, sagt: Diese Grenzschließungen zwischen Deutschland und Tirol sind klar EU-rechtswidrig, weil Deutschland es an der deutsch-französischen Grenze ja selber vormacht, dass es gegenüber einer Grenzschließung gelindere Mittel gibt. An der deutsch-französischen Grenze gibt es das sogenannte Freitesten, das wir alle kennen. Der Transit ist möglich, sobald man einen negativen Test vorlegt, und das ist an der deutsch-österreichischen Grenze leider nicht so.

Sehr geehrter Herr Außenminister! Ich bitte Sie, auf diese Ungleichbehandlung innerhalb der EU bei den zuständigen europäischen Stellen hinzuweisen, aber auch bei den deut­schen Kollegen, mit denen wir ja sonst ein sehr freundschaftliches und gutes Verhältnis pflegen, weil wir auch wissen, in welcher Abhängigkeit wir da stehen. Dieses Verhalten aber stößt in Tirol nur auf sehr wenig Gegenliebe. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP.)

22.46


22.46.40

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die gegenständlichen Tagesordnungs­punkte getrennt erfolgen. – Die Plätze sind eingenommen.

Schriftführung und Vorsitz machen von ihrem Stimmrecht Gebrauch.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Bericht des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten über das EU-Arbeitsprogramm 2021.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist damit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2016/2017 und 2018 der Bundesregierung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 216

Wir gelangen zur Abstimmung über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2019 der Bundesregierung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist damit angenommen.

22.48.1524. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird (1108/A und 615 d.B. sowie 10571/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 24. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Ich ersuche um den Bericht.


22.48.38

Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA: Herr Präsident! Meine Damen und Her­ren! Ich darf den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 24.2.2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird, zur Kennt­nis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Gesundheit stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Mich macht die Parlamentsdirektion darauf auf­merksam, dass es ein anderer Ausschuss sein muss. Wir sind bei Tagesordnungs­punkt 24, und es geht um ein Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsge­setz 1982 geändert wird.

Ich darf bitten, noch einmal den Beschluss zu bringen.


Berichterstatterin MMag. Elisabeth Kittl, BA (fortsetzend): Verzeihen Sie – die späte Stunde.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage am 9. März 2021 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Verzeihung!


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die nunmehr korrekte Berichter­stattung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Berger-Grabner. – Ich ersuche, das Wort zu ergreifen. Bitte.


22.50.22

Bundesrätin Mag. Dr. Doris Berger-Grabner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Worum geht es bei diesem Tagesord­nungspunkt? – Es geht darum – ich verspreche, ich mache es definitiv kurz –, eine Judi­katurdivergenz zu beseitigen und Klarheit zu schaffen. Im Detail geht es darum, im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gesetzlich ausdrücklich klarzustel­len, dass die Einsetzung der Kommissionen sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen, der Gesetzgebung zuzurechnen sind.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 217

Es gibt zwei juristische Meinungen dazu, ob die Volksanwaltschaft der Verwaltungsebe­ne oder der Gesetzgebung zuzuordnen ist. Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, dass die Volksanwaltschaft der Gesetzgebungsebene zuzuordnen ist. Der Verwaltungs­gerichtshof ist der Meinung, dass die Volksanwaltschaft mit Bescheiden arbeiten muss, weil sie Teil der Verwaltung ist. Die Mitglieder der Kommissionen wurden von Verfassung wegen schon bisher nicht mit Bescheid bestellt oder abberufen, derartige Bescheide wurden in der Vergangenheit auch nicht erlassen und würden im Endeffekt nur mehr Aufwand bedeuten.

Meine geschätzten Kollegen und Kolleginnen, wir sind der Meinung, dass die Volksan­waltschaft der Gesetzgebung zuzuordnen ist und deswegen nicht mit Bescheiden ar­beiten muss. Unsere Begründung dazu: Es gibt jederzeit die Möglichkeit, über den or­dentlichen Zivilrechtsweg Entschädigungsansprüche zu stellen oder sich auch rechtlich gegen Abberufungen zur Wehr zu setzen.

Zusammenfassend, und damit komme ich auch schon zum Schluss: Für uns ist wichtig, dass die Volksanwaltschaft als Einrichtung zum Parlament gehört, denn es muss auch in Zukunft für uns gelten, dass die Gesetzgebung die Verwaltung kontrolliert und nicht umgekehrt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

22.52


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm. – Bitte.


22.52.37

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Ich darf bei diesem Tagesordnungspunkt noch auf meine Dringliche Anfrage zurückkommen, noch einen Satz dazu sagen, was von der FPÖ gesagt worden ist, und zwar betrifft das meine ehemalige Kollegin aus dem Burgenland Inge Posch-Gruska. Inge Posch-Gruska war hier Bundesratspräsidentin, Vizepräsidentin, ist seit vielen, vielen Jahren erfolgreiche Bürgermeisterin in ihrer Heimatgemeinde und wurde von der FPÖ mit dem Vorwurf kon­frontiert, dass sie mit dem Commerzialbankskandal, mit dem Kriminalfall irgendwie in Verbindung steht.

Ich weise das entschieden zurück und hoffe, dass Sie sich heute noch bei ihr entschul­digen, denn es ist überhaupt nicht in Ordnung, eine solch erfolgreiche Bürgermeisterin, Bundesratspräsidentin, eine hochgeschätzte Kollegin von uns so zu beleidigen! – Herzli­chen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz kurz noch zum Tagesordnungspunkt: Wir haben auch bei uns im Klub darüber diskutiert. Es gibt zwei juristische Meinungen, das wurde schon von meiner Vorrednerin gesagt, ob die Volksanwaltschaft der Verwaltungsebene oder der Gesetzgebung zuzu­ordnen ist. Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, dass die Volksanwaltschaft der Gesetzgebungsebene zuzuordnen ist, und der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, dass die Volksanwaltschaft mit Bescheiden arbeiten muss, weil sie Teil der Verwaltung ist. Wir als Fraktion haben darüber diskutiert und wir, die Sozialdemokratie, sind der Meinung, dass die Volksanwaltschaft der Gesetzgebung zuzuordnen ist und deswegen nicht mit Bescheiden arbeiten muss. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

22.54


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Andrea Michaela Schartel. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


22.54.31

Bundesrätin Andrea Michaela Schartel (FPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine bei­den Vorredner haben ja den sachlichen Inhalt schon genauestens dargelegt, gesagt,


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 218

worum es bei diesem Tagesordnungspunkt geht. Zusätzlich möchte ich erwähnen, dass auch die Volksanwaltschaft jetzt für diese gesetzliche Klarstellung sehr dankbar ist. Wir werden zu diesem Tagesordnungspunkt natürlich zustimmen. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und BundesrätInnen der ÖVP. – Bravo-Rufe bei der FPÖ.)

22.54


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Elisabeth Kittl. – Bitte.


22.55.04

Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Ich entschuldige mich gleich­zeitig noch einmal für vorhin und auch dafür, dass es jetzt ein bisschen länger dauert – nicht so lange, meine Reden sind ohnehin immer recht kurz.

Ja, die Volksanwaltschaft kontrolliert die Verwaltung. Sie deckt von Amts wegen oder auf Antrag Missstände auf und spricht Empfehlungen zu deren Korrektur gegenüber den Ministerinnen und Ministern aus und regt Gesetzesänderungen an. Sie berichtet über ihre Tätigkeit dem Nationalrat. Das tat sie in der letzten Sitzung des Nationalrates mit dem Bericht über Arbeit und Behinderung, wobei sie mehrere Maßnahmen empfahl, die auf einen besseren Arbeitsmarktzugang für Menschen mit Behinderung samt gerechter Entlohnung und Versicherung abzielten. Das unterstützten wir auch mit ganzer Kraft.

Mit der Information des Parlaments unterstützt sie die parlamentarische Kontrolle und sie informiert die Öffentlichkeit. Sie tut das auch, wir kennen das von früher, mit „Ein Fall für den Volksanwalt“ im ORF und sie tut es auch heute noch mit dem „Bürgeranwalt“ im ORF.

Im Jahr 2012 wurde die Kompetenz der Volksanwaltschaft durch die Umsetzung der UN-Antifolterkonvention, kurz Opcat, sowie der UN-Behindertenrechtskonvention erweitert. Die Volksanwaltschaft wurde damit beauftragt, auf die Einhaltung, die Förderung und den Schutz der Menschenrechte vor allem an Haftorten zu schauen. Dafür hat die Volks­anwaltschaft einerseits den Menschenrechtsbeirat und andererseits die Opcat-Kommis­sionen eingerichtet. Die Kommissionen und ihre Mitglieder werden vom Kollegium der Volksanwaltschaft durch alle drei Volksanwälte zusammen bestellt. Beide sind unabhän­gige Stellen und heute leider nicht hier – ich glaube, sie wollten eigentlich kommen, aber es ist etwas zu spät.

Diese sogenannten Besuchskommissionen werden mit der Inspektion von öffentlichen und privaten Einrichtungen von Freiheitsentzug betraut, Einrichtungen, in denen Men­schen die Freiheit entzogen wird beziehungsweise in denen sie einen eingeschränkten Freiheits- und Handlungsspielraum haben und vulnerabel in Bezug auf die Geltendma­chung ihrer Rechte sind. Das sind Gefängnisse, Kasernen, Psychiatrien, Pflege- und Betreuungseinrichtungen, aber auch Kinder- und Altenheime und Einrichtungen für Men­schen mit Behinderungen.

Dort kontrollieren die Besuchskommissionen unangemeldet, ob die Menschenrechte eingehalten werden. Wie notwendig solche Kontrollen und das Bewusstsein, dass sol­che Kontrollen stattfinden, sind, zeigen die vom „Falter“ kürzlich aufgedeckten Grausam­keiten, die in mehreren Alten- und Pflegeheimen an wehrlosen Menschen verübt wurden, die aber 2018 auch explizit und auch davor schon von der Volksanwaltschaft immer wieder thematisiert wurden. Die Kommissionen können auch das Verhalten der zur Aus­übung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigten Organe, also auch die Exekutive, überprüfen, zum Beispiel bei der Durchführung von Abschiebungen.

Nun stehen bald notwendige Bestellungen von neuen Mitgliedern dieser Kommissionen an. Das ist aber nicht so leicht, wir haben es gehört, denn über die Rechtsform einer


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 219

möglichen Abberufung scheiden sich die Geister von Verwaltungs- und Verfassungsge­richtshof. Jegliche Bestellung wäre nach dieser Lage nicht rechtseindeutig gewesen.

Um der Volksanwaltschaft in dieser Angelegenheit Rechtssicherheit zu geben, damit sie ungestört weiter ihre wichtige Arbeit machen kann, braucht es jetzt eine diesbezügliche Klarstellung. Die Einsetzung der Kommissionen sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mit­glieder der Kommissionen, sind der Gesetzgebung zuzurechnen. Damit ist klar, es müs­sen keine Bescheide bei der Bestellung beziehungsweise Abberufung ausgestellt wer­den.

Es wird immer wieder in den Raum gestellt, dass es durch ein Bescheidverfahren einen höheren Rechtsschutz für die Abberufenen gibt, aber die Möglichkeiten und die Ent­scheidungen der Zivilgerichte sind weder schwächer noch schlechter als die Verwal­tungsgerichtsbarkeit. Zusätzlich muss der Menschenrechtsbeirat vor Abbestellung ge­hört werden. Der Rechtsschutz bei Abberufung ist daher jedenfalls gewährleistet.

Und abschließend: Wir Grünen verwehren uns nicht gegen eine Neuregelung betreffend den Rechtscharakter der Kommissionen, den Status der Kommissionsmitglieder an sich und die Bestellung der VolksanwältInnen. – Ganz im Gegenteil! Die Neuregelungen har­ren aber noch der Diskussion. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

22.59


22.59.29

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung. – Die Plätze sind eingenommen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit, der Antrag ist damit angenommen.

22.59.5725. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für die ländliche Entwicklung (Säule 2 der GAP) (286/A(E)-BR/2021 sowie 10573/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 25. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Günther Novak. – Ich bitte um den Bericht.


23.00.28

Berichterstatter Günther Novak: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Ausschus­ses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Entschließungsantrag der Bundes­räte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitbandherbiziden durch öffentliche Steuermittel im Rahmen des Umweltprogramms des Programms für ländliche Entwicklung.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung am 9. März 2021 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat möge dem Antrag (286/A(E)-BR/2021) keine Zustimmung erteilen.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für den Bericht.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 220

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Nicole Riepl. Ich erteile ihr dieses. – Bitte, Frau Bundesrätin.


23.02.41

Bundesrätin Nicole Riepl (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten jetzt schon das dritte Mal im Bundesrat über das Glyphosatverbot in der Landwirtschaft und haben mehrfach klar unserer Überzeugung Ausdruck verliehen: Schluss mit diesem Umweltgift! Wir sind der Meinung, dass ein Ver­bot der Nutzung von Glyphosat für unsere Umwelt, für unsere Kinder, für die Menschen, Tiere und Pflanzen das Gebot der Stunde ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Obwohl die WHO Glyphosat nach wie vor als möglicherweise krebserregend einstuft, ist Frau Bundesministerin Köstinger nicht bereit, endlich ein wirksames Verbot umzusetzen. So hat Frau Bundesministerin Köstinger auch auf EU-Ebene nicht alles getan, was in ihrer Macht gestanden wäre, um Glyphosat endlich verbieten zu lassen – im Gegenteil. Dabei spricht sich einer Greenpeace-Umfrage zufolge ein großer Teil der Bevölkerung für ein klares Nein zu diesem Gift aus. Neun von zehn ÖsterreicherInnen sind gegen Glyphosat, doch es passiert nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine datenbasierte Diskussion wird in Österreich anders als in Schweden, wo die Daten zum Pestizideinsatz seit 1979 veröffentlicht werden, bewusst verhindert. Das seit Jahr­zehnten von der ÖVP geführte Landwirtschaftsministerium macht auch als verlängerter Arm des Bauernbundes, der sich ja vehement gegen das Glyphosatverbot stellt, ein Staatsgeheimnis aus dem Handel mit Pestiziden – auf den Rücken von uns allen, die wir nicht erfahren, welche Gifte auf unseren Tellern, auf unseren Tischen landen. Daten zu Glyphosat zu erhalten ist äußerst mühsam. Warum geht die Ministerin nicht offen mit diesen um? Wir wissen erst seit Kurzem durch eine Anfrage meiner Kollegin Cornelia Ecker, dass im Vergleich zu 2018 der Verkauf dieser bienenschädlichen und möglicher­weise krebserregenden Pflanzenschutzmittel im Jahr 2019 um 10 Tonnen auf 252 Ton­nen gestiegen ist. Das ist ein großer Sprung, auf jeden Fall ein Schritt in die ganz falsche Richtung.

Für 2020 gibt es bisher keine Zahlen. Ministerin Köstinger nutzt offenbar nicht die Frist aus, nämlich zwölf Monate nach Ende des Berichtsjahres an die Europäische Union, um dann für sie unangenehme Antworten einfach so spät zu geben, dass man sie nur mehr als veraltet betrachten kann. Das ist ein bekanntes Muster, das hat sie doch im Vorjahr schon so behandelt und die Daten erst recht spät publiziert.

Im Grünen Bericht des Ministeriums, der die Zahlen und Daten über Österreichs Land­wirtschaft sammelt, gibt es keine Auskunft über den Verkauf oder den Einsatz von Gly­phosat. Das ist dringend zu ändern. Daten über Glyphosat müssen dringend in den Grü­nen Bericht aufgenommen werden, solange die Nutzung von Glyphosat unter dem Schutz­mantel der ÖVP erlaubt bleibt.

Und Glyphosat ist nur das bekannteste Problem. Es sind aktuell europäische Zulas­sungsverfahren für Pestizide im Umlauf. Die wissenschaftliche Bewertung zeigt, dass da zwei weitere Bienenkillergifte in Verhandlung sind und eines mit negativen Langzeitef­fekten auf Vögel, Wasserorganismen und Säugetiere.

Deshalb ist es auch gut und wichtig, dass meine Kollegin im Nationalrat, unsere Land­wirtschaftssprecherin Cornelia Ecker, jetzt eine Anfrage an das Ministerium stellt und wissen will, wie sie sich im EU-Verfahren verhalten hat und ob sie klar gegen eine Zulas­sung auftritt, so wie sich das die Menschen in diesem Land von ihr erwarten würden. Da Global 2000 auf einen offenen Brief hin keine klaren Antworten bekommen hat, ist leider zu befürchten, dass sie die auch nicht bekommen wird.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 221

Kommen wir wieder zu Glyphosat: Hätte meine Kollegin Ecker nicht auch da nachge­fragt, hätten wir keine Daten. Dank ihres Einsatzes wissen wir: Statt eines Beschlusses eines Verbots ist der Glyphosathandel um 10 Tonnen gestiegen. Wir Sozialdemokraten wollen eine massive Reduzierung der Verwendung von hochgiftig eingestuften chemi­schen synthetischen Pestiziden. (Beifall bei der SPÖ.)

In beiden Kammern des Parlaments haben wir beantragt, Glyphosatförderung im Agrar­umweltprogramm zu beenden. Umweltagrarfördermittel sollten nur mehr landwirtschaft­liche Betriebe beziehen, die glyphosatfrei und ohne Breitbandpestizide bewirtschaften. Dass gerade die Grünen da mitgehen, zeigt, was ihnen der Umweltschutz dank der grünen Regierungsbeteiligung wert ist: in diesem Bereich nämlich gar nichts. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir eine gesunde Landwirtschaft wollen, dann müssen wir eine gesunde Landwirt­schaft fördern und uns ansehen, welche Mittel wir dafür einsetzen wollen. Es handelt sich schließlich um öffentliche Steuermittel und es gibt eine gesamtgesellschaftliche Ver­antwortung. Gerade auch wir Bauern und Bäuerinnen wissen, dass von der Wiese auf den Teller leider zu viel Chemie in der Lebensmittelproduktion eingesetzt wird. Weil wir der Natur so eng verbunden sind, wollen das eben viele von uns nicht. Wir fordern einmal mehr und ganz vehement, dass das Verbot von Glyphosat in Österreich möglichst rasch umgesetzt wird. Wir fordern Frau Köstinger auf, endlich eine klare Entscheidung für alle Menschen, insbesondere für unsere Kinder, für den Schutz der Umwelt und der Tiere zu treffen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.09


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster Redner zu Wort gemeldet ist Sil­vester Gfrerer. – Bitte, Herr Bundesrat.


23.09.58

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Wir haben vorgestern im Landwirtschaftsausschuss diesen Ent­schließungsantrag behandelt, und er ist mehrheitlich abgelehnt worden. Ich möchte doch auf die Gründe dafür eingehen, weil es nicht so sein kann, wie die Frau Kollegin gesagt hat. Das können wir dreimal, fünfmal, zehnmal im Bundesrat oder im Nationalrat behan­deln, es ist einfach EU-Recht, und Rechte stehen dagegen. Deswegen kann man es wirklich nicht so umsetzen, wie es der Wunsch der SPÖ wäre. Das EU-Recht kann man einfach nicht übergehen

Ich habe es im Landwirtschaftsausschuss auch kundgetan: Dieser Entschließungsan­trag der SPÖ-Fraktion kommt zu einem komplett falschen Zeitpunkt, besser gesagt, in der Zwischenzeit hätte sich dieser Antrag überhaupt erübrigt. Ich denke, einen Antrag zu stellen, ist das eine, die dazu rechtliche Grundlage zu hinterfragen, wäre das andere. Das haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, wohl wissend nicht getan.

Generell wurde die Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat in der Europäischen Union bis zum 15.12.2022 erteilt. Es läuft aber trotzdem in der Europäischen Union ein Bewer­tungsverfahren, bei dem Gesundheits- und Umweltaspekte sehr stark für eine weitere Zulassung ausschlaggebend sind.

Ich denke schon, dass auch in Zeiten von Corona, auch in Zeiten wie diesen, mit Kli­mawandel und Klimaschutz, sehr viele Experten dabei sind und da sicherlich sehr stren­ge Maßnahmen angesetzt werden, bei denen Green Deal und all diese Biodiversitäts­strategien zur Anwendung kommen, um die Richtlinien neu zu bewerten.

Im österreichischen Umweltprogramm, sei gesagt, wird der Einsatz von Pflanzenschutz­mitteln jetzt schon nicht gefördert. Wie Sie in Ihrem Antrag stehen haben, sollten diese Betriebe nicht mehr gefördert werden. Das ist jetzt schon so! Daher werden auch kein Steuermittel für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln verwendet.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 222

Das österreichische Umweltprogramm ist ein freiwilliges Programm und besteht aus vie­len verschiedenen Maßnahmen. Es beschränkt sich nicht nur auf Herbizidverzicht. Durch noch strengere und höhere Eintrittsschwellen ins Umweltprogramm wären sicher nega­tive Effekte auf die ambitionierten Ziele zu befürchten, insbesondere im Bereich Ero­sionsschutz, aber auch im Klima- und Umweltschutz.

Man muss bedenken: Die österreichische Landwirtschaft ist Vorreiter in der europäi­schen Landwirtschaft. In meinem Heimatbundesland Salzburg wirtschaften 50 Prozent biologisch, ein großer Teil bewirtschaftet noch mit Verzicht von ertragssteigernden Maß­nahmen. Hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz spielen wir eine große Vorreiterrolle.

Viele EU-Mitgliedstaaten – das haben in letzter Zeit auch die Verhandlungen zur Ge­meinsamen Agrarpolitik bestätigt – schließen sich den Grundsätzen der österreichischen Agrarpolitik an. Sie wollen für ihre Länder ähnliche Programme schreiben und umsetzen.

Auch unsere Regierungsparteien sind bei diesem Thema sehr aktiv geworden, haben auf die Bedenken der Europäischen Kommission reagiert und bringen nun ein gemein­sames Teilverbot von Glyphosat auf den Weg. Es gibt hier einige Details dazu:

„Verboten ist das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Gly­phosat

1. hinsichtlich der Indikation Vorerntebehandlung, einschließlich ‚Sikkation‘, sofern das Erntegut für Lebens- oder Futtermittelzwecke bestimmt ist,

2. für den Anwendungsbereich“ – zusammengefasst: auf allen öffentlich zugänglichen Flächen –

„3. für den Haus- und Kleingartenbereich;

4. für die nicht-berufliche Verwendung, sofern kein Sachkundenachweis vorliegt.“

Dies ist in der Regierung so verhandelt worden und sollte heuer noch im Frühjahr auch zur Beschlussfassung vorliegen. (Bundesrat Schennach: Schauen wir einmal!)

Ich denke, wir können alle gemeinsam sehr viel tun, um Umweltschutz, Naturschutz zu betreiben. Ich denke auch oft an Anträge, die gestellt werden, ohne zu hinterfragen, wie es dabei den Wirtschaftern, den Bauern in der Umsetzung geht. Ich denke da an die Tiertransporte. Einfach einen Antrag zu stellen, um Tiertransporte zu verbieten, und nicht zu wissen, wie man das umsetzen soll, kann nicht funktionieren.

Das Gleiche geschieht bei Tierschutzmaßnahmen. In Salzburg gibt es ein Projekt: Salz­burg schmeckt. Wir haben heuer dadurch 500 Kälber weniger nach Spanien transpor­tieren müssen. Das sind gute Projekte.

Worauf will ich hinaus? Kaufen wir regional, konsumieren wir regional! (Bundesrat Schennach: War das jetzt ein Eingeständnis, dass es doch diese Transporte gegeben hat?!) – Das hat niemand geleugnet. Die Transporte wird es nach wie vor geben, aber es ist schon ein großer Schritt, dass sie verringert wurden. Das, glaube ich, ist auch unser aller Ziel, nur muss es auch für uns wirtschaftlich sein, die Kälber zu mästen und fertig zu machen. Das ist halt bei uns äußerst schwierig. Ich denke, es widerspricht sich, für den regionalen Konsum und für das regionale Einkaufen, Tiertransporte zu verbieten und dann vom Ausland Fleisch einzuführen. Wenn man Tiertransporte verbietet, dann müssen wir auch den Import verbieten. Das ist eine ganz selbstverständliche Sache.

Die SPÖ hätte da selbst aktiv werden können und nicht auf ein EU-rechtswidriges Total­verbot drängen, um dadurch eine Reduktion von Glyphosat in Österreich zu verhindern. Es ist in unserem Interesse, so naturnah und so nachhaltig wie möglich zu bewirtschaf­ten. Ich bitte insofern um breite Zustimmung zur Ablehnung des Entschließungsantra­ges. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

23.17



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 223

Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Michael Ber­nard. Ich erteile ihm dieses. – Bitte.


23.17.49

Bundesrat Michael Bernard (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bild­schirmen! Der Pflanzenschutz ist zweifellos ein sehr emotionales Thema, und ich möchte hier nochmals festhalten, dass unsere Landwirte mit der größtmöglichen Sorgfalt Pflan­zenschutzmittel einsetzen und natürlich auch in die Wissenschaft und in die Behörden, die diese Substanzen genehmigen, Vertrauen haben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das Ziel der Landwirte ist es, saubere, gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu produzieren. Das schaffen unsere Landwirte in der konventionellen und in der biologischen Produktionsweise.

Dass die von österreichischen Landwirten produzierten Lebensmittel, was Rückstände von Pflanzenschutzmitteln betrifft, im Vergleich sowohl mit dem europäischen als auch mit dem internationalen Durchschnitt die saubersten auf der Welt sind, bestätigen meh­rere Studien. Darum möchte ich mich an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion bei allen Landwirten für ihren großartigen Einsatz zum Wohle der Österreicher bedanken. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun zum Wirkstoff Glyphosat: Der herbizide Wirkstoff Glyphosat wurde im Jahr 1974 erstmals als Pflanzenschutzmittel auf den Markt gebracht. Glyphosat ist ein Totalherbi­zid, das heißt, es wirkt direkt sowohl auf alle einkeimblättrigen als auch auf alle zweikeim­blättrigen Pflanzen. Nutzpflanzen werden bei direkter Anwendung gleichermaßen elimi­niert wie Zierpflanzen, Unkräuter oder Wildpflanzen. Eine Anwendung in einem wach­senden Pflanzenbestand würde daher auch Nutzpflanzen ausschalten. Aufgrund dieser speziellen Wirkweise ergibt sich eine spezifische Anwendung. Wegen der fortgeschritte­nen Stunde erspare ich Ihnen die verschiedenen Einsatzgebiete, wenn Sie es aber wol­len, kann ich das gerne erläutern.

Natürlich gibt es außerhalb der Landwirtschaft zum Beispiel im Forst, auf Verkehrs­flächen oder im Haus- und Kleingarten weitere Einsatzgebiete. Die jährlich in Öster­reich in Verkehr gebrachte Menge des Wirkstoffs unterliegt deutlichen Schwankungen. Im Zehnjahresdurchschnitt beträgt diese Menge 329 Tonnen pro Jahr, das entspricht rund 24 Prozent der gesamten, jährlich in Verkehr gebrachten Herbizidmenge.

Nun zum Vergleich mit dem Ausland: Werden alle Einsatzgebiete auf Ackerflächen –Vorsaat-, Vorauflauf-, Vorernte- und Nacherntebehandlung  aufsummiert, so liegt der Anteil an konventionell bewirtschafteten Ackerflächen, auf denen in Österreich glypho­sathaltige Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, bei circa 9 Prozent. Für Deutschland lag die Einsatzintensität mit glyphosathaltigem Pflanzenschutzmittel auf Ackerflächen, behandelten Flächen in Summe bei 37 Prozent. Auf die Gesamtfläche Österreichs um­gerechnet entspricht die Anwendungsfläche auf dem Ackerland in Österreich etwa 1,4 Pro­zent des gesamten Bundesgebietes.

Im Vergleich der Rückstandsanalysen bei einem unverarbeiteten Lebensmittel in Öster­reich zu Ländern wie Kanada oder Litauen gab es in Österreich bei 4 026 Proben wie etwa von Buchweizen und Gerste ganze zwölf Grenzwertüberschreitungen. In den an­deren Ländern ist es um das 20- bis 120-Fache mehr.

Nun zur Begründung unserer Entscheidung: Wir haben es uns sicher nicht leicht ge­macht. Auf der einen Seite stehen unsere einheimischen Landwirte, die unsere hochwer­tigen Lebensmittel auch in Zukunft wirtschaftlich produzieren sollen, auf der anderen Seite stehen alle Österreicher als Konsumenten, denen der maximale Schutz ihrer Ge­sundheit und Lebensmittel gebührt.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 224

Zur Erinnerung: Wir hatten gemeinsam mit der ÖVP im Regierungsabkommen einen Beschluss in Form eines stufenweisen Ausstiegs aus Glyphosat bis 2022 mit Ausgleichs­maßnahmen festgeschrieben. Nun zum Beschluss des Nationalrates, der unter fol­genden Kriterien am 2.7.2019 gefasst wurde und gegen den wir damals auch keinen Einspruch erhoben haben und der inhaltlich lautet: „‚Das Inverkehrbringen von Pflanzen­schutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Sinne des Vorsorgeprinzips verboten.’ Das Verbot tritt nur in Kraft, wenn eine dreimonatige Stillhaltefrist abgelaufen ist und von der Kommission eine ausführliche Stellungnahme nicht abgegeben wurde.“

In meiner letzten Rede zu diesem Thema endete ich mit dem Satz: Falls dieses „[...] Verbot in Kraft tritt, müssen wir zum Schutz unserer Landwirte und Konsumenten gleichzeitig ein Importverbot von Lebensmitteln aus dem Ausland, welche mit glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind, umsetzen.“ Aufgrund dessen, dass dieser Passus für uns Freiheitliche unumgänglich ist, gleichzeitig mit unserer langjährigen For­derung der ordnungsgemäßen Kennzeichnung von österreichischen Lebensmitteln ge­währleistet sein muss, dass es sich zu 100 Prozent um ein österreichisches Lebensmittel handelt, wenn es draufsteht, können wir dem Antrag der SPÖ nicht zustimmen, da wie begründet wesentliche Gesetzesteile fehlen. (Beifall bei der FPÖ. Bundesrat Schen­nach: Kannst gar nicht zustimmen, weil gar nicht abgestimmt wird! Mitdenken! Heiter­keit der Bundesrätin Schumann.)

23.23


Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Andreas Lackner. – Bitte, Herr Kollege.


23.23.40

Bundesrat Andreas Lackner (Grüne, Steiermark): Herr Präsident! Kolleginnen und Kol­legen! Grundsätzlich wollen wir Grüne ein generelles Glyphosatverbot. Klar ist mittlerwei­le aber auch, dass ein österreichischer Alleingang nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Auf EU-Ebene wurde der Antrag auf eine Verlängerung der Genehmigung eingebracht und nächstes Jahr steht diese Entscheidung an.

Wir kämpfen gemeinsam mit den EU-KollegInnen dafür, dass dort die Genehmigung nicht verlängert wird. Durch die neue programmatische Ausrichtung der EU-Kommis­sion, Stichwort Green Deal, Farm-To-Fork-Strategie, sind die Chancen (Bundesrätin Grimling: ... darf ja nicht wahr sein!), dass es zu keiner weiteren Verlängerung kommt, erheblich gestiegen. Was national möglich ist, das sind Teilverbote, das machen wir auch. Am Montag haben wir mit der ÖVP ein Teilverbot von Glyphosat eingebracht, das unter anderem den privaten Bereich umfasst, ein Verbot für nicht berufliche Verwender sowie im Haus- und Kleingartenbereich, ebenso kommen Regelungen, die den Schutz sensibler Personengruppen, das heißt, ein Verbot bestimmter Anwendungsbereiche – wie in Parks, Gesundheits-, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Sport- und Freizeit­flächen – sicherstellen.

Auch im Bereich der Landwirtschaft kommt es zu Teilverboten. So wird generell die Vor­erntebehandlung mit Glyphosat verboten, nicht nur wie bisher die Sikkation. Damit ist auch die Unkrautbehandlung in der reifen Kultur verboten, die bisher eben eine ge­setzliche Lücke darstellte. Zusätzlich werden wir uns in den Verhandlungen zur GAP und da insbesondere zum GAP-Grundsätzegesetz für diese Forderung einsetzen. Wir tun das aber eben in den Verhandlungen, die gerade laufen. Wir setzen uns dabei generell dafür ein, dass ein Öpul-Programm verstärkt auf den Verzicht von Pestiziden in der Land­wirtschaft hinsteuert und die Biolandwirtschaft ausgebaut wird.

Es ist unser klares Ziel, die GAP stärker zu ökologisieren, wie wir uns auch dafür ein­setzen, die Agrarförderungen gerechter zu verteilen. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

23.26


23.26.10


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 225

Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Debatte ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. – Ich ersuche, die Plätze einzunehmen.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft des Bundesrates hat mit Stim­menmehrheit beschlossen, dem Entschließungsantrag 286/A(E)-BR/2021 keine Zustim­mung zu erteilen.

Ich ersuche daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Entschließungsantrag keine Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des ge­genständlichen Entschließungsantrages (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann) ist somit angenommen.

23.27.0826. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung der Länder und Gemeinden bei Entscheidungen über das humanitäre Bleiberecht (287/A(E)-BR/2021 sowie 10574/BR d.B.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Dominik Reisinger. – Ich ersuche um den Bericht.


23.27.33

Berichterstatter Dominik Reisinger: Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über den Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Berücksichtigung der Länder und Gemeinden bei Entscheidungen über das hu­manitäre Bleiberecht (287/A(E)-BR/2021).

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stim­menmehrheit den Antrag, dem Antrag keine Zustimmung zu erteilen.


Präsident Mag. Christian Buchmann: Danke für die Berichterstattung. Wir gehen somit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist der Berichterstatter. – Bitte, Herr Bundesrat.


23.28.10

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Hohes Haus! Trauriger Auslöser für den gemeinsamen Antrag der SPÖ-Fraktion und des NEOS-Abgeordneten Dr. Arla­movsky war die erschütternde Abschiebung von drei Wiener Schülerinnen und ihren Familienangehörigen nach Georgien beziehungsweise Armenien in der Nacht auf den 28. Jänner 2021. Die verstörenden Bilder haben sich bei uns in den Köpfen festgesetzt, führten zu einem Aufschrei in weiten Teilen der Bevölkerung und fanden auch einen breiten Widerhall in allen Medien.

Mitten in der Nacht wurden Jugendliche in einer martialischen Art und Weise von einer Schar an Polizisten, begleitet auch von Diensthunden, aus ihren Wohnungen geholt und mit anderen Familienmitgliedern abgeschoben; Jugendliche, die hier geboren, die hier aufgewachsen, die hier zur Schule gegangen sind und bestens integriert waren. Da fragt


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 226

man sich völlig zu Recht: Was ist in diesem Land und in diesem System schiefgelaufen oder was läuft schief, wenn wir beobachten müssen, wie es nämlich nicht gelingt, straf­fällige und integrationsunwillige „Gfrasta“, wie es Landeshauptmann Ludwig formuliert hat, abzuschieben, aber in Österreich aufgewachsene, unbescholtene und bestens inte­grierte junge Menschen sehr wohl.

Das kann uns einfach nicht egal sein, da sind wir alle zum Handeln nach menschlichen Grundsätzen aufgefordert. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau deshalb ist es aus unserer Sicht unabdingbar, zur Beurteilung solcher Härtefälle ein effektives System zu installieren und die Einbindung der lokalen Behörden, gemeint sind Länder und Gemeinden, sicherzustellen. Genau die sollen im Verfahren über die Gewährung eines humanitären Bleiberechts von den Bundesbehörden verpflichtend angehört werden, da sie ganz einfach die Gegebenheiten und auch die spezifische Si­tuation vor Ort besser kennen, diese besser beurteilen können und auch sollen. Es soll sozusagen keine Art Gnadenrecht nach dem Motto, wer die richtigen oder viele Fürspre­cher hat, hat auch die Chance auf ein Bleiberecht, sein. Nein, wir wollen einen Rechts­anspruch für jede und jeden auf diese regionale und lokale Mitwirkung hin.

Dr. Arlamovsky hat es im Ausschuss so trefflich formuliert: Es geht uns überhaupt nicht um die Aushebelung des Asylrechts, auf gar keinen Fall, also um keine materielle Än­derung. Wir wollen nur das Anhörungsrecht der Länder und Gemeinden in solchen Ver­fahren verankert wissen. Angesichts unserer berechtigten Forderung in diesem Antrag, mit der wir ganz einfach als Ländervertreter hier im Bundesrat auch Länderinteressen einbringen wollen, ist es auch völlig absurd und abstrus, dass uns unsere grüne Bun­desratskollegin Hauschildt-Buschberger im Ausschuss Populismus vorgeworfen hat. Das ist wirklich völlig absurd und dazu kann ich nur eines sagen: Mit dieser Haltung, Frau Kollegin, werden sich die nächsten grünen Mitglieder von Ihrer Partei verabschie­den. Diese Haltung ist nämlich neuerlich der Beweis dafür, dass die Grünen im Parla­ment all ihre über die vielen Jahre so hochgehaltenen Prinzipien für die Regierungsbe­teiligung über Bord geworfen haben – eine bittere Erkenntnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Dazu kommt noch, dass wir uns inhaltlich von renommierten Verfassungsexperten be­stätigt fühlen, die im traurigen Abschiebefall vom Jänner eine Diskrepanz zwischen den zwei Rechtsmaterien, nämlich dem Asylgesetz auf der einen Seite und den in Österreich garantierten Kinderrechten auf der anderen Seite, sehen. Es sollte gerade für den Bun­desrat als Treiber für die Verankerung der Kinderrechte in der Bundesverfassung selbst­verständlich sein, dass diese Kinderrechte bei der Abwägung über die Gewährung des humanitären Bleiberechts ausreichend berücksichtigt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erwarten uns auch, dass die von der Regierung eingesetzte Kindeswohlkommission unter der Leitung von Irmgard Griss bald Ergebnisse liefert, die zu einer Änderung der Abschiebepraxis zum Wohle von Kindern führen. Zusätzlich, das habe ich erwähnt, ist unserer Meinung die Mitwirkung der Länder und Gemeinden beim humanitären Bleibe­recht unverzichtbar. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

23.33


Präsident Mag. Christian Buchmann: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Peter Raggl. – Bitte, Herr Kollege.


23.33.46

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich darf jetzt auch zum Entschließungsantrag Stellung nehmen und muss feststellen, dass der zugrundeliegende Sachverhalt bezüglich der georgischen Fa­milie eigentlich ein denkbar schlechter Sachverhalt ist, auf den man diesen Entschlie­ßungsantrag aufgebaut hat. (Rufe bei der SPÖ: Na geh! Ui!)


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 227

Wir hatten im Jänner – wir können uns alle noch erinnern – genau an dem Tag, an dem in der Nacht diese Abschiebung passiert ist, eine Bundesratssitzung. Es wurde medial sehr viel berichtet und wir haben uns alle gefragt: Wie konnte das passieren? Bei näherer Betrachtung der Hintergründe für die Abschiebung gibt es, zumindest für mich, eine ab­solut differenzierte Sichtweise.

Ich will das im Detail nicht alles aufzählen, nur so viel: 2009, erstmalige Einreise (Bun­desrat Schennach: Das hat mit den Kindern nichts zu tun!), mehrere Asylanträge ne­gativ beschieden, freiwillige Ausreise, wieder Einreise über Holland mit einem Touristen­visum, wieder in Österreich, wieder Asylantrag. (Zwischenruf des Bundesrates Schen­nach.) Keine Schutzbedürftigkeit im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention: Das wurde sechsmal rechtskräftig festgestellt, nicht nur vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, sondern auch vom Bundesverwaltungsgericht und auch vom Verwaltungsgerichts­hof (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), und das von 2009 bis 2021. Ob es richtig war, diese Verfahren, unterstützt von verschiedenen Einrichtungen, dermaßen in die Länge zu ziehen, das sei dahingestellt, da es natürlich mit jedem Monat schwieriger wird, Leute abzuschieben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.)

Wir haben das im Ausschuss, glaube ich, mit dem Vertreter des Bundesministeriums sehr gut diskutieren können. Der Vertreter hat uns gesagt, und das wissen wir auch aus dem Gesetz, im Asylverfahren müssen immer die möglichen Gründe für das Vorliegen des sogenannten humanitären Bleiberechts berücksichtigt werden. Auch in den gericht­lichen Entscheidungen, die da vorliegen, hat man das berücksichtigen müssen. Wir dürfen nicht so tun, als würde es das humanitäre Bleiberecht in Österreich nicht geben. Allein im Jahr 2020 hat es 2 600 positiv beschiedene Fälle gegeben und seit 2015 gibt es 125 000 Schutzgewährungen, also ein überproportionaler Beitrag zum internationa­len Flüchtlingsschutz.

Also man kann das nicht alles an einem Einzelfall aufhängen, der – wie wir schon gesagt haben – extrem, glaube ich, unglücklich gelaufen ist. (Zwischenruf der Bundesrätin Grim­ling.) Im konkreten Fall wäre es wohl sicher besser und die bessere Option gewesen – eine Einschätzung, glaube ich, von sehr vielen Experten –, freiwillig nach Georgien, in ein sicheres Herkunftsland, zurückzukehren. Die rechtsstaatlich getroffenen Entschei­dungen bieten da wenig Platz für parteipolitischen Aktionismus. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dann darf ich noch zu der geforderten Einbindung der Länder und Gemeinden bei der Entscheidung über das humanitäre Bleiberecht kommen. Wir haben im Ausschuss vom zuständigen Ministerium erfahren, dass natürlich die zuständige Behörde, das Amt für Fremdenwesen und Asyl, aber auch die Gerichte verpflichtet sind, umfangreiche Erhe­bungen im Umfeld des Asylwerbers durchzuführen und die Erkenntnisse in ihre Ent­scheidungen einfließen zu lassen.

Ich habe das Beispiel im Kopf: Der Asylsuchende sitzt vielleicht mit seiner Familie in Innsbruck im Olympischen Dorf im 19. Stock. Wen wollen Sie da fragen, wie diese Fa­milie integriert ist – den Bürgermeister oder den Landeshauptmann oder welchen Vertre­ter auf Gemeindeebene oder Bundesebene? Der Beamte hat uns gesagt (Zwischenrufe bei der SPÖ), man wird natürlich im Umfeld nachfragen. Es ist doch viel gescheiter, wenn man beim Sportverein oder in der Schule oder am Arbeitsplatz, nachfragt, wie sich die Leute integriert haben. Also dass die Gemeinde automatisch mehr weiß als vielleicht die sonstige persönliche Umgebung, das kann ich mir nicht vorstellen. Wohnt der Asylwer­ber tatsächlich in einer Dorfgemeinschaft, wo jeder jeden kennt (Zwischenrufe der Bun­desräte Novak und Schennach), wird auch die Behörde beim zuständigen Bürgermeis­ter oder bei Personen im Umfeld des Asylwerbers nachfragen.

Also nach Ausführungen des Vertreters im Innenministerium gibt es derzeit keinen An­lass einer gesetzlich geregelten Verpflichtung für ein Anhörungsrecht der Gemeinden


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und Länder. Man hat es nicht umsonst zentral auf eine Behörde zusammengeführt, man will zügige, vergleichbare Asylverfahren. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Man will nicht neun unterschiedliche Asylverfahren. Aus diesem Grund werden wir dem Entschließungsantrag nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

23.39


Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Kollegin. (Bundesrat Novak: Das Nächste ist die Grüne, die jetzt hinausgeht!)


23.39.38

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es ist jetzt 20 Minuten vor zwölf, und ich würde mir wünschen, weil ich glaube, das ist ein sehr sensibles Thema – und ich merke schon, die Emotionen sind da –, dass Sie jetzt vielleicht noch einmal zuhören, was wir als grüne Fraktion zu der Sache zu sagen haben. (Bundesrat Steiner: Was hat das mit der Zeit zu tun?) – Die Aufmerksamkeit ist um diese Zeit schon ziemlich im Keller. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Kommen wir zur Sache! Eine Abschiebung in der Art, wie wir sie Ende Januar gesehen haben (Bundesrat Novak: Ist berechtigt!) und mehr oder weniger sogar live mitverfolgen konnten, will niemand von uns. Ich glaube, das ist im Ausschuss auch schon ganz klar gesagt worden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Gerade wenn es um Kinder und besonders vulnerable Personengruppen geht (Bundesrat Novak: Muss man Leib und Seele ver­kaufen!), ist höchste Sensibilität bei der Vorgehensweise im Asylverfahren und auch bei einer etwaigen Abschiebung gefordert. Ich will jetzt darauf nicht näher eingehen, weil ich glaube, in dem Punkt sind wir uns alle einig.

Ja, ich verstehe das: Das System zeigt Schwächen, und wenn ein System Schwächen zeigt und die Gesetzgebung Schwächen zeigt, soll man das als Anlass nehmen, Verbes­serungen herbeizuführen. (Ruf bei der SPÖ: Na ja, dann!)

Da möchte ich aber jetzt ganz kurz in das Jahr 2014 zurückgehen. Ich bin schon ziemlich lange in der Materie tätig – ich glaube, mittlerweile über 30 Jahre –, und ich kann mich erinnern, es war die Regierung Faymann II, die damals aus einem Asylamt und einer Fremdenbehörde eine Superbehörde gemacht hat, nämlich das jetzige BFA und diese Superbehörde – ich nenne sie jetzt einfach einmal so – in Bundeskompetenz gegeben hat. Genau zu diesem Zeitpunkt ist nämlich das, was Sie als „Gnadenrecht“ bezeichnet haben, Herr Kollege (in Richtung Bundesrat Reisinger), in der Länderkompetenz wegge­fallen. Das ist, wie wir festgestellt haben, gerade aus heutiger Sicht mit Defiziten verbun­den.

2015/2016 kam es dann noch dazu, dass gerade diese neu gegründete Superbehörde durch die Fluchtbewegung mit einem sehr hohen Arbeitsanfall konfrontiert war. Dadurch kam es zu einem Rückstau in der Behörde, weil das Personal natürlich nicht vorhanden war und es dann Einarbeitungszeit gebraucht hat.

Warum sage ich das jetzt? – Die Verfahren sind daher mit der Zeit länger geworden, und in dieser Zeit haben die Schutz suchenden Menschen, die damals gekommen sind, in Ös­terreich Kinder geboren, Freunde gefunden, sie gehen einer Arbeit nach und sehen Öster­reich als ihre neue Heimat. Dem muss natürlich Rechnung getragen werden, denn neben Asylgründen, die zu einem Aufenthaltstitel führen können, haben Menschen nach Arti­kel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention auch das Recht auf Schutz ihres Pri­vat- und Familienlebens. Das Asylgesetz, so, wie es jetzt besteht, bietet hierzu bei ent­sprechender Antragstellung beziehungsweise Prüfung durch die Behörde oder durch das Gericht auch die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel in dieser Form zu erlangen. Kollege Raggl hat es auch schon gesagt: Es waren im Jahr 2020 allein fast 2 600 Aufenthaltstitel, die so vergeben wurden. (Bundesrat Steiner: Viel zu viele! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Jetzt möchte ich aber zum konkreten Begehr des Antrags der KollegInnen von der SPÖ und den NEOS kommen. Die Bundesregierung soll jetzt aufgefordert werden, sich zum humanitären Bleiberecht als Zusatzinstrument zum Asylrecht zu bekennen. Gut, das sehe ich dahin gehend schon erfüllt, dass es im bestehenden Gesetz entsprechende Möglichkeiten gibt. Es gibt mehrere Paragrafen zum Thema, wann ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden kann. (Bundesrat Novak: ... Ge­setz dagegen!)

Warum aber explizit nur die Gemeinden im Verfahren verpflichtend gehört werden sollen, erschließt sich mir überhaupt nicht. Was ist nämlich mit den gut integrierten Menschen – auch das hat Kollege Raggl schon angesprochen –, die in einer großen Stadt leben? Ich denke da jetzt ganz spontan an Wels oder an Linz. (Ruf bei der SPÖ: Das ist ja überhaupt kein ...!) Wer kann da als Bürgermeister eine fundierte Auskunft über den Integrations­grad geben? (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.) Ich glaube, das kann ein Bürgermeister, wenn er nicht an der Sache interessiert ist, gar nicht machen. Das hat auch Kollege Raggl schon gesagt. Wenn sich nämlich ein Bürgermeis­ter jetzt im Verfahren einbringen will, so kann er das ganz gut tun. (Zwischenruf des Bundesrates Novak.)

Zufälligerweise hat mich vorgestern ein E-Mail erreicht, in dem mir eine Unterstützerin schreibt, die bei der Behörde vorgesprochen hat, und das möchte ich jetzt gerne zitieren: Aus der Vorsprache bei der Behörde, wo es um die Erteilung eines humanitären Aufent­haltstitels geht: Von Rahmats guter Integration war er – damit meint sie den Beamten im Verfahren – aufgrund der vielen Unterstützungsschreiben zweifelsfrei überzeugt. (Bun­desrat Novak: Haben wir alles ...!) Erwähnt hat er in diesem Zusammenhang das Schrei­ben des Bürgermeisters. – Zitatende.

Sie sehen also, meine lieben Kollegen von der SPÖ, es werden sehr wohl auch Bür­germeister im Verfahren, wenn es notwendig ist, gehört.

Ich komme noch einmal darauf zurück, dass nicht jede Bürgermeisterin, jeder Bürger­meister zwingend ein Fachexperte in der Beurteilung der Integration ist. Es gibt auch tatsächlich Bürgermeister, die gar kein Interesse daran zeigen, einem Asylamt etwas zu schreiben oder im Verfahren als Zeuge vorstellig zu werden. (Zwischenruf des Bundes­rates Novak.)

So würde ich das jetzt zumindest sehen: Das Einbeziehen der Länder in Form der Bür­germeister allein ist nicht ausreichend. Was wir tatsächlich in Erwägung ziehen sollten, wäre eine Kommission, sehr gerne auch auf Länderebene, mit fixen und variablen Mit­gliedern, mit Fachexperten, die sich aktiv im Verfahren einbringen und dort auch eine gewisse Entscheidungskompetenz aufgrund ihrer Fachexpertise bekommen. Bei Kin­dern wäre das zum Beispiel die Jugendwohlfahrt, bei kranken Menschen wären das zum Beispiel Ärzte. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Was aufgrund der Vorkommnisse Ende Januar schon passiert ist (Zwischenruf des Bun­desrates Novak) – ich finde es total nett (in Richtung Bundesrat Novak), dass Sie mich die ganze Zeit unterbrechen; es scheint Ihnen ja doch nicht so wichtig zu sein, dass Sie mir Gehör schenken (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP – neu­erlicher Zwischenruf des Bundesrates Novak) –, ein erster wichtiger Schritt, der durch unseren stellvertretenden Justizminister gesetzt wurde, ist die Einberufung der Kindes­wohlkommission. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Das halte ich für essen­ziell, weil diese Kommission jetzt evaluieren wird, wie gut das Kindeswohl in den Ver­fahren beachtet wird, sich europäische Entscheidungen anschauen wird und bis Ende des zweiten Quartals dazu einen Bericht abliefern wird, der dann in die Verfahren ein­fließen kann und auch Änderungen im Sinne des Kindeswohls herbeiführen soll. (Beifall bei den Grünen.)


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Ich denke, das sollten wir abwarten und dann die ganze Materie in sachlicher und kons­truktiver Weise unaufgeheizt diskutieren. Ich habe ja zu Beginn schon festgestellt: Sol­che Bilder braucht niemand. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und Grünen.)


Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger ist am Wort! – Bitte.


Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (fortsetzend): Wie gesagt, ich würde mir wünschen (Bundesrat Steiner: Weihnachten ist vorbei!), dass wir alle uns das The­ma konstruktiv, sachlich anschauen, zum Wohl der Kinder, der Kinderrechte, die in die­sem Land sehr hochgehalten werden, und ich bin guten Mutes und zuversichtlich, dass wir das auch schaffen. Nur: Mit diesem Antrag heute schaffen wir es nicht. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

23.48


Präsident Mag. Christian Buchmann: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Spanring. (Ruf bei der SPÖ: Jessas na!)


23.48.20

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Kolle­gen im Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Es ist jetzt 23.50 Uhr, vielleicht ist auch noch das eine oder andere aufgeweckte Kind dabei. Es ist allen bekannt, wie wir Freiheitliche zu notwendigen Abschiebungen von Personen, die in Österreich ganz einfach nichts verloren haben, stehen. Für uns gilt: Recht muss Recht bleiben. (Beifall bei der FPÖ.)

Abgesehen davon: Die Bilder von der Abschiebung der drei Mädchen am 3. Februar dieses Jahres haben niemanden kaltgelassen. Ich habe mit vielen Freiheitlichen darüber gesprochen, und ich kann Ihnen sagen, alle waren der Meinung, das war so mit Sicher­heit der falsche Weg.

So ist das aber nun einmal bei der ÖVP: Was nicht passt, wird passend gemacht, notfalls auch mit dem Vorschlag-Nehammer. Wenn es darum geht, von anderen Dingen abzu­lenken, ist der ÖVP ja sowieso jedes Mittel recht, wie eben auch in jener Nacht – eine Nebelgranate als ÖVP-Vertuschungsaktion auf Kosten anderer, eine Nebelgranate, um von der Unfähigkeit einzelner Minister, von der Misswirtschaft und von den Anklagen abzulenken, ein Sittenbild der ÖVP nach dem Motto „Koste es, was es wolle“. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Berichterstattung dazu: Ja, es hat natürlich eine gewisse Aufregung gegeben, aber alles war in einem sehr überschaubaren Bereich und letztlich auch komplett zahnlos.

Machen Sie mit mir nun ein kleines Gedankenexperiment, meine Damen und Herren: Stellen Sie sich vor, der zuständige Innenminister bei dieser Abschiebung hätte Herbert Kickl geheißen! Was wäre dann wohl los gewesen? – Angeheizt von moralinsauren Kommentaren der Redakteure und zähnefletschender und reißerischer Berichterstat­tung hätte Österreich gebrannt. So schaut es aus, das ist die Wahrheit. Bis auf die Ti­telseite der „New York Times“ hätten wir es geschafft. (Beifall bei der FPÖ.)

Dank einer gut gefütterten und auch durch Steuermillionen gesättigten Medienlandschaft hat es Minister Vorschlag-Nehammer aber locker durchtauchen können. Ganz nebenbei haben die Türkisen dabei wieder eine harte Ausländerpolitik vorgegaukelt, vor allem wohl, um von den Hundertschaften Illegaler abzulenken, die Woche für Woche über die löchrigen Grenzen nach Österreich hereinmarschieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Als Mehrfachnutzen für die ÖVP haben Sie es gleich benutzt, um die Marke Ihres Koa­litionsanhängsels weiter zu ramponieren. Das ist Ihnen gelungen.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 231

Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger! Die Haltung der Grünen zu dem Ganzen ist ja sowieso gleichermaßen armselig wie bezeichnend. Es ist unpackbar und entlarvend, wie sich die GutmenschInnen bei ihrem Paradethema winden, um nur ja am Futtertrog der Republik zu bleiben. (Beifall bei der FPÖ.) Wer die Charakterfestigkeit der GrünInnen als türkiser Wurmfortsatz betrachtet, dem erscheint in Wahrheit ein Fähnchen im Wind wie ein Fels in der Brandung. (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Aus meiner Sicht wiederum: Ich bin damit ganz zufrieden. Endlich, muss ich sagen, haben die Grünen auf Bundesebene zu einer ordentlichen Asylpolitik gefunden. Sie stim­men gegen den Antrag der SPÖ betreffend humanitäres Bleiberecht und sie haben auch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria gestimmt. Gratuliere! Tja, liebe Grüne, so ist das, wenn man seine ach so gutmenschliche Seele an den türkisen Beelzebub­trupp verkauft. Nun dürfen Sie dafür als Gegengeschäft unter freundlichem Abnicken der neuen ÖVP alle Autofahrer drangsalieren, strafen und kräftig abzocken. Auch das ist bezeichnend. (Beifall bei der FPÖ.)

Nun auch noch zur SPÖ und zu Ihrem Antrag: Ich habe es im Ausschuss schon gesagt: Ich finde Ihre Argumentation einfach heuchlerisch. Sie fragen im Ausschuss mit unschul­digem Blick, wie es nur sein kann, dass Asylverfahren in Österreich so lange dauern und warum nicht andere, nämlich die, die es verdienen – ich zitiere Ihren polternden Genos­sen aus Wien, Herrn Ludwig (Bundesrätin Schumann: Bürgermeister!) –, warum also nicht diese „Gfrasta“ – man stelle sich vor, ein Freiheitlicher hätte das gesagt – außer Landes gebracht werden.

Liebe SPÖ, Sie und Ihre FreundInnen-NGOs waren es, die 2015 freudestrahlend ge­meinsam mit der ÖVP und mit den Grünen an den Bahnhöfen und an den Grenzüber­gängen geklatscht haben. Sie und Ihre Freunde sind es, die absichtlich Asylwerber immer wieder falsch beraten, Asylverfahren um jeden Preis hinauszögern, um dann viel­leicht über Umwege doch ein Bleiberecht zu erwirken, das dann auf der anderen Seite den Steuerzahler wieder Millionen kostet. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Beer und Hahn.) Sie sind ein Hauptgrund dafür, dass unser Land jetzt so dasteht, und jetzt stellen Sie sich hin und kritisieren allen Ernstes, warum Verfahren so lange dauern? Bis jetzt dachte ich immer, die angewiderte Heiligenscheinrolle wäre exklusiv im Bundeskanz­leramt verortet. – Falsch gedacht.

Ja, wie Sie im Ausschuss vollmundig angemerkt haben: Wir hier herinnen sind die Län­derkammer. Das stimmt schon, aber seien Sie doch bitte ehrlich, meine Damen und Herren! Im Jahr 2014 war es den Ländern nur allzu recht, den Schwarzen Peter der negativen Asylentscheidungen dem Bund zuzuschieben. Tun Sie nicht so, als hätte sich das in der Zwischenzeit geändert! Weder Wiens Ludwig noch Kärntens Kaiser und auch nicht Niederösterreichs Mikl-Leitner wollen ernsthaft die Verantwortung übernehmen, wenn es um eine Außerlandesbringung eines Asylwerbers geht. Da putzen sich alle gern am Bund ab. Das ist nämlich eine rückgratlose und scheinheilige Schönwetterpolitik der Landeshauptleute in Österreich, auch und gerade bei der SPÖ. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich hätte jetzt meine Rede eigentlich mit den Worten: Freundschaft, Genossen!, beendet. Das spare ich mir aber. (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Weil du kein Genosse bist!)

Ich möchte noch ein bisschen etwas zum heutigen Tag anmerken, und zwar: Es hat heute doch ziemliche Anwürfe gegeben, es war heute doch einigermaßen emotional. Ein Vorwurf, der im Raum stand, war dieser Antisemitismusvorwurf. Der, muss ich sagen, beschäftigt mich noch immer. Wenn Sie ernsthaft an einer Aufklärung interessiert sind, meine Damen und Herren, dann lade ich Sie ein – vor allem die Herren und Damen von der ÖVP, aber natürlich auch die von den Grünen –: Alle Videos, die Livestreams sind in ganzer Länge immer noch online auf einer FPÖ-Seite abrufbar. Schauen Sie sich die


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Rede an, und dann kommen Sie und sagen Sie noch einmal, was da drinnen Antise­mitismus ist! Wenn es so wäre, dann wären die Reden nicht online. Ich meine, deppert sind wir ja selber nicht – abgesehen davon, dass so eine Einstellung Herbert Kickl selber anwidert, und dann werfen Sie ihm so etwas vor. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, was Herbert Kickl kritisiert hat? – Herbert Kickl hat die Regierungsmaßnah­men in Israel kritisiert, wo es gegen die eigene Bevölkerung gegangen ist, weil man dort jene, die nicht geimpft sind, an ein Amt meldet. Darum ist es ihm gegangen, das hat er kritisiert. Das ist so, als ob wir in Österreich die schwarz-grüne Regierung kritisieren und sagen würden: Weil wir diese Regierung kritisieren, sind wir Österreichhasser. Denken Sie einmal ein bisschen nach, was Sie da in Wahrheit in Umlauf bringen! (Beifall bei der FPÖ.)

Zur SPÖ: Ich sage, bei ÖVP und Grünen hat es wenig Sinn, aber die SPÖ lade ich hiermit einmal ein: Gehen Sie bei einer der nächsten Demos mit, nicht als Demonstrant, sondern nehmen Sie Ihre parlamentarische Kontrolle wahr und schauen Sie sich an, welche Leute dort tatsächlich vor Ort sind! Sie werden sich wundern: Es sind auch sehr viele Sozialdemokraten vor Ort. Vielleicht sind es aber auch Ex-Sozialdemokraten. (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Schauen Sie es sich an! Ich sehe aber schon: Ja, aha, da kommen schon die Vorurteile (Bundesrätin Schumann: Keine Vorurteile! Sie wissen es ja nicht!), gut, aber Sie kommen uns damit in Wahrheit ja sehr entgegen. Wenn Sie Ihre eigenen Wähler oder in Zukunft vielleicht Ex-Wähler (Bundesrätin Schumann: Ach geh! Ach geh!) mit Neonazis in einen Topf werfen (Bundesrätin Grimling: Also wir haben das nicht gemacht!), dann sind Sie selber schuld.

Heute ist bei den Diskussionen auch eines bezeichnend gewesen: Immer wieder – man hat es zwar nicht ganz deutlich ausgesprochen – hat man versucht, das Naziwort in Richtung FPÖ zu schieben. Ich sage Ihnen eines: Erstens einmal ist es wirklich unter aller Kritik, das zu machen. Es ist außerdem eine Verharmlosung. Zweitens: Wenn Sie so weitermachen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn hier herinnen Reden eskalieren, weil wir dann in Zukunft nur mehr von Verbrechern und Korrupten reden werden, wenn wir über die ÖVP reden. Darauf können Sie sich gefasst machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Zwei ganz andere Punkte ganz kurz: Der erste ist: Es wurde heute immer wieder er­wähnt, Österreich sei das Land, das am meisten Geld, also Hilfsmittel, in die Hand ge­nommen hat, um die Wirtschaft im Land zu unterstützen. Komischerweise gibt es aber gleichzeitig den größten Wirtschaftseinbruch. Das heißt, meine Damen und Herren, be­sonders von der angeblichen Wirtschaftspartei: Ihr Geld kommt nicht an, zumindest nicht bei denen, die es brauchen. Vielleicht kommt es bei Ihren Leuten an. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Zweite ist: Weil hier herinnen immer wieder gescheit von Resilienz und sämtlichen anderen tollen Worten geredet wird: Gerade die, die immer am gescheitesten reden, reden immer von einer weltweiten Pandemie. Meine Damen und Herren! Eine Pandemie ist ohnedies weltweit. Das ist so, als würden Sie sagen: der runde Kreis!, oder das nasse Wasser. Wenn, dann machen Sie es wenigstens richtig! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ sowie Bravoruf des Abg. Steiner. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

23.59


Präsident Mag. Christian Buchmann: Es liegen weitere Wortmeldungen vor: Herr Fraktionsvorsitzender Karl Bader. – Bitte.


23.59.24

Bundesrat Karl Bader (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausführungen von Kollegen Spanring können nicht ganz einfach hingenommen werden.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 233

Wir haben ein Parlament, wir haben eine gelebte Demokratie, wir brauchen Debatten mit Herz und mit Leidenschaft (Bundesrat Steiner: Ah, jetzt auf einmal!), aber mit Re­spekt. (Bundesrätin Steiner-Wieser: Jetzt auf einmal ...!) Ich sage Ihnen eines, liebe Kollegen von den Freiheitlichen: Sie stellen sich hier im Saal her und teilen nach allen Seiten aus, aber wenn Kritik an Ihnen geübt wird, sind Sie am wehleidigsten (Zwi­schenrufe bei der SPÖ), sind Sie hier die Mimosen. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: ... Kritik!)

Es ist unerträglich in einer Demokratie, sich hier hinzustellen, Hasstiraden gegen die Volkspartei und gegen den Innenminister zu äußern (Oh-Rufe bei der FPÖ) und die Grü­nen in der Regierung als „Wurmfortsatz“ zu beleidigen – das ist nicht respektvoll (Zwi­schenrufe der Bundesrätinnen Schumann und Steiner-Wieser) und – keine Frage – ganz einfach nicht in Ordnung.

Eines ist auch klar: Wertschätzung ist keine Einbahnstraße. Wir können schon über ver­schiedene Dinge streiten, aber eines muss klar sein: Auch im Hinblick auf die Ereignisse des letzten Samstags hat der Bundeskanzler hier im Saal bei der Sondersitzung klar und deutlich gesagt, dass es unterschiedliche Zugänge zu der Pandemie und unterschied­liche Meinungen gibt. Das halten wir hoch, das darf sein, das muss sein (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser), und das ist auch gut für eine Demokratie. Das ist ein Punkt, den er angesprochen hat. (Vizepräsidentin Hahn übernimmt den Vorsitz.)

Er hat aber auch gesagt (Bundesrätin Steiner-Wieser: ... hat er gesagt, größenwahnsin­nig, hat er gesagt!), dass es Ereignisse gegeben hat, die nicht zu akzeptieren sind und die wir in diesem Land nicht wollen. Wenn Sie die letzten Tage ein wenig beobachtet ha­ben, dann ist Ihnen sicherlich auch ein Artikel in den „Salzburger Nachrichten“ von Herrn Koller aufgefallen: „Kickl hat weder Narren- noch Verhetzungsfreiheit.“ Das ist ein Zitat.

Ich schaue mir schon an, wie Sie hier immer wieder Rücktrittsforderungen gegen diese Regierung stellen (Bundesrat Steiner: Ja, das ...!), und dann passiert etwas wie jetzt letzten Samstag, worüber Koller schreibt, es führe zur Frage: „Was darf sich eigentlich ein Oppositionspolitiker erlauben,“ – ich zitiere – „ehe er rücktrittsreif ist?“ (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihr habt die Regierung ...! Ihr habt die Regierung platzen lassen!)

Ich zitiere: „FPÖ-Klubchef Herbert Kickl putschte am Samstag im Wiener Prater die ge­gen die Coronapolitik demonstrierenden Massen in einer Art und Weise auf, die eigent­lich die Staatsanwaltschaft interessieren sollte.“ (Bundesrat Ofner: ... Herr Kohl! – Zwi­schenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser.) „Neben übler Hetze gegen Kurz & Co. gab es in der Rede des einstigen Innenministers und De-facto-Parteichefs antisemitische Breitseiten gegen Israel.“ (Bundesrätin Steiner-Wieser: Wer ist der Herr Kohl?) „An­schließend zogen“ Massen herum und der „Mob stürmte“ sogar „ein Bürogebäude“. (Zwi­schenruf des Bundesrates Beer.) All das würde ausreichen, Herrn Kickl aus den Reihen der demokratisch legitimierten Politiker auszustoßen. Außer von der ÖVP fand keiner ein Wort dazu, das sage ich auch dazu. (Bundesrat Ofner: ... moralische Instanz in der Stadt, oder was?) Liebe Kollegen, austeilen ist gut, ich glaube aber, dass wir auch beim Austeilen Wertschätzung und Respekt brauchen. Das möchte ich mir auch in diesem Haus erbitten. – In diesem Sinne vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

0.03


00.03.15

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten des Bundesrates hat mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Entschließungsantrag 287/A(E)-BR/2021 keine Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Entschließungsantrag keine Zustimmung zu erteilen, um ein


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 234

Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag auf Nichtannahme des ge­genständlichen Entschließungsantrages ist somit angenommen.

00.04.0127. Punkt

Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens (288/A(E)-BR/2021 sowie 10572/BR d.B.)


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 27. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich bitte um den Bericht.


0.04.27

Berichterstatterin Korinna Schumann: Ich bringe den Bericht des Gesundheitsaus­schusses über den Entschließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens.

Es liegt Ihnen ein schriftlicher Bericht vor.

Ein Beschluss über den Antrag, dem vorliegenden Entschließungsantrag die Zustim­mung zu erteilen, ist infolge Stimmengleichheit nicht zustande gekommen.


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Vielen Dank für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Bettina Anna Lancaster. – Bitte, Frau Bun­desrätin. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


0.05.30

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Knapp 420 000 Bürgerinnen und Bürger haben das Tierschutzvolksbegehren unterstützt. (Bundesrat Schennach: Da steht’s falsch, da steht der Herr ...!) Die Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens müssen auch im Bundesrat debattiert werden. Das ist unsere Überzeugung, deshalb fordern wir, dass dem Bundesrat von der Bundesregierung ein Bericht zu den Forderungen zuzuleiten ist.

Der Bericht soll eine Darstellung beinhalten, wie die einzelnen Forderungen des Volks­begehrens in konkrete Gesetzestexte umgesetzt werden. Es sollte auch dargestellt wer­den, in welcher Kompetenz diese Forderungen – Bund oder Länder, Maßnahmen außer­halb der Gesetzgebung – umgesetzt werden können. Die SPÖ-Nationalratsfraktion hat in der Vergangenheit über zehn Anträge zum Tierschutz in die entsprechenden Aus­schüsse eingebracht. Sie liegen alle in den entsprechenden Ausschüssen. Die Regie­rung benutzt Ausschüsse als Instrument zur Versenkung von Beiträgen der größten Op­positionspartei. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hätte geplant, zu jedem dieser Anträge etwas zu sagen, aber um diese Zeit tue ich das aus Rücksicht nicht und empfehle Ihnen, sie sich selbst anzuschauen und nachzu­lesen. In die Richtung der Förderer der Agrarindustrie: Fassen Sie sich ein Herz, geben Sie sich einen Ruck (Bundesrat Schennach: Na, ...!), gehen wir miteinander in die Rich­tung einer nachhaltigen Landwirtschaft, die den Nutztieren Respekt und Wertschätzung entgegenbringt! Die Enkel und auch unser Planet werden es uns danken.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Antrag

der BundesrätInnen Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kollegen betreffend den „Ent­schließungsantrag der Bundesräte Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens“


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„Die unterzeichneten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR den Antrag, dem gegenständlichen Entschließungsantrag 288/A(E)-BR/2021 die Zustim­mung zu erteilen.“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

0.08


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eingebrachte An­trag zum Verhandlungsgegenstand, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Martin Preineder. – Bitte, Herr Bundesrat.


0.08.42

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Danke für die Präsentation dieses Entschließungsan­trages – weil Tierschutz ein Thema ist, das uns allen wichtig ist, und es darüber grund­sätzlich einen breiten Konsens gibt. (Bundesrätin Schumann: Echt?!) Ich darf mich auch aufgrund der fortgeschrittenen Zeit beschränken und auf die ersten drei Punkte des Tier­schutzvolksbegehrens, das eine entsprechende Unterstützung von über 400 000 Unter­schriften und damit 6,52 Prozent der Wahlberechtigten erhalten hat, eingehen.

„Für ein Österreich, das im Umgang mit“ den „Tieren vorbildlich ist“, heißt es, und die ersten drei Punkte lauten: zum Ersten „Für eine tiergerechte und zukunftsfähige Land­wirtschaft“; zum Zweiten „Öffentliche Mittel sollen das Tierwohl fördern“ und zum Dritten „Mehr Transparenz für Konsumentinnen und Konsumenten“.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, der erste Punkt, eine „tiergerechte und zukunfts­fähige Landwirtschaft“ zu unterstützen, wird nur – und ich unterstreiche: nur – im Kon­sens gehen, wenn eine tiergerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft gemeinsam mit der Unterstützung der öffentlichen Hand, der Regierenden auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene sowie der Konsumentinnen und Konsumenten fortgesetzt und durch­gesetzt wird; nur dann ist dies möglich.

Zum Zweiten: „Öffentliche Mittel sollen das Tierwohl fördern“. Ich glaube, unsere Frau Bundesminister Köstinger hat schon im Vorfeld gezeigt, dass das ein breites Anliegen ist, weil sie gemeinsam mit dem Dachverband Nachhaltige Tierhaltung Österreich, der Landwirtschaftskammer Österreich sowie Vertretern der Bundesländer einen Pakt für mehr Tierwohl in der produzierenden Landwirtschaft geschlossen hat.

Österreich gehört zu den Ländern mit den höchsten Tierwohl- und Lebensmittelstan­dards, das wurde von World Animal Protection auch entsprechend dokumentiert. Wir liegen unter 50 Staaten auf dem ersten Platz.

Es gibt damit – aus Zeitgründen möchte auch ich hier kürzen – einige sehr interessante und wichtige Vorschläge, wie eine artgerechtere Tierhaltung mit Förderung unterstützt werden kann, sodass es der Landwirtschaft in Österreich auch möglich ist, diese zu realisieren, damit Tierwohl auch entsprechend zur Umsetzung kommt.

Der dritte Bereich ist mehr Transparenz für Konsumenten, und ich glaube, es ist wesent­lich, auch eine klare Kennzeichnung der Art der Produktion und der Produkte herbei­zuführen. Wir haben dieses Thema schon ähnlich – Frau Kollegin Steiner-Wieser ist schon in den Starlöchern – beim Thema Schächten behandelt, und ich kann an dieser Stelle nur noch einmal ergänzen, dass es nicht geht, dass wir in Österreich die höchsten


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Standards anlegen, in Europa hohe Standards pflegen, aber dann Produkte aus Drittlän­dern – seien es Eier, sei es Fleisch, seien es Milchprodukte – importieren und diese Standards nicht einhalten und nicht beachten.

Es müssen gleiche Standards für gleiche Produkte gelten, sonst gilt wieder der Grund­satz, dass wir Probleme in Drittländer exportieren und die Produkte importieren. – Damit ein klares Bekenntnis zu einer Kennzeichnung.

Es ist uns aber nicht möglich, diesen Antrag heute zu unterstützen, weil es klare Vorga­ben im parlamentarischen Ablauf gibt. Ein Volksbegehren muss, wenn es mehr als 100 000 Unterschriften erreicht, von der Bundeswahlbehörde dem Nationalrat vorgelegt werden. Das Volksbegehren muss dann aber auch vom Nationalrat behandelt werden, und diesem Prozedere wollen wir nicht vorgreifen. Daher können wir diesem Entschlie­ßungsantrag nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schen­nach: Also lieber nicht!)

0.12


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte, Frau Bundesrätin.


0.12.55

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört: Über 400 000 Menschen haben also dieses Tierschutzvolksbegehren unterschrieben. Das ist wirklich eine beachtliche Leistung. Mich freut es, wie sensibilisiert man schön langsam in diesem Land für die Tiere, für den Schutz der Tiere wird, dass man ein Herz für Tiere hat.

Auch ich habe dieses Volksbegehren aus voller Überzeugung unterschrieben, denn je­der Tag – jeder Tag! –, an dem man Tieren Qualen, Schmerzen oder irgendein Leid ersparen kann, ist ein gewonnener Tag. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir Freiheitliche sehen Tiere als Mitgeschöpfe, und es war auch eine freiheitliche Initia­tive, dass Tiere als Mitgeschöpfe des Menschen in der Salzburger Landesverfassung verankert wurden.

Es könnte aber noch mehr geschehen. Ich darf an dieser Stelle erinnern: Nicht nur die­ses Volksbegehren gehört so schnell wie möglich umgesetzt, sondern auch jene Anträ­ge, welche wir hier auch schon im Plenum beschlossen haben. Ich denke dabei an zwei freiheitliche Anträge: erstens den Antrag zur tierversuchsfreien Forschung. Es ist bei manchen Forschungsagenden im 21. Jahrhundert völlig obsolet, Tierversuche zu ver­wenden. Es gibt Alternativmethoden. Der zweite Antrag betrifft Lebendtiertransporte zu Schlachtzwecken. Immer noch werden Hunderttausende von Tieren in Lkws einge­pfercht quer durchs Land verfrachtet. – Diese beiden Anträge wurden ja mehrheitlich angenommen, die gehören raschest umgesetzt.

Schade finde ich es – Kollege Preineder hat es kurz erwähnt –, dass Sie dem freiheitli­chen Antrag zum Verbot des Schächtens nicht zugestimmt haben. Das ist eine ganz, ganz grauenhafte, grausige Tötungsart für Tiere. Sie spüren alles, es ist wirklich Folter pur für die Tiere! Genauso ist es schade, dass Sie den beiden Anträgen zur Strafver­schärfung bei Tierfolter und betreffend den Artenschutz ebenfalls nicht zugestimmt haben.

Wir Freiheitlichen werden aber sicherlich nicht lockerlassen – steter Tropfen höhlt den Stein. Wir werden die Anträge sicherlich wieder einbringen, und schauen wir einmal, viel­leicht gibt sich der eine oder andere doch einen Ruck im Sinne des Tierschutzes, und dann werden wir dafür eine Mehrheit finden.

In diesem Sinne werden wir diesem Antrag selbstverständlich zustimmen. – Ein gutes Nachhausekommen und danke sehr. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der SPÖ.)

0.15



BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 237

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Claudia Hauschildt-Buschberger. – Bitte, Frau Bundesrätin.


0.15.50

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Frau Präsi­dentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Last, but not least – ich hoffe, das ist die letzte Rede des heutigen Tages –: Wir haben gemeinsam schon festgestellt, dass der Tierschutz in Österreich einen hohen Stellenwert für die Be­völkerung hat, und das ist gut so, das ist sehr gut so. 416 229 Bürgerinnen und Bürger haben mit der Unterzeichnung des Tierschutzvolksbegehrens ein klares Zeichen ge­setzt, und das Zeichen bedeutet auch, dass Handlungsbedarf besteht.

Uns Grünen ist es daher sehr wichtig, dass dieses wichtige Volksbegehren auch in adä­quater Weise und nach Vorbild des Klimavolksbegehrens im Parlament behandelt wird. (Bundesrat Steiner: In adäquater Weise!) Diese Befassung im Rahmen der Plenarde­batten ist sozusagen Work in progress, und so kann dieses Volksbegehren aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Fristen erst mit 26. März 2021 im Nationalrat einlangen. Dann erfolgen Ausschusssitzungen und ExpertInnenhearings, und erst dann können die zahl­reichen Umsetzungsfragen mit ebendiesen ExpertInnen und zwischen den Parlaments­fraktionen gemeinschaftlich – hoffe ich – diskutiert werden, und so können gesetzliche Möglichkeiten entstehen.

Bereits vorweg: In einem solch kurzen Zeitraum von weniger als einem Monat, eigentlich in vier Tagen, kann man sagen, einen Bericht vorzulegen und diesem Prozess vorzugrei­fen, würde, glaube ich, dieses wichtige Volksbegehren sogar herabsetzen, weil da ein viel größerer Prozess stattfinden muss. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Deshalb werden wir dem Antrag heute nicht zustimmen. Wir werden das an das zustän­dige Ministerium weitergeben und dieses die vorgesehenen Schritte machen lassen. – Ich danke vielmals und einen schönen Feierabend. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

0.18


00.18.03

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. – Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. – Vielen Dank.

Es liegt hiezu ein Antrag der Bundesräte Mag. Bettina Lancaster, Kolleginnen und Kolle­gen vor, dem Entschließungsantrag 288/A(E)-BR/2021 betreffend Forderungen des Tierschutzvolksbegehrens die Zustimmung zu erteilen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Entschließungsantrag die Zustimmung zu erteilen, um ein Handzei­chen. Auch ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch. – Es ist dies die Stimmen­mehrheit. Der gegenständliche Entschließungsantrag ist somit angenommen. (337/E-BR/2021)

00.18.5328. Punkt

Wahl eines Ersatzmitgliedes des Ständigen gemeinsamen Ausschusses des Na­tionalrates und des Bundesrates im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsge­setzes 1948


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Wir gelangen nun zum 28. Punkt der Tages­ordnung.

Für die Wahl eines Ersatzmitgliedes liegt mir folgende Nominierung vor:

Bundesrat Josef Ofner, Kärnten, vorgeschlagen von der FPÖ.


BundesratStenographisches Protokoll923. Sitzung, 923. Sitzung des Bundesrates am 11. März 2021 / Seite 238

Sofern sich kein Einwand erhebt, werde ich die Abstimmung über diesen Wahlvor­schlag durch ein Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Bundesrat Josef Ofner ist somit mit Stimmeneinhelligkeit zum Ersatzmitglied gewählt.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

00.19.44Einlauf und Zuweisungen


Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen, 3854/J-BR/2021 bis 3860/J-BR/2021, eingebracht wurden.

Eingelangt ist der Entschließungsantrag 289/A(E)-BR/2021 der Bundesräte Günther Novak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bonusticket für in Österreich lebende Men­schen, die Urlaub in Österreich machen“, der dem Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur zugewiesen wird.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Dienstag, 30. März 2021, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Montag, 29. März 2021, 9 Uhr beziehungsweise 14 Uhr, vorgesehen.

Kommen Sie gut nach Hause und gute Nacht!

Die Sitzung ist geschlossen.

00.20.53Schluss der Sitzung: 0.20 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien