11.57

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Schwindsackl hat schon sehr viel zum Rahmen des Berichts der Volksanwaltschaft gesagt, und Frau Kollegin Prischl hat schon weitreichen­de Ausführungen über die Dinge, die in der Pflege passiert sind, gemacht. Sie hat ganz richtig erwähnt, dass auch der ORF diese Woche schon getitelt hat: „‚Alarmstufe Rot‘ in der Pflege“. Auch ich hatte einige Worte dazu vorbereitet, möchte das Gesagte aber jetzt nicht wiederholen.

Was mir aber trotzdem besonders wichtig ist, zu erwähnen, da ja die Pflege Länderkom­petenz ist: Teilweise wurden von den Ländern – da möchte ich dann speziell auf Oberös­terreich eingehen – überschießende Maßnahmen getroffen, für die es in den Gesetzen keine rechtliche Grundlage gab. Das wurde auch festgestellt.

Man muss schon ganz offen sagen – da beziehe ich mich jetzt eben auf Oberösterreich ‑: Es war tatsächlich so, dass in vielen Heimen, in Alten- und Pflegeheimen, die Menschen eingesperrt wurden, obwohl es im Prinzip dafür keine Veranlassung gab. Es gab nämlich für alle – für Sie und mich – vier Gründe, das Haus zu verlassen, aber gerade im Kontext der Altenbetreuung wurde das oft anders gehandhabt.

Wie gesagt, viele Sachen wurden schon angesprochen, aber einige ganz krasse Punkte möchte ich noch ausführen. Das Land Oberösterreich hat zum Beispiel im April 2020 bei Wiederaufnahme beziehungsweise Neueinzug aus dem häuslichen Bereich den Einrich­tungen empfohlen, Personen neben einem negativen Covid-19-Testergebnis auch noch vorsorglich 14 Tage im Einzelzimmer zu isolieren.

Das hat in der Realität wirklich bedeutet, dass Menschen – die Aufnahme ist hauptsäch­lich ab Pflegestufe 4 – sich in einer völlig fremden Umgebung alleine zurechtfinden mussten und lediglich mit dem Pflegepersonal in Schutzausrüstung Kontakt hatten. Das war natürlich eine enorm belastende Situation, für die tatsächlich keine gesetzliche Grundlage bestand, sondern die lediglich auf dem Argument des Gesundheitsschutzes basierte. Diese Praxis fand dann auch Eingang in den Bericht der Volksanwaltschaft, und das – eben diese präventiven Isolierungen – wurde auch in anderen Bundesländern wie in der Steiermark, im Burgenland und in Salzburg festgestellt.

Auch bei Rücküberstellungen aus Spitälern beziehungsweise, wie schon erwähnt, bei Neuaufnahmen wurde, selbst wenn davor ein negativer PCR-Test gemacht wurde und Nachweise darüber vorlagen, eine 14-tägige beziehungsweise später dann eine zehntä­gige vorsorgliche Absonderung angeordnet. Was die vorsorgliche Zimmerisolierung in diesen Fällen betrifft, gibt es sogar eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, die klarstellt, dass im konkreten Fall von der Bewohnerin – da geht es konkret um eine Be­wohnerin – kein Risiko zur Ansteckung mit Covid-19 ausging beziehungsweise das Ri­siko nicht über jenem lag, das bei anderen Menschen bestanden hat. Aus diesem Grund war diese Freiheitsbeschränkung, speziell in der Form einer vorsorglichen Zimmerisolie­rung – aufgrund der hausinternen Richtlinie nämlich –, unzulässig.

Ganz krass fand ich zum Beispiel auch, dass es bei Zuwiderhandlung gegen Anord­nungen der Heimleitung Drohungen im Sinne der Kündigung eines Heimvertrages gege­ben hat, die tatsächlich teilweise auch das Tatbild der Nötigung erfüllt haben. (Zwischen­ruf des Bundesrates Hübner.) Das sind schon Sachen, die ausgesprochen werden müs­sen.

Etwas Positives muss ich aber auch erwähnen: Aufgrund dieser besonderen Situation, die in den Pflegeheimen noch zusätzlich durch Corona entstanden ist, war es so, dass im Januar dieses Jahres unser Gesundheitsminister auch die Taskforce Pflege ins Le­ben gerufen hat und noch einmal ganz genau eben diese schlechten Zustände in der Pflege angeschaut wurden. Dort wurden auch schon prioritäre Themenfelder erarbeitet und für die Pflegereform herauskristallisiert. (Vizepräsidentin Schwarz-Fuchs über­nimmt den Vorsitz.)

Da geht es eben um die Verlässlichkeit in der Pflege, um die Betreuung und um die Sicherheit des Systems, darum, die Einsamkeit zu mindern und das Miteinander zu fördern, die Leistung der Pflegenden – auch ein ganz wichtiger Punkt – durch angemes­sene Rahmenbedingungen anzuerkennen, die Entlastung für pflegende Angehörige zu schaffen, Demenz zu begegnen und vorausschauend zu planen und zu gestalten. Zu diesen fünf Themenfeldern wurden zusätzlich noch 17 Ziele formuliert und mit 64 Maß­nahmenpaketen untermauert.

Ich möchte aber trotzdem jetzt noch ganz kurz auf einen weiteren Themenbereich ein­gehen, der heute noch nicht besprochen wurde. Da geht es um doch 40 Prozent der Fälle im Bereich des BMI, die Anlass zu einer Tätigkeit der Volksanwaltschaft gaben, und da möchte ich ein paar kleine Sequenzen aus dem Bereich des Asyl- und Fremden­rechtes erwähnen.

Da war es insbesondere die Verzögerung bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln, die im Fokus der Kritik stand, aber auch die langen Beschwerdeverfahren vor dem BVwG. Wie klar sein muss, bringen gerade die Verzögerungen bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln die Antragstellerinnen und Antragsteller oftmals in finanzielle Notlagen, führen oftmals zum Verlust des Arbeitsplatzes beziehungsweise sogar zum Verlust der Wohnung. Das sind natürlich weitreichende Probleme, die möglicherweise auch vermeidbar gewesen wären, und – das wurde auch schon im Bericht 2019 erwähnt – die lange Verfahrens­dauer von Säumnisbeschwerden vor dem BVwG sieht die Volksanwaltschaft als beson­ders problematisch.

Ein Punkt, den ich nicht unerwähnt lassen möchte, ist die Unterbringungssituation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Daran ist das UNHCR sehr interessiert und hat sich Betreuungsstellen und Rückkehrberatungseinrichtungen in Schwechat und in Fieberbrunn genau angeschaut. Das UNHCR kam zu dem Ergebnis, dass die Unter­bringung sowohl am Standort Schwechat als auch in Fieberbrunn mit dem Kindeswohl nicht vereinbar ist.

Die Kritikpunkte reichen von der Unterbringung in schlecht isolierten Containern – teil­weise gemeinsam mit Erwachsenen in schlechter Verfassung – über fehlende Grünflä­chen, Spiel- und Sportplätze – also eigentlich ganz einfache Dinge, die man machen könnte – bis hin zur mangelnden Betreuung. Leider gibt es auch keinen Schulbetrieb oder schulähnlichen Betrieb oder ein passendes Bildungskonzept oder qualifiziertes Per­sonal.

Da kritisiert die Volksanwaltschaft die nicht kindeswohlgerechte Unterbringung von Min­derjährigen in der Betreuungsstelle Schwechat, insbesondere von Januar bis März 2020, begrüßt im Gegenzug aber auch die Verbesserungen, die durchgeführt worden sind. Aber – und ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt – solange nicht alle Empfehlungen des UNHCR umgesetzt sind, vertritt die Volksanwaltschaft die Auffassung, dass zum Schutz des Kindeswohls keine Kinder oder Jugendlichen in der Betreuungsstelle Schwe­chat untergebracht sein sollten. Jetzt komme ich schon zum Ende. Es ist leider so: Auch heute sind Kinder und Jugendliche unter den bestehenden, weiterhin noch schlechten Bedingungen dort untergebracht. Ich schließe meine Ausführung an diesem Punkt.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch sehr herzlich für die umfangreichen Berichte, die Dinge ans Licht bringen, die man auch erwähnen muss, bedanken, und möchte noch einmal für die wertvolle Arbeit danksagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.06

Vizepräsidentin Mag. Christine Schwarz-Fuchs: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Daniela Gruber-Pruner. Ich erteile ihr dieses. – Bitte.