15.22

Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren jetzt drei Tagesordnungspunkte, bei denen ich als Repräsentant meines Parlamentsklubs drei unterschiedliche Abstimmungsverhalten zeigen werde, weswegen ich sehr differen­zieren muss.

Tagesordnungspunkt 9, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, lehnen wir ab. Unserer Meinung nach gibt es drei wesentliche Kritikpunkte, die es in Wirklichkeit in Zukunft erleichtern, Lohn- und Sozialdumping zu begehen, weswegen wir das ablehnen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der erste Punkt ist, dass es bei Meldeverstößen im Zusammenhang mit der Entsendung und bei Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle, also diesen Formaldelikten, Strafen bis zu 20 000 Euro pro Anlassfall geben soll. Es gibt für Wieder­holungstäter allerdings keine Verschärfung des Strafrahmens. Das kritisieren nicht nur wir, sondern auch das Finanzministerium in seiner Stellungnahme. Gerade diese For­maldelikte sind aber meistens ein Zeichen für das Lohndumping, das bekämpft werden soll.

Zweiter Punkt: Es wird der Finanzpolizei erschwert, richtig zu kontrollieren.

Dritter Punkt: Es gibt nicht die Möglichkeit, Daten europaweit auszutauschen, was die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping noch mehr erschwert. Ein Lösungsweg, um dem entgegenzutreten, wäre zum Beispiel eine europäische Sozialversicherungs­num­mer.

Der zweite Tagesordnungspunkt, über den wir debattieren, Tagesordnungspunkt 10, betrifft das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz. Da werden wir als einzige Partei weiterhin dagegenstimmen. Die Schwarzarbeit hat ja auch während der Krise deutlich zugenommen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Schattenwirtschaft auf über 25 Milliarden Euro angestiegen ist, wobei der Schwarzarbeitsanteil am gesamten BIP auf 7,15 Prozent gestiegen ist.

Durch Schwarzarbeit entgehen dem Staat jährlich zwischen 2 Milliarden und 3,5 Milliar­den Euro durch Steuer- und Sozialversicherungsausfälle. Das ist aber nichts Neues. Das IHS schätzt in einer Studie den Wertschöpfungsentgang allein für die Bauwirtschaft zum Beispiel auf ungefähr 500 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro jährlich, den daraus resul­tierenden Entgang an Steuern und Sozialabgaben zwischen ungefähr 200 Millionen bis 500 Millionen Euro jährlich. Das Potenzial für Auswirkungen auf die legale Beschäftigung liegt dieser Studie zufolge zwischen 5 800 und 22 500 Arbeitsplätzen.

Anders als in Österreich haben mehrere EU-Länder in den letzten Jahren Systeme und Teilsysteme implementiert, um der Problematik zu begegnen. In Österreich wurde aber nicht einmal ein Versuch unternommen, ein derartiges System neutral zwischen den Stakeholdern und unter Einbeziehung aller Stakeholder und ihrer jeweiligen Interessen zu etablieren.

Relevant in diesem Zusammenhang ist auch die komplexe Kompetenzverteilung zwischen den öffentlich-rechtlichen Stakeholdern, wie Überschneidungen in deren Kompetenzen, was Kontrollen betrifft. Auf der einen Seite gibt es die Finanzpolizei, die zum BMF ressortiert, auf der anderen die Buak, die zum Arbeitsministerium ressortiert, und es gibt die SV-Träger, die zum Gesundheits- und Sozialministerium ressortieren. Die Experten haben deswegen empfohlen, dieses Projekt in der Analysephase im BMDW anzu­siedeln.

Die Sozialpartner haben sich zur Zeit der schwarz-blauen Bundesregierung anders entschieden und das Projekt an sich gezogen. Es wurde die Bau-ID GmbH ins Leben gerufen, eine Tochtergesellschaft der Buak, die als Institution der Sozialpartner die Haupt­aufgabe hat, die Urlaubs- und Abfertigungsansprüche und die Bauarbeiter­schlecht­wetterentschädigung zu verwalten.

Neben der Buak sind auch noch die Wirtschaftskammer, das Arbeitsministerium als Aufsichtsbehörde über die Buak und das Finanzministerium für die Finanzpolizei involviert.

Wie die mediale Berichterstattung zeigt, ist das aufwendig beschriebene Unterfangen der Bau-ID aber gehörig ins Wanken geraten, und zwar sowohl was den Fahrplan, als auch was die Konzeption betrifft, und entpuppt sich laut Experten als Kaufhaus Öster­reich 2.0. Wie im „Standard“ berichtet wird, „wurden die Teilprojekte Software, Iden­titätsprüfung, Payment Services im Frühjahr 2020 ausgeschrieben, im Herbst fand dann erneut eine Markterkundung statt. Einzig nach einem Chipkartenlieferanten wird kein zweites Mal gesucht. [...] Das Volumen der drei Teilausschreibungen für Software-, Bezahl- und Identifizierungssystem wird in der Branche auf 2,9 bis 3,3 Millionen Euro geschätzt“.

Das Problem in diesem Zusammenhang ist aber, dass es ein komplexes Projekt ist, weil pro Jahr Hunderttausende Bauarbeiter auf österreichischen Baustellen registriert wer­den. Dieses komplexe Projekt wird aber kleinteilig vergeben, was ein großes Risiko ist. Die Frage ist, warum ein solches Unterfangen in unterschiedlichen Ausschreibungen avisiert wird.

Neben dieser fragwürdigen Ausgestaltung des Ausschreibungsprozesses sind die ge­samte Konstruktion der Bau-ID und die Lösung durch die Bau-ID GmbH aus mehreren Gründen fraglich. In Österreich gibt es bereits ein Arbeitsinspektorat, das für alle Branchen zuständig ist, und eine Finanzpolizei. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Institution, die noch dazu losgekoppelt von bisherigen Einrichtungen arbeitet, ist nicht ersichtlich. Zusätzlich führt die Schaffung der GmbH zu einer Auslagerung von staatlichen Aufgaben auf eine private Einrichtung, was jeglicher Logik widerspricht.

Die Gesetzesänderungen, die für die Einrichtung der Plattform in der Buak nötig sind, müssen für jede Branche ebenfalls eingeführt werden, was einen überbordenden bürokratischen Aufwand zur Folge hätte oder die Einrichtung mehrerer Plattformen für jede Branche in den jeweiligen Ministerien und nachgeordneten Organisationen bedeuten würde.

Das sorgt für eine falsche Aufgabenverteilung zwischen BMF, und zwar der Finanz­polizei und des Amtes für Betrugsbekämpfung, und den Sozialpartnern. Deswegen werden wir bei Tagesordnungspunkt 10 weiterhin dagegen sein.

Anders ist es wiederum bei Tagesordnungspunkt 11, dem Arbeitslosenver­sicherungs­gesetz. Wir begrüßen die Anhebung des Zugangsalters zur Sonderunterstützung im Bergbau. Der Bergbau hat sich in den letzten Jahren sehr verändert, weshalb es auch eine Reform benötigt. Außerdem ist faktisch keine Person von der aktuellen Regelung betroffen, weil keine Person in diese Altersklasse fällt.

Der zweite Punkt dieser Novelle betrifft den Bildungsbonus. Wir haben bereits der Ein­führung des Bildungsbonus zugestimmt, halten auch die Ausweitung des Bildungsbonus für eine gute Idee und stimmen daher Tagesordnungspunkt 11 zu. – Danke sehr.

15.29

Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Schachner. Ich erteile ihm dieses.