20.16

Bundesrat Dr. Karlheinz Kornhäusl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren, die Sie noch via Livestream zugeschaltet sind! Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger hat vor allem gegen Ende ihrer Ausführungen sehr schön noch einmal erläutert, worum es in diesem großen Paket heute geht: um das Wohnpaket, das geschnürt werden soll, um Delogierungen vorzubeugen; um das Freiwilligengesetz, das entsprechend adaptiert werden soll und bei dem Zeitrahmen verlängert werden sollen.

Ich für meinen Teil möchte insbesondere auf den großen Bereich des Bundespflege­geldgesetzes eingehen. Sie können sich sicherlich vorstellen, warum, und ich werde Ihnen das auch gerne erklären: weil mittlerweile kaum ein Nachtdienst mehr vergeht, in dem ich tätig bin, in dem ich nicht einen alten Menschen, eine Frau, einen Mann, auf­nehmen muss, weil er zu Hause keine Versorgung mehr hat. Das heißt, ich könnte ihn aus rein medizinischen Gesichtspunkten wieder nach Hause entlassen, dort ist aber niemand mehr, der auf diesen Menschen achtgibt und schaut.

Das ist natürlich in doppelter Hinsicht widersinnig, muss man sagen, zum einen – das ist das Technokratischere –, weil er dann in einem Akutbett im Spital liegen muss, das natürlich eine der teuersten Einrichtungen ist, die wir im Gesundheitssystem vorhalten können, und zum Zweiten – und das ist ja eigentlich noch das viel Schlimmere –, weil es natürlich ein Krankenhaus ist, wo man sich mit ansteckenden Krankheiten infizieren kann, und das ist ja etwas, was nicht sein müsste.

Ich persönlich habe immer gesagt, dass die Frage nach der Versorgung alter Menschen eine der zentralen Fragen ist, auf die wir in der Politik Antworten finden müssen.

Wie schaut die Istsituation aus? – Es gibt im Augenblick rund 466 000 Menschen in Österreich, die Pflegegeld beziehen. Das bedeutet, dass 466 000 Menschen in Öster­reich leben, die auf irgendeine Art und Weise Hilfe brauchen, um ihren Alltag bewältigen zu können. Das ist ein Bedarf, der natürlich steigen wird, das wird nicht weniger werden. Gleichzeitig haben wir knapp unter einer Million Menschen, die ihre (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ihre Angehörigen!) Angehörigen zu Hause pflegen, betreuen und sich liebevoll um sie kümmern.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie wissen das selber sicherlich aus Ihrem Umfeld, aus Gesprächen, und das sagen eigentlich alle Studien und Umfragen: Was ist denn der größte Wunsch eines älter werdenden Menschen? – So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben und nach Möglichkeit auch zu Hause betreut und gepflegt zu werden, in der eigenen gewohnten Umgebung. Und da gibt es schon viel, was vor allem die Länder da auf den Weg gebracht haben, da starten wir Gott sei Dank nicht bei null. Warum ist das so? – Weil – und das wissen Sie, denke ich – die Zustän­digkeit für Sachleistungen in der Pflege ja schon sehr lange bei uns Bundesländern liegt und die Länder eben, wie ich schon erwähnt habe, da schon tolle, innovative Projekte auf den Weg gebracht haben.

Ich habe ein Beispiel aus meinem eigenen Bundesland mitgebracht, aus der Steiermark, ein Beispiel, auf das wir zu Recht stolz sein können, nämlich die sogenannte Pflege­drehscheibe. Das ist eine ganz wunderbare Einrichtung, in der Expertinnen und Experten in jeder Bezirkshauptmannschaft des Landes jeden Tag zugegen sind, um betroffene Angehörige zu beraten – in Fragen der Pflege, beim Ausfüllen von Formularen, bei der Bewältigung des Alltags.

Das ist eine wirklich großartige Einrichtung, und erst jetzt hat unsere Gesundheits­landes­rätin verkündet, dass da weiter Personal aufgestockt werden soll, weil der Bedarf eben so groß ist. Mit der Änderung dieses Bundespflegegeldgesetzes, die wir heute be­schließen wollen, schaffen wir eine weitere Möglichkeit für solch innovative Projekte.

Kollegin Hauschildt-Buschberger hat es bereits erwähnt: Die Communitynurses können, werden und sollen genau so etwas sein, nämlich keine Konkurrenz zu bestehenden Modellen, sondern eine sinnvolle Erweiterung und Ergänzung zur bedarfsorientierten, wohnortnahen und niederschwelligen Versorgung. Das ist schon einiges an Geld: Wir reden da immerhin von 54 Millionen Euro aus EU-Mitteln, die jetzt in einer ersten Stufe zur Verfügung gestellt werden sollen, damit dieses Pilotprojekt im Herbst flächen­deckend in ganz Österreich starten kann.

Diese Communitynurses sollen in erster Linie Ansprechpartner sein, der erste Ansprech­partner, wenn es um Fragen der Versorgung geht. Sie sollen eine Koordinierungsfunk­tion wahrnehmen, sie sollen abwägen und einschätzen: Welcher Bedarf ist denn ge­geben? Welche Form der Versorgung ist denn für die Jeweilige oder den Jeweiligen die richtige?

Noch eine Aufgabe, wie ich finde, sollten Communitynurses vermehrt wahrnehmen – Sie alle kennen den Spruch: Vorbeugen ist besser als heulen und heilen! –, nämlich die Prävention. Da müssen wir massiv ansetzen und da müssen wir Maßnahmen setzen, um zu mehr gesunden Lebensjahren zu kommen, um die schwere Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich hinauszuschieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir starten jetzt eine Vielzahl an Schritten innerhalb einer großen Pflegereform (Bundesrätin Schumann: Na!), und ich danke dem Bundes­minister für Gesundheit, ich danke der gesamten Bundesregierung, dass dieses wichtige Thema angepackt wird und dass wir uns hier auf den Weg begeben, diese, wie ich es eingangs erwähnt habe, dringliche Frage zu lösen; denn ich darf Ihnen eines sagen: Das ist nicht nur eine Notwendigkeit, das ist – das ist meine tiefe Überzeugung – vor allem eine gesellschaftliche und politische Pflicht. Ich bin der Überzeugung, dass wir es ge­meinsam – Bund, Länder, Kommunen – schaffen werden, diese wichtige Frage betref­fend die Versorgung der älteren Bevölkerung zu lösen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

20.23

Vizepräsident Günther Novak: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr das Wort.