10.24

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, mit dieser Universi­tätsgesetznovelle entfernt sich Österreich weiter vom Humboldt’schen Bildungsideal der ganzheitlichen Bildung, der Universitas – einer Bildung, die den Menschen zu einer selbstbestimmten, kritischen und urteilsfähigen Persönlichkeit reifen lässt.

Stattdessen wird Bildung immer mehr auf Ausbildung, auf ein beschränkt ökonomisch verwertbares Wissen reduziert, und dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht sehr viel verloren – menschlich und ökonomisch –, weil eben sehr eindimensional auf einen bestimmten Typus von Studierenden fokussiert wird: den vom Elternhaus gut unterstützten Vollzeitstudierenden, der idealerweise auch am Studienort wohnt, keinen Beruf hat, es auch nicht notwendig hat, zu arbeiten, auch keine Kinder hat, für die er oder sie sorgen muss, auch kein Zweitstudium angeht, sondern sich voll und ganz auf ein Studium nach gebotener Prüfungsreihenfolge konzentrieren kann. Aus einem Uni­versitätsstudium wird so ein – ich nenne es einmal so – Uniformitätsstudium. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Spanring.)

Ja, dieser Begriff Uniformitätsstudium ist mir eingefallen, weil alles zusammengepfercht, uniformiert werden soll, denn durch den Leistungsdruck werden logischerweise jene Fä­cher vorgezogen, in denen man schnell zu den geforderten 16 ECTS kommt, weil man ja sonst rausfliegt beziehungsweise gesperrt wird.

Wer nicht ins Schema passt, der soll nicht studieren dürfen. Das ist anscheinend die Logik, die da dahintersteht. Mich berührt diese Einschränkung des freien Hochschulzu­gangs persönlich und auch emotional insofern wirklich sehr, als ich selbst als Mutter von zwei Kindern studiert habe und nebenbei arbeiten musste und überdies auch noch 50 Kilometer vom Studienort entfernt gewohnt habe – in der Weststeiermark, 50 Kilome­ter von Graz entfernt. Ich habe also absolut nicht ins Schema gepasst – absolut nicht –, wie viele andere auch nicht, die aber dann gerade durch die Fülle an Lebens- und Be­rufserfahrung voll durchstarten konnten und auch ihre akademische Bildung bestens verwerten konnten (Beifall bei der SPÖ), wie ich das an vielen Beispielen sehe, auch hier im Haus und überall im Wirtschaftsleben, wo ich Kontakt habe.

Ich bin ja auch sehr oft bei universitären Feiern, hauptsächlich in Graz, und sehe dort, dass diese Menschen auch ihrer Universität, ihrer Alma Mater, alle Ehre gemacht haben, obwohl sie nicht ins Schema gepasst haben – oder vielleicht auch gerade deswegen.

Studieren ist keineswegs einfacher geworden, schon gar nicht in den letzten Jahren und schon gar nicht im letzten Jahr, möchte ich sagen. Die Lebenshaltungskosten sind weiter gestiegen und in der Coronakrise sind viele Lehrveranstaltungen, unterstützende Prä­senzveranstaltungen weggefallen. Gerade in dieser Zeit bräuchten Studierende noch viel mehr an Unterstützung, als ihnen jetzt in Aussicht gestellt wurde – von dem sie eh noch nichts sehen. Sie bräuchten wirklich mehr Unterstützung, anstatt dass man ihnen jetzt noch mehr Hürden und Hindernisse aufbaut. Darum würde ich Sie schon bitten, Herr Minister: die Studierenden, die es jetzt wirklich nicht leicht haben, wirklich verstärkt zu unterstützen. Es gibt da ganz, ganz berührende, ja, aufrüttelnde Geschichten. Es soll wirklich nicht vom Geldbörsel der Eltern abhängen, ob ein Kind studieren darf und wel­che Bildungschancen ein Kind vorfindet (Beifall bei der SPÖ), sondern es soll tatsächlich von den Begabungen, vom Fleiß abhängen. Diesbezüglich brauchen einfach unsere jun­gen Menschen viel mehr an Unterstützung, als ihnen in Aussicht gestellt wird.

Bei den organisatorischen Veränderungen – Auswahl und Kompetenzen vor allem der Rektorinnen und Rektoren – wurden wichtige, auch verfassungsrechtliche Bedenken aus den Stellungnahmen leider nicht berücksichtigt. Bedenklich ist auch die Neurege­lung der sogenannten Kettendienstverträge, denn – auf diese Punkte wird im Detail noch meine Kollegin Vizepräsidentin Doris Hahn eingehen – da besteht die Gefahr, dass viele Lehrende, gerade im akademischen Mittelbau, teilweise sogar um ihre Existenzgrundla­ge gebracht werden, wenn keine Verlängerungen möglich sind. Im normalen Arbeitsle­ben ist es bei Kettendienstverträgen, bei aneinandergereihten Befristungen üblich – und die Arbeitsgerichte haben das auch so praktiziert –, diese in ein unbefristetes Dienstver­hältnis umzudeuten. Stattdessen zieht man hier einfach eine Schranke ein, ohne die Frage zu beantworten, wovon die Leute dann eigentlich leben sollen. Es sind also wirk­lich viele Ungereimtheiten mit eingebaut, und insgesamt geht diese UG-Novelle einfach in die falsche Richtung und ist daher abzulehnen. (Beifall und Bravoruf bei der SPÖ.)

10.29

Vizepräsidentin Doris Hahn, MEd MA (den Vorsitz übernehmend): Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs. – Bitte, Frau Bundesrätin.