9.26

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Verehrte Mitglieder der Bundes­regierung! Vor allem: Lieber Herr Gesundheitsminister Mückstein! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die via Livestream zugeschaltet sind! Ich denke, an einem Tag wie heute kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich nehme an, Sie waren ebenso bestürzt wie ich, als ich in der Früh von diesem grausamen Doppelmord in Wals-Siezenheim gehört habe. Eine Kollegin ist ja unter uns, die aus dieser Gemeinde kommt und die Getöteten gekannt hat.

Das lässt einen sprachlos zurück, das schockiert einen. Gleichzeitig müssen wir alles daransetzen, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren wird. Ich bin sehr froh, dass der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen setzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zu Dr. Wolfgang Mückstein komme, ein paar Worte zu seinem Kollegen Rudolf Anschober zu sagen: Ich möchte mich seitens der ÖVP-Bundesratsfraktion, aber auch ganz persönlich für seinen unglaub­lich couragierten Einsatz in dieser Pandemie herzlich bei ihm bedanken. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Mir ist natürlich klar, dass Dankbarkeit keine Tugend der Politik ist. Sie kommt meistens im Nachhinein oder gar nicht. Jetzt könnte man sagen: Das ist unfair, das nützt einem wenig. Ich denke aber, Rudolf Anschober verdient diesen Dank und diesen Respekt, weil er sich für die Gesundheit der Menschen im Land eingesetzt hat und dabei seine eigene nahezu aufs Spiel gesetzt hat. Das Gespür für die eigene Gesundheit und den eigenen Gesundheitszustand nicht zu verlieren – das sage ich als Arzt, aber auch als Mensch – ist eine Eigenschaft, die nicht vielen Leuten gegeben ist. Rudolf Anschober hat das für ihn Richtige getan. Ich wünsche ihm nochmals alles Gute für die Zukunft und viel Gesundheit! (Beifall bei der ÖVP und bei BundesrätInnen der Grünen.)

Wir dürfen aber nun – auch das darf ich im Namen meiner Fraktion tun – Wolfgang Mückstein ganz herzlich hier im Bundesrat erstmals willkommen heißen. Es freut mich natürlich doppelt, da Wolfgang Mückstein und ich ja einerseits Berufskollegen sind und wir andererseits eine langjährige gemeinsame Vergangenheit in der Österreichischen Ärztekammer haben: er in Wien, ich in der Steiermark und in der Bundesärztekammer.

Wolfgang Mückstein hat das Ministerium in sehr aufgeregten Zeiten übernommen, das hat unser Bundeskanzler schon gesagt. Auch ich denke, dass die Annahme eines Ministeramts immer eine große Herausforderung ist. Gesundheitsminister in Zeiten einer Pandemie zu sein, ist jedoch nochmals ein Stück fordernder. Als Arzt mit langjähriger Erfahrung ist es Kollege Mückstein aber gewohnt, in sehr aufgeregten und stürmischen Zeiten zu arbeiten. Aus diesem Grund, lieber Herr Bundesminister: Ich bin dir sehr, sehr dankbar und habe mich ehrlich gefreut, dass du diese Aufgabe angenommen hast. Noch einmal: Willkommen im Bundesrat, Herr Kollege! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ärztinnen und Ärzte sind in der Politik nichts Unge­wöhnliches. Sie sind und waren MandatarInnen in Gemeinderäten, in Landtagen, im Parlament, auch in Regierungsfunktionen – ich will kein Namedropping betreiben, jeder kennt Ärztinnen und Ärzte in der Politik. Arzt und Politiker zu sein ist kein Widerspruch, ganz im Gegenteil, denn was ist denn das ureigenste Anliegen, die wesentlichste Auf­gabe der Medizin? – Den Menschen Gutes zu tun. Gutes tut man, das ist meine tiefe Überzeugung, indem man oft auch einfach nur zuhört. Da komme ich jetzt zu dieser großen Schnittmenge mit der Politik: hinhören, zuhören, auf die Menschen zugehen, so wie der Arzt und die Ärztin sich für die Patienten einsetzen und sich um sie kümmern, so tut das Politik für die Menschen im Land.

Das bedeutet natürlich nicht, dass jeder Arzt automatisch ein guter Politiker ist, aber Ärztinnen und Ärzte sind immer Fachleute für Gesundheit, und in diesem Sinne ist Wolfgang Mückstein eine ausgezeichnete Wahl, nicht nur, weil er das Gesundheits­system – der Vizekanzler hat es auch schon angesprochen: er war viele Jahre in der Ärztekammer tätig – in seiner ganzen Komplexität kennt, nicht nur, weil er die wesent­lichen Player im System kennt, nein, sondern weil er auch seit vielen Jahren Menschen behandelt, egal, aus welchen Schichten sie kommen, und sich um ihre Anliegen und Sorgen gekümmert hat.

Da war es dann auch mehr als passend, als der ORF am 2. Mai getitelt hat: „Mückstein will Unentschlossene aufklären“. Die Zahlen sind vielversprechend und erfreulich – unser Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sie genannt –, wir haben allen Grund zur Hoffnung, zur Freude – und man spürt das auch, wenn man mit den Leuten redet, es herrscht eine Aufbruchsstimmung –: Über 30 Prozent sind bereits geimpft, rund 50 000 Menschen werden jeden Tag geimpft, und es werden mehr, jede Woche erreicht eine knappe halbe Million Impfdosen Österreich. So erfreulich diese Zahlen auch sind, wir müssen jene erreichen, die noch schwanken, und sie davon überzeugen, dass es wichtig ist, sich impfen zu lassen. Da muss man eben reden, reden und reden, da muss man Aufklärung betreiben, da muss man die Fakten den Fakenews gegenüberstellen und versuchen, den Menschen ihre Bedenken entsprechend zu nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei övp und Grünen.)

Aufklärung kann man auf die unterschiedlichste Art und Weise betreiben. Ich habe unlängst ein Interview mit einem Arzt gelesen, der das seinen Patientinnen und Patien­ten folgendermaßen erklärt: Wenn man 18 Millionen Menschen ein gratis Käsebrötchen in die Hand drückt, dann wird es so sein, dass sich ein paar daran verschlucken. – Dieser Arzt ist kein Österreicher, er ist Deutscher, er ist auch kein Politiker, er ist auch nicht als Arzt bekannt geworden, und trotzdem werden ihn viele kennen, es ist der Bassist der Band „Wir sind Helden“, der trotz des Erfolgs in der Musikbranche Arzt geblieben ist und auch weiterhin, vor allem jetzt in der Pandemie, seinen Teil beiträgt, indem er einmal die Woche in einem Hamburger Impfzentrum selber impft.

Es ist natürlich eine Selbstverständlichkeit, dass man die Sorge um Nebenwirkungen respektiert und ernst nimmt. Ich halte überhaupt nichts von flapsigem Herunterspielen, ich halte aber auch gar nichts von einer übertriebenen Dramatisierung. Da braucht es Angemessenheit, das ist eine ärztliche Verantwortung, das ist aber – und da sind wir alle betroffen – auch eine politische Verantwortung, hier angemessen vorzugehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Coronapandemie bestimmt die gesundheits­politi­sche Debatte – das ist verständlich, das ist unvermeidbar. Darüber hinaus gibt es aber zahlreiche gesundheitspolitische Herausforderungen, die es auch dann noch geben wird, wenn Corona nicht mehr jeden Tag die Schlagzeilen in den Medien bestimmt. Da wird es vor allem um eine zentrale Frage gehen, nämlich darum, wie man in allen Lebensphasen, in allen Facetten, in jedem Lebensalter bestmöglich unsere österreichi­sche Bevölkerung versorgt.

Dazu fällt mir als Erstes gleich der Pflegekräftemangel ein, oder – um es positiver zu formulieren – die Pflegereform, die bereits unter Rudolf Anschober begonnen wurde und zu der jetzt auch schon erste Beschlussfassungen ins Haus stehen werden.

Wir müssen dem Ärztemangel, vor allem am Land, vehement entgegentreten. Da geht es um Fragen der Ärzteausbildung, da geht es um die Attraktivierung der Allgemein­medizin, da geht es generell darum, das Kassensystem attraktiver zu gestalten, damit eine junge Ärztin oder ein junger Arzt noch tätig sein will. Ich schaue da ganz besonders in die Gesichter unserer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die hier im Plenum sitzen, denn sie wissen, wie schwierig es ist, vor allem am Land Kassenarztstellen zu besetzen; und das gleichzeitig vor dem Hintergrund, dass 10 000 Kolleginnen und Kollegen in Österreich wahlärztlich tätig sind. Da müssen wir Lösungen anbieten, da müssen wir Antworten finden, und diese gehen vom Hausarzt, wie wir ihn kennen, über Jobsharingmodelle bis hin zu Gesundheitszentren und zu unseren hoch spezialisierten Spitälern. Die Versorgung der Zukunft muss in der Vielfalt liegen, und ich bin froh, dass es Wolfgang Mückstein ist, der diese Aufgabe anpacken wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt für den Gesundheitsminister viel zu tun, aber nicht nur für ihn. Diese großen Themen, die angesprochen wurden, kann kein Wiener Hausarzt lösen, kann auch kein Grazer Internist lösen, die kann auch kein Bürger­meister, kein Landeshauptmann, keine Landeshauptfrau lösen – das können wir nur gemeinsam als Politik schaffen. Das wird kein einfacher Weg, und zwar wird das deshalb kein einfacher Weg, weil es viele Interessen gibt, weil viele Stakeholder diesbezüglich ihre Interessen haben, aber es wird diesen gemeinsamen Kraftakt brauchen. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass wir es gemeinsam schaffen werden, uns in der sprich­wörtlichen Mitte der Brücke zu treffen, um das Beste für die Gesundheit der Österreiche­rinnen und Österreicher zu erreichen.

Ich darf zum Schluss kommen und vor allem als Mitglied des Bundesrates noch einmal unsere Länderkammer in den Fokus rücken. Vergessen wir bitte nicht, dass Entschei­dungen vor allem im Gesundheitsbereich, die auf Bundesebene getroffen werden, die Bundesländer betreffen und in den Bundesländern gelebt werden müssen, auch finan­ziell! Das geht nur im Konsens, das geht nur mit Respekt vor den regionalen Gegeben­heiten, und nicht mit Föderalismusbashing. Das geht aber auch nicht, wenn jeder versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen. Das Zauberwort, sehr geehrte Damen und Herren, heißt Zusammenarbeit. Vergessen wir bitte nie darauf!

In diesem Sinne: Alles Gute, lieber Wolfgang Mückstein! Alles Gute Ihnen, bleiben Sie gesund! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Arlamovsky.)

9.37

Präsident Mag. Christian Buchmann: Nächste Rednerin: Frau Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann. – Bitte, Frau Bundesrätin.