10.01

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bun­des­regierung! Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin tief schockiert und erschüttert über den elften Frauenmord in Österreich in diesem Jahr. Wir in Österreich sind auf dem Weg, ein zweifelhaftes, schreckliches Alleinstellungsmerkmal innerhalb der EU zu erhalten. Wir dürfen nicht länger wegsehen und müssen handeln – als Politikerinnen und Politiker und auch als Gesellschaft. Ich glaube, das soll in der nächsten Zeit im Fokus unseres Tuns stehen. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, der Staffelstab im Gesundheitsministerium ist übergeben, und Wolfgang Mückstein wird als Minister dankenswerterweise fortsetzen, was Rudi Anschober in einem Jahr der Pandemie an großartiger Arbeit geleistet hat. Dazu an dieser Stelle auch von meiner Fraktion und mir persönlich einen herzlichen Dank an Rudi Anschober für seine geleistete Arbeit! (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Über die Biografie des Ministers wurde im Vorfeld der Angelobung schon sehr umfas­send berichtet. Ich möchte mich jetzt im Rahmen dieser Debatte auf die bevorstehenden, wahrlich großen Aufgaben des Gesundheits- und Sozialministeriums und – um mit dem Elefanten im Raum zu beginnen – die Coronapandemie konzentrieren.

Seit einem Jahr beherrschen Corona und die Bewältigung von Corona alle Diskurse. Mittlerweile gibt es Gott sei Dank von der EMA zugelassene Impfstoffe, die zur Ver­fügung stehen. Unsere Devise – ich glaube, das wird von vielen hier im Haus auch so gesehen – soll jetzt nur noch lauten: impfen, impfen, impfen! Bis zum 30. April – wir haben die Zahlen heute auch schon differenzierter vom Herrn Bundeskanzler gehört – wurden tatsächlich schon über drei Millionen Impfdosen verimpft. Im April waren es 1,2 Millionen Impfungen, die durchgeführt werden konnten, da genügend Impfstoff vorhanden war.

Die Entwicklung zeigt tatsächlich, dass sich das Impftempo enorm gesteigert hat. Jetzt, im Mai – ich sehe es in meiner täglichen Umgebung –, sind wir schon in die Phase 3 eingetreten, die bereits darauf abzielt, die breite Bevölkerung zu impfen. Spätestens ab Juni wird damit gerechnet, dass in Österreich tatsächlich mehr Impfstoff zur Verfügung stehen wird, als es derzeit Impfwillige gibt. Sie, Herr Gesundheitsminister, haben in diesem Zusammenhang schon festgestellt und ganz klar gesagt, dass wir die Menschen, die jetzt noch zögern, sich impfen zu lassen, von der Sinnhaftigkeit der Impfung über­zeugen sollen. Was wir auch mit absoluter Sicherheit sagen können, ist, dass das Risiko der Schutzimpfung nicht mit den wirklich schweren Folgen einer Coronaerkrankung zu vergleichen ist.

Wir setzen ab Mitte Mai die lang ersehnten Öffnungsschritte in Kultur, Gastronomie, Hotellerie, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Die Frage der Zutrittsvoraussetzung ist da­bei eine sehr essenzielle, weil sie auch die verschiedenen Gruppen in der Bevölkerung sichtbar machen wird. Bislang galt für alle in Österreich lebenden Menschen, FFP2-Maske zu tragen, Abstand zu halten und die Hände zu desinfizieren.

Mit der steigenden Durchimpfungsrate wird jedoch auch die Gruppe derjenigen größer, die das Versprechen, zu ihrem alten Leben ohne einschränkende Maßnahmen zurück­kehren zu können, einlösen will. Dabei gilt es, Ungleichbehandlungen zu vermeiden, und zwar zwischen den geimpften, den getesteten und den genesenen Personen. Dabei sollten wir auch besonders auf die Gruppe der jüngeren Menschen achten, die bislang noch keinen Zugang zur Impfung hatte – aber in Kürze sicherlich haben wird – und doch eine sehr mobile Bevölkerungsgruppe ist. Sie soll bei den Öffnungsschritten auf keinen Fall diskriminiert werden. Das wird sie auch nicht, weil wir diesen Personen ja immer noch die Möglichkeit einräumen, dass sie sich fast überall flächendeckend und zeitnah testen lassen können.

Ein weiteres Thema, das mir im Zusammenhang mit der Coronapandemie wichtig ist, ist die medizinische Versorgung der Menschen, die bereits eine Coronaerkrankung durch­gemacht haben, denn rund ein Drittel der Erkrankten – was im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen besonders viel ist – zeigt Spätfolgen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Gedächtnisverlust oder Herzrasen. In Wien wurde bereits die erste Long-Covid-Ambu­lanz eröffnet, der Bedarf wird aber leider um ein Vielfaches größer sein, und die Deckung dieses Bedarfs wird mit den derzeitigen Personalressourcen nur schwer zu bewältigen sein. Dafür braucht es dringend mehr Kapazitäten in allen Bundesländern.

Ein Thema abseits des Pandemiegeschehens, das aber natürlich auch mit diesem verknüpft ist, ist die Armut. In Österreich gelten 1,5 Millionen Menschen als armuts­ge­fähr­det, davon ist jede vierte Person ein Kind. Armutsgefährdet sind besonders Allein­erzieherInnen, Familien mit drei oder mehr Kindern und Menschen mit Beeinträchtigung. In der aktuellen Auswertung der EU-Silc-Daten sind Folgen der Coronapandemie wie Kurzarbeit und Jobverlust noch nicht enthalten.

Herr Sozialminister Mückstein hat ein sehr klares Ziel für die Bundesregierung formuliert: die Armut in Österreich zu halbieren. Ein wesentliches Instrument der Armuts­bekämp­fung ist die Mindestsicherung – oder sie war es, sage ich einmal, denn die Sozialhilfe nach dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist aus der Perspektive der Armutsbekämpfung denkbar ungeeignet. Allein dass nur mehr Höchstsätze für den Bezug von Leistungen festgeschrieben sind, ist eine völlige Trendumkehr im Vergleich zum System der Mindestsicherung, die, wie der Name schon sagt, das Mindeste definierte, was ein Mensch zum Leben braucht.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz zu neuen Härtefällen führt, ist die Deckelung von Leistungen für Haushaltsgemeinschaften von erwachsenen Menschen, die in einer Unterkunft für Obdachlose, einer Notwohnung oder einer Wohn­gemeinschaft für Menschen mit Behinderung leben. Sie müssen bloß aufgrund ihrer Wohnsituation mit finanziellen Einbußen bei der Sozialhilfe rechnen.

Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele, die zeigen, dass sich die Sozialhilfe nach dem neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz häufig als sehr ungeeignet für die Armutsbekämp­fung herausstellt, und in Zukunft gilt es, dort hinzusehen. (Beifall bei den Grünen sowie bei BundesrätInnen von ÖVP und SPÖ.)

Als Drittes möchte ich noch auf das Thema der Pflege zu sprechen kommen. In den letzten Jahren gab es sehr viele Publikationen, die uns auf die Dringlichkeit und den Handlungsbedarf in diesem Bereich hingewiesen haben. Ich erinnere an die Studie „Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich“ der Gesundheit Österreich GmbH, den Bericht des Rechnungshofes zur Situation der Pflege in Österreich und zuletzt den Bericht der Taskforce Pflege, welcher fünf prioritäre Themenfelder für die Pflegereform definierte, 17 Ziele festlegte und 63 Maßnahmen formulierte.

Am drastischsten führte uns jedoch die Coronapandemie vor Augen, wie wir als Gesell­schaft auf das Pflegepersonal angewiesen sind und wie knapp die Ressourcen in manchen Bereichen bemessen sind. Am allerdeutlichsten macht es das Beispiel der Kapazität bei den Intensivstationen, die sich, was Betten betrifft, natürlich leicht erhöhen lässt, es braucht aber auch entsprechend ausgebildetes Pflegepersonal, und das lässt sich leider nicht so schnell und so leicht aufstocken. Das Personal ist ein Schlüsselfaktor, diese Erkenntnis hat sich aber mittlerweile herumgesprochen, und neben der besseren Bezahlung braucht es bessere Rahmenbedingungen, damit Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden, diesen auch länger ausüben können und wollen.

Die Pflegereform wird in Zukunft eine der dringlichsten Aufgaben für das Gesund­heits­ministerium sein, denn der Pflegebedarf steigt in unserer alternden Gesellschaft, und die Zahl der Pflegenden wächst leider nicht im notwendigen Ausmaß mit.

Alleine diese drei Themenfelder zeigen, dass der Gesundheitsminister beide Hände voll zu tun haben wird, und für diese Aufgabe wünsche ich vonseiten der grünen Fraktion alles Gute! (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.11

Präsident Mag. Christian Buchmann: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Karl-Arthur Arlamovsky. – Bitte, Herr Bundesrat.