21.19

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! In den letzten Monaten wurde bekannt, dass die Regierung rund um Bundeskanzler Sebastian Kurz plant, eine entscheidende Säule des österreichischen Qualitätsjournalismus, die „Wiener Zeitung“, und somit auch das Amtsblatt der Republik Österreich nach 318 Jahren einzustellen.

Die Erstausgabe der „Wiener Zeitung“ erfolgte am 8. August 1703. Im Rahmen der Um­setzung der Digitalisierungsrichtlinie wird die Veröffentlichungspflicht für Unternehmen auf digitale Füße gestellt, was den Wegfall des Amtsblattes und einer der Geschäfts­grundlagen der „Wiener Zeitung“ bedeuten wird. Auslöser für die ungewisse Zukunft ist die im Regierungsprogramm vorgesehene Abschaffung der Pflichtinserate im Amtsblatt, die einen großen Teil der Einnahmen ausmachen. Eigentümer der „Wiener Zeitung“ ist die Republik, das Bundeskanzleramt fungiert als Eigentümervertreter.

In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage, die Frau Kollegin Schumann und ich an den Bundeskanzler gerichtet haben, wurde die drohende Einstellung bestätigt das ist zutiefst beunruhigend und irritierend. (Beifall bei der SPÖ.)

Lassen Sie mich aber aus der Beantwortung zitieren und klarmachen, weshalb diese durchaus Brisanz hat. Der Bundeskanzler antwortet in bekannter Form eher flüchtig als konkret auf unsere Anfrage, dabei schreibt er unter anderem Folgendes:

„Das vergangene Jahr hat uns allen [...]“ deutlich „vor Augen geführt, wie bedeutend die Presse- und Medienfreiheit, sowie die Vielfalt an kritischen und qualitativen Medien­unternehmen in Österreich für unsere Demokratie ist. Die Wiener Zeitung ist dabei ein Bestandteil der österreichischen Medienlandschaft.“  So schön, so gut.

Es scheint also so, als sähe der Kanzler die „Wiener Zeitung“ als wichtigen Teil der österreichischen Medienlandschaft, der sich als entscheidender Bestandteil unseres demokratischen Systems etabliert hat, um kurz darauf festzustellen:

„Nicht vom öffentlich-rechtlichen Auftrag umfasst und damit nicht Aufgabe der Republik ist der Betrieb und die Finanzierung einer Tageszeitung. Dennoch soll bei der Um­set­zung des Regierungsprogramms im Rahmen eines neuen Geschäftsmodells, ein Me­dium erhalten werden und diesem auch hinsichtlich einer nachhaltigen und wirtschaft­lichen Tragfähigkeit ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Auftrag als Bildungs- und Publikationsmedium der Republik verliehen werden.“

Im Staatsdruckereigesetz heißt es: „Unternehmensgegenstand der Wiener Zeitung GmbH [...] ist die Herstellung und der Verlag der Wiener Zeitung“, und „Herausgeber [...] ist der Bund“. Der Bundeskanzler hat den Bezugspreis „nach kaufmännischen Grund­sätzen und unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen festzusetzen.“ Eine Einstel­lung, Privatisierung oder Umwandlung in ein reines Digitalmedium, wie vom Kanzler aufgrund unserer parlamentarischen Anfrage angekündigt, wäre vor diesem Hintergrund ein Gesetzesbruch. Der Redaktionsbeirat der „Wiener Zeitung“ hat daher die Antwort des Bundeskanzlers, dass der Betrieb und die Finanzierung einer Tageszeitung nicht Aufgabe der Republik seien, mit Befremden zur Kenntnis genommen.

Widersprüchlich zur Meinung der Regierung ist auch die Empfehlung des Europarates von 2018. Der Europarat hat der Republik Österreich eine Empfehlung ausgesprochen, die „Wiener Zeitung“ zu erhalten. An den Bundeskanzler und den Vizekanzler erging am 13. April des heurigen Jahres ein offener Brief zum Aufruf zur Rettung der „Wiener Zeitung“, der von Universitätsprofessoren der Kommunikationswissenschaft und weite­ren Wissenschaftsdisziplinen unterschrieben wurde. Da die heimische Medienlandschaft ohnehin sehr konzentriert ist und der Markt an Tageszeitungen nur noch 14 Titel umfasst, würde der Wegfall der „Wiener Zeitung“ den Pluralismus und in weiterer Folge den demokratischen Auftrag der Tageszeitungen in Österreich weiter schwächen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die „Wiener Zeitung“ ist Teil der österreichischen Qualitätspresse und weist mehrere Besonderheiten auf. Wie schon gesagt, sie existiert seit 1703 und ist somit die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. Der Anfang April leider verstorbene Dr. Hugo Portisch und sein langjähriger Freund und renommierte Journalist Heinz Nussbaumer wollten die republikeigene „Wiener Zeitung“ zum Weltkulturerbe erklären. Sie würdigen die „Wiener Zeitung“ als „‚Vorbild für Qualität und Verantwortungsbewusstsein‘ und sehen in ihrer Geschichte ‚einen Journalismus ohne jede Parallele‘“.

Mit dieser Meinung sind sie nicht allein, denn viele namhafte Journalistinnen und Jour­nalisten teilen diese und finden die kolportierte Einstellung ein medienpolitisches Ar­mutszeugnis. Österreich braucht hochwertige Zeitungen und nicht eine weitere digitale Serviceplattform, die vielleicht noch dazu ähnlich erfolgreich sein wird wie das uns allen bekannte Kaufhaus Österreich.

In Zeiten von Fakenews und zunehmender Desinformation hat der Qualitätsjournalismus eine unverzichtbare Bedeutung. Das gilt gerade auch für den Printjournalismus. Dieser ist, auch wenn man es mit Ländern wie der Schweiz vergleicht, in Österreich ohnehin schon eher übersichtlich aufgestellt, was ja auch für die Meinungspluralität, die es für eine ausgewogene gesellschaftliche Debatte braucht, mehr als schädlich ist.

Insofern ist die „Wiener Zeitung“ eine Dienstleisterin für jede Einzelne und für jeden Einzelnen, weil wir alle von qualitätsvoller Berichterstattung profitieren. Sie stellt in über­sichtlicher Form umfangreiche Informationen zur Verfügung, auf deren verbindlichen Inhalt sich die Leserinnen und Leser verlassen können. Sie hat sich durch ihre seriöse und unabhängige Berichterstattung profiliert und diese über Jahrzehnte kultiviert. Zu ihren Leserinnen und Lesern gehören Entscheidungsträger aus der Politik, der Wirt­schaft und der Kultur.

Damit diese wichtige Stimme Österreichs auch weiterhin und in Zukunft Gehör finden kann, fordern wir die Regierung auf, die Finanzierung der „Wiener Zeitung“ mit öffent­lichen Mitteln sicherzustellen und ihre Fortführung zu garantieren. Kein Unterneh­men der Welt würde eine derart bekannte Marke wie die „Wiener Zeitung“ einstellen. Als Land, das stolz auf das Kulturgut ist und weltweit damit wirbt, sollten wir keine Diskussion darüber führen, diese Traditionszeitung nicht zu erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Aus all diesen Gründen und weil der Bundeskanzler einmal mehr nur unzureichende Antworten gegeben hat, haben wir auch eine weitere Anfrage an ihn gerichtet, die wir noch heute einbringen werden. Es sind Fragen offen, die uns aber auch die Öffent­lichkeit interessieren und die er uns beantworten soll. Wir SozialdemokratInnen sind felsenfest davon überzeugt, dass uns allen der Qualitätsjournalismus etwas wert sein muss. Dass zudem aus einer hervorragenden Zeitung ein nicht näher definiertes Medium entwickelt werden soll, das möglicherweise der Kurz’schen Messagecontrol eher ver­pflichtet ist als der journalistischen Äquidistanz und einer unabhängigen Berichterstat­tung, lässt uns nachdenklich zurück.

Aus all den genannten Gründen und auch wegen der historischen Bedeutung der „Wiener Zeitung“ stellen wir folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt der Wiener Zeitung als älteste Zeitung der Welt“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der für die Wiener Zeitung gemäß Staatsdruckerei­gesetz zuständige Bundeskanzler, wird ersucht, alles zu unternehmen, um die Wiener Zeitung als älteste Tageszeitung der Welt für die Leserinnen und Leser zu erhalten. Die Bundesregierung wird darüber hinaus ersucht, bei der Medienförderung qualitative Aspekte besonders zu berücksichtigen.“

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Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.28

Vizepräsident Dr. Peter Raggl: Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Erhalt der Wiener Zeitung als älteste Tageszeitung der Welt“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesminister Alma Zadić zu Wort gemeldet. Ich bitte darum.