17.03

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Adi Gross (Grüne, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht wundern, dass ich jetzt eine andere Position als die, die wir vorhin gehört haben, einnehme, vor allem nach den Rundumschlägen der FPÖ. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring.) Ich bin jedenfalls froh, dass wir Grüne in diesem Land maßgeblich Klimaschutz- und Verkehrspolitik machen und nicht Sie. Sie haben einmal mehr bewiesen, dass Sie die Partei der Raser und Betonierer sind, dass Ihnen Klimaschutz vollkommen egal ist, sobald etwas zur Debatte steht, was vielleicht nicht mehr ganz so gemütlich ist. Die Empörung, die Sie da aufbringen, ist ja letztlich eine Bestätigung für unsere Arbeit.

Was ich, bevor ich fortfahre, noch sagen möchte: Herr Ofner! – Wo ist er? (Bundesrat Spanring: Der ist gegangen, der hat genau gewusst, was jetzt kommt!) Vielleicht hört er es, das ist mir jetzt wichtig: Herr Ofner, ich verlange von Ihnen eine Entschuldigung! Das ist unfassbar, was Sie gesagt haben. Sie haben der Frau Ministerin ein Schicksal wie das des Herrn Rudi Anschober gewünscht. Das heißt, sie soll krank werden und ihren Job nicht mehr machen können – das haben Sie gesagt! (Bundesrat Spanring: Geh bitte!) Ich erwarte mir von Ihnen eine Entschuldigung. Eigentlich (in Richtung Vizeprä­sidentin Schwarz-Fuchs) war das ja einen Ordnungsruf wert. (Ruf bei der FPÖ: ... Ord­nungsruf!) Das ist wirklich unfassbar! Es ist unfassbar, was Sie hier aufführen! (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Denken Sie ein bisschen nach, was Sie sagen! (Bundesrat Spanring: Ja, ja!)

Man darf annehmen, dass alle, die hier sind, regelmäßig Medien konsumieren. Seit Jahren sind darin fast täglich Berichte über die verheerenden Folgen der Klimakrise zu lesen: Hitzewellen mit Hunderten und Tausenden von Toten, absurde Temperatur­re­korde, Waldbrände, Tornados, die ganze Dörfer und Städte hinwegfegen – auch in unse­rer Gegend –, Überschwemmungen – auch bei uns –, Hagelstürme, Ernteausfälle, Was­sermangel, massives Artensterben, Ausbreitung von Schädlingen – Stichwort Bor­ken­käfer –, Abschmelzen des antarktischen Eises, Auftauen der Permafrostböden, Abrut­schen des Grönlandeises, rapides Abschmelzen der Alpengletscher, Korallenster­ben, Anstieg des Meeresspiegels und Sturmfluten, Versinken ganzer Inselgruppen, Dutzende Millionen flüchtender Menschen bedingt durch die Unbewohnbarkeit ganzer Gegenden durch die Klimaerhitzung. Diese Aufzählung ließe sich leider noch lange, lange fort­führen, ganz aktuell gab es vergangene Nacht katastrophale Unwetter in Deutsch­land mit inzwischen über 40 bestätigten Toten.

Ich möchte an die Debatte erinnern, die wir heute Morgen zum Thema Biodiversität mit vielen emotionalen Reden geführt haben, in denen gesagt wurde, wie wichtig es doch sei, eine intakte Biosphäre zu haben. Wo sind denn jetzt die Konsequenzen dieser Reden? – Frau Kahofer hat zum Beispiel bei einem anderen Thema, das Sie unterstützt haben, gesagt – ich habe mir das hier aufgeschrieben –: „Da muss das grüne Minis­terium einfach seine Interessen durchsetzen.“ Das war betreffend Biodiversität. (Heiter­keit des Redners.) – Ja, das nehmen wir uns zu Herzen, das können wir Ihnen ver­sprechen. (Bundesrätin Schumann: Lachen Sie jetzt über Kollegin Kahofer? Haben Sie gelacht über sie?)

Sie müssen, wenn Sie in die Medien schauen, davon gehört haben, dass sich die Wis­senschaft längst einig ist, was an der Klimakrise schuld ist, nämlich – noch einmal in Erinnerung an heute Morgen – allen voran die Verbrennung fossiler Energieträger und die Zerstörung funktionierender Ökosysteme. Sie müssen davon gehört haben, was die Wissenschaft sagt, was geschehen muss, um die großen Katastrophen – denn wir sind erst am Beginn – abzuwenden und auch in Zukunft ein gutes Leben auf diesem Planeten zu haben, unseren Kindern und Enkeln ein freies Leben zu ermöglichen.

Es geht darum, in einer fast unglaublichen Geschwindigkeit die Emissionen herunter­zufahren, sie in zehn Jahren zu halbieren – also mindestens zu halbieren – und in spätestens 30 Jahren überhaupt keine Klimagifte mehr freizusetzen. Die Wissenschaft sagt uns, dass unser Klimabudget in nicht einmal zehn Jahren aufgebraucht ist, wenn wir in Österreich auf diesem Emissionsniveau weitermachen – in nicht einmal zehn Jahren! Wenn Sie einen Blick in die österreichische Emissionsbilanz des Umwelt­bundes­amtes werfen, werden Sie sehen, wer hauptverantwortlich für die Klimagiftemissionen ist, und das ist allen voran der Verkehr.

Seit 1990 sind die CO2-Emissionen im Verkehr – begleitet übrigens von einer massiven Zunahme des Autobestandes von drei auf fünf Millionen Pkws – um sage und schreibe 74 Prozent gestiegen. Damit einher geht ein extremer Flächenverbrauch. Alleine die Verkehrsflächen in Österreich versiegeln inzwischen sage und schreibe 2 000 Quadrat­kilometer. (Bundesrätin Schartel: Die Fotovoltaik ...!) Diese Zerstörungswut, sage ich ganz offen, muss endlich ein Ende haben. Vielmehr müssen endlich die ökologischen und sozialen Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Die Bundesregierung hat sich auf unsere Initiative hin und mit Blick auf die Wissenschaft zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu sein, bis 2030 sollen die Emissionen EU-weit um 55 Prozent reduziert werden, und wir werden unseren Anteil dazu beitragen. Das heißt, wir können, nein, wir dürfen schlicht und einfach nicht mehr so weitermachen wie bisher. Das gilt ganz besonders für den Verkehr. Einfach weiterzumachen und nichts zu hinterfragen wäre fahrlässig, das wäre inkonsequent und unehrlich angesichts der gesteckten Ziele, die übrigens in diesem Haus unterstützt werden. Ein weiterer unge­zügelter Straßenbau im gewohnten Ausmaß – im Übrigen war nie die Rede davon, dass einzelne Projekte nicht durchaus sinnvoll sein können – wird unweigerlich zu mehr Emis­sionen aus dem Verkehr führen. Das ist so. Das ist das Grundeinmaleins jedwedes Infra­strukturausbaus. Genau dieses Prinzip, das in den letzten Jahren angewandt wurde, hat eben zu den Problemen geführt, die jetzt da sind und beklagt werden, sprich zur hohen Verkehrsbelastung, die ja niemand in Abrede stellt.

Viele glauben aber jetzt, dem mit einer weiteren Zunahme des Verkehrs entgegenwirken zu können. Das verstehe, wer will, ich jedenfalls verstehe das nicht. Selbstverständlich ist es nur konsequent und legitim, die großen Straßenbauprojekte, um die es geht, wie angekündigt – es ist gesagt worden – hinsichtlich ihrer Klimaauswirkungen und ihres Bodenverbrauchs zu überprüfen, um zu schauen, ob die Projekte überhaupt noch zeitgemäß sind. Diese Debatte muss jetzt geführt werden und nicht in fünf Jahren, denn das wäre unredlich.

Es wurde Unsicherheit unterstellt. Es ist das Gegenteil der Fall. Wenn Projekte, die noch nicht in Bau und noch nicht im Planungsprozess sind, ein paar Monate lang evaluiert werden, bricht die Welt nicht zusammen, vor allem fallen keine weiß ich wie großen Kosten an. Das sind alles Projekte, die in zig Jahren und Jahrzehnten gemessen werden. Das ist eine gut investierte Nachdenkpause und Überprüfungspause.

Ja, wir brauchen aufgrund des Klimaschutzes, des Bodenverbrauchs und aus sozial­politischen Gründen eine grundlegende, neue Konzeption der Verkehrspolitik im Sinne der Leistbarkeit der Mobilität. Individualverkehr ist das Teuerste – das habe ich hier herinnen schon oft gesagt – und das Unsozialste. Es geht um eine neue Konzeption der Verkehrspolitik im Sinne der Menschen und nicht vorrangig im Sinne der Autos, im Sinne des öffentlichen Verkehrs, um dem sanften Verkehr mehr Raum zu geben, und wir müssen endlich aufhören – ich spitze zu, ich weiß schon, aber das ist die Grundten­denz –, die Welt aus der Windschutzscheibenperspektive gestalten zu wollen. Es braucht jetzt Mut und es muss auch ein bissel Gegenwind ausgehalten werden, um zu schauen, ob es nicht bessere Lösungen für die Verkehrsprobleme gibt. (Bundesrat Spanring: Das wissen wir aber schon selber!)

Es braucht natürlich noch mehr – auch das ist Thema in der Anfrage –, selbst­verständ­lich! Es braucht noch mehr Rahmenbedingungen wie beispielsweise die ökosoziale Steuerreform, der Klimaschutz soll in die Verfassung; aber es wurden auch bereits Maß­nahmen gesetzt, etwa die Änderungen bei der NoVA. Ich möchte schon eines anmerken, weil immer wieder das Gegenteil behauptet wurde: Etwas, was wir wirklich systematisch und in einem noch nie da gewesenen Ausmaß in diesem Land machen, ist, diese Zielsetzungen mit Alternativen zu begleiten. Seit es Österreich gibt, hat es noch nie so viel Geld für den ÖV in diesem Land gegeben. Noch nie! (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Noch nie ist so viel Geld für die Bahn, für den ÖV da gewesen: jetzt 100 Millionen Euro für das 1-2-3-Ticket für die Länder. Es gibt – weil es angesprochen wurde – 650 Millionen Euro für den Tausch von Heizungen, 100 Millionen Euro für heuer und das nächste Jahr und noch einmal 100 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre im Finanzrahmenplan, um Menschen, die es brauchen, Heizungen in den Keller zu stellen.

Zur NoVA: Es hat noch nie solche Förderungen für Elektromobilität gegeben. Die Betriebe nehmen das fantastisch an. Sie zahlen auch keine Mehrwertsteuer. Mir haben zwei, drei Unternehmer vorgerechnet, dass es für sie aufgrund dieser Vergünstigungen drastisch billiger kommt, einen Pkw, einen Kleintransporter anzuschaffen, der elektrisch fährt, als ein Benzinauto. (Bundesrat Spanring: Das sind keine Förderungen, wenn das der Steuerzahler zahlt!) Das sind ganz wichtige Maßnahmen, um die Transformation voranzutreiben, bestens begleitet mit super Förderprogrammen.

Die wütenden und teils drohenden Reaktionen und Klagen – eine Verfassungsklage, was weiß ich was alles –, die es jetzt aufgrund der Ankündigung der Evaluation gab, sind durchaus eine Offenbarung. Ich habe mich schon geärgert, teilweise hat es mich aber auch nicht gewundert. Es zeigt halt – diese Kritik werden jetzt manche aushalten müs­sen –, dass Klimaschutz für viele, auch hier herinnen, ein Sonntagslippenbekenntnis ist: Klimaschutz dann, wenn sich nichts ändert, wenn es für alle gemütlich ist, wenn man sich nicht hinstellen und keinen Gegenwind aushalten muss. Dabei ist noch nicht einmal etwas entschieden, aber man hüpft schon einmal an die Decke. Dass man die Projekte nicht einmal überprüfen darf, ist schon bemerkenswert. Ich sage das jetzt auch ganz offen in Richtung meiner Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ (Heiterkeit und Oh-Rufe der Bundesrätinnen Schumann und Grimling): Ich finde es besonders enttäuschend, was Sie machen, weil ich mir ehrlich mehr von Ihnen erwartet hätte. (Bundesrätin Grimling: Aber nein! Was wir uns alles erwartet haben! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Wir haben auch mehr von den Grünen erwartet!) Das ist wirklich eine Enttäuschung gewesen. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die SPÖ – das werden Sie jetzt aushalten müssen (Ruf bei der SPÖ: Wir halten alles aus!) – pocht darauf und trompetet täglich die Bedeutung des Klimaschutzes. Wie oft wurde uns in den letzten Monaten vorgeworfen, wir tun zu wenig, es gehe so langsam voran. (Bundesrätin Schumann: Jetzt haben wir das Erneuerbaren-Gesetz mitbeschlos­sen und jetzt kriegen wir eine drauf?) Wie vehement wurde – richtigerweise; ich streite ja nicht einmal ab, dass da etwas dran ist – die Umsetzung des Klimavolksbegehrens gefordert? Das ist übrigens in einem super Antrag gemündet. (Bundesrätin Schumann: Wir haben mitgestimmt ...! – Bundesrätin Grimling: Wir haben eh mitgestimmt, was willst von uns?!) Es ist – das verrate ich Ihnen – nicht schwer zu erraten, was die Initia­torInnen des Klimavolksbegehrens von den großen Straßenbauprojekten halten. Was glauben Sie wohl, was sie sagen werden?

Und jetzt haben Sie einen Antrag eingebracht – das ist wirklich erstaunlich –, dass die gesamte Evaluierung für alle Projekte gestoppt wird, für alle! Man soll also nicht mehr hinsehen dürfen, null hinterfragen: Alles ist sakrosankt, das alles sind superkluge Projekte!, sagen Sie. (Bundesrat Reisinger: Die Projekte wurden geprüft, jahrelang! ... Naturschutz! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Waren Sie schon einmal auf Urlaub mit dem Flugzeug oder so?) Im Antrag argumentieren Sie sogar, dass Sie um die entgangene Lkw-Maut fürchten. Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen! Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber mit einer glaubwürdigen Klimaschutzpolitik hat das nichts mehr zu tun. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling. – Bundesrätin Schumann: Ja, komm! – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Ihr seids ja ...!) Ich appelliere da auch an unseren Koalitionspartner, in sich zu gehen (weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), auch im Umgang mit dieser Debatte, betreffend die Evaluation großer und übrigens sehr teurer Straßenbauprojekte; man könnte da und dort das Geld auch für eine noch stärkere Unterstützung von Alternativen, die wir brauchen, und zur sozialen Abfederung verwen­den.

Zum Schluss: Bitte, liebe Kollegen, liebe Landeshauptleute, kommt auf den Boden! Es wird noch ein paar Monate evaluiert und dann werden wir weiterdiskutieren. (Bundesrat Zaggl: Das sind Lippenbekenntnisse! – Bundesrätin Grimling: Na mit ihm! Super!) Das ist der normalste Prozess der Welt. Das ist der normalste Prozess in einer Demokratie. Ich ersuche schon, Verständnis dafür aufzubringen, dass es schlichtweg eine Pflicht ist, zu prüfen, ob all diese Projekte noch zeitgemäß sind und ob im Lichte der Herausfor­derung Klimaschutz und Biodiversität da und dort nicht andere Lösungen angebrachter sind. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

17.18

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Vielen Dank.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile ihm dieses.