18.36

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es passt, glaube ich, ganz gut, da jetzt replizieren zu können. Wo sind wir derzeit? Ich möchte über zwei Bereiche kurz informieren. Die eine Situation ist folgende: Wie entwickelt sich die Pandemie? Wo stehen wir in Österreich im Augenblick? Welche Maßnahmen setzen wir? Und warum ist deswegen aus meiner persönlichen Sicht – das werden Sie verstehen, da unterscheiden wir uns halt in unserer Position in Teilbereichen – diese Novellierung gerade des COVID-19-Maßnahmengesetzes in dem Zusammenhang besonders wichtig?

Wir haben einerseits im Augenblick mit wirklicher Sicherheit die gefährlichste Phase der Pandemie. Das ist eigentlich der Konsens aller Fachexperten in Europa. Es sind derzeit 19 EU-Mitgliedstaaten, die stark steigende Infektionszahlen haben, wiewohl im Augen­blick das Hauptrisiko und das Hauptentscheidende gar nicht so sehr die Frage der Infektionszahlen ist. Wir haben etwa im Vergleich mit der Krisensituation, die wir bei der zweiten Welle im Herbst hatten, jetzt in dieser dritten Welle nicht diese Dynamik der Zuwächse, was die Infektionszahlen betrifft. Es ist eher ein linearer Zuwachs, den Sie Woche für Woche beobachten können, und nicht die Dynamik – Sie erinnern sich, wir erinnern uns –, die wir ab 24., 25. Oktober hatten, wo die Kurve fast senkrecht nach oben gegangen ist. Das unterscheidet die jetzige Situation von der damaligen.

Bei den Hospitalisierungszahlen schaut es schon anders aus: Da steigen die Zahlen viel stärker, als das im Herbst der Fall gewesen ist. Wirklich brutal anders schaut es betref­fend schwere Erkrankungen aus. Es gibt derzeit viele, viele Fälle, und ich kann wirklich jedem und jeder nur empfehlen, Gespräche mit Medizinerinnen und Medizinern zu füh­ren. Gerade die großartigen Menschen im Bereich der Medizin, im Bereich der Pflege, die wir in Österreich haben, fantastische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf den Inten­sivstationen, erzählen mir – ich habe fast das ganze Wochenende mit einigen von ihnen telefoniert –, dass es im Augenblick einfach wahnsinnig dynamisch und schnell geht. Es gibt Menschen, die von der Ambulanz auf die Intensivstation gebracht werden. Es gibt Menschen, die 17, 18, 24, 26 Jahre alt sind und innerhalb kürzester Zeit auf der Inten­sivstation landen. Das ist ein Phänomen, das wir in dieser Dimension vorher nicht hatten.

Früher – und das ist natürlich auch nicht besser – waren es hauptsächlich ältere Men­schen, die betroffen waren. Jetzt geht es quer durch die Bevölkerung. Bei Älteren haben wir einen gewissen ersten Impfschutz. Also jedem und jeder, der oder die sich jetzt über Impfungen mokiert und diese kritisiert, kann ich wirklich nur empfehlen, sich die Verän­derungen in den Alten- und Pflegeheimen anzusehen: dass wir dort endlich einen Schutz der Bevölkerung haben. Ich denke, das ist ein riesengroßer Fortschritt, und wir merken daran, dass die Impfungen wirken. Also wie man das kritisieren kann, ist mir ein Rätsel. (Bundesrat Spanring: Ich glaube, Ihnen ist viel ein Rätsel!) – Es gibt eine Fraktion, die kann zumindest laut sein. Das ist eine gewisse Fähigkeit. (Bundesrat Steiner: Und wir schauen hin, wenn Sie reden! Sie drehen sich ja weg, wenn unsere reden! – Bundesrätin Zwazl: Könnt ihr jetzt nicht einmal zuhören – und redet dann!? – Zwischenruf des Bun­desrates Hübner.)

Präsident Mag. Christian Buchmann: Bitte, der Herr Bundesminister ist am Wort.

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober (fortsetzend): Vielen Dank. – Wenn wir uns wieder beruhigt haben, dann können wir weiterreden, denn es geht hier um ein ernstes Thema und nicht um einen Jahrmarkt.

Das ernste Thema sind die Intensivstationen. Wir haben derzeit die Situation, dass wir in den drei Bundesländern Ostösterreichs bereits dasselbe Auslastungsniveau haben, wie das im vergangenen Herbst der Fall gewesen ist, als wir gerade noch durchgekom­men sind. Jetzt haben wir in Wien bereits 40 schwer Erkrankte mehr in den intensivmedi­zinischen Abteilungen, als das im Herbst der Fall gewesen ist. Das Burgenland befindet sich in etwa in derselben Situation wie im Herbst, also auch in einer akuten Krisensitua­tion; Niederösterreich detto, es hat gestern die Höchstzahlen erreicht, die wir bereits im Herbst hatten.

Das ist kein Verschulden der Politik oder der Bevölkerung in Ostösterreich, sondern da­für gibt es einen einfachen Grund: das britische Virus. Dieses britische Virus ist in Ost­österreich zuerst in die Breite gegangen. Wir haben in Ostösterreich mittlerweile zwi­schen 80 und 95 Prozent Anteil, und das führt dazu, dass die Situation der Erkrankungen viel dynamischer, aggressiver und damit gefährlicher wird. Deswegen ist die Phase, die wir derzeit europaweit haben, die schwierigste und gefährlichste Phase der Pandemie. Dem müssen wir entgegensteuern.

Ich bin daher sehr froh darüber, dass wir das, was sich jeder gewünscht und erträumt hatte, nämlich Öffnungsschritte, noch rechtzeitig im Konsens gestoppt haben. Ich bin sehr froh darüber, dass wir in sehr ausführlichen Verhandlungen bis halb drei Uhr früh diese Osterruhe miteinander paktiert haben. Da hat sich gezeigt, dass Parteipolitik keine Rolle spielt, keine Rolle spielen darf, wenn es um Sachfragen geht. Es war mit Kollegen Doskozil, mit Kollegin Mikl-Leitner, der Landeshauptfrau von Niederösterreich, und mit dem von mir in diesen Fragen besonders geschätzten Bürgermeister von Wien, sehr, sehr gut möglich, miteinander zu einem Gesamtpaket zu kommen, das einen Einstieg darstellt. Ich bin sehr froh darüber, dass es gestern dann auch den Konsens mit Wien darüber gegeben hat, dass wir diese Osterruhe ausdehnen. Das ist für niemanden lustig, niemand hat Freude mit solchen Maßnahmen. Es ist auch nicht populär, aber Politik in einer Krisensituation ist nicht dazu da, populistisch zu sein, sondern um Fragen zu beant­worten. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Bundesrat Spanring: Eure Politik ist die Krise!)

Die Hauptfrage in dieser Situation ist: Wie können wir die Gesundheit der Bevölkerung schützen? Das ist ja unser gesetzlicher Auftrag. Wenn die Gesundheit bedroht ist, muss die Politik handeln, gleichgültig, ob das populär ist oder nicht. Ich glaube, dass wir in den nächsten Tagen noch weiter gehen müssen, dass wir weitergehende Maßnahmen brau­chen. Ich glaube, dass auch das Bundesland Burgenland und das Bundesland Niederös­terreich den Wiener Weg mitgehen müssen und mitgehen werden. Davon bin ich zutiefst überzeugt, weil einfach die Fakten sehr klar und eindeutig sind, und weil wir dann auch Maßnahmen für das restliche Österreich – mit Ausnahme Vorarlbergs, das ist eine Son­dersituation – brauchen werden. Es ist mein dringender Wunsch, dass wir es so gemein­sam rund um die Ostertage schaffen. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam hinbringen.

Letzter Punkt: Warum sind diese Tagesordnungspunkte so wichtig? – Weil wir unter an­derem einen Teil dieser Punkte, nämlich die Zutrittstestungen zum Handel, in diesem Maßnahmenpaket zur Osterruhe mitverankert haben. Ich persönlich bin überzeugt da­von, dass sie gut und wichtig sind. Warum? – Weil wir damit bei den Testungen in die Breite gehen. Wir haben überhaupt nichts davon, wenn immer dieselben 30 Prozent tes­ten gehen, sondern wir müssen alle erreichen. Nur dann machen wir Fortschritte. Des­wegen ist der Zutrittstest etwa bei den Friseurinnen und Friseuren erfolgreich gelaufen. Zum Friseur geht jeder – oder fast jeder – irgendwann einmal; es gibt auch Heimwerker, die in Selbstorganisation tätig sind, aber das sind doch die wenigsten. Nehmen wir nun den Handel, die Zutrittstestungen zum Handel her, so wäre das ein zweiter großer Schritt, denn einkaufen geht auch jeder, und damit hätten wir wieder eine große Breite erreicht.

Meine Bitte ist also heute wirklich, diesen Punkt, der so wichtig und ein Teil dieses Pakets mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ist, nicht auf die lange Bank zu schie­ben. Wir brauchen diese Regelungen jetzt. Ich kann nur unterstreichen, was Landes­hauptmann Doskozil formuliert hat: Diese Situation ist jetzt kein Punkt, bei dem es um Parteipolitik geht, sondern es geht um Krisenbewältigung, und deswegen ist meine Bitte, da über den Schatten zu springen und gemeinsam zu handeln. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Es gibt viele andere Punkte in diesem Paket; ich möchte noch zwei aufzählen, bei denen es mir wirklich leid täte, wenn sie um zwei Monate verschoben werden würden. Das eine ist die Gleichstellung von Geimpften mit Getesteten. Warum ist das so wichtig? – Weil es natürlich eine Frage der Gleichberechtigung ist: Wenn ich eine Impfung habe, habe ich ein genauso reduziertes Ansteckungsrisiko, bin ich genauso wenig ein Risiko für andere, wie wenn ich getestet bin. Es ist aus meiner Sicht rechtlich und auch politisch nicht einzusehen, warum es da eine Ungleichbehandlung gibt. Wenn wir das jetzt so beschließen würden, dann hätten wir die Möglichkeit, dass wir bereits ab kommender Woche diese Gleichstellung zum Beispiel beim Zutritt verwirklichen, das heißt, man braucht dann keine Testung extra zu machen, sondern man ist ja geimpft und hat damit die gleichen Handlungsmöglichkeiten.

Das Zweite ist die Vorbereitung des grünen Passes, der nicht diskriminierend wird, weil er eben die Gleichstellung zwischen Impfung und Testung und der Zertifizierung einer Genesung realisiert, und diese Gleichstellung verwirklicht. Es ist gesichert – ich glaube, der Kollege von den NEOS hat die Frage gestellt (Bundesrat Arlamovsky nickt) –, dass wir da europäisch im Gleichklang gehen. Es wäre völlig absurd, wenn es unterschiedli­che Regelungen gibt, wiewohl es in der Vergangenheit schon manchmal auch derartige Verrücktheiten gegeben hat, ich gebe es schon zu.

Es gibt derzeit einen sehr intensiven, guten Arbeitsprozess auf europäischer Ebene, in dem diese Grundstandards miteinander abgesteckt werden, in dem sich Österreich be­treffend mit unterschiedlichen Ressorts sehr offensiv einbringt, da gibt es keine Pro­bleme. Das Ziel ist, dass wir diesen grünen Pass bis Ende Juni fertig haben. Vorher macht es auch wenig Sinn, denn man braucht ja vorher die Möglichkeit, sich impfen zu lassen, sonst wäre das ja für viele erst recht wieder eine sehr unkorrekte und ungerechte Situation.

Dann haben wir die Möglichkeit, dass wir in Europa auch wieder reisen können, wenn die epidemiologische Situation das zulässt; dann haben wir mit diesem grünen Pass eine Zertifizierung, die es auch ermöglichen wird, dass wir über Europa hinaus reisen, denn auch die Weltgesundheitsorganisation ist in diesen Arbeitsprozess eingebunden. Das heißt, es wird nicht nur eine europäische, sondern eine globale Abstimmung geben. Aus meiner Sicht ist das dann ein großer Schritt, ich würde nicht sagen in Richtung Norma­lität, aber in Richtung Verbesserung der Situation.

Das ist die augenblickliche Lage, und deswegen – ich will jetzt nicht parteipolitisch he­rumpolemisieren, das hat überhaupt keinen Sinn, das ist auch nicht mein Stil und meine Art – würde ich Sie einfach wirklich dringend bitten, zu überlegen, ob es nicht doch Sinn macht, dass wir diese Maßnahmen jetzt kriegen und nicht zwei Monate darauf warten müssen.

Ich kann nur mehr mit Doskozil sprechen – ich habe mir auch nicht gedacht, dass ich das einmal mache –, nämlich zu sagen: Bitte, in Zeiten der Pandemie brauchen wir keine Priorität der Parteipolitik (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann), sondern wir brau­chen ein gemeinsames Umsetzen dessen, was dringend notwendig ist, damit wir bei der Pandemiebekämpfung wieder Schritte in die richtige Richtung machen! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Darum ersuche ich Sie. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

18.47

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Ing. Eduard Köck. – Bitte, Herr Bundesrat.